Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Feb. 2019 - 3 StR 495/18
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Februar 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf eine Beanstandung des Verfahrens und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung hat zu entfallen.
- 3
- a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen warf der Angeklagte am 9. September 2017 den drei Jahre und elf Monate alten Geschädigten, den er schon zuvor massiv misshandelt hatte, mit Wucht gegen die Wand oder den Boden des Kinderzimmers. Obwohl er erkannte, dass der Geschädigte schwer verletzt worden war, hinderte er die Nichtrevidentin zunächst daran, sofort ärztliche Hilfe zu holen, wodurch sich der Zustand des Kindes weiter verschlechterte. Dieses erlitt eine lebensgefährliche Subduralblutung , die neurochirurgisch versorgt werden musste und unter anderem eine dauerhafte Halbseitenlähmung im Bereich der rechten Körperhälfte, eine Aphasie, die Verminderung seines Gedächtnis- und Lern- und Sprechvermögens sowie seiner Intelligenz (auf einen IQ von etwa 50) und eine Störung der Hypophysenfunktion nach sich zog.
- 4
- Zahlreiche vorangegangene Misshandlungen, die zu einer Beckenfraktur , Wirbelfrakturen, einer Verletzung der Bauchdecke infolge thermischer Einwirkung und Hämatomen führten, hat die Strafkammer als "nicht vom Schuldspruch umfasstes Geschehen" festgestellt.
- 5
- b) Durch die dem Geschädigten am 9. September 2017 zugefügte Gewalthandlung hat sich der Angeklagte der schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 und 2 StGB in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung nach § 226 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB schuldig gemacht. Die gleichfalls verwirklichte gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB tritt im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB zurück (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. August 2018 - 4 StR 89/18, juris Rn. 6; vom 14. Juni 2016 - 3 StR 22/16, BGHR StGB § 225 Konkurrenzen 6; vom 5. Februar 2009 - 4 StR 624/08, juris).
- 6
- 2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. Es ist auszuschließen , dass das Landgericht die (milde) Strafe bei zutreffender Bewertung des konkurrenzrechtlichen Verhältnisses niedriger bemessen hätte, zumal diese am Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nichts ändert und die Strafkammer die Verwirklichung des Straftatbestandes des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht strafschärfend berücksichtigt hat.
Berg Hoch
ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Feb. 2019 - 3 StR 495/18
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Feb. 2019 - 3 StR 495/18
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenBundesgerichtshof Beschluss, 19. Feb. 2019 - 3 StR 495/18 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die
- 1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht, - 2.
seinem Hausstand angehört, - 3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder - 4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr
- 1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder - 2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person
- 1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert, - 2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder - 3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die
- 1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht, - 2.
seinem Hausstand angehört, - 3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder - 4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr
- 1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder - 2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 14. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zur Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringfügigen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Der Schuldspruch wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Die Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichter gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB kann hingegen keinen Bestand haben. Denn die Vorschrift des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB wird durch den Qualifikationstatbestand des § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB verdrängt (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 225 Rn. 21). Hierzu gilt:
- 3
- Der Bundesgerichtshof hat bereits zum Verhältnis von § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB bzw. von § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b StGB zu § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB entschieden, dass die der Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu Grunde liegende abstrakte Lebensgefährdung durch die Qualifikation der vorsätzlichen konkreten Lebensgefährdung, die zu den Strafschärfungen nach § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b StGB und § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB führt, verdrängt wird (BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2004 - 2 StR 170/04, juris Rn. 4; vom 12. August 2005 - 2 StR 317/05, BGHR StPO § 224 Abs. 1 Nr. 5 Gesetzeskonkurrenz 1, jeweils zu § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b StGB; Beschluss vom 18. Juli 2007 - 2 StR 211/07, BGHR StGB § 306b Abs. 2 Nr. 1 Konkurrenzen 1 zum Verhältnis zur schweren Brandstiftung). Dies hat seinen materiellen Grund darin, dass abstrakte Gefährdungsdelikte gegenüber den die selben Rechtsgüter schützenden konkreten Gefährdungsdelikten subsidiär sind (LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., Vorbem. zu §§ 52 ff. Rn. 130 mwN).
- 4
- Nichts anderes gilt für das Verhältnis von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zur schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB, denn Grund der Strafschärfung ist auch hier, dass die schutzbefohlene Person durch die Tat nach § 225 Abs. 1 StGB in die konkrete (vgl. MüKoStGB/Hardtung, 2. Aufl., § 225 Rn. 36 mwN) Gefahr - unter anderem - des Todes gebracht wird. Daneben ist für eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung aufgrund der bloß abstrakten Lebensgefährdung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB kein Raum.
- 5
- 2. Die Änderung des Schuldspruchs lässt den Strafausspruch unberührt. Der Senat kann ausschließen, dass die Strafkammer, die die Verwirklichung zweier Tatbestände nicht strafschärfend berücksichtigt hat, angesichts des von ihr zutreffend in den Fokus ihrer Strafzumessungserwägungen gerückten Gesamterziehungsbedarfs des zur Tatzeit heranwachsenden Angeklagten bei zutreffender Beurteilung der Konkurrenzen auf eine geringere Jugendstrafe erkannt hätte.
- 6
- 3. Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels und den der Nebenklägerin dadurch entstanden Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die
- 1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht, - 2.
seinem Hausstand angehört, - 3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder - 4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr
- 1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder - 2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
BUNDESGERICHTSHOF
Tepperwien Maatz Athing Solin-Stojanović Ernemann
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.