Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2001 - IV ZB 3/01

bei uns veröffentlicht am27.06.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 3/01
vom
27. Juni 2001
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Für die Beschwer des zur Auskunft Verurteilten kommt es nicht auf
den Aufwand zur Beantwortung von Fragen an, die über den Tenor
des Auskunftsurteils hinausgehen.
BGH, Beschluß vom 27. Juni 2001 - IV ZB 3/01 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Ambrosius und den Richter Wendt
am 27. Juni 2001

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17. Januar 2001 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 500 DM

Gründe:


I. Die Beklagte wendet sich gegen die Verwerfung ihrer Berufung, weil die erforderliche Beschwer (§ 511a Abs. 1 Satz 1 ZPO) nicht erreicht sei. Das Landgericht hatte die Beklagte gemäß § 2314 BGB verurteilt , über den Nachlaß ihres verstorbenen Ehemannes Auskunft durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses nebst Belegen zu erteilen. In den Entscheidungsgründen des Urteils wird ausgeführt, die Beklagte habe zwar über Bankkonten und Wertpapierdepots umfassend Auskunft erteilt, nicht aber über die Gegenstände, die der Erblasser in Besitz hatte, sowie über ausgleichspflichtige Zuwendungen und Schenkungen des Erb-

lassers in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod. Mit ihrer rechtzeitig am 26. Juni 2000 eingegangenen Berufung hat die Beklagte geltend gemacht , der Auskunftsanspruch sei bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 12. April 2000 erfüllt gewesen ; jedenfalls habe sie den Anspruch durch Schriftsatz vom 12. Mai 2000 nebst Anlagen erfüllt. Auch danach habe sie weitere Fragen der Kläger beantwortet, um außerhalb jeder Rechtspflicht Streit möglichst zu vermeiden. Demgegenüber haben die Kläger den Standpunkt vertreten, die Berufungssumme des § 511a ZPO sei nicht erreicht. Die mit Hilfe eines Sachverständigen gefertigte Bestandsaufnahme der Einrichtung und des Hausrats in der Wohnung des Erblassers in K. sei bereits mit Schriftsatz der Beklagten vom 12. Mai 2000 vorgelegt worden. Die vom Sachverständigen weiterhin vorgenommene Wertermittlung werde von dem angefochtenen Urteil nicht verlangt.
Mit Beschluß vom 27. Oktober 2000 hat das Berufungsgericht den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 500 DM festgesetzt. Maßgebend für die Bemessung der Beschwer sei nach § 4 ZPO der Zeitpunkt des Eingangs des Rechtsmittels. Da der titulierte Anspruch nach dem Vorbringen der Beklagten bereits erfüllt gewesen sei, könne es - wenn überhaupt - nur noch um einen ganz geringen weiteren Aufwand an Zeit und Kosten gehen. Dem hat die Beklagte entgegengehalten, die gegnerischen Prozeßbevollmächtigten hätten weitere Auskünfte verlangt. Darauf habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 4. Juli 2000 geantwortet, der Erblasser habe keine weitere Wohnung in W. und auch keine weiteren Konten unterhalten oder Beteiligungen innegehabt. Das habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 25. August 2000 unter Vorlage negativer

Bankauskünfte bestätigt. Dafür sei eine Korrespondenz erforderlich geworden , für die noch nicht berechnete Anwaltskosten angefallen seien. Insgesamt habe die Beklagte mithin ihrer Auskunftspflicht in einem überobligationsmäßigen Umfang genügt. Für die Bemessung des Streitwerts komme es darauf an, daß die Kläger mit den bisher erteilten Auskünften immer noch nicht zufrieden seien.
Das Berufungsgericht hat durch den angegriffenen Beschluß vom 17. Januar 2001 die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Gegen diesen, am 25. Januar 2001 zugestellten Beschluß wendet sich die Beklagte mit ihrer am 1. Februar 2001 eingegangenen sofortigen Beschwerde.
II. Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 519b Abs. 2, 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hatte das Rechtsmittelinteresse der Beklagten hier gemäß § 3 ZPO aufgrund freien Ermessens festzusetzen. Seine Entscheidung kann nur darauf überprüft werden, ob die Grenzen des Ermessens überschritten sind oder das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1999 - IX ZR 351/98 - NJW 1999, 3050 unter III). Das ist nicht ersichtlich.
1. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, daß sich die Beschwer des zur Auskunft Verurteilten nach dem Aufwand an Zeit und Kosten bemißt, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert (st. Rspr. seit BGHZ 128, 85 ff.). Für die Beschwer maßgebend

ist also nur derjenige Aufwand, den die Beklagte leisten mußte, um dem Tenor des landgerichtlichen Urteils zu genügen, nicht dagegen zusätzlicher Aufwand, der durch die Beantwortung weiterer Fragen der Kläger entstanden sein mag. Daß die Auskunft der Beklagten vollständig sei, brauchte sie nach dem Urteil des Landgerichts nicht durch Negativauskünfte zu belegen; über die von den Klägern angekündigten weiteren Anträge auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (§ 260 Abs. 2 BGB) und Wertermittlung (§ 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB) war noch nicht entschieden worden. Die Beklagte war zwar zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten bemüht, die Vollständigkeit ihrer Auskunft zu belegen und den Wert des Hausrats durch einen Gutachter zu ermitteln. Das ist aber für ihre Beschwer durch das Auskunftsurteil des Landgerichts ebensowenig von Bedeutung wie der Umstand, daß sie den Klägern bereits Zahlungen auf ihren Pflichtteilsanspruch geleistet hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1997 - IV ZR 31/97 - FamRZ 1998, 364).
2. Weiter hat das Berufungsgericht mit Recht den Aufwand unberücksichtigt gelassen, den die Beklagte in der Zeit vor Einlegung ihrer Berufung geleistet hatte. Für die Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstandes ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels maßgebend (§ 4 Abs. 1 ZPO; BGH, Beschluß vom 8. Oktober 1982 - V ZB 9/82 - NJW 1983, 1063 unter II 2). Soweit ein verurteilter Beklagter die ihm im Urteilstenor aufgegebenen Leistungen vor Einlegung seines Rechtsmittels nicht etwa nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erbringt, sondern vorbehaltlos erfüllt, entfällt seine Beschwer (BGH, Beschluß vom 13. Januar 2000 - VII ZB 16/99 - NJW 2000, 1120 unter II 1; Urteil vom 16. November 1993 - X ZR 7/92 - NJW

1994, 942 unter A; ferner zur Auskunftsverurteilung BGH, Beschluß vom 15. Mai 1996 - XII ZB 33/96 - FamRZ 1996, 1331 unter II 1 a und b; Beschluß vom 10. Juli 1996 - XII ZB 15/96 - FamRZ 1996, 1543 unter II 2 b). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung ausdrücklich vorgetragen, selbst wenn der Auskunftsanspruch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht noch nicht erfüllt gewesen sei, habe sie ihn jedenfalls durch ihren Schriftsatz vom 12. Mai 2000 befriedigt, der den Vorstellungen des Landgerichts in jeder Hinsicht gerecht werde. Diese Auffassung hat die Beklagte auch nach dem Streitwertbeschluß des Berufungsgerichts vom 27. Oktober 2000 und auch in ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß vom 17. Januar 2001 bekräftigt. Sie hat aber geltend gemacht, wenn Aufwendungen vor Einlegung der Berufung unberücksichtigt blieben, komme man zu dem unbefriedigenden Ergebnis, daß eine Klärung der - von den Klägern bezweifelten - Auffassung der Beklagten, sie habe ihre Auskunftspflicht erfüllt, in der Berufungsinstanz nicht möglich sei. Es ist jedoch als Folge des von § 511a ZPO für die Zulässigkeit der Berufung geforderten Mindestwerts der Beschwer hinzunehmen, daß Rechtsfragen ungeklärt bleiben, weil dafür ein Rechtsmittel nicht eröffnet ist. Im übrigen hätte die Beklagte abwarten können, ob die Kläger gerichtliche Hilfe zur Durchsetzung weiterer Auskünfte in Anspruch nehmen, und dann ihren Standpunkt vertreten können.

3. Danach ist das Berufungsgericht mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagte habe nicht glaubhaft gemacht (§ 511a Abs. 1 Satz 2 ZPO), daß die vom Landgericht geforderte Auskunft, soweit sie nicht bis zur Einlegung der Berufung schon erteilt worden war, noch einen zusätzlichen Aufwand im Wert von mehr als 1.500 DM notwendig mache.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Ambrosius Wendt

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 4 Wertberechnung; Nebenforderungen


(1) Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht,

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 260 Pflichten bei Herausgabe oder Auskunft über Inbegriff von Gegenständen


(1) Wer verpflichtet ist, einen Inbegriff von Gegenständen herauszugeben oder über den Bestand eines solchen Inbegriffs Auskunft zu erteilen, hat dem Berechtigten ein Verzeichnis des Bestands vorzulegen. (2) Besteht Grund zu der Annahme, dass das

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2314 Auskunftspflicht des Erben


(1) Ist der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe, so hat ihm der Erbe auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass er bei der Aufnahme des ihm nach § 260 vorzulegenden Verzeichniss

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Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

(1) Ist der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe, so hat ihm der Erbe auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass er bei der Aufnahme des ihm nach § 260 vorzulegenden Verzeichnisses der Nachlassgegenstände zugezogen und dass der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird. Er kann auch verlangen, dass das Verzeichnis durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird.

(2) Die Kosten fallen dem Nachlass zur Last.

(1) Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, entscheidend; Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.

(2) Bei Ansprüchen aus Wechseln im Sinne des Wechselgesetzes sind Zinsen, Kosten und Provision, die außer der Wechselsumme gefordert werden, als Nebenforderungen anzusehen.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

(1) Wer verpflichtet ist, einen Inbegriff von Gegenständen herauszugeben oder über den Bestand eines solchen Inbegriffs Auskunft zu erteilen, hat dem Berechtigten ein Verzeichnis des Bestands vorzulegen.

(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen den Bestand so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.

(3) Die Vorschrift des § 259 Abs. 3 findet Anwendung.

(1) Ist der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe, so hat ihm der Erbe auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass er bei der Aufnahme des ihm nach § 260 vorzulegenden Verzeichnisses der Nachlassgegenstände zugezogen und dass der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird. Er kann auch verlangen, dass das Verzeichnis durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird.

(2) Die Kosten fallen dem Nachlass zur Last.

(1) Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, entscheidend; Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.

(2) Bei Ansprüchen aus Wechseln im Sinne des Wechselgesetzes sind Zinsen, Kosten und Provision, die außer der Wechselsumme gefordert werden, als Nebenforderungen anzusehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 16/99
vom
13. Januar 2000
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Leistet eine Partei, die mit der anderen Partei als Gesamtschuldner zur Zahlung
verurteilt worden ist, den Urteilsbetrag, so entfällt damit nicht ohne weiteres die Beschwer
der anderen Partei.
BGH, Beschluß vom 13. Januar 2000 - VII ZB 16/99 - OLG Köln
LG Bonn
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Januar 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. Haß, Hausmann,
Dr. Wiebel und Wendt

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1 wird der Beschluß des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. Juni 1999 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: bis 8.000 DM

Gründe:


I.

Die Klägerin hatte eine Treppenanlage für einen Neubau geliefert und dort eingebaut. Die beiden Beklagten, auf deren Grundstück der Neubau steht, betreiben dort ein Medizinzentrum. Wer und in wessen Namen die Klägerin beauftragt hatte, ist streitig. Der Beklagte zu 2, der den Neubau als Generalübernehmer errichtet hatte, zahlte vorprozessual einen Teil der Werklohnforderung der Klägerin.
Die Klägerin hat von beiden Beklagten als Gesamtschuldner Zahlung des restlichen Werklohns gefordert. Das Landgericht hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 1998 antragsgemäß den Beklagten zu 2 durch rechtskräftig gewordenes Teilversäumnisurteil vom selben Tag und den Beklagten zu 1 durch Schlußurteil vom 22. Dezember 1998 als Gesamtschuldner zur Zahlung verurteilt. Nach Schluß der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erklärt, der Beklagte zu 2 habe den Restwerklohn einschließlich Zinsen und Mahnkosten gezahlt. Das Landgericht hat entgegen dem Antrag der Klägerin die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet. Der Beklagte zu 1 hat Berufung eingelegt und weiterhin Klageabweisung mit der Begründung begehrt, den Auftrag nicht erteilt zu haben; dem Antrag der Klägerin, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, hat er widersprochen. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel mangels Beschwer verworfen. Die vorbehaltlose Zahlung des Beklagten zu 2 habe zur endgültigen Erfüllung der streitgegenständlichen Klageforderung geführt, so daß eine Inanspruchnahme des Beklagten zu 1 aus dem Titel nicht mehr drohe. Im Hinblick auf die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten wirke die Erfüllung auch für den Beklagten zu 1. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts ist die Berufung des Beklagten zu 1 nicht mangels Beschwer unzulässig.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entfällt die materielle Beschwer einer zur Zahlung verurteilten Partei, wenn sie nach Schluß der letzten mündlichen Verhandlung und vor Einlegung eines Rechtsmittels den Urteilsbetrag vorbehaltlos zahlt (BGH, Beschluß vom 25. Mai 1976 - III ZB 4/76, LM § 511 ZPO Nr. 31; Urteil vom 16. November 1993 - X ZR 7/92, NJW 1994, 942). Dem steht gleich, wenn ein berechtigter Dritter mit Billigung der verurteilten Partei den Urteilsbetrag zahlt und damit das Schuldverhältnis der Parteien zum Erlöschen bringt (BGH, Urteil vom 24. Juni 1953 - II ZR 200/52, LM § 91 a ZPO Nr. 4). In diesen Fällen geht die Rechtsprechung von einer materiellen Erledigung der Hauptsache zwischen den Instanzen aus, so daß ein rechtsschutzwürdiges Interesse der verurteilten Partei an der Beseitigung des Urteilsausspruchs nicht mehr besteht. 2. So liegt der Fall hier nicht. Der Beklagte zu 2 hatte aufgrund des am Schluß der mündlichen Verhandlung des Landgerichts verkündeten Versäumnisurteils als Gesamtschuldner den Urteilsbetrag vorbehaltlos gezahlt. Diese Leistung führte zu einer endgültigen Befriedigung der Klägerin; das zwischen ihr und dem Beklagten zu 2 bestehende Schuldverhältnis war damit erloschen (§ 362 BGB). Die Leistung des Beklagten zu 2 hätte zu einer Erfüllung der von der Klägerin behaupteten Forderung gegenüber dem Beklagten zu 1 führen können , wenn dieser ebenfalls Schuldner des Urteilsbetrags war (§ 422 Abs. 1 BGB). Dies hat der Beklagte zu 1 im ersten Rechtszug und in seiner Berufungsbegründung in Abrede gestellt. Er hat dem angekündigten Antrag der Klägerin, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, widersprochen. Mithin steht nicht fest, daß die Zahlung des Beklagten zu 2 geeignet war, den Rechtsstreit zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1 in der
Hauptsache zu erledigen und eine materielle Beschwer des Beklagten zu 1 oder sein rechtsschutzwürdiges Interesse an ihrer Beseitigung im Rechtsmittelverfahren auszuschließen. Es ist nicht ersichtlich, daß der Beklagte zu 1 den Beklagten zu 2 bevollmächtigt hatte, die Zahlung des Urteilsbetrages zugleich in seinem Namen zu leisten, um damit seine möglicherweise bestehende Schuld gegenüber der Klägerin zu erfüllen.
Ullmann Haß Hausmann Wiebel Wendt