Bundesgerichtshof Beschluss, 24. März 2016 - III ZR 52/15

ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:240316BIIIZR52.15.0
published on 24/03/2016 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 24. März 2016 - III ZR 52/15
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Landgericht Nürnberg-Fürth, 4 O 4460/13, 24/06/2014
Oberlandesgericht Nürnberg, 4 U 1583/14, 30/01/2015

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 52/15
vom
24. März 2016
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:240316BIIIZR52.15.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann und die Richter Wöstmann, Seiters, Tombrink und Reiter

beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 30. Januar 2015 - 4 U 1583/14 - wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 16.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Klägerin nimmt die beklagte Krankenversicherung unter dem Vorwurf zu Unrecht versagter Kostenübernahme für Rehabilitationssportmaßnahmen auf Schadensersatz in Anspruch. Sie hat geltend gemacht, auf Grund der Leistungsverweigerung der Beklagten sei sie gezwungen gewesen, medizinisch notwendige funktionstherapeutische Übungen in Eigenregie durchzuführen. Am 19. November 2011 sei sie dabei gestürzt und habe erhebliche Verletzungen im Schulterbereich erlitten. Die Klägerin begehrt Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds, Ersatz materiellen Schadens in Höhe von 7.429,91 € und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen, sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr jeden weiteren Schaden aus dem Unfallereignis zu ersetzen.
2
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
3
Die Vorinstanzen haben den Streitwert - entsprechend den Angaben der Klägerin in der Klageschrift und in der Berufungsbegründung - jeweils auf 15.709,36 € festgesetzt (Schmerzensgeldantrag: 3.000 €, materieller Schaden: 7.472,91 €, Feststellungsantrag: 5.236,45 € = 50 % der vorgenannten Beträge).

II.


4
Die Beschwerde ist unzulässig, weil der gemäß § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO erforderliche Mindestwert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer von mehr als 20.000 € nicht erreicht wird.
5
1. Entgegen der Auffassung der Beschwerde beträgt der Wert der Be- schwer, soweit die Schmerzensgeldklage abgewiesen wurde, lediglich 3.000 €. Dies entspricht dem in erster und zweiter Instanz verlangten Mindestbetrag des Schmerzensgelds.
6
a) Die klagende Partei ist durch eine gerichtliche Entscheidung nur insoweit beschwert, als diese von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag zum Nachteil der Partei abweicht, ihrem Begehren also nicht voll entsprochen wor- den ist (z.B. BGH, Urteil vom 2. Februar 1999 - VI ZR 25/98, BGHZ 140, 335, 338; Beschluss vom 30. September 2003 - VI ZR 78/03, NJW-RR 2004, 102; jew. mwN). Verlangt der Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, so ist für seine Beschwer als Rechtsmittelkläger nicht der angemessene Schmerzensgeldbetrag , sondern die vom Kläger geäußerte Größenvorstellung maßgebend (BGH, Urteil vom 2. Februar 1999 aaO S. 340 f; Beschluss vom 30. September 2003 aaO). Gibt der Kläger einen Mindestbetrag an, was nicht im Klageantrag selbst geschehen muss, so ist für die Berechnung der Beschwer des Klägers von diesem Mindestbetrag auszugehen. Eine Beschwer besteht nur, soweit dieser unterschritten wurde (BGH, Urteile vom 2. Februar 1999 aaO und vom 2. Oktober 2001 - VI ZR 356/00, NJW 2002, 212, 213; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., Vor § 511 Rn. 17b). Bei vollständiger Klageabweisung ist der Kläger in voller Höhe des geäußerten Mindestbetrags beschwert (BGH, Beschluss vom 30. September 2003 aaO S. 103).
7
b) Danach kann die Klägerin im vorliegenden Fall mit der Revision betreffend das Schmerzensgeld äußerstenfalls eine Beschwer in Höhe von 3.000 € geltend machen. Die Klägerin hat in erster und zweiter Instanz zwar keinen bezifferten Antrag auf Zahlung eines Schmerzensgelds gestellt, sondern ein Schmerzensgeld verlangt, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts gestellt hat, wobei sie dieses Begehren in zulässiger Weise in die Form eines unbezifferten Klageantrags gekleidet hat. Sie hat jedoch in der Klageschrift ausgeführt , dass ein "Betrag in Höhe von 3.000,00 € nicht unterschritten" werden sollte , und hat diesen Wert in die Berechnung des (vorläufigen) Gesamtstreitwerts von 15.709,36 (siehe oben unter I.) eingestellt. In der Berufungsbegründung ist die Klägerin weiterhin von dem vorbezeichneten Mindestbetrag für das Schmerzensgeld ausgegangen. Denn sie hat unter Wiederholung des erstin- stanzlichen Antrags den Streitwert ausdrücklich erneut auf 15.709,36 € bezif- fert.
8
c) Entgegen der Auffassung der Beschwerde kann die Annahme eines Mindestbetrags für das Schmerzensgeld von 8.000 € weder auf den von der Klägerin in der ersten Instanz selbst eingereichten Schriftsatz vom 19. Mai 2014 noch auf den als Reaktion auf den Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO verfassten Schriftsatz des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 18. Dezember 2014 gestützt werden. Die Klägerin hat in der von ihr selbst gefertigten "Replik" vom 19. Mai 2014 zwar "in Abänderung des Klageantrages" ein Schmerzensgeld von 8.000 € beantragt; die beabsichtigte Klageänderung war jedoch als Prozesshandlung unwirksam, da die Klägerin im Anwaltsprozess (§ 78 Abs. 1 ZPO) nicht postulationsfähig war (vgl. Senatsurteil vom 7. Juni 1990 - III ZR 142/89, BGHZ 111, 339, 342; MüKoZPO/Toussaint, ZPO, 4. Aufl., § 78 Rn. 67; Musielak/Voit/Weth, ZPO, 12. Aufl., § 78 Rn. 7; Zöller /Greger aaO § 78 Rn. 16). Dieser Mangel ist auch nicht dadurch geheilt worden , dass die erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 28. Mai 2014 um Berücksichtigung des "Sachvortrags" aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 19. Mai 2014 bei der Entscheidungsfindung gebeten hat. Denn die geänderte Antragstellung hat sie sich gerade nicht zu Eigen gemacht. Dementsprechend ist auch der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Berufungsbegründung von einem Mindestbetrag von 3.000 € ausgegangen. Soweit der Prozessbevollmächtigte in dem späteren Schriftsatz vom 18. Dezember 2014 hinsichtlich des Streitwerts darauf hingewiesen hat, "dass dieser im Hinblick auf den Umstand, dass ein Schmerzensgeld in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Revisionsstreitwert übersteigt" , kann dem keine abweichende Angabe eines (höheren) Mindestbetrags entnommen werden, zumal die gegenüber der ersten Instanz unveränderte Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren ohne Beanstandung hingenommen wurde. Der nachfolgende Hinweis "Siehe auch autorisierten Schriftsatz der Klägerin vom 19. Mai 2014" ging ins Leere, da dieser Schriftsatz als klageändernde Prozesshandlung - wie dargelegt - unwirksam war. Die bloße in Klammern gesetzte Bezugnahme auf dieses Schreiben in dem anwaltlichen Schriftsatz vom 18. Dezember 2014 im Zusammenhang mit der Äußerung einer Rechtsauffassung zur Höhe des "Revisionsstreitwerts" kann in Ermangelung der notwendigen Klarheit auch nicht als konkludente Klageerweiterung in der Berufungsinstanz aufgefasst werden. Diese hätte im Übrigen infolge der Zurückweisung des Rechtsmittels durch den angefochtenen Beschluss ohnehin ihre Wirkung verloren (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2014 - IX ZR 204/13, WM 2015, 410 Rn. 2).
9
2. Der Wert des Antrags auf Zahlung materiellen Schadensersatzes beträgt 7.472,91 € (Klageschrift S. 7 ff). Die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten sowie die Zinsen bleiben als bloße Nebenforderungen (§ 4 Abs. 1 ZPO) außer Betracht.
10
3. Anhaltspunkte dafür, dass der Wert des Feststellungsantrags den in der Klageschrift (S. 2) angegebenen Betrag von 5.236,45 € übersteigt, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich (§ 3 ZPO). Die Klägerin hat den Wert des Feststellungsantrags selbst dadurch berechnet, dass sie ihn mit 50 % aus der Summe des Schmerzensgeldmindestbetrags von 3.000 € und des materiellen Schadensersatzes von 7.472,91 € angesetzt hat.
11
4. Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für die Bemessung des Streitwerts des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens.
Herrmann Wöstmann Seiters
Tombrink Reiter
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 24.06.2014 - 4 O 4460/13 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 30.01.2015 - 4 U 1583/14 -
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.

(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(1) Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, entscheidend; Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.

(2) Bei Ansprüchen aus Wechseln im Sinne des Wechselgesetzes sind Zinsen, Kosten und Provision, die außer der Wechselsumme gefordert werden, als Nebenforderungen anzusehen.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.