Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2018 - III ZB 87/17

ECLI: ECLI:DE:BGH:2018:110118BIIIZB87.17.0
published on 11/01/2018 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2018 - III ZB 87/17
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Landgericht Coburg, 32 T 7/17, 19/07/2017

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 87/17
vom
11. Januar 2018
in dem Prozesskostenhilfeverfahren
ECLI:DE:BGH:2018:110118BIIIZB87.17.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Hucke, Tombrink, Dr. Remmert und die Richterin Dr. Arend

beschlossen:
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Coburg - 3. Zivilkammer - vom 19. Juli 2017 - 32 T 7/17 - wird abgelehnt.

Gründe:


I.


1
Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens. Er hat beim Amtsgericht Coburg - Zentrales Mahngericht - den Erlass eines Mahnbescheids über einen Betrag von 630.000 € nebstZinsen und Auslagen beantragt. Dem zugrunde liegt die Geltendmachung eines Anspruchs wegen behaupteter rechtswidriger Haftbedingungen. Zugleich hat der Antragsteller um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Kosten des Mahnverfahrens nachgesucht. Der Antragsgegner , dem dieser Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Stellungnahme übersandt worden war, hat die Forderung als unbegründet zurückgewiesen und mitgeteilt , dass bei Erlass eines Mahnbescheids umgehend Widerspruch eingelegt würde. Daraufhin hat das Amtsgericht (Rechtspfleger) den Antrag auf Bewilli- gung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, das Mahnverfahren biete nicht die nötige Aussicht auf Erfolg und erscheine mutwillig.
2
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt , dass die Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch bei Beantragung von Prozesskostenhilfe für ein Mahnverfahren zu prüfen sei. An der Erfolgsaussicht des Mahnverfahrens fehle es, da der Antragsgegner den Anspruch bestritten und Widerspruch gegen einen zu erlassenden Mahnbescheid angekündigt habe, so dass eine ganz erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass der Antragsteller im Mahnverfahren keinen Vollstreckungstitel erlangen werde. Für ein von vornherein aussichtsloses Mahnverfahren, bei dem bereits von Anfang an nicht damit zu rechnen sei, dass ein Vollstreckungsbescheid ergehen werde, könne ein Antragsteller nicht erwarten, das Verfahren auf Kosten der Staatskasse durchführen zu können.
3
Das Landgericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, da in der Instanzrechtsprechung und der Literatur zur Frage der Zulässigkeit der Prüfung der Erfolgsaussichten im Mahnverfahren sowie zum Umfang dieser Prüfung unterschiedliche Auffassungen vertreten würden.

II.


4
Die für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens beantragte Prozesskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil das beabsichtigte Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
5
1. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Prozesskostenhilfe für das Mahnverfahren versagenden Beschluss des Amtsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Dabei kann dahinstehen, ob der beabsichtigten Rechtsverfolgung im Mahnverfahren - wie das Landgericht meint - bereits deshalb die Erfolgsaussicht fehlt, weil mit einem Widerspruch des Antragsgegners gegen einen etwaigen Mahnbescheid zu rechnen ist. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung erweist sich jedenfalls als mutwillig im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO.
6
a) Der sachliche Geltungsbereich der §§ 114 ff ZPO erstreckt sich auf alle in der Zivilprozessordnung geregelten Verfahren. Für das Mahnverfahren kann - beschränkt auf dieses Verfahren - Prozesskostenhilfe bewilligt werden; dabei gilt die Voraussetzung fehlender Mutwilligkeit auch für den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Mahnverfahren (Senat, Beschlüsse vom 10. August 2017 - III ZA 42/16, NJW-RR 2017, 1470 Rn. 5 und vom 31. August 2017 - III ZB 37/17, NJW-RR 2017, 1469 Rn. 7; BGH, Beschluss 28. November 2017 - X ZA 2/16, BeckRS 2017, 135866 Rn. 6; jeweils mwN).
7
b) Mutwilligkeit liegt vor, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei bei sachgerechter und vernünftiger Einschätzung der Prozesslage ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Aus der gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsschutzgleichheit folgt, dass die mittellose Partei nur einer solchen "normalen" Partei gleichgestellt werden muss, die ihre Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Es ist nicht Zweck der Prozesskostenhilfe , auf Kosten der Allgemeinheit bedürftigen Personen Prozesse zu ermöglichen , die eine wirtschaftlich leistungsfähige Partei bei vernünftiger und sachgerechter Einschätzung der Sach- und Rechtslage nicht führen würde (s. zum Vorstehenden Senatsbeschlüsse vom 10. August 2017 aaO S. 1470 f Rn. 6 und vom 31. August 2017 aaO Rn. 8; BGH aaO Rn. 7; jeweils mwN).
8
c) Nach diesen Maßstäben ist die Rechtsverfolgung des Antragstellers mutwillig. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage würde eine verständige Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, davon absehen, einen Mahnbescheid zu beantragen, auch wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass nach §§ 688 ff ZPO vorliegen sollten. Sie würde sich nämlich, worauf das Landgericht zutreffend abgestellt hat, davon leiten lassen, dass das mit dem Mahnverfahren verfolgte Ziel, dem Antragsteller schnell und kostengünstig zu einem Vollstreckungstitel in Gestalt eines Vollstreckungsbescheids zu verhelfen , nicht mehr erreicht werden kann, nachdem der Antragsgegner angekündigt hat, er werde gegen einen eventuellen Mahnbescheid umgehend Widerspruch einlegen. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner von dieser erklärten Absicht noch Abstand nehmen könnte, hat der Antragsteller nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Das Mahnverfahren erscheint damit im Hinblick auf die Erlangung eines Vollstreckungstitels in Gestalt eines Vollstreckungsbescheides aussichtslos. Es ist bereits jetzt absehbar, dass der Antragsteller , will er gegen den Antragsgegner einen Vollstreckungstitel erwirken, Klage erheben muss. Die Beschreitung eines prozessualen Weges (hier: des Mahnverfahrens), der erkennbar aussichtslos ist, ist mutwillig im Sinne von § 114 Abs. 2 ZPO (s. Senat, Beschluss vom 31. August 2017 aaO S. 1470 Rn. 9 f; BGH aaO Rn. 8).
9
2. Der Versagung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren steht nicht entgegen, dass das Landgericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Die vom Beschwerdegericht aufgeworfene Frage nach Zulässigkeit und Umfang der Prüfung der Erfolgsaussichten im Mahnverfahren ist nicht entscheidungserheblich , da die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Streitfall, wie ausgeführt, mutwillig erscheint und Prozesskostenhilfe schon deshalb nicht in Betracht kommt. Das Vorliegen von Mutwilligkeit kann auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung und der vorliegenden Rechtsprechung abschließend beantwortet werden (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 10. August 2017 aaO S. 1471 Rn. 9 und vom 31. August 2017 aaO Rn. 11; BGH aaO Rn. 10).
Herrmann Hucke Tombrink
Remmert Arend
Vorinstanzen:
AG Coburg, Entscheidung vom 09.05.2017 - 17-0462234-06-N -
LG Coburg, Entscheidung vom 19.07.2017 - 32 T 7/17 -
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(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

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published on 19/07/2017 00:00

Tenor 1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Mahngerichts Coburg vom 09.05.2017, Az. 17-0462234-06-N, wird zurückgewiesen. 2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. 3. Di
published on 31/08/2017 00:00

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Annotations

(1) Dem Gegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint. Die Stellungnahme kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Das Gericht kann die Parteien zur mündlichen Erörterung laden, wenn eine Einigung zu erwarten ist; ein Vergleich ist zu gerichtlichem Protokoll zu nehmen. Dem Gegner entstandene Kosten werden nicht erstattet. Die durch die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen nach Absatz 2 Satz 3 entstandenen Auslagen sind als Gerichtskosten von der Partei zu tragen, der die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sind.

(2) Das Gericht kann verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht, es kann insbesondere auch die Abgabe einer Versicherung an Eides statt fordern. Es kann Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen und Auskünfte einholen. Zeugen und Sachverständige werden nicht vernommen, es sei denn, dass auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint; eine Beeidigung findet nicht statt. Hat der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab.

(3) Die in Absatz 1, 2 bezeichneten Maßnahmen werden von dem Vorsitzenden oder einem von ihm beauftragten Mitglied des Gerichts durchgeführt.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.