Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2013 - I ZR 76/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- I. Die Klägerin zu 1 ist alleinige Lizenznehmerin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Leuchten, die Prof. Wilhelm Wagenfeld während seiner Tätigkeit am Bauhaus entworfen hat. Der Kläger zu 2 ist Testamentsvollstrecker des verstorbenen Prof. Wagenfeld. Die Klägerin zu 1 produziert und vertreibt die sogenannte Wagenfeld-Leuchte. Der Kläger zu 2 erhält nach dem Lizenzvertrag aus dem Verkauf einer jeden Leuchte eine Vergütung in Höhe von 5% des Nettoverkaufspreises.
- 2
- Die Beklagte zu 1 ist ein in Italien ansässiges Unternehmen. Sie bringt im Rahmen ihrer „Bauhaus-Kollektion“ auch Nachbildungen der Wagenfeld- Leuchte auf den Markt. Der Beklagte zu 2 ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1. Die Beklagte zu 3 ist eine Spedition, die unter anderem BauhausLeuchten vom Lager der Beklagten zu 1 in Sterzing (Südtirol/Italien) zu Kunden der Beklagten zu 1 in Deutschland transportierte. Der Beklagte zu 4 ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 3. Die Beklagte zu 1 wirbt deutschsprachig im Internet und in Printmedien unter wörtlicher oder bildlicher Bezugnahme auf die Wagenfeld-Leuchte mit der Möglichkeit des Bezugs einer derartigen Leuchte in Italien. Die Werbung enthält den Hinweis, dass deutsche Kunden die Leuchte unmittelbar oder zu Händen eines Spediteurs zur Mitnahme nach Deutschland übereignet erhalten können.
- 3
- Die Kläger haben die Beklagten - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - wegen Verletzung ihres Verbreitungsrechts aus § 17 Abs. 1 UrhG auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung in Anspruch genommen sowie Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht und Urteilsveröffentlichung beantragt. Sie sind der Ansicht, die Werbung der Beklagten zu 1 und 2 greife in das Recht zum öffentlichen Anbieten im Sinne von § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG ein. Die Beklagten zu 3 und 4 seien für das gegen § 17 Abs. 1 Fall 2 UrhG verstoßende Inverkehrbringen der Leuchten in Deutschland (mit-)verantwortlich.
- 4
- Das Landgericht hat der gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichteten Klage wegen Anbietens der Tischlampen (bis auf einen geringen Teil des Antrags auf Auskunftserteilung) stattgegeben und die gegen die Beklagten zu 3 und 4 gerichtete Klage wegen Inverkehrbringens der Tischlampen abgewiesen. Die Berufung der Parteien ist (bis auf einen Teil der gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung gerichteten Berufung der Beklagten zu 1 und 2) ohne Erfolg geblieben. Der Senat hat die Revision zugelassen. Die Beklagten zu 1 und 2 erstreben die vollständige Abweisung der gegen sie gerichteten Klage wegen Anbietens der Tischlampen. Die Klägerin verfolgt ihre gegen die Beklagten zu 3 und 4 gerichtete Klage wegen Inverkehrbringens der Tischlampen weiter. Die Parteien beantragen jeweils, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.
- 5
- II. Die Aussetzung des Verfahrens ist in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO auch ohne gleichzeitiges Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union grundsätzlich zulässig, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von der Beantwortung derselben Frage abhängt, die bereits in einem anderen Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorgelegt wurde (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10, juris Rn. 8; Beschluss vom 31. Mai 2012 - I ZR 28/10, juris Rn. 5; Beschluss vom 6. Februar 2013 - I ZR 126/11, juris Rn. 8).
- 6
- 1. Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Union im Verfahren I ZR 91/11 zur Auslegung des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Umfasst das Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten? Falls die erste Frage zu bejahen ist: 2. Umfasst das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten, nicht nur Vertragsangebote, sondern auch Werbemaßnahmen? 3. Ist das Verbreitungsrecht auch dann verletzt, wenn es aufgrund des Angebots nicht zu einem Erwerb des Originals oder von Vervielfältigungsstücken des Werkes kommt?
- 7
- 2. Diese Vorlagefragen sind auch im vorliegenden Verfahren erheblich. Dem Vorlageverfahren und dem vorliegenden Verfahren liegen hinsichtlich dieser Fragen weitgehend übereinstimmende Fallgestaltungen zugrunde. Der Se- nat hält es daher für angemessen, das vorliegende Verfahren in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit des beim Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits auszusetzen.
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 12.09.2008 - 308 O 506/05 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 30.03.2011 - 5 U 207/08 -
moreResultsText
Annotations
(1) Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen.
(2) Sind das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden, so ist ihre Weiterverbreitung mit Ausnahme der Vermietung zulässig.
(3) Vermietung im Sinne der Vorschriften dieses Gesetzes ist die zeitlich begrenzte, unmittelbar oder mittelbar Erwerbszwecken dienende Gebrauchsüberlassung. Als Vermietung gilt jedoch nicht die Überlassung von Originalen oder Vervielfältigungsstücken
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.