Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 491/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 11. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2011

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. Mai 2010 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen einer tateinheitlichen Tat der Körperverletzung mit Todesfolge und der Überlassung von Betäubungsmitteln mit Todesfolge (zwei tateinheitliche Fälle) sowie der gefährlichen Körperverletzung und der vorsätzlichen Überlassung von Betäubungsmitteln (fünf tateinheitliche Fälle) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und ihn mit einem dauerhaften Berufsverbot für eine Tätigkeit als niedergelassener Arzt und als Psychotherapeut belegt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts führte der Angeklagte, ein auf psychotherapeutische Behandlungen spezialisierter Arzt, sogenannte psycholytische Sitzungen durch. Bei diesen Gruppensitzungen werden die Patienten – so der Ansatz der Psycholyse – durch Drogen in ein Wachtraumerleben der Objektumgebung versetzt. Ziel dieser in Deutschland wissen- schaftlich nicht anerkannten Methode soll es sein, an unbewusste Inhalte der Psyche zu gelangen.
3
Am 19. September 2009 führte der Angeklagte mit einer Gruppe von zwölf Personen eine Intensivsitzung durch. Nach einer „Einstimmungs- und Befindlichkeitsrunde“ stellte er die zur Einnahme bereitgehaltenen Substanzen Neocor und MDMA vor. Nachdem der Angeklagte an neun der Gruppenmitglieder zunächst eine Tablette des nicht als Arzneimittel zugelassenen Neocor verabreicht hatte, fragte er, wer von den Anwesenden MDMA einnehmen wolle. Daraufhin meldeten sich sieben Mitglieder der Gruppe, darunter die später verstorbenen K. und Kn. . Von dem MDMA, das von dem Nebenkläger N. beschafft worden war, sollten sechs Mitglieder der Gruppe, die sich zur Einnahme entschlossen hatten, 120 mg, der Nebenkläger N. 140 mg erhalten. Der Angeklagte übernahm das Abwiegen des Rauschgifts. Dabei wunderte er sich zwar über das Volumen der abgewogenen Menge, verließ sich aber auf die Anzeige seiner Waage. Tatsächlich übergab er an die zum Drogenkonsum bereiten Gruppenmitglieder jedoch mindestens die zehnfache Menge. Etwa zehn bis 15 Minuten nach der Einnahme kam es bei diesen zu heftigen körperlichen Reaktionen. Einige erlitten Spasmen und waren unfähig, sich zu bewegen, mussten sich übergeben oder fingen an, um sich zu schlagen. Die körperlichen Ausfälle aufgrund der Vergiftung verstärkten sich zunehmend. Trotz der vom Angeklagten und der herbeigerufenen Notärztin veranlassten Hilfsmaßnahmen verstarben Kn. und K. an Multiorganversagen aufgrund der Überdosis MDMA. Der Nebenkläger N. war lebensgefährlich erkrankt, konnte jedoch nach Intensivbehandlung gerettet werden; die übrigen vier Gruppenmitglieder wurden nach einigen Tagen stationärer Behandlung wegen Vergiftungserscheinungen wieder entlassen.
4
2. Das Landgericht hat in der Verabreichung des MDMA eine vorsätzliche Körperverletzung gesehen. Der Angeklagte habe die Tatherrschaft über den Vorgang innegehabt, indem er das MDMA abgewogen und den Grup- penmitgliedern zur Verfügung gestellt habe. Eine Einwilligung fehle, weil er die Gruppenmitglieder nicht ausreichend aufgeklärt habe. Der durch diese Körperverletzungshandlung herbeigeführte Todeseintritt sei für ihn voraussehbar gewesen. Dies führe zugleich zu einer Strafbarkeit wegen des Überlassens von Betäubungsmitteln mit Todesfolge, weil der Angeklagte den Tod von K. und Kn. auch leichtfertig verursacht habe.

II.


5
Auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts, das der Einlassung des Angeklagten im Hinblick auf eine versehentliche Überdosierung gefolgt ist, erweist sich die Revision des Angeklagten als begründet. Die Annahme einer vorsätzlichen Körperverletzung zu Lasten der MDMA konsumierenden Gruppenmitglieder begegnet durchgreifenden Bedenken.
6
1. Das Landgericht grenzt allerdings im Ansatz zutreffend die strafbare Körperverletzung von der straflosen Beteiligung an einer Selbstgefährdung ab. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterfällt die eigenverantwortlich gewollte und verwirklichte Selbstgefährdung grundsätzlich nicht den Tatbeständen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts, wenn sich das mit der Gefährdung vom Opfer bewusst eingegangene Risiko realisiert. Wer eine solche Gefährdung veranlasst, ermöglicht oder fördert, kann daher nicht wegen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts verurteilt werden; denn er nimmt an einem Geschehen teil, welches – soweit es um die Strafbarkeit wegen Tötung oder Körperverletzung geht – kein tatbestandsmäßiger und damit kein strafbarer Vorgang ist (BGH, Urteile vom 14. Februar 1984 – 1 StR 808/83, BGHSt 32, 262; vom 11. Dezember 2003 – 3 StR 120/03, BGHSt 49, 34, 39; vom 29. April 2009 – 1 StR 518/08, BGHSt 53, 288, 290).
7
Da sämtliche Mitglieder der Gruppe das Betäubungsmittel MDMA eigenhändig und wissentlich zu sich nahmen, liegt eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung vor. Dies schließt eine Strafbarkeit wegen einer vorsätzlichen Körperverletzung aus.
8
2. Eine strafrechtlich relevante Handlungsherrschaft wäre dem Angeklagten nur dann zugewachsen, wenn und soweit die Freiverantwortlichkeit des Selbstgefährdungsentschlusses der Gruppenteilnehmer beeinträchtigt gewesen wäre. Dies ist der Fall, wenn der Täter kraft überlegenen Fachwissens das Risiko besser erfasst als der Selbstgefährdende, namentlich wenn das Opfer einem Irrtum unterliegt, der seine Selbstverantwortlichkeit ausschließt (vgl. BGH, Urteile vom 29. April 2009 – 1 StR 518/08, BGHSt 53, 288, 290; vom 9. November 1984 – 2 StR 257/84, NStZ 1985, 319, 320), oder es infolge einer Intoxikation zu einer Risikoabwägung nicht mehr hinreichend in der Lage ist (BGH, Urteil vom 27. November 1985 – 3 StR 426/85, NStZ 1986, 266). Eine solche besondere Situation belegen die Urteilsgründe nicht.
9
a) Sämtliche Mitglieder der Gruppe nahmen das Betäubungsmittel MDMA willentlich zu sich. Ungeachtet der Tatsache, dass der Angeklagte die Dosierung bestimmte und die Betäubungsmittelportionen auch selbst abwog, verblieb ihnen ohne jede Einschränkung die letzte Entscheidung über die Einnahme.
10
b) Auch der von der Strafkammer angeführte Gesichtspunkt, der Angeklagte als Arzt und ehemaliger Suchtberater habe das Risiko besser erfasst als seine Gruppenmitglieder, die ihm vertraut hätten, begründet noch keine strafrechtlich relevante Handlungsherrschaft (vgl. Roxin, Strafrecht AT Bd. 1, 4. Aufl., § 11 Rdn. 111; vgl. sehr weitgehend BGH, Urteil vom 18. Juli 1978 – 1 StR 209/78, JR 1979, 429). Alle Gruppenmitglieder kannten die Illegalität der Droge. Bei der Psycholyse handelt es sich um eine in Deutschland wissenschaftlich nicht anerkannte Therapiemethode. Folglich mussten sie mit besonderen medizinischen Risiken rechnen. Darüber hinaus verfügten alle bereits über Erfahrungen mit der Droge; der später Verstorbene Kn.
hatte nach der Einnahme von MDMA überdies bereits früher Spasmen und Halluzinationen erlitten. Die Droge wurde vom Nebenkläger N. aus nicht näher geklärten – notwendigerweise jedoch illegalen – Quellen beschafft.
11
c) Angesichts dieser Umstände liegt eine eigenverantwortliche Selbstschädigung vor, selbst wenn der Angeklagte die einzelnen Gruppenmitglieder nicht über sämtliche – auch die eher seltenen – Risiken der MDMAEinnahme bei gängiger Verbrauchsdosierung, insbesondere nicht über ein bestehendes Todesrisiko, aufgeklärt hat, zumal sich diese Risiken im vorliegenden Fall nicht realisierten. Es bestehen zudem grundlegende Bedenken dagegen, die Grundsätze der Aufklärungspflicht bei ärztlicher Heilbehandlung uneingeschränkt in Fällen anzuwenden, in denen sich selbstverantwortliche Personen auf eine Behandlung einlassen, die offensichtlich die Grenzen auch nur ansatzweise anerkennenswerter ärztlicher Heilkunst überschreitet (vgl. auch § 13 BtMG).
12
3. Ein die Tatherrschaft des Angeklagten begründender Umstand wäre allerdings die Überdosierung mit der mindestens zehnfachen Menge des MDMA, weil hierdurch die Konsumenten der Drogen über einen ganz wesentlichen Gesichtspunkt im Unklaren gelassen wurden. Die wesentlich höhere Dosis hatte nämlich eine erhebliche Vergrößerung des Risikos zur Folge , das die Konsumenten nicht einschätzen konnten und auch tatsächlich verkannten.
13
Diese Fehldosierung durfte dem Angeklagten jedoch auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht als vorsätzliche Körperverletzung zugerechnet werden. Das Landgericht folgt nämlich der Einlassung des Angeklagten , aufgrund einer Fehlfunktion seiner Waage sei es zur Überdosierung gekommen. Demnach fehlt es an einer Vermittlung der Tatherrschaft durch Irrtumsherrschaft, die bei der vorsätzlichen Körperverletzung nur durch ein vorsätzliches Handeln bewirkt werden kann. Wenn der Angeklagte die maßgebliche Risikoerhöhung durch die Falschdosierung nicht erkannt hat, liegt lediglich ein durch fahrlässiges Tun herbeigeführter Irrtum der Gruppenmitglieder vor. Der Angeklagte hätte deshalb auf der Basis der nach seiner Einlassung getroffenen Feststellungen – abhängig von den Folgen der Überdosierung bei den einzelnen Gruppenmitgliedern – lediglich wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) und fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) verurteilt werden können.

III.


14
Der Rechtsfehler nötigt angesichts der tateinheitlichen Verknüpfung sämtlicher verwirklichter Straftatbestände zu einer umfassenden Aufhebung des Schuldspruchs (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 – 3 StR 120/03, BGHSt 49, 34, 45).
15
Abgesehen davon begegnet auch die Annahme einer Strafbarkeit wegen Überlassens der Betäubungsmittel mit Todesfolge (§ 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG) auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen Bedenken. Die Tatbestandsverwirklichung setzt im Hinblick auf die Todesfolge Leichtfertigkeit voraus (§ 18 StGB). Hierfür ist das Maß der Pflichtwidrigkeit im Moment des Wiegevorgangs entscheidend, weil der vom Landgericht angenommene Wiegefehler die den Todeserfolg auslösende Bedingung gesetzt hat. Das Landgericht hätte sich deshalb mit der Frage der Erkennbarkeit des Wiegefehlers vor dem Erfahrungshintergrund des Angeklagten als Arzt näher auseinandersetzen müssen.
16
Von einer Aufrechterhaltung von Teilen der Feststellungen sieht der Senat ab, um dem neuen Tatgericht eine umfassende Aufklärung zu ermöglichen. Das neue Tatgericht wird sich dabei kritisch mit der Einlassung des Angeklagten auseinandersetzen müssen, dass er infolge eines Fehlers der Waage die zehnfache Überdosierung des MDMA nicht erkannt habe (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2010 – 5 StR 75/10, NStZ 2010, 503).
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


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Strafgesetzbuch - StGB | § 229 Fahrlässige Körperverletzung


Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 13 Verschreibung und Abgabe auf Verschreibung


(1) Die in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel dürfen nur von Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten und nur dann verschrieben oder im Rahmen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Behandlung einschließlich der ärztlichen Behandlung ein

Strafgesetzbuch - StGB | § 222 Fahrlässige Tötung


Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Strafgesetzbuch - StGB | § 18 Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen


Knüpft das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine schwerere Strafe, so trifft sie den Täter oder den Teilnehmer nur, wenn ihm hinsichtlich dieser Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 518/08
vom
29. April 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
______________________
Zu der die Art und Zusammensetzung eines Betäubungsmittels betreffenden Sorgfaltspflicht
desjenigen, der dieses einem anderen unerlaubt zum unmittelbaren
Verbrauch überlässt.
BGH, Urt. vom 29. April 2009 - 1 StR 518/08 - LG Ellwangen
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Tötung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
29. April 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwälte
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 30. Mai 2008 wird verworfen. Er hat die Kosten der Revision sowie die den Nebenklägern durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten (wahlweise) wegen Diebstahls oder Hehlerei (Tat II. 1. der Urteilsgründe) sowie wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit vorsätzlichem Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch in zwei tateinheitlichen Fällen (Tat II. 2. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Die Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Den von der Revision geltend gemachten Widerspruch zwischen den Erkenntnissen der beiden Sachverständigen zum Todeszeitpunkt hat das Landgericht plausibel ausgeräumt. Der näheren Erörterung bedarf daher allein der Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung. Insofern hat auch der Generalbundesanwalt beantragt, die Strafbarkeit entfallen zu lassen.
3
Das Landgericht hat aufgrund einer rechtlich nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung zur Tat II. 2. der Urteilsgründe festgestellt: In der Nacht zum 21. Januar 2006 kamen B. K. und Ü. Y. überein, „gemeinsam Kokain zu konsumieren“. B. K. wandte sich deshalb an den u.a. wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln vorbestraften Angeklagten, „von dem er wusste, dass man bei ihm Kokain erhalten“ konnte. Dieser erklärte sich bereit , B. K. und Ü. Y. „Kokain zu überlassen“, holte aus seinem Vorrat Rauschgift und portionierte dieses in zwei zusammengerollten Zehn-EuroScheinen , die er B. K. und Ü. Y. zum Konsum übergab. „In diesem Moment wusste er jedoch nicht, dass es sich bei dem von ihm mitgeführten Rauschgift nicht um Kokain handelte, sondern um reines Heroin. Tatsächlich hielt er das mitgebrachte Rauschgift für eine Mischung aus Kokain, Amphetamin und gekochtem Marihuana. Entweder hatte er das Heroin von seinem Lieferanten als das entsprechende Kokaingemisch erhalten oder er hatte sowohl reines Heroin als auch die entsprechende Mischung vorrätig und sorgfaltswidrig die Mengen bei Herausnahme aus seinem Vorrat verwechselt.“ B. K. konsumierte das Heroin und verstarb wenige Stunden später infolge eines ausschließlich hierdurch verursachten zentralen Regulationsversagens. Diese Folge hätte der Angeklagte bei pflichtgemäßem und sorgfältigem Handeln erkennen und vermeiden können.
4
2. Der Generalbundesanwalt meint, diese Feststellungen würden die Verurteilung wegen - tateinheitlich zum Verstoß gegen § 29 Abs. 1 Nr. 6b 2. Alt. BtMG begangener - fahrlässiger Tötung nicht tragen. Der Angeklagte habe sich lediglich an einer vorsätzlichen Selbstgefährdung B. K. s beteiligt und daher nicht gemäß § 222 StGB strafbar gemacht. Der Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen.
5
a) Allerdings trifft es zu, dass eigenverantwortlich gewollte, mithin zumindest in Kauf genommene Selbsttötungen, -verletzungen und -gefährdungen nicht dem Tatbestand eines Tötungs- oder Körperverletzungsdelikts unterfallen. Wer sich daran beteiligt, nimmt an einem Vorgang teil, der - soweit es um die Strafbarkeit wegen eines solchen Delikts geht - keine Tat im Sinne der §§ 25, 26, 27 Abs. 1 StGB darstellt. Der sich vorsätzlich Beteiligende kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs infolgedessen nicht als Anstifter oder Gehilfe bestraft werden. Wer das zumindest selbst gefährdende, eigenverantwortliche Verhalten eines anderen fahrlässig veranlasst, ermöglicht oder fördert, kann zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs nicht strafbar sein, wenn er sich im Falle vorsätzlichen Handelns nicht strafbar machen würde (grundlegend BGHSt 32, 262, 263 ff.; s. auch BGH NStZ 2001, 205).
6
b) Hieran gemessen hat sich der Angeklagte auch wegen fahrlässiger Tötung strafbar gemacht.
7
aa) Denn die Straflosigkeit eines Beteiligten setzt voraus, dass der andere sich „frei und eigenverantwortlich gewollt“ selbst gefährdet (vgl. BGH NStZ 1985, 25, 26; NStZ 1985, 319). Die Freiverantwortlichkeit des Selbstgefährdungsentschlusses begrenzt die Strafbarkeit (vgl. Jähnke in LK 11. Aufl. § 222 Rdn. 21). An dieser fehlt es aber nicht nur, wenn ein autonomes Handeln beispielsweise infolge einer Intoxikationspsychose ausgeschlossen ist (BGH NStZ 1983, 72), sondern auch bei einem die Selbstverantwortlichkeit betreffenden Irrtum (vgl. BGH NStZ 1986, 266, 267).

8
Einem derartig rechtserheblichen Irrtum war B. K. unterlegen. Zwar hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend darauf hingewiesen, dass den sich am illegalen Umgang mit Betäubungsmitteln beteiligenden Personen die Wirkstoffkonzentration und der Gehalt eventuell beigemengter Stoffe regelmäßig nicht bekannt sind und Konsumenten daher riskieren, nicht nur eine zu hohe Dosierung des von ihnen gewünschten Rauschgifts, sondern zusätzlich unbekannte, möglicherweise ebenfalls gesundheitsgefährdende Stoffe zu sich zu nehmen. Das vom Landgericht festgestellte Geschehen lag aber außerhalb eines solchen üblichen Gefahrenbereichs, so dass B. K. das von ihm eingegangene Risiko grundlegend verkannte. Denn er erhielt vom Angeklagten nicht - wie gewünscht und ihm zugesagt - Kokain, das lediglich einen höheren Wirkstoffgehalt hatte, als von ihm angenommen, und dem weitere Substanzen beigegeben waren, sondern Heroin. Dieses ist nicht nur generell gefährlicher als Kokain, wie die deutlich divergierenden Grenzwerte für die jeweils nicht geringe Menge erkennen lassen (vgl. BGHSt 32, 162: 1,5 g Heroinhydrochlorid; BGHSt 33, 133: 5 g Kokainhydrochlorid), sondern war vorliegend „rein“ und damit von weit überdurchschnittlicher Gefährlichkeit (vgl. den Deutschland betreffenden Bericht 2007 des nationalen Knotenpunkts des Europäischen Informationsnetzwerks zu Drogen und Sucht [REITOX] an die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, S. 122, 125, wonach im Jahr 2006 der durchschnittliche Wirkstoffgehalt von Heroin im Straßenhandel 15,6 % und im Großhandel 38,1 % betrug).
9
bb) Das Landgericht hat angesichts dessen im Ergebnis zutreffend angenommen , dass B. K. s Tod auf einem sorgfaltswidrigen Verhalten des Angeklagten beruht und diesem zuzurechnen ist. Die im Rahmen der rechtlichen Würdigung für die Bejahung des § 222 StGB gegebene Begründung, der Angeklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, B. K. „über die Tatsache aufzuklären, dass er ihm statt reines Kokain eine Mischung überließ“, erweist sich jedoch als nicht tragfähig. Diese Fehlvorstellung des Angeklagten war für die Erhöhung des für B. K. bestehenden Risikos ohne Bedeutung; eine entsprechende Mitteilung hätte diesem keine realistischere Beurteilung des Risikos ermöglicht.
10
Als der Angeklagte das Rauschgift zum Konsumieren zur Verfügung stellte, verhielt er sich aber insofern sorgfaltswidrig, als er dabei unter Berücksichtigung des Vorverhaltens der Beteiligten (konkludent) zum Ausdruck brachte , dem Wunsch B. K. s und seiner Zusage entsprechend handele es sich um Kokain. Denn eine solche Erklärung durfte der Angeklagte nur abgeben, wenn er sich zuvor vergewissert hätte, dass er tatsächlich dieses Rauschmittel aushändigt. In diesem Fall hätte er das tatsächliche Risiko und die daraus erwachsenden Folgen ebenso erkennen können (vgl. Hardtung in MüKo-StGB § 222 Rdn. 22) wie den Umstand, dass B. K. sein sich selbst gefährdendes Verhalten falsch einschätzen würde (s. auch Jähnke in LK 11. Aufl. § 222 Rdn. 21).
11
Einer solchen Prüfungspflicht steht nicht entgegen, dass der unerlaubte Umgang mit Betäubungsmitteln generell und hier konkret das Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch (§ 29 Abs. 1 Nr. 6b 2. Alt. BtMG) unter Strafe gestellt ist. Denn anderenfalls würde derjenige, der sich in ohnehin strafbarer Weise verhält, gegenüber demjenigen besser gestellt, der grundsätzlich erlaubt potentiell risikobehaftete Stoffe an andere weitergibt. Beispielsweise haben Ärzte und Apotheker zuvor zu prüfen, ob sie dem Kunden das richtige Medikament aushändigen. Eine solche Auslegung würde darüber hinaus dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel zuwiderlaufen, gerade die durch unerlaubte Betäubungsmittel verursachten Gefahren einzudämmen. Ob sich eine solche Prüfungspflicht auch auf den jeweiligen Wirkstoffgehalt des von den Beteiligten (qualitativ und quantitativ ) zutreffend eingestuften Rauschmittels erstreckt, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Bei solchen Konstellationen wird jedenfalls zumeist - worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hingewiesen hat - keine relevante Abweichung von der Vorstellung des Rauschmittelkonsumenten hinsichtlich des von ihm eingegangenen Risikos und damit ein eigenverantwortliches Verhalten vorliegen.
12
3. a) Gegen die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung spricht ferner nicht die Kontrollüberlegung, ob der Angeklagte bei vorsätzlichem Verhalten straflos geblieben wäre. Dies wäre nicht der Fall. Denn hätte der Angeklagte dem lediglich Kokain erwartenden B. K. vorsätzlich reines Heroin zum Konsumieren ausgehändigt, ohne ihn darüber aufzuklären, wäre er wegen eines in mittelbarer Täterschaft (§ 25 Abs. 1 2. Alt. StGB) begangenen vorsätzlichen Tötungsdelikts zu verurteilen gewesen, wobei die Annahme eines Heimtückemordes nahe gelegen hätte. Das sog. Teilnahmeargument geht somit fehl, weil B. K. irrtumsbedingt das tatsächliche Risiko verkannte.
13
b) Einer Bestrafung nach § 222 StGB steht schließlich auch nicht eine privilegierende Spezialität des § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG mit daraus ggf. folgender Sperrwirkung entgegen. Privilegierende Spezialität als besondere Form der Gesetzeskonkurrenz liegt vor, wenn ein Strafgesetz alle Merkmale einer anderen Strafvorschrift aufweist und sich nur dadurch von dieser unterscheidet, dass es wenigstens noch ein weiteres Merkmal enthält, das den in Frage kommenden Sachverhalt unter einem genaueren (spezielleren) Gesichtspunkt erfasst, und der Täter durch die Spezialvorschrift privilegiert werden soll. In diesem Fall ist ein Rückgriff auf das allgemeinere Delikt ausgeschlossen, da hierdurch die Pri- vilegierung beseitigt würde. Ob die speziellere Vorschrift den Täter begünstigen soll, ist anhand des Zwecks dieser Vorschrift, des inneren Zusammenhangs der miteinander konkurrierenden Bestimmungen und des Willens des Gesetzgebers zu prüfen (BGHSt 49, 34, 37).
14
Die anhand dieser Kriterien vorgenommene Prüfung ergibt zwar, dass § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG hinsichtlich des herbeigeführten Todes leichtfertiges Verhalten verlangt und dieses zudem gegenüber der offenen Tathandlung beim § 222 StGB konkretisiert, diesem gegenüber also lex specialis ist (ebenso Rahlf in MüKo-StGB § 30 BtMG Rdn. 173). Da aber im Hinblick darauf sein Strafrahmen deutlich erhöht ist, sperrt er die Anwendung des § 222 StGB nicht, wenn dieser, jedoch § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG nicht erfüllt ist (s. auch BGHSt 19, 188, 190; 30, 235, 236; 49, 34, 38).
15
Dieses Ergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte der neuen Betäubungsmittelvorschriften , die durch das Gesetz zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts vom 28. Juli 1981 (BGBl. I S. 681) geändert worden sind, bestätigt. Wie sich aus den Materialien ergibt (BTDrucks. 8/3551 S. 37; auch 7/4141, S. 5 f.), sollte wegen der steigenden Zahl der Drogentoten durch die Einfügung des Merkmals der (nicht mehr vorsätzlichen, sondern nur noch) leichtfertigen Herbeiführung des Todes eines Menschen das diesbezügliche Strafrecht verschärft werden. Nack Wahl Graf Jäger Sander

(1) Die in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel dürfen nur von Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten und nur dann verschrieben oder im Rahmen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Behandlung einschließlich der ärztlichen Behandlung einer Betäubungsmittelabhängigkeit verabreicht oder einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch oder nach Absatz 1a Satz 1 überlassen werden, wenn ihre Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper begründet ist. Die Anwendung ist insbesondere dann nicht begründet, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann. Die in Anlagen I und II bezeichneten Betäubungsmittel dürfen nicht verschrieben, verabreicht oder einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch oder nach Absatz 1a Satz 1 überlassen werden.

(1a) Zur Deckung des nicht aufschiebbaren Betäubungsmittelbedarfs eines ambulant versorgten Palliativpatienten darf der Arzt diesem die hierfür erforderlichen, in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel in Form von Fertigarzneimitteln nur dann überlassen, soweit und solange der Bedarf des Patienten durch eine Verschreibung nicht rechtzeitig gedeckt werden kann; die Höchstüberlassungsmenge darf den Dreitagesbedarf nicht überschreiten. Der Bedarf des Patienten kann durch eine Verschreibung nicht rechtzeitig gedeckt werden, wenn das erforderliche Betäubungsmittel

1.
bei einer dienstbereiten Apotheke innerhalb desselben Kreises oder derselben kreisfreien Stadt oder in einander benachbarten Kreisen oder kreisfreien Städten nicht vorrätig ist oder nicht rechtzeitig zur Abgabe bereitsteht oder
2.
obwohl es in einer Apotheke nach Nummer 1 vorrätig ist oder rechtzeitig zur Abgabe bereitstünde, von dem Patienten oder den Patienten versorgenden Personen nicht rechtzeitig beschafft werden kann, weil
a)
diese Personen den Patienten vor Ort versorgen müssen oder auf Grund ihrer eingeschränkten Leistungsfähigkeit nicht in der Lage sind, das Betäubungsmittel zu beschaffen, oder
b)
der Patient auf Grund der Art und des Ausmaßes seiner Erkrankung dazu nicht selbst in der Lage ist und keine Personen vorhanden sind, die den Patienten versorgen.
Der Arzt muss unter Hinweis darauf, dass eine Situation nach Satz 1 vorliegt, bei einer dienstbereiten Apotheke nach Satz 2 Nummer 1 vor Überlassung anfragen, ob das erforderliche Betäubungsmittel dort vorrätig ist oder bis wann es zur Abgabe bereitsteht. Über das Vorliegen der Voraussetzungen nach den Sätzen 1 und 2 und die Anfrage nach Satz 3 muss der Arzt mindestens folgende Aufzeichnungen führen und diese drei Jahre, vom Überlassen der Betäubungsmittel an gerechnet, aufbewahren:
1.
den Namen des Patienten sowie den Ort, das Datum und die Uhrzeit der Behandlung,
2.
den Namen der Apotheke und des kontaktierten Apothekers oder der zu seiner Vertretung berechtigten Person,
3.
die Bezeichnung des angefragten Betäubungsmittels,
4.
die Angabe der Apotheke, ob das Betäubungsmittel zum Zeitpunkt der Anfrage vorrätig ist oder bis wann es zur Abgabe bereitsteht,
5.
die Angaben über diejenigen Tatsachen, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen nach den Sätzen 1 und 2 ergibt.
Über die Anfrage eines nach Satz 1 behandelnden Arztes, ob ein bestimmtes Betäubungsmittel vorrätig ist oder bis wann es zur Abgabe bereitsteht, muss der Apotheker oder die zu seiner Vertretung berechtigte Person mindestens folgende Aufzeichnungen führen und diese drei Jahre, vom Tag der Anfrage an gerechnet, aufbewahren:
1.
das Datum und die Uhrzeit der Anfrage,
2.
den Namen des Arztes,
3.
die Bezeichnung des angefragten Betäubungsmittels,
4.
die Angabe gegenüber dem Arzt, ob das Betäubungsmittel zum Zeitpunkt der Anfrage vorrätig ist oder bis wann es zur Abgabe bereitsteht.
Im Falle des Überlassens nach Satz 1 hat der Arzt den ambulant versorgten Palliativpatienten oder zu dessen Pflege anwesende Dritte über die ordnungsgemäße Anwendung der überlassenen Betäubungsmittel aufzuklären und eine schriftliche Gebrauchsanweisung mit Angaben zur Einzel- und Tagesgabe auszuhändigen.

(1b) Abweichend von Absatz 1 dürfen die in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel durch Notfallsanitäter im Sinne des Notfallsanitätergesetzes ohne vorherige ärztliche Anordnung im Rahmen einer heilkundlichen Maßnahme verabreicht werden, wenn diese nach standardisierten ärztlichen Vorgaben handeln, ein Eintreffen eines Arztes nicht abgewartet werden kann und die Verabreichung zur Abwendung von Gefahren für die Gesundheit oder zur Beseitigung oder Linderung erheblicher Beschwerden erforderlich ist. Die standardisierten ärztlichen Vorgaben müssen

1.
den handelnden Notfallsanitätern in Textform vorliegen,
2.
Regelungen zu Art und Weise der Verabreichung enthalten und
3.
Festlegungen darüber treffen, in welchen Fällen das Eintreffen eines Arztes nicht abgewartet werden kann.

(2) Die nach Absatz 1 verschriebenen Betäubungsmittel dürfen nur im Rahmen des Betriebs einer Apotheke und gegen Vorlage der Verschreibung abgegeben werden. Diamorphin darf nur vom pharmazeutischen Unternehmer und nur an anerkannte Einrichtungen nach Absatz 3 Satz 2 Nummer 2a gegen Vorlage der Verschreibung abgegeben werden. Im Rahmen des Betriebs einer tierärztlichen Hausapotheke dürfen nur die in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel und nur zur Anwendung bei einem vom Betreiber der Hausapotheke behandelten Tier abgegeben werden.

(3) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Verschreiben von den in Anlage III bezeichneten Betäubungsmitteln, ihre Abgabe auf Grund einer Verschreibung und das Aufzeichnen ihres Verbleibs und des Bestandes bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, in Apotheken, tierärztlichen Hausapotheken, Krankenhäusern, Tierkliniken, Alten- und Pflegeheimen, Hospizen, Einrichtungen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung, Einrichtungen der Rettungsdienste, Einrichtungen, in denen eine Behandlung mit dem Substitutionsmittel Diamorphin stattfindet, und auf Kauffahrteischiffen zu regeln, soweit es zur Sicherheit oder Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs erforderlich ist. Insbesondere können

1.
das Verschreiben auf bestimmte Zubereitungen, Bestimmungszwecke oder Mengen beschränkt,
2.
das Verschreiben von Substitutionsmitteln für Drogenabhängige von der Erfüllung von Mindestanforderungen an die Qualifikation der verschreibenden Ärzte abhängig gemacht und die Festlegung der Mindestanforderungen den Ärztekammern übertragen,
2a.
das Verschreiben von Diamorphin nur in Einrichtungen, denen eine Erlaubnis von der zuständigen Landesbehörde erteilt wurde, zugelassen,
2b.
die Mindestanforderungen an die Ausstattung der Einrichtungen, in denen die Behandlung mit dem Substitutionsmittel Diamorphin stattfindet, festgelegt,
3.
Meldungen
a)
der verschreibenden Ärzte an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte über das Verschreiben eines Substitutionsmittels für einen Patienten in anonymisierter Form,
b)
der Ärztekammern an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte über die Ärzte, die die Mindestanforderungen nach Nummer 2 erfüllen und
Mitteilungen
c)
des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte an die zuständigen Überwachungsbehörden und an die verschreibenden Ärzte über die Patienten, denen bereits ein anderer Arzt ein Substitutionsmittel verschrieben hat, in anonymisierter Form,
d)
des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte an die zuständigen Überwachungsbehörden der Länder über die Ärzte, die die Mindestanforderungen nach Nummer 2 erfüllen,
e)
des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte an die obersten Landesgesundheitsbehörden über die Anzahl der Patienten, denen ein Substitutionsmittel verschrieben wurde, die Anzahl der Ärzte, die zum Verschreiben eines Substitutionsmittels berechtigt sind, die Anzahl der Ärzte, die ein Substitutionsmittel verschrieben haben, die verschriebenen Substitutionsmittel und die Art der Verschreibung
sowie Art der Anonymisierung, Form und Inhalt der Meldungen und Mitteilungen vorgeschrieben,
4.
Form, Inhalt, Anfertigung, Ausgabe, Aufbewahrung und Rückgabe des zu verwendenden amtlichen Formblattes für die Verschreibung, das Verfahren für die Verschreibung in elektronischer Form sowie Form und Inhalt der Aufzeichnungen über den Verbleib und den Bestand der Betäubungsmittel festgelegt und
5.
Ausnahmen von § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c für die Ausrüstung von Kauffahrteischiffen erlassen werden.
Für das Verfahren zur Erteilung einer Erlaubnis nach Satz 2 Nummer 2a gelten § 7 Satz 2 Nummer 1 bis 4, § 8 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 und 3 Satz 1 bis 3, § 9 Absatz 2 und § 10 entsprechend. Dabei tritt an die Stelle des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte jeweils die zuständige Landesbehörde, an die Stelle der zuständigen obersten Landesbehörde jeweils das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die Empfänger nach Satz 2 Nr. 3 dürfen die übermittelten Daten nicht für einen anderen als den in Satz 1 genannten Zweck verwenden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte handelt bei der Wahrnehmung der ihm durch Rechtsverordnung nach Satz 2 zugewiesenen Aufgaben als vom Bund entliehenes Organ des jeweils zuständigen Landes; Einzelheiten einschließlich der Kostenerstattung an den Bund werden durch Vereinbarung geregelt.

Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Knüpft das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine schwerere Strafe, so trifft sie den Täter oder den Teilnehmer nur, wenn ihm hinsichtlich dieser Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt.

5 StR 75/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 15. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. April 2010

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Oktober 2009 mit den Feststellungen nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Landgericht Das hat den Angeklagten wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit der Sachbeschwerde geführte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
Der seit 1999 freiberuflich als Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie praktizierende Angeklagte kündigte im November 2007 seine angemieteten Praxisräume. Dabei war er der Hoffnung, über die Räumlichkeiten einen neuen Mietvertrag zu besseren Konditionen abschließen zu können. Hierzu war der Vermieter indes nicht bereit, so dass der Angeklagte gezwungen war, die Praxisräume zum 30. Juni 2009 aufzugeben.
4
Das Verhalten seines Vermieters nahm der Angeklagte als Zerstörung seines Lebenswerkes wahr. Zwischen 0.30 Uhr und 1.00 Uhr des 27. Juni 2009 fasste er im Zuge (auch) depressiver Verstimmung den Entschluss, seine Praxisräume in Brand zu stecken und auf diese Weise die Praxis und das gesamte Inventar zu zerstören.
5
Bereits auf der Autofahrt zum Tatort „schwankte der Angeklagte in seinen Überlegungen, ob er seinen Plan letztlich in die Tat umsetzen sollte“ (UA S. 9). Gleichwohl begab er sich in die Praxisräume in der vierten Etage eines Bürohauses, verklebte in nahezu allen Räumen die an der Decke angebrachten Auslasse der Sprinkleranlage mit Aluminiumfolie, um ein vorzeitiges Löschen des Brandes zu verhindern, und vergoss „entsprechend seinem Tatplan, die Praxis zu zerstören“ (UA S. 9), die mitgebrachten 50 Liter Benzin nahezu vollständig. Dabei war ihm bewusst, dass die entstehenden Dämpfe als Benzin-Luft-Gemisch explodieren könnten. „Tatplangemäß“ entnahm er sodann „ein Streichholz aus seiner mitgeführten Streichholzschachtel, um dieses anzuzünden und damit das verschüttete Benzin zu entflammen“ (UA S. 10).
6
Aufgrund „seiner in Bezug auf die Umsetzung des Tatentschlusses weiterhin ambivalenten Stimmung zögerte der Angeklagte“. Da er „seinen Plan nun zunächst doch nicht in die Tat umsetzen wollte“, versuchte er, „das Streichholz wieder in die Schachtel zurückzustecken“. Hierbei „kam er versehentlich mit der Zündseite des Streichholzes gegen die Reibefläche der Schachtel, so dass dieses sich entzündete“. Der Angeklagte versuchte, „die Flamme sogleich zu ersticken, indem er das Streichholz mit beiden Daumen gegen die von ihm in der linken Hand gehaltene Streichholzschachtel drückte. Da jedoch durch die große Menge des verschütteten Kraftstoffs die Benzindämpfe bereits hochgestiegen waren, genügte das kurzzeitige Aufflammen des Streichholzes, um diese zu entzünden“ (UA S. 10).
7
Das Feuer breitete sich schnell in den Praxisräumen aus und brannte mindestens eine und höchstens drei Minuten. Unterdessen verließ der Angeklagte fluchtartig die Räumlichkeiten. Vermutlich dadurch entstand eine Verwirbelung von Luft- und Benzindämpfen, die zur Explosion dieses Gemisches führte. Als Folge der Explosion und des anschließenden Weiterbrennens des Gemisches bis zum Löschen durch die – ungeachtet der Manipulation durch den Angeklagten – weiterhin funktionsfähige Sprinkleranlage entstand ein Sachschaden von etwa 1 Mio. €.
8
2. Die Urteilsfeststellungen halten einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie sind in Teilen widersprüchlich und tragen eine Verurteilung wegen vorsätzlich vollendeten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und wegen vorsätzlich vollendeter Brandstiftung nicht. Sie lassen nicht den Schluss auf die innere Tatseite des Angeklagten im Zeitpunkt des – „versehentlichen“ – Entzündens des Benzins und damit auf die Zurechnung einer vorsätzlichen Deliktsvollendung zu.
9
a) Die Strafkammer begründet ihre Annahme, der Angeklagte habe in Bezug auf das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion mit – bedingtem – Vorsatz gehandelt, im Wesentlichen wie folgt: „Wie sich aus den Feststellungen ergibt, erkannte er die Möglichkeit, dass Benzin auch zu einer Explosion führen kann, und nahm diese zumindest billigend in Kauf. Der Vorsatz entfällt auch nicht dadurch, dass der Angeklagte nach dem Verschütten des Benzins und dem Herausholen eines Streichholzes sein Vorhaben zumindest in dem Moment doch nicht in die Tat umsetzen wollte und sich dann das Streichholz nur versehentlich entzündete, da es sich insoweit um eine lediglich unerhebliche Abweichung des von dem Angeklagten gewollten Kausalverlaufs darstellt. Der Angeklagte hatte vor, Benzin in seinen Praxisräumen zu verschütten und diese dann anzuzünden, um dort einen nicht unbeträchtlichen Schaden anzurichten. Dieser Vorstellung entsprechend verlief dann auch tatsächlich die von ihm begangene Tat. Der Moment des Zögerns, verbunden mit einem zumindest kurzzeitigen Abrücken vom ursprünglichen Tatentschluss, lag zu einem Zeitpunkt, als er bereits zur Tatausführung unmittelbar angesetzt hatte, da er bereits das Streichholz zum Zwecke des Entzündens des zuvor verschütteten Benzins herausgeholt hatte und es zur Vollendung auch nach seiner Vorstellung nur noch des Reibens an der Reibefläche der Streichholzschachtel bedufte“ (UA S. 45).
10
b) Die Urteilsfeststellungen belegen für den hier maßgeblichen Zeitpunkt des Entzündens des Benzins bzw. des Benzin-Luft-Gemisches keine über die bloße Tatgeneigtheit hinausgehende Tatentschlossenheit des Angeklagten. Den Vorsatz muss der Täter zum Zeitpunkt der Tathandlung haben (vgl. BGH NStZ 2004, 201, 202; Vogel in LK 12. Aufl. § 15 Rdn. 53; Fischer , StGB 57. Aufl. § 15 Rdn. 4 m.w.N.; Puppe NK-StGB 2. Aufl. § 15 Rdn.

100).


11
Mag der Angeklagte in den vorangegangenen Ausführungsstadien die ihn immer wieder befallenden Zweifel auch überwunden haben, so gilt dies nach den Feststellungen nicht für den für die Tatbestandsverwirklichung entscheidenden Zeitpunkt des Entzündens. Denn danach „zögerte“ der Angeklagte nicht nur. Er wollte seinen Tatplan in diesem „Moment doch nicht in die Tat umsetzen“. Das Zögern war hier verbunden mit „einem zumindest kurzzeitigen Abrücken“. Dass er statt seines ursprünglichen Vorhabens nunmehr ein neues Tatgeschehen mit demselben Ziel geplant haben könnte, belegen die Feststellungen jedenfalls nicht. Die Einlassung des Angeklagten, dass er das Streichholz wieder zurück in die Schachtel habe legen wollen, er jedoch „nicht wisse, ob er es kurze Zeit später wieder herausgeholt hätte“ (UA S. 18), reicht zur Feststellung eines vorsätzlichen Handelns des Angeklagten nicht aus.
12
3. Der Senat sieht sich mit Rücksicht auf die ungewöhnlichen Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung der Strafkammer veranlasst, darauf hinzuweisen, dass das Tatgericht eine Einlassung des Angeklagten auch dann nicht ohne Weiteres seiner Überzeugungsbildung unterstellen muss, wenn es an weiteren Beweismitteln fehlt. Die Einlassung ist auf ihre Plausibilität zu überprüfen und in die Gesamtschau der ansonsten festgestellten Tatumstände einzustellen. Vor diesem Hintergrund liegt das vom Angeklagten hier geschilderte Geschehen zur Entzündung des Gemisches nicht nur weit außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit. Gerade auch die mitgeteilte Art und Weise, wie der Angeklagte das entflammte Zündholz gelöscht haben will, erscheint im Hinblick auf die motorische Leistung und die damit einhergehende Umständlichkeit – trotz festgestellter Brandwunden an den Fingern des Angeklagten – kaum nachvollziehbar.
13
Senat Der kann andererseits nicht von sich aus sicher feststellen, dass jedes andere Ergebnis einer fehlerfreien Beweiswürdigung als die Feststellung vorsätzlicher Brandlegung auszuschließen ist. Trotz der Feststellungen zur Fehlerhaftigkeit der tatgerichtlichen Beweiswürdigung überschritte es hier die Kompetenzen des Revisionsgerichts, die getroffenen tatgerichtlichen Feststellungen von sich aus durch andere, dann den Schuldspruch tragende Feststellungen zu ersetzen.
14
Der Senat kann auch nicht den Schuldspruch in Konsequenz der auf einer durchgreifend bedenklichen Beweiswürdigung getroffenen Urteilsfeststellungen in eine lediglich versuchte Tatbegehung in Tateinheit mit den entsprechenden fahrlässigen Delikten (§§ 306d, 308 Abs. 6 StGB) abändern und auf dieser Grundlage den – freilich maßvollen – Strafausspruch unter Ausschluss möglicher Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB aufrechterhalten. Auch dies überschritte – abgesehen von einem fehlenden entsprechenden rechtlichen Hinweis vor dem Tatgericht – hier die revisionsgerichtliche Kompetenz.
15
Bei dieser Sachlage hebt der Senat das Urteil mit sämtlichen Feststellungen auf.
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