Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2018 - 4 StR 89/18

bei uns veröffentlicht am07.08.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 89/18
vom
7. August 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:070818B4STR89.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. August 2018 gemäß § 154a Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 14. August 2017 wird
a) das Verfahren auf die Verfolgung des Geschehens am 27. Januar 2016 beschränkt; im Umfang der Beschränkung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte trägt die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Nebenklägers.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu einer Beschränkung der Strafverfolgung und einer Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Senat beschränkt die Verfolgung mit Zustimmung des Nebenklägers und des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf das Misshandlungsgeschehen am 27. Januar 2016, weil in dem angefochtenen Urteil die tatbestandlichen Voraussetzungen eines – alle tätlichen Übergriffe auf den Nebenkläger als tatbestandliche Handlungseinheit umfassenden – Quälens im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB jedenfalls in subjektiver Hinsicht nicht tragfähig dargetan werden.
3
2. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte durch die dem Nebenkläger am 27. Januar 2016 zugefügte Gewalthandlung der schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB in der Tatbestandsalternative des rohen Misshandelns in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung nach § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB schuldig gemacht.
4
Ein rohes Misshandeln im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB liegt vor, wenn der Täter einem anderen eine Körperverletzung aus gefühlloser Gesinnung zufügt , die sich in erheblichen Handlungsfolgen äußert. Eine gefühllose Gesinnung ist gegeben, wenn der Täter bei der Misshandlung das – notwendig als Hemmung wirkende – Gefühl für das Leiden des Misshandelten verloren hat, das sich bei jedem menschlich und verständlich Denkenden eingestellt haben würde (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 28. Februar 2007 – 5 StR 44/07, NStZ 2007, 405; Urteile vom 23. Juli 2015 – 3 StR 633/14, NStZ-RR 2015, 369; vom 21. März 2018 – 1 StR 404/17, NStZ-RR 2018, 209).
5
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte, dem insbesondere durch die Besuche der Hebamme und die über drei Monate hinweg durchgeführte Maßnahme der Familienhilfe bekannt war, dass die Nackenmuskulatur eines Säuglings noch nicht gut ausgeprägt ist und der Kopf eines Säuglings dementsprechend eines besonderen Schutzes bedarf, den Nebenkläger bereits zuvor einmal so heftig geschüttelt, dass er aufgrund der bei dem Kind wahrgenommenen Verhaltensänderungen und Schmerzen damit rechnete, ihm Verletzungen zugefügt zu haben. Trotz des Wissens um die bereits bei einer gewissen Intensität des Schüttelns eingetretenen Verletzungen schüttelte der Angeklagte den fünf Monate alten Nebenkläger am 27. Januar 2016 zwischen 15.30 Uhr und 17.03 Uhr erneut mit noch heftigerer Intensität. Dabei war er sich darüber im Klaren, dass die neuerliche Gewalthandlung noch heftiger war und zu schlimmeren Folgen für das Kind führen konnte. Ihm war bewusst, dass eine solche Krafteinwirkung durch Schütteln lebensbedrohlich sein kann. Diese zur subjektiven Tatseite festgestellten Umstände belegen auch vor dem Hintergrund eines - dem Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung als nicht ausschließbar zugutegehaltenen - Zustands affektiver Erregung in einer Akutsituation , dass der Angeklagte am 27. Januar 2016 gegenüber dem Nebenkläger mit der für die Tatbestandsalternative des rohen Misshandelns erforderlichen gefühllosen Gesinnung handelte.
6
Da das Landgericht einen auf die Todesgefahr infolge der Misshandlung bezogenen Eventualvorsatz des Angeklagten rechtsfehlerfrei festgestellt hat, hat sich der Angeklagte durch die Gewalthandlung am 27. Januar 2016 der schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen nach § 225 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB schuldig gemacht. Während zwischen der schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen und der schweren Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB Tateinheit besteht, tritt die gleichfalls verwirklichte gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB zurück (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 2016 – 3 StR 22/16, BGHR StGB § 225 Konkurrenzen 6; vom 5. Februar 2009 – 4 StR 624/08).
7
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen. Der Vorwurf der schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen nach § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB war Gegenstand der Anklage; auf eine mögliche Verurteilung nach der Tatbestandsalternative des rohen Misshandelns hat die Strafkammer den Angeklagten in der Hauptverhandlung hingewiesen.
8
3. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Angesichts der höheren Strafandrohung des § 225 Abs. 3 StGB gegenüber § 226 Abs. 1 StGB – Freiheitsstrafe bis zu fünfzehn Jahren statt bis zu zehn Jahren – und des Um- standes, dass auch prozessordnungsgemäß festgestellte Gesetzesverletzungen , die nicht Gegenstand des Verfahrens sind, im Rahmen der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt werden dürfen, kann der Senat ausschließen , dass die Strafkammer, die einen minder schweren Fall nach § 226 Abs. 3 StGB verneint hat, bei zutreffender rechtlicher Würdigung und Berücksichtigung der Verfahrensbeschränkung auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Entgegen der Ansicht der Verteidigung liegt die Annahme eines minder schweren Falls nach § 225 Abs. 4 2. Alt. StGB gänzlich fern.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Bender Feilcke

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(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

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(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind, 1. für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder2. neben einer Strafe oder Maß

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(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person 1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,2. ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nic

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(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die 1. seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,2. seinem Hausstand angehört,3. von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder4.

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(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die

1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2.
seinem Hausstand angehört,
3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr

1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
bringt.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die

1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2.
seinem Hausstand angehört,
3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr

1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
bringt.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

5 StR 44/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Februar 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 30. August 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass die Verurteilung wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen entfällt, und im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Die Sache wird zur Bestimmung einer neuen Strafe und zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit der – allein zulässig erhobenen – Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erreicht den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Dem in der ehelichen Wohnung von seiner Ehefrau getrennt lebenden Angeklagten oblag die Pflicht, seinen am 23. März 2004 geborenen Sohn F. jedes zweite Wochenende allein zu betreuen. Aus Angst, den Säug- ling durch zu grobes oder falsches Anfassen verletzen zu können, ging der Angeklagte zunächst mit übergroßer Vorsicht zu Werke.
4
Am 1. August 2004 gelang es dem Angeklagten gegen 14.00 Uhr indes nicht, seinen „15 bis 20 Minuten lang nervzerreißend schreienden Sohn“ durch Gaben von Tee, Milch und Schnuller oder Vornahme von Ortsveränderungen zu beruhigen. Um dem Schreien ein Ende zu setzen, ergriff der Angeklagte seinen Sohn unter den Achselhöhlen, hielt ihn mit ausgestreckten Armen senkrecht und später waagerrecht vor sich und bewegte ihn ruckartig ca. eine Minute hin und her, bis das Kind verstummte. Der Angeklagte legte seinen Sohn dann in die Babyschale zurück und reichte ihm Milch, die er nunmehr trank. Beim Windeln des Kindes bemerkte der Angeklagte gegen 19.00 Uhr röchelnden Atem und eine ungewöhnliche Schlaffheit seines Sohnes. Auf Drängen des Angeklagten verfügte der herbeigerufene Notarzt die Einweisung von F. in die Kinderklinik. Die durch das Schütteln verursachten rotatorischen Kräfte führten zu einer irreparablen Hirnschädigung, die eine Weiterentwicklung der geistigen Fähigkeiten des Kindes nicht zulässt. Zudem ist die Sehfähigkeit herabgesetzt, und F. bedarf der Behandlung wegen der durch die Hirnschädigung weiter hervorgerufenen Epilepsie.
5
2. Das Landgericht hat die Tat des hinsichtlich der objektiven Tatumstände geständigen Angeklagten zutreffend als schwere Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1, § 226 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 18 StGB beurteilt. Indes hält die darüber hinaus tateinheitlich ausgeurteilte Misshandlung von Schutzbefohlenen sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.
6
a) Eine rohe Misshandlung im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB ist anzunehmen , wenn der Täter einem anderen eine Körperverletzung aus gefühlloser Gesinnung zufügt, die sich in erheblichen Handlungsfolgen äußert (BGH, Beschluss vom 22. April 1997 – 4 StR 140/97; vgl. auch BGHR StGB § 225 – i. d. F. d. 6. StrRG – Misshandlung 1). Eine gefühllose Gesinnung liegt vor, wenn der Täter bei der Misshandlung das – notwendig als Hemmung wirkende – Gefühl für das Leiden des Misshandelten verloren hat, das sich bei jedem menschlich und verständlich Denkenden eingestellt haben würde (Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 225 Rdn. 13).
7
b) Solches kann den Feststellungen und Wertungen des Landgerichts nicht entnommen werden.
8
Das Landgericht schließt aus dem Umstand, dass der Angeklagte „sein Ruhebedürfnis kompromisslos und ohne Berücksichtigung der Leiden seines Säuglings“ (UA S. 31) durchgesetzt hat, auf dessen rohe Gesinnung. Diese Erwägung steht indes in Widerspruch zu der strafmildernd herangezogenen Feststellung, der Angeklagte sei durch das laute dauerhafte Schreien des Säuglings angespannt gewesen (UA S. 32), und geht daran vorbei, dass der Angeklagte hinsichtlich der schweren Folgen seiner Tat nicht vorsätzlich gehandelt hat.
9
Vorliegend belegen die Tatumstände insgesamt nicht, dass der Angeklagte bei der Tatausführung das als Hemmung wirkende Gefühl für das Leiden seines Sohnes verloren haben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 1997 – 4 StR 140/97). Ein neuer Tatrichter wird nichts Weitergehendes feststellen können.
10
3. Es liegt auf der Hand, dass die Erwägungen des Landgerichts, mit denen es bei dem im Übrigen seinen Sohn stets fürsorglich behandelnden Angeklagten eine rohe Gesinnung bejaht hat, sich zum Nachteil des Angeklagten bei der Strafzumessung ausgewirkt haben. Deshalb ist der Strafausspruch aufzuheben und die Sache – ohne dass es bei dem hier vorliegenden Subsumtionsfehler der Aufhebung von Feststellungen bedarf – zur Bemessung der Strafe an einen neuen Tatrichter zurückzuverweisen.
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(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die

1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2.
seinem Hausstand angehört,
3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr

1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
bringt.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die

1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2.
seinem Hausstand angehört,
3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr

1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
bringt.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 22/16
vom
14. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:140616B3STR22.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 14. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 29. September 2015 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zur Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringfügigen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Die Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichter gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB kann hingegen keinen Bestand haben. Denn die Vorschrift des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB wird durch den Qualifikationstatbestand des § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB verdrängt (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 225 Rn. 21). Hierzu gilt:
3
Der Bundesgerichtshof hat bereits zum Verhältnis von § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB bzw. von § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b StGB zu § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB entschieden, dass die der Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu Grunde liegende abstrakte Lebensgefährdung durch die Qualifikation der vorsätzlichen konkreten Lebensgefährdung, die zu den Strafschärfungen nach § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b StGB und § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB führt, verdrängt wird (BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2004 - 2 StR 170/04, juris Rn. 4; vom 12. August 2005 - 2 StR 317/05, BGHR StPO § 224 Abs. 1 Nr. 5 Gesetzeskonkurrenz 1, jeweils zu § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b StGB; Beschluss vom 18. Juli 2007 - 2 StR 211/07, BGHR StGB § 306b Abs. 2 Nr. 1 Konkurrenzen 1 zum Verhältnis zur schweren Brandstiftung). Dies hat seinen materiellen Grund darin, dass abstrakte Gefährdungsdelikte gegenüber den die selben Rechtsgüter schützenden konkreten Gefährdungsdelikten subsidiär sind (LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., Vorbem. zu §§ 52 ff. Rn. 130 mwN).
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Nichts anderes gilt für das Verhältnis von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zur schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB, denn Grund der Strafschärfung ist auch hier, dass die schutzbefohlene Person durch die Tat nach § 225 Abs. 1 StGB in die konkrete (vgl. MüKoStGB/Hardtung, 2. Aufl., § 225 Rn. 36 mwN) Gefahr - unter anderem - des Todes gebracht wird. Daneben ist für eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung aufgrund der bloß abstrakten Lebensgefährdung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB kein Raum.
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2. Die Änderung des Schuldspruchs lässt den Strafausspruch unberührt. Der Senat kann ausschließen, dass die Strafkammer, die die Verwirklichung zweier Tatbestände nicht strafschärfend berücksichtigt hat, angesichts des von ihr zutreffend in den Fokus ihrer Strafzumessungserwägungen gerückten Gesamterziehungsbedarfs des zur Tatzeit heranwachsenden Angeklagten bei zutreffender Beurteilung der Konkurrenzen auf eine geringere Jugendstrafe erkannt hätte.
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3. Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels und den der Nebenklägerin dadurch entstanden Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Becker Mayer Gericke Spaniol Tiemann

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die

1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2.
seinem Hausstand angehört,
3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr

1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
bringt.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 624/08
vom
5. Februar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Februar 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der Jugendkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt vom 3. Juli 2008 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung entfällt. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Ergänzend bemerkt der Senat: Der Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB steht hier in Gesetzeskonkurrenz zur schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen nach § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB (vgl. hierzu BGH NStZ 2006, 449 [zu § 250 Abs. 2 Nr. 3 b]; BGH, Beschl. v. 7. Februar 2008 - 5 StR 583/07). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Er schließt aus, dass das Landge- richt bei zutreffender Bewertung dieses konkurrenzlichen Verhältnisses auf eine mildere Einzel- oder Gesamtstrafe erkannt hätte.
Tepperwien Maatz Athing Solin-Stojanović Ernemann

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die

1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2.
seinem Hausstand angehört,
3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr

1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
bringt.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.