Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2012 - 4 StR 580/11

bei uns veröffentlicht am20.12.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 580/11
vom
20. Dezember 2012
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
____________________________
Zur Schadensfeststellung beim Sportwettenbetrug durch Wetten im Internet und
an Wettautomaten.
BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - 4 StR 580/11 - LG Bochum
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betrugs u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 20. Dezember 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 14. April 2011 mit den Feststellungen aufgehoben
a) hinsichtlich des Angeklagten G. im Fall C II. 4 der Urteilsgründe,
b) hinsichtlich des Angeklagten A. in den Fällen C II. 1, 4 und 18 der Urteilsgründe,
c) hinsichtlich des Angeklagten R. in den Fällen C II. 5, 9 und 17 der Urteilsgründe
d) sowie in den Aussprüchen über die Gesamtstrafen. 2. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten G. des Betruges und des Computerbetruges in jeweils zwei Fällen und des Betruges in Tateinheit mit Computerbetrug in drei Fällen, den Angeklagten A. der Beihilfe zum banden - und gewerbsmäßigen Betrug in zwei Fällen, des banden- und gewerbsmäßigen Betruges in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Computerbetrug , des banden- und gewerbsmäßigen Computerbetruges in zwei Fällen, des Betruges in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Computerbetrug , und des Computerbetruges und den Angeklagten R. des banden- und gewerbsmäßigen Betruges in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Computerbetrug, des banden- und gewerbsmäßigen Computerbetruges in drei Fällen und des Betruges schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten G. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren, den Angeklagten A. zu einer solchen von drei Jahren und acht Monaten und den Angeklagten R. zu einer solchen von drei Jahren und elf Monaten verurteilt. Ferner hat es festgestellt , dass gegen den Angeklagten G. wegen eines Geldbetrages in Höhe von 50.000 € und gegen den Angeklagten A. wegen eines Geldbetrages in Höhe von 148.198,04 € lediglich deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen.
2
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten jeweils die Verletzung materiellen Rechts. Die Angeklagten G. und R. beanstanden darüber hinaus das Verfahren. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

A.


3
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten unterhielten schon einige Jahre vor den hier abgeurteilten Taten enge Kontakte zur Glücks- und Wettspielszene. In diesem Zusammenhang lernten sie unabhängig voneinander zu unterschiedlichen Zeitpunkten den gesondert verfolgten C. kennen, der ebenfalls in großem Umfang auf den Ausgang von Fußballspielen wettete und sich auch mit der Manipulation von Spielen durch Geldzuwendungen an Spieler und Schiedsrichter befasste. Spätestens seit einer zwischen den Angeklagten A. und R. sowie dem gesondert verfolgten C. abgesprochenen Begegnung zwischen Vereinen aus V. und K. am 6. Juni 2009 waren sich diese Beteiligten zumindest stillschweigend darüber einig, in Zukunft eine unbestimmte Anzahl von Wettbetrugstaten zu begehen.
5
2. a) Insgesamt kam es in der Zeit von April bis November 2009 unter wechselnder Beteiligung der Angeklagten G. , A. und R. sowie der gesondert verfolgten C. und S. und weiterer Personen in mindestens achtzehn Fällen zu manipulierten Wettvertragsabschlüssen. Namentlich die Angeklagten G. und R. trafen persönlich oder über Mittelsmänner die erforderlichen Absprachen mit Spielern oder Schiedsrichtern zur Manipulation des jeweiligen Spielergebnisses. Dabei gingen sie von der Ernsthaftigkeit der gegen Zahlung teilweise hoher Geldbeträge erhaltenen Zusagen aus. Die tatsächliche Bereitschaft der Geldempfänger zur Manipulation konnte indes ebenso wenig sicher festgestellt werden wie deren Einflussnahme auf den Spielverlauf.
6
b) In einer Vielzahl von Fällen platzierten von den Angeklagten beauftragte , nicht eingeweihte Dritte die Wetten. Zumeist wurde zeitgleich eine Vielzahl solcher Personen (sog. Läufer) bei Wettanbietern an verschiedenen Orten mit zeitnahen Wetteinsätzen beauftragt, um bei den Wettanbietern kein Misstrauen zu erregen, die Höchstgrenzen für Einsätze zu umgehen und eine Quotenanpassung vor Wettannahme zu ihren Ungunsten zu verhindern. Dabei wurden die Wetten zumeist in Wettbüros platziert, und zwar entweder durch persönliche Annahme des für einen kommerziellen Wettanbieter handelnden Wettbürobetreibers oder an dort aufgestellten Wettautomaten verschiedener Wetthalter. In anderen Fällen erfolgte die Platzierung bei den Wettanbietern telefonisch oder über das Internet. Nach den Feststellungen waren die Wettautomaten von den Wettspielern selbst zu bedienende, elektronische Wettannahmegeräte , die mit den Hauptcomputern der im europäischen Ausland ansässigen Wettanbieter verbunden waren. Diese gaben ihrerseits die Wettquoten sowie die zulässigen Höchsteinsätze elektronisch vor. Innerhalb der zulässigen Grenzen erfolgte Platzierungen wurden sogleich durch Ausdruck eines Wettbelegs ohne persönliche Gegenprüfung angenommen. Bei Wetten über das Internet wurden die Platzierungen über die Anbieterseiten der Wettanbieter eingegeben und die Einsätze per Kreditkarte übermittelt oder von einem elektronisch aufgeladenen Kundenkonto abgebucht. Bei einzelnen oder kumulierten Einsätzen ab 5.000 € wurden die Wetten vor ihrer Annahme von Mitarbeitern der Wettanbieter zum Zweck der Abwehr von Manipulationen überprüft, in allen anderen Fällen erfolgte die Annahme ohne persönliche Gegenprüfung auf rein elektronischem Wege.
7
c) Bei Wetten mit verbindlichen Quoten lobt der Wettanbieter für das jeweilige Spiel eine bestimmte Wettquote aus, die das Verhältnis von Einsatz und möglichem Gewinn widerspiegelt. Dabei geht der Wettanbieter davon aus, dass sich die Wetteinsätze weitgehend nach den Wahrscheinlichkeiten verteilen werden, mit denen ein bestimmter Spielausgang zu erwarten ist. Die Wettquoten werden nach der zu erwartenden Verteilung der Wetteinsätze kalkuliert und so bemessen, dass „unter dem Strich“ unabhängig von dem Ergebnis des je- weiligen Spiels ein Gewinn verbleibt. Wird auf das Spielergebnis manipulativ eingewirkt, kann der Wettanbieter das betroffene Spiel nicht mehr zuverlässig kalkulieren. Wetten auf bekannt manipulierte Spiele werden daher nicht angenommen.
8
3. In zeitlicher Reihenfolge kam es im Tatzeitraum zu folgenden Manipulationshandlungen und Wettplatzierungen, wobei keiner der Wettanbieter von der Beeinflussung der jeweiligen Spiele Kenntnis hatte:
9
(1) Nach von ihm veranlasster Manipulationsabsprache empfahl der gesondert verfolgte C. den Angeklagten G. und A. das Spiel des Go. gegen den T. vom 17. April 2009 als sicheren Wettgegenstand. G. , der dies in diesem und auch in anderen Fällen als Hinweis auf eine abgesprochene Manipulation verstand, platzierte insgesamt dreizehn Vierer -Kombinationswetten mit einem Gesamteinsatz von 1.250 € an Wettautomaten verschiedener Anbieter, die sämtlich erfolgreich waren und zu einem Wettgewinn von insgesamt 31.587,28 € führten. A. , gleichermaßen über die Manipulation informiert, schloss bei einem privaten Wetthalter mehrere Kombinationswetten unter Einschluss des genannten Spiels ab, die er verlor, da einige der übrigen Partien entgegen der Vorhersage ausgingen (Fall C II. 1).
10
(2) Nach vorangegangener Manipulation des Angeklagten G. durch Gewährung eines finanziellen Vorteils an einen Spieler des O. ging das Spiel dieser Mannschaft gegen den A. vom 17. April 2009 ab- sprachegemäß verloren. Der Angeklagte, der über im Internet geführte Wettkonten des gesondert verfolgten C. fünf Einzelwetten auf dem asiatischen Wettmarkt platziert hatte, erzielte damit einen Gewinn von 124.100 €. Wegen der Höhe der Einsätze waren die Wetten vor der Bestätigung von Mitarbeitern der Wettunternehmen persönlich kontrolliert worden (Fall C II. 2).
11
(3) Das Spiel des Vereins Y. gegen den T. vom 26. April 2009 gewann nach einer Manipulation durch den gesondert verfolgten C. absprachegemäß die Mannschaft aus Y. . Die Angeklagten G. und A. , die nach einer entsprechenden Wettempfehlung durch C. jeweils mehrere Wetten teils bei ausländischen Wettanbietern, teils bei privaten Wetthaltern, aber auch an Wettautomaten platziert hatten, die alle erfolgreich waren, erzielten Wettgewinne in Höhe von 47.800 € für G. und 23.200 € für A. (Fall C II. 3).
12
(4) Weitere Wetten tätigten die Angeklagten G. und A. , nachdem ihnen der gesondert verfolgte C. die Partie Se. gegen Go. vom 30. Mai 2009 empfohlen hatte. Zwei Spieler des Go. hatten sich gegen das Versprechen von Geldzuwendungen bereit erklärt, auf eine Niederlage ihrer Mannschaft hinzuwirken, die auch eintrat. Die ViererKombinationswetten gingen indes sämtlich verloren, da jeweils mindestens eine der übrigen Ergebnisvorhersagen nicht eintraf (Fall C II. 4).
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(5) Nachdem der Angeklagte R. Spieler des Vereins V. durch Geldzuwendungen dazu veranlasst hatte, auf eine Niederlage ihrer Mannschaft hinzuwirken, unterrichtete er darüber den gesondert verfolgten C. , der über das Internet jeweils zwei sog. Systemwetten „3 aus 4“ auf verschiedene Spiele unter Einschluss der manipulierten Partie von M.
gegen den V. vom 30. Mai 2009 platzierte. Zumindest stillschweigend waren sich R. und C. dahin einig, dass R. im Erfolgsfall eine Beteiligung am Wettgewinn einschließlich der Erstattung der „Bestechungskosten“ erhalten sollte. Entgegen der Absprache endete die Partie mit einem Sieg des V. ; die Wetten gingen insgesamt verloren (Fall C II. 5).
14
(6) Nachdem die Angeklagten A. und R. im Auftrag des C. den manipulationswilligen Spielern des V. verdeutlicht hatten, dass sie den Verlust aus der vorherigen Partie gegen M. durch eine weitere, nunmehr erfolgreiche Manipulation auszugleichen hätten, sahen sich diese Spieler verpflichtet, in der bevorstehenden Begegnung mit dem K. am 6. Juni 2009 auf ihre eigene Niederlage hinzuwirken. Die Partie endete mit 1:0 für die Mannschaft des K. . Neben dem gesondert verfolgten C. platzierte auch der Angeklagte G. bei Wettbürobetreibern persönlich und an Wettautomaten in Kenntnis der manipulativen Hintergründe Kombinationswetten unter Einschluss der genannten Partie, wodurch er einen Wettgewinn in Höhe von 15.100 € erzielte. Die Angeklagten A. und R. wetteten selbst nicht, wussten indes von den Wettverträgen des C. ; R. hoffte im Erfolgsfall auf eine Gewinnbeteiligung (Fall C II. 6).
15
(7) Um den gesondert verfolgten C. bei seiner ins Auge gefassten Manipulation des Spiels des Sp. gegen Ob. vom 2. August 2009 zu unterstützen, nannte der Angeklagte A. dem C. auf entsprechende Nachfrage den Namen eines Wettbürobesitzers, der für C. den Kontakt zu einem manipulationswilligen Spieler des Sp. herstellte. Die erfolgreiche Manipulation erbrachte für C. einen Wettgewinn von insgesamt 87.681,81 €; der Angeklagte A. wettete selbst nicht, rechnete aber mit Wetteinsätzen des C. auf ein manipuliertes Spiel (Fall C II. 7).
16
(8) Das Spiel Al. gegen F. vom 19. September 2009 wurde von dem Angeklagten R. durch eine Absprache mit dem Torwart von Al. zu Lasten seiner eigenen Mannschaft manipuliert. Absprachegemäß unterlag Al. mit 1:0. Der Angeklagte A. platzierte vier Systemwetten an Wettautomaten in Wettbüros und erzielte einen Wettgewinn von insgesamt 13.998,04 €; der Angeklagte R. selbst wettete nicht; ob er am Wettgewinn des A. beteiligt wurde, konnte nicht festgestellt werden (Fall C II. 8).
17
(9) Entgegen einer zwischen dem Angeklagten R. und Spielern des Vereins V. getroffenen Absprache, eine Niederlage in dem Spiel gegen M. am 19. September 2009 herbeizuführen, gewann der V. diese Partie mit 1:0. Eine auf dieses Spiel abgeschlossene DreierKombinationswette des Angeklagten A. an einem Wettautomaten ging verloren. R. , der in der Hoffnung auf eine Gewinnbeteiligung auch C. von der Manipulation unterrichtet hatte, wettete selbst nicht und erhielt auch keinen Gewinnanteil (Fall C II. 9).
18
(10) Das Spiel des L. gegen Go. am 26. September 2009 wurde erneut von C. manipuliert; Spieler des Go. hatten gegen Geldzuwendungen zugesagt, auf eine Niederlage der eigenen Mannschaft hinzuwirken. Vor diesem Hintergrund empfahl C. das Spiel den Angeklagten G. und A. als sicheren Wettgegenstand. G. platzierte mindestens elf Vierer-Kombinationswetten unter Einschluss des genannten Spiels über Mittelsmänner bei Wettbetreibern, telefonisch bei den Wetthaltern und auch an Automaten. Er erzielte einen Wettgewinn in Höhe von 102.400 € (Fall C II. 10).
19
(11) In der Erwartung einer Beteiligung an etwaigen Wettgewinnen des C. sowie des Angeklagten A. bewog der Angeklagte R. erneut den Torhüter der Mannschaft Al. , auf eine Niederlage im Spiel gegen den V. A. am 17. Oktober 2009 hinzuwirken. Der V. A. gewann die Partie. Die Angeklagten G. und A. platzierten mehrere Wetten, wobei beide Angeklagten Wettbüros einschalteten und der Angeklagte A. sich darüber hinaus des Einsatzes von Wettautomaten bediente. G. erzielte einen Gewinn in Höhe von 8.400 €, A. einen solchen in Höhe von 14.000 € (Fall C II. 11).
20
(12) Für das Spiel des Sa. gegen V. am 31. Oktober 2009 traf der Angeklagte R. mit dem Mannschaftskapitän des V. eine Absprache dahin, dieser solle gegen Zahlung von mindestens 10.000 € auf die Niederlage seiner Mannschaft hinwirken. Absprachegemäß siegte die Mannschaft aus Sa. mit 3:1, weshalb die Wetten des gesondert verfolgten, von R. in die Manipulation eingeweihten C. erfolgreich waren und einen Wettgewinn in Höhe von 52.400 € erbrachten. R. erhielt von C. 14.000 € als Anteil (Fall C II. 12).
21
(13) In ähnlicher Weise manipulierte der Angeklagte R. das Spiel der U 19-Mannschaften der Vereine Bo. und Bi. am 31. Oktober 2009 dahin, dass Spieler von Bi. auf die Niederlage ihrer Mannschaft hinwirken sollten. Die Mannschaft des Bo. siegte mit 4:0, so dass die Wetten des gesondert verfolgten C. erfolgreich waren. R. wurde u.a. aus dessen Wettgewinn in Höhe von 10.800 € entlohnt (Fall C II. 13).
22
(14) Gegen Zahlung von mindestens 3.000 € erklärte sich der Torwart von Al. gegenüber dem Angeklagten R. bereit, wiederum auf eine Niederlage der eigenen Mannschaft im Spiel gegen St. vom 31. Oktober 2009 hinzuwirken, die auch eintrat. Die von C. über das Internet platzierte Siegwette, die wegen der Höhe des Einsatzes von Mitarbeitern des Wettanbieters überprüft wurde, war erfolgreich und erbrachte einen Gewinn in Höhe von 38.500 €, von dem R. einen Anteil erhielt (Fall C II. 14).
23
(15) Anlässlich der Begegnung zwischen Go. und Va. am 1. November 2009 erreichte der gesondert verfolgte C. durch das Versprechen von Geldzuwendungen die Zusage mehrerer Spieler beider Mannschaften , dass diese sich bereit erklärten, auf einen Sieg von Va. hinzuwirken, wobei in der zweiten Halbzeit drei Tore für Va. fallen sollten. Die Absprache wurde erfüllt. Die für den Angeklagten A. durch Dritte an Wettautomaten platzierten mindestens sechs Vierer-Kombinationswetten waren sämtlich erfolgreich und brachten einen Wettgewinn von 77.800 € ein (Fall C II. 15).
24
(16) Nach einer Absprache des gesondert verfolgten S. , der seinerseits mit C. zusammenwirkte, mit dem Schiedsrichter der Partie Ba. gegen So. am 5. November 2009 über eine Zahlung von 50.000 € ging diese Partie 3:1 für den Ba. aus. Der in die Manipulation eingeweihte Angeklagte A. ließ mindestens sechs Einzelwetten bei Wettbürobetreibern platzieren, die ihm einen Wettgewinn von 19.200 € einbrachten (Fall C II. 16).
25
(17) In dem Bestreben, an möglichen Wettgewinnen des Angeklagten A. und des gesondert verfolgten C. zu partizipieren, erreichte der Angeklagte R. gegen das Versprechen von Geldzuwendungen die Zusage mehrerer Spieler der U 19-Mannschaft des Vereins Bi. , eine Niederlage (mit zwei Toren) in dem Spiel gegen die U 19-Mannschaft des Sc. am 8. November 2009 herbeizuführen. Da R. nicht im erhofften Umfang wetten konnte und einer der manipulationswilligen Spieler nicht zum Einsatz kam, sagte der Angeklagte die Manipulation in der Halbzeitpause ab. Die Mannschaft von Bi. gewann die Partie mit 2:1. Die vor dieser Absage durch R. über das Internet platzierte Wette in Höhe von 300 € darauf, dass die Mannschaft des Sc. das nächste Tor erzielen werde , ging verloren (Fall C II. 17).
26
(18) Der für den Einsatz in der Begegnung der U 21-Mannschaften der S. und G. am 18. November 2009 vorgesehene Schiedsrichter nahm das Angebot des C. an, gegen Zahlung von 20.000 € auf einen Sieg der Mannschaft aus der S. mit einer Differenz von drei Toren hinzuwirken. Die von dem eingeweihten Angeklagten A. bei verschiedenen Wettbürobetreibern platzierten Wetten gingen jedoch verloren, weil die Partie entgegen der Absprache mit einem 1:0-Sieg der S. endete (Fall C II. 18).

B.


I.


27
Den von den Angeklagten G. und R. erhobenen Verfahrensrügen bleibt aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 20. Dezember 2011 der Erfolg versagt.

II.


28
Die Verurteilung der Angeklagten wegen Betruges hält nicht in allen Fällen der rechtlichen Nachprüfung stand.
29
1. Das Landgericht ist, soweit es die Angeklagten wegen Betruges verurteilt hat, zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass diese selbst, im mittäterschaftlichen Zusammenwirken oder durch ihre nicht eingeweihten Vermittler (§ 25 Abs. 1 2. Alt. StGB) bei der Abgabe der Wetten gegenüber den Wettanbietern konkludent der Wahrheit zuwider erklärt haben, dass der Verlauf oder der Ausgang der gewetteten Spiele von ihnen nicht beeinflusst worden ist.
30
a) Die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes gehört zur Geschäftsgrundlage der Wette. Beide Parteien sichern sich daher stillschweigend zu, auf das gewettete Spiel keinen Einfluss genommen zu haben. Dadurch wurde bei den Wettanbietern – jedenfalls in der Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins – ein entsprechender Irrtum erregt. Dies entspricht der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 16 ff.; Urteil vom 19. Dezember 1979 – 3 StR 313/79, BGHSt 29, 165, 167 f.; RG, Urteil vom 17. Dezember 1928 – III 1006/28, RGSt 62, 415, 416), die in der Literatur weitgehend Zustimmung gefunden hat (Cramer/Perron in Schönke/Schröder, 28. Aufl., § 263 Tz. 16e; Fischer, 60. Aufl., § 263 Tz. 32; SSW-StGB/Satzger, § 263 Tz. 38; Fasten/Oppermann, JA 2006, 69, 71; Feinendegen, NJW 2007, 787, 788; Gaede, HRRS 2007, 16; Krack, ZIS 2007, 103, 105; Kubiciel, HRRS 2007, 68, 69 f.; Petropoulos/Morozinis, wistra 2009, 254, 255; Reinhart, SpuRt 2007, 52, 53 f.; Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 362 ff.; vgl. auch Maaß, GA 1984, 264, 280 ff.; aus zivilrechtlicher Sicht Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand , S. 471).
31
b) Wie der Senat in seinen Urteilen vom heutigen Tage in den Verfahren 4 StR 55/12 und 4 StR 125/12 bereits ausgeführt hat, hält er an dieser Rechtsprechung fest. Die Erfassung konkludenter Täuschungen ist vom Wortlaut der Vorschrift des § 263 Abs. 1 StGB gedeckt und führt nicht zu einer Entgrenzung des Tatbestandes, sodass im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG keine Bedenken bestehen (vgl. BVerfG, NStZ 2012, 496 Tz. 168). Der Einwand, es liege keine Feststellung von Tatsachen mehr vor, wenn das Vorliegen einer konkludenten Täuschung über die Manipulationsfreiheit des gewetteten Spieles ohne Ermittlung des tatsächlichen Verständnisses der Beteiligten allein aus dem Wesen des Wettvertrages hergeleitet werde, verfängt nicht (Jahn/Maier, JuS 2007, 215, 217; a.A. Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 362 f.; vgl. noch Kraatz, JR 2012, 329, 331). Ob in einer bestimmten Kommunikationssituation neben einer ausdrücklichen auch eine konkludente Erklärung abgegeben worden ist und welchen Inhalt sie hat, bestimmt sich nach dem objektiven Empfängerhorizont, der unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und der Verkehrsanschauung festzulegen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, NStZ 2001, 430; Urteil vom 10. November 1994 – 4 StR 331/94, BGHR § 263 Abs. 1 Irrtum 10; SSW-StGB/Satzger, § 263 Tz. 37 f.). Wenn der Tatrichter dabei – wie hier – seine Bewertung maßgeblich auf die sich aus dem Wesen des abgeschlossenen Vertrages ergebende Risiko - und Pflichtenverteilung stützt, ist dies revisionsrechtlich bedenkenfrei (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Tz. 150; MünchKomm-StGB/Hefendehl, § 263 Tz. 86, 93; Kubiciel, HRRS 2007, 68, 69). Auch wird durch die Annahme einer konkludenten Täuschung die für die Strafbarkeit eines Unterlassens erforderliche Feststellung einer Garantenpflicht nicht umgangen (so aber Schild, ZfWG 2006, 213, 216 f.; Schlösser, NStZ 2005, 423, 426). Die Abgabe einer auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts gerichteten Erklärung ist positives Tun, auch wenn sie zugleich als (stillschweigende) Negativerklärung in Bezug auf zu dem Geschäftszweck in Widerspruch stehende Umstände verstanden wird (vgl. NK-StGB/Kindhäuser, § 263 Tz. 110; LKStGB /Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Tz. 29; SSW-StGB/Satzger, § 263 Tz. 41). Die Manipulationsfreiheit ist eine notwendige Bedingung für die Durchführbarkeit eines auf ein ungewisses Ereignis ausgerichteten Wettvertrages; sie gehört deshalb zum Inhalt eines in sich schlüssigen (konkludenten) Antrags auf dessen Abschluss (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 27).
32
2. Da nach den Feststellungen die Wettanbieter die Wettverträge nicht abgeschlossen und dementsprechend auch keine Gewinne ausbezahlt hätten, wenn ihnen die Manipulationen der gewetteten Spiele bekannt geworden wären , ist der für die Annahme eines Betruges erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen dem bei ihnen eingetretenen täuschungsbedingten Irrtum und der in der Gewinnausschüttung liegenden Vermögensverfügung gegeben (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, Tz. 34).
33
Der Umstand, dass das Landgericht keine näheren Feststellungen dazu getroffen hat, wer bei den Wettanbietern im konkreten Fall die Wetten angenommen hat und wie die Gewinnauszahlungen veranlasst wurden, steht dem nicht entgegen, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es im Geschäftsbetrieb der Wettanbieter an irgendeiner Stelle ein Wissen um die Manipulationen gegeben hat und der durch die Täuschung ausgelöste Irrtum über die Manipulationsfreiheit deshalb nicht verfügungsursächlich geworden sein könnte (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NStZ 2003, 313 Tz. 8 f.; Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315, 316). Auch hat das irrtumsbedingte Verhalten auf Seiten der Wettanbieter ohne weitere deliktische Zwischenschritte der Angeklagten zu der Vermögensverfügung geführt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1991 – 2 StR 421/90, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 29).
34
3. Die Wertung des Landgerichts, die Angeklagten A. und R. hätten in den Fällen C II. 6, 7, 11, 12, 13, 14, 16 und 18 jeweils als Mitglieder einer Bande gewerbsmäßig gehandelt (§ 263 Abs. 5 StGB) und der Angeklagte A. nur in den Fällen C II. 6 und 7 als Gehilfe, ist aus Rechtsgründen ebenfalls nicht zu beanstanden.
35
a) Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz benannten Deliktstyps zu begehen. Ein „gefestigter Bandenwille“ oder ein „Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse“ ist nicht erforderlich. Es steht der Annahme einer Bande deshalb nicht entgegen , wenn deren Mitglieder bei der Tatbegehung ihre eigenen Interessen an einer risikolosen und effektiven Tatausführung sowie Beute- und Gewinnerzielung verfolgen (BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 335; Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 204/06, NStZ 2007, 269).
36
b) Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil, ausgehend von diesen rechtlichen Grundsätzen, eine zumindest konkludente Bandenabrede zwischen den Angeklagten A. und R. mit dem gesondert verfolgten C. mit zutreffenden Erwägungen dargelegt. Diese bei einem gemeinsamen Treffen im Zusammenhang mit der im Fall C II. 5 misslungenen Manipulation getroffene Abrede war nach den Feststellungen ersichtlich auf eine unbestimmte Vielzahl zukünftiger Betrugstaten zum Nachteil einer Reihe unterschiedlicher Wettanbieter gerichtet. Dass die Angeklagten und der gesondert verfolgte C. in der Absicht dauerhafter Erzielung erheblicher Gewinne handelten, hat die Strafkammer vor dem Hintergrund der großen Zahl manipulierter Wettverträge mit erheblichen Wetteinsätzen in einem Tatzeitraum von lediglich acht Monaten ebenfalls hinreichend belegt.
37
4. Zu Unrecht wendet sich der Angeklagte R. in den Fällen C II. 5, 6, 11, 13 und 14 gegen die Annahme von Mittäterschaft.
38
a) Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint, er also nicht nur fremdes Tun fördert, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom Tatrichter auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles festzustellen (BGH, Urteil vom 20. Januar 1998 – 5 StR 501/97, NStZ-RR 1998, 136 mwN). Lässt das angefochtene Urteil erkennen, dass der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkennt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (BGH aaO).
39
b) Danach wird die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte R. habe als Mittäter gehandelt, von den Feststellungen getragen. Die Strafkammer konnte insoweit rechtsfehlerfrei darauf abstellen, dass der Angeklagte mit dem gesondert verfolgten C. zumindest stillschweigend übereingekommen war, in den genannten Fällen die erforderlichen Spielmanipulationen durchzuführen, wofür er von C. jeweils einen Anteil an den Wettgewinnen erhalten sollte.
40
5. Jedoch ist das Landgericht bei der Bestimmung des eingetretenen Vermögensschadens nicht in allen Fällen von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen.
41
a) In denjenigen Fällen, in denen die Wettanbieter den entsprechend der vereinbarten Quote berechneten Gewinn ausbezahlt und dadurch für sich einen Vermögensverlust in Höhe der Differenz zwischen Wetteinsatz und Wettgewinn herbeigeführt haben, ist das Landgericht ohne Rechtsfehler von einem vollendeten Betrug und einem Schaden in dieser Höhe ausgegangen.
42
(1) Die Tatsache, dass die Wettanbieter schon mit der auf derselben Täuschung beruhenden Eingehung der Wettverträge einenVermögensnachteil erlitten haben (dazu unten II. 5 b), steht, wie die Strafkammer zutreffend ausgeführt hat, einer Schadensbestimmung nach Maßgabe der in der Erfüllungsphase geleisteten Zahlungen nicht entgegen. Die Erfüllung einer täuschungsbedingt eingegangenen, vermögensnachteiligen Verpflichtung vertieft den bereits eingetretenen Schaden. Beide Verfügungen und die durch sie ausgelösten Nachteile bilden zusammen eine Betrugstat (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Tz. 162 f.; Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 35 f.; Urteil vom 29. Januar 1997 – 2 StR 633/96, NStZ 1997, 542, 543; RG, Urteil vom 17. März 1932 – III 841/31, RGSt 66, 175, 180; LK-StGB/Lackner, 10. Aufl., § 263 Tz. 292 f.; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Tz. 274; Tenckhoff in FS Lackner, S. 677, 680). Dabei ist für die Schadensfeststellung jedenfalls dann allein auf die Erfüllungsphase abzustellen, wenn – wie hier – die Getäuschten ihre Verpflichtungen aus dem jeweiligen Vertrag restlos erfüllt haben und der mit dem Vertragsschluss ausgelöste Nachteil deshalb vollständig in dem durch die Vertragserfüllung herbeigeführten Schaden enthalten ist (BGH, Beschluss vom 14. April 2011 − 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638 Tz. 12 a.E.; vgl. Klein, Das Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, 2003, S. 178 ff.).
43
(2) Auf die Frage, ob die Manipulationen tatsächlich den Ausgang der betroffenen Spiele beeinflusst haben, kommt es nicht an (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 35 f.; a.A. Saliger/Rönnau/ Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 368; Saliger in FS Samson, S. 455, 460). Entscheidend ist vielmehr, dass die Wettanbieter Wetten auf manipulierte Spiele nicht angenommen hätten. Dass es den Angeklagten in den Fällen, in denen das gewettete Spielergebnis unabhängig von einer Einflussnahme auf den Spielverlauf eintrat, möglich gewesen wäre, den Wettgewinn auch ohne Manipulation und damit auch ohne eine hierauf bezogene Täuschung zu erzielen, ist schon deshalb ohne Belang, weil für die innere Verknüpfung von Täuschung, Irrtum und Vermögensverfügung allein der tatsächliche Verlauf der Willensbildung maßgebend ist (BGH, Urteil vom 24. Februar 1959 – 5 StR 618/58, BGHSt 13, 13, 14 f.; im Ergebnis ebenso Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, 1999, S. 250 f.).
44
(3) Soweit Wetten bei Wetthaltern im Ausland platziert wurden, ist es ferner unerheblich, ob das von dort betriebene Wettgeschäft erlaubt war. Jedenfalls aus wirtschaftlicher Sicht ist auf Seiten der betreffenden ausländischen Wettanbieter eine Schädigung eingetreten (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 49).
45
b) In den Fällen C II. 1, 5 und 18 hat das angefochtene Urteil jedoch keinen Bestand. Die Strafkammer hat das Vorliegen eines Vermögensschadens und damit die Voraussetzungen eines vollendeten Betruges nicht hinreichend festgestellt.
46
(1) Das Landgericht ist bei der Beurteilung des Vermögensschadens in den Fällen, in denen es nicht zur Auszahlung von Wettgewinnen kam, weil die Wetten verloren wurden, von den Grundsätzen ausgegangen, die vom 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs zum sog. Quotenschaden entwickelt worden sind. In seinem Urteil vom 15. Dezember 2006 (5 StR 181/06) hat der 5. Strafsenat entschieden, dass bei Wetten mit festen Quoten auf manipulierte Fußballspiele bereits mit Abschluss des Wettvertrages ein vollendeter Betrug zum Nachteil der getäuschten Wettanbieter gegeben ist. Die aufgrund eines bestimmten Risikos ermittelte Quote stelle gleichsam den „Verkaufspreis“ der Wettchance dar. Durch die Manipulationen sei das Wettrisiko erheblich zugunsten der täuschenden Wettkunden verschoben worden. Die bei Vertragsschluss von den Wettanbietern vorgegebene Quote entspreche deshalb nicht mehr dem Risiko, das ihrer Kalkulation zugrunde gelegen habe. Die von dem Wettkunden erkaufte Chance auf den Wettgewinn sei wesentlich mehr wert, als er dafür in Ausnutzung seiner Täuschung bezahlt habe. Für seine jeweiligen Einsätze hätte der Wettkunde bei realistischer Einschätzung des tatsächlichen Wettrisikos einen erheblich geringeren Gewinn erkaufen können. Diese „Quotendifferenz“ stelle bei jedem Vertragsschluss einen nicht unerheblichen Vermögensschaden dar. Dieser Quotenschaden müsse nicht beziffert werden. Es reiche aus, wenn die insoweit relevanten Risikofaktoren gesehen und bewertet werden (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 32 f.; SSW-StGB/Satzger, § 263 Tz. 212; Engländer, JR 2007, 477, 479; Gaede, HRRS 2007, 16, 18; Krack, ZIS 2007, 103, 109; Ostermeier, ZfWG 2007, 253, 260).
47
(2) Auch im vorliegenden Fall bejaht der Senat grundsätzlich einen Vermögensschaden bereits mit Abschluss des Wettvertrags. Allerdings ist die eingetretene Vermögensminderung abweichend zu bestimmen.
48
(aa) Wurde der Getäuschte zum Abschluss eines gegenseitigen Vertrages verleitet (Eingehungsbetrug), sind bei der für die Schadensfeststellung erforderlichen Gesamtsaldierung der Geldwert des erworbenen Anspruchs gegen den Täuschenden und der Geldwert der eingegangenen Verpflichtung miteinander zu vergleichen. Der Getäuschte ist geschädigt, wenn sich dabei ein Negativsaldo zu seinem Nachteil ergibt (st. Rspr. vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 – 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638 Tz. 12; Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Tz. 156; Beschluss vom18. Februar 1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 4; Beschluss vom 18. Juli 1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Tz. 160, 173). Ist der Getäuschte ein Risikogeschäft eingegangen, kommt es für die Bestimmung des Schadens maßgeblich auf die täuschungs- und irrtumsbedingte Verlustgefahr an, die über die vertraglich zu Grunde gelegte hinausgeht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 – 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638 Tz. 12; Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199 Tz. 12 f.; Beschluss vom 23. Februar 1982 – 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 389 f.; Jaath in FS Dünnebier, S. 583, 591 f.).
49
Auch ein nur drohender, ungewisser Vermögensabfluss kann einen Schaden darstellen, wenn der wirtschaftliche Wert des gefährdeten Vermögens bereits gesunken ist (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 263 Tz. 40 ff.; Schuhr, ZStW 123 [2011], 517, 529 f.; Riemann, Vermögensgefährdung und Vermögensschaden, 1989, S. 7). Die bloße Möglichkeit eines Wertverlustes genügt dabei allerdings noch nicht. Auch dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens ungewiss bleibt. Zur Verhinderung einer tatbestandlichen Überdehnung und zur Wahrung des Charakters des Betrugstatbestandes als Erfolgsdelikt ist der Schaden daher der Höhe nach zu beziffern und nachvollziehbar darzulegen. Bestehen Unsicherheiten, kann ein Mindestschaden unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege einer tragfähigen Schätzung ermittelt werden (BVerfG, NStZ 2012, 496 Tz. 176; NStZ 2010, 626 Tz. 28; BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Tz. 163; Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199 Tz. 13; LK-StGB/ Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Tz. 165 mwN; Kraatz, JR 2012, 329, 332 ff.). Normative Gesichtspunkte können bei der Bewertung des Schadens eine Rolle spielen; sie dürfen die wirtschaftliche Betrachtung allerdings nicht überlagern oder verdrängen (BVerfG, NStZ 2012, 496 Tz. 176).
50
(bb) Bei Wettverträgen auf Sportereignisse mit verbindlichen Quoten gestehen sich der Wettende und der Wetthalter gegenseitig je einen Anspruch auf einen bestimmten Geldbetrag zu und übernehmen das entsprechende Haftungsrisiko. Beide Ansprüche stehen zueinander im Verhältnis der Alternativität, weil sie mit unterschiedlichen Vorzeichen von dem Eintritt des gewetteten Spielergebnisses oder Spielverlaufs und damit von entgegengesetzten Bedingungen abhängen (vgl. Staudinger/Engel, BGB, Neubearb. 2008, § 762 Tz. 4 f.; MünchKommBGB/Habersack, 5. Aufl., § 762 Tz. 7; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand , S. 440 ff.). Der Anspruch des Wettenden ist auf den seinen Einsatz entsprechend der vereinbarten Quote übersteigenden Wettgewinn und der Anspruch des Wettanbieters auf ein Behaltendürfen des vorgeleisteten Wetteinsatzes gerichtet. Ihr Geldwert bestimmt sich nach der vereinbarten Höhe (Einsatz x Quote – Einsatz bzw. Einsatz) sowie der Wahrscheinlichkeit des Eintrittes des zur Bedingung gemachten Spielausganges. Wird durch eine nicht offen gelegte Manipulation des Wettenden die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es zu dem von ihm gewetteten Spielausgang kommt, erhöht sich damit auch der Geldwert seines Anspruchs gegen den getäuschten Wettanbieter und das korrespondierende Haftungsrisiko. Zugleich vermindert sich der Geldwert des alternativen Anspruchs des Wettanbieters auf ein Behaltendürfen des Einsatzes. Die getäuschten Wettanbieter haben mithin einen Vermögensschaden erlitten , wenn bei objektiver Betrachtung die von ihnen gegenüber den Angeklagten eingegangene – infolge der Manipulationen mit einem erhöhten Realisierungsrisiko behaftete – Verpflichtung zur Auszahlung des vereinbarten Wettgewinns nicht mehr durch den Anspruch auf den Wetteinsatz aufgewogen wird.
51
(cc) Die Tatsache, dass die beeinträchtigten Ansprüche der Wettanbieter auf ein Behaltendürfen des Wetteinsatzes von dem Nichteintritt des gewetteten Spielergebnisses abhingen, lässt den strafrechtlichen Vermögensschutz nicht entfallen. Auch bedingte Forderungen gehören zum strafrechtlich geschützten Vermögen, wenn mit ihrer Realisierung ernsthaft zu rechnen ist und sie deshalb im Geschäftsverkehr als werthaltig angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 – 4 StR 58/08, NStZ 2008, 627). Dies war hier ersichtlich der Fall.
52
(dd) Soweit die getäuschten Wettanbieter in der Gesamtschau keinen Verlust erlitten haben, weil das auf die betroffenen Spiele entfallene Wettaufkommen die an die Angeklagten auszuschüttenden Gewinne gedeckt hat, steht dies der Annahme eines Vermögensschadens nicht entgegen (a.A. Saliger/ Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 366; Reinhart, SpuRt 2007, 52, 54 f.; Rönnau in FS Rissing-van Saan, S. 517, 528; Saliger in FS Samson, S. 455, 459 f.). Die dem Wettanbieter verbleibenden Wetteinsätze der Wettverlierer stellen im Verhältnis zu den manipulativ agierenden Wettgewinnern keinen unter dem Gesichtspunkt der Schadenskompensation zu berücksichtigenden Ausgleich dar. Kommt es im Zusammenhang mit einer nachteiligen Vermögensverfügung an anderer Stelle zu einem Vermögenszuwachs, scheidet die Annahme eines Vermögensschadens nur dann aus, wenn dieser Vorteil von der Verfügung selbst zeitgleich mit dem Nachteil hervorgebracht worden ist und nicht – wie hier – auf rechtlich selbstständigen Handlungen beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – 4 StR 194/09, NStZ 2010, 330 Tz. 2; Beschluss vom 27. August 2003 – 5 StR 254/03, NStZ 2004, 205 Tz. 2; Urteil vom 23. Mai 2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 301 f.; Urteil vom 4. März 1999 – 5 StR 355/98, NStZ 1999, 353, 354; SSW-StGB/Satzger, § 263 Tz. 144).
53
(ee) Die Sache bedarf daher in den genannten Fällen neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird dabei – gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe – die Wahrscheinlichkeit eines Wetterfolges und dessen Beeinflussung durch die Manipulationen zu beurteilen und danach den wirtschaftlichen Wert sowohl der bedingten Verbindlichkeit (Zahlung des Wettgewinns), als auch des gegenüberstehenden Anspruchs (Behaltendürfen des Wetteinsatzes ) des getäuschten Wettanbieters zu bestimmen haben. Dabei können die auf dem Wettmarkt für die jeweiligen Spiele anfänglich angebotenen Quoten einen Anhalt für die Bewertung des Wettrisikos vor der Manipulation bieten. Für die Bewertung der Beeinflussung des Wettrisikos durch die Manipulation geben die Zahl und die Bedeutung der beeinflussten Spieler oder sonstigen Teilnehmer einen wesentlichen Anhaltspunkt.
54
Soweit für eine Schadensbestimmung eine Anknüpfung an die Grundsätze zu Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) in Betracht kommt (vgl. Kozikowski/Schubert in Beck´scher Bilanzkommentar, 8. Aufl., § 249 Tz. 60; Kraatz, JR 2012, 329, 334), wird besonders zu beachten sein, dass es hier um die Ermittlung eines Mindestschadens geht. Betriebswirtschaftliche sowie handels- und gesellschaftsrechtliche Bewertungsverfahren sind in erheblichem Maß von Grundsätzen geprägt (Vorsichtsprinzip), die im Zweifel zur Annahme niedriger Werte und zu einer Überbewertung von Verlustrisiken führen, was ihrer Anwendung auf einen strafrechtlichen Sachverhalt Grenzen setzt (Schuhr, ZStW 123 [2011], 517, 530; Becker, HRRS 2009, 334, 338 f.; Kempf in FS Volk, S. 231, 240 f.; Tiedemann in FS Klug, Bd. II., S. 405, 415).
55
Lassen sich keine belastbaren Aussagen treffen und kann deshalb auch ein Mindestschaden nicht mehr geschätzt werden, scheidet ein Schuldspruch wegen vollendeten Betrugs aus.
56
(ff) Eine Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG ist nicht erforderlich, weil der 5. Strafsenat die in seinem Urteil vom 15. Dezember 2006 (5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 32 f.) vertretene Auffassung, dass der eingetretene Vermögensschaden nicht beziffert werden müsse, mit Beschluss vom 13. April 2012 (5 StR 442/11, NJW 2012, 2370 Tz. 7) aufgegeben und mit Rücksicht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 2011 (2 BvR 2500/09 u.a., NStZ 2012, 496 Tz. 176) entschieden hat, dass es im Fall der Annahme eines Eingehungsbetrugs einer ausreichenden Beschreibung und Bezifferung der täuschungsbedingten Vermögensschäden bedarf.

III.


57
Die Verurteilung der Angeklagten wegen Computerbetruges (§ 263a StGB) begegnet nur in den Fällen C II. 4, 9 und 17 durchgreifenden rechtlichen Bedenken; im Übrigen weist sie, auch soweit sie tateinheitlich erfolgt ist, keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
58
1. Im Grundsatz zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Angeklagten die Tatmodalität des unbefugten Verwendens von Daten im Sinne des § 263a Abs. 1 StGB verwirklicht haben, indem sie selbst oder über dritte Personen an elektronischen Wettautomaten der verschiedenen Wettanbieter oder bei von den Wettanbietern nicht überprüften Internetwetten mit einem Einsatz von unter 5.000 € auf Fußballspiele setzten, deren Manipulation ihnen auf der Grundlage von den Wetthaltern nicht zugänglichem Sonderwissen bekannt war.
59
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Anwendungsbereich dieser Tatmodalität unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Zwecks der Vorschrift durch die Struktur- und Wertgleichheit mit dem Betrugstatbestand bestimmt. Mit § 263a StGB sollte (lediglich) die Strafbarkeitslücke geschlossen werden, die dadurch entstanden war, dass der Tatbestand des Betruges menschliche Entscheidungsprozesse voraussetzt, die beim Einsatz von EDV-Anlagen fehlen (BGH, Beschluss vom 21. November 2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 162 mN zu den Gesetzesmaterialien). Das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ erfordert daher eine betrugsspezifische Ausle- gung (BGH, Urteil vom 22. November 1991 – 2 StR 376/91, BGHSt 38, 120, 124; Beschluss vom 21. November 2011 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 163). Unbefugt ist die Verwendung der Daten dann, wenn sie gegenüber einer natür- lichen Person Täuschungscharakter hätte (BGH aaO; vgl. auch LK-StGB/ Tiedemann/Valerius, 12. Aufl., § 263a Tz. 44; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 263a Tz. 11, jeweils mwN; krit. NK-StGB/Kindhäuser, 3. Aufl., § 263a Tz. 25 f.). Diese Voraussetzung ist insbesondere dann gegeben, wenn – entsprechend den Grundsätzen der konkludenten Täuschung beim Betrug – die Befugnis des Täters typischerweise zur Grundlage des betreffenden (Rechts-)Geschäfts gehört und nach der Verkehrsanschauung als selbstverständlich vorhanden vorausgesetzt wird (Tiedemann/Valerius und Fischer, jeweils aaO; Lackner/ Kühl, StGB, 27. Aufl., § 263a Tz. 13).
60
b) Gemessen daran ist die Wertung des Landgerichts, das Verhalten der Angeklagten bei Abschluss von Wettverträgen über Wettautomaten oder im Internet mit Einsätzen unter 5.000 € stelle eine unbefugte Verwendung von Daten im Sinne des § 263a Abs. 1 StGB dar, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
61
aa) Die für das Tatbestandsmerkmal der unbefugten Verwendung von Daten erforderliche Täuschungsäquivalenz ergibt sich aus den Ausführungen unter B. II. 1 zur konkludenten Täuschung im Rahmen des Betrugstatbestandes. Wie dort näher ausgeführt, haben die Angeklagten, soweit der Abschluss der Wettverträge gegenüber den Wettanbietern persönlich erfolgte, konkludent der Wahrheit zuwider erklärt, dass der Verlauf und das Resultat der jeweils gewetteten Spiele von ihnen nicht beeinflusst worden ist. Die Manipulationsfreiheit gehört als notwendige Bedingung zum Inhalt des Antrags auf den jeweiligen Vertragsabschluss. Dementsprechend ist die Benutzung eines Datenverarbeitungssystems , hier in Gestalt der von den Wettanbietern zur Verfügung gestellten und von den Wettern allein zu bedienenden Wettautomaten oder die nicht überprüfte Wette über das Internet, unter Verheimlichung manipulationsbezogenen Sonderwissens täuschungsäquivalent.
62
bb) Dass in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die für die Anwendbarkeit des Tatbestandes des Computerbetruges erforderliche Täuschungsäquivalenz nur hinsichtlich solcher Tatsachen bejaht worden ist, die von dem jeweiligen elektronischen Datenverarbeitungssystem auch geprüft werden und der Tatbestand nur bezüglich gefälschter, manipulierter oder durch verbotene Eigenmacht erlangter Daten erfüllt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 163), steht, wie die Strafkammer zutreffend ausgeführt hat, der Anwendbarkeit dieser Strafvorschrift hier nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob diese für den Fall des Missbrauchs von Scheckkarten entwickelten Grundsätze uneingeschränkt auf die vorliegende Fallkonstellation zu übertragen sind. Dagegen spricht insbesondere, dass es nicht um mögliches strafbares Verhalten im Rahmen einer bereits bestehenden Vertragsbeziehung geht, sondern um die Erschleichung eines Vertragsabschlusses (zu dieser Unterscheidung Fischer, StGB, 60. Aufl., § 263a Tz. 11). Das Landgericht hat indes festgestellt, dass der Wille der Wettanbieter, Wetten auf manipulierte Spiele gar nicht oder jedenfalls nicht zu den gegebenen Wettquoten zuzulassen, in den Datenverarbeitungsprogrammen durch die Festlegung von Höchstgrenzen für Wetteinsätze oder durch eine persönliche Kontrolle bei Überschreitung bestimmter Einsatzhöhen seinen Ausdruck gefunden hat. Jedenfalls damit ist die Täuschungsäquivalenz hinreichend dargetan.
63
2. Auf dieser Grundlage ist die Verurteilung der Angeklagten A. und R. in den Fällen, in denen es zur Auszahlung von Wettgewinnen kam, wegen banden- und gewerbsmäßigen Computerbetrugs aus den unter B. II. 3 und 4 dargelegten Gründen nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Verurteilung des Angeklagten R. als Mittäter. Hingegen hat die Verurteilung der Angeklagten G. und A. im Fall C II. 4 sowie die Verurteilung des Angeklagten R. in den Fällen C II. 9 und 17 keinen Bestand, da die Strafkammer auch in diesen Fällen nicht erfolgreicher Wetten bei der Prüfung, ob und in welcher Höhe ein Vermögensschaden eingetreten ist, einen unzutreffenden rechtlichen Ansatzpunkt gewählt hat. Insoweit gelten die Ausführungen unter B. II. 5 auch hier, da der Schadensbegriff des § 263a StGB dem des § 263 StGB entspricht (SSW-StGB/Hilgendorf, § 263a Tz. 30).

IV.


64
Die Teilaufhebung der Schuldsprüche zieht die Aufhebung der Aussprüche über die Gesamtstrafe nach sich.

65
Die hinsichtlich der Angeklagten G. und A. ergangenen, jeweils für sich genommen rechtsfehlerfreien Anordnungen über die Rückgewinnungshilfe gemäß § 111i Abs. 2 StPO bleiben von der Teilaufhebung der Schuldsprüche unberührt. Das Landgericht hat seiner Berechnung insoweit lediglich die den Angeklagten effektiv zugeflossenen Wettgewinne zu Grunde gelegt.
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Referenzen

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unrichtige Gestaltung des Programms, durch Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, durch unbefugte Verwendung von Daten oder sonst durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf beeinflußt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 263 Abs. 2 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Wer eine Straftat nach Absatz 1 vorbereitet, indem er

1.
Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt oder einem anderen überlässt oder
2.
Passwörter oder sonstige Sicherungscodes, die zur Begehung einer solchen Tat geeignet sind, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt oder einem anderen überlässt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) In den Fällen des Absatzes 3 gilt § 149 Abs. 2 und 3 entsprechend.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. Dem Angebot auf Abschluss eines Sportwettenvertrages ist
in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen,
dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht
vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert ist (im Anschluss
an BGHSt 29, 165).
2. Zur Schadensfeststellung beim Sportwettenbetrug.
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 15. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 28. November und 15. Dezember 2006, an der teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B. ,
Rechtsanwalt C.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en A. S. ,
Rechtsanwalt H.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en M. S. ,
Rechtsanwalt H. ,
Rechtsanwalt D.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en R. H. ,
Rechtsanwältin Ko.
als Verteidigerin für den Angeklagten D. M. ,
Rechtsanwalt St.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en F. S. ,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 15. Dezember 2006 für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. November 2005 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: A. S. wegen Betruges in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten, M. S. wegen Betruges und wegen Beihilfe zum Betrug in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, R. H. (unter Freisprechung im Übrigen) wegen Beihilfe zum Betrug in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten, D. M. (unter Freisprechung im Übrigen) wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie F. S. wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Soweit Freiheitsstrafen unter zwei Jahren verhängt worden sind, hat das Landgericht deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die mit der Sachrüge und teilweise mit Verfahrensrügen geführten Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Der Angeklagte A. S. , ein jüngerer Bruder der Angeklagten M. und F. S. , beschäftigte sich seit vielen Jahren intensiv mit Sportwetten. Seit 2000 riskierte und gewann er jährlich sechsstellige Beträge. Aufgrund seines großen Insiderwissens im Sportbereich verfügte er vielfach über einen Wissensvorsprung gegenüber den Buchmachern und konnte deshalb erhebliche Gewinne erzielen. Die hohen Wetterfolge führten dazu, dass die in Berlin ortsansässigen Buchmacher seine Wettmöglichkeiten erheblich beschränkten und seinen Einsatz limitierten. Im Jahr 2003 konnte A. S. höhere Einsätze praktisch nur noch bei der von der Deutschen Klassenlotterie Berlin (DKLB) unter dem Namen „Oddset“ betriebenen Sportwette plazieren; die dabei vorgegebenen festen Quoten empfand er als „die schlechtesten Wettquoten in ganz Europa“. Sein Wettverhalten wurde zusätzlich dadurch reglementiert, dass er Kombinationswetten spielen musste. Dabei kann der Wettende nicht mehr auf ein Sportereignis allein wetten, sondern muss das Ergebnis verschiedener Sportereignisse, vornehmlich Fußballspiele, vorhersagen.
4
Bis Frühjahr 2004 hatte A. S. bei Oddset insgesamt Spielverluste in Höhe von 300.000 bis 500.000 Euro erlitten. Zu dieser Zeit entschloss er sich, seine Gewinnchancen durch Einflussnahme auf das Spielgeschehen mittels Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern entscheidend zu erhöhen, um so den bei Oddset verlorenen Betrag zurückzugewinnen. Selbstverständlich hielt er diese Manipulationen vor dem jeweiligen Wettanbieter geheim, schon um von diesem nicht von der Spielteilnahme ausgeschlossen zu werden. In Ausführung seines Plans kam es zu zehn einzelnen Taten, wobei die Wetten jeweils zu festen Gewinnquoten abgeschlossen wurden.
5
Der Angeklagte A. S. gewann dabei, teilweise unter Mithilfe seiner Brüder, die angeklagten Schiedsrichter H. und M. sowie den gesondert verfolgten Fußballspieler K. und andere Fußballspieler gegen Zahlung oder das Versprechen von erheblichen Geldbeträgen (zwischen 3.000 und 50.000 Euro) dazu, dass diese den Ausgang von Fußballspielen durch falsche Schiedsrichterentscheidungen oder unsportliche Spielzurückhaltung manipulieren. In einem Fall half R. H. , seinen Kollegen M. für eine Manipulation zu gewinnen. Betroffen waren Fußballspiele in der Regionalliga, in der Zweiten Bundesliga und im DFB-Pokal. Teilweise gelangen die von A. S. geplanten Manipulationen nicht, teilweise hatten die kombiniert gewetteten Spiele nicht den von ihm erhofften Ausgang. In vier Fällen (Fälle 2, 6, 7 und 11 der Urteilsgründe) gewann A. S. ganz erhebliche Geldbeträge (zwischen 300.000 und 870.000 Euro), in den übrigen Fällen verlor er seine Einsätze. Im Fall 10 der Urteilsgründe setzte auch M. S. Beträge in eigenem Interesse. Nach den Feststellungen des Landgerichts lag der bei den Wettanbietern in allen zehn Fällen insgesamt verursachte Vermögensschaden bei knapp 2 Mio. Euro (Gewinn abzüglich der jeweiligen Einsätze), in Fällen erfolgloser Wetten nahm das Landgericht darüber hinaus eine schadensgleiche Vermögensgefährdung von insgesamt etwa 1 Mio. Euro an.
6
Das Landgericht hat jeweils einen vollendeten Betrug durch A. S. (im Fall 10 auch durch M. S. ) aufgrund einer konkludenten Täuschung der Angestellten der Wettannahmestellen bei Abgabe der Wettscheine angenommen. Aufgrund dieser Täuschung sei das Personal der Wettannahmestellen dem Irrtum erlegen, es läge bei dem jeweils vorgelegten Spielschein nicht der Ablehnungsgrund einer unlauteren Einflussnahme des Wettenden auf ein wettgegenständliches Spiel vor. Der hierdurch bedingte Abschluss des Wettvertrages habe unmittelbar zu einer schadensgleichen Vermögensgefährdung bei dem jeweiligen Wettanbieter in Höhe des möglichen Wettgewinns abzüglich des Einsatzes geführt.

II.


7
Die Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.
8
1. Die Verfahrensrügen, in denen jeweils die Behandlung von Wettbedingungen als Verstoß gegen § 244 Abs. 2, Abs. 3 oder § 261 StPO beanstandet wird, zeigen – unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der jeweiligen Verfahrensbeanstandungen (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) – keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Revisionen sind die Teilnahmebedingungen der DKLB für Oddset-Wetten und die Bedingungen der übrigen Wettanbieter für die rechtliche Lösung des Falls unerheblich:
9
a) Allgemeine Geschäftsbedingungen, die bei Vertragsschluss wirksam einbezogen werden, könnten im vorliegenden Fall allenfalls dann beachtlich sein, wenn sie zum Vorteil manipulierender Wettkunden vom geltenden Recht abweichen würden, also etwa – was überaus fernliegend ist und von den Revisionen auch nicht behauptet wird – ausnahmsweise eine Manipulation des Wettgegenstandes erlauben oder eine diesbezügliche Überprüfung des Wettkunden bzw. der Wetten auf Manipulation ausschließen würden.
10
b) Im Übrigen ergibt sich schon aus dem (allgemein) geltenden Zivilrecht , dass bei einer Wette auf den Ausgang eines zukünftigen Sportereignisses eine vorsätzliche Manipulation des Wettereignisses vertragswidrig ist. Schon hiernach ist selbstverständlich, dass kein Wettanbieter Wetten auf Sportereignisse entgegennehmen muss oder zur Auszahlung des Wettbetrages verpflichtet ist, wenn der Wettende das Wettrisiko durch eine Manipulation des Sportereignisses zu seinen Gunsten erheblich verschiebt. Die Teilnahmebedingungen haben aus diesem Grund auch keinen entscheidenden Einfluss auf die Feststellung des Erklärungsinhalts im Rahmen des Wettvertragsschlusses. Denn dass der Wettanbieter bei einer Manipulation des Sportereignisses nicht an den Wettvertrag gebunden bleibt, ergibt sich schon aus der gravierenden Verletzung vertraglicher Nebenpflichten durch den Wettenden. Ob die Teilnahmebedingungen der DKLB nach den jeweiligen Taten geändert wurden oder nicht, ist entgegen der Auffassung einzelner Revisionen rechtlich unerheblich, weil es allein auf die Umstände zur Tatzeit ankommt.
11
Es ergibt sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hier auch – anders als etwa im Fall der Fehlbuchung (dazu näher BGHSt 39, 392; 46, 196) – kein Ansatzpunkt zum Verständnis der Erklärungen bei Wettabschluss. Bei einer arglistigen Manipulation der Vertragsgrundlage bedarf es keiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen, um eine entsprechende Prüfungspflicht bzw. ein Ablehnungs- oder Anfechtungsrecht des Wettanbieters zu statuieren. Dies ergibt sich bereits aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Anders als einige Revisionen meinen, bestimmen oder begrenzen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch nicht Prüfungsrecht und Prüfungspflicht desjenigen, der den Wettschein für den Wettanbieter entgegennimmt. Für den Erklärungsinhalt und die Überprüfungspflicht wichtig können Allgemeine Geschäftsbedingungen allerdings dann sein, wenn es nicht um die aktive Manipulation des Vertragsgegenstandes, sondern um das Ausnutzen von Fehlern wie etwa bei einer Fehlbuchung geht (vgl. BGHSt 46,

196).


12
Auf Allgemeine Geschäftsbedingungen kommt es vorliegend auch deshalb nicht entscheidend an, weil weder die Feststellungen des Landgerichts noch der Revisionsvortrag eine wirksame Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen belegen (vgl. §§ 305, 305a BGB).
13
c) Dies gilt unabhängig davon, ob es um Wettabschlüsse mit deutschen oder mit ausländischen Wettanbietern über deutsche Sportwettenvermittler geht. In allen diesen Fällen bestimmt sich die Rechtslage nach dem dargestellten deutschen Recht (Art. 28 und Art. 29 EGBGB; vgl. auch Heldrich in Palandt, BGB 66. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 19; Martiny in MünchKomm-BGB 4. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 376).
14
2. Auch die Sachrügen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
15
a) Das Landgericht hat die Taten im Ergebnis zutreffend als zehn Fälle des Betruges zum Nachteil der jeweiligen Wettanbieter angesehen.
16
Der Angeklagte A. S. (im Fall 10 auch M. S. ) hat bei Abgabe der Wettscheine konkludent erklärt, nicht an einer Manipulation des Wettgegenstandes beteiligt zu sein, und hat hierdurch den Mitarbeiter der Annahmestelle getäuscht, so dass dieser irrtumsbedingt die jeweiligen Wettverträge abschloss, wodurch den Wettanbietern täuschungsbedingt ein Schaden entstanden ist.
17
aa) Der 3. Strafsenat hat bereits entschieden, dass ein Wettteilnehmer , der den Gegenstand des Wettvertrages zu seinen Gunsten beeinflusst, einen Betrug begeht, wenn er diesen Umstand bei Abschluss des Wettvertrages verschweigt (BGHSt 29, 165, 167 – „Pferdewetten“): Dem Vertragsangebot könne die stillschweigende Erklärung entnommen werden, der Wetter selbst habe die Geschäftsgrundlage der Wette nicht durch eine rechtswidrige Manipulation verändert; in dem Verschweigen der Manipulation liege eine Täuschung durch schlüssiges Handeln (BGHSt 29, 165, 167 f.). Der Senat sieht entgegen der Bundesanwaltschaft keinen Anlass, von dieser in der Literatur vielfach geteilten Auffassung (vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 263 Rdn. 18; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 263 Rdn. 16e; Hefendehl in MünchKomm-StGB § 263 Rdn. 113; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 263 Rdn. 9; Kindhäuser in NK-StGB 2. Aufl. § 263 Rdn. 133; Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 71; Valerius SpuRt 2005, 90, 92; Weber in Pfister [Hrsg.], Rechtsprobleme der Sportwette [1989] S. 39, 62; a. A. etwa Schlösser NStZ 2005, 423, 425 f.; jeweils m.w.N.) im Ergebnis abzurücken.
18
Gegen die Auffassung, beim Abschluss einer Sportwette erkläre der Wetter zugleich die Nichtmanipulation des sportlichen Ereignisses, wird – im Anschluss an BGHSt 16, 120 („Spätwette“, m. abl. Anm. Bockelmann NJW 1961, 1934) – geltend gemacht, die Annahme einer solchen Erklärung liefe auf eine „willkürliche Konstruktion“ hinaus (vgl. Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung [2001] S. 164 f.; Weber aaO S. 57 f.; Schlösser aaO S. 425 f.; Schild ZfWG 2006, 213, 215 ff.); damit werde zudem in unzulässiger Weise ein lediglich gemäß § 13 StGB strafbares Unterlassen in ein aktives Tun umgedeutet (vgl. Schlösser aaO S. 426; Schild aaO S. 216). Gegen diese auch von der Bundesanwaltschaft erhobenen Einwände spricht folgendes:
19
(1) In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, dass außer durch ausdrückliche Erklärung, namentlich durch bewusst unwahre Behauptungen , eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB auch konkludent erfolgen kann, nämlich durch irreführendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist. Davon ist auszugehen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt (BGHSt 47, 1, 3; vgl. auch Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 12; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 22; jeweils m.w.N.).
20
Der Erklärungswert eines Verhaltens ergibt sich demnach nicht nur aus demjenigen, was ausdrücklich zum Gegenstand der Kommunikation gemacht wird, sondern auch aus den Gesamtumständen der konkreten Situation (vgl. Vogel in Gedächtnisschrift für Rolf Keller [2003] S. 313, 315). Dieser unausgesprochene Kommunikationsinhalt wird wesentlich durch den dem Erklärenden bekannten Empfängerhorizont und damit durch die ersichtlichen Erwartungen der Beteiligten bestimmt (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 12). Derartige tatsächliche Erwartungen werden ganz wesentlich auch durch die Anschauungen der jeweiligen Verkehrskreise und die in der Situation relevanten rechtlichen Normen geprägt (vgl. auch Hefendehl aaO § 263 Rdn. 88; Tiedemann aaO § 263 Rdn. 30). In aller Regel muss der Inhalt konkludenter Kommunikation deshalb auch unter Bezugnahme auf die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmt werden, von denen ersichtlich die Erwartungen der Kommunikationspartner geprägt sind. Bei der Ermittlung des Erklärungswertes eines konkreten Verhaltens sind daher sowohl faktische als auch normative Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 14/15; Vogel aaO S. 316).
21
Entscheidende Kriterien für die Auslegung eines rechtsgeschäftlich bedeutsamen Verhaltens sind neben der konkreten Situation der jeweilige Geschäftstyp und die dabei typische Pflichten- und Risikoverteilung zwischen den Partnern (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 22; Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 14/15). Liegen keine Besonderheiten vor, kann der Tatrichter regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation schließen. Ein derartiger Schluss des Tatrichters von den Gesamtumständen eines Geschehens, die auch von normativen Erwartungen geprägt sind, auf einen bestimmten Kommunikationsinhalt führt nicht zur „Fiktion“ einer Erklärung.
22
Für eine Vielzahl von Fallgruppen hat die Rechtsprechung anhand des jeweiligen Geschäftstyps und der dabei üblichen Pflichten- und Risikoverteilung den jeweils typischen Inhalt konkludenter Kommunikation herausgearbeitet (vgl. näher Tiedemann aaO § 263 Rdn. 31 ff.; Hefendehl aaO § 263 Rdn. 93 ff.; Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 13 ff.; je m.w.N.). Erklärungsinhalt kann danach auch sein, dass etwas nicht geschehen ist (sog. „Negativtatsache“ ), etwa ein Angebot ohne vorherige Preisabsprache zwischen den Bietern zustande kam (vgl. BGHSt 47, 83, 87). Eine konkludente Erklärung derartiger Negativtatsachen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn es um erhebliche vorsätzliche Manipulationen des Vertragsgegenstandes geht, auf den sich das kommunikative Verhalten bezieht (vgl. RGSt 20, 144: Überstreichen schwammbefallener Hausteile; RGSt 59, 299, 305 f.: Überdecken schlechter Ware; RGSt 29, 369, 370; 59, 311, 312; BGH MDR 1969, 497 f.: Verfälschen von Lebensmitteln; BGHSt 8, 289: Zurückbehalten des Hauptgewinnloses einer Lotterie; BGH NJW 1988, 150: Erschleichen einer Prädikatsbezeichnung für Wein; BGHSt 38, 186; 47, 83: unzulässige vorherige Preisabsprache; vgl. zur konkludenten Täuschung bei Manipulation auch Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug [1999] S. 87). Zwar reicht die allgemeine Erwartung, der andere werde sich redlich verhalten, für die Annahme entsprechender konkludenter Erklärungen nicht aus. Abgesehen davon , dass die Vertragspartner aber ein Minimum an Redlichkeit im Rechtsverkehr , das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen dürfen (vgl. Cramer /Perron aaO § 263 Rdn. 14/15), ist die Erwartung, dass keine vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht, unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Erklärungen. Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird.
23
Bei der Sportwette, einer Unterform des wesentlich durch Zufall bestimmten Glücksspiels (vgl. BGH NStZ 2003, 372, 373; Hofmann/Mosbacher NStZ 2006, 249, 251 m.w.N.), ist Gegenstand des Vertrages das in der Zukunft stattfindende und von den Sportwettenteilnehmern nicht beeinflussbare (vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand [1994] S. 471) Sportereignis. Auf diesen Vertragsgegenstand nimmt jede der Parteien bei Abgabe und Annahme des Wettscheins Bezug. Beim Abschluss einer Sportwette erklärt demnach regelmäßig jeder der Beteiligten konkludent, dass das wettgegenständliche Risiko nicht durch eine von ihm veranlasste, dem Vertragspartner unbekannte Manipulation des Sportereignisses zu seinen Gunsten verändert wird (BGHSt 29, 165). Denn dies erwartet nicht nur der Wettanbieter vom Wettenden, sondern auch umgekehrt der Wettende vom Wettanbieter.
24
Weil sich eine Sportwette zwangsläufig auf ein in der Zukunft stattfindendes Ereignis bezieht, kann sich die Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits endgültig durchgeführte, sondern nur auf eine beabsichtigte Manipulation beziehen. Eine Täuschung ist jedenfalls dann anzunehmen , wenn zu dem konkreten Plan der Manipulation des zukünftigen Sportereignisses die konkrete Einflussnahme tritt, etwa wie hier durch die vorherigen Abreden mit Teilnehmern an dem Sportereignis, die ihre Manipulationsbereitschaft zugesagt haben. Nur in einem solchen Fall wird der Wettende auch – wie hier – erhebliche Beträge auf einen eher unwahrscheinlichen (und dafür zu hohen Gewinnquoten angebotenen) Spielausgang setzen. Wer erhebliche Beträge zu hoher Quote auf einen unwahrscheinlichen Spielausgang setzt und in Manipulationen des Spielgeschehens verstrickt ist, hat diese regelmäßig bereits zuvor schon so hinreichend konkret ins Werk gesetzt, dass es bei normalem Lauf der Dinge allein von ihm abhängt, ob es zu der unlauteren Beeinflussung des Spielverlaufs kommt. Dass dies bei A. S. jeweils der Fall war, ist den Feststellungen des Landgerichts zu den Wettvertragsabschlüssen insgesamt mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen.
25
Dieser Begründung steht die Entscheidung des Senats in BGHSt 16, 120 („Spätwette“) nicht entgegen. Dort ging es nicht um eine Manipulation des Vertragsgegenstandes, sondern um ein überlegenes Wissen des Wettenden , das aus allgemein zugänglichen Informationsquellen stammte. Ob der Wettende bei Abschluss einer Wette auf ein zukünftiges Ereignis auch konkludent erklärt, dieses sei noch nicht eingetreten, so dass er davon nichts wisse, bedarf hier deshalb keiner Entscheidung. Dagegen mag sprechen, dass das Einholen allgemein zugänglicher Informationen über den Wettgegenstand typischerweise in das Risiko jedes Vertragspartners fällt. Berechtigterweise erwartet der Vertragspartner einer Sportwette jedenfalls, dass der andere Teil nicht über Sonderwissen verfügt, das aus einer verwerflichen Manipulation des Wettgegenstandes resultiert (vgl. aber auch Habersack in MünchKomm-BGB 4. Aufl. § 762 Rdn. 19).
26
(2) Entgegen einer in der Literatur verbreiteten Meinung (vgl. Schlösser aaO S. 426; Schild aaO S. 216) handelt es sich bei der Täuschung der jeweiligen Wettbüro-Mitarbeiter um eine konkludente Täuschung durch aktives Tun und nicht um eine Täuschung durch Unterlassen.
27
Die Grenze zwischen einer aktiven konkludenten Täuschung und einer Täuschung durch Unterlassen bestimmt sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Erklärungswert des aktiven Verhaltens. Deshalb darf der Tatrichter grundsätzlich nicht an ein Unterlassen, sondern muss an das aktive Tun – also insbesondere den jeweiligen Vertragsschluss – anknüpfen (missverständlich deshalb BGHSt 29, 165, 167, soweit dort auf ein „Verschweigen“ abgestellt wird), wenn in der Erklärung bereits die Täuschungshandlung zu sehen ist. In diesen Fällen liegt der relevante Handlungsschwerpunkt in einem positiven Tun, weil der Täter inzident die Essentialia zusichert, die – wie oben dargestellt – zur unverzichtbaren Grundlage des Geschäfts zählen. Deshalb ist im vorliegenden Fall ein aktives Verhalten, nämlich der Abschluss des Wettvertrages, die strafbarkeitsbegründende Täuschungshandlung , weil ihm der Erklärungswert zukommt, nicht auf Manipulationen des Vertragsgegenstandes hingewirkt zu haben. Da bereits ein Betrug durch aktives Tun vorliegt, kann dahinstehen, ob hier auch ein Betrug durch Unterlassen der Aufklärung über die Spielmanipulation (vgl. zu einer möglichen Aufklärungspflicht Henssler aaO S. 471; Habersack aaO § 762 Rdn. 19) oder später (vgl. etwa in Fall 7 der Urteilsgründe das Gespräch mit den Vertretern des Wettveranstalters) gegeben ist (vgl. allgemein zu den Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen einer Täuschung durch Tun und durch Unterlassen Tiedemann aaO § 263 Rdn. 29 m.w.N.; Schlösser aaO S. 426).
28
bb) Durch die konkludente Täuschung über die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes ist bei den jeweiligen Mitarbeitern der Wettanbieter auch ein entsprechender Irrtum erregt worden (vgl. BGHSt 29, 165, 168). Die Mitarbeiter der Wettanbieter gingen – jedenfalls in Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins (hierzu näher Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 35 m.w.N.) – jeweils davon aus, dass das wettgegenständliche Risiko nicht durch Manipulation des Sportereignisses zu Ungunsten ihres Unternehmens ganz erheblich verändert wird. Ansonsten hätten sie die jeweiligen Wettangebote zu der angebotenen Quote zurückgewiesen. Gerade weil die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes beim Abschluss einer Sportwette mit festen Quoten für die Vertragspartner von entscheidender Bedeutung für die Einschätzung des Wettrisikos ist, verbinden Wettender und Wettanbieter mit ihren rechtsgeschäftlichen Erklärungen regelmäßig die Vorstellung, dass der Wettgegenstand nicht manipuliert wird (vgl. auch BGHSt 24, 386, 389). Hierüber irren sie aber infolge des Verhaltens des anderen Teils. Dieser Irrtum führte auch zu einer Vermögensverfügung, nämlich zum Vertragsabschluss mit dem jeweiligen Wettanbieter.
29
cc) Bei den jeweiligen Wettveranstaltern ist durch diese täuschungsbedingte Vermögensverfügung auch ein Schaden entstanden.
30
(1) In allen Fällen liegt bereits mit Abschluss der jeweiligen Wettverträge ein vollendeter Betrug vor.
31
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug) ergibt der Vergleich der Vermögenslage vor und nach Abschluss des Vertrages , ob ein Vermögensschaden eingetreten ist. Zu vergleichen sind die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen. Wenn der Wert des Anspruchs auf die Leistung des Täuschenden hinter dem Wert der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurückbleibt, ist der Getäuschte geschädigt (vgl. BGHSt 16, 220, 221; BGH NStZ 1991, 488). Entscheidend ist für die Tatbestandserfüllung beim (Eingehungs-)Betrug nämlich, dass der Verfügende aus dem Bestand seines Vermögens aufgrund der Täuschung mehr weggibt, als er zurückerhält (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 64 m.w.N.). Diese für übliche Austauschgeschäfte entwickelte Rechtsprechung bedarf der Anpassung an die Besonderheiten der hier gegenständlichen Sportwetten , bei denen zur Eingehung der vertraglichen Verpflichtungen der Aus- tausch von Einsatz und Wettschein (einer Inhaberschuldverschreibung, vgl. Sprau in Palandt aaO § 793 Rdn. 5) hinzukommt:
32
Bei Sportwetten mit festen Quoten (sog. Oddset-Wetten) stellt die aufgrund eines bestimmten Risikos ermittelte Quote gleichsam den „Verkaufspreis“ der Wettchance dar; die Quote bestimmt, mit welchem Faktor der Einsatz im Gewinnfall multipliziert wird. Weil die von A. S. geplante und ins Werk gesetzte Manipulation der Fußballspiele das Wettrisiko ganz erheblich zu seinen Gunsten verschoben hatte, entsprachen die bei dem Vertragsschluss vom Wettanbieter vorgegebenen Quoten nicht mehr dem Risiko, das jeder Wettanbieter seiner eigenen kaufmännischen Kalkulation zugrunde gelegt hatte. Eine derart erheblich höhere Chance auf den Wettgewinn ist aber wesentlich mehr wert, als A. S. hierfür jeweils in Ausnutzung der erfolgten Täuschung gezahlt hat. Für seinen jeweiligen Einsatz hätte er bei realistischer Einschätzung des Wettrisikos unter Berücksichtigung der verabredeten Manipulation nur die Chance auf einen erheblich geringeren Gewinn erkaufen können. Diese „Quotendifferenz“ stellt bereits bei jedem Wettvertragsabschluss einen nicht unerheblichen Vermögensschaden dar. Dieser ähnelt infolge des für Wetten typischen Zusammenhangs zwischen Wettchance und realisiertem Wettrisiko der vom Landgericht angenommenen schadensgleichen Vermögensgefährdung (gegen deren Annahme indes durchgreifende Bedenken bestehen, vgl. unten [3]) und stellt wirtschaftlich bereits einen erheblichen Teil des beabsichtigten Wettgewinns dar. Dass Wetten für erkannt manipulierte Spiele nicht angeboten werden, ist insoweit ohne Bedeutung. Maßgeblich ist allein, dass der Wettanbieter täuschungsbedingt aus seinem Vermögen eine Gewinnchance einräumt, die (unter Berücksichtigung der Preisbildung des Wettanbieters) gemessen am Wetteinsatz zu hoch ist. Mithin verschafft sich der Täuschende eine höhere Gewinnchance , als der Wettanbieter ihm für diesen Preis bei richtiger Risikoeinschätzung „verkaufen“ würde.
33
Ein derartiger Quotenschaden muss nicht beziffert werden. Es reicht aus, wenn die insoweit relevanten Risikofaktoren gesehen und bewertet werden. Realisiert sich der vom Wettenden infolge seiner Manipulation erstrebte Gewinn nicht, verbleibt es vielmehr bei dem mit erfolgreicher Täuschung bereits erzielten Quotenschaden, so ist dem wegen der geringeren Auswirkungen der Tat im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen.
34
(2) In denjenigen Fällen, in denen es zur Auszahlung von Wettgewinnen auf manipulierte Spiele kam (Fälle 2, 6, 7, 11), ist das mit dem Eingehungsbetrug verbundene erhöhte Verlustrisiko in einen endgültigen Vermögensverlust der jeweiligen Wettanbieter in Höhe der Differenz zwischen Wetteinsatz und Wettgewinn umgeschlagen (vgl. zur Schadensberechnung näher Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 73; Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 71 m.w.N.); der so erzielte Vermögensvorteil war insbesondere das Endziel des mit Hilfe von Manipulationen Wettenden. Weil sich Sportwettenverträge auf ein in der Zukunft stattfindendes Ereignis beziehen, stellt der Quotenschaden das notwendige Durchgangsstadium und damit einen erheblichen Teil des beabsichtigten endgültigen Schadens bei dem Wettanbieter dar.
35
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Kutzner JZ 2006 S. 712, 717; Schild aaO S. 219) liegt der betrugsrelevante Vermögensschaden in diesen Fällen nicht in der – kaum feststellbaren – Differenz zwischen der auf Grund des „normalen Wettverhaltens“ prognostizierten Gesamtgewinnausschüttung und der nach Manipulation tatsächlich auszuschüttenden Gesamtgewinnsumme. Diese mögliche Vermögenseinbuße stünde zudem in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der vom Wettenden beabsichtigten Vermögensmehrung, so dass insoweit Bedenken hinsichtlich der Stoffgleichheit der erstrebten Bereicherung bestünden. Ausreichend und allein maßgeblich ist, dass der jeweilige Wettanbieter täuschungsbedingt den Wettgewinn auszahlt, auf den der Wettende wegen der Spielmanipulation keinen Anspruch hat, und in dieser Höhe sein Vermögen mindert; gerade diese Bereicherung erstrebt auch der Wettende. Die Ersparnis anderweitig zu erwartender Gewinnausschüttungen durch den Wettanbieter infolge der Manipulation ist allenfalls mittelbar relevant (vgl. auch BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 54).
36
Für die Schadensfeststellung kommt es entgegen der Auffassung einiger Revisionen auch nicht darauf an, ob sich die von A. S. ins Werk gesetzten Manipulationen kausal im Spielergebnis oder wenigstens entscheidend im Spielverlauf niedergeschlagen haben. Es reicht vielmehr aus, dass der jeweilige Wettanbieter täuschungsbedingt Wettverträge abgeschlossen hat, die er bei Kenntnis der beabsichtigten Manipulationen nicht abgeschlossen hätte. Denn nicht der Erfolg der Manipulation ist Tatbestandsmerkmal des § 263 StGB, sondern allein die täuschungsbedingte Vermögensschädigung. Im Übrigen ist für die Risikoverschiebung die Zusage der Manipulation durch einen Mannschaftsspieler oder gar einen Schiedsrichter – anders als von einigen Verteidigern in der Revisionshauptverhandlung vorgetragen – regelmäßig von erheblicher Bedeutung.
37
(3) In denjenigen Fällen, in denen die Manipulationen keinen oder keinen vollständigen Wetterfolg einbrachten, hat das Landgericht allerdings den Schaden nicht gemäß den vorstehenden Grundsätzen bestimmt. Abgesehen davon sind auch die rechtlichen Erwägungen des Landgerichts nicht tragfähig , soweit es bereits beim Abschluss der Wettverträge eine schadensgleiche Vermögensgefährdung der jeweiligen Wettanbieter in Höhe des möglichen Wettgewinns (abzüglich des Einsatzes) angenommen hat.
38
Zwar kann auch schon die bloße konkrete Gefährdung einen Vermögensschaden i. S. von § 263 StGB darstellen. Diese Gefährdung muss aber nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage bedeuten. Die täuschungsbedingte Gefahr des endgültigen Verlustes eines Vermögensbestandteils muss zum Zeitpunkt der Verfügung so groß sein, dass sie schon jetzt eine Minderung des Ge- samtvermögens zur Folge hat (vgl. BGHSt 34, 394, 395; BGH NStZ 2004, 264). Eine derartige konkrete Gefährdung, die bereits einem Schaden entspricht , kann nur dann anerkannt werden, wenn der Betrogene ernstlich mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen hat (BGHSt 21, 112, 113). Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt, wenn der Eintritt wirtschaftlicher Nachteile nicht einmal überwiegend wahrscheinlich ist, sondern von zukünftigen Ereignissen abhängt, die sich einer Einflussnahme trotz der Manipulation immer noch in ganz wesentlichem Umfang entziehen.
39
Durch den Abschluss der Wettverträge ist es über den oben dargestellten Quotenschaden hinaus erst zu einer abstrakten Gefährdung der Vermögen der jeweiligen Wettanbieter in Höhe des durch die Wettquote bestimmten Auszahlungsbetrages abzüglich des Einsatzes gekommen. Ein Erfolg der Manipulationen war nach den Feststellungen des Landgerichts nicht einmal überwiegend wahrscheinlich, sondern schlug in vielen Fällen trotz beträchtlicher Eingriffe in das Spielgeschehen fehl, insbesondere auch, weil die kombinierten Spiele teilweise einen anderen Ausgang nahmen; dies macht deutlich, dass die Manipulation des Spielgeschehens nur die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Spielausgangs um einen gewissen – regelmäßig freilich, wie ausgeführt, erheblichen – Grad erhöhen konnte (vgl. dazu Kutzner aaO S. 717; Mosbacher NJW 2006, 3529, 3530).
40
b) Die Feststellungen des Landgerichts belegen ohne Weiteres die abgeurteilten Beihilfehandlungen der Angeklagten M. und F. S. sowie R. H. und D. M. .
41
aa) Die Betrugstaten des Haupttäters A. S. waren in dem von ihm beabsichtigten und von den Teilnehmern erkannten Umfang frühestens mit der Auszahlung des zu Unrecht beanspruchten Wettgewinns beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt förderten alle Handlungen, die unmittelbar der Manipulation des wettgegenständlichen Spielereignisses dienten oder durch die Spieler bzw. Schiedsrichter zur Manipulation des Spielgeschehens angehal- ten oder dabei bestärkt wurden, den beabsichtigten unrechtmäßigen Wettgewinn von A. S. . Aufgrund der Eigenart der Sportwette, die ein in der Zukunft liegendes Sportereignis betrifft, ist eine derartige Beihilfe zum Wettbetrug mittels Manipulation des Wettereignisses nicht nur durch deren vorherige Zusage, sondern auch nach Wettvertragsabschluss möglich. Dass die jeweiligen Teilnehmer insoweit vorsätzlich gehandelt haben, ergibt sich nach den Feststellungen des Landgerichts aus der Kenntnis vom beabsichtigten bzw. erfolgten Abschluss der Sportwetten; nur der Wettvertragsabschluss gab den Spielmanipulationen aus Sicht der Beteiligten hier einen nachvollziehbaren wirtschaftlichen Sinn.
42
bb) Der Angeklagte H. hat auch im Fall 8 der Urteilsgründe eine Beihilfe zum Wettbetrug A. S. begangen. Entgegen der Auffassung der Revision zu diesem Fall belegen die Feststellungen des Landgerichts hinreichend, dass H. in diesem Fall dem Haupttäter A. S. konkret bei seinem Betrug geholfen hat, indem er ihn bei der Anwerbung des Angeklagten M. für eine Spielmanipulation unterstützte. Soweit das Landgericht bei der rechtlichen Würdigung der Taten und im Rahmen der Strafzumessung – ersichtlich versehentlich – nicht zwischen dem Fall 8 der Urteilsgründe und den Einflussnahmen H. s als Schiedsrichter auf dem Spielfeld differenziert hat (vgl. UA S. 47, 53), ist dies im Ergebnis unschädlich: Das Unrecht H. s wiegt in Fall 8 nicht minder schwer als in den Fällen einer Manipulation auf dem Spielfeld. H. hat in diesem Fall sogar ganz erheblich dazu beigetragen, einen weiteren zur Unparteilichkeit verpflichteten Schiedsrichter in kriminelle Machenschaften zu verstricken.
43
cc) Im Fall 10 tragen die Feststellungen des Landgerichts auch die Annahme einer Beihilfe F. S. s zum gemeinschaftlich von A. und M. S. begangenen Betrug. F. S. hat danach R. H. ausdrücklich zur Manipulation des Fußballspiels in dem von seinem Bruder A. S. gewünschten Sinne ermutigt. Er hat aufgrund der Gesamtumstände des Geschehens auch ersichtlich in der Kenntnis gehandelt, dass auf dieses manipulierte Spiel Sportwetten abgeschlossen sind oder werden und dass sein Handeln den beabsichtigten Eintritt des Wetterfolges fördert.
44
c) Dass im Fall 10 der Urteilsgründe nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen M. S. die Sportwetten in Italien abgeschlossen hat, hindert eine Bestrafung der in diesem Fall Beteiligten nach deutschem Recht nicht:
45
Eine als Betrug nach § 263 StGB strafbare Haupttat M. S. s ist noch hinreichend durch Feststellungen belegt. Wie sich aus den gleichsam „vor die Klammer“ gezogenen Feststellungen des Landgerichts ergibt, gab der Angeklagte M. S. die Wettscheine auch in diesem Fall in den Geschäftsräumen des Wettanbieters ab und erklärte damit zugleich konkludent, nicht an einer Manipulation des wettgenständlichen Sportereignisses beteiligt zu sein. Aus dem einschlägigen italienischen Recht ergibt sich weder zum Erklärungswert seines Verhaltens noch in anderer Hinsicht ein relevanter Unterschied zum deutschen Recht; insbesondere besteht auch dort die Möglichkeit , sich bei einer bewussten Täuschung ohne weiteres vom Vertrag zu lösen (vgl. Art. 1427 ff. Codice Civile).
46
Für die Tat von M. S. im Fall 10 der Urteilsgründe gilt nach § 3 StGB das deutsche Strafrecht, weil die Tat (auch) im Inland begangen worden ist. Weil M. S. nach den (insoweit tragfähigen) Feststellungen des Landgerichts in diesem Fall als Mittäter des Angeklagten A. S. gehandelt hat, und ihm deshalb aufgrund des gemeinsamen Tatplans das Handeln A. S. s in Deutschland und auch der Ort dieses Handelns zuzurechnen ist, ist Tatort im Sinne von § 9 StGB auch für M. S. Deutschland (vgl. BGHSt 39, 88, 91; Tröndle/Fischer aaO § 9 Rdn. 3). Für die Teilnehmer ergibt sich ein Tatort im Bundesgebiet in diesem Fall jedenfalls aus § 9 Abs. 2 StGB. Zudem ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass auch A. S. in diesem Fall – was angesichts der von ihm versprochenen Bestechungssumme von 50.000 Euro mehr als nahe liegt – auf das ma- nipulierte Spiel gewettet hat; das Landgericht konnte lediglich keine Feststellungen dazu treffen, wo und in welcher Höhe dies geschehen ist.
47
d) Auch die weiteren Einwände der Revisionen gegen den Schuldspruch tragen nicht:
48
Soweit unter Hinweis auf nicht im Urteil wiedergegebene Allgemeine Geschäftsbedingungen vorgetragen wird, beim Wettvertragsschluss könnte keine reale Person getäuscht werden, weil der Vertragsschluss letztlich nur elektronisch erfolge, widerspricht dies den (nicht angegriffenen) Feststellungen des Landgerichts. Danach hat stets ein Mitarbeiter des Wettbüros die Wettscheine entgegengenommen, nach Prüfung weitergeleitet und insbesondere den Wetteinsatz vereinnahmt.
49
Der Einwand der Revision, ausländischen Wettanbietern könne in Hinblick auf §§ 762, 763 BGB wegen der Rechtswidrigkeit ungenehmigter ausländischer Wetten kein Schaden entstehen, verfängt nicht. Zwar findet auf Sportwetten § 763 Satz 2 i.V.m. § 762 BGB grundsätzlich Anwendung (vgl. BGH NJW 1999, 54). Unabhängig von der Frage, ob im EU-Ausland genehmigte Sportwetten auch im Bundesgebiet ohne zusätzliche Genehmigung zulässig vermittelt werden dürfen oder nicht (vgl. hierzu OLG München NJW 2006, 3588; Mosbacher NJW 2006, 3529), ist hier jedenfalls aus wirtschaftlicher Sicht eine Schädigung der ausländischen Wettanbieter eingetreten (vgl. auch Weber aaO S. 67; Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 91; RGSt 68, 379, 380).
50
Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Dies gilt namentlich hinsichtlich des Angeklagten M. . Die Feststellungen des Landgerichts zu seiner Tatbeteiligung beruhen auf einer tragfähigen Grundlage, nämlich auf seinem Eingeständnis, von A. S. die festgestellten Zahlungen erhalten zu haben, sowie im Übri- gen auf den vom Landgericht als glaubhaft angesehenen Angaben der geständigen Angeklagten A. S. und R. H. .
51
e) Die Rechtsfolgenaussprüche können bestehen bleiben.
52
aa) Auch wenn das Landgericht in demjenigen Teil der Fälle, in denen die Manipulationen nicht zu dem gewünschten Spielergebnis geführt haben oder die Kombinationswetten aus anderen Gründen keinen Erfolg hatten, der Strafzumessung einen zu großen Schadensumfang zugrunde gelegt hat, kann der Senat ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei einer zutreffenden rechtlichen Bewertung niedrigere Einzelstrafen und niedrigere Gesamtstrafen verhängt hätte: Zum einen ist ein Gefährdungsschaden für die Strafzumessung ohnehin nicht mit dem darüber hinaus erstrebten endgültigen Schaden gleichzusetzen (vgl. BGH wistra 1999, 185, 187). Zum zweiten ähnelt der vom Landgericht nicht ausdrücklich bezifferte Quotenschaden dem angenommenen Gefährdungsschaden und stellt jedenfalls einen erheblichen Teil hiervon dar; die Wettanbieter hätten bei nicht täuschungsbedingter Fehleinschätzung des Wettrisikos für die gezahlten Einsätze allenfalls wesentlich geringere Wettchancen eingeräumt. Schließlich war ohnehin strafschärfend zu berücksichtigen, dass sich der Vorsatz über den durch Eingehung der Wetten bereits vollendeten Schadenseintritt hinaus auf eine ganz erhebliche Gewinnsumme bezog und damit das vom Vorsatz umfasste Handlungsziel den als „Durchgangsschaden“ erfassten Quotenschaden des Wettanbieters jeweils ganz erheblich überstieg (vgl. auch BGHSt 43, 270, 276; BGH NStZ 2000, 38, 39).
53
bb) Auch im Übrigen hält die Strafzumessung im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand: Das Landgericht hat zwar verkannt, dass es sich bei § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erste Alt. StGB nicht um einen Qualifikationstatbestand des gewerbsmäßigen Betruges, sondern um eine Strafzumessungsregel handelt, die grundsätzlich eine Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Gesichtspunkte erfordert (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 2 Besonders schwerer Fall 1) und insbesondere auch deshalb ausscheiden kann, weil die Voraussetzungen eines vertypten Strafmilderungsgrunds (hier etwa §§ 21, 27 StGB) vorliegen (BGH wistra 2003, 297). Bei den wegen Beihilfe zum Betrug verurteilten Angeklagten hat das Landgericht auch nicht bedacht, dass die Teilnahmehandlung als solche als besonders schwerer Fall zu werten sein muss (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 105 m.w.N.) und das täterbezogene Merkmal der Gewerbsmäßigkeit nur demjenigen Tatbeteiligten angelastet werden kann, der dieses Merkmal selbst aufweist (vgl. Eser in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 243 Rdn. 47 m.w.N.). Der Senat kann jedoch ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass sich diese Fehler bei der Strafzumessung ausgewirkt haben.
54
(1) Bei A. S. war ein Absehen von der Regelwirkung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erste Alt. StGB nach den Gesamtumständen der mit hoher krimineller Energie ins Werk gesetzten Betrügereien, bei denen es jeweils um ganz erhebliche Summen ging, auch unter Berücksichtigung von § 21 StGB offensichtlich nicht veranlasst. Dem Senat erscheint es im Übrigen angesichts des jahrelangen professionellen Agierens von A. S. auf dem Sportwettenmarkt, seines kompliziert angelegten Wett- und Manipulationssystems und des damit verbundenen erheblichen organisatorischen Aufwands ohnehin eher fernliegend, dass bei diesem Angeklagten die Steuerungsfähigkeit bei der Begehung sämtlicher Taten wegen „Spielsucht“ erheblich eingeschränkt gewesen sein soll (vgl. zu den Anforderungen BGHSt 49, 365, 369 f. m.w.N.). Die vom Landgericht angenommene Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB beschwert den Angeklagten jedoch nicht. In den Fällen 2, 6, 7 und 11 liegen zudem zusätzlich – auch bei den Teilnehmern, die angesichts der Kenntnis von den Gesamtumständen und angesichts der Höhe der gezahlten Bestechungsgelder insoweit zumindest mit bedingtem Vorsatz handelten – die Voraussetzungen eines besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 erste Alt. StGB vor.
55
(2) Bei den Angeklagten H. und M. hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass auch diese Angeklagten selbst gewerbsmäßig gehandelt haben. Sie wollten sich durch die Zusammenarbeit mit A. S. eine auf Dauer angelegte Einnahmequelle von einigem Umfang erschließen. Bei diesen Angeklagten liegt aufgrund der besonders pflichtwidrigen Ausnutzung ihrer Stellung als unparteiische Schiedsrichter im Übrigen auch die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB auf der Hand.
56
(3) Eigenes gewerbsmäßiges Handeln hat das Landgericht auch für M. S. festgestellt. Es kann dahinstehen, ob diese Wertung tatsächlich ausreichend belegt ist. Der Senat kann angesichts der Vielzahl erschwerender Gesichtspunkte jedenfalls ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei den Angeklagten M. und F. S. bei bloßer Anwendung von § 263 Abs. 1 StGB auf noch niedrigere Einzel- und Gesamtstrafen erkannt hätte. Das Landgericht hat sich bei der Bemessung der ohnehin maßvollen Strafen ersichtlich nicht am oberen Ende des – abgesehen von Fall 10 für M. S. – gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB verschobenen Strafrahmens des § 263 Abs. 3 StGB orientiert.
57
(4) Die verhängten Einzelstrafen und die verhängte Gesamtstrafe sind darüber hinaus auch aus folgenden Gründen angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO: Es geht bei den durch die Angeklagten unterstützen Betrügereien von A. S. ganz überwiegend um erhebliche Summen und insgesamt um Beträge von mehreren Millionen Euro. Die Spielmanipulationen haben nicht nur die jeweiligen Wettanbieter geschädigt, sondern – wie die Angeklagten wussten – einer Vielzahl Unbeteiligter ganz erhebliche Schäden zugefügt: Die jeweiligen Fußballmannschaften und alle zahlenden Zuschauer wurden um ein faires Spiel gebracht. Die infolge von Manipulationen unterlegenen Mannschaften und ihre Trainer mussten erhebliche wirtschaftliche Schäden gewärtigen, die sich etwa im Fall des Ausscheidens des Hamburger SV aus dem DFB-Pokal auch durch die Entlas- sung des damaligen Trainers realisiert haben. Die massive Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern zum Zweck der Spielmanipulation hat zudem dem gesamten professionellen Fußballsport einen ganz erheblichen Rufschaden zugefügt, indem das Vertrauen von Millionen sportbegeisterter Zuschauer in die Fairness des Fußballsports und in die Unparteilichkeit der Schiedsrichter massiv enttäuscht wurde. Im Übrigen sind auch viele redliche Wettkunden, die auf ein anderes Ergebnis gesetzt hatten, im Falle gelungener Spielmanipulationen um ihre Gewinnchancen gebracht worden. Diese offenkundigen erschwerenden Gesichtspunkte hat das Landgericht im Rahmen seiner Strafzumessung nicht einmal umfassend ausdrücklich bedacht.
58
(5) Bei F. S. ist die Gesamtstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe auch deshalb angemessen, weil das Landgericht zugunsten dieses Angeklagten einen nicht gerechtfertigten Härteausgleich vorgenommen hat. Die Strafkammer hat sich hierfür auf eine am 25. Oktober 2004 erfolgte Verurteilung zu einer bereits vollstreckten Geldstrafe bezogen und mit Rücksicht auf die fehlende Gesamtstrafenfähigkeit einen Härteausgleich in Höhe von einem Monat Freiheitsstrafe gewährt. Unbeachtet blieb dabei, dass zu diesem Zeitpunkt die Tat Nr. 10 der Urteilsgründe noch nicht begangen worden war. Wegen der Erledigung der Geldstrafe entfiel mithin lediglich die Zäsurwirkung der Verurteilung vom 25. Oktober 2005. Daher hat sich der Angeklagte durch die Erledigung der Geldstrafe die Verhängung zweier – notwendig in der Summe gegenüber der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe höherer – Freiheitsstrafen erspart, mithin keinen Nachteil, sondern einen Vorteil erlangt. Deshalb war kein Härteausgleich gerechtfertigt (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 4).
59
3. Der Senat weist abschließend darauf hin, dass die missverständliche Entscheidung des Landgerichts im Adhäsionsverfahren nicht bedeutet, dass die Adhäsionskläger ihr Ziel nicht anderweitig weiter verfolgen könnten (§ 406 Abs. 3 Satz 3 StPO). Daher wäre lediglich ein Absehen von einer Ent- scheidung, nicht etwa, wie zu weitgehend erfolgt, eine Antragsabweisung zu tenorieren gewesen (vgl. BGHR StPO § 406 Teilentscheidung 1).
Basdorf Häger Gerhardt Raum Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 55/12
vom
20. Dezember 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
Zur Schadensfeststellung beim Sportwettenbetrug (Fortführung von BGH, Urteil vom
15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165).
BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 StR 55/12 - LG Bochum
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
15. November 2012 in der Sitzung vom 20. Dezember 2012, an der teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten C. in der Verhandlung und
bei der Verkündung,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten S. in der Verhandlung
am 15. November 2012,
Justizangestellte in der Verhandlung am 15. November 2012,
Justizangestellte bei der Verkündung am 20. Dezember 2012
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 19. Mai 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) hinsichtlich des Angeklagten C. im Schuldspruch in den Fällen 2, 8, 18, 25 und 28, im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
b) hinsichtlich des Angeklagten S. im Schuldspruch in den Fällen 18, 25 und 28 sowie – insoweit unter Aufrechterhaltung der Feststellungen – in den Fällen 1, 5, 7, 9, 10, 13, 14, 15, 16, 17, 19, 20, 21, 23, 24, 26 und 27, im Ausspruch über die Gesamtstrafe und hinsichtlich der Feststellung zu § 111i Abs. 2 StPO. 2. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten S. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.
4. Die weiter gehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten S. sowie die Revision des Angeklagten C. werden verworfen. 5. Der Angeklagte C. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten C. und S. wegen „gewerbsmäßigen“ Betrugs in 26 Fällen, wobei es in fünf Fällen beim Versuch blieb (C. ) und „gewerbsmäßigen“ Betrugs in 22 Fällen, wobei es in drei Fällen beim Versuch blieb (S. ), jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es hinsichtlich beider Angeklagten Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen. Mit ihren Revisionen beanstanden die Angeklagten das Verfahren und rügen die Verletzung materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen, dass keine Verurteilung wegen Bandenbetrugs gemäß § 263 Abs. 5 StGB erfolgt ist und in den Fällen 2, 8, 18, 25 und 28 nur ein versuchter und kein vollendeter Betrug angenommen wurde. Außerdem habe das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht in seine Betrachtungen einbe- zogen, dass die Angeklagten in einer Vielzahl von Fällen „Vermögensverluste großen Ausmaßes“ im Sinne von § 263Abs. 3 Nr. 2 StGB verursacht haben. Soweit die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung der Angeklagten wegen Bandenbetruges anstrebt, wird ihr Rechtsmittel durch den Generalbundesanwalt nicht vertreten.

I.


2
Nach den Feststellungen platzierten die Angeklagten zumeist gemeinsam , aber auch allein, bei verschiedenen Wettanbietern in Europa und Asien zu verbindlichen Quoten angebotene Wetten auf die Ergebnisse von Fußballspielen , auf deren Ausgang sie durch Zahlungen an Spieler oder Schiedsrichter Einfluss genommen hatten.
3
Bei Wetten mit verbindlichen Quoten lobt der Wettanbieter für das jeweilige Spiel eine bestimmte Wettquote aus, die das Verhältnis von Einsatz und möglichem Gewinn widerspiegelt. Dabei geht der Wettanbieter davon aus, dass sich die Wetteinsätze weitgehend nach den Wahrscheinlichkeiten verteilen werden, mit denen ein bestimmter Spielausgang zu erwarten ist. Die Wettquoten werden nach der zu erwartenden Verteilung der Wetteinsätze kalkuliert und so bemessen, dass „unter dem Strich“ unabhängig von dem Ergebnis des je- weiligen Spiels ein Gewinn verbleibt (UA 16). Wird auf das Spielergebnis manipulativ eingewirkt, kann der Wettanbieter das betroffene Spiel nicht mehr zuverlässig kalkulieren. Wetten auf bekannt manipulierte Spiele werden daher nicht angenommen (UA 17).
4
Soweit von den Angeklagten gemeinsam Wetten mit Anbietern aus Asien abgeschlossen wurden, geschah dies durch den Angeklagten S. , der sich dazu in der Regel der in London ansässigen Ltd. als Vermittler bediente (Fälle 1, 5, 7, 9, 10, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 28). Dabei teilte der Angeklagte S. den Mitarbeitern der Firma Ltd. zumeist telefonisch mit, welche Wetten er platzieren wollte. Die Vermittler schlossen dann bei verschiedenen Wettanbietern einen oder mehrere Wettverträge auf das jeweilige Spiel ab. Nach der Ausführung des Auftrages erhielt der Angeklagte S. auf gleichem Weg eine Bestätigung. Den Mitarbeitern der Ltd. waren die Manipulationen bekannt. Bei einem Treffen am 11. August 2008 besprachen der Angeklagte S. und die für die Ltd. angereisten anderweitig verfolgten H. , Ch. und Cha. die Konditionen für die weitere Zusammenarbeit. Dabei wurde ein sog. „Sterne-System“ ent- wickelt, nach dem der Angeklagte S. bei der Aufgabe einer Wette den Mitarbeitern der Ltd. mitteilen sollte, in welchem Ausmaß er die zu bewettende Partie manipuliert hatte. Je mehr Spieler von ihm korrumpiert worden wa- ren, desto mehr „Sterne“ sollte er der Partie verleihen. Die Ltd. verdien- te an der Vermittlung, indem sie die von den Wettanbietern in Asien angebotenen Quoten gegenüber dem Angeklagten S. geringfügig verschlechterte. Spiele, die den Mitarbeitern der Firma Ltd. als „sicher“ erschienen, wurden von ihnen – ohne Wissen der Angeklagten – auch gezielt zu Wetten auf eigene Rechnung ausgenutzt. Weder der Angeklagte S. noch die von ihm beauftragten Vermittler der Firma Ltd. legten gegenüber den asiatischen Wettanbietern offen, dass die gewetteten Spiele manipuliert waren. Den Wettanbietern wurde auf diese Weise vorgespiegelt, dass es sich um „normale“ unbeeinflusste Spiele handelte (UA 20, 21 f.). Die erzielten Gewinne flossen über die Vermittler zunächst auf ein von dem Angeklagten S. geführtes Konto. Der Angeklagte C. erhielt seinen Anteil im Rahmen eines „Kontokorrentsystems“ , das von Zeit zu Zeit durch Zahlungen ausgeglichen wurde und bei dem es zu Verrechnungen mit neu zu leistenden Einsätzen kam (UA 24). In einem Fall platzierte der Angeklagte S. eine Wette für sich und den Angeklagten C. bei einem asiatischen Wettanbieter über den niederländischen Staatsangehörigen R. (Fall 22). In einem weiteren Fall wurde eine Wette durch den Angeklagten C. bei dem auf Malta registrierten Wettanbieter - auf ein von ihm zusammen mit dem Angeklagten S. beeinflusstes Spiel abgeschlossen. Der Angeklagte S. war an dem von dem Angeklag- ten C. erzielten Gewinn über eine Wette beteiligt, die C. von ihm auf dieses Spiel angenommen hatte (Fall 11). Auch in diesen Fällen wurden die Manipulationen nicht offengelegt (UA 30, 37).
5
In zwei Fällen schloss der Angeklagte S. Wettverträge auf manipulierte Spiele ohne Beteiligung des Angeklagten C. mit asiatischen Wettanbietern ab (Fälle 19, 20), wobei er sich ebenfalls der Ltd. als Vermittler bediente. Außerdem platzierte er auf ein manipuliertes Spiel neben der gemeinsamen auch eine eigene Wette, wobei er den Vertrag über einen griechischen Vermittler abschloss (Fall 27).
6
Neben den gemeinsamen Wetten mit dem Angeklagten S. schloss der Angeklagte C. in sechs weiteren Fällen allein oder mit anderen Mittätern Wetten bei dem Anbieter - oder bei asiatischen Wettanbietern auf manipulierte Fußballspiele ab (Fälle 2, 3, 4, 6, 8, 12) und platzierte zudem ohne Wissen des Angeklagten S. weitere eigene Wetten auf Spiele, auf die der Angeklagte S. oder beide bereits gemeinsam gewettet hatten (Fälle 7, 9, 10, 13, 14, 23). Auch dabei wurden die Manipulationen nicht offengelegt (UA 21 ff.).
7
Insgesamt wettete der Angeklagte S. gemeinsam mit dem Angeklagten C. oder allein auf 22 beeinflusste Fußballspiele, wobei es in 19 Fällen zu dem angestrebten Spielausgang kam. Dadurch konnte der Angeklagte S. Gewinne zwischen 7.500 Euro und 534.875,03 Euro erzielen. In drei Fällen verlor er seinen Einsatz, weil die Spiele anders als gewettet ausgingen. Der Angeklagte C. schloss allein oder gemeinsam mit dem Angeklagten S. auf 26 beeinflusste Fußballspiele Wetten ab. In 21 Fällen kam es zu dem von ihm gewetteten Spielausgang. Dabei erzielte er Gewinne zwischen 10.224,50 Euro und 561.262,53 Euro. In fünf Fällen gingen die Spiele anders als gewettet aus, sodass der Angeklagte C. seinen Einsatz verlor.
8
Das Landgericht hat bei beiden Angeklagten in allen Fällen einen vollendeten Betrug angenommen, in denen Gewinne erzielt und ausbezahlt wurden. Die Fälle, in denen die Angeklagten keine Zahlungen erhielten, hat das Landgericht als versuchten Betrug gewertet, weil den Wettanbietern kein Vermögensschaden entstanden sei. Ein sog. Quotenschaden, der bereits mit dem Abschluss des Wettvertrages eintreten soll, liege nicht vor, weil die Wettanbieter bei Kenntnis der Manipulationen die Wettverträge nicht lediglich anders kalkuliert , sondern gar nicht abgeschlossen hätten. Auch könne ein Quotenschaden nicht in einer Weise quantifiziert werden, die den vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 23. Juni 2010 (BVerfGE 126, 170) aufgestellten Anforderungen genüge.

II.


9
Die Revision des Angeklagten S. führt zur Aufhebung des ihn betreffenden Strafausspruchs. Im Übrigen ist sie unbegründet. Die Revision des Angeklagten C. hat insgesamt keinen Erfolg.
10
1. Die von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
11
a) Die Rüge des Angeklagten S. , das Landgericht habe gegen § 136a Abs. 1 Satz 3 1. Alt. StPO verstoßen, indem es ihn am 11. Hauptverhandlungstag durch die Androhung, den gegen ihn gerichteten Haftbefehl wie- der in Vollzug zu setzen, dazu veranlasst habe, sich von drei Beweisanträgen seiner Verteidiger und den darin aufgestellten Behauptungen zu einer Kenntnis der asiatischen Wettanbieter von den Manipulationen zu distanzieren und deren Rücknahme zu veranlassen, bleibt erfolglos, weil das hierzu angebrachte Tatsachenvorbringen , soweit es bewiesen ist, den geltend gemachten Rechtsverstoß nicht belegt.
12
aa) Der Angeklagte S. trägt – gestützt auf entsprechende anwaltliche Versicherungen – vor, der Vorsitzende habe nach der Stellung von drei Beweisanträgen erklärt, der Angeklagte rücke aus seiner Sicht mit diesen Anträgen von seiner Einlassung ab und stelle sein bisheriges Prozessverhalten infrage. Die Kammer werde deshalb die Frage der Fluchtgefahr neu zu bewerten haben, weil darin möglicherweise ein Abrücken von dem vorherigen Geständnis liege und damit die Straferwartung, die bei der Haftverschonung nach dem in der Hauptverhandlung abgegebenen Geständnis zugrunde gelegt worden sei, entfallen sein könnte. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft habe dem beigepflichtet. Da er, der Angeklagte S. , auf keinen Fall das Risiko einer erneuten Inhaftierung habe eingehen wollen, habe sein Verteidiger während der anschließenden Unterbrechung der Hauptverhandlung das Dienst- und Beratungszimmer des Gerichts aufgesucht. Dabei habe er die Richter in einer Situation angetroffen, die für ihn deutlich gemacht habe, dass diese gerade beim Abfassen eines Wiederinhaftierungsbeschlusses gewesen seien. Der Verteidiger habe den anwesenden Berufsrichtern erklärt, dass der Angeklagte auf keinen Fall eine erneute Inhaftierung riskieren wolle und bereit sei, die gestellten Beweisanträge zurückzunehmen. Der Vorsitzende habe daraufhin mitgeteilt, dass die Kammer in diesem Fall erwägen würde, von einer Wiederinhaftierung abzusehen. Nach einer Diskussion über die Bedingungen für ein Absehen von einer erneuten Inhaftierung habe der Vorsitzende schließlich auch noch erklärt, dass ihm eine Rücknahme der Beweisanträge nicht ausreiche; der Angeklagte müsse sich auch noch von den aufgestellten Beweisbehauptungen distanzieren. In der Folge habe er auch diese Erklärung abgegeben.
13
Nach dem Protokoll wurde im Anschluss an die Verlesung der Beweisanträge von dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft „in seiner Stellungnahme herausgestellt, ob die Frage der Haftverschonung angesichts der gestellten Beweisanträge möglicherweise neu zu beurteilen ist“. Wie sich aus der dienstlichen Stellungnahme der Berufsrichter ergibt, hat der Vorsitzende nach der Antragstellung mitgeteilt, dass der Angeklagte mit diesen Beweisanträgen von seiner bisherigen geständigen Aussage abrücke. Die Hauptverhandlung sei unterbrochen worden, um die auch von der Staatsanwaltschaft aufgeworfene Frage der Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls zu beraten. Der Verteidiger des Angeklagten habe das Dienstzimmer aufgesucht. Zu diesem Zeitpunkt sei noch keine irgendwie geartete konkrete Maßnahme zur Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls vorbereitet oder bereits durchgeführt worden. Der Verteidiger habe angekündigt, die gestellten Beweisanträge zurückzunehmen. Von der Kammer sei ihm zudem anheim gestellt worden, den Angeklagten auch selbst versichern zu lassen, dass er sich von den gestellten Anträgen und ihrem Inhalt distanziere.
14
bb) Eine Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme gemäß § 136a Abs. 1 Satz 3 1. Alt. StPO liegt vor, wenn eine in der konkreten Situation prozessual unstatthafte Maßnahme in Aussicht gestellt wird und dadurch für den Bedrohten eine Zwangslage entsteht, die ihm eine sofortige Entscheidung abnötigt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1961 – 2 StR 485/60, BGHSt 17, 14, 20 f.). Dies hat der Senat (Urteil vom 16. September 2004 – 4 StR 84/04, NStZ 2005, 279, 280) in einem Fall bejaht, in dem das Gericht eindeutig zum Aus- druck gebracht hatte, dass der Angeklagte in Haft genommen werde, falls er nicht gestehe, sondern den beabsichtigten Beweisantrag stelle.
15
Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich. Die eindeutig als eigene vorläufige Einschätzung gekennzeichnete Erklärung des Vorsitzenden zum Inhalt der Beweisanträge und ihrer möglichen Bedeutung für die Haftfrage („aus meiner Sicht“, „möglicherweise“) stellt noch keine zu einer Dro- hung verdichtete Ankündigung der sofortigen Inhaftierung dar (vgl. Gleß in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 136a Rn. 57). Auch war dem anwaltlich vertretenen Angeklagten bekannt, dass eine Invollzugsetzung des Haftbefehls nicht durch den Vorsitzenden allein, sondern nur durch eine Entscheidung aller drei Berufsrichter bewirkt werden konnte. Dass der Erklärung des Vorsitzenden eine Verständigung unter den Berufsrichtern vorangegangen ist, trägt die Revision nicht vor.
16
Auch in der Unterbrechung der Sitzung, um über eine Invollzugsetzung des Haftbefehls zu beraten, lag keine (konkludente) Androhung einer sofortigen Inhaftierung des Angeklagten. Nachdem auch der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in seiner Stellungnahme zu den Beweisanträgen diese Maßnahme ausdrücklich in den Raum gestellt hatte, bestand ein entsprechender Erörterungsbedarf. Soweit der Verteidiger bei seinem Erscheinen im Beratungszimmer den Eindruck gewonnen hatte, dass die Richter gerade mit der Abfassung eines Invollzugsetzungsbeschlusses befasst waren, stehen dem die dienstlichen Äußerungen entgegen. Der Vortrag, bei dem anschließenden Gespräch im Beratungszimmer sei dem Angeklagten über seinen Verteidiger die Distanzierungserklärung unter Hinweis auf eine sonst drohende Inhaftierung abverlangt worden, widerspricht ebenfalls den dienstlichen Erklärungen der beteiligten Richter („anheimgestellt“) und ist daher nicht bewiesen.
17
b) Die von den beiden Angeklagten erhobenen Aufklärungsrügen greifen aus den in den Zuschriften des Generalbundesanwalts vom 1. März 2012 genannten Gründen nicht durch.
18
2. Soweit die Angeklagten wegen (versuchten) Betrugs verurteilt worden sind, weist das Urteil keinen sie beschwerenden Rechtsfehler auf.
19
a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Angeklagten selbst oder durch ihre Vermittler bei der Abgabe der Wetten gegenüber den Wettanbietern konkludent der Wahrheit zuwider erklärt haben, dass der Verlauf oder der Ausgang der gewetteten Spiele von ihnen nicht beeinflusst worden ist. Die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes gehört zur Geschäftsgrundlage der Wette. Beide Parteien sichern sich daher stillschweigend zu, auf das gewettete Spiel keinen Einfluss genommen zu haben. Dadurch wurde bei den Wettanbietern – jedenfalls in der Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins – ein entsprechender Irrtum erregt. Dies entspricht der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Rn. 16 ff.; Urteil vom 19. Dezember 1979 – 3 StR 313/79, BGHSt 29, 165, 167 f.; RG, Urteil vom 17. Dezember 1928 – III 1006/28, RGSt 62, 415, 416), die in der Literatur weitgehend Zustimmung gefunden hat (Cramer/Perron, in Schönke/Schröder, 28. Aufl., § 263 Rn. 16e; Fischer, 60. Aufl., § 263 Rn. 32; SSW-StGB/Satzger, § 263 Rn. 38; Fasten/Oppermann, JA 2006, 69, 71; Feinendegen, NJW 2007, 787, 788; Gaede, HRRS 2007, 16; Krack, ZIS 2007, 103, 105; Kubiciel, HRRS 2007, 68, 69 f.; Petropoulos/Morozinis, wistra 2009, 254, 255; Reinhart, SpuRt 2007, 52, 53 f.; Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 362 ff.; vgl. auch Maaß, GA 1984, 264, 280 ff.; aus zivilrechtlicher Sicht Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand , S. 471).
20
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Erfassung konkludenter Täuschungen ist vom Wortlaut der Vorschrift des § 263 Abs. 1 StGB gedeckt und führt nicht zu einer Entgrenzung des Tatbestandes, sodass im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG keine Bedenken bestehen (vgl. BVerfG, NStZ 2012, 496 Rn. 168). Der Einwand, es liege keine Feststellung von Tatsachen mehr vor, wenn das Vorliegen einer konkludenten Täuschung über die Manipulationsfreiheit des gewetteten Spieles ohne Ermittlung des tatsächlichen Verständnisses der Beteiligten allein aus dem Wesen des Wettvertrages hergeleitet werde, verfängt nicht (Jahn/Maier, JuS 2007, 215, 217; a.A. Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 362 f.; vgl. noch Kraatz, JR 2012, 329, 331). Ob in einer bestimmten Kommunikationssituation neben einer ausdrücklichen auch eine konkludente Erklärung abgegeben worden ist und welchen Inhalt sie hat, bestimmt sich nach dem objektiven Empfängerhorizont, der unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und der Verkehrsanschauung festzulegen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, NStZ 2001, 430; Urteil vom 10. November 1994 – 4 StR 331/94, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 10; SSWStGB /Satzger, § 263 Rn. 37 f.). Wenn der Tatrichter dabei – wie hier – seine Bewertung maßgeblich auf die sich aus dem Wesen des abgeschlossenen Vertrages ergebende Risiko- und Pflichtenverteilung stützt, ist dies revisionsrechtlich bedenkenfrei (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 150; MünchKomm-StGB/Hefendehl, § 263 Rn. 86, 93; Kubiciel, HRRS 2007, 68, 69). Auch wird durch die Annahme einer konkludenten Täuschung die für die Strafbarkeit eines Unterlassens erforderliche Feststellung einer Garantenpflicht nicht umgangen (so aber Schild, ZfWG 2006, 213, 216 f.; Schlösser, NStZ 2005, 423, 426). Die Abgabe einer auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts gerichteten Erklärung ist positives Tun, auch wenn sie zugleich als (stillschweigende) Negativerklärung in Bezug auf zu dem Geschäftszweck in Widerspruch stehende Umstände verstanden wird (vgl. NK-StGB- Kindhäuser, § 263 Rn. 110; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Rn. 29; SSWStGB /Satzger, § 263 Rn. 41). Die Manipulationsfreiheit ist eine notwendige Bedingung für die Durchführbarkeit eines auf ein ungewisses Ereignis ausgerichteten Wettvertrages; sie gehört deshalb zum Inhalt eines in sich schlüssigen (konkludenten) Antrags auf dessen Abschluss (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Rn. 27).
21
Das Verhalten der in die Manipulationen eingeweihten als Vermittler tätigen Mitarbeiter der Ltd. ist den Angeklagten nach § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Hinsichtlich der Vermittler, die keine Kenntnis von den Manipulationen der Angeklagten hatten, erfolgt die Zurechnung nach den Grundsätzen zur mittelbaren Täterschaft (§ 25 Abs. 1 StGB).
22
b) In denjenigen Fällen, in denen die Wettanbieter den entsprechend der vereinbarten Quote berechneten Gewinn ausbezahlt und dadurch für sich den endgültigen Vermögensverlust in Höhe der Differenz zwischen Wetteinsatz und Wettgewinn herbeigeführt haben, ist das Landgericht zu Recht von einem vollendeten Betrug und einem Schaden in dieser Höhe ausgegangen.
23
aa) Da nach den Feststellungen die Wettanbieter die Wettverträge nicht abgeschlossen und dementsprechend auch keine Gewinne ausbezahlt hätten, wenn ihnen die Manipulationen der gewetteten Spiele bekannt geworden wären , ist der für die Annahme eines Betruges erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen dem täuschungsbedingten Irrtum und der in der Gewinnausschüttung liegenden Vermögensverfügung gegeben (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Rn. 34).
24
Der Umstand, dass das Landgericht keine näheren Feststellungen dazu getroffen hat, wer bei den Wettanbietern im konkreten Fall die Wetten angenommen hat und wie die Gewinnauszahlungen veranlasst wurden, steht dem nicht entgegen, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es im Geschäftsbetrieb der Wettanbieter an irgendeiner Stelle ein Wissen um die Manipulationen gegeben hat und der durch die Täuschung ausgelöste Irrtum über die Manipulationsfreiheit deshalb nicht verfügungsursächlich geworden sein könnte (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NStZ 2003, 313 Rn. 8 f.; Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315, 316). Auch hat das irrtumsbedingte Verhalten auf Seiten der Wettanbieter ohne weitere deliktische Zwischenschritte der Angeklagten zu der Vermögensverfügung geführt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1991 – 2 StR 421/90, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 29).
25
bb) Der Umstand, dass die Wettanbieter schon mit der auf derselben Täuschung beruhenden Eingehung der Wettverträge einen Vermögensnachteil erlitten haben (dazu unten III. 1), steht einer Schadensbestimmung nach Maßgabe der in der Erfüllungsphase geleisteten Zahlungen nicht entgegen. Die Erfüllung einer täuschungsbedingt eingegangenen vermögensnachteiligen Verpflichtung vertieft den bereits eingetretenen Schaden. Beide Verfügungen und die durch sie ausgelösten Nachteile bilden zusammen eine Betrugstat (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 162 f.; Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Rn. 35 f.; Urteil vom 29. Januar 1997 – 2 StR 633/96, NStZ 1997, 542, 543; RG, Urteil vom 17. März 1932 – III 841/31, RGSt 66, 175, 180; LK-StGB/Lackner, 10. Aufl., § 263 Rn. 292 f.; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Rn. 274; Tenckhoff in FS Lackner, S. 677, 680). Dabei ist für die Schadensfeststellung jedenfalls dann allein auf die Erfüllungsphase abzustellen, wenn – wie hier – der Getäuschte seine Verpflichtung aus dem Vertrag restlos erfüllt hat und der mit dem Vertragsschluss ausgelöste Nachteil deshalb vollständig in dem durch die Vertragserfüllung herbeigeführten Schaden enthalten ist (BGH, Beschluss vom 14. April 2011 − 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638 Rn. 12 a.E.; vgl. Klein, Das Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, 2003, S. 178 ff.).
26
Auf die Frage, ob die Manipulationen der Angeklagten tatsächlich den Ausgang der betroffenen Spiele beeinflusst haben, kommt es nicht an (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Rn. 35 f.; a.A. Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 368; Saliger in FS Samson, S. 455, 460). Entscheidend ist vielmehr, dass die Wettanbieter Wetten auf manipulierte Spiele nicht angenommen hätten. Dass es den Angeklagten in den Fällen, in denen das gewettete Spielergebnis unabhängig von ihrer Einflussnahme auf den Spielverlauf eintrat, möglich gewesen wäre, den Wettgewinn auch ohne Manipulation und damit ohne eine hierauf bezogene Täuschung zu erzielen, ist ohne Belang, weil für die innere Verknüpfung von Täuschung, Irrtum und Vermögensverfügung allein der tatsächliche Verlauf der Willensbildung maßgebend ist (BGH, Urteil vom 24. Februar 1959 – 5 StR 618/58, BGHSt 13, 13, 14 f.; im Ergebnis ebenso Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, 1999, S. 250 f.).
27
3. Auf die Revision des Angeklagten S. ist jedoch der gesamte ihn betreffende Strafausspruch aufzuheben, weil das Landgericht eine Strafmilderung nach § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht erwogen hat.
28
Nach den Feststellungen hat der umfassend geständige Angeklagte im Ermittlungsverfahren bei über 30 Vernehmungen Angaben zu einer Vielzahl von Sachverhalten gemacht, die den Ermittlungsbehörden zuvor nicht bekannt wa- ren (UA 12). Danach liegt es nahe, dass die Voraussetzungen des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. n StPO gegeben sind.
29
Das Landgericht hat die Angaben des Angeklagten S. im Ermittlungsverfahren nur im Rahmen der konkreten Strafzumessung als allgemeinen Strafmilderungsgrund berücksichtigt (UA 53). Es hat nicht erörtert, ob durch diese Angaben ein wesentlicher Aufklärungserfolg im Sinne des § 46b Abs. 1 Satz 1 StGB eingetreten ist. Der Umstand, dass der Angeklagte C. im Ermittlungsverfahren ebenfalls ein Geständnis abgelegt hat (UA 51, 53), führt nicht dazu, dass dem Angeklagten S. die Vergünstigung des § 46b StGB nicht mehr zu Gute kommen kann. Die geständige Einlassung des Angeklagten C. erfolgte nach der Einlassung des Angeklagten S. . In der Regel sind die Vorteile des § 46b StGB zunächst demjenigen Mittäter zu gewähren, der als erster einen über seinen Tatbeitrag hinausgehenden Aufklärungsbeitrag leistet, weil dadurch die Möglichkeit der Strafverfolgung im Hinblick auf begangene Taten nachhaltig verbessert und die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden auch für die übrigen Mittäter zu einer naheliegenden Strategie wird (vgl.BGH, Beschluss vom 30. August 2011 – 2 StR 141/11, StV 2012, 80, 81; Beschluss vom 17. März 1992 – 5 StR 60/92, BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 23).
30
Auf dem gezeigten Rechtsfehler beruht der gesamte Strafausspruch, weil das Landgericht nicht geprüft hat, ob die Strafrahmen gemäß § 46b Abs. 1 Satz 1 StGB zu mildern sind und nicht auszuschließen ist, dass im Fall einer solchen Strafrahmenverschiebung niedrigere Einzelstrafen und eine geringere Gesamtstrafe verhängt worden wären (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2003 – 4 StR 94/03, NStZ-RR 2003, 297).

III.


31
Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet. Darauf, dass die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auch zu Gunsten der Angeklagten wirken (§ 301 StPO), kommt es nach dem entsprechenden (Teil-)Erfolg der Revision des Angeklagten S. nicht mehr an (BGH, Urteil vom 28. September 2011 – 2 StR 93/11, Rn. 29; Urteil vom 15. Juli 2008 – 1 StR 144/08, Rn. 3; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 301 Rn. 3).
32
1. Das Urteil hat in den Fällen, in denen es nicht zu einer Gewinnauszahlung kam (Fälle 2 und 8 hinsichtlich des Angeklagten C. und Fälle 18, 25 und 28 hinsichtlich beider Angeklagten), keinen Bestand, weil das Landgericht die Annahme eines vollendeten Betruges mit nicht tragfähigen Erwägungen abgelehnt hat.
33
a) Der 5. Strafsenat hat entschieden, dass bei Wetten mit festen Quoten auf manipulierte Fußballspiele bereits mit Abschluss des Wettvertrages ein vollendeter Betrug zum Nachteil der getäuschten Wettanbieter gegeben ist. Die aufgrund eines bestimmten Risikos ermittelte Quote stelle gleichsam den „Verkaufspreis“ der Wettchance dar. Durch die Manipulationen sei das Wettrisiko erheblich zugunsten der täuschenden Wettkunden verschoben worden. Die bei Vertragsschluss von den Wettanbietern vorgegebene Quote entspreche deshalb nicht mehr dem Risiko, das ihrer Kalkulation zugrunde gelegen habe. Die von dem Wettkunden erkaufte Chance auf den Wettgewinn sei wesentlich mehr wert, als er dafür in Ausnutzung seiner Täuschung bezahlt habe. Für seine jeweiligen Einsätze hätte der Wettkunde bei realistischer Einschätzung des tat- sächlichen Wettrisikos einen erheblich geringeren Gewinn erkaufen können. Diese „Quotendifferenz“ stelle bei jedem Vertragsschlusseinen nicht unerheblichen Vermögensschaden dar. Dieser Quotenschaden müsse nicht beziffert werden. Es reiche aus, wenn die insoweit relevanten Risikofaktoren gesehen und bewertet werden (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Rn. 32 f.; SSW-StGB/Satzger, § 263 Rn. 212; Engländer, JR 2007, 477, 479; Gaede, HRRS 2007, 16, 18; Krack, ZIS 2007, 103, 109; Ostermeier, ZfWG 2007, 253, 260).
34
b) Auch der Senat bejaht grundsätzlich einen Vermögensschaden bereits mit Abschluss des Wettvertrags. Allerdings ist die eingetretene Vermögensminderung abweichend zu bestimmen.
35
aa) Wurde der Getäuschte zum Abschluss eines gegenseitigen Vertrages verleitet (Eingehungsbetrug), sind bei der für die Schadensfeststellung erforderlichen Gesamtsaldierung der Geldwert des erworbenen Anspruchs gegen den Täuschenden und der Geldwert der eingegangenen Verpflichtung miteinander zu vergleichen. Der Getäuschte ist geschädigt, wenn sich dabei ein Negativsaldo zu seinem Nachteil ergibt (st. Rspr. vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 − 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638 Rn. 12; Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 156; Beschluss vom 18. Februar 1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 4; Beschluss vom 18. Juli 1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Rn. 160, 173). Ist der Getäuschte ein Risikogeschäft eingegangen, kommt es für die Bestimmung des Schadens maßgeblich auf die täuschungs- und irrtumsbedingte Verlustgefahr an, die über die vertraglich zu Grunde gelegte hinausgeht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 − 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638 Rn. 12; Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199 Rn. 12 f.; Beschluss vom 23. Februar 1982 – 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 389 f.; Jaath in FS Dünnebier , S. 583, 591 f.).
36
Auch ein nur drohender, ungewisser Vermögensabfluss kann einen Schaden darstellen, wenn der wirtschaftliche Wert des gefährdeten Vermögens bereits gesunken ist (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 263 Rn. 40 ff.; Schuhr, ZStW 123 [2011], 517, 529 f.; Riemann, Vermögensgefährdung und Vermögensschaden, 1989, S. 7). Die bloße Möglichkeit eines Wertverlustes genügt dabei allerdings noch nicht. Auch dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens ungewiss bleibt. Zur Verhinderung einer tatbestandlichen Überdehnung und zur Wahrung des Charakters des Betrugstatbestandes als Erfolgsdelikt ist der Schaden daher der Höhe nach zu beziffern und nachvollziehbar darzulegen. Bestehen Unsicherheiten, kann ein Mindestschaden unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege einer tragfähigen Schätzung ermittelt werden (BVerfG, NStZ 2012, 496 Rn. 176; vgl. NStZ 2010, 626 Rn. 28; BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 163; Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199 Rn. 13; LKStGB /Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Rn. 165 mwN; Kraatz, JR 2012, 329, 332 ff.). Normative Gesichtspunkte können bei der Bewertung des Schadens eine Rolle spielen; sie dürfen die wirtschaftliche Betrachtung allerdings nicht überlagern oder verdrängen (BVerfG, NStZ 2012, 496 Rn. 176).
37
bb) Bei Wettverträgen auf Sportereignisse mit verbindlichen Quoten gestehen sich der Wettende und der Wetthalter gegenseitig je einen Anspruch auf einen bestimmten Geldbetrag zu und übernehmen das entsprechende Haftungsrisiko. Beide Ansprüche stehen zueinander im Verhältnis der Alternativität, weil sie mit unterschiedlichen Vorzeichen von dem Eintritt des gewetteten Spie- lergebnisses oder Spielverlaufs und damit von entgegengesetzten Bedingungen abhängen (vgl. Staudinger/Engel, BGB, Neubearb. 2008, § 762 Rn. 4 ff.; MünchKomm-BGB/Habersack, 5. Aufl., § 762 Rn. 7; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand , S. 440 ff.). Der Anspruch des Wettenden ist auf den seinen Einsatz entsprechend der vereinbarten Quote übersteigenden Wettgewinn und der Anspruch des Wettanbieters auf ein Behaltendürfen des vorgeleisteten Wetteinsatzes gerichtet. Ihr Geldwert bestimmt sich nach der vereinbarten Höhe (Einsatz x Quote – Einsatz bzw. Einsatz) sowie der Wahrscheinlichkeit des Eintrittes des zur Bedingung gemachten Spielausganges. Wird durch eine nicht offen gelegte Manipulation des Wettenden die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es zu dem von ihm gewetteten Spielausgang kommt, erhöht sich damit auch der Geldwert seines Anspruchs gegen den getäuschten Wettanbieter und das korrespondierende Haftungsrisiko. Zugleich vermindert sich der Geldwert des alternativen Anspruchs des Wettanbieters auf ein Behaltendürfen des Einsatzes. Die getäuschten Wettanbieter haben mithin einen Vermögensschaden erlitten, wenn bei objektiver Betrachtung die von ihnen gegenüber den Angeklagten eingegangene – infolge der Manipulationen mit einem erhöhten Realisierungsrisiko behaftete – Verpflichtung zur Auszahlung des vereinbarten Wettgewinns nicht mehr durch den Anspruch auf den Wetteinsatz aufgewogen wird.
38
cc) Die Tatsache, dass die beeinträchtigten Ansprüche der Wettanbieter auf ein Behaltendürfen des Wetteinsatzes von dem Nichteintritt des gewetteten Spielergebnisses abhängen, lässt den strafrechtlichen Vermögensschutz nicht entfallen. Auch bedingte Forderungen gehören zum strafrechtlich geschützten Vermögen, wenn mit ihrer Realisierung ernsthaft zu rechnen ist und sie deshalb im Geschäftsverkehr als werthaltig angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 – 4 StR 58/08, NStZ 2008, 627). Dies war hier ersichtlich der Fall.
39
dd) Soweit die getäuschten Wettanbieter in der Gesamtschau keinen Verlust erlitten haben, weil das auf die betroffenen Spiele entfallene Wettaufkommen die an die Angeklagten auszuschüttenden Gewinne gedeckt hat, steht dies der Annahme eines Vermögensschadens nicht entgegen (a.A. Saliger/ Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 366; Reinhart, SpuRt 2007, 52, 54 f.; Rönnau in FS Rissing-van Saan, S. 517, 528; Saliger in FS Samson, S. 455, 459 f.). Die dem Wettanbieter verbleibenden Wetteinsätze der Wettverlierer stellen im Verhältnis zu den manipulativ agierenden Wettgewinnern keinen unter dem Gesichtspunkt der Schadenskompensation zu berücksichtigenden Ausgleich dar. Kommt es im Zusammenhang mit einer nachteiligen Vermögensverfügung an anderer Stelle zu einem Vermögenszuwachs, scheidet die Annahme eines Vermögensschadens nur dann aus, wenn dieser Vorteil von der Verfügung selbst zeitgleich mit dem Nachteil hervorgebracht worden ist und nicht – wie hier – auf rechtlich selbstständigen Handlungen beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – 4 StR 194/09, NStZ 2010, 330 Rn. 2; Beschluss vom 27. August 2003 – 5 StR 254/03, NStZ 2004, 205 Rn. 2; Urteil vom 23. Mai 2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 301 f.; Urteil vom 4. März 1999 – 5 StR 355/98, NStZ 1999, 353, 354; SSW-StGB/Satzger, § 263 Rn. 144).
40
ee) Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird dabei – gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe – die Wahrscheinlichkeit eines Wetterfolges und dessen Beeinflussung durch die Manipulationen zu beurteilen und danach den wirtschaftlichen Wert sowohl der bedingten Verbindlichkeit (Zahlung des Wettgewinns) als auch des gegenüberstehenden Anspruchs (Behaltendürfen des Wetteinsatzes) des getäuschten Wettanbieters zu bestimmen haben. Dabei können die auf dem Wettmarkt für die jeweiligen Spiele anfänglich angebotenen Quoten einen An- halt für die Bewertung des Wettrisikos vor der Manipulation bieten. Für die Bewertung der Beeinflussung des Wettrisikos durch die Manipulation geben die Zahl und die Bedeutung der beeinflussten Spieler oder sonstigen Teilnehmer einen wesentlichen Anhaltspunkt.
41
Soweit für eine Schadensbestimmung eine Anknüpfung an die Grundsätze zu Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) in Betracht kommt (vgl. Kozikowski/Schubert in Beck´scher Bilanzkommentar, 8. Aufl., § 249 Rn. 60; Kraatz, JR 2012, 329, 334), wird besonders zu beachten sein, dass es hier um die Ermittlung eines Mindestschadens geht. Betriebswirtschaftliche sowie handels- und gesellschaftsrechtliche Bewertungsverfahren sind in erheblichem Maß von Grundsätzen geprägt (Vorsichtsprinzip), die im Zweifel zur Annahme niedriger Werte und zu einer Überbewertung von Verlustrisiken führen, was ihrer Anwendung auf einen strafrechtlichen Sachverhalt Grenzen setzt (Schuhr, ZStW 123 [2011], 517, 530; Becker, HRRS 2009, 334, 338 f.; Kempf in FS Volk, S. 231, 240 f.; Tiedemann in FS Klug, Bd. II., S. 405, 415).
42
Lassen sich keine belastbaren Aussagen treffen und kann deshalb auch ein Mindestschaden nicht mehr geschätzt werden, scheidet ein Schuldspruch wegen vollendeten Betrugs aus.
43
ff) Eine Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG ist nicht erforderlich, weil der 5. Strafsenat die in seinem Urteil vom 15. Dezember 2006 (5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Rn. 32 f.) vertretene Auffassung, dass der eingetretene Vermögensschaden nicht beziffert werden müsse, mit Beschluss vom 13. April 2012 (5 StR 442/11, NJW 2012, 2370 Rn. 7) aufgegeben und mit Rücksicht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 2011 (2 BvR 2500/09 u.a., NStZ 2012, 496 Rn. 176) entschieden hat, dass es im Fall der Annahme eines Eingehungsbetrugs einer ausreichenden Beschreibung und Bezifferung der täuschungsbedingten Vermögensschäden bedarf.
44
2. Hinsichtlich des Angeklagten S. war das Urteil darüber hinaus auch in den Fällen 1, 5, 7, 9, 10, 13, 14, 15, 16, 17, 19, 20, 21, 23, 24, 26 und 27 aufzuheben, weil das Landgericht bei der Ablehnung eines Bandenbetruges gemäß § 263 Abs. 5 StGB von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist.
45
a) Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz benannten Deliktstyps zu begehen. Ein „gefestigter Bandenwille“ oder ein „Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse“ ist nicht erforderlich. Es steht der Annahme einer Bande deshalb nicht entgegen , wenn deren Mitglieder bei der Tatbegehung ihre eigenen Interessen an einer risikolosen und effektiven Tatausführung sowie Beute- und Gewinnerzielung verfolgen (BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 335; Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 204/06, NStZ 2007, 269).
46
b) Die Abrede zwischen dem Angeklagten S. und den Vermittlern der Ltd. (H. , Ch. und Cha. ) vom 11. August 2008 war ersichtlich auf eine unbestimmte Vielzahl zukünftiger Betrugstaten zum Nachteil asiatischer Wettanbieter gerichtet. Soweit das Landgericht die Annahme einer Bande mit der Erwägung verneint hat, dass die gesondert verfolgten H. und Cha. lediglich aus eigenem Interesse an den Wetten des Angeklagten S. mitgewirkt und diesen zur Maximierung ihres Gewinnes regelmäßig übervorteilt haben (UA 48), wird ein Interessengleichlauf zur Bedingung für eine bandenmäßige Begehungsweise gemacht, der nach der Aufgabe der Rechtsprechung zum „übergeordneten Bandeninteresse“ (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996 – 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 259 f.) gerade nicht mehr erforderlich ist. Dessen ungeachtet haben die Mitarbeiter der Ltd. in Bezug auf die getäuschten Wettanbieter tatsächlich dasselbe deliktische Ziel verfolgt wie der Angeklagte S. und seine weiteren Mittäter, denn auch ihr Gewinninteresse hing von einer erfolgreichen Platzierung der Wetten und deren Gewinn ab (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 204/06, NStZ 2007, 269, 270). Übervorteilen sich Beteiligte nach ihren gemeinsam begangenen Taten bei der Beute- oder Gewinnverteilung, stellt dies eine bandenmäßige Begehungsweise nicht in Frage.
47
Die Sache bedarf daher auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Da es sich um einen reinen Bewertungsfehler handelt, der auch die bereits aus anderen Gründen aufgehobenen Fälle 18, 25 und 28 betrifft, können in den Fällen 1, 5, 7, 9, 10, 13, 14, 15, 16, 17, 19, 20, 21, 23, 24, 26 und 27 die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende – hierzu nicht in Widerspruch stehende – Feststellungen sind möglich. Sollte der Tatrichter zur Annahme eines Bandenbetruges gelangen, wird dieser in den Tenor aufzunehmen sein (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 204/06, NStZ 2007, 269, 270).
48
3. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
49
a) In Bezug auf den Angeklagten C. hat das Landgericht zu Recht eine bandenmäßige Begehungsweise gemäß § 263 Abs. 5 StGB verneint.
50
Nach den Feststellungen waren die manipulationswilligen Spieler nur für eng begrenzte Zeiträume in das Geschehen eingebunden, sodass eine (konkludente ) Bandenabrede mit dem Angeklagten C. insoweit nicht belegbar ist. Gleiches gilt für die verschiedenen Gehilfen und Mittäter, die bei einzelnen Spielen aufgrund von Einzelabsprachen im Verbund mit dem Angeklagten C. tätig waren. In die Absprachen mit der Ltd. war der Angeklagte C. nicht eingebunden.
51
b) Der Umstand, dass das Landgericht in den Fällen 1, 5, 7, 9, 10, 14, 15, 17, 19, 21, 23, 26 und 27 einen Vermögensverlust großen Ausmaßes gemäß § 263 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 1 StGB nicht ausdrücklich geprüft hat, lässt keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen.
52
Die Annahme eines Vermögensverlustes von großem Ausmaß kommt in Betracht, wenn der angerichtete Schaden mehr als 50.000 Euro beträgt (BGH, Urteil vom 7. Oktober 2003 – 1 StR 274/03, BGHSt 48, 360, 362 ff.; Beschluss vom 11. Februar 2009 – 5 StR 11/09, wistra 2009, 236, 237; LK-StGB/ Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Rn. 298a mwN). Dabei ist der Umfang der Vermögenseinbuße opferbezogen zu bestimmen. Werden – wie hier durch die Platzierung mehrerer Wetten auf ein manipuliertes Spiel – mehrere Opfer geschädigt, kommt es auf die Verluste bei jedem einzelnen Opfer an. Eine Addition von Einzelschäden ist nur dann möglich, wenn sie dasselbe Opfer betreffen (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2011 – 4 StR 253/11, NStZ 2012, 213; Beschluss vom 15. März 2011 – 1 StR 529/10, NJW 2011, 1825, 1827).
53
Danach kam in den Fällen 1, 5, 15, 17 und 26 die Annahme eines Vermögensverlustes von großem Ausmaß schon deshalb nicht in Betracht, weil die Feststellungen nicht belegen, dass bei einem der betroffenen Wettanbieter ein Verlust von mehr als 50.000 Euro eingetreten ist. In den übrigen Fällen vermag der Senat auszuschließen, dass eine ausdrückliche Berücksichtigung des Umstandes , dass die Verluste der einzelnen Wettanbieter mehr als 50.000 Euro betragen haben und damit auch das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 1 StGB verwirklicht ist, zu einer höheren Bestrafung geführt hätte. Die Kammer ist in allen Fällen vom Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB ausgegangen, weil sie ein gewerbsmäßiges Vorgehen der Angeklagten angenommen hat. Die Höhe der verursachten Schäden wurde bei der Strafzumessung ausdrücklich berücksichtigt.

IV.


54
Wegen der Aufhebung des Schuldspruchs bei dem Angeklagten S. waren auch die – an sich rechtsfehlerfrei getroffenen – ihn betreffenden Feststellungen zur Rückgewinnungshilfe nach § 111i Abs. 2 StPO aufzuheben.
Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 125/12
vom
20. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
15. November 2012 in der Sitzung vom 20. Dezember 2012, an der teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung am 15. November 2012 -
als Verteidiger,
Justizangestellte - in der Verhandlung -,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 25. August 2011 wird verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall III.6 der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, sowie wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Es hat ferner festgestellt, dass gegen den Angeklagten wegen eines Geldbetrages in Höhe von 871.367,27 € lediglich deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen.
2
Gegen dieses Urteil richtet sich zum einen die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Zum anderen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision gegen das Urteil des Landgerichts und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Insbesondere beanstandet sie, das Landgericht hätte wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges die Voraussetzungen der Qualifikation nach § 263 Abs. 5 StGB bejahen müssen; ferner sei der Angeklagte im Fall III.6 zu Unrecht lediglich wegen versuchten Betruges verurteilt worden.

A.


I.


3
Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
4
1. Im Sommer 2006 lernte der Angeklagte den gesondert verfolgten S. während der in Deutschland stattfindenden Fußballweltmeisterschaft kennen. Dem Angeklagten war die Wettleidenschaft des S. bekannt; auch für den Angeklagten selbst wurde das Wetten auf Sportereignisse zu einer Leidenschaft. Zwischen S. , der nach Entlassung aus Strafhaft im Juli 2008 seine schon zuvor betriebenen Wettgeschäfte schnell wieder aufgenommen hatte, und dem Angeklagten entwickelte sich eine vertrauensvolle, freundschaft- liche Beziehung, in deren Verlauf sich beide im In- und im Ausland im Rahmen von Sportereignissen häufig trafen. Nach und nach bezog S. den Angeklagten in dessen Wettaktivitäten ein, ließ ihn Wettscheine einlösen, Gewinne bei sich zu Hause deponieren und auf Anweisung Geldbeträge in Wettbüros setzen. Am 11. August 2008 kam es in Wien zu einem Treffen zwischen den Mitarbeitern H. , C. und Ch. des Sportwetten-Vermittlers Ltd. mit Sitz in London, der Wetten vornehmlich an asiatische Wettanbieter wie , und weitervermittelte, dem gesondert verfolgten S. und dem österreichischen Sportwetten-Vermittler G. . Bei dem Treffen wurden die Konditionen besprochen, zu denen der gesondert verfolgte S. durch Einschaltung der Ltd. Zugang zum asiatischen Wettmarkt erhalten konnte, der auf S. wegen der im Vergleich zum deutschen Wettmarkt wesentlich variationsreicheren Wettmöglichkeiten eine große Anziehungskraft ausübte. Zu dem Treffen hatte S. den Angeklagten wegen dessen guter Englischkenntnisse als Dolmetscher zugezogen. Daher war er während des gesamten Treffens , bei dem die Grundlagen für die weiteren Beziehungen zwischen S. und Ltd. gelegt wurden, anwesend.
5
2. Zur Funktionsweise der Fußballwetten und zum Ablauf der Taten – im vorliegenden Fall geht es bei allen sechs Einzeltaten um die Platzierung von Wetten bei asiatischen Wettanbietern – hat das Landgericht Folgendes festgestellt :
6
a) Bei Wetten mit verbindlichen Quoten lobt der Wettanbieter für das jeweilige Spiel eine bestimmte Wettquote aus, die das Verhältnis von Einsatz und möglichem Gewinn widerspiegelt. Dabei geht der Wettanbieter davon aus, dass sich die Wetteinsätze weitgehend nach den Wahrscheinlichkeiten verteilen werden, mit denen ein bestimmter Spielausgang zu erwarten ist. Die Wettquo- ten werden nach der zu erwartenden Verteilung der Wetteinsätze kalkuliert und so bemessen, dass „unter dem Strich“ unabhängig von dem Ergebnis des je- weiligen Spiels ein Gewinn verbleibt (UA 8). Wird auf das Spielergebnis manipulativ eingewirkt, kann der Wettanbieter das betroffene Spiel nicht mehr zuverlässig kalkulieren. Wetten auf bekannt manipulierte Spiele werden daher nicht angenommen.
7
b) In allen sechs Fällen bediente sich der gesondert verfolgte S. der in London ansässigen Vermittlerfirma Ltd. zur Platzierung der Wetten bei den asiatischen Anbietern. Dabei teilte S. Mitarbeitern der Firma Ltd. telefonisch mit, welche Wetten er platzieren wollte. Die Vermittler schlossen dann für ihn bei verschiedenen Wettanbietern einen oder mehrere Wettverträge auf das jeweilige Spiel ab. Nach der Ausführung des Auftrages erhielt S. auf gleichem Weg eine Bestätigung. Den von S. eingeschalteten Mitarbeitern der Ltd. waren die Manipulationen bekannt. Bei dem bereits erwähnten Treffen am 11. August 2008 in Wien hatten S. und die Mitarbeiter der Ltd. H. , C. und Ch. in Anwesenheit des Angeklagten im Zuge ihrer Verhandlungen auch ein sogenanntes "Sterne-System" entwickelt. Danach sollte S. bei der Aufgabe einer Wette den Mitarbeitern der Ltd. mitteilen, in welchem Ausmaß er die zu bewettende Partie manipuliert hatte. Je mehr Spieler von ihm korrumpiert waren, desto mehr "Sterne" sollte er der Partie verleihen. Die Ltd. verdiente an der Vermittlung , indem sie die von den Wettanbietern in Asien angebotenen Quoten gegenüber dem S. geringfügig verschlechterte. Spiele, die den Mitarbeitern der Ltd. als "sicher" erschienen, wurden von ihnen – ohne Wissen des S. und des Angeklagten – auch gezielt zu Wetten auf eigene Rechnung ausgenutzt. Weder S. noch die von ihm beauftragten Vermittler der Firma Ltd. legten gegenüber den asiatischen Wettanbietern offen, dass die gewetteten Spiele manipuliert waren. Den Wettanbietern wurde auf diese Weise vorgespiegelt, dass es sich um "normale" unbeeinflusste Spiele handelte. Die erzielten Gewinne flossen über die Vermittler zunächst auf ein von S. geführtes Konto. Hatten sich weitere Personen an der Platzierung der Wette beteiligt , wie etwa der Angeklagte oder der gesondert verfolgte C. , erhielten diese von dem gesondert verfolgten S. ihren jeweiligen Anteil.
8
3. Vor diesem Hintergrund kam es unter Beteiligung des Angeklagten zu folgenden Straftaten:
9
(1) 28. August 2008 (D. , UEFA-Cup Qualifikationsspiel D. gegen Y. ):
10
Durch Zahlung von insgesamt 50.000 € veranlasste der gesondert verfolgte S. die Abwehrspieler des D. , dieses Spiel absichtlich zu verlieren. Das Spiel endete 2:3. Im Vertrauen auf diese Manipulation schloss S. über den englischen Vermittler Ltd. bei drei asiatischen Anbietern insgesamt 22 Wettverträge ab; auf 21 dieser Verträge entfiel ein Gewinn von311.346,74 €. Da es sich um den ersten größeren Wetteinsatz des S. bei Ltd. handelte, hatte diese zuvor von S. eine Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000 € verlangt, zu hinterlegen bei dem beiden Seiten bekannten Wettvermittler G. . Im Auftrag des S. übergab der Angeklagte, der für die Verhandlungen des S. mit der Ltd. auch noch seinen Chat-Account zur Verfügung gestellthatte, 170.000 €, die ihm S. in B. in bar übergeben hatte, einem Vertrauten des Wettvermittlers G. in P. . 30.000 € sollte der Angeklagte aus eigenen Mitteln beisteuern. Die Hintergründe der Sicherheitsleistung waren dem Angeklagten dabei bekannt, insbesondere auch das "Sterne-System".
11
(2) 17. April 2009 ( G. gegen T. , zweite Fußballliga):
12
Im Vorfeld dieses Spiels hatte der gesondert verfolgte C. zwei Spieler des T. durch Übergabe von 13.000 € dazu veranlasst, einen Sieg des G. herbeizuführen. Das Spiel endete 4:3 für den G. . Über Ltd. schlossen S. für sich und C. bei dem asiatischen Anbieter einen Wettvertrag, der einen Gewinn von 58.500 € erbrachte, wobei der Angeklagte an dieser Wette mit einem Einsatz von 5.000 € beteiligt war und einen Gewinn von 4.500 € erhielt.
13
(3) 27. Juni 2009 (Freundschaftsspiel W. gegen T. ):
14
Im Zusammenwirken mit Funktionären des Clubs T. hatte der gesondert verfolgte C. dieses Spiel organisiert und für dessen Registrierung bei der UEFA gesorgt, was Voraussetzung für die Aufnahme der Partie in den asiatischen Wettmarkt war. Mit den Funktionären des Clubs war ferner vereinbart worden, dass diese gegen Zahlung erheblicher Geldbeträge dieses und weitere geplante Freundschaftsspiele dergestalt manipulieren sollten, dass die eigene Mannschaft jeweils verlieren würde. Die Zuwendungen an den Verein beliefen sich auf insgesamt 70.000 €. Auf der Grundlage von 15 über den Vermittler Ltd. bei asiatischen Anbietern abgeschlossenen Wettverträgen erzielten C. und der eingeweihte S. einen Gewinn von insgesamt 93.370,63 €; der Angeklagte war mit einem Einsatz von 5.000 € beteiligt und erhielt einen Gewinn von 4.202,98 €.
15
(4) 2. August 2009 ( S. gegen O. , DFBPokal ):
16
Der gesondert verfolgte C. vereinbarte mit den Spielern der gastgebenden Mannschaft des S. , dass die gastgebende Mannschaft das Spiel verlieren sollte. S. und der Angeklagte verabredeten, dass der Angeklagte dem gesondert verfolgten C. 50.000 € aus dem Vermögen S. s übergeben sollte, was der Angeklagte am 1. August 2009 auch tat. Einen Tag später händigte C. das Geld den manipulationswilligen Spielern des S. aus und verabredete mit diesen die Einzelheiten der Tat. Der Angeklagte war dabei anwesend. S. schloss über Ltd. bei asiatischen Wettanbietern sieben Wettverträge ab. Absprachegemäß verlor der S. das Spiel mit 0:3. Vier der sieben Wettverträge erbrachten Gewinne von insgesamt 87.681,82 €.
17
(5) 1. November 2009 ( G. gegen V. , zweite Fußballliga):
18
Der gesondert verfolgte C. versprach Mitgliedern der Mannschaft des G. finanzielle Mittel, damit diese das Spiel gegen den V. absichtlich verlieren würden. Zur Absicherung des beabsichtigen Spielergebnisses wurde auch einem Spieler der Gastmannschaft eine Geldsumme dafür versprochen , den gewünschten Spielverlauf herbeizuführen. Über den Anbieter Ltd. platzierte S. bei asiatischen Wettanbietern insgesamt sechs Wettverträge; auf drei dieser Wetten entfiel ein Gewinn von insgesamt 85.650,00 €. Da sich S. am Tag des Spiels nicht in B. befand und deshalb auch keinen Zugriff auf seinen Computer hatte, beauftragte er den Angeklagten , seinen Computer zu starten, die Internet-Webseiten der in Aussicht genommenen asiatischen Wettanbieter aufzusuchen, sich einzuloggen und die Entwicklung der entsprechenden Wettquoten zu beobachten und fernmündlich an ihn, S. , durchzugeben. Der Angeklagte führte diesen Auftrag aus; auf der Grundlage der von ihm durchgegebenen Informationen über Quoten und Quotenbewegungen setzte S. dann vom Ausland aus über den englischen Wettvermittler Ltd. die angegebenen Spielwetten. Dem Angeklagten war bewusst, dass er Quoten eines manipulierten Spiels beobachtete und dass seine Informationen die Grundlage für die Wetten des gesondert verfolgten S. darstellten.
19
(6) 18. November 2009 (U 21 – Nationalmannschaft der gegen U 21 - Nationalmannschaft von , U 21 – Fußballweltmeisterschaft):
20
Die gesondert verfolgten S. und C. trafen mit dem Schiedsrichter dieses Spiels, dem gesondert verfolgten P. , die Absprache, dass das Spiel durch die Mannschaft der mit mindestens drei Toren Unterschied gewonnen werden sollte. P. erhielt dafür nicht nur 30.000 € in bar, sondern auch eine durch Kontakte des gesondert verfolgten C. zur UEFA bewirkte Höherstufung, die ihm seine Teilnahme als Schiedsrichter an diesem Spiel überhaupt erst ermöglichte. C. musste daher Zahlungen von 50.000 € an Kontaktleute bei der UEFA aufwenden. Das Spiel endete jedoch lediglich mit dem Ergebnis 1:0. Die 27 über den englischen Vermittler Ltd. auf dem asiatischen Wettmarkt abgeschlossenen Einzelverträge von S. und C. gingen sämtlich verloren. Beide hatten insgesamt 280.000 € gewettet, auf die keinerlei Gewinn entfiel; der Einsatz war in voller Höhe verloren. Im Erfolgsfall wäre es zu einem Gewinn von mindestens 150.000 € gekommen, der neben den Einsätzen ausgezahlt worden wäre. Auch an den Wetten auf dieses Fußballspiel war der Angeklagte mit einem Betrag von bis zu 5.000 € beteiligt.

II.


21
Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe sich hinsichtlich der Taten Nr. 1 bis 4 des vollendeten gemeinschaftlichen Betruges, hinsichtlich der Tat Nr. 6 des versuchten gemeinschaftlichen Betruges sowie hinsichtlich der Tat Nr. 5 der Beihilfe zum Betrug schuldig gemacht. Bei dem Abschluss der jeweiligen Wettverträge hätten der Angeklagte und seine beiden Mittäter jeweils konkludent erklärt, sie selbst bzw. die mit ihnen gemeinschaftlich handelnden anderen Beteiligten hätten das betreffende Spiel nicht manipuliert. Die Erwartung des Geschäftspartners, sein Gegenüber habe nicht vorsätzlich sittenwidrig auf den Vertragsgegenstand Einfluss genommen, gehöre zu den unverzichtbaren Grundlagen jeglichen geschäftlichen Verkehrs. Dies gelte nicht nur für den Abschluss von Wettverträgen während eines laufenden, bereits manipulierten Spiels, sondern auch bei Vertragsabschluss vor Spielbeginn. Der bei dem konkreten Wettanbieter jeweils entstandene Irrtum habe wenigstens im Rahmen eines sachgedanklichen Mitbewusstseins bis nach Spielende, also bis zur Auszahlung des Wettgewinns nebst geleistetem Einsatz, fortbestanden. Auf Grund dieses fortbestehenden Irrtums sei es jeweils zu einer Vermögensverfügung des Wettanbieters gekommen, die auf seiner Seite zu einem entsprechenden Schaden geführt habe. Hätte der Wettanbieter von der Manipulation gewusst, hätte er den entsprechenden Wettvertrag nicht abgeschlossen. Ihm wäre dann zwar kein Einsatz zugeflossen, er hätte allerdings auch keine Auszahlung durchgeführt. Bei dem hier abzuurteilenden Sportwettenbetrug sei der Schaden – abweichendvom Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Dezember 2006 (5 StR 181/06, BGHSt 51, 165) nach den Grundsätzen des sog. Erfüllungsbetruges zu bestimmen, weshalb ein Schaden dann nicht festgestellt werden könne, wenn es nicht zur Auszahlung von Wettgewinnen gekommen sei. Nur wenn das tatsächlich getippte Ergebnis eintrete und der Wettanbieter zu einer Auszahlung des Gewinns verpflichtet sei, komme es bei ihm zu einem Vermögensschaden, der, den Anforderungen der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gemäß, auch quantifiziert werden könne. Dieser Schaden des Wettanbieters bestehe in der Differenz zwischen Einsatz und Gewinn. Die Grundsätze des sog. Quotenschadens seien mangels ausreichender Quantifizierbarkeit nicht mehr anzuwenden.

B.


I.


22
Zur Revision des Angeklagten:
23
1. Die nach der vom Senat mit Beschluss vom 7. November 2012 gewährten Wiedereinsetzung nunmehr rechtzeitig erhobene Verfahrensrüge hat aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 23. Mai 2012 genannten Gründen keinen Erfolg.
24
Lediglich ergänzend bemerkt der Senat:
25
Unabhängig von der Frage, ob in dem Revisionsvorbringen überhaupt eine zulässige Aufklärungsrüge gesehen werden kann, mussten sich dem Landgericht weiter gehende Ermittlungen nicht aufdrängen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des vom früheren Mitangeklagten S. gestellten Beweisantrags , dem eine dahingehende Beweisbehauptung zugrunde lag. Der Antrag wurde von S. im weiteren Prozessverlauf zurückgenommen; dass diese Rücknahme des Beweisantrags von der Strafkammer unter Verstoß gegen § 136a Abs. 1 Satz 3 Fall 1 StPO erfolgt wäre, ist nicht bewiesen.
26
2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.
27
a) Für die vom Landgericht abgeurteilten Taten gilt gemäß § 3 StGB das deutsche Strafrecht, da sie im Inland begangen wurden.
28
Dies gilt zunächst für die Fälle III.1, 4 und 5 der Urteilsgründe,in denen der Angeklagte nach den Feststellungen selbst Tatbeiträge im Inland geleistet hat. Im Fall III.1 nahm er die für die Leistung der Sicherheit bestimmten 170.000 € von S. in B. entgegen und transportierte sie nach P. . Im Fall III.4 war der Angeklagte in die Verhandlungen über die Manipulation des DFB-Pokalspiels eingebunden und übergab in Deutschland dem C. das für die Mannschaft bestimmte Bestechungsgeld in Höhe von 50.000 €. Im Fall III.5 unterstützte der Angeklagte den gesondert verfolgten S. bei der Platzierung von Wetten, indem er zu diesem Zweck den in seiner Wohnung in B. befindlichen Computer einsetzte. Aber auch in den übrigen abgeurteilten Fällen ergibt der Zusammenhang der Urteilsgründe, dass die Taten ihren Ausgang in Deutschland und nicht, wie die Revision unter Hinweis auf den in Großbritannien ansässigen Spielvermittler Ltd. meint, in Großbritannien nahmen. Da die Regeln des Strafanwendungsrechts trotz ihrer Zuordnung zum materiellen Strafrecht nicht als Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes anzusehen sind (vgl. SSW-StGB/Satzger, vor §§ 3-7 Tz. 3 mwN), steht die Tatsache, dass Mitarbeiter der Ltd. nach den Feststellungen in die Manipulationen eingeweiht waren, einer Anwendung des deutschen Strafrechts nicht entgegen.
29
b) Soweit der Angeklagte wegen (versuchten) Betrugs verurteilt worden ist, weist das Urteil keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler auf.
30
aa) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte und die gesondert verfolgten S. und C. selbst oder durch ihre Vermittler bei der Abgabe der Wetten gegenüber den Wettanbietern konkludent der Wahrheit zuwider erklärt haben, dass der Verlauf oder der Ausgang der gewetteten Spiele von ihnen nicht beeinflusst worden ist. Die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes gehört zur Geschäftsgrundlage der Wette. Beide Parteien sichern sich daher stillschweigend zu, auf das gewettete Spiel keinen Einfluss genommen zu haben. Dadurch wurde bei den Wettanbietern – jedenfallsin der Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins – ein entsprechender Irrtum erregt. Dies entspricht der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 16 ff.; Urteil vom 19. Dezember 1979 – 3 StR 313/79, BGHSt 29, 165, 167 f.; RG, Urteil vom 17. Dezember 1928 – III 1006/28, RGSt 62, 415, 416), die in der Literatur weitgehend Zustimmung gefunden hat (Cramer/Perron, in Schönke/Schröder, 28. Aufl., § 263 Tz. 16e; Fischer, 60. Aufl., § 263 Tz. 32; SSW-StGB/Satzger, § 263 Tz. 38; Fasten /Oppermann, JA 2006, 69, 71; Feinendegen, NJW 2007, 787, 788; Gaede, HRRS 2007, 16; Krack, ZIS 2007, 103, 105; Kubiciel, HRRS 2007, 68, 69 f.; Petropoulos/Morozinis, wistra 2009, 254, 255; Reinhart, SpuRt 2007, 52, 53 f.; Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 362 ff.; vgl. auch Maaß, GA 1984, 264, 280 ff.; aus zivilrechtlicher Sicht Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 471).
31
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Erfassung konkludenter Täuschungen ist vom Wortlaut der Vorschrift des § 263 Abs. 1 StGB gedeckt und führt nicht zu einer Entgrenzung des Tatbestandes, sodass im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG keine Bedenken bestehen (vgl. BVerfG, NStZ 2012, 496 Tz. 168). Der Einwand, es liege keine Feststellung von Tatsachen mehr vor, wenn das Vorliegen einer konkludenten Täuschung über die Manipulationsfreiheit des gewetteten Spieles ohne Ermittlung des tatsächlichen Verständnisses der Beteiligten allein aus dem Wesen des Wettvertrages hergeleitet werde, verfängt nicht (Jahn/Maier, JuS 2007, 215, 217; a.A. Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 362 f.; vgl. noch Kraatz, JR 2012, 329, 331). Ob in einer bestimmten Kommunikationssituation neben einer ausdrücklichen auch eine konkludente Erklärung abgegeben worden ist und welchen Inhalt sie hat, bestimmt sich nach dem objektiven Empfängerhorizont, der unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und der Verkehrsanschauung festzulegen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, NStZ 2001, 430; Urteil vom 10. November 1994 – 4 StR 331/94, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 10; SSWStGB /Satzger, § 263 Tz. 37 f.). Wenn der Tatrichter dabei – wie hier – seine Bewertung maßgeblich auf die sich aus dem Wesen des abgeschlossenen Vertrages ergebende Risiko- und Pflichtenverteilung stützt, ist dies revisionsrechtlich bedenkenfrei (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Tz. 150; MünchKomm-StGB/Hefendehl, § 263 Tz. 86, 93; Kubiciel, HRRS 2007, 68, 69). Auch wird durch die Annahme einer konkludenten Täuschung die für die Strafbarkeit eines Unterlassens erforderliche Feststellung einer Garantenpflicht nicht umgangen (so aber Schild, ZfWG 2006, 213, 216 f.; Schlösser, NStZ 2005, 423, 426). Die Abgabe einer auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts gerichteten Erklärung ist positives Tun, auch wenn sie zugleich als (stillschweigende) Negativerklärung in Bezug auf zu dem Geschäftszweck in Widerspruch stehende Umstände verstanden wird (vgl. NK-StGBKindhäuser , § 263 Tz. 110; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Tz. 29; SSWStGB /Satzger, § 263 Tz. 41). Die Manipulationsfreiheit ist eine notwendige Be- dingung für die Durchführbarkeit eines auf ein ungewisses Ereignis ausgerichteten Wettvertrages; sie gehört deshalb zum Inhalt eines in sich schlüssigen (konkludenten) Antrags auf dessen Abschluss (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 27).
32
bb) Entgegen der Ansicht der Revision ist auch in den Fällen II.2, 3 und 6 die Verurteilung des Angeklagten als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
33
(1) Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint, er also nicht nur fremdes Tun fördert, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom Tatrichter auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles festzustellen (BGH, Urteil vom 20. Januar 1998 – 5 StR 501/97, NStZ-RR 1998, 136 mwN). Lässt das angefochtene Urteil erkennen, dass der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (BGH aaO).
34
(2) Danach erweist sich die rechtliche Bewertung des Landgerichts hier jedenfalls als vertretbar. Die Strafkammer konnte insoweit rechtsfehlerfrei darauf abstellen, dass der in die Manipulationen umfassend eingeweihte Angeklagte in den Fällen III.2, 3 und 6 mit dem gesondert verfolgten S. abgesprochen hatte, dass dieser für ihn Geldbeträge einsetzen sollte.

35
cc) In denjenigen Fällen, in denen die Wettanbieter den entsprechend der vereinbarten Quote berechneten Gewinn ausbezahlt und dadurch für sich einen Vermögensverlust in Höhe der Differenz zwischen Wetteinsatz und Wettgewinn herbeigeführt haben, ist das Landgericht zu Recht von einem vollendeten Betrug und einem Schaden in dieser Höhe ausgegangen.
36
(1) Da nach den Feststellungen die Wettanbieter die Wettverträge nicht abgeschlossen und dementsprechend auch keine Gewinne ausbezahlt hätten, wenn ihnen die Manipulationen der gewetteten Spiele bekannt geworden wären , ist der für die Annahme eines Betruges erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen dem täuschungsbedingten Irrtum und der in der Gewinnausschüttung liegenden Vermögensverfügung gegeben (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 34).
37
Der Umstand, dass das Landgericht keine näheren Feststellungen dazu getroffen hat, wer bei den Wettanbietern im konkreten Fall die Wetten angenommen hat und wie die Gewinnauszahlungen veranlasst wurden, steht dem nicht entgegen, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es im Geschäftsbetrieb der Wettanbieter an irgendeiner Stelle ein Wissen um die Manipulationen gegeben hat und der durch die Täuschung ausgelöste Irrtum über die Manipulationsfreiheit deshalb nicht verfügungsursächlich geworden sein könnte (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NStZ 2003, 313 Tz. 8 f.; Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315, 316). Auch hat das irrtumsbedingte Verhalten auf Seiten der Wettanbieter ohne weitere deliktische Zwischenschritte der Angeklagten zu der Vermögensverfügung geführt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1991 – 2 StR 421/90, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 29).
38
(2) Die Tatsache, dass die Wettanbieter – entgegen der Ansicht des Landgerichts – schon mit der auf derselben Täuschung beruhenden Eingehung der Wettverträge einen Vermögensnachteil erlitten haben (dazu unten II.3), steht einer Schadensbestimmung nach Maßgabe der in der Erfüllungsphase geleisteten Zahlungen nicht entgegen. Die Erfüllung einer täuschungsbedingt eingegangenen, vermögensnachteiligen Verpflichtung vertieft den bereits eingetretenen Schaden. Beide Verfügungen und die durch sie ausgelösten Nachteile bilden zusammen eine Betrugstat (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Tz. 162 f.; Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 35 f.; Urteil vom 29. Januar 1997 – 2 StR 633/96, NStZ 1997, 542, 543; RG, Urteil vom 17. März 1932 – III. 841/31, RGSt 66, 175, 180; LK-StGB/Lackner, 10. Aufl., § 263 Tz. 292 f.; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Tz. 274; Tenckhoff in FS Lackner, S. 677, 680). Dabei ist für die Schadensfeststellung jedenfalls dann allein auf die Erfüllungsphase abzustellen, wenn – wie hier – der Getäuschte seine Verpflichtung aus dem Vertrag restlos erfüllt hat und der mit dem Vertragsschluss ausgelöste Nachteil deshalb vollständig in dem durch die Vertragserfüllung herbeigeführten Schaden enthalten ist (BGH, Beschluss vom 14. April 2011 − 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638 Tz. 12 a.E.; vgl. Klein, Das Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, 2003, S. 178 ff.).
39
(3) Auf die Frage, ob die Manipulationen des Angeklagten und der gesondert verfolgten S. und C. tatsächlich den Ausgang der betroffenen Spiele beeinflusst haben, kommt es nicht an (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 35 f.; a.A. Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 368; Saliger in FS Samson, S. 455, 460). Dass es dem Angeklagten , S. und C. in den Fällen, in denen das gewettete Spielergebnis unabhängig von ihrer Einflussnahme auf den Spielverlauf eintrat, möglich ge- wesen wäre, den Wettgewinn auch ohne Manipulation und damit auch ohne eine hierauf bezogene Täuschung zu erzielen, ist schon deshalb ohne Belang, weil für die innere Verknüpfung von Täuschung, Irrtum und Vermögensverfügung allein der tatsächliche Verlauf der Willensbildung maßgebend ist (BGH, Urteil vom 24. Februar 1959 – 5 StR 618/58, BGHSt 13, 13, 14 f.; im Ergebnis ebenso Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, 1999, S. 250 f.).
40
(4) Zu Unrecht vermisst die Revision im Zusammenhang mit der Feststellung des Vermögensschadens eine Erörterung der Frage, ob das von den asiatischen Wetthaltern betriebene Wettgeschäft dort erlaubt gewesen sei. Denn jedenfalls aus wirtschaftlicher Sicht ist auf Seiten der ausländischen Wettanbieter eine Schädigung eingetreten (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 49).

II.


41
Zur Revision der Staatsanwaltschaft:
42
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.
43
1. Die Voraussetzungen banden- und gewerbsmäßigen Betruges im Sinne der Qualifikation des § 263 Abs. 5 StGB hat die Strafkammer indes im Ergebnis rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Es fehlt insoweit bereits an einer den Angeklagten einbeziehenden Bandenabrede.

44
a) Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich nach der deliktischen Vereinbarung, der sog. Bandenabrede (BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 – 3 StR 492/04, BGHSt 50, 160, 161). Sie setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz benannten Deliktstyps zu begehen (BGH aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 335).
45
b) Als Verabredung bandenmäßigen Handelns kommt lediglich die Zusammenkunft des gesondert verfolgten S. mit drei Mitarbeitern der Ltd. am 11. August 2008 in W. in Frage. Unabhängig davon, ob die dort getroffenen Vereinbarungen für S. und die Beschäftigten der Ltd. die Anforderungen an eine Bandenabrede im Sinne des § 263 Abs. 5 StGB erfüllen (vgl. dazu das Senatsurteil vom heutigen Tage gegen die gesondert verfolgten C. und S. – 4 StR 55/12), belegen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht, dass auch der Angeklagte in eine solche Abrede einbezogen gewesen wäre. Denn er war von S. lediglich als Dolmetscher seines Vertrauens zu dem Treffen hinzugezogen worden. Weitere, möglicherweise zeitlich nachgelagerte Abreden, denen sich der Angeklagte, und sei es auch nur konkludent, angeschlossen haben könnte, hat die Strafkammer ebenfalls nicht festgestellt.
46
2. Die von der Beschwerdeführerin ferner angegriffene Verneinung gewerbsmäßigen Handelns weist ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.
47
Das Landgericht konnte im Hinblick auf die für Gewerbsmäßigkeit im Sinne von § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, Abs. 5 StGB erforderliche, auf Dauer angelegte Einnahmequelle zum einen rechtsfehlerfrei darauf abstellen, dass hinsichtlich des Angeklagten lediglich sechs Taten in einem Zeitraum von 15 Monaten festgestellt werden konnten. Zum anderen konnte nicht ermittelt werden, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Angeklagte in den Fällen III.1 und III.4 der Urteilsgründe für seine Mitwirkung an den Taten entschädigt wurde.
48
3. Im Fall III.6 hat das Urteil jedoch keinen Bestand; das Landgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen eines vollendeten Betruges mit nicht tragfähigen Erwägungen abgelehnt.
49
a) Der 5. Strafsenat hat entschieden, dass bei Wetten mit festen Quoten auf manipulierte Fußballspiele bereits mit Abschluss des Wettvertrages ein vollendeter Betrug zum Nachteil der getäuschten Wettanbieter gegeben ist. Die aufgrund eines bestimmten Risikos ermittelte Quote stelle gleichsam den „Ver- kaufspreis“ der Wettchance dar. Durch die Manipulationen sei das Wettrisiko erheblich zugunsten der täuschenden Wettkunden verschoben worden. Die bei Vertragsschluss von den Wettanbietern vorgegebene Quote entspreche deshalb nicht mehr dem Risiko, das ihrer Kalkulation zugrunde gelegen habe. Die von dem Wettkunden erkaufte Chance auf den Wettgewinn sei wesentlich mehr wert, als er dafür in Ausnutzung seiner Täuschung bezahlt habe. Für seine jeweiligen Einsätze hätte der Wettkunde bei realistischer Einschätzung des tatsächlichen Wettrisikos einen erheblich geringeren Gewinn erkaufen können. Diese „Quotendifferenz“ stelle bei jedem Vertragsschluss einen nicht unerheb- lichen Vermögensschaden dar. Dieser Quotenschaden müsse nicht beziffert werden. Es reiche aus, wenn die insoweit relevanten Risikofaktoren gesehen und bewertet werden (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 32 f.; SSW-StGB/Satzger, § 263 Tz. 212; Engländer, JR 2007, 477, 479; Gaede, HRRS 2007, 16, 18; Krack, ZIS 2007, 103, 109; Ostermeier, ZfWG 2007, 253, 260).
50
b) Auch der Senat bejaht grundsätzlich einen Vermögensschaden bereits mit Abschluss des Wettvertrags. Allerdings ist die eingetretene Vermögensminderung abweichend zu bestimmen.
51
aa) Wurde der Getäuschte zum Abschluss eines gegenseitigen Vertrages verleitet (Eingehungsbetrug), sind bei der für die Schadensfeststellung erforderlichen Gesamtsaldierung der Geldwert des erworbenen Anspruchs gegen den Täuschenden und der Geldwert der eingegangenen Verpflichtung miteinander zu vergleichen. Der Getäuschte ist geschädigt, wenn sich dabei ein Negativsaldo zu seinem Nachteil ergibt (st. Rspr. vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 − 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638 Tz. 12; Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Tz. 156; Beschluss vom 18. Februar 1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 4; Beschluss vom 18. Juli 1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Tz. 160, 173). Ist der Getäuschte ein Risikogeschäft eingegangen, kommt es für die Bestimmung des Schadens maßgeblich auf die täuschungs- und irrtumsbedingte Verlustgefahr an, die über die vertraglich zu Grunde gelegte hinausgeht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 − 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638 Tz. 12; Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199 Tz. 12 f.; Beschluss vom 23. Februar 1982 – 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 389 f.; Jaath in FS Dünnebier , S. 583, 591 f.).
52
Auch ein nur drohender, ungewisser Vermögensabfluss kann einen Schaden darstellen, wenn der wirtschaftliche Wert des gefährdeten Vermögens bereits gesunken ist (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 263 Tz. 40 ff.; Schuhr, ZStW 123 [2011], 517, 529 f.; Riemann, Vermögensgefährdung und Vermögensschaden, 1989, S. 7). Die bloße Möglichkeit eines Wertverlustes genügt dabei allerdings noch nicht. Auch dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens ungewiss bleibt. Zur Verhinderung einer tatbestandlichen Überdehnung und zur Wahrung des Charakters des Betrugstatbestandes als Erfolgsdelikt ist der Schaden daher der Höhe nach zu beziffern und nachvollziehbar darzulegen. Bestehen Unsicherheiten, kann ein Mindestschaden unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege einer tragfähigen Schätzung ermittelt werden (BVerfG, NStZ 2012, 496 Tz. 176; vgl. NStZ 2010, 626 Tz. 28; BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Tz. 163; Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199 Tz. 13; LKStGB /Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Tz. 165 mwN; Kraatz, JR 2012, 329, 332 ff.). Normative Gesichtspunkte können bei der Bewertung des Schadens eine Rolle spielen; sie dürfen die wirtschaftliche Betrachtung allerdings nicht überlagern oder verdrängen (BVerfG, NStZ 2012, 496 Tz. 176; vgl. auch Saliger, JZ 2012, 723, 727 f.).
53
bb) Bei Wettverträgen auf Sportereignisse mit verbindlichen Quoten gestehen sich der Wettende und der Wetthalter gegenseitig je einen Anspruch auf einen bestimmten Geldbetrag zu und übernehmen das entsprechende Haftungsrisiko. Beide Ansprüche stehen zueinander im Verhältnis der Alternativität, weil sie mit unterschiedlichen Vorzeichen von dem Eintritt des gewetteten Spielergebnisses oder Spielverlaufs und damit von entgegengesetzten Bedingungen abhängen (vgl. Staudinger/Engel, BGB, Neubearb. 2008, § 762 Tz. 4 ff.; MünchKomm-BGB/Habersack, 5. Aufl., § 762 Tz. 7; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand , S. 440 ff.). Der Anspruch des Wettenden ist auf den seinen Einsatz entsprechend der vereinbarten Quote übersteigenden Wettgewinn und der Anspruch des Wettanbieters auf ein Behaltendürfen des vorgeleisteten Wetteinsatzes gerichtet. Ihr Geldwert bestimmt sich nach der vereinbarten Höhe (Einsatz x Quote – Einsatz bzw. Einsatz) sowie der Wahrscheinlichkeit des Eintrittes des zur Bedingung gemachten Spielausganges. Wird durch eine nicht offen gelegte Manipulation des Wettenden die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es zu dem von ihm gewetteten Spielausgang kommt, erhöht sich damit auch der Geldwert seines Anspruchs gegen den getäuschten Wettanbieter und das korrespondierende Haftungsrisiko. Zugleich vermindert sich der Geldwert des alternativen Anspruchs des Wettanbieters auf ein Behaltendürfen des Einsatzes. Die getäuschten Wettanbieter haben mithin einen Vermögensschaden erlitten , wenn bei objektiver Betrachtung die von ihnen gegenüber dem Angeklagten , S. und C. eingegangene – infolge der Manipulationen mit einem erhöhten Realisierungsrisiko behaftete – Verpflichtung zur Auszahlung des vereinbarten Wettgewinns nicht mehr durch den Anspruch auf den Wetteinsatz aufgewogen wird.
54
cc) Die Tatsache, dass die beeinträchtigten Ansprüche der Wettanbieter auf ein Behaltendürfen des Wetteinsatzes von dem Nichteintritt des gewetteten Spielergebnisses abhängen, lässt den strafrechtlichen Vermögensschutz nicht entfallen. Auch bedingte Forderungen gehören zum strafrechtlich geschützten Vermögen, wenn mit ihrer Realisierung ernsthaft zu rechnen ist und sie deshalb im Geschäftsverkehr als werthaltig angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 – 4 StR 58/08, NStZ 2008, 627). Dies war hier ersichtlich der Fall.
55
dd) Soweit die getäuschten Wettanbieter in der Gesamtschau keinen Verlust erlitten haben, weil das auf die betroffenen Spiele entfallene Wettauf- kommen die an den Angeklagten, S. und C. auszuschüttenden Gewinne gedeckt hat, steht dies der Annahme eines Vermögensschadens nicht entgegen (a.A. Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 366; Reinhart, SpuRt 2007, 52, 54 f.; Rönnau in FS Rissing-van Saan, S. 517, 528; Saliger in FS Samson, S. 455, 459 f.). Die dem Wettanbieter verbleibenden Wetteinsätze der Wettverlierer stellen im Verhältnis zu den manipulativ agierenden Wettgewinnern keinen unter dem Gesichtspunkt der Schadenskompensation zu berücksichtigenden Ausgleich dar. Kommt es im Zusammenhang mit einer nachteiligen Vermögensverfügung an anderer Stelle zu einem Vermögenszuwachs, scheidet die Annahme eines Vermögensschadens nur dann aus, wenn dieser Vorteil von der Verfügung selbst zeitgleich mit dem Nachteil hervorgebracht worden ist und nicht – wie hier – auf rechtlich selbstständigen Handlungen beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – 4 StR 194/09, NStZ 2010, 330 Tz. 2; Beschluss vom 27. August 2003 – 5 StR 254/03, NStZ 2004, 205 Tz. 2; Urteil vom 23. Mai 2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 301 f.; Urteil vom 4. März 1999 – 5 StR 355/98, NStZ 1999, 353, 354; SSW-StGB/Satzger, § 263 Tz. 144).
56
ee) Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird dabei – gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe – die Wahrscheinlichkeit eines Wetterfolges und dessen Beeinflussung durch die Manipulationen zu beurteilen und danach den wirtschaftlichen Wert sowohl der bedingten Verbindlichkeit (Zahlung des Wettgewinns) als auch des gegenüberstehenden Anspruchs (Behaltendürfen des Wetteinsatzes) des getäuschten Wettanbieters zu bestimmen haben. Dabei können die auf dem Wettmarkt für die jeweiligen Spiele anfänglich angebotenen Quoten einen Anhalt für die Bewertung des Wettrisikos vor der Manipulation bieten. Für die Bewertung der Beeinflussung des Wettrisikos durch die Manipulation geben die Zahl und die Bedeutung der beeinflussten Spieler oder sonstigen Teilnehmer einen wesentlichen Anhaltspunkt.
57
Soweit für eine Schadensbestimmung eine Anknüpfung an die Grundsätze zu Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) in Betracht kommt (vgl. Kozikowski/Schubert in Beck´scher Bilanzkommentar, 8. Aufl., § 249 Tz. 60; Kraatz, JR 2012, 329, 334), wird besonders zu beachten sein, dass es hier um die Ermittlung eines Mindestschadens geht. Betriebswirtschaftliche sowie handels- und gesellschaftsrechtliche Bewertungsverfahren sind in erheblichem Maß von Grundsätzen geprägt (Vorsichtsprinzip), die im Zweifel zur Annahme niedriger Werte und zu einer Überbewertung von Verlustrisiken führen, was ihrer Anwendung auf einen strafrechtlichen Sachverhalt Grenzen setzt (Schuhr, ZStW 123 [2011], 517, 530; Becker, HRRS 2009, 334, 338 f.; Kempf in FS Volk, S. 231, 240 f.; Tiedemann in FS Klug, Bd. II., S. 405, 415). Lassen sich keine belastbaren Aussagen treffen und kann deshalb auch ein Mindestschaden nicht mehr geschätzt werden, scheidet ein Schuldspruch wegen vollendeten Betrugs aus.
58
ff) Eine Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG ist nicht erforderlich, weil der 5. Strafsenat die in seinem Urteil vom 15. Dezember 2006 (5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Tz. 32 f.) vertretene Auffassung, dass der einge tretene Vermögensschaden nicht beziffert werden müsse, mit Beschluss vom 13. April 2012 (5 StR 442/11, NJW 2012, 2370 Tz. 7) aufgegeben und mit Rücksicht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 2011 (2 BvR 2500/09 u.a., NStZ 2012, 496 Tz. 176) entschieden hat, dass es im Fall der Annahme eines Eingehungsbetrugs einer ausreichenden Beschreibung und Bezifferung der täuschungsbedingten Vermögensschäden bedarf.

V.


59
Die Anordnung der Rückgewinnungshilfe gemäß § 111i Abs. 2 StPO mit den zugehörigen Feststellungen bleibt von Teilaufhebung des Schuldspruchs unberührt. Das Landgericht hat festgestellt, dass es im Fall III.6 der Urteilsgründe keine Wettgewinne zur Auszahlung gelangten und die Einsätze in voller Höhe verloren waren. Dies betraf auch den Teilbetrag des Wetteinsatzes, der auf den Angeklagten entfiel.
Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 552/08
vom
14. August 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nicht: B. III., C. V.-VII.)
Veröffentlichung: ja
____________________________________
I. StPO § 100 c Abs. 4, 5, 6, § 100 d Abs. 5 Nr. 3
1. Die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich
voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben
wurden.
2. Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den sog. relativen Beweisverwertungsverboten
, nach denen nicht jeder Verstoß bei der Beweiserhebung
zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse
führt, gelten auch für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung
eingeführten Verwendungsregelungen bzw. Verwendungsbeschränkungen.
3. Zur Verwendbarkeit von Daten im Strafverfahren, die durch eine akustische
Wohnraumüberwachung auf der Grundlage einer polizeirechtlichen Ermächtigung
zur Gefahrenabwehr gewonnen worden sind, welche noch keine Regelung
zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung enthielt.
4. Der Begriff "verwertbare Daten" in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO bezieht sich auf
die gesetzlichen Beweisverwertungsverbote in § 100 c Abs. 5 und 6 StPO sowie
auf das Beweiserhebungsverbot aus § 100 c Abs. 4 StPO.
5. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche eines
nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, so richtet
sich die Verwertbarkeit dieser Gesprächsinhalte stets nach der Vorschrift des
§ 100 c Abs. 6 StPO. Für eine isolierte Anwendung des § 52 StPO ist daneben
kein Raum.
II. StGB §§ 129, 129 a, 129 b
1. Zur Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, wenn
sich der Täter ausschließlich im Inland aufgehalten hat.
2. Das Unterstützen einer Vereinigung umfasst regelmäßig auch Sachverhalte
, die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur
mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten wären.
Mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrags ist der Eingehungsbetrug
vollendet, wenn der Versicherungsnehmer darüber getäuscht hat, dass er
den Versicherungsfall fingieren will, um die Versicherungssumme geltend machen
zu lassen.
BGH, Urt. vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08 - OLG Düsseldorf
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
zu 2. und 3.: Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
28. Mai 2009 in der Sitzung am 14. August 2009, an denen teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten Y. A. ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten I. A. ,
Justizangestellte in der Verhandlung vom 28. Mai 2009,
Justizamtsinspektor bei der Verkündung am 14. August 2009
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Dezember 2007
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten wie folgt schuldig sind: aa) der Angeklagte K. der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen; bb) der Angeklagte Y. A. der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen; cc) der Angeklagte I. A. der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in fünf sowie mit versuchtem Betrug in achtzehn tateinheitlichen Fällen;
b) im Strafausspruch betreffend den Angeklagten Y. A. aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten Y. A. , an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten und die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils werden verworfen.
4. Die Angeklagten K. und I. A. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
A. Prozessgeschichte, Feststellungen und Wertungen des Oberlandesgerichts
2
Das Oberlandesgericht hat die Angeklagten K. und Y. A. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem "bandenmäßigen" Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu Freiheitsstrafen von sieben Jahren (K. ) bzw. sechs Jahren (Y. A. ) und den Angeklagten I. A. wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem bandenmäßigen Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die sowohl mehrere Verfahrensrügen erheben als auch mit Einzelbeanstandungen die Verletzung sachlichen Rechts geltend machen. Die beiden Angeklagten A. haben außerdem sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eingelegt.
3
Die Revision des Angeklagten Y. A. führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die übrigen Rechtsmittel bleiben im Wesentlichen ohne Erfolg.
4
Das Oberlandesgericht hat folgende Feststellungen getroffen und Bewertungen vorgenommen:
5
I. Die Organisation Al Qaida
6
In den Jahren 1996/1997 entstand aus einem Bündnis zwischen Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri die Organisation Al Qaida, die zum Kampf einer "Islamischen Weltfront für den Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" aufrief und es mit dem Ziel, westliche, vor allem amerikanische Truppen aus der arabischen Halbinsel zu vertreiben, als individuelle Glaubenspflicht eines jeden Muslim bezeichnete, die Amerikaner und ihre Verbündeten an jedem möglichen Ort zu töten. Al Qaida war im Kern in Afghanistan angesiedelt. An der Spitze der hierarchisch aufgebauten Organisation standen Bin Laden, Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter der für Militär, Finanzen, religiöse Fragen und Medienarbeit zuständigen Abteilungen. "Jihadwillige" Islamisten, die mittels des von der Organisation verbreiteten Propagandamaterials angeworben worden waren, wurden in Ausbildungslagern in Afghanistan als Kämpfer geschult. Besonders geeignet erscheinenden Kandidaten wurde sodann in speziellen Vertiefungskursen Sonderwissen vermittelt. Wer an einer derartigen - privilegierten - Spezialausbildung in den Jahren vor 2001 teilgenommen hatte, war der Organisation Al Qaida in der Regel im Sinne einer "Mitgliedschaft" unmittelbar zuzuordnen. Nach Abschluss ihrer Ausbildung kehrten die Kämpfer in ihre Herkunftsländer zurück und bildeten dort operative Zellen. Von der Organisation, deren Zweck und Tätigkeit im Wesentlichen in der Tötung von "Feinden des Islams" bestand, wurden in der Folgezeit mehrere Anschläge ausgeführt, die eine erhebliche Zahl von Menschenleben forderten. Zu ihnen gehörten auch die Selbstmordattentate auf das World-Trade-Center und das Pentagon am 11. September 2001.
7
Die dadurch ausgelösten militärischen Reaktionen beeinträchtigten in der Folgezeit die operative Handlungsfähigkeit der Organisation, führten aber nicht zu einer vollständigen Zerschlagung sämtlicher Strukturen von Al Qaida, sondern nur zu deren - dem Verfolgungsdruck vorübergehend angepassten - Modifizierung. Den in großer Zahl aus Afghanistan geflohenen Anhängern wurde durch Audio- und Videobotschaften verdeutlicht, dass die obersten Führungskräfte von Al Qaida dort weiterhin unverändert aktiv waren. Es gelang der Aufbau von regional tätigen Teilstrukturen in Form der "Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel" und einer Gruppe türkischer Islamisten. Außerdem konnte Al Qaida mehrere selbständige islamistische Organisationen ("Al Qaida im Zweistromland" sowie "Al Qaida im islamischen Maghreb") an sich binden. Durch den über Rundfunk und Fernsehen verbreiteten Führungsanspruch von Bin Laden und Al Zawahiri gelang es, auch ohne die Bildung eigenständiger Netzwerke neue Mitglieder der Organisation unter dem "Dach" der Al Qaida zu rekrutieren. An die Stelle des vor 2001 üblichen Gefolgschaftseids traten zur Begründung der Mitgliedschaft in der Organisation mehr und mehr einseitige Loyalitätserklärungen sowie an den Zielvorgaben von Al Qaida orientierte Handlungen.
8
II. Die Tathandlungen der Angeklagten
9
Der Angeklagte K. , der schon 2000 und Anfang 2001 in Trainingslagern der Al Qaida eine terroristische Ausbildung erhalten und seither den gewaltsamen Jihad gegen die "Ungläubigen" als seine außer jeder Diskussion stehende Individualpflicht betrachtet hatte, reiste nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Deutschland im Oktober 2001 erneut nach Afghanistan und nahm dort Ende 2001 / Anfang 2002 an Kampfhandlungen der Al QaidaVerbände teil. Dabei hatte er Kontakt zu Bin Laden und gliederte sich in die Hierarchie der Organisation ein. Im Frühjahr 2002 floh er vor den Amerikanern und deren Verbündeten. Er folgte der von Bin Laden an die im Besitz europäischer Pässe befindlichen "Kämpfer" erteilten Order, sich nach Möglichkeit in ihre Herkunftsländer zu begeben und weiterhin für Al Qaida zu arbeiten. Mitte Juli 2002 kehrte er nach Deutschland zurück und zog nach M. .
10
In M. lernte der Angeklagte K. den Angeklagten Y. A. kennen. Dieser hatte sich schon seit längerem für den gewaltsamen Kampf der Muslime begeistert sowie seine Sympathie zu Al Qaida zum Ausdruck gebracht und war in M. in Kontakt zu weiteren gleichgesinnten Personen gekommen. Die Wohnung des Angeklagten K. in der P. straße wurde zum Treffpunkt dieses Freundeskreises. Der Angeklagte Y. A. besuchte den Angeklagten K. auch in der JVA , nachdem dieser im Januar 2004 in einem Verfahren wegen Betruges verhaftet und für vier Monate in Untersuchungshaft genommen worden war.
11
Der Angeklagte K. , der sich nach wie vor der Al Qaida zugehörig und in der Rolle eines "Murabit" fühlte, der nur zeitweilig den Kampfschauplatz des Jihad hatte verlassen müssen, entfaltete in der Folgezeit umfangreiche Aktivitäten für die Organisation. Er befasste sich zu deren Gunsten in erster Linie mit Rekrutierungs- und Beschaffungsmaßnahmen und warb für die Unterstützung des gewaltsamen Jihad durch einen Märtyrereinsatz oder zumindest durch eine Spende an seine Organisation. Dabei gelang es ihm, den Angeklagten Y. A. zur Mitarbeit zu bewegen. Dieser entschloss sich vor dem Hintergrund seiner eigenen ideologischen Vorprägung, auf die Angebote des Angeklagten K. einzugehen und seine Tätigkeit in Deutschland fortan in den Dienst von Al Qaida zu stellen. Dementsprechend machte er die Planung und Durchführung einer Betrugsserie zum Nachteil von Lebensversicherungsgesellschaften zum "Mittelpunkt seines Lebens", deren erhebliche Beute zum einen Teil Al Qaida und zum anderen seiner Familie zugute kommen und zuletzt ihm ermöglichen sollte, dem Angeklagten K. zur Teilnahme am Jihad in den Irak zu folgen.
12
Der Plan einer Betrugsserie sah vor, dass der Angeklagte Y. A. innerhalb eines auf zwei bis drei Monate angelegten Tatzeitraums zahlreiche Lebensversicherungsverträge abschließen, sodann nach Ägypten verreisen und von dort aus mittels Bestechung von Amtspersonen inhaltlich falsche Urkunden übersenden sollte, um gegenüber den Versicherungsunternehmen einen tödlichen Verkehrsunfall in Ägypten vortäuschen zu können. Der Angeklagte I. A. sollte sodann als Begünstigter mit Unterstützung des Angeklagten K. die Versicherungssummen geltend machen. In Verfolgung dieses zuerst zwischen den Angeklagten K. und Y. A. entwickelten Plans holte letzterer ab Mai 2004 bei Versicherungsunternehmen erste Erkundigungen über die möglichen Vertragsge- staltungen ein und begann am 10. August 2004 mit der Stellung von Versicherungsanträgen. Der Angeklagte K. stellte sicher, dass die ersten Prämien bezahlt werden konnten. Der Angeklagte I. A. , der am 21. September 2004 umfassend in den Tatplan eingeweiht worden war, nahm an zahlreichen Besprechungen des Vorhabens teil, ließ hierbei keine Zweifel an seiner uneingeschränkten Bereitschaft zur Mitwirkung bei der späteren Geltendmachung der Versicherungssummen und deren Verwendung aufkommen und unterstützte ferner die gemeinsame Tatplanung durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum Procedere der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art. Er nahm dabei billigend in Kauf, dass zumindest ein Teil der Beute über den Angeklagten K. der Al Qaida zufließen und auf diese Weise ihren organisatorischen Zusammenhang fördern sowie die Verfolgung ihrer terroristischen Aktivitäten erleichtern werde.
13
Im Einzelnen stellte der Angeklagte Y. A. zwischen dem 10. August 2004 und dem 15. Januar 2005 bei verschiedenen Versicherungsunternehmen insgesamt 28 Anträge auf Abschluss von Lebensversicherungsverträgen. Entsprechend der Tatplanung kam es in neun Fällen zum Abschluss eines Versicherungsvertrages mit einer garantierten Todesfallsumme von 1.264.092 €. In 19 Fällen wurden die Anträge des Beschwerdeführers - teilweise aufgrund der zwischenzeitlichen Warnhinweise der Polizei an die Versicherungsunternehmen, zuletzt auch wegen der Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 - abgelehnt bzw. nicht mehr weiter bearbeitet.
14
III. Beweisgrundlage und rechtliche Würdigung des Oberlandesgerichts
15
Das Oberlandesgericht hat seine Überzeugung im Wesentlichen auf Erkenntnisse gestützt, die durch Wohnraumüberwachungsmaßnahmen in der von den Angeklagten K. und Y. A. bewohnten Wohnung in M. gewonnen worden waren.
16
Nach der rechtlichen Würdigung des Oberlandesgerichts war Al Qaida trotz der strukturellen Veränderungen aufgrund der Verfolgung seit Ende des Jahres 2001 auch im Tatzeitraum eine ausländische terroristische Vereinigung. In dieser haben sich die Angeklagten K. und Y. A. als Mitglieder betätigt, während der Angeklagte I. A. nach Auffassung des Oberlandesgerichts die Vereinigung unterstützt hat. Die Taten der Angeklagten zum Nachteil der Versicherungen stellen sich nach Ansicht des Oberlandesgerichts in allen Fällen, also auch soweit es zu Vertragsabschlüssen gekommen ist, als täterschaftlich und bandenmäßig begangener versuchter Betrug dar.
17
B. Die Verfahrensrügen
18
I. Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung
19
Die Beschwerdeführer rügen unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten die Verwertung der aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Den Verfahrensbeanstandungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
20
Das Polizeipräsidium M. beantragte am 22. Juni 2004 beim Amtsgericht M. gemäß § 29 Abs. 1 des Rheinland-Pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (im Folgenden: POG RhPf) die richterliche Anordnung der Wohnraumüberwachung mit technischen Mitteln für die Wohnung des Angeklagten K. . Begründet wurde der Antrag u. a. mit der dringenden Gefahr, dass der sich dort regelmäßig treffende Personenkreis die Begehung von terroristischen Anschlägen plane. Nachdem der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht den Antrag zunächst am 28. Juni 2004 abgelehnt hatte, weil bereits der Anfangsverdacht einer Straftat nach §§ 129 a, 129 b StGB gegen die Betroffenen bestehe, genehmigte das Landgericht M. auf die sofortige Beschwerde des Polizeipräsidiums mit Beschluss vom 14. Juli 2004 gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 POG RhPf aF die Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen. Es bejahte entsprechend dem Antrag des Polizeipräsidiums das Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, weil in der Wohnung Anschläge geplant werden könnten. Eine Befristung der Maßnahme enthielt der Beschluss nicht. Vor Ablauf der damaligen Höchstfrist von drei Monaten gemäß § 29 Abs. 4 Satz 2 POG RhPf aF beantragte das Polizeipräsidium am 8. Oktober 2004 die Verlängerung der Maßnahme. Neben einer Verstrickung des Angeklagten K. in die Netzwerke arabischer Mudjahedin habe die Überwachung die Bereitschaft der Angeklagten K. und Y. A. ergeben, den "Märtyrertod" zu sterben, woraus sich wegen zu befürchtender Anschlagsplanungen eine fortdauernde dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ergebe. Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts M. verlängerte am 12. Oktober 2004 aus den fortgeltenden Gründen des Anordnungsbeschlusses die Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten. Nach dem Beschluss war die Überwachung sofort abzubrechen, wenn sich der Angeklagte K. oder der Angeklagte Y. A. jeweils allein in der Wohnung aufhalte, wenn Gespräche offensichtlich für die Gefahrenabwehr irrelevant seien oder wenn der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung - auch kurzzeitig - betroffen sei.
21
Am 12. Oktober 2004 leitete der Generalbundesanwalt gegen die Angeklagten K. und Y. A. das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ein. Am 11. November 2004 beantragte er beim Landgericht Ka. die Anordnung der Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e, Abs. 2 und Abs. 3 StPO aF. In dem Antrag wurden Erkenntnisse aus der zuvor auf polizeirechtlicher Grundlage durchgeführten Wohnraumüberwachung zur Begründung des Tatverdachts verwendet. Das Landgericht Ka. ordnete die Maßnahme mit Beschluss vom 24. November 2004 für die Dauer von vier Wochen an. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse ließen den Schluss zu, dass der Angeklagte K. im Auftrag der Al Qaida Mitglieder zur Begehung von Selbstmordattentaten rekrutiere und in dem Angeklagten Y. A. auch bereits einen zum "Märtyrertod" Bereiten gefunden habe, mit dem er an der Umsetzung des Plans arbeite. Beide stünden damit im Verdacht, sich an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglieder zu beteiligen. Ohne die Wohnraumüberwachung werde die Erforschung des Sachverhalts unverhältnismäßig erschwert, weil keine sonstigen Beweismittel ersichtlich seien, mit denen Erkenntnisse über Zielsetzung oder Aktivitäten der Angeklagten gewonnen werden könnten. Eine weitere Aufklärung sei auch erforderlich, weil die bisherigen Erkenntnisse noch keinen hinreichenden Tatverdacht bezüglich der Mitgliedschaft der Angeklagten in der Al Qaida und ihre konkrete Art der Beteiligung ergeben hätten. Eine Ausforschung des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten, weil die in der abgehörten Wohnung zusammentreffenden Personen nicht miteinander verwandt seien und nicht in einer Beziehung höchstpersönlichen Vertrauens zueinander stünden. Soweit die Brüder des Angeklagten Y. A. in der Wohnung anwesend seien, müssten die Ermittlungsbehörden dafür Sorge tragen, dass die Überwachung sofort abgebrochen werde, sobald der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung berührt werde. Auf entsprechende Anträge des Generalbundesanwalts, mit denen weitere Erkenntnisse zu dem geplanten Versicherungsbetrug, aber auch zu einem möglichen Handel mit Uran mitgeteilt wurden, verlängerte das Landgericht Ka. mit Beschlüssen vom 22. Dezember 2004 und vom 19. Januar 2005 die Maßnahme um jeweils vier Wochen.
22
Obwohl die Wohnraumüberwachung bereits mit Beschluss vom 14. Juli 2004 genehmigt worden war, begann die Ausführung der Maßnahme erst am 24. August 2004. Am 30. August 2004 erließ das Polizeipräsidium Handlungsgrundsätze für die Durchführung der Wohnraumüberwachung, die allen beteiligten Beamten bekannt gemacht wurden. Mit diesen Handlungsanweisungen sollten die Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (BVerfGE 109, 279) zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung umgesetzt werden. Insbesondere wurde nicht eine automatische, sondern eine manuelle Gesprächsaufzeichnung angeordnet. Dafür wurden Polizeibeamte und Dolmetscher im Schichtbetrieb eingesetzt, die nur dann Gespräche aufzeichneten, wenn aufgrund einer Einschätzung der aktuellen Situation in der Wohnung relevante Erkenntnisse zu erwarten waren. Die Handlungsanweisungen wurden entsprechend den Beschlüssen des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 und des Landgerichts Ka. vom 24. November 2004 fortgeschrieben und berücksichtigten die dort aufgestellten Vorgaben. Die Wohnraumüberwachung wurde mit der vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 beendet; sie dauerte mithin ca. fünf Monate. In dieser Zeit (insgesamt über 3.620 Stunden) wurden 703 Aufzeichnungen mit einer Gesamtlänge von etwas über 304 Stunden erstellt, was bezogen auf die Gesamtdauer der Maßnahme einem Anteil von 8,4 % entspricht. Von den 703 aufgezeichneten Gesprächen wurden 313 übersetzt, 144 der Anklageschrift zu Grunde gelegt, 142 in die Hauptverhandlung eingeführt und Passagen aus 86 Gesprächsaufzeichnungen im angefochtenen Urteil verwertet. Alle Angeklagten haben in der Hauptverhandlung der Verwertung der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung widersprochen.
23
Die Rüge hat keinen Erfolg.
24
1. Ob das Oberlandesgericht die im Rahmen der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung gewonnenen Informationen in die Hauptverhandlung einführen und bei seiner Beweiswürdigung verwerten durfte, bestimmt sich zunächst nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl I 3198 ff.). Zwar ist diese Vorschrift erst am 1. Januar 2008 und damit nach Erlass des angefochtenen Urteils in Kraft getreten. Jedoch ist bei der Änderung strafprozessualer Bestimmungen für das weitere Verfahren grundsätzlich auf die neue Rechtslage abzustellen (BGH NJW 2009, 791, 792 m. w. N.; Knierim StV 2009, 206, 207). Dies gilt auch bei einer Änderung des Rechtszustands zwischen dem tatrichterlichen Urteil und der Revisionsentscheidung (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 354 a Rdn. 4; Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 a Rdn. 5). Nach dem somit maßgeblichen § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO - der im Übrigen dem im Zeitpunkt der Verkündung des oberlandesgerichtlichen Urteils geltenden § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF entspricht - können aus einer polizeilichen akustischen Wohnraumüberwachung erlangte, verwertbare personenbezogene Daten im Strafverfahren ohne Einwilligung der über- wachten Personen unter anderem zur Aufklärung einer Straftat verwendet werden , auf Grund derer die Maßnahme nach § 100 c StPO angeordnet werden könnte. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt:
25
a) Die auf der Grundlage der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse sind zum Nachweis von Straftaten herangezogen worden, zu deren Aufklärung die Wohnraumüberwachung auch nach § 100 c StPO angeordnet werden könnte (Gedanke des hypothetischen Ersatzeingriffs, vgl. dazu BTDrucks. 16/5846 S. 64; Wolter in SK-StPO § 100 d Rdn. 33). Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Verdacht, dass entsprechende Taten begangen worden sind, bereits im Zeitpunkt der Anordnung bzw. Durchführung der polizeirechtlichen Maßnahme bestanden hatte, denn es handelt sich bei § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO um eine Verwendungsregelung für Erkenntnisse, die zur Gefahrenabwehr , nicht dagegen zur Strafverfolgung erhoben worden waren. Daher ist allein maßgeblich, ob die Daten nunmehr im Strafverfahren zur Klärung des Verdachts einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO verwendet werden sollen.
26
Hier sind die Protokolle der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung zum Nachweis der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB) verwertet worden, mithin von Katalogtaten im Sinne des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO.
27
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer durften sie aber auch zur Beweisführung hinsichtlich der ihnen angelasteten Betrugstaten herangezogen werden. Zwar sind diese nicht im Katalog des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO enthalten. Wie jedoch auch die Revisionen letztlich nicht in Abrede nehmen, liegt zwischen den Betrugshandlungen, die sich als Betätigungsakte der durch § 100 c Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO als Katalogtat erfassten Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung darstellen , Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB vor. In einer solchen Konstellation entspricht es bei Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsmaßnahmen auch zum Nachweis der mit der Katalogtat in Zusammenhang stehenden Nichtkatalogtat verwertet werden dürfen (BGHSt 28, 122, 127 f.; 30, 317, 320; BGH StV 1998, 247, 248). Diese Grundsätze sind im Schrifttum gebilligt und für die Verwertung von Erkenntnissen aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme übernommen worden (Nack in KK § 100 d Rdn. 33; Wolter aaO § 100 d Rdn. 74; jeweils m. w. N.). Es besteht insoweit kein Anlass, aufgrund der unterschiedlichen betroffenen Grundrechte die Fälle der Wohnraumüberwachung anders als diejenigen der Telekommunikationsüberwachung zu behandeln. Den entsprechenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts tritt der Senat bei.
28
Die den Angeklagten angelasteten Taten nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB wogen auch im konkreten Fall besonders schwer (§ 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO). Zum einen handelt es sich bei der öffentlichen Sicherheit und staatlichen Ordnung (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 129 Rdn. 2 m. w. N.) um hochrangige Rechtsgüter; diese werden von § 129 a StGB geschützt. Zum anderen kam das arbeitsteilige, äußerst konspirative Zusammenwirken mehrerer Täter zur Umsetzung eines komplexen Tatplans hinzu , wodurch zugleich noch weitere Rechtsgüter - das Vermögen der Versicherungsunternehmen - verletzt wurden (zu diesen Anforderungen vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 12).
29
Die Aufklärung der den Angeklagten angelasteten Taten wäre ohne die Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung unverhältnismäßig erschwert oder unmöglich gemacht worden (§ 100 c Abs. 1 Nr. 4 StPO). Es ist insoweit wiederum nicht auf den Zeitpunkt der Erlangung der Erkenntnisse abzustellen, denn die Regelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO bezieht sich nur auf den erneuten aus der anderweitigen Verwendung der zweckgebundenen Daten folgenden Grundrechtseingriff (vgl. BGH NJW 2009, 791, 792; BVerfGE 100, 313, 391). Zum Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil stellten die Wohnraumüberwachungsprotokolle indes die zentralen Beweismittel dar, ohne die ein Tatnachweis nicht möglich gewesen wäre.
30
b) Bei den Erkenntnissen aus der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung handelt sich um verwertbare Daten im Sinne des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO.
31
Der Begriff der Verwertbarkeit bezieht sich auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO (Nack aaO § 100 d Rdn. 18; Meyer-Goßner aaO § 100 d Rdn. 6). Dies folgt schon aus dem Vergleich zu § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO, der die Verwendbarkeit "verwertbarer personenbezogener Daten" regelt, die in einem anderen Strafverfahren gewonnen worden sind. Durch die Verwendungsregelungen in § 100 d Abs. 5 StPO (seinerzeit: § 100 d Abs. 6 StPO aF) sollte ein den Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung (BVerfGE 109, 279) entsprechendes Schutzniveau geschaffen werden, um für den Bereich der Strafverfolgung die einfachgesetzlichen Regelungen zur Wohnraumüberwachung und der Verwendung der aus einer solchen Maßnahme - sei es auch auf anderer gesetzlicher Grundlage als derjenigen der StPO - erlangten personenbezogenen Informationen insgesamt verfassungsgemäß auszugestalten (BTDrucks. 15/4533 S. 1). Dies erforderte einen einheitlichen Anknüpfungspunkt , wie ihn die Verwertungsverbote des § 100 c StPO boten. Dementsprechend nimmt die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF durch den Verweis auf § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF auch auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO Bezug, die der Gesetzgeber im Regelungsbereich des § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF beachtet wissen wollte (vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 17 f.). Daraus erhellt, dass diese Verwertungsverbote auch im Rahmen des § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF (jetzt: § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO) Anwendung finden und dies durch die gesetzliche Verwendungsvoraussetzung der "verwertbaren" personenbezogenen Daten zum Ausdruck gebracht werden sollte.
32
Die Gegenauffassung, die auf eine Verwertbarkeit im polizeirechtlichen Ausgangsverfahren abstellen will (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64), könnte demgegenüber dazu führen, dass für die Verwendbarkeit durch Wohnraumüberwachungsmaßnahmen gewonnener Daten nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO andere , gegebenenfalls großzügigere Maßstäbe gelten würden, als für diejenige nach § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO. Denn im Polizeirecht kommt dem Aspekt der aus Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 1 GG abzuleitenden Schutzpflichten des Staates zur Abwehr von Gefahren insbesondere für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter eine weitaus größere Bedeutung zu als im Strafprozess (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht 4. Aufl. Rdn. 215 f.; Würtenberger /Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg 6. Aufl. Rdn. 659; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht 14. Aufl. § 17 Rdn. 69). Eine nach polizeirechtlichen Grundsätzen durchgeführte Abwägung zwischen den Grundrechten des durch die Maßnahme Betroffenen und den zu schützenden Rechtsgütern der Allgemeinheit oder eines Einzelnen könnte also auch dann noch zur Verwertbarkeit von erlangten Erkenntnissen führen, wenn diese nach strafpro- zessualen Grundsätzen zu verneinen wäre. Selbst wenn man für das Merkmal der Verwertbarkeit in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO nur auf die polizeirechtlichen Regelungen zum Kernbereichsschutz abstellen wollte, könnte aufgrund der insoweit teilweise unterschiedlichen Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder und des Bundes (vgl. dazu Wolter aaO § 100 c Rdn. 17, 19) die Verwendung im Strafverfahren davon abhängen, in welchem Bundesland bzw. nach welchem Bundesgesetz die Maßnahme angeordnet wurde. Dies wäre in sich nicht stimmig.
33
Unverwertbare Daten im Sinne des § 100 c Abs. 4-6 StPO sind vorliegend nicht verwendet, insbesondere in dem angefochtenen Urteil nicht gegen die Beschwerdeführer verwertet worden (dazu unten 2. d) und e).
34
2. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Verwendung der durch die Wohnraumüberwachung auf polizeirechtlicher Grundlage gewonnenen Daten im Strafverfahren gegen die Angeklagten liegen vor.
35
a) Das zur Erhebung der Daten ermächtigende Gesetz gestattet deren Umwidmung für Zwecke der Strafverfolgung (s. dazu Nack aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 d Rdn. 65; allgemein zu dieser Voraussetzung Singelnstein ZStW 120 (2008), 854, 859 ff.). Die entsprechende Verwendungsbefugnis enthält § 29 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 POG RhPf, der auch bereits im Zeitpunkt der Verwertung der Daten in dem angefochtenen Urteil galt.
36
b) Zutreffend machen die Beschwerdeführer allerdings geltend, dass § 29 POG RhPf aF, auf den die akustische Überwachung der Wohnung des Angeklagten K. gestützt worden war, nicht in vollem Umfang verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprach. Dies führt indes nicht dazu, dass die aus der Maßnahme erlangten Erkenntnisse nicht gemäß § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO im Strafverfahren gegen die Angeklagten verwendet werden durften. Hierzu gilt:
37
§ 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 c Rdn. 32; Eisenberg, Beweisrecht der StPO 6. Aufl. Rdn. 358; s. auch Singelnstein aaO S. 887 f.; Griesbaum in KK § 161 Rdn. 40 - jeweils zur parallelen Problematik bei § 161 Abs. 2 StPO; BGHSt 48, 240, 249; BGHR StPO § 100 a Verwertungsverbot 10; Schäfer in Löwe/Rosenberg, 25. Aufl. § 100 a Rdn. 87 - jeweils zur Verwendungsregelung des § 100 b Abs. 5 StPO aF).
38
aa) Bedingung dafür ist zunächst eine wirksame Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 13 GG genügt (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64 f.). Ermächtigungsgrundlage war hier § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF, der die Erhebung von Daten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in der Wohnung des Betroffenen zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit erlaubte. Diese Eingriffsvoraussetzungen stehen im Einklang mit der das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG einschränkenden Vorschrift des Art. 13 Abs. 4 GG, die eine Wohnraumüberwachung zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit , also bei einer konkreten Gefährdung eines wichtigen Rechtsgutes (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG 10. Aufl. Art. 13 Rdn. 30) zulässt. Durch die Aufzählung einer gemeinen Gefahr und der Lebensgefahr in Art. 13 Abs. 4 GG wird die Eingriffsschwelle beispielhaft definiert (Gornig in v. Mangoldt/Klein/Stark, GG 5. Aufl. Art. 13 Rdn. 126), was auch bei der Auslegung des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF zu berücksichtigen ist. Bei Beachtung dieser Maßstäbe ergeben sich insoweit keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Eingriffsermächtigung (vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl 2007, 569, 577 zum weitgehend inhaltsgleichen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf nF). Diese ist auch einfachrechtlich hinreichend bestimmt: Der unbestimmte Rechtsbegriff der dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist insbesondere durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte konturiert worden und setzt voraus, dass bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Schädigung eines hochrangigen Rechtsguts droht; auf eine zeitliche Komponente, etwa in dem Sinne, dass der Schadenseintritt unmittelbar bevorstehen muss, kommt es hingegen nicht entscheidend an (BVerwGE 47, 31, 40; Jarass aaO Art. 13 Rdn. 37).
39
Die von den Beschwerdeführern zur Begründung ihrer Gegenauffassung herangezogene verfassungsgerichtliche Rechtsprechung (BVerfGE 113, 348; MVVerfG LKV 2000, 345) ist nicht einschlägig. Die in jenen Entscheidungen für nichtig erklärten Vorschriften des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG MV ) bzw. § 33 a Abs. 1 Nr. 2 und 3 Niedersächsisches Gesetz über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG Nds.) knüpften als Eingriffsvoraussetzung nicht an die Abwehr einer dringenden Gefahr, sondern an die vorsorgende Strafverfolgung und Verhütung von Straftaten an (BVerfGE 113, 348, 350 f., 368 f.; MVVerfG LKV 2000, 345, 349 f.; siehe auch VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl 2007, 569, 577). Die mit § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf vergleichbare Vorschrift des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SOG M-V, der die Wohnraumüberwachung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zulässt, ist nach der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern hingegen verfassungsgemäß (MVVerfG LKV 2000, 345, 349); der unter den gleichen Voraussetzungen die Anordnung der Telefonüberwachung zulassende § 33 a Abs. 1 Nr. 1 SOG Nds. war nicht Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, weil er in jenem Verfahren mit der Verfassungsbeschwerde nicht angefochten worden war. Aus den vorgenannten Entscheidungen lassen sich verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF somit nicht herleiten.
40
Die Ermächtigungsgrundlage genügte auch im Hinblick auf den in der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG geforderten Richtervorbehalt den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. § 29 Abs. 4 Satz 1 POG RhPf aF).
41
bb) Jedoch enthielt der am 3. März 2004 in Kraft getretene § 29 POG RhPf aF keine Vorschriften zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Solche Regelungen hatte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom selben Tag zur Anordnung einer Wohnraumüberwachung nach der Strafprozessordnung gefordert und die §§ 100 c, 100 d, 100 f und 101 StPO aF deshalb teilweise für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Gleichwohl hatte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist zur Neufassung dieser Bestimmungen eingeräumt, in der die bisherigen Regelungen unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten Vorgaben zum Schutz der Menschenwürde und zur Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit fortgalten (BVerfGE 109, 279). Mittlerweile - und auch bereits im Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht - sind solche Regelungen zum Kernbereichsschutz sowohl in § 100 c Abs. 4-6 StPO als auch in § 29 Abs. 3-6 POG RhPf nF enthalten.
42
Das Fehlen von Kernbereichsschutzregelungen in § 29 POG RhPf aF führt nicht zur Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme erlangten Erkenntnisse.
43
(1) Nicht zu teilen vermag der Senat allerdings die vom Oberlandesgericht und - ihm folgend - vom Generalbundesanwalt vertretene Auffassung, die Vorschrift sei einer verfassungskonformen Auslegung dahin zugänglich gewesen , dass sie unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben jedenfalls für eine Übergangszeit der Verfassung entsprochen habe und so als rechtmäßige Ermächtigungsgrundlage für Wohnraumüberwachungsmaßnahmen habe dienen können.
44
Eine verfassungskonforme Auslegung kommt in Betracht, wenn eine auslegungsfähige Norm nach den üblichen Interpretationsregeln mehrere Auslegungen zulässt, von denen eine oder mehrere mit der Verfassung übereinstimmen , während andere zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen (BVerfGE 19, 1, 5; 32, 373, 383 f.; 48, 40, 45). Die Grenzen einer solchen Auslegung sind indes erreicht, wenn durch sie der wesentliche Inhalt der gesetzlichen Regelung erst geschaffen werden müsste (BVerfGE 8, 71, 78 f.; 45, 393, 400); es steht den Fachgerichten insbesondere in Fällen, in denen der Gesetzgeber unterschiedliche Möglichkeiten zu einer verfassungskonformen Neuregelung hat, nicht zu, die gesetzgeberische Aufgabe der Rechtssetzung zu übernehmen (BVerfGE 72, 51, 62 f.; 100, 313, 396; vgl. auch BVerfGE 8, 71, 79). Hier erweist sich die vom Oberlandesgericht vorgenommene "verfassungskonforme Auslegung" der Sache nach als übergangsweise Regelung zur Fortgeltung eines mit der Verfassung nicht vereinbaren Gesetzes unter Berücksichtigung bestimmter verfassungsrechtlicher Vorgaben; zu solchen Übergangsregelungen sind gemäß § 35 BVerfGG nur das Bundesverfassungsgericht bzw. nach den entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften die Landesverfassungsgerichte befugt (vgl. Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG § 35 Rdn. 69, 43; Heusch in Mitarbeiterkommentar-BVerfGG 2. Aufl.
§ 31 Rdn. 81 f.; s. etwa § 26 Abs. 3 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz).
45
Gegen die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung mit dem vom Oberlandesgericht angenommenen Inhalt spricht zudem, dass sich das Bundesverfassungsgericht selbst - bezogen auf die Vorschriften der Strafprozessordnung - zu einer solchen außer Stande sah und ausdrücklich eine Regelung durch den Gesetzgeber forderte (BVerfGE 109, 279). In Kenntnis der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts hat auch der Sächsische Verfassungsgerichtshof die die Wohnraumüberwachung zulassenden Vorschriften im Sächsischen Verfassungsschutzgesetz, die ebenfalls keine Regelungen zum Kernbereichsschutz enthielten, nicht aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung unbeanstandet gelassen, sondern sie unter Bestimmung einer Übergangsfrist für mit der Verfassung unvereinbar erklärt (SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
46
(2) Obwohl danach wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz von der Unvereinbarkeit des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF mit Art. 13 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG und damit von der Rechtswidrigkeit der Wohnraumüberwachung ausgegangen werden muss, lässt dies hier die Verwendbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse im Sinne des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO unberührt.
47
Nach ständiger Rechtsprechung führt nicht jeder Rechtsverstoß bei der strafprozessualen Beweisgewinnung zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse. Vielmehr ist je nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Bedeutsam sind dabei insbesondere die Art des etwaigen Beweiserhebungsverbots und das Gewicht des in Rede stehen- den Verfahrensverstoßes, das seinerseits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt wird (vgl. BGHSt 19, 325, 329 ff.; 27, 355, 357; 31, 304, 307 ff.; 35, 32, 34 f.; 37, 30, 31 f.; 38, 214, 219 ff.; 38, 372, 373 f.; 42, 372, 377; 44, 243, 249; BGH NStZ 2007, 601, 602; BVerfG NStZ 2006, 46; NJW 2008, 3053). Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass die Annahme eines Verwertungsverbots ein wesentliches Prinzip des Strafverfahrensrechts - den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind - einschränkt. Aus diesem Grund stellt ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme dar, die nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (BGHSt 37, 30, 32 m. w. N.; 44, 243, 249).
48
Diese Grundsätze gelten auch für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung eingeführten Verwendungsregelungen (der Sache nach auch BGHSt 48, 240, 249 zu § 100 b Abs. 5 StPO aF), zu denen auch § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO zählt.
49
Zwar wird in Teilen der Literatur die Auffassung vertreten, Verwendungsregelungen müssten bei Nichtvorliegen ihrer Voraussetzungen stets wie ein geschriebenes Verwertungsverbot wirken, das keiner Abwägung zugänglich sei, so dass in derartigen Fällen jegliche Verwendung und damit auch jede Verwertung der jeweils in Rede stehenden Daten ausgeschlossen werden müsse (Singelnstein aaO S. 889 m. w. N.). Nach dieser Ansicht sollen sich - mangels einer ausdrücklichen Ermächtigung, auch rechtswidrig erlangte Erkenntnisse für einen anderen Verfahrenszweck umzuwidmen - die Verwendungsregelungen der Strafprozessordnung ausschließlich auf rechtmäßig erhobene Daten beziehen, weil eine rechtswidrige Datenerhebung im Vergleich zu einer rechtmäßigen ei- nen schwereren Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen darstelle (Singelnstein aaO S. 887 f.).
50
Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Eine solche Beschränkung nur auf rechtmäßig erhobene Daten ergibt sich aus dem Wortlaut der Verwendungsregelungen nicht. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften zur Verwendung von Erkenntnissen aus präventiv-polizeilichen Maßnahmen im Strafverfahren ist allerdings zu entnehmen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von der rechtmäßigen Datenerhebung ausgegangen ist (Wollweber NJW 2000, 3623 unter Hinweis auf die Materialien zum Strafverfahrensänderungsgesetz 1999, vgl. BRDrucks. 64/00 S. 6 f.). Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass auf polizeigesetzlicher Grundlage rechtswidrig erhobene Daten unter keinen Umständen für Zwecke des Strafverfahrens zur Verfügung stehen sollten (Zöller in Roggan/Kutscha, Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit 2. Aufl. S. 496 f.). Denn es entspricht der üblichen Regelungstechnik der Strafprozessordnung, dass der Gesetzgeber zwar die Voraussetzungen normiert, unter denen zur strafprozessualen Beweisgewinnung durch Ermittlungsmaßnahmen rechtmäßig in (Grund-)Rechte der jeweils Betroffenen eingegriffen werden darf, jedoch - abgesehen von wenigen Ausnahmen (s. etwa § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO) - keine Bestimmungen dazu trifft, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen rechtswidrig erlangte Beweisergebnisse im weiteren Verfahren verwertet werden dürfen. Es ist kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Regelungen zur Verwendung von Daten, die in anderen Verfahren und eventuell auch unter Geltung anderer Rechtsgrundlagen für die Informationsbeschaffung gewonnen worden sind, von diesem Konzept abweichen wollte.
51
Auch von Verfassungs wegen folgt aus der Rechtswidrigkeit einer Datenerhebung nicht zwangsläufig das Verbot einer zweckändernden Verwendung (Wolter aaO vor § 151 Rdn. 167 a; Albers, Die Determination polizeilicher Tätigkeit in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge S. 330 f.; Singelnstein aaO S. 887). Damit entspricht die rechtliche Ausgangslage aber derjenigen bei den sog. relativen Verwertungsverboten. Auch hier besteht ein ausdrückliches gesetzliches Verwertungsverbot nicht; ob die gewonnenen Erkenntnisse möglicherweise unverwertbar sind, wird auf der Grundlage der oben dargestellten Abwägungskriterien vielmehr nur deshalb geprüft, weil die Ermittlungsbehörden bei der Beweisgewinnung gegen Vorschriften der Strafprozessordnung verstoßen haben, von deren Einhaltung durch die Behörden der Gesetzgeber grundsätzlich ausgeht. Wenn aber in diesen Fällen die Rechtswidrigkeit der Ermittlungshandlung nicht stets zur Unverwertbarkeit der Beweismittel führt, so ist kein Grund dafür ersichtlich, in der vergleichbaren Situation der Verwendungsregelungen jede Verwendung und damit auch die Verwertung von der Rechtmäßigkeit der Datengewinnung abhängig zu machen. Besonders augenfällig wird dies bei der Vorschrift des § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO, die die Verwendung von Zufallsfunden regelt: Während die Rechtswidrigkeit der Ermittlungsmaßnahme die Verwertbarkeit der Erkenntnisse zu der Straftat, zu deren Aufklärung sie angeordnet wurde, gegebenenfalls unberührt lassen würde, dürften gleichzeitig gewonnene Beweisergebnisse, die eine andere Tat des selben Täters betreffen, nicht verwertet werden. Diesem unstimmigen Ergebnis kann auch nicht mit dem Hinweis darauf begegnet werden, dass die Zweckänderung einen erneuten Grundrechtseingriff darstellt, der durch die Verwendungsregelung nur gerechtfertigt werden könne, wenn die Datenerhebung selbst rechtmäßig war. Denn auch die Verwertung von rechtswidrig erlangten Erkenntnissen in demselben Verfahren stellt einen erneuten Grundrechtseingriff oder zumindest eine Vertiefung des zuvor erfolgten dar. Dessen Rechtfertigung kann sich bei einem Überwiegen der Belange der Allgemeinheit, insbesondere des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung - einem Prinzip von Verfassungsrang (BVerfGE 44, 353, 374; BVerfG StV 1985, 177) - aus der nach den dargestellten Grundsätzen vorzunehmenden Güterabwägung ergeben.
52
Ob - was allerdings nahe liegen dürfte - von diesem Ergebnis abzuweichen ist, wenn durch die Nutzung der rechtswidrig erhobenen Daten eine in der Verwendungsregelung enthaltene Beschränkung umgangen würde, etwa wenn die Wohnraumüberwachung nicht zur Aufklärung einer Katalogtat oder eines vergleichbaren präventiv-polizeilichen Zwecks angeordnet wurde (vgl. Albers aaO S. 331; Schäfer aaO § 100 a Rdn. 97 zu § 100 b Abs. 5 StPO aF; Weßlau in SK-StPO § 477 Rdn. 41; in diesem Sinne wohl auch Dencker in FS für Meyer -Goßner S. 237, 249 f.), kann der Senat offen lassen. Zu einer solchen Verletzung der Verwendungsbeschränkung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO ist es nicht gekommen (dazu oben 1. a). Im Übrigen würde in solchen Fällen auch die Auffassung, die ein Verwertungsverbot von einer Güterabwägung abhängig macht, regelmäßig zu dem Ergebnis einer Unverwertbarkeit der Daten gelangen (vgl. BGHSt 31, 304, 309; 41, 30; 47, 362).
53
Für alle anderen Verstöße ist abzuwägen, ob die Rechtswidrigkeit der Datenerhebung auch die zweckändernde Verwendung und damit hier die Verwertung im Strafverfahren verbietet (vgl. Nack aaO § 100 d Rdn. 31 ff.; Albers aaO S. 331 f.; vgl. auch Wolter aaO § 100 d Rdn. 69, der bei "Minimalverstößen" ebenfalls eine Abwägung für geboten hält, aA wohl Singelnstein aaO).
54
(3) Ist nach alledem eine Verwendung der aus der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung erlangten Daten wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz in § 29 POG RhPf aF und einer daraus resultierenden Rechtswidrigkeit der Maßnahme nicht von vornherein ausgeschlossen, ergibt die vorzunehmende Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung, was zur Verwertbarkeit der gewonnen Erkenntnisse führt. Im Einzelnen:
55
Der Rechtsverstoß bei der Informationsbeschaffung liegt hier darin, dass die Abhörmaßnahme auf der Grundlage einer mit dem Grundgesetz nicht in vollem Umfang vereinbaren einfachgesetzlichen Ermächtigung durchgeführt worden ist. Der Senat verkennt nicht, dass die Unvereinbarkeit der Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung mit höherrangigem Recht einen Verstoß von Gewicht begründet, der regelmäßig zur Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen wird. Jedoch sind vorliegend besondere Umstände zu beachten , die zu einer abweichenden Beurteilung führen:
56
Das Bundesverfassungsgericht hatte die entsprechenden strafprozessualen Regelungen trotz ihrer teilweisen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht für nichtig, sondern sie unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die Erfordernisse einer funktionierenden Strafrechtspflege für eine Übergangszeit weiterhin für anwendbar erklärt. Dem entnimmt der Senat, dass auch § 29 POG RhPf aF, wäre er zur verfassungsrechtlichen Prüfung durch das Bundes- oder Landesverfassungsgericht gestellt worden, nicht etwa für nichtig, sondern unter entsprechenden Vorgaben ebenfalls für eine Übergangszeit für weiter anwendbar erklärt worden wäre (vgl. SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
57
Die Vorschrift des § 29 POG RhPf aF entsprach in Bezug auf den Überwachungsgrund der Gefahrenabwehr sowie im Hinblick auf die Eingriffsschwelle und den Richtervorbehalt der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG. Sie konnte die Maßgaben des Verfassungsgerichts zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensführung nicht berücksichtigen, weil für den Gesetzgeber noch keine Möglichkeit bestand, diese in das Gesetz einzuarbeiten; denn zwischen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der Erstanordnung der Maßnahme lagen nur etwas über vier Monate (das Bundesverfassungsgericht hatte dem Bundesgesetzgeber in seinem Urteil vom 3. März 2004 eine Frist von mehr als einem Jahr und drei Monaten zur verfassungskonformen Neufassung der einschlägigen Bestimmungen der Strafprozessordnung zur Wohnraumüberwachung gesetzt, vgl. BVerfGE 109, 279, 381). Gleichwohl waren Betroffene von Wohnraumüberwachungsmaßnahmen im Hinblick auf ihr Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht schutzlos gestellt; vielmehr ergibt sich bei Fehlen entsprechender Vorschriften in den Polizeigesetzen ein solcher Schutz unmittelbar aus Art. 13 Abs. 4 GG in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aufgestellten Grundsätze (Wolter aaO § 100 c Rdn. 19 m. w. N.).
58
Bei dieser Ausgangslage war die Annahme des Polizeipräsidiums und der die präventiv-polizeiliche Wohnraumüberwachung anordnenden bzw. die Anordnung verlängernden Gerichte nicht unvertretbar, dass die Maßnahme trotz des Fehlens einer gesetzlichen Regelung zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung durchgeführt werden durfte und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts durch entsprechende Vorkehrungen im Vollzug der Wohnraumüberwachung Rechnung getragen werden konnte. Jedenfalls stellte sich diese Annahme nicht als eine bewusste Umgehung des Gesetzes oder grundrechtlich geschützter Positionen der Angeklagten dar.
59
Nach alldem wiegt die teilweise Unvereinbarkeit des § 29 POG RhPf aF mit verfassungsrechtlichen Anforderungen hier nicht so schwer, dass sie eine nach den dargelegten Grundsätzen nur ausnahmsweise anzuerkennende Un- verwertbarkeit der bei der Wohnraumüberwachung erlangten Erkenntnisse zur Folge hätte. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass wegen der Respektierung des Kernbereichs der privaten Lebensführung bei Durchführung der Maßnahme (s. unten d) und e) jedenfalls materiell ein ungerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht der Angeklagten K. und Y. A. aus Art. 13 Abs. 1 GG sowie eine Verletzung ihrer Menschenwürde nicht vorlag. Angesichts dessen kann auch die überragende Bedeutung dieser Grundrechte keine andere Beurteilung rechtfertigen.
60
c) Die Anordnung der Wohnraumüberwachung unterliegt im Übrigen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die entgegenstehende Rüge, mit der die Beschwerdeführer geltend machen, die Voraussetzungen einer Anordnung der Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF hätten nicht vorgelegen, ist unbegründet.
61
aa) Die Anordnung wurde nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Anordnungsbeschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit getroffen. Auch in der Sache lag kein Eingriff zur bloßen Gefahrenvorsorge oder zur vorbeugenden Strafverfolgung vor.
62
Die gegenteilige Ansicht der Beschwerdeführer beruht auf einer Verkennung des Begriffs der dringenden Gefahr. Eine solche braucht nicht bereits eingetreten zu sein; es genügt, dass die Beschränkung des Grundrechts dem Zweck dient, einen Zustand nicht eintreten zu lassen, der seinerseits eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen würde (vgl. BVerfGE 17, 232, 251 f.). Damit liegt eine dringende Gefahr im Sinne des für den vorliegenden Eingriff maßgeblichen § 13 Abs. 4 GG vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein bedeutendes Rechtsgut schädigen wird (vgl. BVerwGE 47, 31, 40). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind zudem an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden wäre (BVerwGE 47, 31, 40; 57, 61, 65; 88, 348, 351; 116, 347, 356; Gusy, Polizeirecht 6. Aufl. Rdn. 119; vgl. BVerfGE 49, 89, 135 ff.). Zuzugeben ist den Beschwerdeführern insoweit allerdings, dass auch angesichts der Größe eines möglichen Schadens bloße Vermutungen oder die Inbezugnahme einer allgemeinen Sicherheitslage nicht zur Begründung einer Gefahr ausreichend sind; erforderlich ist vielmehr eine im konkreten Fall durch hinreichende Tatsachen zu belegende Gefahrenlage (BVerfGE 115, 320, 368 f.).
63
Nach diesen Grundsätzen ist die Anordnung der Wohnraumüberwachung durch das Landgericht M. jedenfalls im Ergebnis insoweit nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat das Vorliegen einer dringenden Gefahr auf die konkreten Einwände der Beschwerdeführer gegen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme anhand einer eigenständigen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Anordnung (vgl. dazu BGHSt 47, 362, 367) geprüft und - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - im Beschluss vom 21. August 2007 mit plausibler und rechtlich nicht zu beanstandender Begründung bejaht. Dabei hat es insbesondere darauf abgestellt , dass die Ermittlungslage wegen einer zu vorangegangenen Terroranschlägen parallelen Grundkonstellation befürchten ließ, dass in der Wohnung des Angeklagten K. Planungs- oder Vorbereitungshandlungen für Terroranschläge , also schwerste Straftaten gegen Leib und Leben Unbeteiligter durchgeführt würden, und damit eine gemeine Gefahr (vgl. dazu Gornig in v. Mangoldt /Klein/Stark, GG aaO Art. 13 Rdn. 127) vorlag. Diese Einschätzung basierte nicht auf bloßen Vermutungen, sondern auf konkreten Tatsachen, namentlich der extremistischen Grundeinstellung der sich in der Wohnung des Angeklagten K. treffenden Personen, ihren teilweisen Kontakten zu weiteren Personen, gegen die wegen des Verdachts der Einbindung in terroristische Netzwerke ermittelt wurde, dem konkreten Verdacht, dass der Angeklagte K. Kontakt zu terroristischen Strukturen in Afghanistan aufgenommen und sich dort an Kampfhandlungen beteiligt hatte, sowie nicht zuletzt auf dem Umstand, dass die Besucher der Wohnung konspirativ miteinander kommunizierten und sich Observationsmaßnahmen entzogen.
64
Die Einwendungen der Revisionen gehen auf die eine konkrete Gefahrenlage begründenden Umstände nicht ein und beschränken sich auf eine - im Revisionsverfahren unbehelfliche - eigene, abweichende Wertung des Ermittlungsstandes , der - wie vom Generalbundesanwalt aufgezeigt - teilweise auch unzutreffend wiedergegeben wird. Soweit sie darauf abstellen, dass sich im Zeitpunkt der Anordnung vorliegende Verdachtsmomente in der Hauptverhandlung nicht bestätigt hätten (Kodiertabelle), können sie mit diesem Einwand nicht gehört werden: Im Polizeirecht beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle einer Gefahrenprognose auf eine Überprüfung der tatsächlichen Anhaltspunkte und den daraus resultierenden Schluss auf zukünftige Schäden aus einer ex-antePerspektive (Gusy aaO Rdn. 121).
65
bb) Der Rechtmäßigkeit der Anordnung steht - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - nicht entgegen, dass sie sich in Rubrum und Tenor des Beschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 nicht auch gegen den Angeklagten Y. A. als weiteren Bewohner der überwachten Wohnung richtete. Insbesondere ist die Behauptung der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar, die Polizei habe es bewusst unterlassen, eine entsprechende richterliche Anordnung auch gegen ihn einzuholen. Aufgrund der Angaben in dem Antrag des Polizeipräsidiums war dem Landgericht M. ausweislich des Beschlusses bekannt, dass der Angeklagte Y. A. in der Wohnung des Angeklagten K. gemeldet war. Von einer bewussten Umgehung oder Missachtung des Richtervorbehalts kann mithin keine Rede sein. Der Angeklagte wurde vielmehr in ihn nicht beschwerender Weise im Ergebnis wie ein Dritter im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 POG RhPf aF behandelt; auch insoweit war die Aufzeichnung des von ihm gesprochenen Wortes zulässig.
66
Die Anordnung hätte nach den obigen Darlegungen zudem auch gegen den Angeklagten Y. A. jederzeit erwirkt werden können. Dieser Umstand führt dazu, dass auch dann nicht von einer Unverwertbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse auszugehen wäre, wenn man insoweit von einer Fehlerhaftigkeit der Anordnung ausgehen wollte. Vielmehr ist nach den oben dargelegten Grundsätzen in Fällen der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme im Wege einer Abwägung zu ermitteln, ob die so gewonnenen Daten verwendet werden dürfen (dazu oben b) bb) (2)). Eine solche Abwägung würde hier wegen der unproblematisch möglichen Anordnung der Maßnahme auch gegenüber dem Angeklagten Y. A. zur Verwendbarkeit und damit auch zur Verwertbarkeit der Ergebnisse der Wohnraumüberwachung führen. Denn angesichts der daraus resultierenden Geringfügigkeit eines etwaigen Verstoßes würden die öffentlichen Belange, namentlich die gerichtliche Aufklärungspflicht und das öffentliche Strafverfolgungsinteresse vorgehen.
67
cc) Die Einwendungen der Revisionen gegen den Verlängerungsbeschluss des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 greifen ebenfalls nicht durch. Soweit damit nicht die Beanstandungen gegenüber der Erstanordnung wiederholt werden, beschränken sich die Beschwerdeführer darauf, dass die durchgeführte Überwachung eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit , insbesondere wegen konkreter Anschlagsplanungen, nicht ergeben habe.
68
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, hat sich das Oberlandesgericht mit diesem Argument bereits eingehend auseinandergesetzt und anhand einer freibeweislichen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Verlängerung das weitere Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit nach eingehender Prüfung anhand konkreter Tatsachen gleichwohl bejaht. Rechtsfehler zeigen die Revisionen auch insoweit nicht auf. Hinweise auf eine Rechtswidrigkeit der Verlängerung der Wohnraumüberwachung , die zu einer Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen könnten, ergeben sich damit nicht.
69
d) Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, die Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung seien insgesamt "wegen Verletzung des Schutzes des Kernbereichs der Persönlichkeit" unverwertbar. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
70
Im Ausgangspunkt zutreffend ist die Annahme, dass nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO nur solche Daten verwendet werden dürfen, die nicht unter ein Verwertungsverbot aus § 100 c StPO fallen (dazu oben 1. b). Die Vorschrift des § 100 c Abs. 5 Satz 3 StPO normiert ein Verwertungsverbot für Erkenntnisse aus Äußerungen, die dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Daraus ergibt sich indes kein umfassendes Verwertungsverbot für alle aus einer Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse, sondern nur für diejenigen, die durch eine Kernbereichsverletzung erzielt wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 29; Wolter aaO § 100 c Rdn. 71). Dass kernbereichsrelevante Gesprächsteile in dem Urteil gegen sie verwertet worden seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht. Dies ergibt sich auch nicht aus dem angefochtenen Urteil, das die verwerteten Passagen zitiert; diese lassen Kernbereichsverletzungen nicht erkennen.
71
aa) Nach der hier über § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO heranzuziehenden gesetzlichen Regelung in § 100 c StPO kommt eine Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme nur in Betracht, wenn gegen das Beweiserhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO verstoßen wurde (Nack aaO § 100 d Rdn. 28; Wolter aaO § 100 c Rdn. 73; vgl. auch BVerfGE 109, 279, 331). Ob ein solches Verwertungsverbot vorliegt, hat das erkennende Gericht zu prüfen, dessen Entscheidung wiederum der revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegt (Nack aaO § 100 c Rdn. 41).
72
Das Erhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO (und des inhaltsgleichen § 29 Abs. 3 POG RhPf nF) knüpft an die Anordnung der Maßnahme an. Diese darf nur ergehen, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. Sie erfordert somit eine negative Kernbereichsprognose durch das anordnende Gericht, für die - wie bei anderen Prognoseentscheidungen auch - ein Beurteilungsspielraum besteht (Nack aaO § 100 c Rdn. 25). Ein Verwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen das Erhebungsverbot besteht demnach nur dann, wenn das Gericht diesen Beurteilungsspielraum klar erkennbar und damit rechtsfehlerhaft überschritten hat (Wolter aaO § 100 c Rdn. 73).
73
Eine in diesem Sinne rechtsfehlerhafte Anordnung der Wohnraumüberwachung zeigen die Beschwerdeführer weder auf, noch ist sie ersichtlich. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus der Aufzählung von Gesprächen, hinsichtlich derer eine Kernbereichsrelevanz lediglich pauschal durch schlagwortartige Bezeichnungen ("Beten", "Heirat", "Tod des Vaters" etc.) behauptet wird. Das Oberlandesgericht hat zudem auch insoweit auf der Grundlage einer Rekonstruktion der tatsächlichen Verhältnisse zum Anordnungszeitpunkt das Vorliegen einer negativen Kernbereichsprognose geprüft und bejaht. Die Beschwerdeführer legen erneut nicht dar, dass diese Entscheidung Rechtsfehler enthält. Es haben sich auch nach revisionsrechtlicher Prüfung keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die Sachlage anders als vom Oberlandesgericht angenommen dargestellt hat, so dass eine vertiefte freibeweisliche Prüfung (vgl. BGHSt 16, 164, 166 f.) nicht veranlasst war. Der Senat neigt ohnehin der Ansicht zu, dass in Abkehr von bisheriger Rechtsprechung tatsächliche Feststellungen , die der Tatrichter freibeweislich trifft, in der Revisionsinstanz ebenso wie seine Überzeugungsbildung auf strengbeweislicher Grundlage nur auf Rechtsfehler in der Beweiswürdigung zu überprüfen sind; dies bedarf hier aus den dargelegten Gründen aber keiner näheren Erörterung.
74
bb) Die Rüge wendet sich der Sache nach gegen den Vollzug der Maßnahme. Durch die unzureichenden Handlungsanweisungen des Polizeipräsidiums sei es zu einer Vielzahl von Kernbereichsverletzungen gekommen, so dass die Maßnahme insgesamt unzulässig gewesen sei. Auch insoweit hat die Verfahrensbeanstandung keinen Erfolg.
75
Im Ansatz ist allerdings zutreffend, dass das Bundesverfassungsgericht nicht allein auf die richterliche Anordnung abgestellt, sondern ein umfassendes Verwertungsverbot für den Fall als erforderlich angesehen hat, dass die Behörden in Überschreitung der Ermächtigung die Wohnraumüberwachung durchführen , obwohl eine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass mit ihr absolut geschützte , dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnende Gespräche erfasst werden (BVerfGE 109, 279, 331). Dementsprechend ist auch das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass ein nicht am Kernbereichs- schutz ausgerichteter Vollzug zur Unverwertbarkeit der Erkenntnisse aus der gesamten Maßnahme führen könnte.
76
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer genügte die tatsächliche Durchführung der Wohnraumüberwachung jedoch grundsätzlich den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift: In technischer und personeller Hinsicht war ein möglichst schonender Maßnahmevollzug bereits dadurch gewährleistet, dass in jedem Einzelfall durch den diensthabenden Polizeibeamten unter Zuhilfenahme des stets anwesenden Dolmetschers entschieden wurde, ob die Aufzeichnung gestartet wurde und wie lange sie andauerte. Soweit die generellen Handlungsanweisungen nach Ansicht des Oberlandesgerichts rechtlich bedenklich waren, hat es die Erkenntnisse entweder nicht verwertet (Selbstgespräche des Angeklagten K. ) oder - im Hinblick auf die den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genügende Handlungsanweisung, dass eine Abschaltung nur bei "wesentlicher" Verletzung des Kernbereichs über "zweifelsfrei längere Zeit" zu erfolgen habe - die Gespräche einer eingehenden Prüfung unterzogen, die eine Erfassung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte nicht ergab. Diese Handlungsanweisung galt entgegen der insoweit zumindest missverständlichen Darstellung der Beschwerdeführer ohnehin nur für den ersten Abschnitt der Maßnahme bis zum 4. November 2004. Ab diesem Zeitpunkt wurde sie durch eine den Kernbereichsschutz noch verstärkende Anordnung ersetzt. Eine bewusste oder planmäßige Überschreitung der Ermächtigung zur Wohnraumüberwachung durch die Polizeibehörden ergibt sich danach nicht. Diese waren vielmehr mit hohem personellem und technischem Aufwand bemüht, die verfassungsgerichtlichen Vorgaben umzusetzen.
77
Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, es sei ein zu enger Maßstab an den Kernbereich privater Lebensgestaltung angelegt worden, verschweigen sie in diesem Zusammenhang, dass sich das Oberlandesgericht bereits in der Hauptverhandlung auf den Vortrag einer Vielzahl von angeblichen Kernbereichsverletzungen damit auseinandergesetzt hat, dass die aufgenommenen Gebete in gefahrrelevante Gespräche über die Rechtfertigung von terroristischen Anschlägen oder die Verherrlichung des "Märtyrertods" eingebettet waren und deshalb nicht höchstpersönliche Gefühle oder Gedanken und damit den Kernbereich berührten. Auch die weiteren von den Revisionen schlagwortartig genannten Themen "Heirat" und "Familie" betrafen nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts Gespräche, die sich vorrangig auf die Erlangung eines gesicherten Aufenthaltsstatus in Europa bezogen oder im Zusammenhang mit dem geplanten Versicherungsbetrug standen, der wegen der dadurch möglichen finanziellen Versorgung der Familie eine Voraussetzung für den von dem Angeklagten Y. A. angestrebten "Märtyrertod" war. Die Beurteilung, dass mit der Aufzeichnung solcher Gespräche nicht in den Kernbereich eingegriffen wurde, ist - wie bereits vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegt - rechtsfehlerfrei.
78
Nach alledem ist für einen den Kernbereichsschutz von vornherein außer Acht lassenden Maßnahmevollzug, der allein zur Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung führen könnte, nichts ersichtlich. Vielmehr verbleibt es - soweit es zu Kernbereichsverletzungen gekommen sein sollte - bei dem aus § 100 c Abs. 5 Satz 3 StPO resultierenden Verwertungsverbot in Bezug auf solche einzelnen Gespräche.
79
Angesichts dessen kann offen bleiben, ob der Vortrag der Revisionen zu einzelnen Kernbereichsverletzungen den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Da eine Verwertung der entsprechenden Gesprächspassagen nicht konkret behauptet wird und sich aus dem angefochtenen Urteil auch nicht ergibt, ist die Rüge insoweit jedenfalls unbegründet.
80
e) Auch soweit die Beschwerdeführer darüber hinaus in Bezug auf die Gespräche, an denen die Angeklagten Y. und I. A. bzw. ihr Bruder A. A. beteiligt waren, ein Verwertungsverbot nach § 52 StPO bzw. gemäß § 100 c Abs. 6, § 52 StPO geltend machen, bleiben ihre Beanstandungen ohne Erfolg.
81
Rechtlich verfehlt ist die Auffassung der Revisionen, § 100 c Abs. 6 StPO komme jedenfalls für die aufgrund der präventiv-polizeilichen Ermächtigungsgrundlage des § 29 Abs. 1 POG RhPf aF gewonnenen Erkenntnisse nicht zur Anwendung, weil sich die Vorschrift nur auf strafprozessuale Wohnraumüberwachungsmaßnahmen beziehe. Wie bereits dargelegt (dazu 1. b) sind mit der Formulierung in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO, dass nur "verwertbare" Daten aus einer nach anderen Gesetzen durchgeführten Maßnahme im Strafverfahren verwendet werden dürfen, die Verwertungsverbote des § 100 c StPO angesprochen. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche eines nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, der infolgedessen die Entscheidung, ob er von seinem Recht Gebrauch machen möchte, nicht mehr treffen kann, richtet sich die Verwertbarkeit daher stets nach der Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO. Dies folgt bei Erkenntnissen aus einer polizeilichen Maßnahme aus der Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO; bei solchen aus einer strafprozessualen Maßnahme gilt § 100 c Abs. 6 StPO entweder unmittelbar oder - wenn wie hier mit dem Angeklagten I. A. ein zunächst Unverdächtiger betroffen ist - über die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO. Für eine isolierte Anwen- dung des § 52 StPO ist daneben kein Raum (vgl. BGHSt 40, 211; BGH NStZ 1999, 416).
82
Danach gilt für die Angeklagten Y. und I. A. § 100 c Abs. 6 Satz 3 StPO mit der Folge, dass ihre im Rahmen der aufgezeichneten Gespräche abgegebenen Äußerungen unbeschränkt verwertbar sind (vgl. § 160 a Abs. 4 StPO). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kommt es für die Frage der Verwertbarkeit nicht darauf an, ob bereits im Zeitpunkt der Gesprächsaufzeichnungen ein Tatverdacht bezüglich einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 2 StPO gegen den Angeklagten I. A. bestand. Denn es handelt sich bei der verfassungskonformen Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO (vgl. BVerfG NJW 2007, 2753) um eine Verwertungsregelung , so dass allein auf den Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil abzustellen ist, in welchem angesichts der Anklageerhebung und des Eröffnungsbeschlusses des Oberlandesgerichts jedenfalls ein hinreichender Tatverdacht gegeben war, dass der Angeklagte I. A. sich der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig gemacht hatte. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn für Gespräche mit Zeugnisverweigerungsberechtigten ein Beweiserhebungsverbot gälte; ein solches hat indes auch das Bundesverfassungsgericht nicht gefordert (vgl. BVerfGE 109, 279, 331 ff.).
83
Der Verwertung steht auch die von den Beschwerdeführern zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unverwertbarkeit von Erkenntnissen aus beschlagnahmefreien Urkunden im Sinne des § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO (BGH NStZ 2001, 604, 606) nicht entgegen. Dort resultierte die Unverwertbarkeit der Erkenntnisse, die erst einen Tatverdacht hätten begründen können, aus dem Umstand, dass bereits die Beweiserhebung unzulässig war (BGH aaO). Die Regelungen des § 100 c Abs. 6 StPO haben indes lediglich ein Ver- wertungsverbot im Hinblick auf im Übrigen - so auch hier - zulässig erlangte Beweismittel zum Gegenstand.
84
Auch die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführer, die von dem Oberlandesgericht vorgenommene Abwägung zur Verwertung der Äußerungen des nicht tatverdächtigen Bruders der Angeklagten, A. A. , nach § 100 c Abs. 6 Satz 2 StPO sei rechtsfehlerhaft, greifen nicht durch. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts.
85
3. Die Beschwerdeführer rügen weiter die Verwertung der Erkenntnisse aus den auf strafprozessualer Grundlage ergangenen Anordnungen der Wohnraumüberwachung. Diese hätten nicht ergehen dürfen, weil sie sich auf unverwertbare Erkenntnisse aus der zuvor angeordneten Maßnahme nach § 29 POG RhPf aF gestützt hätten.
86
Da die Erkenntnisse aus der polizeilichen Wohnraumüberwachung indes verwendbar waren (vgl. oben 2. b) bb), konnten sie auch im Zeitpunkt der ersten strafprozessualen Anordnung zur Begründung des Tatverdachts verwendet werden (vgl. § 100 f Abs. 2 StPO aF).
87
Hinsichtlich der Verwertbarkeit der Erkenntnisse gelten die Ausführungen zu 1. d) und e) entsprechend, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
88
II. Rundumüberwachung
89
Die Beschwerdeführer rügen die Verwertung von Erkenntnissen aus weiteren geheimen Ermittlungsmaßnahmen und machen in diesem Zusammen- hang geltend, dass diese - kumulativ zu der angeordneten Wohnraumüberwachung - zu einer unzulässigen Rundumüberwachung geführt hätten, aus der sich wiederum die Unverwertbarkeit auch der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung ergebe.
90
Den Revisionsbegründungen sowie der Gegenerklärung des Generalbundesanwalts vom 15. Oktober 2008, der die Beschwerdeführer insoweit zugestimmt haben, lässt sich folgender Verfahrenssachverhalt entnehmen:
91
Die Wohnraumüberwachung dauerte - wie dargelegt - vom 24. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 und damit über einen Zeitraum von etwa fünf Monaten. Die Dauer der aufgezeichneten Gespräche betrug hingegen nur einen Bruchteil; sie machte im Verhältnis zur Gesamtdauer der Maßnahme lediglich 8,4 % aus. Die Zeiten, in denen die Polizeibehörden das gesprochene Wort in der Wohnung des Angeklagten K. nicht nur nicht aufzeichneten sondern auch nicht abhörten, sind nicht dokumentiert. Aus technischen Gründen war es nicht möglich, bei abgeschalteter Aufzeichnung auch das Mithören nachweisbar zu unterbrechen, was zunächst nur durch ein Abdrehen der Lautstärke, später auch durch ein Betätigen der "Stopp-Taste" an den eingesetzten Rekordern zu erreichen war.
92
Darüber hinaus wurden folgende Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt:
93
Vom 9. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 wurde auf Anordnung des Landgerichts (Beschluss vom 14. Juli 2004) beziehungsweise des Amtsgerichts M. (Beschluss vom 12. Oktober 2004) der Eingang des Hauses videoüberwacht , in dem sich die Wohnung des Angeklagten K. befand. Mit Beschluss vom 21. September 2004 genehmigte das Amtsgericht M. darüber hinaus die Videoüberwachung eines Telefonladens, den die Angeklagten K. und Y. A. gelegentlich aufsuchten. Die Maßnahme war auf die Dauer von zwei Monaten befristet. Für das Wochenende vom 22. bis 24. Oktober 2004 ordnete das Polizeipräsidium zudem die Anbringung eines GPSSenders an zwei von dem Angeklagten Y. A. genutzten Fahrzeugen an. Diese Maßnahmen beruhten auf polizeirechtlicher Grundlage (§ 28 POG RhPf).
94
Am 8. November 2004 ordnete der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof auf Antrag des Generalbundesanwalts die Herausgabe der Verbindungsdaten von insgesamt sechs am 9. Oktober 2004 aus fünf verschiedenen öffentlichen Telefonzellen in Mü. geführten Gesprächen an. Der Generalbundesanwalt verfügte am 10. November 2004 die Anordnung einer planmäßig angelegten Beobachtung des Angeklagten Y. A. für die Dauer von einem Monat. Mit Beschluss des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 9. Dezember 2004 wurde diese Observation um drei Monate verlängert ; sie dauerte bis zur vorläufigen Festnahme des Angeklagten fort. Mit Beschlüssen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 12. November 2004 wurde sodann die Telefonüberwachung der von den Angeklagten K. und Y. A. genutzten Mobiltelefone, die Beschlagnahme aller an sie gerichteten Postsendungen und die langfristige Observation des Angeklagten K. angeordnet. Diese Maßnahmen dauerten jeweils bis zur vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. an. Mit Beschlüssen vom 12. November 2004 wurde bezüglich dieser beiden Angeklagten auch der Einsatz eines sogenannten IMSI-Catchers verfügt, zu dem es im Ermittlungsverfahren indes nicht kam.
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Die Beschwerdeführer haben in der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht der Verwertung der Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsmaßnah- men widersprochen, mit Ausnahme der Erkenntnisse aus der GPSÜberwachung , der Videoüberwachung des Telefonladens und der Observation des Angeklagten Y. A. . In diesen Widersprüchen haben sie nicht geltend gemacht, dass es sich wegen der Kumulation der Maßnahmen um eine unzulässige Rundumüberwachung gehandelt habe.
96
1. Soweit die Beschwerdeführer meinen, die Erkenntnisse aus den strafprozessualen Maßnahmen hätten nicht verwertet werden dürfen, weil deren Anordnung auf den unverwertbaren Erkenntnissen aus der Wohnraumüberwachung beruhe, ist die Rüge unbegründet. Wie dargelegt konnten die aus der Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 POG RhPf aF resultierenden Gesprächsaufzeichnungen im Zeitpunkt der Anordnung der strafprozessualen Maßnahmen gemäß § 100 f Abs. 2 StPO aF verwendet werden (dazu oben I. 3.).
97
2. Die Rüge, es habe eine unzulässige Rundumüberwachung vorgelegen , ist ungeachtet der in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgezeigten Bedenken gegen ihre Zulässigkeit jedenfalls unbegründet.
98
Es ist vorliegend durch die zeitgleiche Durchführung mehrerer Überwachungsmaßnahmen nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen, zeitlichen und räumlichen Rundumüberwachung (vgl. BVerfGE 65, 1, 42 f.; 109, 279, 323) gekommen. Bezüglich des Angeklagten I. A. liegt dies bereits deshalb auf der Hand, weil gegen ihn keinerlei Überwachungsmaßnahmen angeordnet worden sind. Er war von solchen nur reflexartig betroffen, etwa wenn er sich in der überwachten Wohnung des Angeklagten K. aufhielt. In den Zeiträumen, in denen er keinen Kontakt zu den Angeklagten K. und Y. A. hatte, fand eine Überwachung seiner Person nicht statt.
99
Aber auch gegenüber den Angeklagten K. und Y. A. liegt eine derart intensive Überwachung, die im Hinblick auf den daraus resultierenden sog. additiven Grundrechtseingriff (vgl. BVerfGE 112, 304, 320) Bedenken an ihrer verfassungsmäßigen Rechtmäßigkeit aufkommen lassen könnte, nicht vor.
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Die Wohnraumüberwachung wurde zwar über einen längeren Zeitraum durchgeführt und war engmaschig strukturiert. Dies war indes - wie das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat - zunächst im Hinblick auf die komplexe präventiv-polizeiliche Gefahrenlage und im weiteren Verlauf zur Aufklärung der Vereinigungsdelikte nach §§ 129 a, 129 b StGB, dabei insbesondere zur Aufdeckung von Planungs- und Verbindungsstrukturen erforderlich. Bei der konkreten Durchführung der Wohnraumüberwachung achteten die durchführenden Beamten zudem auf einen möglichst schonenden Maßnahmevollzug (dazu oben I. 2. d), was sich nicht zuletzt auch an der im Verhältnis zum Zeitraum der Gesamtmaßnahme geringen Dauer der Gesprächsaufzeichnungen zeigt. Dass die Überwachung in Form jedenfalls des Mithörens über die gesamten Monate "rund um die Uhr" erfolgt sei, ist eine nicht belegte Mutmaßung der Revisionen. Aus den vom Oberlandesgericht erlangten Erkenntnissen über die Durchführung der Maßnahme ergibt sich vielmehr, dass der diensthabende Beamte bei der Wahrnehmung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte die "Stopp-Taste" zu drücken hatte - mithin auch das Mithören beendete - und nur bei veränderter Personenkonstellation in der Wohnung durch gelegentliches "Hereinhören" überprüfte, ob die Gespräche sich verfahrensrelevanten, nicht dem Kernbereich zugehörenden Materien zuwandten. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere der Videoüberwachung des Hauseingangs keine die Eingriffsintensität steigernde Wirkung zu. Sie diente im Gegenteil vorrangig dazu , den in der Wohnung verkehrenden Personenkreis zu überprüfen. Dadurch wurde überhaupt erst eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf mögliche Kernbereichsverletzungen ermöglicht, und es konnte so im Ergebnis die Intensität der - wesentlich grundrechtsrelevanteren - Abhörmaßnahme verringert werden.
101
Die daneben auf polizeirechtlicher Grundlage angeordnete Überwachung eines Telefonladens dauerte entgegen dem von den Beschwerdeführern erweckten Eindruck nicht die gesamte Zeit an, sie lief vielmehr aus, als im November 2004 mehrere Maßnahmen auf strafprozessualer Basis angeordnet wurden. Die Überwachung von Fahrzeugen des Angeklagten Y. A. mittels eines GPS-Senders dauerte nur drei Tage und war im Zeitpunkt der strafprozessualen Maßnahmen bereits beendet. Auch insoweit kann also keine Rede von einer Rundumüberwachung sein.
102
Im Ergebnis traten zu der Wohnraumüberwachung also kumulativ die im Wesentlichen durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs angeordneten Maßnahmen der Telefonüberwachung von zwei Mobilfunkanschlüssen der Angeklagten K. und Y. A. , ihre längerfristige Observation und die Beschlagnahme der an sie gerichteten Postsendungen hinzu. Auch bei einer Gesamtschau dieser Überwachungsmaßnahmen ergibt sich eine unzulässige Rundumüberwachung, mit der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil eines Betroffenen erstellt werden könnte, nicht. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch bei einer Bündelung mehrerer heimlicher Überwachungsmaßnahmen durch die vorhandenen verfahrensrechtlichen Sicherungen, an die mit Rücksicht auf das der Kumulation der Grundrechtseingriffe innewohnende Gefährdungspotential allerdings besondere Anforderungen zu stellen sind, grundsätzlich ausgeschlossen (BVerfGE 112, 304, 319 f.; aA Puschke, Die kumulative Anordnung von Informationsbeschaffungs- maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung S. 79 ff., der eine kumulative Überwachung als andersartigen Eingriff begreift, für den es einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage bedürfe).
103
Die genannten verfahrensrechtlichen Sicherungen bestehen namentlich in dem Richtervorbehalt, aber auch in Eingriffsschwellen, die besonders schwerwiegend beeinträchtigende Überwachungsmaßnahmen vom Vorliegen besonders schwerer Straftaten oder bestimmten qualifizierten Verdachtsgraden abhängig machen, sowie in sog. Subsidiaritätsklauseln, die den Eingriff nur dann erlauben, wenn anderweitig die Aufklärung erheblich erschwert würde. Sie stellen letztlich Ausprägungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar. Bei der gleichwohl noch erforderlichen Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne beurteilt sich die Frage der Zulässigkeit einer Überwachungsmaßnahme auch danach, ob gegebenenfalls mehrere, in die Grundrechte des Betroffenen eingreifende Maßnahmen durchgeführt werden (vgl. BVerfGE aaO S. 321; BGHSt 46, 266, 277). Die besonderen vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Anforderungen an das Verfahren sind - soweit vorliegend maßgeblich - erfüllt, wenn sichergestellt ist, dass die für die Beantragung oder Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen primär zuständige Staatsanwaltschaft über alle den Grundrechtsträger betreffenden Ermittlungseingriffe informiert ist (vgl. BVerfGE aaO S. 320).
104
So verhält es sich hier. Der Generalbundesanwalt war - ebenso wie der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof - über sämtliche Überwachungsmaßnahmen informiert. Dies gilt auch für die - nicht vom Ermittlungsrichter angeordnete - Wohnraumüberwachung und die sie begleitende Videoüberwachung des Hauseingangs. In sämtlichen Anordnungsbeschlüssen wurde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insbesondere dadurch Genüge getan, dass der Richtervorbehalt gewahrt blieb, die an die Schwere der Straftat anknüpfenden Eingriffsvoraussetzungen sowie die Subsidiaritätsklauseln in den die Maßnahmen rechtfertigenden Vorschriften (§ 100 a Satz 1, § 100 c Abs. 1 Satz 1, § 163 f Abs. 2 Satz 1 StPO aF) beachtet wurden. Dass die Entscheidungen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof oder des Landgerichts Ka. insoweit rechtsfehlerhaft gewesen seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht; dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Anordnung der Ermittlungsmaßnahmen stand auch darüber hinaus zur Schwere des Tatvorwurfs und zum Grad des sich aus den vorangegangenen Ermittlungen ergebenden Verdachts nicht außer Verhältnis. Dies belegen neben den in diesem Verfahren ausgeurteilten Taten insbesondere die im November 2004 gewonnenen Verdachtsmomente , nach denen sich der Angeklagte K. zu dieser Zeit zumindest mit der Vermittlung von 48 Gramm hochangereichertem Uran befasste, das - wie er den Angeklagten Y. und I. A. in einem Gespräch erläuterte - für den Bau einer Bombe verwendet werden konnte.
105
Soweit die Beschwerdeführer schließlich zum Beleg ihrer Gegenauffassung eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zitieren (JZ 2000, 993, 994), befasst sich diese mit einem Fall der sog. Rundumüberwachung nicht.
106
III. Weitere Verfahrensrügen
107
Daneben rügen die Revisionen die Verfahrensweise, in der das Oberlandesgericht 141 der überwachten und aufgezeichneten Wohnraumgespräche in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Das angeordnete Selbstleseverfahren beschränke die Öffentlichkeit unzulässig und verstoße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Beanstandet wird weiterhin, das Oberlandesgericht habe die Inhalte der Wohnraumüberwachung im Urteil lückenhaft und selektiv darge- stellt und insoweit den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht erschöpfend seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegt. Gerügt wird ferner die Ablehnung einer Reihe von Beweisanträgen, mit denen die Ladung und Vernehmung syrischer Zeugen beantragt worden war. Die Zeugen - neben Bekannten des Angeklagten K. auch dessen Eltern, Schwester und Bruder - waren im Wesentlichen dazu benannt, den Aufenthalt des Angeklagten K. in seinem Heimatort D. in Syrien in der Zeit von Mitte Oktober 2001 bis Ende April/Anfang Mai 2002 zu bestätigen und so dessen durch die Wohnraumüberwachung ermittelte Darstellung zu erschüttern, er habe sich in diesem Zeitraum als Kämpfer der Al Qaida in Pakistan und Afghanistan aufgehalten. Das Oberlandesgericht hat die Vernehmung der Zeugen unter Aufklärungsgesichtspunkten nicht für erforderlich gehalten und deshalb diese Anträge jeweils nach § 244 Abs. 5 StPO abgelehnt. In gleicher Weise ist das Gericht mit Anträgen verfahren, in denen die Zeugenvernehmung des in US-Gewahrsam im Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba befindlichen Ramzi Binalshibh sowie die des ebenfalls in amerikanischem Gewahrsam befindlichen Zayn Husayn alias "Abu Zubaydah" begehrt worden war.
108
Diese Rügen bleiben aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen sämtlich ohne Erfolg.

109
C. Die Sachrügen
110
I. Beweiswürdigung
111
Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts hält den Maßstäben revisionsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. BGH NJW 2005, 2322, 2326) stand. Die Rechtsmittel zeigen auch mit ihren Einzelausführungen insoweit keinen Rechtsfehler auf, sondern legen - teilweise unter Mitteilung aus dem Urteil nicht ersichtlicher Tatsachen - allein ihre eigene Beweiswürdigung dar.
112
II. § 129 b StGB
113
1. Revision des Angeklagten K.
114
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten K. rechtsfehlerfrei wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) verurteilt.
115
a) Die Wertung des Oberlandesgerichts, die Organisation Al Qaida sei als ausländische terroristische Vereinigung im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB anzusehen, hält auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen im Ergebnis sachlichrechtlicher Prüfung stand.
116
aa) Als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB ist nach bisher in der Rechtsprechung gebräuchlicher Definition der auf eine gewisse Dauer angelegte , freiwillige organisatorische Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (BGHSt 28, 147; 31, 202, 204 f.; 31, 239 f.; 45, 26, 35; BGH NJW 2005, 1668; 2006, 1603; BGHR StGB § 129 Vereinigung 3 m. w. N.). Diese Kriterien liegen nach den Feststellungen für die Al Qaida im Tatzeitraum insbesondere auch mit Blick auf die erforderliche Struktur und Art der Willensbildung der Organisation vor. Hierzu gilt:
117
(1) Für eine Vereinigung in diesem Sinne konstitutiv ist das Bestehen eines Mindestmaßes an fester Organisation mit einer gegenseitigen Verpflichtung der Mitglieder (BGHSt 31, 202, 205; BGH NStZ 1982, 68). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts lagen diese Voraussetzungen für die Zeit bis Herbst 2001 zweifelsfrei vor; denn die Al Qaida war durch eine gefestigte Organisation geprägt, in deren Rahmen die Mitglieder mit verteilten Rollen und im Wege einer koordinierten Aufgabenverteilung zu einem gemeinsamen Zweck zusammenwirkten. Die strukturellen Voraussetzungen einer Vereinigung sind jedoch auch für den Tatzeitraum zu bejahen. Die Feststellungen belegen, dass der seit Herbst 2001 anhaltende Verfolgungsdruck weder auf der Führungsebene noch in den nachgeordneten Bereichen zu einer Zerschlagung der Organisation , sondern lediglich zu einer entsprechenden Anpassung der Strukturen geführt und die hierarchisch gegliederte Kernorganisation der Al Qaida in kommunikativer und operativer Hinsicht einen bedeutenden Rest an Handlungsfähigkeit bewahrt hat, der den erneuten Aufbau festerer Strukturen erlaubt und hierauf auch angelegt ist. Eine solche - möglicherweise nur vorübergehende und taktisch bedingte - Lockerung der Organisationsstruktur führt indes nicht dazu, dass die Gruppierung für diese Phase ihrer Existenz die Eigenschaft als Vereinigung verliert. Insoweit gilt Ähnliches wie für das Fortbestehen der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, das grundsätzlich auch für solche (Zwischen-)Phasen in Betracht kommt, in denen das Mitglied - gegebenenfalls bedingt durch die äußeren Umstände - keine aktiven Tätigkeiten entfaltet (vgl. BGHSt 29, 288, 294; 46, 349, 355 ff.). Hier kommt hinzu, dass nach wie vor ein nach Art, Inhalt und Intensität enges Beziehungsgeflecht der Mitglieder bestand , das auch in der Zeit nach Herbst 2001 die Planung und Ausführung zentral gesteuerter Attentate ermöglichte.
118
(2) Voraussetzung für eine Vereinigung ist daneben die subjektive Einbindung der Beteiligten in die Ziele der Organisation und in deren Willensbildung unter Zurückstellung individueller Einzelmeinungen. Dabei ist die Art und Weise der Willensbildung gleichgültig, solange sie ihrerseits von dem Willen der Mitglieder der Vereinigung getragen wird. Die für alle Mitglieder verbindlichen Regeln über die Willensbildung können etwa dem Demokratieprinzip entsprechen oder auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam aufgebaut sein (BGHSt 31, 239, 240; 45, 26, 35). Die Annahme einer Vereinigung scheidet indes aus, wenn die Mitglieder einer Gruppierung sich nur jeweils für sich der autoritären Führung einer Person unterwerfen, ohne dass diese vom Gruppenwillen abgeleitet wird (BGH NJW 1992, 1518; StV 1999, 424, 425).
119
Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist auch dieses voluntative Element der Vereinigung hinreichend belegt. Nach der ursprünglichen Struktur der Al Qaida in Afghanistan stand an der Spitze der Organisation ein Führungskreis , dem Usama Bin Laden, Aiman Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter verschiedener "Fachausschüsse" angehörten. Die Willensbildung war demnach hierarchisch strukturiert, ohne dass sich allerdings die Mitglieder der Organisation einseitig einer nicht vom Gruppenwillen getragenen Führungsperson unterwarfen. Im Tatzeitraum teilten die Mitglieder der Al Qaida weiterhin die gemeinsame politisch-ideologische Grundhaltung des gewaltbereiten extremistischen Islamismus. Die Gruppierung verfügte nach wie vor mit dem "Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" bis zur Zerstörung der USA und ihrer Verbündeten über eine über den bloßen Zweckzusammenhang der Vereinigung hinausreichende , von allen Mitgliedern getragene Zielsetzung. Der fortwährende, vom Willen der Mitglieder der Al Qaida getragene Führungsanspruch von Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri wird etwa durch deren per Internet oder Massenmedien veröffentlichte Video- und Audiobotschaften manifestiert.
120
bb) Der Senat ist aus diesen Gründen nicht gehalten zu entscheiden, ob dem Oberlandesgericht darin zugestimmt werden kann, dass im Hinblick auf die Gemeinsame Maßnahme des Rates der Europäischen Union vom 21. Dezember 1998 (ABl. EG 1998 Nr. L 351 S. 1) und den Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. EG 2002 Nr. L 164 S. 3) der bisher gebräuchliche Vereinigungsbegriff zu modifizieren ist und die Anforderungen insbesondere an die organisatorischen und voluntativen Voraussetzungen herabzusetzen sind. In der Literatur wird eine derartige "europarechtsfreundliche" Interpretation des Vereinigungsbegriffs teilweise vertreten (Krauß in LK 12. Aufl. § 129 a Rdn. 26; Kress JA 2005, 220, 223 ff.; v. Heintschel-Heinegg in FS für Schroeder S. 799; krit. Rudolphi/Stein in SKStGB § 129 Rdn. 6 b). Auch der Senat hat eine derartige Neubestimmung zunächst grundsätzlich in den Blick genommen, ohne sich indes im Einzelnen hierzu zu verhalten (BGH NJW 2006, 1603); zuletzt hat er jedoch insbesondere für die kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB vor dem Hintergrund des abgestuften Systems der Strafbarkeit von Tatvollendung, Versuch und Vorbereitungshandlung , der erforderlichen Abgrenzbarkeit der Vereinigung von einer Bande oder nur mittäterschaftlichen Zusammenschlüssen sowie der prozessualen Folgewirkungen Bedenken geäußert (BGHR StGB § 129 Vereinigung 3). Diese Vorbehalte gegen eine erweiternde Auslegung des Vereinigungsbegriffs werden bei Berücksichtigung des Strafzwecks der Vereinigungsdelikte noch verstärkt: Die §§ 129 ff. StGB sollen die erhöhte kriminelle Intensität erfassen, die in der Gründung oder Fortführung einer fest gefügten, auf die Begehung von Straftaten angelegten Organisation ihren Ausdruck findet und die kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte Gefährlichkeit in sich birgt. Diese Eigendynamik führt typischerweise dazu, dass dem einzelnen Beteiligten die Begehung von Straftaten erleichtert und bei ihm das Gefühl der persönlichen Verantwortlichkeit zurückgedrängt wird. Der Strafgrund der in diesem Sinne verstandenen spezifischen vereinigungsbezogenen Gefährlichkeit der Organisation geriete jedoch aus dem Blick, wenn Abstriche an den bisherigen Voraussetzungen hinsichtlich der Struktur der Vereinigung sowie der Willensbildung und -unterordnung ihrer Mitglieder zugelassen würden; denn nur eine ausreichend enge Verbindung der Mitglieder sowie ein entsprechender Gruppenwille schaffen die spezifischen Gefahren einer für die Vereinigung typischen, vom Willen des Einzelnen losgelösten Eigendynamik. All diese Gesichtspunkte sind gleichermaßen bei der Auslegung des Begriffs der terroristischen Vereinigung nach §§ 129 a, 129 b StGB von Bedeutung; im Übrigen spricht auch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und -klarheit dagegen, ein wortgleiches Tatbestandsmerkmal in einem Qualifikationstatbestand anders auszulegen als in der Grundnorm (aA Krauß aaO § 129 a Rdn. 26 aE).
121
Der Senat hält deshalb an seinen Bedenken gegen die vom Oberlandesgericht vorgenommene Begriffsbestimmung fest. Er ist entgegen der Auffassung der Revision allerdings nicht gehindert, auf der Basis der Feststellungen des Oberlandesgerichts eine von dessen Rechtsansicht abweichende Auffassung zu vertreten und seiner rechtlichen Bewertung den herkömmlichen Vereinigungsbegriff zugrunde zu legen.
122
b) Der Angeklagte K. hat sich an der Al Qaida als Mitglied beteiligt.
123
Die mitgliedschaftliche Beteiligung erfordert, dass der Täter sich unter Eingliederung in die Organisation deren Willen unterordnet und eine Tätigkeit zur Förderung der Ziele der Organisation entfaltet. Notwendig ist eine auf Dauer oder zumindest längere Zeit angelegte Teilnahme am "Verbandsleben" (BGHSt 18, 296, 299 f.; BGH NStZ 1993, 37, 38).
124
Nach den Feststellungen schloss der Angeklagte K. sich der Al Qaida während eines Aufenthalts in einem von dieser betriebenem Ausbildungslager in Afghanistan an. Er begab sich aufgrund des Verfolgungsdrucks nach dem Herbst 2001 absprachegemäß zurück nach Deutschland und nahm hier Rekrutierungs - und Beschaffungsmaßnahmen für die Vereinigung vor. Dass das Oberlandesgericht während dieser Zeit keinen Kontakt des Angeklagten zur Führungsebene der Al Qaida festgestellt hat, steht vor dem Hintergrund dieser gewichtigen, fortdauernden, im Einverständnis mit der Führungsebene entfalteten und auf eine aktive Beteiligung an der Organisation gerichteten Tätigkeiten der Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung nicht entgegen (vgl. BGHSt 46, 349, 356 f.). Hinzu kommt, dass der Aufenthalt des Angeklagten in Deutschland nicht auf Dauer angelegt war. Vielmehr wollte er sich zurück in ein "Jihadland" begeben und sich dort erneut den kämpfenden Verbänden der Al Qaida anschließen. Aus alldem ergibt sich, dass die Mitgliedschaft des Angeklagten in der Al Qaida zu keinem Zeitpunkt beendet war; vielmehr bestand sie während des Tatzeitraums unvermindert fort. Die Leistung des Treueids auf Usama Bin Laden durch den Angeklagten war entgegen dem Vorbringen der Revision zum Erwerb der Mitgliedschaft nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht konstitutiv.
125
2. Revision des Angeklagten Y. A.
126
a) Für den Angeklagten Y. A. belegen die Feststellungen des Urteils dagegen nicht, dass dieser sich an der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida als Mitglied beteiligt hat; denn es fehlt an einer ausreichenden, von einem übereinstimmenden Willen der Organisation und des Angeklagten getragenen Eingliederung in die Vereinigung.
127
Das Oberlandesgericht hat im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung die mitgliedschaftliche Beteiligung dieses Angeklagten an Al Qaida zum einen daran angeknüpft, dass er sich mit hohem Zeitaufwand und als Hauptakteur der Umsetzung der Versicherungsbetrügereien gewidmet habe. Zum anderen habe er finanzielle Mittel beschaffen wollen, die seine eigene Teilnahme und diejenige des Angeklagten K. am bewaffneten Jihad auf Seiten der Al Qaida ermöglichen sollten. Damit hat das Oberlandesgericht bei seiner Beurteilung wesentliche Kriterien, die für die Mitgliedschaft in einer Vereinigung maßgeblich sind, außer Acht gelassen. Im Einzelnen:
128
Die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, bedarf regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter nie an einem Ort befunden hat, an dem Vereinigungsstrukturen bestehen, und seine Verbindung zu der Vereinigung ausschließlich in dem Kontakt zu einem in Deutschland befindlichen Mitglied der Organisation besteht. Denn die Beteiligung als Mitglied setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Die Begehungsform der mitgliedschaftlichen Beteiligung kommt im Unterschied zu den Tathandlungen des Werbens für die oder des Unterstützens der Vereinigung nur in Betracht , wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert (Krauß aaO § 129 Rdn. 110). Zwar ist hierfür eine organisierte Teilnahme am Leben der Vereinigung nicht erforderlich, weshalb es etwa einer förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft mit etwa listenmäßiger Erfassung, Zahlung von Mitgliedsbeiträgen oder gar Ausstellung eines Mitgliedsausweises nicht bedarf (BGHSt 18, 296, 299 f.; 29, 114, 121; Rebmann NStZ 1989, 97, 100 Fn. 27). Notwendig ist allerdings, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Hierfür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied (BGHSt 18, 296, 300; 29, 114, 123; BGH NStZ 1993, 37, 38; Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 129 Rdn. 13). Auch ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern (Krauß aaO § 129 Rdn. 105). Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (BGH NStZ 1993, 37, 38).
129
Danach liegen die Voraussetzungen für eine Beteiligung des Angeklagten Y. A. als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida nicht vor. Der Angeklagte war nicht in der erforderlichen Weise in die Organisationsstrukturen der Al Qaida eingebunden. Er war zu keinem Zeitpunkt etwa in Afghanistan, Pakistan oder dem Irak und hatte keine Verbindung zu den Führungspersonen oder den sich dort aufhaltenden Mitgliedern der Organisation. Es ist nicht festgestellt, dass außer seiner einzigen Kontaktperson , dem sich mit ihm in Deutschland befindenden Angeklagten K. , irgendein sonstiges Mitglied der Al Qaida überhaupt Kenntnis von ihm hatte. Unter diesen Umständen kann bereits von einer mit einer Teilnahme am Verbandsleben verbundenen Stellung des Angeklagten Y. A.
innerhalb der Vereinigung, wie sie für eine Beteiligung als Mitglied konstitutiv ist, keine Rede sein.
130
Eine willentliche Übereinstimmung zwischen der Vereinigung und dem Angeklagten bezüglich seiner Einbindung in die Organisation ist aus den dargelegten Gründen ebenfalls nicht feststellbar. Die Mitgliedschaft des Angeklagten lässt sich insoweit auch nicht mit der festgestellten Übung der Al Qaida begründen , im Tatzeitraum Mitglieder u. a. in europäische Länder mit dem Auftrag zu senden, dort für die Vereinigung rekrutierend tätig zu werden und den zuvor zum Erwerb der Mitgliedschaft üblichen Treueid auf Usama Bin Laden durch eine einseitige Erklärung der Loyalität durch die rekrutierte Person sowie deren Tätigkeit für die Organisation zu ersetzen. Die auf diese Weise angeworbenen Anhänger mögen zwar durch ihr - wie auch immer im Einzelfall geartetes - Eintreten für die Ziele der Al Qaida dieser als Unterstützer im untechnischen Sinne nützlich und willkommen sein; sie sind indes nicht ohne Weiteres, sondern nur dann als Mitglieder der Organisation im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB anzusehen , wenn die oben dargelegten Voraussetzungen gegeben sind. Der Angeklagte konnte deshalb nicht allein dadurch zum Mitglied der Al Qaida werden, dass er einen besonderen Einsatz zeigte sowie seinen Willen zu einer dauerhaften Beteiligung an der Organisation durch den Wunsch manifestierte, nach Erlangung der zur Versorgung seiner Familie erforderlichen wirtschaftlichen Mittel am Jihad im Irak teilzunehmen, selbst wenn dies das Einverständnis seiner einzigen Kontaktperson der Al Qaida, des Angeklagten K. , fand.
131
Ob dies möglicherweise anders zu beurteilen wäre, wenn der Angeklagte K. von der Al Qaida den Auftrag und gleichsam die Vollmacht erhalten hätte , allein und ohne Rücksprache mit der Organisation neue Mitglieder im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in die Vereinigung aufzunehmen, hat der Senat nicht zu entscheiden. Denn weder ein derartiger Auftrag durch die Al Qaida noch eine solch weitgehende Befugnis des Angeklagten K. ist durch die Feststellungen belegt. Der Senat kann den - freilich nicht an allen Stellen vollständig übereinstimmenden - Feststellungen im Ergebnis lediglich entnehmen, dass K. sich nach Deutschland begab, um hier für die Al Qaida "autonom terroristische Operationen zu planen und hierfür geeignetes Personal heranzuziehen" (UA S. 22) bzw. "zu arbeiten" (UA S. 27, 221). Aus diesen Formulierungen kann die spezielle Beauftragung zur Rekrutierung und Aufnahme echter Vereinigungsmitglieder nicht abgeleitet werden. Zudem lassen die Feststellungen zur Stellung des Angeklagten K. innerhalb der Al Qaida lediglich erkennen, dass er in der Hierarchie noch unterhalb der "Emire" stand. Hieraus ist zu schließen, dass es sich bei ihm trotz seiner persönlichen Bekanntschaft mit Usama Bin Laden lediglich um ein gewöhnliches Mitglied der Organisation handelte, das nicht in herausgehobener Position tätig war. Die Annahme, dass ein derartiges "normales" Mitglied die weitreichende Befugnis hatte, aufgrund eigener Entscheidung neue Mitglieder in die Organisation aufzunehmen, wird von den Feststellungen auch bei Berücksichtigung von deren Gesamtzusammenhang nicht getragen. Diese belegen vielmehr lediglich, dass der Angeklagte K. vorgab, die Möglichkeit zu haben, Interessenten durch die Abgabe einer Empfehlung den Zugang zu einer kämpfenden Organisation an einem "Jihadschauplatz" im Ausland zu erleichtern (UA S. 42, 294).
132
Gegen eine darüber hinausgehende Bevollmächtigung des Angeklagten K. spricht im Übrigen auch der Vergleich zur festgestellten Praxis der Gewinnung von Vereinigungsmitgliedern in der Zeit vor Herbst 2001. Damals reichte noch nicht einmal das Durchlaufen einer "normalen" Ausbildung in einem Lager in Afghanistan aus. Die Mitglieder der Al Qaida wurden vielmehr unter denjenigen Personen ausgesucht, die sich als besonders qualifiziert erwiesen und deshalb eine Spezialausbildung erhalten hatten. Hieraus folgt, dass die Al Qaida ihrerseits an die "Kandidaten" gewisse Anforderungen stellte, die diese erfüllen mussten, um Mitglied der Vereinigung werden zu können. Nach den Feststellungen ist nicht zu erkennen, dass diese Anforderungen aufgegeben wurden, als aufgrund des Verfolgungsdrucks eine "Reorganisation durch Dezentralisierung" erfolgte. In dieser Phase sollten zwar u. a. in Europa neue Kämpfer für den Jihad angeworben werden; es ist jedoch nichts dafür ersichtlich , dass die Al Qaida zu dieser Zeit jeden in einem europäischen Land befindlichen Interessenten ohne weitere Überprüfung wahllos als Mitglied im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in ihre Organisation aufnehmen wollte.
133
b) Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte Y. A. allerdings wegen Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar gemacht (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB).
134
Nach ständiger Rechtsprechung unterstützt eine terroristische Vereinigung , wer, ohne selbst Mitglied der Organisation zu sein, deren Tätigkeit und terroristische Bestrebungen direkt oder über eines ihrer Mitglieder fördert. Dabei kann sich die Förderung richten auf die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt, auf die Erleichterung einzelner von ihr geplanter Straftaten, aber auch allgemein auf die Erhöhung ihrer Aktionsmöglichkeiten oder die Stärkung ihrer kriminellen Zielsetzung. Nicht erforderlich ist, dass der Organisation durch die Tathandlung ein messbarer Nutzen entsteht. Vielmehr genügt es, wenn die Förderungshandlung an sich wirksam ist und der Organisation irgendeinen Vorteil bringt; ob dieser Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ih rer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (BGHSt 51, 345, 348 f.).
135
Ein tatbestandliches Unterstützen liegt demgegenüber nicht vor, wenn die Handlung der Vereinigung von vornherein nicht nützlich war und sein konnte (vgl. BGH bei Schmidt MDR 1981, 91; Krauß aaO § 129 Rdn. 133). Es scheidet darüber hinaus auch dann aus, wenn die unterstützende Handlung sich der Sache nach als Werben für die Vereinigung darstellt. Wirbt der Täter um Mitglieder oder Unterstützer der terroristischen Vereinigung, kommt seine Strafbarkeit - nur - nach § 129 a Abs. 5 Satz 2 StGB in Betracht; wirbt er lediglich für die Ideologie oder Ziele der Vereinigung, bleibt er grundsätzlich straflos (BGHSt 51, 345). Die hieraus folgende Privilegierung des Werbens für eine Vereinigung ist durch die entsprechende Änderung der §§ 129, 129 a StGB durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. August 2002 (BGBl I 3390) sowie das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2836) bedingt und auf diese Tathandlung beschränkt ; sie führt insbesondere nicht dazu, dass für die sonstigen Erscheinungsformen möglicher Unterstützungshandlungen vergleichbare Einschränkungen gelten etwa mit der Folge, dass die Anforderungen an den notwendigen Vorteil der Unterstützungshandlung für die Vereinigung generell zu erhöhen wären.
136
Nach alldem ist als tatbestandliche Unterstützung jedes Tätigwerden anzusehen , das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung unmittelbar fördert, die Realisierung der von der Vereinigung geplanten Straftaten - wenn auch nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung der Vereinigung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr wesenseigene Gefährlichkeit festigt (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 139; Miebach/Schäfer in MünchKomm-StGB § 129 Rdn. 83), solange diese Tätigkeit sich nicht als Werben für eine Vereinigung darstellt. Aufgrund des aus der besonderen Tatbestandsstruktur der Vereinigungsdelikte folgenden Verhältnisses der einzelnen Tathandlungen zueinander umfasst das Unterstützen einer Vereinigung daher auch Sachverhaltsgestaltungen , die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten wären (BGHSt 51, 345, 350 f.). Da als Effekt des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt , regelmäßig bereits hierin ein ausreichender Nutzen für die Vereinigung zu sehen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Täter ein Mitglied der Vereinigung bei der Erfüllung einer Aufgabe unterstützt, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist. Denn die Mitwirkung an der Erfüllung eines Auftrags, den die Vereinigung selbst einem Mitglied erteilt hat, erweist sich nicht nur allein für das betroffene Mitglied als im hier relevanten Sinne vorteilhaft; der ausreichende , nicht notwendigerweise spezifizierte Nutzen wirkt sich in einem solchen Fall vielmehr auch auf die Organisation als solche in vergleichbarer Weise aus wie in den Fällen, in denen die Mitglieder in ihrem Entschluss gestärkt werden, die Straftaten zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder ihrer Tätigkeit entsprechen (BGHSt 32, 243, 244). Eines noch weiter gehenden Vorteils für die Vereinigung bedarf es deshalb in diesen Fallgestaltungen nicht.
137
In derartigen Fällen wird die gleichzeitig verwirklichte Beihilfe des Täters zur mitgliedschaftlichen Beteiligung des Dritten an der Vereinigung durch das täterschaftliche Unterstützen der Vereinigung verdrängt. Ob daneben Fallge- staltungen denkbar sind, in denen sich die Tathandlung lediglich als Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, nicht aber als Unterstützen der Vereinigung darstellt, kann hier offen bleiben.
138
Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte Y. A. die terroristische Vereinigung Al Qaida unterstützt. Der Angeklagte hat sich in maßgebender Funktion an den Versicherungsbetrügereien beteiligt, die u. a. dazu dienten, finanzielle Mittel für die Al Qaida zu erschließen. Durch diese Tätigkeit hat er die entsprechenden Bemühungen des Al Qaida-Mitglieds K. unterstützt, die für diesen wiederum Teil seiner mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Organisation waren. Die Förderung der Betätigungen des Angeklagten K. wirkte sich für diesen auch vorteilhaft aus; denn er wurde zum einen in dem Entschluss gestärkt, Straftaten zu begehen, die dem Fortbestand der terroristischen Vereinigung dienten und musste zum anderen darüber hinaus die Tätigkeiten, die der Angeklagte Y. A. entfaltete, nicht selbst vornehmen oder eine andere Person hierfür gewinnen. Die Beschaffungsbemühungen des Angeklagten K. dienten gerade der Erfüllung der allgemeinen Order, mit der er von der Al Qaida für seine in Deutschland zu verbringende Zeit betraut worden war. Damit wurden auch die Bestrebungen der Vereinigung insgesamt ausreichend gefördert. Der Vollendung der Tat steht nach alldem insbesondere nicht entgegen, dass es hier letztlich in keinem Fall zu einer Auszahlung der Versicherungssumme an die Beteiligten und demnach auch nicht zu einer Weiterleitung eines Teils des Erlöses an die Organisation kam.
139
3. Revision des Angeklagten I. A.
140
Die Verurteilung des Angeklagten I. A. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
141
Die Tatbeiträge des Angeklagten I. A. stellen inhaltlich ebenso wie diejenigen des Angeklagten Y. A. eine Beihilfe zur Beteiligung des Angeklagten K. als Mitglied an der Al Qaida dar; denn mit ihnen förderte der Angeklagte I. A. die Bemühungen des Angeklagten K. , seinen ihm von der Al Qaida erteilten Auftrag zu erfüllen. Sie bewirkten somit im Ergebnis ebenfalls für die Vereinigung als solche einen ausreichenden Effekt.
142
Soweit der Senat in seiner Haftprüfungsentscheidung vom 19. Mai 2005 (BGHR StGB § 129 a Abs. 5 Unterstützen 1) Bedenken dagegen geäußert hat, dass die Tatbeiträge des Angeklagten als vollendetes Unterstützen zu werten seien, beruhte dies auf der dem damaligen Ermittlungsstand, wonach sich die Tätigkeit des Angeklagten auf die Zusage beschränkte, von der in der Zukunft zu erwartenden Beute einen Teil an die Vereinigung abzugeben. Der Senat ist im Revisionsverfahren auf der Basis der Feststellungen des tatgerichtlichen Urteils nicht gehalten zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen für ein Unterstützen der Vereinigung allein die Zusage eines Nichtmitglieds ausreicht, eine Handlung vorzunehmen, die sich auf die Organisation irgendwie vorteilhaft auswirken kann (vgl. hierzu auch BGHR StGB § 129 a Abs. 3 Unterstützen 4); denn nach diesen Feststellungen war die Tätigkeit des Angeklagten nicht auf die Abgabe einer derartigen Zusage beschränkt. Der Angeklagte wirkte vielmehr an den Versicherungsbetrügereien insgesamt mit, indem er selbstständig recherchierte und an Besprechungen in allgemein beratender Funktion teilnahm. Zudem war er damit einverstanden, als Bezugsberechtigter für die Versicherungssummen aufzutreten. Mit seiner diesbezüglichen Zusage leistete er somit einen erheblichen Beitrag für die Durchführung der einzelnen Betrugsstraftaten. Die Tätigkeiten des Angeklagten begründeten deshalb - wenn sie auch hinter denjenigen des Angeklagten Y. A. zurückblieben - jedenfalls bei einer Gesamtschau einen hinreichenden Vorteil für die Vereinigung im oben näher dargestellten Sinn.
143
144
Die Verurteilung der Angeklagten wegen versuchten "bandenmäßigen" Betrugs in 28 Fällen hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis nicht in vollem Umfang stand und bedarf hinsichtlich aller Angeklagter teilweise der Abänderung. Entgegen der Würdigung des Oberlandesgerichts tritt in den hier vorliegenden Fällen betrügerischer Eingehung von Lebensversicherungsverträgen der Schaden bei den getäuschten Versicherungsunternehmen nicht erst mit Auszahlung der jeweiligen Versicherungsleistung, sondern bereits mit Abschluss der Versicherungsverträge ein. Damit ist der Betrug in neun Fällen vollendet , in den übrigen Fällen jeweils durch die Beantragung von Versicherungsverträgen versucht worden. Die Beanstandung der Revisionen, es habe sich wegen der geplanten, in ferner Zukunft liegenden Vortäuschung des Todes bei den Anträgen auf Vertragsabschluss jeweils nur um straflose Vorbereitungshandlungen gehandelt, geht daher fehl.
145
An den Betrugstaten der Angeklagten Y. A. und K. beteiligte sich der Angeklagte I. A. erst nach dem 21. September 2004. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts können ihm die vorher begangenen Betrugshandlungen der beiden Mitangeklagten nicht über die Rechtsfigur der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden. Damit erfüllen auch erst die nach diesem Zeitpunkt verwirklichten Taten das Regelbeispiel des bandenmäßigen Betrugs.
146
Dazu im Einzelnen:
147
1. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts gelang es dem Angeklagten Y. A. in neun Fällen (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30 und 33), Versicherungsunternehmen durch falsche Angaben jeweils zum Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages zu veranlassen und damit die Deckung des Todesfallrisikos zu übernehmen. Bereits mit dem Vertragsschluss war unter den gegebenen - in der Praxis selten vorkommenden, zumindest selten nachweisbaren, hier allerdings ausdrücklich festgestellten - Umständen der Vermögensbestand der Versicherungsunternehmen gemindert und damit der Versicherungsbetrug vollendet.
148
a) Der Angeklagte täuschte bei der Antragstellung jeweils in mehrfacher Hinsicht über innere und äußere Tatsachen. So verneinte er ab Fall 3 stets wahrheitswidrig eine Vorerkrankung und in den meisten Fällen (mit Ausnahme der Fälle 1, 2, 13, 18, 19, 25 und 26) die Fragen nach anderen bestehenden oder beantragten Lebensversicherungsverträgen.
149
Insbesondere täuschte der Angeklagte in allen Fällen konkludent darüber , einerseits zukünftig dauerhaft nach den Vertragsbedingungen die Versicherungsprämien zahlen zu wollen und zu können sowie andererseits bereit zu sein, den beantragten Versicherungsschutz seinem Zweck entsprechend allein zur Abdeckung des zukünftigen Risikos eines ungewissen Schadenseintritts zu nutzen (zur Absicht der rechtswidrigen Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen als tauglicher Gegenstand einer Täuschung vgl. Lindenau, Die Betrugsstrafbarkeit des Versicherungsnehmers aus strafrechtlicher und kriminologischer Sicht S. 164).
150
Über die innere Tatsache, sich nicht vertragstreu verhalten zu wollen, ist eine konkludente Täuschung möglich. Die Vertragspartner dürfen ein Minimum an Redlichkeit im Rechtsverkehr, das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen (vgl. Cramer/Perron in Schönke/Schröder aaO § 263 Rdn. 14/15). Deshalb ist die Erwartung, dass keine vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht, unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Willensbekundungen. Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird (BGHSt 51, 165, 171).
151
Da die Manipulation des Vertragsgegenstandes eines Lebensversicherungsvertrags in der Form der Vortäuschung des Versicherungsfalles - ähnlich wie diejenige einer Sportwette (vgl. dazu BGHSt aaO S. 172) - zwangsläufig erst nach Vertragsschluss stattfinden kann, bezieht sich die konkludente Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits durchgeführte, sondern auf eine beabsichtigte Manipulation. Für die Täuschung kommt es dabei nicht darauf an, inwieweit die geplanten Beeinflussungen bereits ins Werk gesetzt sind.
152
Diese Täuschung ist tatbestandsmäßig im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB. Sie war unentbehrlich, um zu dem nach dem Tatplan notwendigen Zwischenziel , dem Abschluss des Versicherungsvertrags, zu gelangen. Dass es danach noch einer weiteren Täuschung (über den Eintritt des Versicherungsfalls) bedurfte , um das eigentliche Endziel der Auszahlung der Versicherungssumme zu erreichen, ist demgegenüber für die Täuschungshandlung rechtlich ohne Belang.
153
b) Den Vorstellungen des Angeklagten entsprechend ist bei den Versicherungsunternehmen aufgrund der Täuschung jeweils eine entsprechende Fehlvorstellung über die Leistungsbereitschaft sowie die Vertragstreue des Angeklagten und damit über den Umfang des zu übernehmenden Risikos eingetreten. Dieser Irrtum war (mit)ursächlich für den jeweiligen Vertragsabschluss durch den Versicherer.
154
c) Mit dem Vertragsabschluss ist bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen ein Vermögensschaden eingetreten.
155
aa) Der Vermögensschaden beim Betrug ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch einen Vermögensvergleich mit wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln (BGHSt 45, 1, 4; BGH NStZ 1996, 191; 1997, 32, 33).
156
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug), wie er hier in Rede steht, ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen. Ob ein Vermögensschaden eingetreten ist, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der Vermögenslage vor und nach diesem Zeitpunkt. Zu vergleichen sind demnach die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen (BGHSt 16, 220, 221; 45, 1, 4). Bleibt der Anspruch auf die Leistung des Täuschenden in seinem Wert hinter der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurück, so ist dieser geschädigt (BGHSt 16 aaO).
157
Für die Beurteilung des Vermögenswertes von Leistung und Gegenleistung kommt es weder auf den von den Vertragsparteien vereinbarten Preis an (BGHSt 16, 220, 224) noch darauf, wie hoch der Verfügende subjektiv ihren Wert taxiert (BGHSt 16, 321, 325). Entscheidend für den Vermögenswert von Leistung und Gegenleistung ist vielmehr das vernünftige Urteil eines objektiven Dritten (BGHSt 16, 220, 222; 16, 321, 326; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 70 m. w. N.).
158
bb) Daran gemessen ist ein solcher Schaden bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen hier zu bejahen. Mit dem Vertragsabschluss war es mit der Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme im Todesfall belastet. Dem stand die Verbindlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber, an den Versicherer bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit die Prämien zu zahlen. Die Prämie ist der Preis, den der Versicherungsnehmer dafür zu entrichten hat, dass der Versicherer bei Eintritt des Versicherungsfalls die Versicherungssumme leistet. Sie muss in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem Versicherungsschutz stehen (vgl. hierzu Lindenau aaO S. 217 f.). Der Versicherer kalkuliert die Versicherungsprämien unter Berücksichtigung seiner allgemeinen Kosten (u. a. Abschlussprovision, Betriebskosten) auf der Basis von sog. Sterbetafeln, die eine aus der Erfahrung der Vergangenheit gewonnene wahrscheinliche Lebenszeit des Versicherten ausdrücken. Hinzu kommen ggf. Zuschläge für besondere Risiken. In die Prämienkalkulation geht die voraussichtliche Lebensdauer des Versicherten ebenso ein wie die Anzahl der Prämien, die - vorbehaltlich eines vorzeitigen Todes - bis zum Ablauf der Versicherungszeit zu zahlen sind. Im Normalfall besteht zwischen Leistung und Gegenleistung ein Äquivalent.
159
Hier stellte die Prämie indessen keinen entsprechenden Ausgleich für die mit dem Vertrag eingegangenen Verpflichtungen dar; denn der Angeklagte war von vornherein entschlossen, den Versicherungsfall zu fingieren, und hatte in Form der Verabredungen zuerst mit dem Mitangeklagten K. , später auch mit dem Mitangeklagten I. A. , bereits mit konkreten Vorbereitungen begonnen. Der jeweilige Versicherer war daher mit Abschluss des Vertra- ges rein wirtschaftlich gesehen nicht - wie von ihm angenommen - nur mit einer aufschiebend bedingten Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme für den Fall belastet, dass sich das - nach allgemeinen Maßstäben bewertete - Risiko des Todeseintritts während der Vertragslaufzeit verwirklichen sollte. Vielmehr war seine Inanspruchnahme aufgrund der von den Angeklagten beabsichtigten Manipulation des Vertragsgegenstandes sicher zu erwarten. Der entsprechenden Forderung hätte er sich nur durch den Beleg der Unredlichkeit des Versicherungsnehmers, etwa durch den Nachweis der Unrichtigkeit der ägyptischen Todesbescheinigung, entziehen können. Damit war die Leistungswahrscheinlichkeit gegenüber dem vertraglich vereinbarten Einstandsrisiko signifikant erhöht.
160
Bei dem Vergleich der wechselseitigen Ansprüche von Versicherer und Versicherungsnehmer bleibt außer Betracht, dass der Versicherer, sofern er Kenntnis von den tatsächlichen Hintergründen des Vertragsschlusses erlangen würde, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 BGB; vgl. § 22 VVG) oder sich in anderen Konstellationen, etwa gemäß § 74 Abs. 2 VVG, auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen könnte; denn diese Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, soll dem getäuschten Versicherer gerade verborgen bleiben (vgl. RGSt 48, 186, 189; BGH StV 1985, 368 m. w. N.; Fischer aaO § 263 Rdn. 103 m. w. N.).
161
Dafür, dass bereits mit dem Vertragsabschluss beim Versicherer ein Vermögensschaden eingetreten ist, spricht nicht zuletzt auch die zivilrechtliche Betrachtung. Insoweit ist anerkannt, dass der Versicherer gegenüber dem täuschenden Versicherungsnehmer nicht nur die Möglichkeit der Anfechtung des Vertrages hat. Daneben kommt vielmehr auch eine Schadensersatzhaftung des Versicherungsnehmers aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB) in Betracht mit der Folge, dass der getäuschte Versicherer gemäß § 249 BGB die Rückgängigmachung des Vertrages verlangen kann (vgl. BGH NJW 1998, 302, 303). Insoweit besteht die Möglichkeit, dass allein durch die mit dem Vertragsabschluss eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen ein Vermögensschaden begründet wird, wenn der Wert der Gegenleistung hinter dem Wert der Verpflichtungen zurückbleibt (vgl. BGH aaO S. 304).
162
Nach alldem ist in den Fällen, in denen es zum Abschluss des Lebensversicherungsvertrags kam, beim Versicherer ein Schaden entstanden, so dass insoweit jeweils ein vollendeter Eingehungsbetrug vorliegt. Die dem Tatplan entsprechende spätere Auszahlung der Versicherungssummen hätte lediglich zu einer Schadensvertiefung geführt und den Eingehungs- zum Erfüllungsbetrug werden lassen. Auch insoweit ist es für die rechtliche Bewertung ohne Belang , dass hierzu und damit zum Eintritt des endgültigen Verlustes des Versicherers noch eine weitere erfolgreiche Täuschung über den Eintritt des Versicherungsfalls erforderlich gewesen wäre.
163
Zweifel daran, dass der jeweilige Versicherer bereits mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages in seinem Vermögen geschädigt war, bestehen auch nicht deswegen, weil sich die Bestimmung der Schadenshöhe als problematisch erweist. Insoweit könnte sich eine Berechnung nach bilanziellen Maßstäben (so BGH StV 2009, 242) etwa deswegen als schwierig darstellen, weil es für die Bewertung der Verpflichtung aus einem täuschungsbedingt abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag keine anerkannten Richtgrößen gibt. Diese Schwierigkeiten lassen indes den Schaden nicht entfallen. Sie führen lediglich dazu, dass der Tatrichter grundsätzlich unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege der Schätzung Mindestfeststellungen zu treffen hat (vgl.
BGH aaO S. 243). Hierzu wird er sich erforderlichenfalls der Hilfe von Sachverständigen aus den Gebieten der Versicherungsmathematik bzw. der Versicherungsökonomie und/oder des Bilanzwesens bedienen. Unter den hier gegebenen Umständen (vgl. unten VI.) war dies indes nicht geboten.
164
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit bisheriger Rechtsprechung zum Eingehungsbetrug.
165
So hat bereits das Reichsgericht (RGSt 48, 186) einen Vermögensschaden des Feuerversicherers in dem bloßen Abschluss eines Versicherungsvertrages gesehen, auf den die Versicherungsnehmer unter Angabe eines unzutreffend hohen Versicherungswerts in der Absicht angetragen hatten, die versicherten Sachen alsbald in Brand zu setzen und dadurch in den Besitz der Versicherungssumme u. a. auch für Gegenstände zu kommen, die gar nicht vorhanden waren. Es hat dabei ausgeführt, dass der Prämienanspruch, den die Gesellschaft erhielt, nur den Ausgleich bildete "für die gegenüber einem vertragstreuen Vertragsgegner übernommene Verpflichtung zur Gefahrtragung. Dieser Anspruch verlor an Wert und büßte ihn im wesentlichen ein bei den Angeklagten , die überhaupt nicht die Absicht hatten, ihr Verhalten dem Vertrage gemäß einzurichten, … sondern im Gegenteil entschlossen waren, mit Hilfe des Scheines eines Vertrags die Gesellschaft zu einer vermögensrechtlichen Aufwendung , der Zahlung der Brandentschädigung, zu veranlassen." Die Vermögensminderung (damals bezeichnet als Vermögensgefährdung) sah das Reichsgericht darin, dass sich die Versicherungsgesellschaft täuschungsbedingt vertraglich verpflichtete, "eine weit größere Gefahr (vermögensrechtlichen Inhalts) zu tragen, als sie dem in der Prämie ausgedrückten, demgemäß auch vereinbarten gewöhnlichen Verlaufe der Dinge entsprach, und die Möglichkeit einer die Gesellschaft treffenden tatsächlichen Einbuße an ihrem Vermögen war bei der von den Angeklagten in Aussicht genommenen alsbaldigen Brandstiftung unmittelbar gegeben" (RGSt 48, 186, 190).
166
Auch der Bundesgerichtshof hat den Betrug schon als vollendet angesehen mit dem Vertragsschluss über die Lieferung von Feinkohle, bei dem der Angeklagte von Anfang an beabsichtigt hatte, lediglich minderwertigen Kohlenschlamm zu liefern (BGH NJW 1953, 836). Er hat ausgeführt, dass beim Eingehungsbetrug eine "Vermögensgefährdung" schon darin bestehen kann, dass der Geschädigte überhaupt in vertragliche Beziehungen zu einem böswilligen Vertragspartner getreten ist, der von vornherein darauf ausging, den Vertragspartner unter planmäßiger Ausnutzung eines beim Vertragsschluss durch Vorspiegelung von Tatsachen erregten Irrtums zur späteren Entgegennahme einer vertragswidrigen Leistung zu veranlassen.
167
Einen vollendeten Eingehungsbetrug hat der Bundesgerichtshof zuletzt auch in dem betrügerisch veranlassten Eingehen eines Risikogeschäfts gesehen , das mit einer nicht mehr vertragsimmanenten Verlustgefahr verbunden ist (BGH NJW 2009, 2390). Er hat dabei ausgeführt, der mit der Vermögensverfügung unmittelbar eingetretene Vermögensschaden sei durch das Verlustrisiko im Zeitpunkt der Vermögensverfügung bestimmt.
168
d) Entgegen der Ansicht der Revisionen steht auch das Erfordernis der Stoffgleichheit einer Strafbarkeit des Angeklagten nicht entgegen. Der rechtswidrige Vermögensvorteil, den der Täter für sich oder einen Dritten erlangen will, muss die Kehrseite des Schadens sein. Unmittelbare Folge des Vertragsabschlusses war für den Angeklagten die Verbesserung seiner Vermögenssituation. Diese bestand darin, dass der getäuschte Lebensversicherer die Deckung des Risikos zu nicht äquivalenten Konditionen übernahm und dem Ange- klagten die Möglichkeit eröffnete, diese Risikodeckung zur Fingierung des Todesfalles auszunutzen.
169
2. Dementsprechend setzte der Angeklagte Y. A. in 19 weiteren Fällen (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) zur Begehung eines Eingehungsbetrugs unmittelbar an, indem er mit täuschenden Angaben in den Anträgen die Versicherungsunternehmen jeweils zum Abschluss entsprechender Verträge zu veranlassen suchte. Mit der Einreichung des Antrags nahm er diejenige Täuschungshandlung vor, die nach seiner Vorstellung dazu ausreichte, denjenigen Irrtum hervorzurufen, der den Getäuschten zu der schädigenden Vermögensverfügung bestimmen und damit den Schaden herbeiführen sollte (vgl. BGHSt 37, 294, 296).
170
Die Einwände der Revisionen, die Angeklagten hätten noch nicht unmittelbar zur Tatbegehung angesetzt, sondern seien lediglich im Stadium der straflosen Vorbereitungshandlungen verblieben, haben deshalb im Ergebnis keinen Erfolg. Sie sind lediglich im Ausgangspunkt insoweit berechtigt, als die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts, in allen Fällen habe ein versuchter Erfüllungsbetrug vorgelegen, rechtlich nicht haltbar ist.
171
Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, sobald der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn er bereits eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt bzw. ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Auch eine frühere, vorgelagerte Handlung kann bereits die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar einmündet oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang steht. Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen jedoch stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles. Hierbei können etwa die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium Bedeutung gewinnen (BGHR StGB § 22 Ansetzen 30 m. w. N.).
172
Hier fehlt es für den vom Oberlandesgericht angenommenen Erfüllungsbetrug an einem unmittelbaren Ansetzen zur Tat im Sinne des § 22 StGB, da zunächst noch wesentliche Zwischenschritte erfolgreich hätten zurückgelegt werden müssen, bevor es möglich gewesen wäre, die Versicherungen zur Leistung auf den Todesfall in Anspruch zu nehmen. Denn bevor nicht der Tod des Angeklagten Y. A. in Ägypten fingiert und die entsprechend gefälschten Unterlagen beschafft waren, wäre es nicht möglich gewesen, die Versicherer durch deren Vorlage auf Auszahlung der Versicherungssummen in Anspruch zu nehmen.
173
3. An den 28 Taten des vollendeten bzw. versuchten Betrugs des Angeklagten Y. A. beteiligte sich der Angeklagte K. als Mittäter.
174
Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen; es kann auch eine solche im Vorbereitungsstadium des unmittelbar tatbestandsmäßigen Handelns genügen. Der Mittäter muss nur einen Beitrag leisten, der die Tat fördert und er muss die Tat als eigene wollen. Die Annahme von Mittäterschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in wertender Betrachtung der festgestellten Tatsachen zu prüfen. Dafür sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zu ihr maßgeb- lich (BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26 m. w. N.). Danach hat das Oberlandesgericht den Angeklagten K. zutreffend als Mittäter angesehen. Er nahm zwar selbst keine Täuschungshandlung vor, war aber der Ideengeber und beteiligte sich intensiv an der Planung der Taten, sorgte nach den Vertragsabschlüssen für die Bezahlung der Prämien und sollte nach dem Tatplan bei der Geltendmachung der Versicherungsleistungen mitwirken. An der Tat hatte er selbst ein großes Interesse.
175
4. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts beteiligte sich der Angeklagte I. A. , nachdem er am 21. September 2004 von den beiden Mitangeklagten in das Betrugsvorhaben eingeweiht worden war, an den nach diesem Tag begangenen Taten (fünf Fälle des vollendeten und 18 Fälle des versuchten Betrugs). Die Würdigung des Oberlandesgerichts, der Angeklagte sei dabei Mittäter gewesen, hält rechtlicher Überprüfung nach den oben dargelegten Grundsätzen noch stand. Zwar nahm auch er nicht selbst Täuschungshandlungen vor, zudem sollte er persönlich von der erwarteten Beute nicht profitieren. Gleichwohl hatte er insoweit ein eigenes Interesse an der Tat, als er wusste, dass mit einem Teil der Beute seine Familie (Mutter und Geschwister ) unterstützt werden sollten. Hinzu kommt, dass er im Endstadium des Betrugsvorhabens als Begünstigter der Lebensversicherungsverträge die entscheidende Tatherrschaft haben sollte und seine Mitwirkung deshalb notwendige Bedingung für das Tatvorhaben war.
176
Für die vor dem 21. September 2004 begangenen Taten ist indes ein strafbares Handeln des Angeklagten I. A. nicht belegt. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts und des Generalbundesanwalts können ihm die Tatbeiträge der Mitangeklagten auch nicht nach den Grundsätzen der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden. Eine solche liegt bei demjenigen vor, der in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen tatbestandsmäßigen Handelns in das tatbestandliche Geschehen eingreift. Die Zurechnung bereits verwirklichter Tatumstände ist aber nur dann möglich, wenn der Hinzutretende selbst einen für die Tatbestandsverwirklichung ursächlichen Beitrag leistet. Kann der Hinzutretende die weitere Tatausführung dagegen nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs schon alles getan ist und das Tun des Eintretenden auf den weiteren Ablauf des Geschehens ohne jeden Einfluss bleibt, kommt mittäterschaftliche Mitwirkung trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH NStZ 1984, 548; 1998, 565). So liegt es hier. Der Angeklagte billigte nach seinem Hinzukommen zwar die Tatausführung durch die Mitangeklagten, erklärte sich bereit, in einem späteren Stadium der Tat durch eigene Tatbeiträge zur endgültigen Beutesicherung beizutragen , und beteiligte sich mit Vorschlägen an der weiteren Tatausführung. Er leistete aber für diese ersten fünf Taten selbst keinen Tatbeitrag mehr. Bei zwei Fällen (Fälle 1 und 4) waren die Versicherungsverträge schon abgeschlossen, in zwei Fällen (Fälle 2 und 3) sind die Versicherungsverträge später abgeschlossen worden, im Fall 4 hat die Versicherung den Vertragsabschluss am 4. Oktober 2004 abgelehnt. In keinem Fall ist ein Tätigwerden des Angeklagten, das auf den weiteren Ablauf Einfluss gehabt hätte, festgestellt. Insoweit ist ohne Bedeutung, dass auf alle vier abgeschlossenen Versicherungsverträge Prämienzahlungen auch nach dem 21. September 2004 erfolgten. Dies entsprach zwar dem inzwischen von allen drei Angeklagten gefassten Tatplan, indes lag darin nur ein Aufrechterhalten der durch die frühere Täuschung erreichten Fehlvorstellung des jeweiligen Versicherers über eine korrekte Vertragsabwicklung und keine weitere tatbestandsrelevante Täuschungshandlung.
177
Der Senat kann daher offenlassen, ob angesichts der Fallbesonderheiten - zur Vertiefung des Schadens durch Inanspruchnahme der Lebensversicherungen nach einem fingierten Todesfall sollte der Angeklagte ganz erhebliche Tatbeiträge leisten - eine sukzessive Mittäterschaft im Rahmen des Betrugstatbestands zwischen Vollendung und Beendigung hier in Frage kommen könnte (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 5; BGH, Beschl. vom 2. Juli 2009 - 3 StR 131/09).
178
5. Mit der Zustimmung des Angeklagten I. A. zu dem Tatplan und mit dessen erklärter Bereitschaft, sich im weiteren Verlauf der Tat an der Geltendmachung der Ansprüche auf Auszahlung der Versicherungssummen zu beteiligen und die Beute auszukehren, haben sich die Angeklagten zu einer Bande verbunden, um in der Folgezeit - jedenfalls in der in Aussicht genommenen kurzen, im einzelnen aber noch nicht genau bestimmten Zeitspanne - weitere Betrugstaten zu begehen. Damit liegt bei den nach dem 21. September 2004 begangenen Taten (ab Fall 6) jeweils das Regelbeispiel bandenmäßiger Begehung für die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB vor.
179
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts fehlt dieses Merkmal bei den ersten fünf Taten. Der Angeklagte I. A. war an diesen Taten nicht beteiligt, die für eine Bande erforderliche Bandenabrede zum Tatzeitpunkt noch nicht getroffen. Die Mitangeklagten handelten deshalb lediglich als Mittäter (vgl. BGH, Beschl. vom 17. März 2009 - 4 StR 607/08).
180
IV. Konkurrenzen
181
Das Verhältnis zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung und den Betrugstaten hat das Oberlandesgericht im Grundsatz zutreffend beurteilt.
182
1. Der Angeklagte K. hat die neun Taten des Betrugs (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) jeweils in Verfolgung der Ziele der Al Qaida begangen. Sie stehen deshalb mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an der ausländischen terroristischen Vereinigung jeweils in Tateinheit. Zugleich werden sie, da das Verbrechen nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB gegenüber den Betrugstaten das schwerere Delikt ist, von diesem zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verklammert (vgl. BGHSt 29, 288, 291; BGHR StGB § 129 Konkurrenzen 1; § 129 a Konkurrenzen

4).


183
2. Bei dem Angeklagten Y. A. stellen sich die neun Taten des Betrugs (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) im Ergebnis als Teile einer einheitlichen Unterstützungshandlung für die ausländische terroristische Vereinigung dar.
184
Im Ausgangspunkt besteht allerdings bei einer Mehrzahl von Unterstützungshandlungen zwischen diesen jeweils Tatmehrheit. Hierin liegt der Unterschied zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, bei der mehrere Einzelakte zu einem tatbestandlichen Verhaltenstypus im Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 193). Eine tatbestandliche Handlungseinheit zwischen mehreren Unterstützungshandlun- gen kommt nur in Betracht, wenn es um ein und denselben Unterstützungserfolg geht und die einzelnen Akte einen engen räumlichen, zeitlichen und bezugmäßigen Handlungszusammenhang aufweisen (vgl. Krauß aaO m. w. N.). So liegt es hier. Sämtliche Handlungen bezogen sich auf das einheitliche, übergeordnete Ziel der Unterstützung. Die Bemühungen dienten stets nach demselben Tatschema dem Zweck, aus der gesamten erstrebten Betrugsbeute die ausländische terroristische Vereinigung Al Qaida in Form einer Geldzuwendung zu stärken. Die Handlungen standen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang. Zum Teil beantragte der Angeklagte an einem Tag bei demselben Versicherer den Abschluss mehrerer Versicherungsverträge oder stellte Anträge bei mehreren Versicherern.
185
Die somit einheitliche Unterstützungshandlung verbindet nach den unter vorstehend 1. für die mitgliedschaftliche Beteiligung dargestellten Grundsätzen, die im Hinblick auf den am jeweiligen Strafrahmen zu messenden Unrechtsgehalt des § 129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB einerseits und des § 263 Abs. 1 bzw. Abs. 3 Satz 1 StGB andererseits für diese Konstellation entsprechend gelten , die einzelnen vollendeten bzw. versuchten Betrugstaten ebenfalls zur Tateinheit.
186
3. Bei dem Angeklagten I. A. stellen sich die fünf Taten des Betrugs (Fälle 6, 16, 22, 30, 33) und die 18 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) im Ergebnis ebenfalls als Teile einer einheitlichen Unterstützungshandlung für die ausländische terroristische Vereinigung dar.
187
Als Mittäter muss sich der Angeklagte die im Rahmen des gemeinsamen Tatplans mit seiner Billigung erbrachten Tathandlungen seiner Mittäter - und damit alle 23 vom Mitangeklagten Y. A. seit seinem Hinzutre- ten und der Bildung der Bande begangenen Täuschungshandlungen - zurechnen lassen. Die Frage des rechtlichen Zusammentreffens ist jedoch bei einer Tatserie für jeden einzelnen Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des Tatbeitrags jedes Tatbeteiligten (BGH StV 2002, 73). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts hat der Angeklagte seinen Tatbeitrag insgesamt durch die Bereitschaft zur Geltendmachung der Versicherungsleistungen sowie durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum Verfahrensablauf der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art erbracht. Beiträge , die auf einzelne Betrugstaten konkretisiert waren, sind nicht festgestellt. In diesem Fall werden ihm die Einzeltaten des Mitangeklagten als in gleichartiger Tateinheit begangen zugerechnet (vgl. Fischer aaO § 25 Rdn. 23 m. w. N.). Diese Tatbeiträge zum Betrug stellen gleichzeitig die Unterstützungshandlung des Angeklagten dar. Dementsprechend liegt - wie das Oberlandesgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat - auch nur eine Tat des Unterstützens einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor.
188
V. Schuldspruchänderung
189
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch weitergehende Feststellungen zur Beteiligung des Angeklagten Y. A. an der Al Qaida getroffen werden können. Er hat deshalb den Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig ist. Außerdem hat er die durch die abweichende rechtliche Beurteilung der Betrugstaten notwendigen Änderungen der Schuldsprüche vorgenommen. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn die Angeklagten hätten sich dagegen hier nicht anders als geschehen verteidigen können.
190
VI. Strafausspruch
191
1. Bei dem Angeklagten K. bleibt der Strafausspruch von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Oberlandesgericht hat die Strafe aus dem Strafrahmen des § 129 a Abs. 1 StGB (ein Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe ) entnommen. Der Senat schließt aus, dass es bei zutreffender rechtlicher Beurteilung der Betrugstaten auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Zwar können die Fälle 1 bis 5 nicht mehr als bandenmäßig begangen und damit regelmäßig als besonders schwere Fälle des Betrugs bzw. des versuchten Betrugs beurteilt werden. Indes sind neun der Taten als vollendet anzusehen, was deren Gewicht für die Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten erhöht. Der Bestand der Strafe ist auch nicht deshalb gefährdet, weil die (potentiellen) Vermögensschäden der Versicherer durch die (versuchten) Eingehungsbetrugstaten , die der Schuldspruchänderung durch den Senat zugrunde liegen, wesentlich hinter den Beträgen zurückbleiben, die der Angeklagte letztlich nach gelungener Vortäuschung des Versicherungsfalles für sich und die Mittäter erlangen wollte. Das Oberlandesgericht ist insgesamt nur von Versuchsfällen ausgegangen und hat demgemäß einen Schadenseintritt verneint. Dass es die Höhe der beabsichtigten Bereicherung durch Zahlung der Versicherungssummen im Sinne einer Beuteerwartung strafschärfend berücksichtigt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden und stellt auch auf der Grundlage der vom Senat ausgeurteilten (versuchten) Eingehungsbetrugstaten einen maßgeblichen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar. Demgegenüber hat aber auch bereits das Oberlandesgericht ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass der Eintritt dieses letztendlich ins Auge gefassten Schadens noch sehr weit entfernt war und noch weiterer Zwischenschritte bedurft hätte.
192
2. Die Strafe für den Angeklagten Y. A. kann hingegen nicht bestehen bleiben. Durch die Änderung des Schuldspruchs hat sich der die Strafe bestimmende Strafrahmen in seiner Untergrenze von einem Jahr auf sechs Monate Freiheitsstrafe abgesenkt. Zwar hat sich das Oberlandesgericht daran nicht orientiert; auch ist die Obergrenze des Strafrahmens mit zehn Jahren gleichgeblieben. Dennoch kann der Senat - schon wegen der Nähe der verhängten Strafe zu derjenigen für den wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung verurteilten Mitangeklagten K. - nicht ausschließen, dass die Strafe milder ausgefallen wäre, wenn das Oberlandesgericht den Angeklagten zutreffend nur wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen hätte.
193
Über den Strafausspruch muss deshalb erneut durch den Tatrichter entschieden werden. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von der rechtsfehlerhaften Einordnung des Tatbeitrags des Angeklagten nicht berührt sind. Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen dürfen.
194
Damit wird die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung gegenstandslos (Meyer-Goßner aaO § 464 Rdn. 20).
195
3. Bei dem Angeklagten I. A. bleibt der Strafausspruch von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Oberlandesgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) entnommen. Der Senat kann auch hier ausschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Beurteilung auf eine geringere Strafe erkannt hätte. Zwar sind die ersten fünf Betrugstaten im Schuldspruch entfallen; indes wird der Schuldumfang davon bestimmt, dass der Angeklagte bereit war, auch hinsichtlich der ohne seine Mitwirkung begangenen Betrugstaten die letztendlich erwartete Beute durch die Geltendmachung und Vereinnahmung der Versicherungsleistungen zu sichern.
196
VII. Kostenbeschwerde
197
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung wird als unbegründet verworfen, da diese dem Gesetz entspricht.
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Schäfer
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. Dem Angebot auf Abschluss eines Sportwettenvertrages ist
in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen,
dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht
vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert ist (im Anschluss
an BGHSt 29, 165).
2. Zur Schadensfeststellung beim Sportwettenbetrug.
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 15. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 28. November und 15. Dezember 2006, an der teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B. ,
Rechtsanwalt C.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en A. S. ,
Rechtsanwalt H.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en M. S. ,
Rechtsanwalt H. ,
Rechtsanwalt D.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en R. H. ,
Rechtsanwältin Ko.
als Verteidigerin für den Angeklagten D. M. ,
Rechtsanwalt St.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en F. S. ,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 15. Dezember 2006 für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. November 2005 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: A. S. wegen Betruges in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten, M. S. wegen Betruges und wegen Beihilfe zum Betrug in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, R. H. (unter Freisprechung im Übrigen) wegen Beihilfe zum Betrug in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten, D. M. (unter Freisprechung im Übrigen) wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie F. S. wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Soweit Freiheitsstrafen unter zwei Jahren verhängt worden sind, hat das Landgericht deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die mit der Sachrüge und teilweise mit Verfahrensrügen geführten Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Der Angeklagte A. S. , ein jüngerer Bruder der Angeklagten M. und F. S. , beschäftigte sich seit vielen Jahren intensiv mit Sportwetten. Seit 2000 riskierte und gewann er jährlich sechsstellige Beträge. Aufgrund seines großen Insiderwissens im Sportbereich verfügte er vielfach über einen Wissensvorsprung gegenüber den Buchmachern und konnte deshalb erhebliche Gewinne erzielen. Die hohen Wetterfolge führten dazu, dass die in Berlin ortsansässigen Buchmacher seine Wettmöglichkeiten erheblich beschränkten und seinen Einsatz limitierten. Im Jahr 2003 konnte A. S. höhere Einsätze praktisch nur noch bei der von der Deutschen Klassenlotterie Berlin (DKLB) unter dem Namen „Oddset“ betriebenen Sportwette plazieren; die dabei vorgegebenen festen Quoten empfand er als „die schlechtesten Wettquoten in ganz Europa“. Sein Wettverhalten wurde zusätzlich dadurch reglementiert, dass er Kombinationswetten spielen musste. Dabei kann der Wettende nicht mehr auf ein Sportereignis allein wetten, sondern muss das Ergebnis verschiedener Sportereignisse, vornehmlich Fußballspiele, vorhersagen.
4
Bis Frühjahr 2004 hatte A. S. bei Oddset insgesamt Spielverluste in Höhe von 300.000 bis 500.000 Euro erlitten. Zu dieser Zeit entschloss er sich, seine Gewinnchancen durch Einflussnahme auf das Spielgeschehen mittels Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern entscheidend zu erhöhen, um so den bei Oddset verlorenen Betrag zurückzugewinnen. Selbstverständlich hielt er diese Manipulationen vor dem jeweiligen Wettanbieter geheim, schon um von diesem nicht von der Spielteilnahme ausgeschlossen zu werden. In Ausführung seines Plans kam es zu zehn einzelnen Taten, wobei die Wetten jeweils zu festen Gewinnquoten abgeschlossen wurden.
5
Der Angeklagte A. S. gewann dabei, teilweise unter Mithilfe seiner Brüder, die angeklagten Schiedsrichter H. und M. sowie den gesondert verfolgten Fußballspieler K. und andere Fußballspieler gegen Zahlung oder das Versprechen von erheblichen Geldbeträgen (zwischen 3.000 und 50.000 Euro) dazu, dass diese den Ausgang von Fußballspielen durch falsche Schiedsrichterentscheidungen oder unsportliche Spielzurückhaltung manipulieren. In einem Fall half R. H. , seinen Kollegen M. für eine Manipulation zu gewinnen. Betroffen waren Fußballspiele in der Regionalliga, in der Zweiten Bundesliga und im DFB-Pokal. Teilweise gelangen die von A. S. geplanten Manipulationen nicht, teilweise hatten die kombiniert gewetteten Spiele nicht den von ihm erhofften Ausgang. In vier Fällen (Fälle 2, 6, 7 und 11 der Urteilsgründe) gewann A. S. ganz erhebliche Geldbeträge (zwischen 300.000 und 870.000 Euro), in den übrigen Fällen verlor er seine Einsätze. Im Fall 10 der Urteilsgründe setzte auch M. S. Beträge in eigenem Interesse. Nach den Feststellungen des Landgerichts lag der bei den Wettanbietern in allen zehn Fällen insgesamt verursachte Vermögensschaden bei knapp 2 Mio. Euro (Gewinn abzüglich der jeweiligen Einsätze), in Fällen erfolgloser Wetten nahm das Landgericht darüber hinaus eine schadensgleiche Vermögensgefährdung von insgesamt etwa 1 Mio. Euro an.
6
Das Landgericht hat jeweils einen vollendeten Betrug durch A. S. (im Fall 10 auch durch M. S. ) aufgrund einer konkludenten Täuschung der Angestellten der Wettannahmestellen bei Abgabe der Wettscheine angenommen. Aufgrund dieser Täuschung sei das Personal der Wettannahmestellen dem Irrtum erlegen, es läge bei dem jeweils vorgelegten Spielschein nicht der Ablehnungsgrund einer unlauteren Einflussnahme des Wettenden auf ein wettgegenständliches Spiel vor. Der hierdurch bedingte Abschluss des Wettvertrages habe unmittelbar zu einer schadensgleichen Vermögensgefährdung bei dem jeweiligen Wettanbieter in Höhe des möglichen Wettgewinns abzüglich des Einsatzes geführt.

II.


7
Die Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.
8
1. Die Verfahrensrügen, in denen jeweils die Behandlung von Wettbedingungen als Verstoß gegen § 244 Abs. 2, Abs. 3 oder § 261 StPO beanstandet wird, zeigen – unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der jeweiligen Verfahrensbeanstandungen (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) – keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Revisionen sind die Teilnahmebedingungen der DKLB für Oddset-Wetten und die Bedingungen der übrigen Wettanbieter für die rechtliche Lösung des Falls unerheblich:
9
a) Allgemeine Geschäftsbedingungen, die bei Vertragsschluss wirksam einbezogen werden, könnten im vorliegenden Fall allenfalls dann beachtlich sein, wenn sie zum Vorteil manipulierender Wettkunden vom geltenden Recht abweichen würden, also etwa – was überaus fernliegend ist und von den Revisionen auch nicht behauptet wird – ausnahmsweise eine Manipulation des Wettgegenstandes erlauben oder eine diesbezügliche Überprüfung des Wettkunden bzw. der Wetten auf Manipulation ausschließen würden.
10
b) Im Übrigen ergibt sich schon aus dem (allgemein) geltenden Zivilrecht , dass bei einer Wette auf den Ausgang eines zukünftigen Sportereignisses eine vorsätzliche Manipulation des Wettereignisses vertragswidrig ist. Schon hiernach ist selbstverständlich, dass kein Wettanbieter Wetten auf Sportereignisse entgegennehmen muss oder zur Auszahlung des Wettbetrages verpflichtet ist, wenn der Wettende das Wettrisiko durch eine Manipulation des Sportereignisses zu seinen Gunsten erheblich verschiebt. Die Teilnahmebedingungen haben aus diesem Grund auch keinen entscheidenden Einfluss auf die Feststellung des Erklärungsinhalts im Rahmen des Wettvertragsschlusses. Denn dass der Wettanbieter bei einer Manipulation des Sportereignisses nicht an den Wettvertrag gebunden bleibt, ergibt sich schon aus der gravierenden Verletzung vertraglicher Nebenpflichten durch den Wettenden. Ob die Teilnahmebedingungen der DKLB nach den jeweiligen Taten geändert wurden oder nicht, ist entgegen der Auffassung einzelner Revisionen rechtlich unerheblich, weil es allein auf die Umstände zur Tatzeit ankommt.
11
Es ergibt sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hier auch – anders als etwa im Fall der Fehlbuchung (dazu näher BGHSt 39, 392; 46, 196) – kein Ansatzpunkt zum Verständnis der Erklärungen bei Wettabschluss. Bei einer arglistigen Manipulation der Vertragsgrundlage bedarf es keiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen, um eine entsprechende Prüfungspflicht bzw. ein Ablehnungs- oder Anfechtungsrecht des Wettanbieters zu statuieren. Dies ergibt sich bereits aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Anders als einige Revisionen meinen, bestimmen oder begrenzen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch nicht Prüfungsrecht und Prüfungspflicht desjenigen, der den Wettschein für den Wettanbieter entgegennimmt. Für den Erklärungsinhalt und die Überprüfungspflicht wichtig können Allgemeine Geschäftsbedingungen allerdings dann sein, wenn es nicht um die aktive Manipulation des Vertragsgegenstandes, sondern um das Ausnutzen von Fehlern wie etwa bei einer Fehlbuchung geht (vgl. BGHSt 46,

196).


12
Auf Allgemeine Geschäftsbedingungen kommt es vorliegend auch deshalb nicht entscheidend an, weil weder die Feststellungen des Landgerichts noch der Revisionsvortrag eine wirksame Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen belegen (vgl. §§ 305, 305a BGB).
13
c) Dies gilt unabhängig davon, ob es um Wettabschlüsse mit deutschen oder mit ausländischen Wettanbietern über deutsche Sportwettenvermittler geht. In allen diesen Fällen bestimmt sich die Rechtslage nach dem dargestellten deutschen Recht (Art. 28 und Art. 29 EGBGB; vgl. auch Heldrich in Palandt, BGB 66. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 19; Martiny in MünchKomm-BGB 4. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 376).
14
2. Auch die Sachrügen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
15
a) Das Landgericht hat die Taten im Ergebnis zutreffend als zehn Fälle des Betruges zum Nachteil der jeweiligen Wettanbieter angesehen.
16
Der Angeklagte A. S. (im Fall 10 auch M. S. ) hat bei Abgabe der Wettscheine konkludent erklärt, nicht an einer Manipulation des Wettgegenstandes beteiligt zu sein, und hat hierdurch den Mitarbeiter der Annahmestelle getäuscht, so dass dieser irrtumsbedingt die jeweiligen Wettverträge abschloss, wodurch den Wettanbietern täuschungsbedingt ein Schaden entstanden ist.
17
aa) Der 3. Strafsenat hat bereits entschieden, dass ein Wettteilnehmer , der den Gegenstand des Wettvertrages zu seinen Gunsten beeinflusst, einen Betrug begeht, wenn er diesen Umstand bei Abschluss des Wettvertrages verschweigt (BGHSt 29, 165, 167 – „Pferdewetten“): Dem Vertragsangebot könne die stillschweigende Erklärung entnommen werden, der Wetter selbst habe die Geschäftsgrundlage der Wette nicht durch eine rechtswidrige Manipulation verändert; in dem Verschweigen der Manipulation liege eine Täuschung durch schlüssiges Handeln (BGHSt 29, 165, 167 f.). Der Senat sieht entgegen der Bundesanwaltschaft keinen Anlass, von dieser in der Literatur vielfach geteilten Auffassung (vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 263 Rdn. 18; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 263 Rdn. 16e; Hefendehl in MünchKomm-StGB § 263 Rdn. 113; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 263 Rdn. 9; Kindhäuser in NK-StGB 2. Aufl. § 263 Rdn. 133; Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 71; Valerius SpuRt 2005, 90, 92; Weber in Pfister [Hrsg.], Rechtsprobleme der Sportwette [1989] S. 39, 62; a. A. etwa Schlösser NStZ 2005, 423, 425 f.; jeweils m.w.N.) im Ergebnis abzurücken.
18
Gegen die Auffassung, beim Abschluss einer Sportwette erkläre der Wetter zugleich die Nichtmanipulation des sportlichen Ereignisses, wird – im Anschluss an BGHSt 16, 120 („Spätwette“, m. abl. Anm. Bockelmann NJW 1961, 1934) – geltend gemacht, die Annahme einer solchen Erklärung liefe auf eine „willkürliche Konstruktion“ hinaus (vgl. Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung [2001] S. 164 f.; Weber aaO S. 57 f.; Schlösser aaO S. 425 f.; Schild ZfWG 2006, 213, 215 ff.); damit werde zudem in unzulässiger Weise ein lediglich gemäß § 13 StGB strafbares Unterlassen in ein aktives Tun umgedeutet (vgl. Schlösser aaO S. 426; Schild aaO S. 216). Gegen diese auch von der Bundesanwaltschaft erhobenen Einwände spricht folgendes:
19
(1) In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, dass außer durch ausdrückliche Erklärung, namentlich durch bewusst unwahre Behauptungen , eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB auch konkludent erfolgen kann, nämlich durch irreführendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist. Davon ist auszugehen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt (BGHSt 47, 1, 3; vgl. auch Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 12; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 22; jeweils m.w.N.).
20
Der Erklärungswert eines Verhaltens ergibt sich demnach nicht nur aus demjenigen, was ausdrücklich zum Gegenstand der Kommunikation gemacht wird, sondern auch aus den Gesamtumständen der konkreten Situation (vgl. Vogel in Gedächtnisschrift für Rolf Keller [2003] S. 313, 315). Dieser unausgesprochene Kommunikationsinhalt wird wesentlich durch den dem Erklärenden bekannten Empfängerhorizont und damit durch die ersichtlichen Erwartungen der Beteiligten bestimmt (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 12). Derartige tatsächliche Erwartungen werden ganz wesentlich auch durch die Anschauungen der jeweiligen Verkehrskreise und die in der Situation relevanten rechtlichen Normen geprägt (vgl. auch Hefendehl aaO § 263 Rdn. 88; Tiedemann aaO § 263 Rdn. 30). In aller Regel muss der Inhalt konkludenter Kommunikation deshalb auch unter Bezugnahme auf die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmt werden, von denen ersichtlich die Erwartungen der Kommunikationspartner geprägt sind. Bei der Ermittlung des Erklärungswertes eines konkreten Verhaltens sind daher sowohl faktische als auch normative Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 14/15; Vogel aaO S. 316).
21
Entscheidende Kriterien für die Auslegung eines rechtsgeschäftlich bedeutsamen Verhaltens sind neben der konkreten Situation der jeweilige Geschäftstyp und die dabei typische Pflichten- und Risikoverteilung zwischen den Partnern (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 22; Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 14/15). Liegen keine Besonderheiten vor, kann der Tatrichter regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation schließen. Ein derartiger Schluss des Tatrichters von den Gesamtumständen eines Geschehens, die auch von normativen Erwartungen geprägt sind, auf einen bestimmten Kommunikationsinhalt führt nicht zur „Fiktion“ einer Erklärung.
22
Für eine Vielzahl von Fallgruppen hat die Rechtsprechung anhand des jeweiligen Geschäftstyps und der dabei üblichen Pflichten- und Risikoverteilung den jeweils typischen Inhalt konkludenter Kommunikation herausgearbeitet (vgl. näher Tiedemann aaO § 263 Rdn. 31 ff.; Hefendehl aaO § 263 Rdn. 93 ff.; Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 13 ff.; je m.w.N.). Erklärungsinhalt kann danach auch sein, dass etwas nicht geschehen ist (sog. „Negativtatsache“ ), etwa ein Angebot ohne vorherige Preisabsprache zwischen den Bietern zustande kam (vgl. BGHSt 47, 83, 87). Eine konkludente Erklärung derartiger Negativtatsachen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn es um erhebliche vorsätzliche Manipulationen des Vertragsgegenstandes geht, auf den sich das kommunikative Verhalten bezieht (vgl. RGSt 20, 144: Überstreichen schwammbefallener Hausteile; RGSt 59, 299, 305 f.: Überdecken schlechter Ware; RGSt 29, 369, 370; 59, 311, 312; BGH MDR 1969, 497 f.: Verfälschen von Lebensmitteln; BGHSt 8, 289: Zurückbehalten des Hauptgewinnloses einer Lotterie; BGH NJW 1988, 150: Erschleichen einer Prädikatsbezeichnung für Wein; BGHSt 38, 186; 47, 83: unzulässige vorherige Preisabsprache; vgl. zur konkludenten Täuschung bei Manipulation auch Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug [1999] S. 87). Zwar reicht die allgemeine Erwartung, der andere werde sich redlich verhalten, für die Annahme entsprechender konkludenter Erklärungen nicht aus. Abgesehen davon , dass die Vertragspartner aber ein Minimum an Redlichkeit im Rechtsverkehr , das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen dürfen (vgl. Cramer /Perron aaO § 263 Rdn. 14/15), ist die Erwartung, dass keine vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht, unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Erklärungen. Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird.
23
Bei der Sportwette, einer Unterform des wesentlich durch Zufall bestimmten Glücksspiels (vgl. BGH NStZ 2003, 372, 373; Hofmann/Mosbacher NStZ 2006, 249, 251 m.w.N.), ist Gegenstand des Vertrages das in der Zukunft stattfindende und von den Sportwettenteilnehmern nicht beeinflussbare (vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand [1994] S. 471) Sportereignis. Auf diesen Vertragsgegenstand nimmt jede der Parteien bei Abgabe und Annahme des Wettscheins Bezug. Beim Abschluss einer Sportwette erklärt demnach regelmäßig jeder der Beteiligten konkludent, dass das wettgegenständliche Risiko nicht durch eine von ihm veranlasste, dem Vertragspartner unbekannte Manipulation des Sportereignisses zu seinen Gunsten verändert wird (BGHSt 29, 165). Denn dies erwartet nicht nur der Wettanbieter vom Wettenden, sondern auch umgekehrt der Wettende vom Wettanbieter.
24
Weil sich eine Sportwette zwangsläufig auf ein in der Zukunft stattfindendes Ereignis bezieht, kann sich die Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits endgültig durchgeführte, sondern nur auf eine beabsichtigte Manipulation beziehen. Eine Täuschung ist jedenfalls dann anzunehmen , wenn zu dem konkreten Plan der Manipulation des zukünftigen Sportereignisses die konkrete Einflussnahme tritt, etwa wie hier durch die vorherigen Abreden mit Teilnehmern an dem Sportereignis, die ihre Manipulationsbereitschaft zugesagt haben. Nur in einem solchen Fall wird der Wettende auch – wie hier – erhebliche Beträge auf einen eher unwahrscheinlichen (und dafür zu hohen Gewinnquoten angebotenen) Spielausgang setzen. Wer erhebliche Beträge zu hoher Quote auf einen unwahrscheinlichen Spielausgang setzt und in Manipulationen des Spielgeschehens verstrickt ist, hat diese regelmäßig bereits zuvor schon so hinreichend konkret ins Werk gesetzt, dass es bei normalem Lauf der Dinge allein von ihm abhängt, ob es zu der unlauteren Beeinflussung des Spielverlaufs kommt. Dass dies bei A. S. jeweils der Fall war, ist den Feststellungen des Landgerichts zu den Wettvertragsabschlüssen insgesamt mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen.
25
Dieser Begründung steht die Entscheidung des Senats in BGHSt 16, 120 („Spätwette“) nicht entgegen. Dort ging es nicht um eine Manipulation des Vertragsgegenstandes, sondern um ein überlegenes Wissen des Wettenden , das aus allgemein zugänglichen Informationsquellen stammte. Ob der Wettende bei Abschluss einer Wette auf ein zukünftiges Ereignis auch konkludent erklärt, dieses sei noch nicht eingetreten, so dass er davon nichts wisse, bedarf hier deshalb keiner Entscheidung. Dagegen mag sprechen, dass das Einholen allgemein zugänglicher Informationen über den Wettgegenstand typischerweise in das Risiko jedes Vertragspartners fällt. Berechtigterweise erwartet der Vertragspartner einer Sportwette jedenfalls, dass der andere Teil nicht über Sonderwissen verfügt, das aus einer verwerflichen Manipulation des Wettgegenstandes resultiert (vgl. aber auch Habersack in MünchKomm-BGB 4. Aufl. § 762 Rdn. 19).
26
(2) Entgegen einer in der Literatur verbreiteten Meinung (vgl. Schlösser aaO S. 426; Schild aaO S. 216) handelt es sich bei der Täuschung der jeweiligen Wettbüro-Mitarbeiter um eine konkludente Täuschung durch aktives Tun und nicht um eine Täuschung durch Unterlassen.
27
Die Grenze zwischen einer aktiven konkludenten Täuschung und einer Täuschung durch Unterlassen bestimmt sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Erklärungswert des aktiven Verhaltens. Deshalb darf der Tatrichter grundsätzlich nicht an ein Unterlassen, sondern muss an das aktive Tun – also insbesondere den jeweiligen Vertragsschluss – anknüpfen (missverständlich deshalb BGHSt 29, 165, 167, soweit dort auf ein „Verschweigen“ abgestellt wird), wenn in der Erklärung bereits die Täuschungshandlung zu sehen ist. In diesen Fällen liegt der relevante Handlungsschwerpunkt in einem positiven Tun, weil der Täter inzident die Essentialia zusichert, die – wie oben dargestellt – zur unverzichtbaren Grundlage des Geschäfts zählen. Deshalb ist im vorliegenden Fall ein aktives Verhalten, nämlich der Abschluss des Wettvertrages, die strafbarkeitsbegründende Täuschungshandlung , weil ihm der Erklärungswert zukommt, nicht auf Manipulationen des Vertragsgegenstandes hingewirkt zu haben. Da bereits ein Betrug durch aktives Tun vorliegt, kann dahinstehen, ob hier auch ein Betrug durch Unterlassen der Aufklärung über die Spielmanipulation (vgl. zu einer möglichen Aufklärungspflicht Henssler aaO S. 471; Habersack aaO § 762 Rdn. 19) oder später (vgl. etwa in Fall 7 der Urteilsgründe das Gespräch mit den Vertretern des Wettveranstalters) gegeben ist (vgl. allgemein zu den Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen einer Täuschung durch Tun und durch Unterlassen Tiedemann aaO § 263 Rdn. 29 m.w.N.; Schlösser aaO S. 426).
28
bb) Durch die konkludente Täuschung über die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes ist bei den jeweiligen Mitarbeitern der Wettanbieter auch ein entsprechender Irrtum erregt worden (vgl. BGHSt 29, 165, 168). Die Mitarbeiter der Wettanbieter gingen – jedenfalls in Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins (hierzu näher Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 35 m.w.N.) – jeweils davon aus, dass das wettgegenständliche Risiko nicht durch Manipulation des Sportereignisses zu Ungunsten ihres Unternehmens ganz erheblich verändert wird. Ansonsten hätten sie die jeweiligen Wettangebote zu der angebotenen Quote zurückgewiesen. Gerade weil die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes beim Abschluss einer Sportwette mit festen Quoten für die Vertragspartner von entscheidender Bedeutung für die Einschätzung des Wettrisikos ist, verbinden Wettender und Wettanbieter mit ihren rechtsgeschäftlichen Erklärungen regelmäßig die Vorstellung, dass der Wettgegenstand nicht manipuliert wird (vgl. auch BGHSt 24, 386, 389). Hierüber irren sie aber infolge des Verhaltens des anderen Teils. Dieser Irrtum führte auch zu einer Vermögensverfügung, nämlich zum Vertragsabschluss mit dem jeweiligen Wettanbieter.
29
cc) Bei den jeweiligen Wettveranstaltern ist durch diese täuschungsbedingte Vermögensverfügung auch ein Schaden entstanden.
30
(1) In allen Fällen liegt bereits mit Abschluss der jeweiligen Wettverträge ein vollendeter Betrug vor.
31
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug) ergibt der Vergleich der Vermögenslage vor und nach Abschluss des Vertrages , ob ein Vermögensschaden eingetreten ist. Zu vergleichen sind die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen. Wenn der Wert des Anspruchs auf die Leistung des Täuschenden hinter dem Wert der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurückbleibt, ist der Getäuschte geschädigt (vgl. BGHSt 16, 220, 221; BGH NStZ 1991, 488). Entscheidend ist für die Tatbestandserfüllung beim (Eingehungs-)Betrug nämlich, dass der Verfügende aus dem Bestand seines Vermögens aufgrund der Täuschung mehr weggibt, als er zurückerhält (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 64 m.w.N.). Diese für übliche Austauschgeschäfte entwickelte Rechtsprechung bedarf der Anpassung an die Besonderheiten der hier gegenständlichen Sportwetten , bei denen zur Eingehung der vertraglichen Verpflichtungen der Aus- tausch von Einsatz und Wettschein (einer Inhaberschuldverschreibung, vgl. Sprau in Palandt aaO § 793 Rdn. 5) hinzukommt:
32
Bei Sportwetten mit festen Quoten (sog. Oddset-Wetten) stellt die aufgrund eines bestimmten Risikos ermittelte Quote gleichsam den „Verkaufspreis“ der Wettchance dar; die Quote bestimmt, mit welchem Faktor der Einsatz im Gewinnfall multipliziert wird. Weil die von A. S. geplante und ins Werk gesetzte Manipulation der Fußballspiele das Wettrisiko ganz erheblich zu seinen Gunsten verschoben hatte, entsprachen die bei dem Vertragsschluss vom Wettanbieter vorgegebenen Quoten nicht mehr dem Risiko, das jeder Wettanbieter seiner eigenen kaufmännischen Kalkulation zugrunde gelegt hatte. Eine derart erheblich höhere Chance auf den Wettgewinn ist aber wesentlich mehr wert, als A. S. hierfür jeweils in Ausnutzung der erfolgten Täuschung gezahlt hat. Für seinen jeweiligen Einsatz hätte er bei realistischer Einschätzung des Wettrisikos unter Berücksichtigung der verabredeten Manipulation nur die Chance auf einen erheblich geringeren Gewinn erkaufen können. Diese „Quotendifferenz“ stellt bereits bei jedem Wettvertragsabschluss einen nicht unerheblichen Vermögensschaden dar. Dieser ähnelt infolge des für Wetten typischen Zusammenhangs zwischen Wettchance und realisiertem Wettrisiko der vom Landgericht angenommenen schadensgleichen Vermögensgefährdung (gegen deren Annahme indes durchgreifende Bedenken bestehen, vgl. unten [3]) und stellt wirtschaftlich bereits einen erheblichen Teil des beabsichtigten Wettgewinns dar. Dass Wetten für erkannt manipulierte Spiele nicht angeboten werden, ist insoweit ohne Bedeutung. Maßgeblich ist allein, dass der Wettanbieter täuschungsbedingt aus seinem Vermögen eine Gewinnchance einräumt, die (unter Berücksichtigung der Preisbildung des Wettanbieters) gemessen am Wetteinsatz zu hoch ist. Mithin verschafft sich der Täuschende eine höhere Gewinnchance , als der Wettanbieter ihm für diesen Preis bei richtiger Risikoeinschätzung „verkaufen“ würde.
33
Ein derartiger Quotenschaden muss nicht beziffert werden. Es reicht aus, wenn die insoweit relevanten Risikofaktoren gesehen und bewertet werden. Realisiert sich der vom Wettenden infolge seiner Manipulation erstrebte Gewinn nicht, verbleibt es vielmehr bei dem mit erfolgreicher Täuschung bereits erzielten Quotenschaden, so ist dem wegen der geringeren Auswirkungen der Tat im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen.
34
(2) In denjenigen Fällen, in denen es zur Auszahlung von Wettgewinnen auf manipulierte Spiele kam (Fälle 2, 6, 7, 11), ist das mit dem Eingehungsbetrug verbundene erhöhte Verlustrisiko in einen endgültigen Vermögensverlust der jeweiligen Wettanbieter in Höhe der Differenz zwischen Wetteinsatz und Wettgewinn umgeschlagen (vgl. zur Schadensberechnung näher Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 73; Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 71 m.w.N.); der so erzielte Vermögensvorteil war insbesondere das Endziel des mit Hilfe von Manipulationen Wettenden. Weil sich Sportwettenverträge auf ein in der Zukunft stattfindendes Ereignis beziehen, stellt der Quotenschaden das notwendige Durchgangsstadium und damit einen erheblichen Teil des beabsichtigten endgültigen Schadens bei dem Wettanbieter dar.
35
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Kutzner JZ 2006 S. 712, 717; Schild aaO S. 219) liegt der betrugsrelevante Vermögensschaden in diesen Fällen nicht in der – kaum feststellbaren – Differenz zwischen der auf Grund des „normalen Wettverhaltens“ prognostizierten Gesamtgewinnausschüttung und der nach Manipulation tatsächlich auszuschüttenden Gesamtgewinnsumme. Diese mögliche Vermögenseinbuße stünde zudem in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der vom Wettenden beabsichtigten Vermögensmehrung, so dass insoweit Bedenken hinsichtlich der Stoffgleichheit der erstrebten Bereicherung bestünden. Ausreichend und allein maßgeblich ist, dass der jeweilige Wettanbieter täuschungsbedingt den Wettgewinn auszahlt, auf den der Wettende wegen der Spielmanipulation keinen Anspruch hat, und in dieser Höhe sein Vermögen mindert; gerade diese Bereicherung erstrebt auch der Wettende. Die Ersparnis anderweitig zu erwartender Gewinnausschüttungen durch den Wettanbieter infolge der Manipulation ist allenfalls mittelbar relevant (vgl. auch BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 54).
36
Für die Schadensfeststellung kommt es entgegen der Auffassung einiger Revisionen auch nicht darauf an, ob sich die von A. S. ins Werk gesetzten Manipulationen kausal im Spielergebnis oder wenigstens entscheidend im Spielverlauf niedergeschlagen haben. Es reicht vielmehr aus, dass der jeweilige Wettanbieter täuschungsbedingt Wettverträge abgeschlossen hat, die er bei Kenntnis der beabsichtigten Manipulationen nicht abgeschlossen hätte. Denn nicht der Erfolg der Manipulation ist Tatbestandsmerkmal des § 263 StGB, sondern allein die täuschungsbedingte Vermögensschädigung. Im Übrigen ist für die Risikoverschiebung die Zusage der Manipulation durch einen Mannschaftsspieler oder gar einen Schiedsrichter – anders als von einigen Verteidigern in der Revisionshauptverhandlung vorgetragen – regelmäßig von erheblicher Bedeutung.
37
(3) In denjenigen Fällen, in denen die Manipulationen keinen oder keinen vollständigen Wetterfolg einbrachten, hat das Landgericht allerdings den Schaden nicht gemäß den vorstehenden Grundsätzen bestimmt. Abgesehen davon sind auch die rechtlichen Erwägungen des Landgerichts nicht tragfähig , soweit es bereits beim Abschluss der Wettverträge eine schadensgleiche Vermögensgefährdung der jeweiligen Wettanbieter in Höhe des möglichen Wettgewinns (abzüglich des Einsatzes) angenommen hat.
38
Zwar kann auch schon die bloße konkrete Gefährdung einen Vermögensschaden i. S. von § 263 StGB darstellen. Diese Gefährdung muss aber nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage bedeuten. Die täuschungsbedingte Gefahr des endgültigen Verlustes eines Vermögensbestandteils muss zum Zeitpunkt der Verfügung so groß sein, dass sie schon jetzt eine Minderung des Ge- samtvermögens zur Folge hat (vgl. BGHSt 34, 394, 395; BGH NStZ 2004, 264). Eine derartige konkrete Gefährdung, die bereits einem Schaden entspricht , kann nur dann anerkannt werden, wenn der Betrogene ernstlich mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen hat (BGHSt 21, 112, 113). Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt, wenn der Eintritt wirtschaftlicher Nachteile nicht einmal überwiegend wahrscheinlich ist, sondern von zukünftigen Ereignissen abhängt, die sich einer Einflussnahme trotz der Manipulation immer noch in ganz wesentlichem Umfang entziehen.
39
Durch den Abschluss der Wettverträge ist es über den oben dargestellten Quotenschaden hinaus erst zu einer abstrakten Gefährdung der Vermögen der jeweiligen Wettanbieter in Höhe des durch die Wettquote bestimmten Auszahlungsbetrages abzüglich des Einsatzes gekommen. Ein Erfolg der Manipulationen war nach den Feststellungen des Landgerichts nicht einmal überwiegend wahrscheinlich, sondern schlug in vielen Fällen trotz beträchtlicher Eingriffe in das Spielgeschehen fehl, insbesondere auch, weil die kombinierten Spiele teilweise einen anderen Ausgang nahmen; dies macht deutlich, dass die Manipulation des Spielgeschehens nur die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Spielausgangs um einen gewissen – regelmäßig freilich, wie ausgeführt, erheblichen – Grad erhöhen konnte (vgl. dazu Kutzner aaO S. 717; Mosbacher NJW 2006, 3529, 3530).
40
b) Die Feststellungen des Landgerichts belegen ohne Weiteres die abgeurteilten Beihilfehandlungen der Angeklagten M. und F. S. sowie R. H. und D. M. .
41
aa) Die Betrugstaten des Haupttäters A. S. waren in dem von ihm beabsichtigten und von den Teilnehmern erkannten Umfang frühestens mit der Auszahlung des zu Unrecht beanspruchten Wettgewinns beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt förderten alle Handlungen, die unmittelbar der Manipulation des wettgegenständlichen Spielereignisses dienten oder durch die Spieler bzw. Schiedsrichter zur Manipulation des Spielgeschehens angehal- ten oder dabei bestärkt wurden, den beabsichtigten unrechtmäßigen Wettgewinn von A. S. . Aufgrund der Eigenart der Sportwette, die ein in der Zukunft liegendes Sportereignis betrifft, ist eine derartige Beihilfe zum Wettbetrug mittels Manipulation des Wettereignisses nicht nur durch deren vorherige Zusage, sondern auch nach Wettvertragsabschluss möglich. Dass die jeweiligen Teilnehmer insoweit vorsätzlich gehandelt haben, ergibt sich nach den Feststellungen des Landgerichts aus der Kenntnis vom beabsichtigten bzw. erfolgten Abschluss der Sportwetten; nur der Wettvertragsabschluss gab den Spielmanipulationen aus Sicht der Beteiligten hier einen nachvollziehbaren wirtschaftlichen Sinn.
42
bb) Der Angeklagte H. hat auch im Fall 8 der Urteilsgründe eine Beihilfe zum Wettbetrug A. S. begangen. Entgegen der Auffassung der Revision zu diesem Fall belegen die Feststellungen des Landgerichts hinreichend, dass H. in diesem Fall dem Haupttäter A. S. konkret bei seinem Betrug geholfen hat, indem er ihn bei der Anwerbung des Angeklagten M. für eine Spielmanipulation unterstützte. Soweit das Landgericht bei der rechtlichen Würdigung der Taten und im Rahmen der Strafzumessung – ersichtlich versehentlich – nicht zwischen dem Fall 8 der Urteilsgründe und den Einflussnahmen H. s als Schiedsrichter auf dem Spielfeld differenziert hat (vgl. UA S. 47, 53), ist dies im Ergebnis unschädlich: Das Unrecht H. s wiegt in Fall 8 nicht minder schwer als in den Fällen einer Manipulation auf dem Spielfeld. H. hat in diesem Fall sogar ganz erheblich dazu beigetragen, einen weiteren zur Unparteilichkeit verpflichteten Schiedsrichter in kriminelle Machenschaften zu verstricken.
43
cc) Im Fall 10 tragen die Feststellungen des Landgerichts auch die Annahme einer Beihilfe F. S. s zum gemeinschaftlich von A. und M. S. begangenen Betrug. F. S. hat danach R. H. ausdrücklich zur Manipulation des Fußballspiels in dem von seinem Bruder A. S. gewünschten Sinne ermutigt. Er hat aufgrund der Gesamtumstände des Geschehens auch ersichtlich in der Kenntnis gehandelt, dass auf dieses manipulierte Spiel Sportwetten abgeschlossen sind oder werden und dass sein Handeln den beabsichtigten Eintritt des Wetterfolges fördert.
44
c) Dass im Fall 10 der Urteilsgründe nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen M. S. die Sportwetten in Italien abgeschlossen hat, hindert eine Bestrafung der in diesem Fall Beteiligten nach deutschem Recht nicht:
45
Eine als Betrug nach § 263 StGB strafbare Haupttat M. S. s ist noch hinreichend durch Feststellungen belegt. Wie sich aus den gleichsam „vor die Klammer“ gezogenen Feststellungen des Landgerichts ergibt, gab der Angeklagte M. S. die Wettscheine auch in diesem Fall in den Geschäftsräumen des Wettanbieters ab und erklärte damit zugleich konkludent, nicht an einer Manipulation des wettgenständlichen Sportereignisses beteiligt zu sein. Aus dem einschlägigen italienischen Recht ergibt sich weder zum Erklärungswert seines Verhaltens noch in anderer Hinsicht ein relevanter Unterschied zum deutschen Recht; insbesondere besteht auch dort die Möglichkeit , sich bei einer bewussten Täuschung ohne weiteres vom Vertrag zu lösen (vgl. Art. 1427 ff. Codice Civile).
46
Für die Tat von M. S. im Fall 10 der Urteilsgründe gilt nach § 3 StGB das deutsche Strafrecht, weil die Tat (auch) im Inland begangen worden ist. Weil M. S. nach den (insoweit tragfähigen) Feststellungen des Landgerichts in diesem Fall als Mittäter des Angeklagten A. S. gehandelt hat, und ihm deshalb aufgrund des gemeinsamen Tatplans das Handeln A. S. s in Deutschland und auch der Ort dieses Handelns zuzurechnen ist, ist Tatort im Sinne von § 9 StGB auch für M. S. Deutschland (vgl. BGHSt 39, 88, 91; Tröndle/Fischer aaO § 9 Rdn. 3). Für die Teilnehmer ergibt sich ein Tatort im Bundesgebiet in diesem Fall jedenfalls aus § 9 Abs. 2 StGB. Zudem ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass auch A. S. in diesem Fall – was angesichts der von ihm versprochenen Bestechungssumme von 50.000 Euro mehr als nahe liegt – auf das ma- nipulierte Spiel gewettet hat; das Landgericht konnte lediglich keine Feststellungen dazu treffen, wo und in welcher Höhe dies geschehen ist.
47
d) Auch die weiteren Einwände der Revisionen gegen den Schuldspruch tragen nicht:
48
Soweit unter Hinweis auf nicht im Urteil wiedergegebene Allgemeine Geschäftsbedingungen vorgetragen wird, beim Wettvertragsschluss könnte keine reale Person getäuscht werden, weil der Vertragsschluss letztlich nur elektronisch erfolge, widerspricht dies den (nicht angegriffenen) Feststellungen des Landgerichts. Danach hat stets ein Mitarbeiter des Wettbüros die Wettscheine entgegengenommen, nach Prüfung weitergeleitet und insbesondere den Wetteinsatz vereinnahmt.
49
Der Einwand der Revision, ausländischen Wettanbietern könne in Hinblick auf §§ 762, 763 BGB wegen der Rechtswidrigkeit ungenehmigter ausländischer Wetten kein Schaden entstehen, verfängt nicht. Zwar findet auf Sportwetten § 763 Satz 2 i.V.m. § 762 BGB grundsätzlich Anwendung (vgl. BGH NJW 1999, 54). Unabhängig von der Frage, ob im EU-Ausland genehmigte Sportwetten auch im Bundesgebiet ohne zusätzliche Genehmigung zulässig vermittelt werden dürfen oder nicht (vgl. hierzu OLG München NJW 2006, 3588; Mosbacher NJW 2006, 3529), ist hier jedenfalls aus wirtschaftlicher Sicht eine Schädigung der ausländischen Wettanbieter eingetreten (vgl. auch Weber aaO S. 67; Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 91; RGSt 68, 379, 380).
50
Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Dies gilt namentlich hinsichtlich des Angeklagten M. . Die Feststellungen des Landgerichts zu seiner Tatbeteiligung beruhen auf einer tragfähigen Grundlage, nämlich auf seinem Eingeständnis, von A. S. die festgestellten Zahlungen erhalten zu haben, sowie im Übri- gen auf den vom Landgericht als glaubhaft angesehenen Angaben der geständigen Angeklagten A. S. und R. H. .
51
e) Die Rechtsfolgenaussprüche können bestehen bleiben.
52
aa) Auch wenn das Landgericht in demjenigen Teil der Fälle, in denen die Manipulationen nicht zu dem gewünschten Spielergebnis geführt haben oder die Kombinationswetten aus anderen Gründen keinen Erfolg hatten, der Strafzumessung einen zu großen Schadensumfang zugrunde gelegt hat, kann der Senat ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei einer zutreffenden rechtlichen Bewertung niedrigere Einzelstrafen und niedrigere Gesamtstrafen verhängt hätte: Zum einen ist ein Gefährdungsschaden für die Strafzumessung ohnehin nicht mit dem darüber hinaus erstrebten endgültigen Schaden gleichzusetzen (vgl. BGH wistra 1999, 185, 187). Zum zweiten ähnelt der vom Landgericht nicht ausdrücklich bezifferte Quotenschaden dem angenommenen Gefährdungsschaden und stellt jedenfalls einen erheblichen Teil hiervon dar; die Wettanbieter hätten bei nicht täuschungsbedingter Fehleinschätzung des Wettrisikos für die gezahlten Einsätze allenfalls wesentlich geringere Wettchancen eingeräumt. Schließlich war ohnehin strafschärfend zu berücksichtigen, dass sich der Vorsatz über den durch Eingehung der Wetten bereits vollendeten Schadenseintritt hinaus auf eine ganz erhebliche Gewinnsumme bezog und damit das vom Vorsatz umfasste Handlungsziel den als „Durchgangsschaden“ erfassten Quotenschaden des Wettanbieters jeweils ganz erheblich überstieg (vgl. auch BGHSt 43, 270, 276; BGH NStZ 2000, 38, 39).
53
bb) Auch im Übrigen hält die Strafzumessung im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand: Das Landgericht hat zwar verkannt, dass es sich bei § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erste Alt. StGB nicht um einen Qualifikationstatbestand des gewerbsmäßigen Betruges, sondern um eine Strafzumessungsregel handelt, die grundsätzlich eine Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Gesichtspunkte erfordert (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 2 Besonders schwerer Fall 1) und insbesondere auch deshalb ausscheiden kann, weil die Voraussetzungen eines vertypten Strafmilderungsgrunds (hier etwa §§ 21, 27 StGB) vorliegen (BGH wistra 2003, 297). Bei den wegen Beihilfe zum Betrug verurteilten Angeklagten hat das Landgericht auch nicht bedacht, dass die Teilnahmehandlung als solche als besonders schwerer Fall zu werten sein muss (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 105 m.w.N.) und das täterbezogene Merkmal der Gewerbsmäßigkeit nur demjenigen Tatbeteiligten angelastet werden kann, der dieses Merkmal selbst aufweist (vgl. Eser in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 243 Rdn. 47 m.w.N.). Der Senat kann jedoch ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass sich diese Fehler bei der Strafzumessung ausgewirkt haben.
54
(1) Bei A. S. war ein Absehen von der Regelwirkung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erste Alt. StGB nach den Gesamtumständen der mit hoher krimineller Energie ins Werk gesetzten Betrügereien, bei denen es jeweils um ganz erhebliche Summen ging, auch unter Berücksichtigung von § 21 StGB offensichtlich nicht veranlasst. Dem Senat erscheint es im Übrigen angesichts des jahrelangen professionellen Agierens von A. S. auf dem Sportwettenmarkt, seines kompliziert angelegten Wett- und Manipulationssystems und des damit verbundenen erheblichen organisatorischen Aufwands ohnehin eher fernliegend, dass bei diesem Angeklagten die Steuerungsfähigkeit bei der Begehung sämtlicher Taten wegen „Spielsucht“ erheblich eingeschränkt gewesen sein soll (vgl. zu den Anforderungen BGHSt 49, 365, 369 f. m.w.N.). Die vom Landgericht angenommene Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB beschwert den Angeklagten jedoch nicht. In den Fällen 2, 6, 7 und 11 liegen zudem zusätzlich – auch bei den Teilnehmern, die angesichts der Kenntnis von den Gesamtumständen und angesichts der Höhe der gezahlten Bestechungsgelder insoweit zumindest mit bedingtem Vorsatz handelten – die Voraussetzungen eines besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 erste Alt. StGB vor.
55
(2) Bei den Angeklagten H. und M. hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass auch diese Angeklagten selbst gewerbsmäßig gehandelt haben. Sie wollten sich durch die Zusammenarbeit mit A. S. eine auf Dauer angelegte Einnahmequelle von einigem Umfang erschließen. Bei diesen Angeklagten liegt aufgrund der besonders pflichtwidrigen Ausnutzung ihrer Stellung als unparteiische Schiedsrichter im Übrigen auch die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB auf der Hand.
56
(3) Eigenes gewerbsmäßiges Handeln hat das Landgericht auch für M. S. festgestellt. Es kann dahinstehen, ob diese Wertung tatsächlich ausreichend belegt ist. Der Senat kann angesichts der Vielzahl erschwerender Gesichtspunkte jedenfalls ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei den Angeklagten M. und F. S. bei bloßer Anwendung von § 263 Abs. 1 StGB auf noch niedrigere Einzel- und Gesamtstrafen erkannt hätte. Das Landgericht hat sich bei der Bemessung der ohnehin maßvollen Strafen ersichtlich nicht am oberen Ende des – abgesehen von Fall 10 für M. S. – gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB verschobenen Strafrahmens des § 263 Abs. 3 StGB orientiert.
57
(4) Die verhängten Einzelstrafen und die verhängte Gesamtstrafe sind darüber hinaus auch aus folgenden Gründen angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO: Es geht bei den durch die Angeklagten unterstützen Betrügereien von A. S. ganz überwiegend um erhebliche Summen und insgesamt um Beträge von mehreren Millionen Euro. Die Spielmanipulationen haben nicht nur die jeweiligen Wettanbieter geschädigt, sondern – wie die Angeklagten wussten – einer Vielzahl Unbeteiligter ganz erhebliche Schäden zugefügt: Die jeweiligen Fußballmannschaften und alle zahlenden Zuschauer wurden um ein faires Spiel gebracht. Die infolge von Manipulationen unterlegenen Mannschaften und ihre Trainer mussten erhebliche wirtschaftliche Schäden gewärtigen, die sich etwa im Fall des Ausscheidens des Hamburger SV aus dem DFB-Pokal auch durch die Entlas- sung des damaligen Trainers realisiert haben. Die massive Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern zum Zweck der Spielmanipulation hat zudem dem gesamten professionellen Fußballsport einen ganz erheblichen Rufschaden zugefügt, indem das Vertrauen von Millionen sportbegeisterter Zuschauer in die Fairness des Fußballsports und in die Unparteilichkeit der Schiedsrichter massiv enttäuscht wurde. Im Übrigen sind auch viele redliche Wettkunden, die auf ein anderes Ergebnis gesetzt hatten, im Falle gelungener Spielmanipulationen um ihre Gewinnchancen gebracht worden. Diese offenkundigen erschwerenden Gesichtspunkte hat das Landgericht im Rahmen seiner Strafzumessung nicht einmal umfassend ausdrücklich bedacht.
58
(5) Bei F. S. ist die Gesamtstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe auch deshalb angemessen, weil das Landgericht zugunsten dieses Angeklagten einen nicht gerechtfertigten Härteausgleich vorgenommen hat. Die Strafkammer hat sich hierfür auf eine am 25. Oktober 2004 erfolgte Verurteilung zu einer bereits vollstreckten Geldstrafe bezogen und mit Rücksicht auf die fehlende Gesamtstrafenfähigkeit einen Härteausgleich in Höhe von einem Monat Freiheitsstrafe gewährt. Unbeachtet blieb dabei, dass zu diesem Zeitpunkt die Tat Nr. 10 der Urteilsgründe noch nicht begangen worden war. Wegen der Erledigung der Geldstrafe entfiel mithin lediglich die Zäsurwirkung der Verurteilung vom 25. Oktober 2005. Daher hat sich der Angeklagte durch die Erledigung der Geldstrafe die Verhängung zweier – notwendig in der Summe gegenüber der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe höherer – Freiheitsstrafen erspart, mithin keinen Nachteil, sondern einen Vorteil erlangt. Deshalb war kein Härteausgleich gerechtfertigt (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 4).
59
3. Der Senat weist abschließend darauf hin, dass die missverständliche Entscheidung des Landgerichts im Adhäsionsverfahren nicht bedeutet, dass die Adhäsionskläger ihr Ziel nicht anderweitig weiter verfolgen könnten (§ 406 Abs. 3 Satz 3 StPO). Daher wäre lediglich ein Absehen von einer Ent- scheidung, nicht etwa, wie zu weitgehend erfolgt, eine Antragsabweisung zu tenorieren gewesen (vgl. BGHR StPO § 406 Teilentscheidung 1).
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(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 552/08
vom
14. August 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nicht: B. III., C. V.-VII.)
Veröffentlichung: ja
____________________________________
I. StPO § 100 c Abs. 4, 5, 6, § 100 d Abs. 5 Nr. 3
1. Die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich
voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben
wurden.
2. Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den sog. relativen Beweisverwertungsverboten
, nach denen nicht jeder Verstoß bei der Beweiserhebung
zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse
führt, gelten auch für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung
eingeführten Verwendungsregelungen bzw. Verwendungsbeschränkungen.
3. Zur Verwendbarkeit von Daten im Strafverfahren, die durch eine akustische
Wohnraumüberwachung auf der Grundlage einer polizeirechtlichen Ermächtigung
zur Gefahrenabwehr gewonnen worden sind, welche noch keine Regelung
zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung enthielt.
4. Der Begriff "verwertbare Daten" in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO bezieht sich auf
die gesetzlichen Beweisverwertungsverbote in § 100 c Abs. 5 und 6 StPO sowie
auf das Beweiserhebungsverbot aus § 100 c Abs. 4 StPO.
5. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche eines
nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, so richtet
sich die Verwertbarkeit dieser Gesprächsinhalte stets nach der Vorschrift des
§ 100 c Abs. 6 StPO. Für eine isolierte Anwendung des § 52 StPO ist daneben
kein Raum.
II. StGB §§ 129, 129 a, 129 b
1. Zur Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, wenn
sich der Täter ausschließlich im Inland aufgehalten hat.
2. Das Unterstützen einer Vereinigung umfasst regelmäßig auch Sachverhalte
, die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur
mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten wären.
Mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrags ist der Eingehungsbetrug
vollendet, wenn der Versicherungsnehmer darüber getäuscht hat, dass er
den Versicherungsfall fingieren will, um die Versicherungssumme geltend machen
zu lassen.
BGH, Urt. vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08 - OLG Düsseldorf
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
zu 2. und 3.: Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
28. Mai 2009 in der Sitzung am 14. August 2009, an denen teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten Y. A. ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten I. A. ,
Justizangestellte in der Verhandlung vom 28. Mai 2009,
Justizamtsinspektor bei der Verkündung am 14. August 2009
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Dezember 2007
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten wie folgt schuldig sind: aa) der Angeklagte K. der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen; bb) der Angeklagte Y. A. der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen; cc) der Angeklagte I. A. der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in fünf sowie mit versuchtem Betrug in achtzehn tateinheitlichen Fällen;
b) im Strafausspruch betreffend den Angeklagten Y. A. aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten Y. A. , an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten und die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils werden verworfen.
4. Die Angeklagten K. und I. A. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
A. Prozessgeschichte, Feststellungen und Wertungen des Oberlandesgerichts
2
Das Oberlandesgericht hat die Angeklagten K. und Y. A. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem "bandenmäßigen" Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu Freiheitsstrafen von sieben Jahren (K. ) bzw. sechs Jahren (Y. A. ) und den Angeklagten I. A. wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem bandenmäßigen Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die sowohl mehrere Verfahrensrügen erheben als auch mit Einzelbeanstandungen die Verletzung sachlichen Rechts geltend machen. Die beiden Angeklagten A. haben außerdem sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eingelegt.
3
Die Revision des Angeklagten Y. A. führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die übrigen Rechtsmittel bleiben im Wesentlichen ohne Erfolg.
4
Das Oberlandesgericht hat folgende Feststellungen getroffen und Bewertungen vorgenommen:
5
I. Die Organisation Al Qaida
6
In den Jahren 1996/1997 entstand aus einem Bündnis zwischen Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri die Organisation Al Qaida, die zum Kampf einer "Islamischen Weltfront für den Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" aufrief und es mit dem Ziel, westliche, vor allem amerikanische Truppen aus der arabischen Halbinsel zu vertreiben, als individuelle Glaubenspflicht eines jeden Muslim bezeichnete, die Amerikaner und ihre Verbündeten an jedem möglichen Ort zu töten. Al Qaida war im Kern in Afghanistan angesiedelt. An der Spitze der hierarchisch aufgebauten Organisation standen Bin Laden, Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter der für Militär, Finanzen, religiöse Fragen und Medienarbeit zuständigen Abteilungen. "Jihadwillige" Islamisten, die mittels des von der Organisation verbreiteten Propagandamaterials angeworben worden waren, wurden in Ausbildungslagern in Afghanistan als Kämpfer geschult. Besonders geeignet erscheinenden Kandidaten wurde sodann in speziellen Vertiefungskursen Sonderwissen vermittelt. Wer an einer derartigen - privilegierten - Spezialausbildung in den Jahren vor 2001 teilgenommen hatte, war der Organisation Al Qaida in der Regel im Sinne einer "Mitgliedschaft" unmittelbar zuzuordnen. Nach Abschluss ihrer Ausbildung kehrten die Kämpfer in ihre Herkunftsländer zurück und bildeten dort operative Zellen. Von der Organisation, deren Zweck und Tätigkeit im Wesentlichen in der Tötung von "Feinden des Islams" bestand, wurden in der Folgezeit mehrere Anschläge ausgeführt, die eine erhebliche Zahl von Menschenleben forderten. Zu ihnen gehörten auch die Selbstmordattentate auf das World-Trade-Center und das Pentagon am 11. September 2001.
7
Die dadurch ausgelösten militärischen Reaktionen beeinträchtigten in der Folgezeit die operative Handlungsfähigkeit der Organisation, führten aber nicht zu einer vollständigen Zerschlagung sämtlicher Strukturen von Al Qaida, sondern nur zu deren - dem Verfolgungsdruck vorübergehend angepassten - Modifizierung. Den in großer Zahl aus Afghanistan geflohenen Anhängern wurde durch Audio- und Videobotschaften verdeutlicht, dass die obersten Führungskräfte von Al Qaida dort weiterhin unverändert aktiv waren. Es gelang der Aufbau von regional tätigen Teilstrukturen in Form der "Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel" und einer Gruppe türkischer Islamisten. Außerdem konnte Al Qaida mehrere selbständige islamistische Organisationen ("Al Qaida im Zweistromland" sowie "Al Qaida im islamischen Maghreb") an sich binden. Durch den über Rundfunk und Fernsehen verbreiteten Führungsanspruch von Bin Laden und Al Zawahiri gelang es, auch ohne die Bildung eigenständiger Netzwerke neue Mitglieder der Organisation unter dem "Dach" der Al Qaida zu rekrutieren. An die Stelle des vor 2001 üblichen Gefolgschaftseids traten zur Begründung der Mitgliedschaft in der Organisation mehr und mehr einseitige Loyalitätserklärungen sowie an den Zielvorgaben von Al Qaida orientierte Handlungen.
8
II. Die Tathandlungen der Angeklagten
9
Der Angeklagte K. , der schon 2000 und Anfang 2001 in Trainingslagern der Al Qaida eine terroristische Ausbildung erhalten und seither den gewaltsamen Jihad gegen die "Ungläubigen" als seine außer jeder Diskussion stehende Individualpflicht betrachtet hatte, reiste nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Deutschland im Oktober 2001 erneut nach Afghanistan und nahm dort Ende 2001 / Anfang 2002 an Kampfhandlungen der Al QaidaVerbände teil. Dabei hatte er Kontakt zu Bin Laden und gliederte sich in die Hierarchie der Organisation ein. Im Frühjahr 2002 floh er vor den Amerikanern und deren Verbündeten. Er folgte der von Bin Laden an die im Besitz europäischer Pässe befindlichen "Kämpfer" erteilten Order, sich nach Möglichkeit in ihre Herkunftsländer zu begeben und weiterhin für Al Qaida zu arbeiten. Mitte Juli 2002 kehrte er nach Deutschland zurück und zog nach M. .
10
In M. lernte der Angeklagte K. den Angeklagten Y. A. kennen. Dieser hatte sich schon seit längerem für den gewaltsamen Kampf der Muslime begeistert sowie seine Sympathie zu Al Qaida zum Ausdruck gebracht und war in M. in Kontakt zu weiteren gleichgesinnten Personen gekommen. Die Wohnung des Angeklagten K. in der P. straße wurde zum Treffpunkt dieses Freundeskreises. Der Angeklagte Y. A. besuchte den Angeklagten K. auch in der JVA , nachdem dieser im Januar 2004 in einem Verfahren wegen Betruges verhaftet und für vier Monate in Untersuchungshaft genommen worden war.
11
Der Angeklagte K. , der sich nach wie vor der Al Qaida zugehörig und in der Rolle eines "Murabit" fühlte, der nur zeitweilig den Kampfschauplatz des Jihad hatte verlassen müssen, entfaltete in der Folgezeit umfangreiche Aktivitäten für die Organisation. Er befasste sich zu deren Gunsten in erster Linie mit Rekrutierungs- und Beschaffungsmaßnahmen und warb für die Unterstützung des gewaltsamen Jihad durch einen Märtyrereinsatz oder zumindest durch eine Spende an seine Organisation. Dabei gelang es ihm, den Angeklagten Y. A. zur Mitarbeit zu bewegen. Dieser entschloss sich vor dem Hintergrund seiner eigenen ideologischen Vorprägung, auf die Angebote des Angeklagten K. einzugehen und seine Tätigkeit in Deutschland fortan in den Dienst von Al Qaida zu stellen. Dementsprechend machte er die Planung und Durchführung einer Betrugsserie zum Nachteil von Lebensversicherungsgesellschaften zum "Mittelpunkt seines Lebens", deren erhebliche Beute zum einen Teil Al Qaida und zum anderen seiner Familie zugute kommen und zuletzt ihm ermöglichen sollte, dem Angeklagten K. zur Teilnahme am Jihad in den Irak zu folgen.
12
Der Plan einer Betrugsserie sah vor, dass der Angeklagte Y. A. innerhalb eines auf zwei bis drei Monate angelegten Tatzeitraums zahlreiche Lebensversicherungsverträge abschließen, sodann nach Ägypten verreisen und von dort aus mittels Bestechung von Amtspersonen inhaltlich falsche Urkunden übersenden sollte, um gegenüber den Versicherungsunternehmen einen tödlichen Verkehrsunfall in Ägypten vortäuschen zu können. Der Angeklagte I. A. sollte sodann als Begünstigter mit Unterstützung des Angeklagten K. die Versicherungssummen geltend machen. In Verfolgung dieses zuerst zwischen den Angeklagten K. und Y. A. entwickelten Plans holte letzterer ab Mai 2004 bei Versicherungsunternehmen erste Erkundigungen über die möglichen Vertragsge- staltungen ein und begann am 10. August 2004 mit der Stellung von Versicherungsanträgen. Der Angeklagte K. stellte sicher, dass die ersten Prämien bezahlt werden konnten. Der Angeklagte I. A. , der am 21. September 2004 umfassend in den Tatplan eingeweiht worden war, nahm an zahlreichen Besprechungen des Vorhabens teil, ließ hierbei keine Zweifel an seiner uneingeschränkten Bereitschaft zur Mitwirkung bei der späteren Geltendmachung der Versicherungssummen und deren Verwendung aufkommen und unterstützte ferner die gemeinsame Tatplanung durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum Procedere der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art. Er nahm dabei billigend in Kauf, dass zumindest ein Teil der Beute über den Angeklagten K. der Al Qaida zufließen und auf diese Weise ihren organisatorischen Zusammenhang fördern sowie die Verfolgung ihrer terroristischen Aktivitäten erleichtern werde.
13
Im Einzelnen stellte der Angeklagte Y. A. zwischen dem 10. August 2004 und dem 15. Januar 2005 bei verschiedenen Versicherungsunternehmen insgesamt 28 Anträge auf Abschluss von Lebensversicherungsverträgen. Entsprechend der Tatplanung kam es in neun Fällen zum Abschluss eines Versicherungsvertrages mit einer garantierten Todesfallsumme von 1.264.092 €. In 19 Fällen wurden die Anträge des Beschwerdeführers - teilweise aufgrund der zwischenzeitlichen Warnhinweise der Polizei an die Versicherungsunternehmen, zuletzt auch wegen der Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 - abgelehnt bzw. nicht mehr weiter bearbeitet.
14
III. Beweisgrundlage und rechtliche Würdigung des Oberlandesgerichts
15
Das Oberlandesgericht hat seine Überzeugung im Wesentlichen auf Erkenntnisse gestützt, die durch Wohnraumüberwachungsmaßnahmen in der von den Angeklagten K. und Y. A. bewohnten Wohnung in M. gewonnen worden waren.
16
Nach der rechtlichen Würdigung des Oberlandesgerichts war Al Qaida trotz der strukturellen Veränderungen aufgrund der Verfolgung seit Ende des Jahres 2001 auch im Tatzeitraum eine ausländische terroristische Vereinigung. In dieser haben sich die Angeklagten K. und Y. A. als Mitglieder betätigt, während der Angeklagte I. A. nach Auffassung des Oberlandesgerichts die Vereinigung unterstützt hat. Die Taten der Angeklagten zum Nachteil der Versicherungen stellen sich nach Ansicht des Oberlandesgerichts in allen Fällen, also auch soweit es zu Vertragsabschlüssen gekommen ist, als täterschaftlich und bandenmäßig begangener versuchter Betrug dar.
17
B. Die Verfahrensrügen
18
I. Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung
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Die Beschwerdeführer rügen unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten die Verwertung der aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Den Verfahrensbeanstandungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
20
Das Polizeipräsidium M. beantragte am 22. Juni 2004 beim Amtsgericht M. gemäß § 29 Abs. 1 des Rheinland-Pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (im Folgenden: POG RhPf) die richterliche Anordnung der Wohnraumüberwachung mit technischen Mitteln für die Wohnung des Angeklagten K. . Begründet wurde der Antrag u. a. mit der dringenden Gefahr, dass der sich dort regelmäßig treffende Personenkreis die Begehung von terroristischen Anschlägen plane. Nachdem der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht den Antrag zunächst am 28. Juni 2004 abgelehnt hatte, weil bereits der Anfangsverdacht einer Straftat nach §§ 129 a, 129 b StGB gegen die Betroffenen bestehe, genehmigte das Landgericht M. auf die sofortige Beschwerde des Polizeipräsidiums mit Beschluss vom 14. Juli 2004 gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 POG RhPf aF die Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen. Es bejahte entsprechend dem Antrag des Polizeipräsidiums das Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, weil in der Wohnung Anschläge geplant werden könnten. Eine Befristung der Maßnahme enthielt der Beschluss nicht. Vor Ablauf der damaligen Höchstfrist von drei Monaten gemäß § 29 Abs. 4 Satz 2 POG RhPf aF beantragte das Polizeipräsidium am 8. Oktober 2004 die Verlängerung der Maßnahme. Neben einer Verstrickung des Angeklagten K. in die Netzwerke arabischer Mudjahedin habe die Überwachung die Bereitschaft der Angeklagten K. und Y. A. ergeben, den "Märtyrertod" zu sterben, woraus sich wegen zu befürchtender Anschlagsplanungen eine fortdauernde dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ergebe. Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts M. verlängerte am 12. Oktober 2004 aus den fortgeltenden Gründen des Anordnungsbeschlusses die Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten. Nach dem Beschluss war die Überwachung sofort abzubrechen, wenn sich der Angeklagte K. oder der Angeklagte Y. A. jeweils allein in der Wohnung aufhalte, wenn Gespräche offensichtlich für die Gefahrenabwehr irrelevant seien oder wenn der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung - auch kurzzeitig - betroffen sei.
21
Am 12. Oktober 2004 leitete der Generalbundesanwalt gegen die Angeklagten K. und Y. A. das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ein. Am 11. November 2004 beantragte er beim Landgericht Ka. die Anordnung der Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e, Abs. 2 und Abs. 3 StPO aF. In dem Antrag wurden Erkenntnisse aus der zuvor auf polizeirechtlicher Grundlage durchgeführten Wohnraumüberwachung zur Begründung des Tatverdachts verwendet. Das Landgericht Ka. ordnete die Maßnahme mit Beschluss vom 24. November 2004 für die Dauer von vier Wochen an. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse ließen den Schluss zu, dass der Angeklagte K. im Auftrag der Al Qaida Mitglieder zur Begehung von Selbstmordattentaten rekrutiere und in dem Angeklagten Y. A. auch bereits einen zum "Märtyrertod" Bereiten gefunden habe, mit dem er an der Umsetzung des Plans arbeite. Beide stünden damit im Verdacht, sich an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglieder zu beteiligen. Ohne die Wohnraumüberwachung werde die Erforschung des Sachverhalts unverhältnismäßig erschwert, weil keine sonstigen Beweismittel ersichtlich seien, mit denen Erkenntnisse über Zielsetzung oder Aktivitäten der Angeklagten gewonnen werden könnten. Eine weitere Aufklärung sei auch erforderlich, weil die bisherigen Erkenntnisse noch keinen hinreichenden Tatverdacht bezüglich der Mitgliedschaft der Angeklagten in der Al Qaida und ihre konkrete Art der Beteiligung ergeben hätten. Eine Ausforschung des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten, weil die in der abgehörten Wohnung zusammentreffenden Personen nicht miteinander verwandt seien und nicht in einer Beziehung höchstpersönlichen Vertrauens zueinander stünden. Soweit die Brüder des Angeklagten Y. A. in der Wohnung anwesend seien, müssten die Ermittlungsbehörden dafür Sorge tragen, dass die Überwachung sofort abgebrochen werde, sobald der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung berührt werde. Auf entsprechende Anträge des Generalbundesanwalts, mit denen weitere Erkenntnisse zu dem geplanten Versicherungsbetrug, aber auch zu einem möglichen Handel mit Uran mitgeteilt wurden, verlängerte das Landgericht Ka. mit Beschlüssen vom 22. Dezember 2004 und vom 19. Januar 2005 die Maßnahme um jeweils vier Wochen.
22
Obwohl die Wohnraumüberwachung bereits mit Beschluss vom 14. Juli 2004 genehmigt worden war, begann die Ausführung der Maßnahme erst am 24. August 2004. Am 30. August 2004 erließ das Polizeipräsidium Handlungsgrundsätze für die Durchführung der Wohnraumüberwachung, die allen beteiligten Beamten bekannt gemacht wurden. Mit diesen Handlungsanweisungen sollten die Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (BVerfGE 109, 279) zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung umgesetzt werden. Insbesondere wurde nicht eine automatische, sondern eine manuelle Gesprächsaufzeichnung angeordnet. Dafür wurden Polizeibeamte und Dolmetscher im Schichtbetrieb eingesetzt, die nur dann Gespräche aufzeichneten, wenn aufgrund einer Einschätzung der aktuellen Situation in der Wohnung relevante Erkenntnisse zu erwarten waren. Die Handlungsanweisungen wurden entsprechend den Beschlüssen des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 und des Landgerichts Ka. vom 24. November 2004 fortgeschrieben und berücksichtigten die dort aufgestellten Vorgaben. Die Wohnraumüberwachung wurde mit der vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 beendet; sie dauerte mithin ca. fünf Monate. In dieser Zeit (insgesamt über 3.620 Stunden) wurden 703 Aufzeichnungen mit einer Gesamtlänge von etwas über 304 Stunden erstellt, was bezogen auf die Gesamtdauer der Maßnahme einem Anteil von 8,4 % entspricht. Von den 703 aufgezeichneten Gesprächen wurden 313 übersetzt, 144 der Anklageschrift zu Grunde gelegt, 142 in die Hauptverhandlung eingeführt und Passagen aus 86 Gesprächsaufzeichnungen im angefochtenen Urteil verwertet. Alle Angeklagten haben in der Hauptverhandlung der Verwertung der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung widersprochen.
23
Die Rüge hat keinen Erfolg.
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1. Ob das Oberlandesgericht die im Rahmen der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung gewonnenen Informationen in die Hauptverhandlung einführen und bei seiner Beweiswürdigung verwerten durfte, bestimmt sich zunächst nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl I 3198 ff.). Zwar ist diese Vorschrift erst am 1. Januar 2008 und damit nach Erlass des angefochtenen Urteils in Kraft getreten. Jedoch ist bei der Änderung strafprozessualer Bestimmungen für das weitere Verfahren grundsätzlich auf die neue Rechtslage abzustellen (BGH NJW 2009, 791, 792 m. w. N.; Knierim StV 2009, 206, 207). Dies gilt auch bei einer Änderung des Rechtszustands zwischen dem tatrichterlichen Urteil und der Revisionsentscheidung (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 354 a Rdn. 4; Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 a Rdn. 5). Nach dem somit maßgeblichen § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO - der im Übrigen dem im Zeitpunkt der Verkündung des oberlandesgerichtlichen Urteils geltenden § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF entspricht - können aus einer polizeilichen akustischen Wohnraumüberwachung erlangte, verwertbare personenbezogene Daten im Strafverfahren ohne Einwilligung der über- wachten Personen unter anderem zur Aufklärung einer Straftat verwendet werden , auf Grund derer die Maßnahme nach § 100 c StPO angeordnet werden könnte. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt:
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a) Die auf der Grundlage der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse sind zum Nachweis von Straftaten herangezogen worden, zu deren Aufklärung die Wohnraumüberwachung auch nach § 100 c StPO angeordnet werden könnte (Gedanke des hypothetischen Ersatzeingriffs, vgl. dazu BTDrucks. 16/5846 S. 64; Wolter in SK-StPO § 100 d Rdn. 33). Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Verdacht, dass entsprechende Taten begangen worden sind, bereits im Zeitpunkt der Anordnung bzw. Durchführung der polizeirechtlichen Maßnahme bestanden hatte, denn es handelt sich bei § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO um eine Verwendungsregelung für Erkenntnisse, die zur Gefahrenabwehr , nicht dagegen zur Strafverfolgung erhoben worden waren. Daher ist allein maßgeblich, ob die Daten nunmehr im Strafverfahren zur Klärung des Verdachts einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO verwendet werden sollen.
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Hier sind die Protokolle der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung zum Nachweis der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB) verwertet worden, mithin von Katalogtaten im Sinne des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO.
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Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer durften sie aber auch zur Beweisführung hinsichtlich der ihnen angelasteten Betrugstaten herangezogen werden. Zwar sind diese nicht im Katalog des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO enthalten. Wie jedoch auch die Revisionen letztlich nicht in Abrede nehmen, liegt zwischen den Betrugshandlungen, die sich als Betätigungsakte der durch § 100 c Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO als Katalogtat erfassten Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung darstellen , Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB vor. In einer solchen Konstellation entspricht es bei Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsmaßnahmen auch zum Nachweis der mit der Katalogtat in Zusammenhang stehenden Nichtkatalogtat verwertet werden dürfen (BGHSt 28, 122, 127 f.; 30, 317, 320; BGH StV 1998, 247, 248). Diese Grundsätze sind im Schrifttum gebilligt und für die Verwertung von Erkenntnissen aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme übernommen worden (Nack in KK § 100 d Rdn. 33; Wolter aaO § 100 d Rdn. 74; jeweils m. w. N.). Es besteht insoweit kein Anlass, aufgrund der unterschiedlichen betroffenen Grundrechte die Fälle der Wohnraumüberwachung anders als diejenigen der Telekommunikationsüberwachung zu behandeln. Den entsprechenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts tritt der Senat bei.
28
Die den Angeklagten angelasteten Taten nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB wogen auch im konkreten Fall besonders schwer (§ 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO). Zum einen handelt es sich bei der öffentlichen Sicherheit und staatlichen Ordnung (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 129 Rdn. 2 m. w. N.) um hochrangige Rechtsgüter; diese werden von § 129 a StGB geschützt. Zum anderen kam das arbeitsteilige, äußerst konspirative Zusammenwirken mehrerer Täter zur Umsetzung eines komplexen Tatplans hinzu , wodurch zugleich noch weitere Rechtsgüter - das Vermögen der Versicherungsunternehmen - verletzt wurden (zu diesen Anforderungen vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 12).
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Die Aufklärung der den Angeklagten angelasteten Taten wäre ohne die Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung unverhältnismäßig erschwert oder unmöglich gemacht worden (§ 100 c Abs. 1 Nr. 4 StPO). Es ist insoweit wiederum nicht auf den Zeitpunkt der Erlangung der Erkenntnisse abzustellen, denn die Regelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO bezieht sich nur auf den erneuten aus der anderweitigen Verwendung der zweckgebundenen Daten folgenden Grundrechtseingriff (vgl. BGH NJW 2009, 791, 792; BVerfGE 100, 313, 391). Zum Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil stellten die Wohnraumüberwachungsprotokolle indes die zentralen Beweismittel dar, ohne die ein Tatnachweis nicht möglich gewesen wäre.
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b) Bei den Erkenntnissen aus der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung handelt sich um verwertbare Daten im Sinne des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO.
31
Der Begriff der Verwertbarkeit bezieht sich auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO (Nack aaO § 100 d Rdn. 18; Meyer-Goßner aaO § 100 d Rdn. 6). Dies folgt schon aus dem Vergleich zu § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO, der die Verwendbarkeit "verwertbarer personenbezogener Daten" regelt, die in einem anderen Strafverfahren gewonnen worden sind. Durch die Verwendungsregelungen in § 100 d Abs. 5 StPO (seinerzeit: § 100 d Abs. 6 StPO aF) sollte ein den Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung (BVerfGE 109, 279) entsprechendes Schutzniveau geschaffen werden, um für den Bereich der Strafverfolgung die einfachgesetzlichen Regelungen zur Wohnraumüberwachung und der Verwendung der aus einer solchen Maßnahme - sei es auch auf anderer gesetzlicher Grundlage als derjenigen der StPO - erlangten personenbezogenen Informationen insgesamt verfassungsgemäß auszugestalten (BTDrucks. 15/4533 S. 1). Dies erforderte einen einheitlichen Anknüpfungspunkt , wie ihn die Verwertungsverbote des § 100 c StPO boten. Dementsprechend nimmt die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF durch den Verweis auf § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF auch auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO Bezug, die der Gesetzgeber im Regelungsbereich des § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF beachtet wissen wollte (vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 17 f.). Daraus erhellt, dass diese Verwertungsverbote auch im Rahmen des § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF (jetzt: § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO) Anwendung finden und dies durch die gesetzliche Verwendungsvoraussetzung der "verwertbaren" personenbezogenen Daten zum Ausdruck gebracht werden sollte.
32
Die Gegenauffassung, die auf eine Verwertbarkeit im polizeirechtlichen Ausgangsverfahren abstellen will (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64), könnte demgegenüber dazu führen, dass für die Verwendbarkeit durch Wohnraumüberwachungsmaßnahmen gewonnener Daten nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO andere , gegebenenfalls großzügigere Maßstäbe gelten würden, als für diejenige nach § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO. Denn im Polizeirecht kommt dem Aspekt der aus Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 1 GG abzuleitenden Schutzpflichten des Staates zur Abwehr von Gefahren insbesondere für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter eine weitaus größere Bedeutung zu als im Strafprozess (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht 4. Aufl. Rdn. 215 f.; Würtenberger /Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg 6. Aufl. Rdn. 659; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht 14. Aufl. § 17 Rdn. 69). Eine nach polizeirechtlichen Grundsätzen durchgeführte Abwägung zwischen den Grundrechten des durch die Maßnahme Betroffenen und den zu schützenden Rechtsgütern der Allgemeinheit oder eines Einzelnen könnte also auch dann noch zur Verwertbarkeit von erlangten Erkenntnissen führen, wenn diese nach strafpro- zessualen Grundsätzen zu verneinen wäre. Selbst wenn man für das Merkmal der Verwertbarkeit in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO nur auf die polizeirechtlichen Regelungen zum Kernbereichsschutz abstellen wollte, könnte aufgrund der insoweit teilweise unterschiedlichen Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder und des Bundes (vgl. dazu Wolter aaO § 100 c Rdn. 17, 19) die Verwendung im Strafverfahren davon abhängen, in welchem Bundesland bzw. nach welchem Bundesgesetz die Maßnahme angeordnet wurde. Dies wäre in sich nicht stimmig.
33
Unverwertbare Daten im Sinne des § 100 c Abs. 4-6 StPO sind vorliegend nicht verwendet, insbesondere in dem angefochtenen Urteil nicht gegen die Beschwerdeführer verwertet worden (dazu unten 2. d) und e).
34
2. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Verwendung der durch die Wohnraumüberwachung auf polizeirechtlicher Grundlage gewonnenen Daten im Strafverfahren gegen die Angeklagten liegen vor.
35
a) Das zur Erhebung der Daten ermächtigende Gesetz gestattet deren Umwidmung für Zwecke der Strafverfolgung (s. dazu Nack aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 d Rdn. 65; allgemein zu dieser Voraussetzung Singelnstein ZStW 120 (2008), 854, 859 ff.). Die entsprechende Verwendungsbefugnis enthält § 29 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 POG RhPf, der auch bereits im Zeitpunkt der Verwertung der Daten in dem angefochtenen Urteil galt.
36
b) Zutreffend machen die Beschwerdeführer allerdings geltend, dass § 29 POG RhPf aF, auf den die akustische Überwachung der Wohnung des Angeklagten K. gestützt worden war, nicht in vollem Umfang verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprach. Dies führt indes nicht dazu, dass die aus der Maßnahme erlangten Erkenntnisse nicht gemäß § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO im Strafverfahren gegen die Angeklagten verwendet werden durften. Hierzu gilt:
37
§ 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 c Rdn. 32; Eisenberg, Beweisrecht der StPO 6. Aufl. Rdn. 358; s. auch Singelnstein aaO S. 887 f.; Griesbaum in KK § 161 Rdn. 40 - jeweils zur parallelen Problematik bei § 161 Abs. 2 StPO; BGHSt 48, 240, 249; BGHR StPO § 100 a Verwertungsverbot 10; Schäfer in Löwe/Rosenberg, 25. Aufl. § 100 a Rdn. 87 - jeweils zur Verwendungsregelung des § 100 b Abs. 5 StPO aF).
38
aa) Bedingung dafür ist zunächst eine wirksame Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 13 GG genügt (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64 f.). Ermächtigungsgrundlage war hier § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF, der die Erhebung von Daten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in der Wohnung des Betroffenen zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit erlaubte. Diese Eingriffsvoraussetzungen stehen im Einklang mit der das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG einschränkenden Vorschrift des Art. 13 Abs. 4 GG, die eine Wohnraumüberwachung zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit , also bei einer konkreten Gefährdung eines wichtigen Rechtsgutes (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG 10. Aufl. Art. 13 Rdn. 30) zulässt. Durch die Aufzählung einer gemeinen Gefahr und der Lebensgefahr in Art. 13 Abs. 4 GG wird die Eingriffsschwelle beispielhaft definiert (Gornig in v. Mangoldt/Klein/Stark, GG 5. Aufl. Art. 13 Rdn. 126), was auch bei der Auslegung des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF zu berücksichtigen ist. Bei Beachtung dieser Maßstäbe ergeben sich insoweit keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Eingriffsermächtigung (vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl 2007, 569, 577 zum weitgehend inhaltsgleichen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf nF). Diese ist auch einfachrechtlich hinreichend bestimmt: Der unbestimmte Rechtsbegriff der dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist insbesondere durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte konturiert worden und setzt voraus, dass bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Schädigung eines hochrangigen Rechtsguts droht; auf eine zeitliche Komponente, etwa in dem Sinne, dass der Schadenseintritt unmittelbar bevorstehen muss, kommt es hingegen nicht entscheidend an (BVerwGE 47, 31, 40; Jarass aaO Art. 13 Rdn. 37).
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Die von den Beschwerdeführern zur Begründung ihrer Gegenauffassung herangezogene verfassungsgerichtliche Rechtsprechung (BVerfGE 113, 348; MVVerfG LKV 2000, 345) ist nicht einschlägig. Die in jenen Entscheidungen für nichtig erklärten Vorschriften des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG MV ) bzw. § 33 a Abs. 1 Nr. 2 und 3 Niedersächsisches Gesetz über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG Nds.) knüpften als Eingriffsvoraussetzung nicht an die Abwehr einer dringenden Gefahr, sondern an die vorsorgende Strafverfolgung und Verhütung von Straftaten an (BVerfGE 113, 348, 350 f., 368 f.; MVVerfG LKV 2000, 345, 349 f.; siehe auch VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl 2007, 569, 577). Die mit § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf vergleichbare Vorschrift des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SOG M-V, der die Wohnraumüberwachung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zulässt, ist nach der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern hingegen verfassungsgemäß (MVVerfG LKV 2000, 345, 349); der unter den gleichen Voraussetzungen die Anordnung der Telefonüberwachung zulassende § 33 a Abs. 1 Nr. 1 SOG Nds. war nicht Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, weil er in jenem Verfahren mit der Verfassungsbeschwerde nicht angefochten worden war. Aus den vorgenannten Entscheidungen lassen sich verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF somit nicht herleiten.
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Die Ermächtigungsgrundlage genügte auch im Hinblick auf den in der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG geforderten Richtervorbehalt den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. § 29 Abs. 4 Satz 1 POG RhPf aF).
41
bb) Jedoch enthielt der am 3. März 2004 in Kraft getretene § 29 POG RhPf aF keine Vorschriften zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Solche Regelungen hatte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom selben Tag zur Anordnung einer Wohnraumüberwachung nach der Strafprozessordnung gefordert und die §§ 100 c, 100 d, 100 f und 101 StPO aF deshalb teilweise für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Gleichwohl hatte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist zur Neufassung dieser Bestimmungen eingeräumt, in der die bisherigen Regelungen unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten Vorgaben zum Schutz der Menschenwürde und zur Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit fortgalten (BVerfGE 109, 279). Mittlerweile - und auch bereits im Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht - sind solche Regelungen zum Kernbereichsschutz sowohl in § 100 c Abs. 4-6 StPO als auch in § 29 Abs. 3-6 POG RhPf nF enthalten.
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Das Fehlen von Kernbereichsschutzregelungen in § 29 POG RhPf aF führt nicht zur Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme erlangten Erkenntnisse.
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(1) Nicht zu teilen vermag der Senat allerdings die vom Oberlandesgericht und - ihm folgend - vom Generalbundesanwalt vertretene Auffassung, die Vorschrift sei einer verfassungskonformen Auslegung dahin zugänglich gewesen , dass sie unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben jedenfalls für eine Übergangszeit der Verfassung entsprochen habe und so als rechtmäßige Ermächtigungsgrundlage für Wohnraumüberwachungsmaßnahmen habe dienen können.
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Eine verfassungskonforme Auslegung kommt in Betracht, wenn eine auslegungsfähige Norm nach den üblichen Interpretationsregeln mehrere Auslegungen zulässt, von denen eine oder mehrere mit der Verfassung übereinstimmen , während andere zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen (BVerfGE 19, 1, 5; 32, 373, 383 f.; 48, 40, 45). Die Grenzen einer solchen Auslegung sind indes erreicht, wenn durch sie der wesentliche Inhalt der gesetzlichen Regelung erst geschaffen werden müsste (BVerfGE 8, 71, 78 f.; 45, 393, 400); es steht den Fachgerichten insbesondere in Fällen, in denen der Gesetzgeber unterschiedliche Möglichkeiten zu einer verfassungskonformen Neuregelung hat, nicht zu, die gesetzgeberische Aufgabe der Rechtssetzung zu übernehmen (BVerfGE 72, 51, 62 f.; 100, 313, 396; vgl. auch BVerfGE 8, 71, 79). Hier erweist sich die vom Oberlandesgericht vorgenommene "verfassungskonforme Auslegung" der Sache nach als übergangsweise Regelung zur Fortgeltung eines mit der Verfassung nicht vereinbaren Gesetzes unter Berücksichtigung bestimmter verfassungsrechtlicher Vorgaben; zu solchen Übergangsregelungen sind gemäß § 35 BVerfGG nur das Bundesverfassungsgericht bzw. nach den entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften die Landesverfassungsgerichte befugt (vgl. Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG § 35 Rdn. 69, 43; Heusch in Mitarbeiterkommentar-BVerfGG 2. Aufl.
§ 31 Rdn. 81 f.; s. etwa § 26 Abs. 3 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz).
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Gegen die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung mit dem vom Oberlandesgericht angenommenen Inhalt spricht zudem, dass sich das Bundesverfassungsgericht selbst - bezogen auf die Vorschriften der Strafprozessordnung - zu einer solchen außer Stande sah und ausdrücklich eine Regelung durch den Gesetzgeber forderte (BVerfGE 109, 279). In Kenntnis der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts hat auch der Sächsische Verfassungsgerichtshof die die Wohnraumüberwachung zulassenden Vorschriften im Sächsischen Verfassungsschutzgesetz, die ebenfalls keine Regelungen zum Kernbereichsschutz enthielten, nicht aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung unbeanstandet gelassen, sondern sie unter Bestimmung einer Übergangsfrist für mit der Verfassung unvereinbar erklärt (SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
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(2) Obwohl danach wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz von der Unvereinbarkeit des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF mit Art. 13 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG und damit von der Rechtswidrigkeit der Wohnraumüberwachung ausgegangen werden muss, lässt dies hier die Verwendbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse im Sinne des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO unberührt.
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Nach ständiger Rechtsprechung führt nicht jeder Rechtsverstoß bei der strafprozessualen Beweisgewinnung zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse. Vielmehr ist je nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Bedeutsam sind dabei insbesondere die Art des etwaigen Beweiserhebungsverbots und das Gewicht des in Rede stehen- den Verfahrensverstoßes, das seinerseits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt wird (vgl. BGHSt 19, 325, 329 ff.; 27, 355, 357; 31, 304, 307 ff.; 35, 32, 34 f.; 37, 30, 31 f.; 38, 214, 219 ff.; 38, 372, 373 f.; 42, 372, 377; 44, 243, 249; BGH NStZ 2007, 601, 602; BVerfG NStZ 2006, 46; NJW 2008, 3053). Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass die Annahme eines Verwertungsverbots ein wesentliches Prinzip des Strafverfahrensrechts - den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind - einschränkt. Aus diesem Grund stellt ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme dar, die nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (BGHSt 37, 30, 32 m. w. N.; 44, 243, 249).
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Diese Grundsätze gelten auch für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung eingeführten Verwendungsregelungen (der Sache nach auch BGHSt 48, 240, 249 zu § 100 b Abs. 5 StPO aF), zu denen auch § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO zählt.
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Zwar wird in Teilen der Literatur die Auffassung vertreten, Verwendungsregelungen müssten bei Nichtvorliegen ihrer Voraussetzungen stets wie ein geschriebenes Verwertungsverbot wirken, das keiner Abwägung zugänglich sei, so dass in derartigen Fällen jegliche Verwendung und damit auch jede Verwertung der jeweils in Rede stehenden Daten ausgeschlossen werden müsse (Singelnstein aaO S. 889 m. w. N.). Nach dieser Ansicht sollen sich - mangels einer ausdrücklichen Ermächtigung, auch rechtswidrig erlangte Erkenntnisse für einen anderen Verfahrenszweck umzuwidmen - die Verwendungsregelungen der Strafprozessordnung ausschließlich auf rechtmäßig erhobene Daten beziehen, weil eine rechtswidrige Datenerhebung im Vergleich zu einer rechtmäßigen ei- nen schwereren Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen darstelle (Singelnstein aaO S. 887 f.).
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Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Eine solche Beschränkung nur auf rechtmäßig erhobene Daten ergibt sich aus dem Wortlaut der Verwendungsregelungen nicht. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften zur Verwendung von Erkenntnissen aus präventiv-polizeilichen Maßnahmen im Strafverfahren ist allerdings zu entnehmen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von der rechtmäßigen Datenerhebung ausgegangen ist (Wollweber NJW 2000, 3623 unter Hinweis auf die Materialien zum Strafverfahrensänderungsgesetz 1999, vgl. BRDrucks. 64/00 S. 6 f.). Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass auf polizeigesetzlicher Grundlage rechtswidrig erhobene Daten unter keinen Umständen für Zwecke des Strafverfahrens zur Verfügung stehen sollten (Zöller in Roggan/Kutscha, Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit 2. Aufl. S. 496 f.). Denn es entspricht der üblichen Regelungstechnik der Strafprozessordnung, dass der Gesetzgeber zwar die Voraussetzungen normiert, unter denen zur strafprozessualen Beweisgewinnung durch Ermittlungsmaßnahmen rechtmäßig in (Grund-)Rechte der jeweils Betroffenen eingegriffen werden darf, jedoch - abgesehen von wenigen Ausnahmen (s. etwa § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO) - keine Bestimmungen dazu trifft, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen rechtswidrig erlangte Beweisergebnisse im weiteren Verfahren verwertet werden dürfen. Es ist kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Regelungen zur Verwendung von Daten, die in anderen Verfahren und eventuell auch unter Geltung anderer Rechtsgrundlagen für die Informationsbeschaffung gewonnen worden sind, von diesem Konzept abweichen wollte.
51
Auch von Verfassungs wegen folgt aus der Rechtswidrigkeit einer Datenerhebung nicht zwangsläufig das Verbot einer zweckändernden Verwendung (Wolter aaO vor § 151 Rdn. 167 a; Albers, Die Determination polizeilicher Tätigkeit in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge S. 330 f.; Singelnstein aaO S. 887). Damit entspricht die rechtliche Ausgangslage aber derjenigen bei den sog. relativen Verwertungsverboten. Auch hier besteht ein ausdrückliches gesetzliches Verwertungsverbot nicht; ob die gewonnenen Erkenntnisse möglicherweise unverwertbar sind, wird auf der Grundlage der oben dargestellten Abwägungskriterien vielmehr nur deshalb geprüft, weil die Ermittlungsbehörden bei der Beweisgewinnung gegen Vorschriften der Strafprozessordnung verstoßen haben, von deren Einhaltung durch die Behörden der Gesetzgeber grundsätzlich ausgeht. Wenn aber in diesen Fällen die Rechtswidrigkeit der Ermittlungshandlung nicht stets zur Unverwertbarkeit der Beweismittel führt, so ist kein Grund dafür ersichtlich, in der vergleichbaren Situation der Verwendungsregelungen jede Verwendung und damit auch die Verwertung von der Rechtmäßigkeit der Datengewinnung abhängig zu machen. Besonders augenfällig wird dies bei der Vorschrift des § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO, die die Verwendung von Zufallsfunden regelt: Während die Rechtswidrigkeit der Ermittlungsmaßnahme die Verwertbarkeit der Erkenntnisse zu der Straftat, zu deren Aufklärung sie angeordnet wurde, gegebenenfalls unberührt lassen würde, dürften gleichzeitig gewonnene Beweisergebnisse, die eine andere Tat des selben Täters betreffen, nicht verwertet werden. Diesem unstimmigen Ergebnis kann auch nicht mit dem Hinweis darauf begegnet werden, dass die Zweckänderung einen erneuten Grundrechtseingriff darstellt, der durch die Verwendungsregelung nur gerechtfertigt werden könne, wenn die Datenerhebung selbst rechtmäßig war. Denn auch die Verwertung von rechtswidrig erlangten Erkenntnissen in demselben Verfahren stellt einen erneuten Grundrechtseingriff oder zumindest eine Vertiefung des zuvor erfolgten dar. Dessen Rechtfertigung kann sich bei einem Überwiegen der Belange der Allgemeinheit, insbesondere des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung - einem Prinzip von Verfassungsrang (BVerfGE 44, 353, 374; BVerfG StV 1985, 177) - aus der nach den dargestellten Grundsätzen vorzunehmenden Güterabwägung ergeben.
52
Ob - was allerdings nahe liegen dürfte - von diesem Ergebnis abzuweichen ist, wenn durch die Nutzung der rechtswidrig erhobenen Daten eine in der Verwendungsregelung enthaltene Beschränkung umgangen würde, etwa wenn die Wohnraumüberwachung nicht zur Aufklärung einer Katalogtat oder eines vergleichbaren präventiv-polizeilichen Zwecks angeordnet wurde (vgl. Albers aaO S. 331; Schäfer aaO § 100 a Rdn. 97 zu § 100 b Abs. 5 StPO aF; Weßlau in SK-StPO § 477 Rdn. 41; in diesem Sinne wohl auch Dencker in FS für Meyer -Goßner S. 237, 249 f.), kann der Senat offen lassen. Zu einer solchen Verletzung der Verwendungsbeschränkung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO ist es nicht gekommen (dazu oben 1. a). Im Übrigen würde in solchen Fällen auch die Auffassung, die ein Verwertungsverbot von einer Güterabwägung abhängig macht, regelmäßig zu dem Ergebnis einer Unverwertbarkeit der Daten gelangen (vgl. BGHSt 31, 304, 309; 41, 30; 47, 362).
53
Für alle anderen Verstöße ist abzuwägen, ob die Rechtswidrigkeit der Datenerhebung auch die zweckändernde Verwendung und damit hier die Verwertung im Strafverfahren verbietet (vgl. Nack aaO § 100 d Rdn. 31 ff.; Albers aaO S. 331 f.; vgl. auch Wolter aaO § 100 d Rdn. 69, der bei "Minimalverstößen" ebenfalls eine Abwägung für geboten hält, aA wohl Singelnstein aaO).
54
(3) Ist nach alledem eine Verwendung der aus der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung erlangten Daten wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz in § 29 POG RhPf aF und einer daraus resultierenden Rechtswidrigkeit der Maßnahme nicht von vornherein ausgeschlossen, ergibt die vorzunehmende Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung, was zur Verwertbarkeit der gewonnen Erkenntnisse führt. Im Einzelnen:
55
Der Rechtsverstoß bei der Informationsbeschaffung liegt hier darin, dass die Abhörmaßnahme auf der Grundlage einer mit dem Grundgesetz nicht in vollem Umfang vereinbaren einfachgesetzlichen Ermächtigung durchgeführt worden ist. Der Senat verkennt nicht, dass die Unvereinbarkeit der Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung mit höherrangigem Recht einen Verstoß von Gewicht begründet, der regelmäßig zur Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen wird. Jedoch sind vorliegend besondere Umstände zu beachten , die zu einer abweichenden Beurteilung führen:
56
Das Bundesverfassungsgericht hatte die entsprechenden strafprozessualen Regelungen trotz ihrer teilweisen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht für nichtig, sondern sie unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die Erfordernisse einer funktionierenden Strafrechtspflege für eine Übergangszeit weiterhin für anwendbar erklärt. Dem entnimmt der Senat, dass auch § 29 POG RhPf aF, wäre er zur verfassungsrechtlichen Prüfung durch das Bundes- oder Landesverfassungsgericht gestellt worden, nicht etwa für nichtig, sondern unter entsprechenden Vorgaben ebenfalls für eine Übergangszeit für weiter anwendbar erklärt worden wäre (vgl. SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
57
Die Vorschrift des § 29 POG RhPf aF entsprach in Bezug auf den Überwachungsgrund der Gefahrenabwehr sowie im Hinblick auf die Eingriffsschwelle und den Richtervorbehalt der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG. Sie konnte die Maßgaben des Verfassungsgerichts zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensführung nicht berücksichtigen, weil für den Gesetzgeber noch keine Möglichkeit bestand, diese in das Gesetz einzuarbeiten; denn zwischen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der Erstanordnung der Maßnahme lagen nur etwas über vier Monate (das Bundesverfassungsgericht hatte dem Bundesgesetzgeber in seinem Urteil vom 3. März 2004 eine Frist von mehr als einem Jahr und drei Monaten zur verfassungskonformen Neufassung der einschlägigen Bestimmungen der Strafprozessordnung zur Wohnraumüberwachung gesetzt, vgl. BVerfGE 109, 279, 381). Gleichwohl waren Betroffene von Wohnraumüberwachungsmaßnahmen im Hinblick auf ihr Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht schutzlos gestellt; vielmehr ergibt sich bei Fehlen entsprechender Vorschriften in den Polizeigesetzen ein solcher Schutz unmittelbar aus Art. 13 Abs. 4 GG in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aufgestellten Grundsätze (Wolter aaO § 100 c Rdn. 19 m. w. N.).
58
Bei dieser Ausgangslage war die Annahme des Polizeipräsidiums und der die präventiv-polizeiliche Wohnraumüberwachung anordnenden bzw. die Anordnung verlängernden Gerichte nicht unvertretbar, dass die Maßnahme trotz des Fehlens einer gesetzlichen Regelung zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung durchgeführt werden durfte und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts durch entsprechende Vorkehrungen im Vollzug der Wohnraumüberwachung Rechnung getragen werden konnte. Jedenfalls stellte sich diese Annahme nicht als eine bewusste Umgehung des Gesetzes oder grundrechtlich geschützter Positionen der Angeklagten dar.
59
Nach alldem wiegt die teilweise Unvereinbarkeit des § 29 POG RhPf aF mit verfassungsrechtlichen Anforderungen hier nicht so schwer, dass sie eine nach den dargelegten Grundsätzen nur ausnahmsweise anzuerkennende Un- verwertbarkeit der bei der Wohnraumüberwachung erlangten Erkenntnisse zur Folge hätte. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass wegen der Respektierung des Kernbereichs der privaten Lebensführung bei Durchführung der Maßnahme (s. unten d) und e) jedenfalls materiell ein ungerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht der Angeklagten K. und Y. A. aus Art. 13 Abs. 1 GG sowie eine Verletzung ihrer Menschenwürde nicht vorlag. Angesichts dessen kann auch die überragende Bedeutung dieser Grundrechte keine andere Beurteilung rechtfertigen.
60
c) Die Anordnung der Wohnraumüberwachung unterliegt im Übrigen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die entgegenstehende Rüge, mit der die Beschwerdeführer geltend machen, die Voraussetzungen einer Anordnung der Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF hätten nicht vorgelegen, ist unbegründet.
61
aa) Die Anordnung wurde nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Anordnungsbeschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit getroffen. Auch in der Sache lag kein Eingriff zur bloßen Gefahrenvorsorge oder zur vorbeugenden Strafverfolgung vor.
62
Die gegenteilige Ansicht der Beschwerdeführer beruht auf einer Verkennung des Begriffs der dringenden Gefahr. Eine solche braucht nicht bereits eingetreten zu sein; es genügt, dass die Beschränkung des Grundrechts dem Zweck dient, einen Zustand nicht eintreten zu lassen, der seinerseits eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen würde (vgl. BVerfGE 17, 232, 251 f.). Damit liegt eine dringende Gefahr im Sinne des für den vorliegenden Eingriff maßgeblichen § 13 Abs. 4 GG vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein bedeutendes Rechtsgut schädigen wird (vgl. BVerwGE 47, 31, 40). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind zudem an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden wäre (BVerwGE 47, 31, 40; 57, 61, 65; 88, 348, 351; 116, 347, 356; Gusy, Polizeirecht 6. Aufl. Rdn. 119; vgl. BVerfGE 49, 89, 135 ff.). Zuzugeben ist den Beschwerdeführern insoweit allerdings, dass auch angesichts der Größe eines möglichen Schadens bloße Vermutungen oder die Inbezugnahme einer allgemeinen Sicherheitslage nicht zur Begründung einer Gefahr ausreichend sind; erforderlich ist vielmehr eine im konkreten Fall durch hinreichende Tatsachen zu belegende Gefahrenlage (BVerfGE 115, 320, 368 f.).
63
Nach diesen Grundsätzen ist die Anordnung der Wohnraumüberwachung durch das Landgericht M. jedenfalls im Ergebnis insoweit nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat das Vorliegen einer dringenden Gefahr auf die konkreten Einwände der Beschwerdeführer gegen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme anhand einer eigenständigen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Anordnung (vgl. dazu BGHSt 47, 362, 367) geprüft und - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - im Beschluss vom 21. August 2007 mit plausibler und rechtlich nicht zu beanstandender Begründung bejaht. Dabei hat es insbesondere darauf abgestellt , dass die Ermittlungslage wegen einer zu vorangegangenen Terroranschlägen parallelen Grundkonstellation befürchten ließ, dass in der Wohnung des Angeklagten K. Planungs- oder Vorbereitungshandlungen für Terroranschläge , also schwerste Straftaten gegen Leib und Leben Unbeteiligter durchgeführt würden, und damit eine gemeine Gefahr (vgl. dazu Gornig in v. Mangoldt /Klein/Stark, GG aaO Art. 13 Rdn. 127) vorlag. Diese Einschätzung basierte nicht auf bloßen Vermutungen, sondern auf konkreten Tatsachen, namentlich der extremistischen Grundeinstellung der sich in der Wohnung des Angeklagten K. treffenden Personen, ihren teilweisen Kontakten zu weiteren Personen, gegen die wegen des Verdachts der Einbindung in terroristische Netzwerke ermittelt wurde, dem konkreten Verdacht, dass der Angeklagte K. Kontakt zu terroristischen Strukturen in Afghanistan aufgenommen und sich dort an Kampfhandlungen beteiligt hatte, sowie nicht zuletzt auf dem Umstand, dass die Besucher der Wohnung konspirativ miteinander kommunizierten und sich Observationsmaßnahmen entzogen.
64
Die Einwendungen der Revisionen gehen auf die eine konkrete Gefahrenlage begründenden Umstände nicht ein und beschränken sich auf eine - im Revisionsverfahren unbehelfliche - eigene, abweichende Wertung des Ermittlungsstandes , der - wie vom Generalbundesanwalt aufgezeigt - teilweise auch unzutreffend wiedergegeben wird. Soweit sie darauf abstellen, dass sich im Zeitpunkt der Anordnung vorliegende Verdachtsmomente in der Hauptverhandlung nicht bestätigt hätten (Kodiertabelle), können sie mit diesem Einwand nicht gehört werden: Im Polizeirecht beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle einer Gefahrenprognose auf eine Überprüfung der tatsächlichen Anhaltspunkte und den daraus resultierenden Schluss auf zukünftige Schäden aus einer ex-antePerspektive (Gusy aaO Rdn. 121).
65
bb) Der Rechtmäßigkeit der Anordnung steht - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - nicht entgegen, dass sie sich in Rubrum und Tenor des Beschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 nicht auch gegen den Angeklagten Y. A. als weiteren Bewohner der überwachten Wohnung richtete. Insbesondere ist die Behauptung der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar, die Polizei habe es bewusst unterlassen, eine entsprechende richterliche Anordnung auch gegen ihn einzuholen. Aufgrund der Angaben in dem Antrag des Polizeipräsidiums war dem Landgericht M. ausweislich des Beschlusses bekannt, dass der Angeklagte Y. A. in der Wohnung des Angeklagten K. gemeldet war. Von einer bewussten Umgehung oder Missachtung des Richtervorbehalts kann mithin keine Rede sein. Der Angeklagte wurde vielmehr in ihn nicht beschwerender Weise im Ergebnis wie ein Dritter im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 POG RhPf aF behandelt; auch insoweit war die Aufzeichnung des von ihm gesprochenen Wortes zulässig.
66
Die Anordnung hätte nach den obigen Darlegungen zudem auch gegen den Angeklagten Y. A. jederzeit erwirkt werden können. Dieser Umstand führt dazu, dass auch dann nicht von einer Unverwertbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse auszugehen wäre, wenn man insoweit von einer Fehlerhaftigkeit der Anordnung ausgehen wollte. Vielmehr ist nach den oben dargelegten Grundsätzen in Fällen der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme im Wege einer Abwägung zu ermitteln, ob die so gewonnenen Daten verwendet werden dürfen (dazu oben b) bb) (2)). Eine solche Abwägung würde hier wegen der unproblematisch möglichen Anordnung der Maßnahme auch gegenüber dem Angeklagten Y. A. zur Verwendbarkeit und damit auch zur Verwertbarkeit der Ergebnisse der Wohnraumüberwachung führen. Denn angesichts der daraus resultierenden Geringfügigkeit eines etwaigen Verstoßes würden die öffentlichen Belange, namentlich die gerichtliche Aufklärungspflicht und das öffentliche Strafverfolgungsinteresse vorgehen.
67
cc) Die Einwendungen der Revisionen gegen den Verlängerungsbeschluss des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 greifen ebenfalls nicht durch. Soweit damit nicht die Beanstandungen gegenüber der Erstanordnung wiederholt werden, beschränken sich die Beschwerdeführer darauf, dass die durchgeführte Überwachung eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit , insbesondere wegen konkreter Anschlagsplanungen, nicht ergeben habe.
68
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, hat sich das Oberlandesgericht mit diesem Argument bereits eingehend auseinandergesetzt und anhand einer freibeweislichen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Verlängerung das weitere Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit nach eingehender Prüfung anhand konkreter Tatsachen gleichwohl bejaht. Rechtsfehler zeigen die Revisionen auch insoweit nicht auf. Hinweise auf eine Rechtswidrigkeit der Verlängerung der Wohnraumüberwachung , die zu einer Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen könnten, ergeben sich damit nicht.
69
d) Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, die Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung seien insgesamt "wegen Verletzung des Schutzes des Kernbereichs der Persönlichkeit" unverwertbar. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
70
Im Ausgangspunkt zutreffend ist die Annahme, dass nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO nur solche Daten verwendet werden dürfen, die nicht unter ein Verwertungsverbot aus § 100 c StPO fallen (dazu oben 1. b). Die Vorschrift des § 100 c Abs. 5 Satz 3 StPO normiert ein Verwertungsverbot für Erkenntnisse aus Äußerungen, die dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Daraus ergibt sich indes kein umfassendes Verwertungsverbot für alle aus einer Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse, sondern nur für diejenigen, die durch eine Kernbereichsverletzung erzielt wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 29; Wolter aaO § 100 c Rdn. 71). Dass kernbereichsrelevante Gesprächsteile in dem Urteil gegen sie verwertet worden seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht. Dies ergibt sich auch nicht aus dem angefochtenen Urteil, das die verwerteten Passagen zitiert; diese lassen Kernbereichsverletzungen nicht erkennen.
71
aa) Nach der hier über § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO heranzuziehenden gesetzlichen Regelung in § 100 c StPO kommt eine Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme nur in Betracht, wenn gegen das Beweiserhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO verstoßen wurde (Nack aaO § 100 d Rdn. 28; Wolter aaO § 100 c Rdn. 73; vgl. auch BVerfGE 109, 279, 331). Ob ein solches Verwertungsverbot vorliegt, hat das erkennende Gericht zu prüfen, dessen Entscheidung wiederum der revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegt (Nack aaO § 100 c Rdn. 41).
72
Das Erhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO (und des inhaltsgleichen § 29 Abs. 3 POG RhPf nF) knüpft an die Anordnung der Maßnahme an. Diese darf nur ergehen, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. Sie erfordert somit eine negative Kernbereichsprognose durch das anordnende Gericht, für die - wie bei anderen Prognoseentscheidungen auch - ein Beurteilungsspielraum besteht (Nack aaO § 100 c Rdn. 25). Ein Verwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen das Erhebungsverbot besteht demnach nur dann, wenn das Gericht diesen Beurteilungsspielraum klar erkennbar und damit rechtsfehlerhaft überschritten hat (Wolter aaO § 100 c Rdn. 73).
73
Eine in diesem Sinne rechtsfehlerhafte Anordnung der Wohnraumüberwachung zeigen die Beschwerdeführer weder auf, noch ist sie ersichtlich. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus der Aufzählung von Gesprächen, hinsichtlich derer eine Kernbereichsrelevanz lediglich pauschal durch schlagwortartige Bezeichnungen ("Beten", "Heirat", "Tod des Vaters" etc.) behauptet wird. Das Oberlandesgericht hat zudem auch insoweit auf der Grundlage einer Rekonstruktion der tatsächlichen Verhältnisse zum Anordnungszeitpunkt das Vorliegen einer negativen Kernbereichsprognose geprüft und bejaht. Die Beschwerdeführer legen erneut nicht dar, dass diese Entscheidung Rechtsfehler enthält. Es haben sich auch nach revisionsrechtlicher Prüfung keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die Sachlage anders als vom Oberlandesgericht angenommen dargestellt hat, so dass eine vertiefte freibeweisliche Prüfung (vgl. BGHSt 16, 164, 166 f.) nicht veranlasst war. Der Senat neigt ohnehin der Ansicht zu, dass in Abkehr von bisheriger Rechtsprechung tatsächliche Feststellungen , die der Tatrichter freibeweislich trifft, in der Revisionsinstanz ebenso wie seine Überzeugungsbildung auf strengbeweislicher Grundlage nur auf Rechtsfehler in der Beweiswürdigung zu überprüfen sind; dies bedarf hier aus den dargelegten Gründen aber keiner näheren Erörterung.
74
bb) Die Rüge wendet sich der Sache nach gegen den Vollzug der Maßnahme. Durch die unzureichenden Handlungsanweisungen des Polizeipräsidiums sei es zu einer Vielzahl von Kernbereichsverletzungen gekommen, so dass die Maßnahme insgesamt unzulässig gewesen sei. Auch insoweit hat die Verfahrensbeanstandung keinen Erfolg.
75
Im Ansatz ist allerdings zutreffend, dass das Bundesverfassungsgericht nicht allein auf die richterliche Anordnung abgestellt, sondern ein umfassendes Verwertungsverbot für den Fall als erforderlich angesehen hat, dass die Behörden in Überschreitung der Ermächtigung die Wohnraumüberwachung durchführen , obwohl eine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass mit ihr absolut geschützte , dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnende Gespräche erfasst werden (BVerfGE 109, 279, 331). Dementsprechend ist auch das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass ein nicht am Kernbereichs- schutz ausgerichteter Vollzug zur Unverwertbarkeit der Erkenntnisse aus der gesamten Maßnahme führen könnte.
76
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer genügte die tatsächliche Durchführung der Wohnraumüberwachung jedoch grundsätzlich den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift: In technischer und personeller Hinsicht war ein möglichst schonender Maßnahmevollzug bereits dadurch gewährleistet, dass in jedem Einzelfall durch den diensthabenden Polizeibeamten unter Zuhilfenahme des stets anwesenden Dolmetschers entschieden wurde, ob die Aufzeichnung gestartet wurde und wie lange sie andauerte. Soweit die generellen Handlungsanweisungen nach Ansicht des Oberlandesgerichts rechtlich bedenklich waren, hat es die Erkenntnisse entweder nicht verwertet (Selbstgespräche des Angeklagten K. ) oder - im Hinblick auf die den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genügende Handlungsanweisung, dass eine Abschaltung nur bei "wesentlicher" Verletzung des Kernbereichs über "zweifelsfrei längere Zeit" zu erfolgen habe - die Gespräche einer eingehenden Prüfung unterzogen, die eine Erfassung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte nicht ergab. Diese Handlungsanweisung galt entgegen der insoweit zumindest missverständlichen Darstellung der Beschwerdeführer ohnehin nur für den ersten Abschnitt der Maßnahme bis zum 4. November 2004. Ab diesem Zeitpunkt wurde sie durch eine den Kernbereichsschutz noch verstärkende Anordnung ersetzt. Eine bewusste oder planmäßige Überschreitung der Ermächtigung zur Wohnraumüberwachung durch die Polizeibehörden ergibt sich danach nicht. Diese waren vielmehr mit hohem personellem und technischem Aufwand bemüht, die verfassungsgerichtlichen Vorgaben umzusetzen.
77
Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, es sei ein zu enger Maßstab an den Kernbereich privater Lebensgestaltung angelegt worden, verschweigen sie in diesem Zusammenhang, dass sich das Oberlandesgericht bereits in der Hauptverhandlung auf den Vortrag einer Vielzahl von angeblichen Kernbereichsverletzungen damit auseinandergesetzt hat, dass die aufgenommenen Gebete in gefahrrelevante Gespräche über die Rechtfertigung von terroristischen Anschlägen oder die Verherrlichung des "Märtyrertods" eingebettet waren und deshalb nicht höchstpersönliche Gefühle oder Gedanken und damit den Kernbereich berührten. Auch die weiteren von den Revisionen schlagwortartig genannten Themen "Heirat" und "Familie" betrafen nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts Gespräche, die sich vorrangig auf die Erlangung eines gesicherten Aufenthaltsstatus in Europa bezogen oder im Zusammenhang mit dem geplanten Versicherungsbetrug standen, der wegen der dadurch möglichen finanziellen Versorgung der Familie eine Voraussetzung für den von dem Angeklagten Y. A. angestrebten "Märtyrertod" war. Die Beurteilung, dass mit der Aufzeichnung solcher Gespräche nicht in den Kernbereich eingegriffen wurde, ist - wie bereits vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegt - rechtsfehlerfrei.
78
Nach alledem ist für einen den Kernbereichsschutz von vornherein außer Acht lassenden Maßnahmevollzug, der allein zur Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung führen könnte, nichts ersichtlich. Vielmehr verbleibt es - soweit es zu Kernbereichsverletzungen gekommen sein sollte - bei dem aus § 100 c Abs. 5 Satz 3 StPO resultierenden Verwertungsverbot in Bezug auf solche einzelnen Gespräche.
79
Angesichts dessen kann offen bleiben, ob der Vortrag der Revisionen zu einzelnen Kernbereichsverletzungen den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Da eine Verwertung der entsprechenden Gesprächspassagen nicht konkret behauptet wird und sich aus dem angefochtenen Urteil auch nicht ergibt, ist die Rüge insoweit jedenfalls unbegründet.
80
e) Auch soweit die Beschwerdeführer darüber hinaus in Bezug auf die Gespräche, an denen die Angeklagten Y. und I. A. bzw. ihr Bruder A. A. beteiligt waren, ein Verwertungsverbot nach § 52 StPO bzw. gemäß § 100 c Abs. 6, § 52 StPO geltend machen, bleiben ihre Beanstandungen ohne Erfolg.
81
Rechtlich verfehlt ist die Auffassung der Revisionen, § 100 c Abs. 6 StPO komme jedenfalls für die aufgrund der präventiv-polizeilichen Ermächtigungsgrundlage des § 29 Abs. 1 POG RhPf aF gewonnenen Erkenntnisse nicht zur Anwendung, weil sich die Vorschrift nur auf strafprozessuale Wohnraumüberwachungsmaßnahmen beziehe. Wie bereits dargelegt (dazu 1. b) sind mit der Formulierung in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO, dass nur "verwertbare" Daten aus einer nach anderen Gesetzen durchgeführten Maßnahme im Strafverfahren verwendet werden dürfen, die Verwertungsverbote des § 100 c StPO angesprochen. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche eines nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, der infolgedessen die Entscheidung, ob er von seinem Recht Gebrauch machen möchte, nicht mehr treffen kann, richtet sich die Verwertbarkeit daher stets nach der Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO. Dies folgt bei Erkenntnissen aus einer polizeilichen Maßnahme aus der Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO; bei solchen aus einer strafprozessualen Maßnahme gilt § 100 c Abs. 6 StPO entweder unmittelbar oder - wenn wie hier mit dem Angeklagten I. A. ein zunächst Unverdächtiger betroffen ist - über die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO. Für eine isolierte Anwen- dung des § 52 StPO ist daneben kein Raum (vgl. BGHSt 40, 211; BGH NStZ 1999, 416).
82
Danach gilt für die Angeklagten Y. und I. A. § 100 c Abs. 6 Satz 3 StPO mit der Folge, dass ihre im Rahmen der aufgezeichneten Gespräche abgegebenen Äußerungen unbeschränkt verwertbar sind (vgl. § 160 a Abs. 4 StPO). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kommt es für die Frage der Verwertbarkeit nicht darauf an, ob bereits im Zeitpunkt der Gesprächsaufzeichnungen ein Tatverdacht bezüglich einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 2 StPO gegen den Angeklagten I. A. bestand. Denn es handelt sich bei der verfassungskonformen Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO (vgl. BVerfG NJW 2007, 2753) um eine Verwertungsregelung , so dass allein auf den Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil abzustellen ist, in welchem angesichts der Anklageerhebung und des Eröffnungsbeschlusses des Oberlandesgerichts jedenfalls ein hinreichender Tatverdacht gegeben war, dass der Angeklagte I. A. sich der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig gemacht hatte. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn für Gespräche mit Zeugnisverweigerungsberechtigten ein Beweiserhebungsverbot gälte; ein solches hat indes auch das Bundesverfassungsgericht nicht gefordert (vgl. BVerfGE 109, 279, 331 ff.).
83
Der Verwertung steht auch die von den Beschwerdeführern zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unverwertbarkeit von Erkenntnissen aus beschlagnahmefreien Urkunden im Sinne des § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO (BGH NStZ 2001, 604, 606) nicht entgegen. Dort resultierte die Unverwertbarkeit der Erkenntnisse, die erst einen Tatverdacht hätten begründen können, aus dem Umstand, dass bereits die Beweiserhebung unzulässig war (BGH aaO). Die Regelungen des § 100 c Abs. 6 StPO haben indes lediglich ein Ver- wertungsverbot im Hinblick auf im Übrigen - so auch hier - zulässig erlangte Beweismittel zum Gegenstand.
84
Auch die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführer, die von dem Oberlandesgericht vorgenommene Abwägung zur Verwertung der Äußerungen des nicht tatverdächtigen Bruders der Angeklagten, A. A. , nach § 100 c Abs. 6 Satz 2 StPO sei rechtsfehlerhaft, greifen nicht durch. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts.
85
3. Die Beschwerdeführer rügen weiter die Verwertung der Erkenntnisse aus den auf strafprozessualer Grundlage ergangenen Anordnungen der Wohnraumüberwachung. Diese hätten nicht ergehen dürfen, weil sie sich auf unverwertbare Erkenntnisse aus der zuvor angeordneten Maßnahme nach § 29 POG RhPf aF gestützt hätten.
86
Da die Erkenntnisse aus der polizeilichen Wohnraumüberwachung indes verwendbar waren (vgl. oben 2. b) bb), konnten sie auch im Zeitpunkt der ersten strafprozessualen Anordnung zur Begründung des Tatverdachts verwendet werden (vgl. § 100 f Abs. 2 StPO aF).
87
Hinsichtlich der Verwertbarkeit der Erkenntnisse gelten die Ausführungen zu 1. d) und e) entsprechend, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
88
II. Rundumüberwachung
89
Die Beschwerdeführer rügen die Verwertung von Erkenntnissen aus weiteren geheimen Ermittlungsmaßnahmen und machen in diesem Zusammen- hang geltend, dass diese - kumulativ zu der angeordneten Wohnraumüberwachung - zu einer unzulässigen Rundumüberwachung geführt hätten, aus der sich wiederum die Unverwertbarkeit auch der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung ergebe.
90
Den Revisionsbegründungen sowie der Gegenerklärung des Generalbundesanwalts vom 15. Oktober 2008, der die Beschwerdeführer insoweit zugestimmt haben, lässt sich folgender Verfahrenssachverhalt entnehmen:
91
Die Wohnraumüberwachung dauerte - wie dargelegt - vom 24. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 und damit über einen Zeitraum von etwa fünf Monaten. Die Dauer der aufgezeichneten Gespräche betrug hingegen nur einen Bruchteil; sie machte im Verhältnis zur Gesamtdauer der Maßnahme lediglich 8,4 % aus. Die Zeiten, in denen die Polizeibehörden das gesprochene Wort in der Wohnung des Angeklagten K. nicht nur nicht aufzeichneten sondern auch nicht abhörten, sind nicht dokumentiert. Aus technischen Gründen war es nicht möglich, bei abgeschalteter Aufzeichnung auch das Mithören nachweisbar zu unterbrechen, was zunächst nur durch ein Abdrehen der Lautstärke, später auch durch ein Betätigen der "Stopp-Taste" an den eingesetzten Rekordern zu erreichen war.
92
Darüber hinaus wurden folgende Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt:
93
Vom 9. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 wurde auf Anordnung des Landgerichts (Beschluss vom 14. Juli 2004) beziehungsweise des Amtsgerichts M. (Beschluss vom 12. Oktober 2004) der Eingang des Hauses videoüberwacht , in dem sich die Wohnung des Angeklagten K. befand. Mit Beschluss vom 21. September 2004 genehmigte das Amtsgericht M. darüber hinaus die Videoüberwachung eines Telefonladens, den die Angeklagten K. und Y. A. gelegentlich aufsuchten. Die Maßnahme war auf die Dauer von zwei Monaten befristet. Für das Wochenende vom 22. bis 24. Oktober 2004 ordnete das Polizeipräsidium zudem die Anbringung eines GPSSenders an zwei von dem Angeklagten Y. A. genutzten Fahrzeugen an. Diese Maßnahmen beruhten auf polizeirechtlicher Grundlage (§ 28 POG RhPf).
94
Am 8. November 2004 ordnete der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof auf Antrag des Generalbundesanwalts die Herausgabe der Verbindungsdaten von insgesamt sechs am 9. Oktober 2004 aus fünf verschiedenen öffentlichen Telefonzellen in Mü. geführten Gesprächen an. Der Generalbundesanwalt verfügte am 10. November 2004 die Anordnung einer planmäßig angelegten Beobachtung des Angeklagten Y. A. für die Dauer von einem Monat. Mit Beschluss des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 9. Dezember 2004 wurde diese Observation um drei Monate verlängert ; sie dauerte bis zur vorläufigen Festnahme des Angeklagten fort. Mit Beschlüssen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 12. November 2004 wurde sodann die Telefonüberwachung der von den Angeklagten K. und Y. A. genutzten Mobiltelefone, die Beschlagnahme aller an sie gerichteten Postsendungen und die langfristige Observation des Angeklagten K. angeordnet. Diese Maßnahmen dauerten jeweils bis zur vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. an. Mit Beschlüssen vom 12. November 2004 wurde bezüglich dieser beiden Angeklagten auch der Einsatz eines sogenannten IMSI-Catchers verfügt, zu dem es im Ermittlungsverfahren indes nicht kam.
95
Die Beschwerdeführer haben in der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht der Verwertung der Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsmaßnah- men widersprochen, mit Ausnahme der Erkenntnisse aus der GPSÜberwachung , der Videoüberwachung des Telefonladens und der Observation des Angeklagten Y. A. . In diesen Widersprüchen haben sie nicht geltend gemacht, dass es sich wegen der Kumulation der Maßnahmen um eine unzulässige Rundumüberwachung gehandelt habe.
96
1. Soweit die Beschwerdeführer meinen, die Erkenntnisse aus den strafprozessualen Maßnahmen hätten nicht verwertet werden dürfen, weil deren Anordnung auf den unverwertbaren Erkenntnissen aus der Wohnraumüberwachung beruhe, ist die Rüge unbegründet. Wie dargelegt konnten die aus der Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 POG RhPf aF resultierenden Gesprächsaufzeichnungen im Zeitpunkt der Anordnung der strafprozessualen Maßnahmen gemäß § 100 f Abs. 2 StPO aF verwendet werden (dazu oben I. 3.).
97
2. Die Rüge, es habe eine unzulässige Rundumüberwachung vorgelegen , ist ungeachtet der in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgezeigten Bedenken gegen ihre Zulässigkeit jedenfalls unbegründet.
98
Es ist vorliegend durch die zeitgleiche Durchführung mehrerer Überwachungsmaßnahmen nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen, zeitlichen und räumlichen Rundumüberwachung (vgl. BVerfGE 65, 1, 42 f.; 109, 279, 323) gekommen. Bezüglich des Angeklagten I. A. liegt dies bereits deshalb auf der Hand, weil gegen ihn keinerlei Überwachungsmaßnahmen angeordnet worden sind. Er war von solchen nur reflexartig betroffen, etwa wenn er sich in der überwachten Wohnung des Angeklagten K. aufhielt. In den Zeiträumen, in denen er keinen Kontakt zu den Angeklagten K. und Y. A. hatte, fand eine Überwachung seiner Person nicht statt.
99
Aber auch gegenüber den Angeklagten K. und Y. A. liegt eine derart intensive Überwachung, die im Hinblick auf den daraus resultierenden sog. additiven Grundrechtseingriff (vgl. BVerfGE 112, 304, 320) Bedenken an ihrer verfassungsmäßigen Rechtmäßigkeit aufkommen lassen könnte, nicht vor.
100
Die Wohnraumüberwachung wurde zwar über einen längeren Zeitraum durchgeführt und war engmaschig strukturiert. Dies war indes - wie das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat - zunächst im Hinblick auf die komplexe präventiv-polizeiliche Gefahrenlage und im weiteren Verlauf zur Aufklärung der Vereinigungsdelikte nach §§ 129 a, 129 b StGB, dabei insbesondere zur Aufdeckung von Planungs- und Verbindungsstrukturen erforderlich. Bei der konkreten Durchführung der Wohnraumüberwachung achteten die durchführenden Beamten zudem auf einen möglichst schonenden Maßnahmevollzug (dazu oben I. 2. d), was sich nicht zuletzt auch an der im Verhältnis zum Zeitraum der Gesamtmaßnahme geringen Dauer der Gesprächsaufzeichnungen zeigt. Dass die Überwachung in Form jedenfalls des Mithörens über die gesamten Monate "rund um die Uhr" erfolgt sei, ist eine nicht belegte Mutmaßung der Revisionen. Aus den vom Oberlandesgericht erlangten Erkenntnissen über die Durchführung der Maßnahme ergibt sich vielmehr, dass der diensthabende Beamte bei der Wahrnehmung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte die "Stopp-Taste" zu drücken hatte - mithin auch das Mithören beendete - und nur bei veränderter Personenkonstellation in der Wohnung durch gelegentliches "Hereinhören" überprüfte, ob die Gespräche sich verfahrensrelevanten, nicht dem Kernbereich zugehörenden Materien zuwandten. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere der Videoüberwachung des Hauseingangs keine die Eingriffsintensität steigernde Wirkung zu. Sie diente im Gegenteil vorrangig dazu , den in der Wohnung verkehrenden Personenkreis zu überprüfen. Dadurch wurde überhaupt erst eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf mögliche Kernbereichsverletzungen ermöglicht, und es konnte so im Ergebnis die Intensität der - wesentlich grundrechtsrelevanteren - Abhörmaßnahme verringert werden.
101
Die daneben auf polizeirechtlicher Grundlage angeordnete Überwachung eines Telefonladens dauerte entgegen dem von den Beschwerdeführern erweckten Eindruck nicht die gesamte Zeit an, sie lief vielmehr aus, als im November 2004 mehrere Maßnahmen auf strafprozessualer Basis angeordnet wurden. Die Überwachung von Fahrzeugen des Angeklagten Y. A. mittels eines GPS-Senders dauerte nur drei Tage und war im Zeitpunkt der strafprozessualen Maßnahmen bereits beendet. Auch insoweit kann also keine Rede von einer Rundumüberwachung sein.
102
Im Ergebnis traten zu der Wohnraumüberwachung also kumulativ die im Wesentlichen durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs angeordneten Maßnahmen der Telefonüberwachung von zwei Mobilfunkanschlüssen der Angeklagten K. und Y. A. , ihre längerfristige Observation und die Beschlagnahme der an sie gerichteten Postsendungen hinzu. Auch bei einer Gesamtschau dieser Überwachungsmaßnahmen ergibt sich eine unzulässige Rundumüberwachung, mit der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil eines Betroffenen erstellt werden könnte, nicht. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch bei einer Bündelung mehrerer heimlicher Überwachungsmaßnahmen durch die vorhandenen verfahrensrechtlichen Sicherungen, an die mit Rücksicht auf das der Kumulation der Grundrechtseingriffe innewohnende Gefährdungspotential allerdings besondere Anforderungen zu stellen sind, grundsätzlich ausgeschlossen (BVerfGE 112, 304, 319 f.; aA Puschke, Die kumulative Anordnung von Informationsbeschaffungs- maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung S. 79 ff., der eine kumulative Überwachung als andersartigen Eingriff begreift, für den es einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage bedürfe).
103
Die genannten verfahrensrechtlichen Sicherungen bestehen namentlich in dem Richtervorbehalt, aber auch in Eingriffsschwellen, die besonders schwerwiegend beeinträchtigende Überwachungsmaßnahmen vom Vorliegen besonders schwerer Straftaten oder bestimmten qualifizierten Verdachtsgraden abhängig machen, sowie in sog. Subsidiaritätsklauseln, die den Eingriff nur dann erlauben, wenn anderweitig die Aufklärung erheblich erschwert würde. Sie stellen letztlich Ausprägungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar. Bei der gleichwohl noch erforderlichen Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne beurteilt sich die Frage der Zulässigkeit einer Überwachungsmaßnahme auch danach, ob gegebenenfalls mehrere, in die Grundrechte des Betroffenen eingreifende Maßnahmen durchgeführt werden (vgl. BVerfGE aaO S. 321; BGHSt 46, 266, 277). Die besonderen vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Anforderungen an das Verfahren sind - soweit vorliegend maßgeblich - erfüllt, wenn sichergestellt ist, dass die für die Beantragung oder Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen primär zuständige Staatsanwaltschaft über alle den Grundrechtsträger betreffenden Ermittlungseingriffe informiert ist (vgl. BVerfGE aaO S. 320).
104
So verhält es sich hier. Der Generalbundesanwalt war - ebenso wie der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof - über sämtliche Überwachungsmaßnahmen informiert. Dies gilt auch für die - nicht vom Ermittlungsrichter angeordnete - Wohnraumüberwachung und die sie begleitende Videoüberwachung des Hauseingangs. In sämtlichen Anordnungsbeschlüssen wurde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insbesondere dadurch Genüge getan, dass der Richtervorbehalt gewahrt blieb, die an die Schwere der Straftat anknüpfenden Eingriffsvoraussetzungen sowie die Subsidiaritätsklauseln in den die Maßnahmen rechtfertigenden Vorschriften (§ 100 a Satz 1, § 100 c Abs. 1 Satz 1, § 163 f Abs. 2 Satz 1 StPO aF) beachtet wurden. Dass die Entscheidungen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof oder des Landgerichts Ka. insoweit rechtsfehlerhaft gewesen seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht; dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Anordnung der Ermittlungsmaßnahmen stand auch darüber hinaus zur Schwere des Tatvorwurfs und zum Grad des sich aus den vorangegangenen Ermittlungen ergebenden Verdachts nicht außer Verhältnis. Dies belegen neben den in diesem Verfahren ausgeurteilten Taten insbesondere die im November 2004 gewonnenen Verdachtsmomente , nach denen sich der Angeklagte K. zu dieser Zeit zumindest mit der Vermittlung von 48 Gramm hochangereichertem Uran befasste, das - wie er den Angeklagten Y. und I. A. in einem Gespräch erläuterte - für den Bau einer Bombe verwendet werden konnte.
105
Soweit die Beschwerdeführer schließlich zum Beleg ihrer Gegenauffassung eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zitieren (JZ 2000, 993, 994), befasst sich diese mit einem Fall der sog. Rundumüberwachung nicht.
106
III. Weitere Verfahrensrügen
107
Daneben rügen die Revisionen die Verfahrensweise, in der das Oberlandesgericht 141 der überwachten und aufgezeichneten Wohnraumgespräche in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Das angeordnete Selbstleseverfahren beschränke die Öffentlichkeit unzulässig und verstoße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Beanstandet wird weiterhin, das Oberlandesgericht habe die Inhalte der Wohnraumüberwachung im Urteil lückenhaft und selektiv darge- stellt und insoweit den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht erschöpfend seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegt. Gerügt wird ferner die Ablehnung einer Reihe von Beweisanträgen, mit denen die Ladung und Vernehmung syrischer Zeugen beantragt worden war. Die Zeugen - neben Bekannten des Angeklagten K. auch dessen Eltern, Schwester und Bruder - waren im Wesentlichen dazu benannt, den Aufenthalt des Angeklagten K. in seinem Heimatort D. in Syrien in der Zeit von Mitte Oktober 2001 bis Ende April/Anfang Mai 2002 zu bestätigen und so dessen durch die Wohnraumüberwachung ermittelte Darstellung zu erschüttern, er habe sich in diesem Zeitraum als Kämpfer der Al Qaida in Pakistan und Afghanistan aufgehalten. Das Oberlandesgericht hat die Vernehmung der Zeugen unter Aufklärungsgesichtspunkten nicht für erforderlich gehalten und deshalb diese Anträge jeweils nach § 244 Abs. 5 StPO abgelehnt. In gleicher Weise ist das Gericht mit Anträgen verfahren, in denen die Zeugenvernehmung des in US-Gewahrsam im Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba befindlichen Ramzi Binalshibh sowie die des ebenfalls in amerikanischem Gewahrsam befindlichen Zayn Husayn alias "Abu Zubaydah" begehrt worden war.
108
Diese Rügen bleiben aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen sämtlich ohne Erfolg.

109
C. Die Sachrügen
110
I. Beweiswürdigung
111
Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts hält den Maßstäben revisionsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. BGH NJW 2005, 2322, 2326) stand. Die Rechtsmittel zeigen auch mit ihren Einzelausführungen insoweit keinen Rechtsfehler auf, sondern legen - teilweise unter Mitteilung aus dem Urteil nicht ersichtlicher Tatsachen - allein ihre eigene Beweiswürdigung dar.
112
II. § 129 b StGB
113
1. Revision des Angeklagten K.
114
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten K. rechtsfehlerfrei wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) verurteilt.
115
a) Die Wertung des Oberlandesgerichts, die Organisation Al Qaida sei als ausländische terroristische Vereinigung im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB anzusehen, hält auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen im Ergebnis sachlichrechtlicher Prüfung stand.
116
aa) Als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB ist nach bisher in der Rechtsprechung gebräuchlicher Definition der auf eine gewisse Dauer angelegte , freiwillige organisatorische Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (BGHSt 28, 147; 31, 202, 204 f.; 31, 239 f.; 45, 26, 35; BGH NJW 2005, 1668; 2006, 1603; BGHR StGB § 129 Vereinigung 3 m. w. N.). Diese Kriterien liegen nach den Feststellungen für die Al Qaida im Tatzeitraum insbesondere auch mit Blick auf die erforderliche Struktur und Art der Willensbildung der Organisation vor. Hierzu gilt:
117
(1) Für eine Vereinigung in diesem Sinne konstitutiv ist das Bestehen eines Mindestmaßes an fester Organisation mit einer gegenseitigen Verpflichtung der Mitglieder (BGHSt 31, 202, 205; BGH NStZ 1982, 68). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts lagen diese Voraussetzungen für die Zeit bis Herbst 2001 zweifelsfrei vor; denn die Al Qaida war durch eine gefestigte Organisation geprägt, in deren Rahmen die Mitglieder mit verteilten Rollen und im Wege einer koordinierten Aufgabenverteilung zu einem gemeinsamen Zweck zusammenwirkten. Die strukturellen Voraussetzungen einer Vereinigung sind jedoch auch für den Tatzeitraum zu bejahen. Die Feststellungen belegen, dass der seit Herbst 2001 anhaltende Verfolgungsdruck weder auf der Führungsebene noch in den nachgeordneten Bereichen zu einer Zerschlagung der Organisation , sondern lediglich zu einer entsprechenden Anpassung der Strukturen geführt und die hierarchisch gegliederte Kernorganisation der Al Qaida in kommunikativer und operativer Hinsicht einen bedeutenden Rest an Handlungsfähigkeit bewahrt hat, der den erneuten Aufbau festerer Strukturen erlaubt und hierauf auch angelegt ist. Eine solche - möglicherweise nur vorübergehende und taktisch bedingte - Lockerung der Organisationsstruktur führt indes nicht dazu, dass die Gruppierung für diese Phase ihrer Existenz die Eigenschaft als Vereinigung verliert. Insoweit gilt Ähnliches wie für das Fortbestehen der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, das grundsätzlich auch für solche (Zwischen-)Phasen in Betracht kommt, in denen das Mitglied - gegebenenfalls bedingt durch die äußeren Umstände - keine aktiven Tätigkeiten entfaltet (vgl. BGHSt 29, 288, 294; 46, 349, 355 ff.). Hier kommt hinzu, dass nach wie vor ein nach Art, Inhalt und Intensität enges Beziehungsgeflecht der Mitglieder bestand , das auch in der Zeit nach Herbst 2001 die Planung und Ausführung zentral gesteuerter Attentate ermöglichte.
118
(2) Voraussetzung für eine Vereinigung ist daneben die subjektive Einbindung der Beteiligten in die Ziele der Organisation und in deren Willensbildung unter Zurückstellung individueller Einzelmeinungen. Dabei ist die Art und Weise der Willensbildung gleichgültig, solange sie ihrerseits von dem Willen der Mitglieder der Vereinigung getragen wird. Die für alle Mitglieder verbindlichen Regeln über die Willensbildung können etwa dem Demokratieprinzip entsprechen oder auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam aufgebaut sein (BGHSt 31, 239, 240; 45, 26, 35). Die Annahme einer Vereinigung scheidet indes aus, wenn die Mitglieder einer Gruppierung sich nur jeweils für sich der autoritären Führung einer Person unterwerfen, ohne dass diese vom Gruppenwillen abgeleitet wird (BGH NJW 1992, 1518; StV 1999, 424, 425).
119
Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist auch dieses voluntative Element der Vereinigung hinreichend belegt. Nach der ursprünglichen Struktur der Al Qaida in Afghanistan stand an der Spitze der Organisation ein Führungskreis , dem Usama Bin Laden, Aiman Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter verschiedener "Fachausschüsse" angehörten. Die Willensbildung war demnach hierarchisch strukturiert, ohne dass sich allerdings die Mitglieder der Organisation einseitig einer nicht vom Gruppenwillen getragenen Führungsperson unterwarfen. Im Tatzeitraum teilten die Mitglieder der Al Qaida weiterhin die gemeinsame politisch-ideologische Grundhaltung des gewaltbereiten extremistischen Islamismus. Die Gruppierung verfügte nach wie vor mit dem "Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" bis zur Zerstörung der USA und ihrer Verbündeten über eine über den bloßen Zweckzusammenhang der Vereinigung hinausreichende , von allen Mitgliedern getragene Zielsetzung. Der fortwährende, vom Willen der Mitglieder der Al Qaida getragene Führungsanspruch von Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri wird etwa durch deren per Internet oder Massenmedien veröffentlichte Video- und Audiobotschaften manifestiert.
120
bb) Der Senat ist aus diesen Gründen nicht gehalten zu entscheiden, ob dem Oberlandesgericht darin zugestimmt werden kann, dass im Hinblick auf die Gemeinsame Maßnahme des Rates der Europäischen Union vom 21. Dezember 1998 (ABl. EG 1998 Nr. L 351 S. 1) und den Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. EG 2002 Nr. L 164 S. 3) der bisher gebräuchliche Vereinigungsbegriff zu modifizieren ist und die Anforderungen insbesondere an die organisatorischen und voluntativen Voraussetzungen herabzusetzen sind. In der Literatur wird eine derartige "europarechtsfreundliche" Interpretation des Vereinigungsbegriffs teilweise vertreten (Krauß in LK 12. Aufl. § 129 a Rdn. 26; Kress JA 2005, 220, 223 ff.; v. Heintschel-Heinegg in FS für Schroeder S. 799; krit. Rudolphi/Stein in SKStGB § 129 Rdn. 6 b). Auch der Senat hat eine derartige Neubestimmung zunächst grundsätzlich in den Blick genommen, ohne sich indes im Einzelnen hierzu zu verhalten (BGH NJW 2006, 1603); zuletzt hat er jedoch insbesondere für die kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB vor dem Hintergrund des abgestuften Systems der Strafbarkeit von Tatvollendung, Versuch und Vorbereitungshandlung , der erforderlichen Abgrenzbarkeit der Vereinigung von einer Bande oder nur mittäterschaftlichen Zusammenschlüssen sowie der prozessualen Folgewirkungen Bedenken geäußert (BGHR StGB § 129 Vereinigung 3). Diese Vorbehalte gegen eine erweiternde Auslegung des Vereinigungsbegriffs werden bei Berücksichtigung des Strafzwecks der Vereinigungsdelikte noch verstärkt: Die §§ 129 ff. StGB sollen die erhöhte kriminelle Intensität erfassen, die in der Gründung oder Fortführung einer fest gefügten, auf die Begehung von Straftaten angelegten Organisation ihren Ausdruck findet und die kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte Gefährlichkeit in sich birgt. Diese Eigendynamik führt typischerweise dazu, dass dem einzelnen Beteiligten die Begehung von Straftaten erleichtert und bei ihm das Gefühl der persönlichen Verantwortlichkeit zurückgedrängt wird. Der Strafgrund der in diesem Sinne verstandenen spezifischen vereinigungsbezogenen Gefährlichkeit der Organisation geriete jedoch aus dem Blick, wenn Abstriche an den bisherigen Voraussetzungen hinsichtlich der Struktur der Vereinigung sowie der Willensbildung und -unterordnung ihrer Mitglieder zugelassen würden; denn nur eine ausreichend enge Verbindung der Mitglieder sowie ein entsprechender Gruppenwille schaffen die spezifischen Gefahren einer für die Vereinigung typischen, vom Willen des Einzelnen losgelösten Eigendynamik. All diese Gesichtspunkte sind gleichermaßen bei der Auslegung des Begriffs der terroristischen Vereinigung nach §§ 129 a, 129 b StGB von Bedeutung; im Übrigen spricht auch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und -klarheit dagegen, ein wortgleiches Tatbestandsmerkmal in einem Qualifikationstatbestand anders auszulegen als in der Grundnorm (aA Krauß aaO § 129 a Rdn. 26 aE).
121
Der Senat hält deshalb an seinen Bedenken gegen die vom Oberlandesgericht vorgenommene Begriffsbestimmung fest. Er ist entgegen der Auffassung der Revision allerdings nicht gehindert, auf der Basis der Feststellungen des Oberlandesgerichts eine von dessen Rechtsansicht abweichende Auffassung zu vertreten und seiner rechtlichen Bewertung den herkömmlichen Vereinigungsbegriff zugrunde zu legen.
122
b) Der Angeklagte K. hat sich an der Al Qaida als Mitglied beteiligt.
123
Die mitgliedschaftliche Beteiligung erfordert, dass der Täter sich unter Eingliederung in die Organisation deren Willen unterordnet und eine Tätigkeit zur Förderung der Ziele der Organisation entfaltet. Notwendig ist eine auf Dauer oder zumindest längere Zeit angelegte Teilnahme am "Verbandsleben" (BGHSt 18, 296, 299 f.; BGH NStZ 1993, 37, 38).
124
Nach den Feststellungen schloss der Angeklagte K. sich der Al Qaida während eines Aufenthalts in einem von dieser betriebenem Ausbildungslager in Afghanistan an. Er begab sich aufgrund des Verfolgungsdrucks nach dem Herbst 2001 absprachegemäß zurück nach Deutschland und nahm hier Rekrutierungs - und Beschaffungsmaßnahmen für die Vereinigung vor. Dass das Oberlandesgericht während dieser Zeit keinen Kontakt des Angeklagten zur Führungsebene der Al Qaida festgestellt hat, steht vor dem Hintergrund dieser gewichtigen, fortdauernden, im Einverständnis mit der Führungsebene entfalteten und auf eine aktive Beteiligung an der Organisation gerichteten Tätigkeiten der Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung nicht entgegen (vgl. BGHSt 46, 349, 356 f.). Hinzu kommt, dass der Aufenthalt des Angeklagten in Deutschland nicht auf Dauer angelegt war. Vielmehr wollte er sich zurück in ein "Jihadland" begeben und sich dort erneut den kämpfenden Verbänden der Al Qaida anschließen. Aus alldem ergibt sich, dass die Mitgliedschaft des Angeklagten in der Al Qaida zu keinem Zeitpunkt beendet war; vielmehr bestand sie während des Tatzeitraums unvermindert fort. Die Leistung des Treueids auf Usama Bin Laden durch den Angeklagten war entgegen dem Vorbringen der Revision zum Erwerb der Mitgliedschaft nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht konstitutiv.
125
2. Revision des Angeklagten Y. A.
126
a) Für den Angeklagten Y. A. belegen die Feststellungen des Urteils dagegen nicht, dass dieser sich an der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida als Mitglied beteiligt hat; denn es fehlt an einer ausreichenden, von einem übereinstimmenden Willen der Organisation und des Angeklagten getragenen Eingliederung in die Vereinigung.
127
Das Oberlandesgericht hat im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung die mitgliedschaftliche Beteiligung dieses Angeklagten an Al Qaida zum einen daran angeknüpft, dass er sich mit hohem Zeitaufwand und als Hauptakteur der Umsetzung der Versicherungsbetrügereien gewidmet habe. Zum anderen habe er finanzielle Mittel beschaffen wollen, die seine eigene Teilnahme und diejenige des Angeklagten K. am bewaffneten Jihad auf Seiten der Al Qaida ermöglichen sollten. Damit hat das Oberlandesgericht bei seiner Beurteilung wesentliche Kriterien, die für die Mitgliedschaft in einer Vereinigung maßgeblich sind, außer Acht gelassen. Im Einzelnen:
128
Die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, bedarf regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter nie an einem Ort befunden hat, an dem Vereinigungsstrukturen bestehen, und seine Verbindung zu der Vereinigung ausschließlich in dem Kontakt zu einem in Deutschland befindlichen Mitglied der Organisation besteht. Denn die Beteiligung als Mitglied setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Die Begehungsform der mitgliedschaftlichen Beteiligung kommt im Unterschied zu den Tathandlungen des Werbens für die oder des Unterstützens der Vereinigung nur in Betracht , wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert (Krauß aaO § 129 Rdn. 110). Zwar ist hierfür eine organisierte Teilnahme am Leben der Vereinigung nicht erforderlich, weshalb es etwa einer förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft mit etwa listenmäßiger Erfassung, Zahlung von Mitgliedsbeiträgen oder gar Ausstellung eines Mitgliedsausweises nicht bedarf (BGHSt 18, 296, 299 f.; 29, 114, 121; Rebmann NStZ 1989, 97, 100 Fn. 27). Notwendig ist allerdings, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Hierfür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied (BGHSt 18, 296, 300; 29, 114, 123; BGH NStZ 1993, 37, 38; Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 129 Rdn. 13). Auch ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern (Krauß aaO § 129 Rdn. 105). Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (BGH NStZ 1993, 37, 38).
129
Danach liegen die Voraussetzungen für eine Beteiligung des Angeklagten Y. A. als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida nicht vor. Der Angeklagte war nicht in der erforderlichen Weise in die Organisationsstrukturen der Al Qaida eingebunden. Er war zu keinem Zeitpunkt etwa in Afghanistan, Pakistan oder dem Irak und hatte keine Verbindung zu den Führungspersonen oder den sich dort aufhaltenden Mitgliedern der Organisation. Es ist nicht festgestellt, dass außer seiner einzigen Kontaktperson , dem sich mit ihm in Deutschland befindenden Angeklagten K. , irgendein sonstiges Mitglied der Al Qaida überhaupt Kenntnis von ihm hatte. Unter diesen Umständen kann bereits von einer mit einer Teilnahme am Verbandsleben verbundenen Stellung des Angeklagten Y. A.
innerhalb der Vereinigung, wie sie für eine Beteiligung als Mitglied konstitutiv ist, keine Rede sein.
130
Eine willentliche Übereinstimmung zwischen der Vereinigung und dem Angeklagten bezüglich seiner Einbindung in die Organisation ist aus den dargelegten Gründen ebenfalls nicht feststellbar. Die Mitgliedschaft des Angeklagten lässt sich insoweit auch nicht mit der festgestellten Übung der Al Qaida begründen , im Tatzeitraum Mitglieder u. a. in europäische Länder mit dem Auftrag zu senden, dort für die Vereinigung rekrutierend tätig zu werden und den zuvor zum Erwerb der Mitgliedschaft üblichen Treueid auf Usama Bin Laden durch eine einseitige Erklärung der Loyalität durch die rekrutierte Person sowie deren Tätigkeit für die Organisation zu ersetzen. Die auf diese Weise angeworbenen Anhänger mögen zwar durch ihr - wie auch immer im Einzelfall geartetes - Eintreten für die Ziele der Al Qaida dieser als Unterstützer im untechnischen Sinne nützlich und willkommen sein; sie sind indes nicht ohne Weiteres, sondern nur dann als Mitglieder der Organisation im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB anzusehen , wenn die oben dargelegten Voraussetzungen gegeben sind. Der Angeklagte konnte deshalb nicht allein dadurch zum Mitglied der Al Qaida werden, dass er einen besonderen Einsatz zeigte sowie seinen Willen zu einer dauerhaften Beteiligung an der Organisation durch den Wunsch manifestierte, nach Erlangung der zur Versorgung seiner Familie erforderlichen wirtschaftlichen Mittel am Jihad im Irak teilzunehmen, selbst wenn dies das Einverständnis seiner einzigen Kontaktperson der Al Qaida, des Angeklagten K. , fand.
131
Ob dies möglicherweise anders zu beurteilen wäre, wenn der Angeklagte K. von der Al Qaida den Auftrag und gleichsam die Vollmacht erhalten hätte , allein und ohne Rücksprache mit der Organisation neue Mitglieder im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in die Vereinigung aufzunehmen, hat der Senat nicht zu entscheiden. Denn weder ein derartiger Auftrag durch die Al Qaida noch eine solch weitgehende Befugnis des Angeklagten K. ist durch die Feststellungen belegt. Der Senat kann den - freilich nicht an allen Stellen vollständig übereinstimmenden - Feststellungen im Ergebnis lediglich entnehmen, dass K. sich nach Deutschland begab, um hier für die Al Qaida "autonom terroristische Operationen zu planen und hierfür geeignetes Personal heranzuziehen" (UA S. 22) bzw. "zu arbeiten" (UA S. 27, 221). Aus diesen Formulierungen kann die spezielle Beauftragung zur Rekrutierung und Aufnahme echter Vereinigungsmitglieder nicht abgeleitet werden. Zudem lassen die Feststellungen zur Stellung des Angeklagten K. innerhalb der Al Qaida lediglich erkennen, dass er in der Hierarchie noch unterhalb der "Emire" stand. Hieraus ist zu schließen, dass es sich bei ihm trotz seiner persönlichen Bekanntschaft mit Usama Bin Laden lediglich um ein gewöhnliches Mitglied der Organisation handelte, das nicht in herausgehobener Position tätig war. Die Annahme, dass ein derartiges "normales" Mitglied die weitreichende Befugnis hatte, aufgrund eigener Entscheidung neue Mitglieder in die Organisation aufzunehmen, wird von den Feststellungen auch bei Berücksichtigung von deren Gesamtzusammenhang nicht getragen. Diese belegen vielmehr lediglich, dass der Angeklagte K. vorgab, die Möglichkeit zu haben, Interessenten durch die Abgabe einer Empfehlung den Zugang zu einer kämpfenden Organisation an einem "Jihadschauplatz" im Ausland zu erleichtern (UA S. 42, 294).
132
Gegen eine darüber hinausgehende Bevollmächtigung des Angeklagten K. spricht im Übrigen auch der Vergleich zur festgestellten Praxis der Gewinnung von Vereinigungsmitgliedern in der Zeit vor Herbst 2001. Damals reichte noch nicht einmal das Durchlaufen einer "normalen" Ausbildung in einem Lager in Afghanistan aus. Die Mitglieder der Al Qaida wurden vielmehr unter denjenigen Personen ausgesucht, die sich als besonders qualifiziert erwiesen und deshalb eine Spezialausbildung erhalten hatten. Hieraus folgt, dass die Al Qaida ihrerseits an die "Kandidaten" gewisse Anforderungen stellte, die diese erfüllen mussten, um Mitglied der Vereinigung werden zu können. Nach den Feststellungen ist nicht zu erkennen, dass diese Anforderungen aufgegeben wurden, als aufgrund des Verfolgungsdrucks eine "Reorganisation durch Dezentralisierung" erfolgte. In dieser Phase sollten zwar u. a. in Europa neue Kämpfer für den Jihad angeworben werden; es ist jedoch nichts dafür ersichtlich , dass die Al Qaida zu dieser Zeit jeden in einem europäischen Land befindlichen Interessenten ohne weitere Überprüfung wahllos als Mitglied im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in ihre Organisation aufnehmen wollte.
133
b) Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte Y. A. allerdings wegen Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar gemacht (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB).
134
Nach ständiger Rechtsprechung unterstützt eine terroristische Vereinigung , wer, ohne selbst Mitglied der Organisation zu sein, deren Tätigkeit und terroristische Bestrebungen direkt oder über eines ihrer Mitglieder fördert. Dabei kann sich die Förderung richten auf die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt, auf die Erleichterung einzelner von ihr geplanter Straftaten, aber auch allgemein auf die Erhöhung ihrer Aktionsmöglichkeiten oder die Stärkung ihrer kriminellen Zielsetzung. Nicht erforderlich ist, dass der Organisation durch die Tathandlung ein messbarer Nutzen entsteht. Vielmehr genügt es, wenn die Förderungshandlung an sich wirksam ist und der Organisation irgendeinen Vorteil bringt; ob dieser Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ih rer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (BGHSt 51, 345, 348 f.).
135
Ein tatbestandliches Unterstützen liegt demgegenüber nicht vor, wenn die Handlung der Vereinigung von vornherein nicht nützlich war und sein konnte (vgl. BGH bei Schmidt MDR 1981, 91; Krauß aaO § 129 Rdn. 133). Es scheidet darüber hinaus auch dann aus, wenn die unterstützende Handlung sich der Sache nach als Werben für die Vereinigung darstellt. Wirbt der Täter um Mitglieder oder Unterstützer der terroristischen Vereinigung, kommt seine Strafbarkeit - nur - nach § 129 a Abs. 5 Satz 2 StGB in Betracht; wirbt er lediglich für die Ideologie oder Ziele der Vereinigung, bleibt er grundsätzlich straflos (BGHSt 51, 345). Die hieraus folgende Privilegierung des Werbens für eine Vereinigung ist durch die entsprechende Änderung der §§ 129, 129 a StGB durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. August 2002 (BGBl I 3390) sowie das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2836) bedingt und auf diese Tathandlung beschränkt ; sie führt insbesondere nicht dazu, dass für die sonstigen Erscheinungsformen möglicher Unterstützungshandlungen vergleichbare Einschränkungen gelten etwa mit der Folge, dass die Anforderungen an den notwendigen Vorteil der Unterstützungshandlung für die Vereinigung generell zu erhöhen wären.
136
Nach alldem ist als tatbestandliche Unterstützung jedes Tätigwerden anzusehen , das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung unmittelbar fördert, die Realisierung der von der Vereinigung geplanten Straftaten - wenn auch nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung der Vereinigung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr wesenseigene Gefährlichkeit festigt (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 139; Miebach/Schäfer in MünchKomm-StGB § 129 Rdn. 83), solange diese Tätigkeit sich nicht als Werben für eine Vereinigung darstellt. Aufgrund des aus der besonderen Tatbestandsstruktur der Vereinigungsdelikte folgenden Verhältnisses der einzelnen Tathandlungen zueinander umfasst das Unterstützen einer Vereinigung daher auch Sachverhaltsgestaltungen , die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten wären (BGHSt 51, 345, 350 f.). Da als Effekt des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt , regelmäßig bereits hierin ein ausreichender Nutzen für die Vereinigung zu sehen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Täter ein Mitglied der Vereinigung bei der Erfüllung einer Aufgabe unterstützt, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist. Denn die Mitwirkung an der Erfüllung eines Auftrags, den die Vereinigung selbst einem Mitglied erteilt hat, erweist sich nicht nur allein für das betroffene Mitglied als im hier relevanten Sinne vorteilhaft; der ausreichende , nicht notwendigerweise spezifizierte Nutzen wirkt sich in einem solchen Fall vielmehr auch auf die Organisation als solche in vergleichbarer Weise aus wie in den Fällen, in denen die Mitglieder in ihrem Entschluss gestärkt werden, die Straftaten zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder ihrer Tätigkeit entsprechen (BGHSt 32, 243, 244). Eines noch weiter gehenden Vorteils für die Vereinigung bedarf es deshalb in diesen Fallgestaltungen nicht.
137
In derartigen Fällen wird die gleichzeitig verwirklichte Beihilfe des Täters zur mitgliedschaftlichen Beteiligung des Dritten an der Vereinigung durch das täterschaftliche Unterstützen der Vereinigung verdrängt. Ob daneben Fallge- staltungen denkbar sind, in denen sich die Tathandlung lediglich als Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, nicht aber als Unterstützen der Vereinigung darstellt, kann hier offen bleiben.
138
Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte Y. A. die terroristische Vereinigung Al Qaida unterstützt. Der Angeklagte hat sich in maßgebender Funktion an den Versicherungsbetrügereien beteiligt, die u. a. dazu dienten, finanzielle Mittel für die Al Qaida zu erschließen. Durch diese Tätigkeit hat er die entsprechenden Bemühungen des Al Qaida-Mitglieds K. unterstützt, die für diesen wiederum Teil seiner mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Organisation waren. Die Förderung der Betätigungen des Angeklagten K. wirkte sich für diesen auch vorteilhaft aus; denn er wurde zum einen in dem Entschluss gestärkt, Straftaten zu begehen, die dem Fortbestand der terroristischen Vereinigung dienten und musste zum anderen darüber hinaus die Tätigkeiten, die der Angeklagte Y. A. entfaltete, nicht selbst vornehmen oder eine andere Person hierfür gewinnen. Die Beschaffungsbemühungen des Angeklagten K. dienten gerade der Erfüllung der allgemeinen Order, mit der er von der Al Qaida für seine in Deutschland zu verbringende Zeit betraut worden war. Damit wurden auch die Bestrebungen der Vereinigung insgesamt ausreichend gefördert. Der Vollendung der Tat steht nach alldem insbesondere nicht entgegen, dass es hier letztlich in keinem Fall zu einer Auszahlung der Versicherungssumme an die Beteiligten und demnach auch nicht zu einer Weiterleitung eines Teils des Erlöses an die Organisation kam.
139
3. Revision des Angeklagten I. A.
140
Die Verurteilung des Angeklagten I. A. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
141
Die Tatbeiträge des Angeklagten I. A. stellen inhaltlich ebenso wie diejenigen des Angeklagten Y. A. eine Beihilfe zur Beteiligung des Angeklagten K. als Mitglied an der Al Qaida dar; denn mit ihnen förderte der Angeklagte I. A. die Bemühungen des Angeklagten K. , seinen ihm von der Al Qaida erteilten Auftrag zu erfüllen. Sie bewirkten somit im Ergebnis ebenfalls für die Vereinigung als solche einen ausreichenden Effekt.
142
Soweit der Senat in seiner Haftprüfungsentscheidung vom 19. Mai 2005 (BGHR StGB § 129 a Abs. 5 Unterstützen 1) Bedenken dagegen geäußert hat, dass die Tatbeiträge des Angeklagten als vollendetes Unterstützen zu werten seien, beruhte dies auf der dem damaligen Ermittlungsstand, wonach sich die Tätigkeit des Angeklagten auf die Zusage beschränkte, von der in der Zukunft zu erwartenden Beute einen Teil an die Vereinigung abzugeben. Der Senat ist im Revisionsverfahren auf der Basis der Feststellungen des tatgerichtlichen Urteils nicht gehalten zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen für ein Unterstützen der Vereinigung allein die Zusage eines Nichtmitglieds ausreicht, eine Handlung vorzunehmen, die sich auf die Organisation irgendwie vorteilhaft auswirken kann (vgl. hierzu auch BGHR StGB § 129 a Abs. 3 Unterstützen 4); denn nach diesen Feststellungen war die Tätigkeit des Angeklagten nicht auf die Abgabe einer derartigen Zusage beschränkt. Der Angeklagte wirkte vielmehr an den Versicherungsbetrügereien insgesamt mit, indem er selbstständig recherchierte und an Besprechungen in allgemein beratender Funktion teilnahm. Zudem war er damit einverstanden, als Bezugsberechtigter für die Versicherungssummen aufzutreten. Mit seiner diesbezüglichen Zusage leistete er somit einen erheblichen Beitrag für die Durchführung der einzelnen Betrugsstraftaten. Die Tätigkeiten des Angeklagten begründeten deshalb - wenn sie auch hinter denjenigen des Angeklagten Y. A. zurückblieben - jedenfalls bei einer Gesamtschau einen hinreichenden Vorteil für die Vereinigung im oben näher dargestellten Sinn.
143
144
Die Verurteilung der Angeklagten wegen versuchten "bandenmäßigen" Betrugs in 28 Fällen hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis nicht in vollem Umfang stand und bedarf hinsichtlich aller Angeklagter teilweise der Abänderung. Entgegen der Würdigung des Oberlandesgerichts tritt in den hier vorliegenden Fällen betrügerischer Eingehung von Lebensversicherungsverträgen der Schaden bei den getäuschten Versicherungsunternehmen nicht erst mit Auszahlung der jeweiligen Versicherungsleistung, sondern bereits mit Abschluss der Versicherungsverträge ein. Damit ist der Betrug in neun Fällen vollendet , in den übrigen Fällen jeweils durch die Beantragung von Versicherungsverträgen versucht worden. Die Beanstandung der Revisionen, es habe sich wegen der geplanten, in ferner Zukunft liegenden Vortäuschung des Todes bei den Anträgen auf Vertragsabschluss jeweils nur um straflose Vorbereitungshandlungen gehandelt, geht daher fehl.
145
An den Betrugstaten der Angeklagten Y. A. und K. beteiligte sich der Angeklagte I. A. erst nach dem 21. September 2004. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts können ihm die vorher begangenen Betrugshandlungen der beiden Mitangeklagten nicht über die Rechtsfigur der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden. Damit erfüllen auch erst die nach diesem Zeitpunkt verwirklichten Taten das Regelbeispiel des bandenmäßigen Betrugs.
146
Dazu im Einzelnen:
147
1. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts gelang es dem Angeklagten Y. A. in neun Fällen (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30 und 33), Versicherungsunternehmen durch falsche Angaben jeweils zum Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages zu veranlassen und damit die Deckung des Todesfallrisikos zu übernehmen. Bereits mit dem Vertragsschluss war unter den gegebenen - in der Praxis selten vorkommenden, zumindest selten nachweisbaren, hier allerdings ausdrücklich festgestellten - Umständen der Vermögensbestand der Versicherungsunternehmen gemindert und damit der Versicherungsbetrug vollendet.
148
a) Der Angeklagte täuschte bei der Antragstellung jeweils in mehrfacher Hinsicht über innere und äußere Tatsachen. So verneinte er ab Fall 3 stets wahrheitswidrig eine Vorerkrankung und in den meisten Fällen (mit Ausnahme der Fälle 1, 2, 13, 18, 19, 25 und 26) die Fragen nach anderen bestehenden oder beantragten Lebensversicherungsverträgen.
149
Insbesondere täuschte der Angeklagte in allen Fällen konkludent darüber , einerseits zukünftig dauerhaft nach den Vertragsbedingungen die Versicherungsprämien zahlen zu wollen und zu können sowie andererseits bereit zu sein, den beantragten Versicherungsschutz seinem Zweck entsprechend allein zur Abdeckung des zukünftigen Risikos eines ungewissen Schadenseintritts zu nutzen (zur Absicht der rechtswidrigen Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen als tauglicher Gegenstand einer Täuschung vgl. Lindenau, Die Betrugsstrafbarkeit des Versicherungsnehmers aus strafrechtlicher und kriminologischer Sicht S. 164).
150
Über die innere Tatsache, sich nicht vertragstreu verhalten zu wollen, ist eine konkludente Täuschung möglich. Die Vertragspartner dürfen ein Minimum an Redlichkeit im Rechtsverkehr, das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen (vgl. Cramer/Perron in Schönke/Schröder aaO § 263 Rdn. 14/15). Deshalb ist die Erwartung, dass keine vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht, unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Willensbekundungen. Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird (BGHSt 51, 165, 171).
151
Da die Manipulation des Vertragsgegenstandes eines Lebensversicherungsvertrags in der Form der Vortäuschung des Versicherungsfalles - ähnlich wie diejenige einer Sportwette (vgl. dazu BGHSt aaO S. 172) - zwangsläufig erst nach Vertragsschluss stattfinden kann, bezieht sich die konkludente Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits durchgeführte, sondern auf eine beabsichtigte Manipulation. Für die Täuschung kommt es dabei nicht darauf an, inwieweit die geplanten Beeinflussungen bereits ins Werk gesetzt sind.
152
Diese Täuschung ist tatbestandsmäßig im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB. Sie war unentbehrlich, um zu dem nach dem Tatplan notwendigen Zwischenziel , dem Abschluss des Versicherungsvertrags, zu gelangen. Dass es danach noch einer weiteren Täuschung (über den Eintritt des Versicherungsfalls) bedurfte , um das eigentliche Endziel der Auszahlung der Versicherungssumme zu erreichen, ist demgegenüber für die Täuschungshandlung rechtlich ohne Belang.
153
b) Den Vorstellungen des Angeklagten entsprechend ist bei den Versicherungsunternehmen aufgrund der Täuschung jeweils eine entsprechende Fehlvorstellung über die Leistungsbereitschaft sowie die Vertragstreue des Angeklagten und damit über den Umfang des zu übernehmenden Risikos eingetreten. Dieser Irrtum war (mit)ursächlich für den jeweiligen Vertragsabschluss durch den Versicherer.
154
c) Mit dem Vertragsabschluss ist bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen ein Vermögensschaden eingetreten.
155
aa) Der Vermögensschaden beim Betrug ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch einen Vermögensvergleich mit wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln (BGHSt 45, 1, 4; BGH NStZ 1996, 191; 1997, 32, 33).
156
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug), wie er hier in Rede steht, ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen. Ob ein Vermögensschaden eingetreten ist, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der Vermögenslage vor und nach diesem Zeitpunkt. Zu vergleichen sind demnach die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen (BGHSt 16, 220, 221; 45, 1, 4). Bleibt der Anspruch auf die Leistung des Täuschenden in seinem Wert hinter der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurück, so ist dieser geschädigt (BGHSt 16 aaO).
157
Für die Beurteilung des Vermögenswertes von Leistung und Gegenleistung kommt es weder auf den von den Vertragsparteien vereinbarten Preis an (BGHSt 16, 220, 224) noch darauf, wie hoch der Verfügende subjektiv ihren Wert taxiert (BGHSt 16, 321, 325). Entscheidend für den Vermögenswert von Leistung und Gegenleistung ist vielmehr das vernünftige Urteil eines objektiven Dritten (BGHSt 16, 220, 222; 16, 321, 326; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 70 m. w. N.).
158
bb) Daran gemessen ist ein solcher Schaden bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen hier zu bejahen. Mit dem Vertragsabschluss war es mit der Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme im Todesfall belastet. Dem stand die Verbindlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber, an den Versicherer bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit die Prämien zu zahlen. Die Prämie ist der Preis, den der Versicherungsnehmer dafür zu entrichten hat, dass der Versicherer bei Eintritt des Versicherungsfalls die Versicherungssumme leistet. Sie muss in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem Versicherungsschutz stehen (vgl. hierzu Lindenau aaO S. 217 f.). Der Versicherer kalkuliert die Versicherungsprämien unter Berücksichtigung seiner allgemeinen Kosten (u. a. Abschlussprovision, Betriebskosten) auf der Basis von sog. Sterbetafeln, die eine aus der Erfahrung der Vergangenheit gewonnene wahrscheinliche Lebenszeit des Versicherten ausdrücken. Hinzu kommen ggf. Zuschläge für besondere Risiken. In die Prämienkalkulation geht die voraussichtliche Lebensdauer des Versicherten ebenso ein wie die Anzahl der Prämien, die - vorbehaltlich eines vorzeitigen Todes - bis zum Ablauf der Versicherungszeit zu zahlen sind. Im Normalfall besteht zwischen Leistung und Gegenleistung ein Äquivalent.
159
Hier stellte die Prämie indessen keinen entsprechenden Ausgleich für die mit dem Vertrag eingegangenen Verpflichtungen dar; denn der Angeklagte war von vornherein entschlossen, den Versicherungsfall zu fingieren, und hatte in Form der Verabredungen zuerst mit dem Mitangeklagten K. , später auch mit dem Mitangeklagten I. A. , bereits mit konkreten Vorbereitungen begonnen. Der jeweilige Versicherer war daher mit Abschluss des Vertra- ges rein wirtschaftlich gesehen nicht - wie von ihm angenommen - nur mit einer aufschiebend bedingten Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme für den Fall belastet, dass sich das - nach allgemeinen Maßstäben bewertete - Risiko des Todeseintritts während der Vertragslaufzeit verwirklichen sollte. Vielmehr war seine Inanspruchnahme aufgrund der von den Angeklagten beabsichtigten Manipulation des Vertragsgegenstandes sicher zu erwarten. Der entsprechenden Forderung hätte er sich nur durch den Beleg der Unredlichkeit des Versicherungsnehmers, etwa durch den Nachweis der Unrichtigkeit der ägyptischen Todesbescheinigung, entziehen können. Damit war die Leistungswahrscheinlichkeit gegenüber dem vertraglich vereinbarten Einstandsrisiko signifikant erhöht.
160
Bei dem Vergleich der wechselseitigen Ansprüche von Versicherer und Versicherungsnehmer bleibt außer Betracht, dass der Versicherer, sofern er Kenntnis von den tatsächlichen Hintergründen des Vertragsschlusses erlangen würde, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 BGB; vgl. § 22 VVG) oder sich in anderen Konstellationen, etwa gemäß § 74 Abs. 2 VVG, auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen könnte; denn diese Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, soll dem getäuschten Versicherer gerade verborgen bleiben (vgl. RGSt 48, 186, 189; BGH StV 1985, 368 m. w. N.; Fischer aaO § 263 Rdn. 103 m. w. N.).
161
Dafür, dass bereits mit dem Vertragsabschluss beim Versicherer ein Vermögensschaden eingetreten ist, spricht nicht zuletzt auch die zivilrechtliche Betrachtung. Insoweit ist anerkannt, dass der Versicherer gegenüber dem täuschenden Versicherungsnehmer nicht nur die Möglichkeit der Anfechtung des Vertrages hat. Daneben kommt vielmehr auch eine Schadensersatzhaftung des Versicherungsnehmers aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB) in Betracht mit der Folge, dass der getäuschte Versicherer gemäß § 249 BGB die Rückgängigmachung des Vertrages verlangen kann (vgl. BGH NJW 1998, 302, 303). Insoweit besteht die Möglichkeit, dass allein durch die mit dem Vertragsabschluss eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen ein Vermögensschaden begründet wird, wenn der Wert der Gegenleistung hinter dem Wert der Verpflichtungen zurückbleibt (vgl. BGH aaO S. 304).
162
Nach alldem ist in den Fällen, in denen es zum Abschluss des Lebensversicherungsvertrags kam, beim Versicherer ein Schaden entstanden, so dass insoweit jeweils ein vollendeter Eingehungsbetrug vorliegt. Die dem Tatplan entsprechende spätere Auszahlung der Versicherungssummen hätte lediglich zu einer Schadensvertiefung geführt und den Eingehungs- zum Erfüllungsbetrug werden lassen. Auch insoweit ist es für die rechtliche Bewertung ohne Belang , dass hierzu und damit zum Eintritt des endgültigen Verlustes des Versicherers noch eine weitere erfolgreiche Täuschung über den Eintritt des Versicherungsfalls erforderlich gewesen wäre.
163
Zweifel daran, dass der jeweilige Versicherer bereits mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages in seinem Vermögen geschädigt war, bestehen auch nicht deswegen, weil sich die Bestimmung der Schadenshöhe als problematisch erweist. Insoweit könnte sich eine Berechnung nach bilanziellen Maßstäben (so BGH StV 2009, 242) etwa deswegen als schwierig darstellen, weil es für die Bewertung der Verpflichtung aus einem täuschungsbedingt abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag keine anerkannten Richtgrößen gibt. Diese Schwierigkeiten lassen indes den Schaden nicht entfallen. Sie führen lediglich dazu, dass der Tatrichter grundsätzlich unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege der Schätzung Mindestfeststellungen zu treffen hat (vgl.
BGH aaO S. 243). Hierzu wird er sich erforderlichenfalls der Hilfe von Sachverständigen aus den Gebieten der Versicherungsmathematik bzw. der Versicherungsökonomie und/oder des Bilanzwesens bedienen. Unter den hier gegebenen Umständen (vgl. unten VI.) war dies indes nicht geboten.
164
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit bisheriger Rechtsprechung zum Eingehungsbetrug.
165
So hat bereits das Reichsgericht (RGSt 48, 186) einen Vermögensschaden des Feuerversicherers in dem bloßen Abschluss eines Versicherungsvertrages gesehen, auf den die Versicherungsnehmer unter Angabe eines unzutreffend hohen Versicherungswerts in der Absicht angetragen hatten, die versicherten Sachen alsbald in Brand zu setzen und dadurch in den Besitz der Versicherungssumme u. a. auch für Gegenstände zu kommen, die gar nicht vorhanden waren. Es hat dabei ausgeführt, dass der Prämienanspruch, den die Gesellschaft erhielt, nur den Ausgleich bildete "für die gegenüber einem vertragstreuen Vertragsgegner übernommene Verpflichtung zur Gefahrtragung. Dieser Anspruch verlor an Wert und büßte ihn im wesentlichen ein bei den Angeklagten , die überhaupt nicht die Absicht hatten, ihr Verhalten dem Vertrage gemäß einzurichten, … sondern im Gegenteil entschlossen waren, mit Hilfe des Scheines eines Vertrags die Gesellschaft zu einer vermögensrechtlichen Aufwendung , der Zahlung der Brandentschädigung, zu veranlassen." Die Vermögensminderung (damals bezeichnet als Vermögensgefährdung) sah das Reichsgericht darin, dass sich die Versicherungsgesellschaft täuschungsbedingt vertraglich verpflichtete, "eine weit größere Gefahr (vermögensrechtlichen Inhalts) zu tragen, als sie dem in der Prämie ausgedrückten, demgemäß auch vereinbarten gewöhnlichen Verlaufe der Dinge entsprach, und die Möglichkeit einer die Gesellschaft treffenden tatsächlichen Einbuße an ihrem Vermögen war bei der von den Angeklagten in Aussicht genommenen alsbaldigen Brandstiftung unmittelbar gegeben" (RGSt 48, 186, 190).
166
Auch der Bundesgerichtshof hat den Betrug schon als vollendet angesehen mit dem Vertragsschluss über die Lieferung von Feinkohle, bei dem der Angeklagte von Anfang an beabsichtigt hatte, lediglich minderwertigen Kohlenschlamm zu liefern (BGH NJW 1953, 836). Er hat ausgeführt, dass beim Eingehungsbetrug eine "Vermögensgefährdung" schon darin bestehen kann, dass der Geschädigte überhaupt in vertragliche Beziehungen zu einem böswilligen Vertragspartner getreten ist, der von vornherein darauf ausging, den Vertragspartner unter planmäßiger Ausnutzung eines beim Vertragsschluss durch Vorspiegelung von Tatsachen erregten Irrtums zur späteren Entgegennahme einer vertragswidrigen Leistung zu veranlassen.
167
Einen vollendeten Eingehungsbetrug hat der Bundesgerichtshof zuletzt auch in dem betrügerisch veranlassten Eingehen eines Risikogeschäfts gesehen , das mit einer nicht mehr vertragsimmanenten Verlustgefahr verbunden ist (BGH NJW 2009, 2390). Er hat dabei ausgeführt, der mit der Vermögensverfügung unmittelbar eingetretene Vermögensschaden sei durch das Verlustrisiko im Zeitpunkt der Vermögensverfügung bestimmt.
168
d) Entgegen der Ansicht der Revisionen steht auch das Erfordernis der Stoffgleichheit einer Strafbarkeit des Angeklagten nicht entgegen. Der rechtswidrige Vermögensvorteil, den der Täter für sich oder einen Dritten erlangen will, muss die Kehrseite des Schadens sein. Unmittelbare Folge des Vertragsabschlusses war für den Angeklagten die Verbesserung seiner Vermögenssituation. Diese bestand darin, dass der getäuschte Lebensversicherer die Deckung des Risikos zu nicht äquivalenten Konditionen übernahm und dem Ange- klagten die Möglichkeit eröffnete, diese Risikodeckung zur Fingierung des Todesfalles auszunutzen.
169
2. Dementsprechend setzte der Angeklagte Y. A. in 19 weiteren Fällen (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) zur Begehung eines Eingehungsbetrugs unmittelbar an, indem er mit täuschenden Angaben in den Anträgen die Versicherungsunternehmen jeweils zum Abschluss entsprechender Verträge zu veranlassen suchte. Mit der Einreichung des Antrags nahm er diejenige Täuschungshandlung vor, die nach seiner Vorstellung dazu ausreichte, denjenigen Irrtum hervorzurufen, der den Getäuschten zu der schädigenden Vermögensverfügung bestimmen und damit den Schaden herbeiführen sollte (vgl. BGHSt 37, 294, 296).
170
Die Einwände der Revisionen, die Angeklagten hätten noch nicht unmittelbar zur Tatbegehung angesetzt, sondern seien lediglich im Stadium der straflosen Vorbereitungshandlungen verblieben, haben deshalb im Ergebnis keinen Erfolg. Sie sind lediglich im Ausgangspunkt insoweit berechtigt, als die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts, in allen Fällen habe ein versuchter Erfüllungsbetrug vorgelegen, rechtlich nicht haltbar ist.
171
Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, sobald der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn er bereits eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt bzw. ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Auch eine frühere, vorgelagerte Handlung kann bereits die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar einmündet oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang steht. Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen jedoch stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles. Hierbei können etwa die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium Bedeutung gewinnen (BGHR StGB § 22 Ansetzen 30 m. w. N.).
172
Hier fehlt es für den vom Oberlandesgericht angenommenen Erfüllungsbetrug an einem unmittelbaren Ansetzen zur Tat im Sinne des § 22 StGB, da zunächst noch wesentliche Zwischenschritte erfolgreich hätten zurückgelegt werden müssen, bevor es möglich gewesen wäre, die Versicherungen zur Leistung auf den Todesfall in Anspruch zu nehmen. Denn bevor nicht der Tod des Angeklagten Y. A. in Ägypten fingiert und die entsprechend gefälschten Unterlagen beschafft waren, wäre es nicht möglich gewesen, die Versicherer durch deren Vorlage auf Auszahlung der Versicherungssummen in Anspruch zu nehmen.
173
3. An den 28 Taten des vollendeten bzw. versuchten Betrugs des Angeklagten Y. A. beteiligte sich der Angeklagte K. als Mittäter.
174
Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen; es kann auch eine solche im Vorbereitungsstadium des unmittelbar tatbestandsmäßigen Handelns genügen. Der Mittäter muss nur einen Beitrag leisten, der die Tat fördert und er muss die Tat als eigene wollen. Die Annahme von Mittäterschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in wertender Betrachtung der festgestellten Tatsachen zu prüfen. Dafür sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zu ihr maßgeb- lich (BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26 m. w. N.). Danach hat das Oberlandesgericht den Angeklagten K. zutreffend als Mittäter angesehen. Er nahm zwar selbst keine Täuschungshandlung vor, war aber der Ideengeber und beteiligte sich intensiv an der Planung der Taten, sorgte nach den Vertragsabschlüssen für die Bezahlung der Prämien und sollte nach dem Tatplan bei der Geltendmachung der Versicherungsleistungen mitwirken. An der Tat hatte er selbst ein großes Interesse.
175
4. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts beteiligte sich der Angeklagte I. A. , nachdem er am 21. September 2004 von den beiden Mitangeklagten in das Betrugsvorhaben eingeweiht worden war, an den nach diesem Tag begangenen Taten (fünf Fälle des vollendeten und 18 Fälle des versuchten Betrugs). Die Würdigung des Oberlandesgerichts, der Angeklagte sei dabei Mittäter gewesen, hält rechtlicher Überprüfung nach den oben dargelegten Grundsätzen noch stand. Zwar nahm auch er nicht selbst Täuschungshandlungen vor, zudem sollte er persönlich von der erwarteten Beute nicht profitieren. Gleichwohl hatte er insoweit ein eigenes Interesse an der Tat, als er wusste, dass mit einem Teil der Beute seine Familie (Mutter und Geschwister ) unterstützt werden sollten. Hinzu kommt, dass er im Endstadium des Betrugsvorhabens als Begünstigter der Lebensversicherungsverträge die entscheidende Tatherrschaft haben sollte und seine Mitwirkung deshalb notwendige Bedingung für das Tatvorhaben war.
176
Für die vor dem 21. September 2004 begangenen Taten ist indes ein strafbares Handeln des Angeklagten I. A. nicht belegt. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts und des Generalbundesanwalts können ihm die Tatbeiträge der Mitangeklagten auch nicht nach den Grundsätzen der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden. Eine solche liegt bei demjenigen vor, der in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen tatbestandsmäßigen Handelns in das tatbestandliche Geschehen eingreift. Die Zurechnung bereits verwirklichter Tatumstände ist aber nur dann möglich, wenn der Hinzutretende selbst einen für die Tatbestandsverwirklichung ursächlichen Beitrag leistet. Kann der Hinzutretende die weitere Tatausführung dagegen nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs schon alles getan ist und das Tun des Eintretenden auf den weiteren Ablauf des Geschehens ohne jeden Einfluss bleibt, kommt mittäterschaftliche Mitwirkung trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH NStZ 1984, 548; 1998, 565). So liegt es hier. Der Angeklagte billigte nach seinem Hinzukommen zwar die Tatausführung durch die Mitangeklagten, erklärte sich bereit, in einem späteren Stadium der Tat durch eigene Tatbeiträge zur endgültigen Beutesicherung beizutragen , und beteiligte sich mit Vorschlägen an der weiteren Tatausführung. Er leistete aber für diese ersten fünf Taten selbst keinen Tatbeitrag mehr. Bei zwei Fällen (Fälle 1 und 4) waren die Versicherungsverträge schon abgeschlossen, in zwei Fällen (Fälle 2 und 3) sind die Versicherungsverträge später abgeschlossen worden, im Fall 4 hat die Versicherung den Vertragsabschluss am 4. Oktober 2004 abgelehnt. In keinem Fall ist ein Tätigwerden des Angeklagten, das auf den weiteren Ablauf Einfluss gehabt hätte, festgestellt. Insoweit ist ohne Bedeutung, dass auf alle vier abgeschlossenen Versicherungsverträge Prämienzahlungen auch nach dem 21. September 2004 erfolgten. Dies entsprach zwar dem inzwischen von allen drei Angeklagten gefassten Tatplan, indes lag darin nur ein Aufrechterhalten der durch die frühere Täuschung erreichten Fehlvorstellung des jeweiligen Versicherers über eine korrekte Vertragsabwicklung und keine weitere tatbestandsrelevante Täuschungshandlung.
177
Der Senat kann daher offenlassen, ob angesichts der Fallbesonderheiten - zur Vertiefung des Schadens durch Inanspruchnahme der Lebensversicherungen nach einem fingierten Todesfall sollte der Angeklagte ganz erhebliche Tatbeiträge leisten - eine sukzessive Mittäterschaft im Rahmen des Betrugstatbestands zwischen Vollendung und Beendigung hier in Frage kommen könnte (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 5; BGH, Beschl. vom 2. Juli 2009 - 3 StR 131/09).
178
5. Mit der Zustimmung des Angeklagten I. A. zu dem Tatplan und mit dessen erklärter Bereitschaft, sich im weiteren Verlauf der Tat an der Geltendmachung der Ansprüche auf Auszahlung der Versicherungssummen zu beteiligen und die Beute auszukehren, haben sich die Angeklagten zu einer Bande verbunden, um in der Folgezeit - jedenfalls in der in Aussicht genommenen kurzen, im einzelnen aber noch nicht genau bestimmten Zeitspanne - weitere Betrugstaten zu begehen. Damit liegt bei den nach dem 21. September 2004 begangenen Taten (ab Fall 6) jeweils das Regelbeispiel bandenmäßiger Begehung für die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB vor.
179
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts fehlt dieses Merkmal bei den ersten fünf Taten. Der Angeklagte I. A. war an diesen Taten nicht beteiligt, die für eine Bande erforderliche Bandenabrede zum Tatzeitpunkt noch nicht getroffen. Die Mitangeklagten handelten deshalb lediglich als Mittäter (vgl. BGH, Beschl. vom 17. März 2009 - 4 StR 607/08).
180
IV. Konkurrenzen
181
Das Verhältnis zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung und den Betrugstaten hat das Oberlandesgericht im Grundsatz zutreffend beurteilt.
182
1. Der Angeklagte K. hat die neun Taten des Betrugs (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) jeweils in Verfolgung der Ziele der Al Qaida begangen. Sie stehen deshalb mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an der ausländischen terroristischen Vereinigung jeweils in Tateinheit. Zugleich werden sie, da das Verbrechen nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB gegenüber den Betrugstaten das schwerere Delikt ist, von diesem zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verklammert (vgl. BGHSt 29, 288, 291; BGHR StGB § 129 Konkurrenzen 1; § 129 a Konkurrenzen

4).


183
2. Bei dem Angeklagten Y. A. stellen sich die neun Taten des Betrugs (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) im Ergebnis als Teile einer einheitlichen Unterstützungshandlung für die ausländische terroristische Vereinigung dar.
184
Im Ausgangspunkt besteht allerdings bei einer Mehrzahl von Unterstützungshandlungen zwischen diesen jeweils Tatmehrheit. Hierin liegt der Unterschied zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, bei der mehrere Einzelakte zu einem tatbestandlichen Verhaltenstypus im Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 193). Eine tatbestandliche Handlungseinheit zwischen mehreren Unterstützungshandlun- gen kommt nur in Betracht, wenn es um ein und denselben Unterstützungserfolg geht und die einzelnen Akte einen engen räumlichen, zeitlichen und bezugmäßigen Handlungszusammenhang aufweisen (vgl. Krauß aaO m. w. N.). So liegt es hier. Sämtliche Handlungen bezogen sich auf das einheitliche, übergeordnete Ziel der Unterstützung. Die Bemühungen dienten stets nach demselben Tatschema dem Zweck, aus der gesamten erstrebten Betrugsbeute die ausländische terroristische Vereinigung Al Qaida in Form einer Geldzuwendung zu stärken. Die Handlungen standen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang. Zum Teil beantragte der Angeklagte an einem Tag bei demselben Versicherer den Abschluss mehrerer Versicherungsverträge oder stellte Anträge bei mehreren Versicherern.
185
Die somit einheitliche Unterstützungshandlung verbindet nach den unter vorstehend 1. für die mitgliedschaftliche Beteiligung dargestellten Grundsätzen, die im Hinblick auf den am jeweiligen Strafrahmen zu messenden Unrechtsgehalt des § 129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB einerseits und des § 263 Abs. 1 bzw. Abs. 3 Satz 1 StGB andererseits für diese Konstellation entsprechend gelten , die einzelnen vollendeten bzw. versuchten Betrugstaten ebenfalls zur Tateinheit.
186
3. Bei dem Angeklagten I. A. stellen sich die fünf Taten des Betrugs (Fälle 6, 16, 22, 30, 33) und die 18 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) im Ergebnis ebenfalls als Teile einer einheitlichen Unterstützungshandlung für die ausländische terroristische Vereinigung dar.
187
Als Mittäter muss sich der Angeklagte die im Rahmen des gemeinsamen Tatplans mit seiner Billigung erbrachten Tathandlungen seiner Mittäter - und damit alle 23 vom Mitangeklagten Y. A. seit seinem Hinzutre- ten und der Bildung der Bande begangenen Täuschungshandlungen - zurechnen lassen. Die Frage des rechtlichen Zusammentreffens ist jedoch bei einer Tatserie für jeden einzelnen Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des Tatbeitrags jedes Tatbeteiligten (BGH StV 2002, 73). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts hat der Angeklagte seinen Tatbeitrag insgesamt durch die Bereitschaft zur Geltendmachung der Versicherungsleistungen sowie durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum Verfahrensablauf der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art erbracht. Beiträge , die auf einzelne Betrugstaten konkretisiert waren, sind nicht festgestellt. In diesem Fall werden ihm die Einzeltaten des Mitangeklagten als in gleichartiger Tateinheit begangen zugerechnet (vgl. Fischer aaO § 25 Rdn. 23 m. w. N.). Diese Tatbeiträge zum Betrug stellen gleichzeitig die Unterstützungshandlung des Angeklagten dar. Dementsprechend liegt - wie das Oberlandesgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat - auch nur eine Tat des Unterstützens einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor.
188
V. Schuldspruchänderung
189
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch weitergehende Feststellungen zur Beteiligung des Angeklagten Y. A. an der Al Qaida getroffen werden können. Er hat deshalb den Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig ist. Außerdem hat er die durch die abweichende rechtliche Beurteilung der Betrugstaten notwendigen Änderungen der Schuldsprüche vorgenommen. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn die Angeklagten hätten sich dagegen hier nicht anders als geschehen verteidigen können.
190
VI. Strafausspruch
191
1. Bei dem Angeklagten K. bleibt der Strafausspruch von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Oberlandesgericht hat die Strafe aus dem Strafrahmen des § 129 a Abs. 1 StGB (ein Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe ) entnommen. Der Senat schließt aus, dass es bei zutreffender rechtlicher Beurteilung der Betrugstaten auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Zwar können die Fälle 1 bis 5 nicht mehr als bandenmäßig begangen und damit regelmäßig als besonders schwere Fälle des Betrugs bzw. des versuchten Betrugs beurteilt werden. Indes sind neun der Taten als vollendet anzusehen, was deren Gewicht für die Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten erhöht. Der Bestand der Strafe ist auch nicht deshalb gefährdet, weil die (potentiellen) Vermögensschäden der Versicherer durch die (versuchten) Eingehungsbetrugstaten , die der Schuldspruchänderung durch den Senat zugrunde liegen, wesentlich hinter den Beträgen zurückbleiben, die der Angeklagte letztlich nach gelungener Vortäuschung des Versicherungsfalles für sich und die Mittäter erlangen wollte. Das Oberlandesgericht ist insgesamt nur von Versuchsfällen ausgegangen und hat demgemäß einen Schadenseintritt verneint. Dass es die Höhe der beabsichtigten Bereicherung durch Zahlung der Versicherungssummen im Sinne einer Beuteerwartung strafschärfend berücksichtigt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden und stellt auch auf der Grundlage der vom Senat ausgeurteilten (versuchten) Eingehungsbetrugstaten einen maßgeblichen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar. Demgegenüber hat aber auch bereits das Oberlandesgericht ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass der Eintritt dieses letztendlich ins Auge gefassten Schadens noch sehr weit entfernt war und noch weiterer Zwischenschritte bedurft hätte.
192
2. Die Strafe für den Angeklagten Y. A. kann hingegen nicht bestehen bleiben. Durch die Änderung des Schuldspruchs hat sich der die Strafe bestimmende Strafrahmen in seiner Untergrenze von einem Jahr auf sechs Monate Freiheitsstrafe abgesenkt. Zwar hat sich das Oberlandesgericht daran nicht orientiert; auch ist die Obergrenze des Strafrahmens mit zehn Jahren gleichgeblieben. Dennoch kann der Senat - schon wegen der Nähe der verhängten Strafe zu derjenigen für den wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung verurteilten Mitangeklagten K. - nicht ausschließen, dass die Strafe milder ausgefallen wäre, wenn das Oberlandesgericht den Angeklagten zutreffend nur wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen hätte.
193
Über den Strafausspruch muss deshalb erneut durch den Tatrichter entschieden werden. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von der rechtsfehlerhaften Einordnung des Tatbeitrags des Angeklagten nicht berührt sind. Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen dürfen.
194
Damit wird die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung gegenstandslos (Meyer-Goßner aaO § 464 Rdn. 20).
195
3. Bei dem Angeklagten I. A. bleibt der Strafausspruch von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Oberlandesgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) entnommen. Der Senat kann auch hier ausschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Beurteilung auf eine geringere Strafe erkannt hätte. Zwar sind die ersten fünf Betrugstaten im Schuldspruch entfallen; indes wird der Schuldumfang davon bestimmt, dass der Angeklagte bereit war, auch hinsichtlich der ohne seine Mitwirkung begangenen Betrugstaten die letztendlich erwartete Beute durch die Geltendmachung und Vereinnahmung der Versicherungsleistungen zu sichern.
196
VII. Kostenbeschwerde
197
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung wird als unbegründet verworfen, da diese dem Gesetz entspricht.
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Schäfer
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. Dem Angebot auf Abschluss eines Sportwettenvertrages ist
in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen,
dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht
vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert ist (im Anschluss
an BGHSt 29, 165).
2. Zur Schadensfeststellung beim Sportwettenbetrug.
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 15. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 28. November und 15. Dezember 2006, an der teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B. ,
Rechtsanwalt C.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en A. S. ,
Rechtsanwalt H.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en M. S. ,
Rechtsanwalt H. ,
Rechtsanwalt D.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en R. H. ,
Rechtsanwältin Ko.
als Verteidigerin für den Angeklagten D. M. ,
Rechtsanwalt St.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en F. S. ,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 15. Dezember 2006 für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. November 2005 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: A. S. wegen Betruges in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten, M. S. wegen Betruges und wegen Beihilfe zum Betrug in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, R. H. (unter Freisprechung im Übrigen) wegen Beihilfe zum Betrug in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten, D. M. (unter Freisprechung im Übrigen) wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie F. S. wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Soweit Freiheitsstrafen unter zwei Jahren verhängt worden sind, hat das Landgericht deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die mit der Sachrüge und teilweise mit Verfahrensrügen geführten Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Der Angeklagte A. S. , ein jüngerer Bruder der Angeklagten M. und F. S. , beschäftigte sich seit vielen Jahren intensiv mit Sportwetten. Seit 2000 riskierte und gewann er jährlich sechsstellige Beträge. Aufgrund seines großen Insiderwissens im Sportbereich verfügte er vielfach über einen Wissensvorsprung gegenüber den Buchmachern und konnte deshalb erhebliche Gewinne erzielen. Die hohen Wetterfolge führten dazu, dass die in Berlin ortsansässigen Buchmacher seine Wettmöglichkeiten erheblich beschränkten und seinen Einsatz limitierten. Im Jahr 2003 konnte A. S. höhere Einsätze praktisch nur noch bei der von der Deutschen Klassenlotterie Berlin (DKLB) unter dem Namen „Oddset“ betriebenen Sportwette plazieren; die dabei vorgegebenen festen Quoten empfand er als „die schlechtesten Wettquoten in ganz Europa“. Sein Wettverhalten wurde zusätzlich dadurch reglementiert, dass er Kombinationswetten spielen musste. Dabei kann der Wettende nicht mehr auf ein Sportereignis allein wetten, sondern muss das Ergebnis verschiedener Sportereignisse, vornehmlich Fußballspiele, vorhersagen.
4
Bis Frühjahr 2004 hatte A. S. bei Oddset insgesamt Spielverluste in Höhe von 300.000 bis 500.000 Euro erlitten. Zu dieser Zeit entschloss er sich, seine Gewinnchancen durch Einflussnahme auf das Spielgeschehen mittels Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern entscheidend zu erhöhen, um so den bei Oddset verlorenen Betrag zurückzugewinnen. Selbstverständlich hielt er diese Manipulationen vor dem jeweiligen Wettanbieter geheim, schon um von diesem nicht von der Spielteilnahme ausgeschlossen zu werden. In Ausführung seines Plans kam es zu zehn einzelnen Taten, wobei die Wetten jeweils zu festen Gewinnquoten abgeschlossen wurden.
5
Der Angeklagte A. S. gewann dabei, teilweise unter Mithilfe seiner Brüder, die angeklagten Schiedsrichter H. und M. sowie den gesondert verfolgten Fußballspieler K. und andere Fußballspieler gegen Zahlung oder das Versprechen von erheblichen Geldbeträgen (zwischen 3.000 und 50.000 Euro) dazu, dass diese den Ausgang von Fußballspielen durch falsche Schiedsrichterentscheidungen oder unsportliche Spielzurückhaltung manipulieren. In einem Fall half R. H. , seinen Kollegen M. für eine Manipulation zu gewinnen. Betroffen waren Fußballspiele in der Regionalliga, in der Zweiten Bundesliga und im DFB-Pokal. Teilweise gelangen die von A. S. geplanten Manipulationen nicht, teilweise hatten die kombiniert gewetteten Spiele nicht den von ihm erhofften Ausgang. In vier Fällen (Fälle 2, 6, 7 und 11 der Urteilsgründe) gewann A. S. ganz erhebliche Geldbeträge (zwischen 300.000 und 870.000 Euro), in den übrigen Fällen verlor er seine Einsätze. Im Fall 10 der Urteilsgründe setzte auch M. S. Beträge in eigenem Interesse. Nach den Feststellungen des Landgerichts lag der bei den Wettanbietern in allen zehn Fällen insgesamt verursachte Vermögensschaden bei knapp 2 Mio. Euro (Gewinn abzüglich der jeweiligen Einsätze), in Fällen erfolgloser Wetten nahm das Landgericht darüber hinaus eine schadensgleiche Vermögensgefährdung von insgesamt etwa 1 Mio. Euro an.
6
Das Landgericht hat jeweils einen vollendeten Betrug durch A. S. (im Fall 10 auch durch M. S. ) aufgrund einer konkludenten Täuschung der Angestellten der Wettannahmestellen bei Abgabe der Wettscheine angenommen. Aufgrund dieser Täuschung sei das Personal der Wettannahmestellen dem Irrtum erlegen, es läge bei dem jeweils vorgelegten Spielschein nicht der Ablehnungsgrund einer unlauteren Einflussnahme des Wettenden auf ein wettgegenständliches Spiel vor. Der hierdurch bedingte Abschluss des Wettvertrages habe unmittelbar zu einer schadensgleichen Vermögensgefährdung bei dem jeweiligen Wettanbieter in Höhe des möglichen Wettgewinns abzüglich des Einsatzes geführt.

II.


7
Die Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.
8
1. Die Verfahrensrügen, in denen jeweils die Behandlung von Wettbedingungen als Verstoß gegen § 244 Abs. 2, Abs. 3 oder § 261 StPO beanstandet wird, zeigen – unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der jeweiligen Verfahrensbeanstandungen (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) – keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Revisionen sind die Teilnahmebedingungen der DKLB für Oddset-Wetten und die Bedingungen der übrigen Wettanbieter für die rechtliche Lösung des Falls unerheblich:
9
a) Allgemeine Geschäftsbedingungen, die bei Vertragsschluss wirksam einbezogen werden, könnten im vorliegenden Fall allenfalls dann beachtlich sein, wenn sie zum Vorteil manipulierender Wettkunden vom geltenden Recht abweichen würden, also etwa – was überaus fernliegend ist und von den Revisionen auch nicht behauptet wird – ausnahmsweise eine Manipulation des Wettgegenstandes erlauben oder eine diesbezügliche Überprüfung des Wettkunden bzw. der Wetten auf Manipulation ausschließen würden.
10
b) Im Übrigen ergibt sich schon aus dem (allgemein) geltenden Zivilrecht , dass bei einer Wette auf den Ausgang eines zukünftigen Sportereignisses eine vorsätzliche Manipulation des Wettereignisses vertragswidrig ist. Schon hiernach ist selbstverständlich, dass kein Wettanbieter Wetten auf Sportereignisse entgegennehmen muss oder zur Auszahlung des Wettbetrages verpflichtet ist, wenn der Wettende das Wettrisiko durch eine Manipulation des Sportereignisses zu seinen Gunsten erheblich verschiebt. Die Teilnahmebedingungen haben aus diesem Grund auch keinen entscheidenden Einfluss auf die Feststellung des Erklärungsinhalts im Rahmen des Wettvertragsschlusses. Denn dass der Wettanbieter bei einer Manipulation des Sportereignisses nicht an den Wettvertrag gebunden bleibt, ergibt sich schon aus der gravierenden Verletzung vertraglicher Nebenpflichten durch den Wettenden. Ob die Teilnahmebedingungen der DKLB nach den jeweiligen Taten geändert wurden oder nicht, ist entgegen der Auffassung einzelner Revisionen rechtlich unerheblich, weil es allein auf die Umstände zur Tatzeit ankommt.
11
Es ergibt sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hier auch – anders als etwa im Fall der Fehlbuchung (dazu näher BGHSt 39, 392; 46, 196) – kein Ansatzpunkt zum Verständnis der Erklärungen bei Wettabschluss. Bei einer arglistigen Manipulation der Vertragsgrundlage bedarf es keiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen, um eine entsprechende Prüfungspflicht bzw. ein Ablehnungs- oder Anfechtungsrecht des Wettanbieters zu statuieren. Dies ergibt sich bereits aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Anders als einige Revisionen meinen, bestimmen oder begrenzen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch nicht Prüfungsrecht und Prüfungspflicht desjenigen, der den Wettschein für den Wettanbieter entgegennimmt. Für den Erklärungsinhalt und die Überprüfungspflicht wichtig können Allgemeine Geschäftsbedingungen allerdings dann sein, wenn es nicht um die aktive Manipulation des Vertragsgegenstandes, sondern um das Ausnutzen von Fehlern wie etwa bei einer Fehlbuchung geht (vgl. BGHSt 46,

196).


12
Auf Allgemeine Geschäftsbedingungen kommt es vorliegend auch deshalb nicht entscheidend an, weil weder die Feststellungen des Landgerichts noch der Revisionsvortrag eine wirksame Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen belegen (vgl. §§ 305, 305a BGB).
13
c) Dies gilt unabhängig davon, ob es um Wettabschlüsse mit deutschen oder mit ausländischen Wettanbietern über deutsche Sportwettenvermittler geht. In allen diesen Fällen bestimmt sich die Rechtslage nach dem dargestellten deutschen Recht (Art. 28 und Art. 29 EGBGB; vgl. auch Heldrich in Palandt, BGB 66. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 19; Martiny in MünchKomm-BGB 4. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 376).
14
2. Auch die Sachrügen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
15
a) Das Landgericht hat die Taten im Ergebnis zutreffend als zehn Fälle des Betruges zum Nachteil der jeweiligen Wettanbieter angesehen.
16
Der Angeklagte A. S. (im Fall 10 auch M. S. ) hat bei Abgabe der Wettscheine konkludent erklärt, nicht an einer Manipulation des Wettgegenstandes beteiligt zu sein, und hat hierdurch den Mitarbeiter der Annahmestelle getäuscht, so dass dieser irrtumsbedingt die jeweiligen Wettverträge abschloss, wodurch den Wettanbietern täuschungsbedingt ein Schaden entstanden ist.
17
aa) Der 3. Strafsenat hat bereits entschieden, dass ein Wettteilnehmer , der den Gegenstand des Wettvertrages zu seinen Gunsten beeinflusst, einen Betrug begeht, wenn er diesen Umstand bei Abschluss des Wettvertrages verschweigt (BGHSt 29, 165, 167 – „Pferdewetten“): Dem Vertragsangebot könne die stillschweigende Erklärung entnommen werden, der Wetter selbst habe die Geschäftsgrundlage der Wette nicht durch eine rechtswidrige Manipulation verändert; in dem Verschweigen der Manipulation liege eine Täuschung durch schlüssiges Handeln (BGHSt 29, 165, 167 f.). Der Senat sieht entgegen der Bundesanwaltschaft keinen Anlass, von dieser in der Literatur vielfach geteilten Auffassung (vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 263 Rdn. 18; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 263 Rdn. 16e; Hefendehl in MünchKomm-StGB § 263 Rdn. 113; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 263 Rdn. 9; Kindhäuser in NK-StGB 2. Aufl. § 263 Rdn. 133; Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 71; Valerius SpuRt 2005, 90, 92; Weber in Pfister [Hrsg.], Rechtsprobleme der Sportwette [1989] S. 39, 62; a. A. etwa Schlösser NStZ 2005, 423, 425 f.; jeweils m.w.N.) im Ergebnis abzurücken.
18
Gegen die Auffassung, beim Abschluss einer Sportwette erkläre der Wetter zugleich die Nichtmanipulation des sportlichen Ereignisses, wird – im Anschluss an BGHSt 16, 120 („Spätwette“, m. abl. Anm. Bockelmann NJW 1961, 1934) – geltend gemacht, die Annahme einer solchen Erklärung liefe auf eine „willkürliche Konstruktion“ hinaus (vgl. Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung [2001] S. 164 f.; Weber aaO S. 57 f.; Schlösser aaO S. 425 f.; Schild ZfWG 2006, 213, 215 ff.); damit werde zudem in unzulässiger Weise ein lediglich gemäß § 13 StGB strafbares Unterlassen in ein aktives Tun umgedeutet (vgl. Schlösser aaO S. 426; Schild aaO S. 216). Gegen diese auch von der Bundesanwaltschaft erhobenen Einwände spricht folgendes:
19
(1) In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, dass außer durch ausdrückliche Erklärung, namentlich durch bewusst unwahre Behauptungen , eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB auch konkludent erfolgen kann, nämlich durch irreführendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist. Davon ist auszugehen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt (BGHSt 47, 1, 3; vgl. auch Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 12; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 22; jeweils m.w.N.).
20
Der Erklärungswert eines Verhaltens ergibt sich demnach nicht nur aus demjenigen, was ausdrücklich zum Gegenstand der Kommunikation gemacht wird, sondern auch aus den Gesamtumständen der konkreten Situation (vgl. Vogel in Gedächtnisschrift für Rolf Keller [2003] S. 313, 315). Dieser unausgesprochene Kommunikationsinhalt wird wesentlich durch den dem Erklärenden bekannten Empfängerhorizont und damit durch die ersichtlichen Erwartungen der Beteiligten bestimmt (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 12). Derartige tatsächliche Erwartungen werden ganz wesentlich auch durch die Anschauungen der jeweiligen Verkehrskreise und die in der Situation relevanten rechtlichen Normen geprägt (vgl. auch Hefendehl aaO § 263 Rdn. 88; Tiedemann aaO § 263 Rdn. 30). In aller Regel muss der Inhalt konkludenter Kommunikation deshalb auch unter Bezugnahme auf die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmt werden, von denen ersichtlich die Erwartungen der Kommunikationspartner geprägt sind. Bei der Ermittlung des Erklärungswertes eines konkreten Verhaltens sind daher sowohl faktische als auch normative Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 14/15; Vogel aaO S. 316).
21
Entscheidende Kriterien für die Auslegung eines rechtsgeschäftlich bedeutsamen Verhaltens sind neben der konkreten Situation der jeweilige Geschäftstyp und die dabei typische Pflichten- und Risikoverteilung zwischen den Partnern (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 22; Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 14/15). Liegen keine Besonderheiten vor, kann der Tatrichter regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation schließen. Ein derartiger Schluss des Tatrichters von den Gesamtumständen eines Geschehens, die auch von normativen Erwartungen geprägt sind, auf einen bestimmten Kommunikationsinhalt führt nicht zur „Fiktion“ einer Erklärung.
22
Für eine Vielzahl von Fallgruppen hat die Rechtsprechung anhand des jeweiligen Geschäftstyps und der dabei üblichen Pflichten- und Risikoverteilung den jeweils typischen Inhalt konkludenter Kommunikation herausgearbeitet (vgl. näher Tiedemann aaO § 263 Rdn. 31 ff.; Hefendehl aaO § 263 Rdn. 93 ff.; Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 13 ff.; je m.w.N.). Erklärungsinhalt kann danach auch sein, dass etwas nicht geschehen ist (sog. „Negativtatsache“ ), etwa ein Angebot ohne vorherige Preisabsprache zwischen den Bietern zustande kam (vgl. BGHSt 47, 83, 87). Eine konkludente Erklärung derartiger Negativtatsachen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn es um erhebliche vorsätzliche Manipulationen des Vertragsgegenstandes geht, auf den sich das kommunikative Verhalten bezieht (vgl. RGSt 20, 144: Überstreichen schwammbefallener Hausteile; RGSt 59, 299, 305 f.: Überdecken schlechter Ware; RGSt 29, 369, 370; 59, 311, 312; BGH MDR 1969, 497 f.: Verfälschen von Lebensmitteln; BGHSt 8, 289: Zurückbehalten des Hauptgewinnloses einer Lotterie; BGH NJW 1988, 150: Erschleichen einer Prädikatsbezeichnung für Wein; BGHSt 38, 186; 47, 83: unzulässige vorherige Preisabsprache; vgl. zur konkludenten Täuschung bei Manipulation auch Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug [1999] S. 87). Zwar reicht die allgemeine Erwartung, der andere werde sich redlich verhalten, für die Annahme entsprechender konkludenter Erklärungen nicht aus. Abgesehen davon , dass die Vertragspartner aber ein Minimum an Redlichkeit im Rechtsverkehr , das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen dürfen (vgl. Cramer /Perron aaO § 263 Rdn. 14/15), ist die Erwartung, dass keine vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht, unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Erklärungen. Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird.
23
Bei der Sportwette, einer Unterform des wesentlich durch Zufall bestimmten Glücksspiels (vgl. BGH NStZ 2003, 372, 373; Hofmann/Mosbacher NStZ 2006, 249, 251 m.w.N.), ist Gegenstand des Vertrages das in der Zukunft stattfindende und von den Sportwettenteilnehmern nicht beeinflussbare (vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand [1994] S. 471) Sportereignis. Auf diesen Vertragsgegenstand nimmt jede der Parteien bei Abgabe und Annahme des Wettscheins Bezug. Beim Abschluss einer Sportwette erklärt demnach regelmäßig jeder der Beteiligten konkludent, dass das wettgegenständliche Risiko nicht durch eine von ihm veranlasste, dem Vertragspartner unbekannte Manipulation des Sportereignisses zu seinen Gunsten verändert wird (BGHSt 29, 165). Denn dies erwartet nicht nur der Wettanbieter vom Wettenden, sondern auch umgekehrt der Wettende vom Wettanbieter.
24
Weil sich eine Sportwette zwangsläufig auf ein in der Zukunft stattfindendes Ereignis bezieht, kann sich die Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits endgültig durchgeführte, sondern nur auf eine beabsichtigte Manipulation beziehen. Eine Täuschung ist jedenfalls dann anzunehmen , wenn zu dem konkreten Plan der Manipulation des zukünftigen Sportereignisses die konkrete Einflussnahme tritt, etwa wie hier durch die vorherigen Abreden mit Teilnehmern an dem Sportereignis, die ihre Manipulationsbereitschaft zugesagt haben. Nur in einem solchen Fall wird der Wettende auch – wie hier – erhebliche Beträge auf einen eher unwahrscheinlichen (und dafür zu hohen Gewinnquoten angebotenen) Spielausgang setzen. Wer erhebliche Beträge zu hoher Quote auf einen unwahrscheinlichen Spielausgang setzt und in Manipulationen des Spielgeschehens verstrickt ist, hat diese regelmäßig bereits zuvor schon so hinreichend konkret ins Werk gesetzt, dass es bei normalem Lauf der Dinge allein von ihm abhängt, ob es zu der unlauteren Beeinflussung des Spielverlaufs kommt. Dass dies bei A. S. jeweils der Fall war, ist den Feststellungen des Landgerichts zu den Wettvertragsabschlüssen insgesamt mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen.
25
Dieser Begründung steht die Entscheidung des Senats in BGHSt 16, 120 („Spätwette“) nicht entgegen. Dort ging es nicht um eine Manipulation des Vertragsgegenstandes, sondern um ein überlegenes Wissen des Wettenden , das aus allgemein zugänglichen Informationsquellen stammte. Ob der Wettende bei Abschluss einer Wette auf ein zukünftiges Ereignis auch konkludent erklärt, dieses sei noch nicht eingetreten, so dass er davon nichts wisse, bedarf hier deshalb keiner Entscheidung. Dagegen mag sprechen, dass das Einholen allgemein zugänglicher Informationen über den Wettgegenstand typischerweise in das Risiko jedes Vertragspartners fällt. Berechtigterweise erwartet der Vertragspartner einer Sportwette jedenfalls, dass der andere Teil nicht über Sonderwissen verfügt, das aus einer verwerflichen Manipulation des Wettgegenstandes resultiert (vgl. aber auch Habersack in MünchKomm-BGB 4. Aufl. § 762 Rdn. 19).
26
(2) Entgegen einer in der Literatur verbreiteten Meinung (vgl. Schlösser aaO S. 426; Schild aaO S. 216) handelt es sich bei der Täuschung der jeweiligen Wettbüro-Mitarbeiter um eine konkludente Täuschung durch aktives Tun und nicht um eine Täuschung durch Unterlassen.
27
Die Grenze zwischen einer aktiven konkludenten Täuschung und einer Täuschung durch Unterlassen bestimmt sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Erklärungswert des aktiven Verhaltens. Deshalb darf der Tatrichter grundsätzlich nicht an ein Unterlassen, sondern muss an das aktive Tun – also insbesondere den jeweiligen Vertragsschluss – anknüpfen (missverständlich deshalb BGHSt 29, 165, 167, soweit dort auf ein „Verschweigen“ abgestellt wird), wenn in der Erklärung bereits die Täuschungshandlung zu sehen ist. In diesen Fällen liegt der relevante Handlungsschwerpunkt in einem positiven Tun, weil der Täter inzident die Essentialia zusichert, die – wie oben dargestellt – zur unverzichtbaren Grundlage des Geschäfts zählen. Deshalb ist im vorliegenden Fall ein aktives Verhalten, nämlich der Abschluss des Wettvertrages, die strafbarkeitsbegründende Täuschungshandlung , weil ihm der Erklärungswert zukommt, nicht auf Manipulationen des Vertragsgegenstandes hingewirkt zu haben. Da bereits ein Betrug durch aktives Tun vorliegt, kann dahinstehen, ob hier auch ein Betrug durch Unterlassen der Aufklärung über die Spielmanipulation (vgl. zu einer möglichen Aufklärungspflicht Henssler aaO S. 471; Habersack aaO § 762 Rdn. 19) oder später (vgl. etwa in Fall 7 der Urteilsgründe das Gespräch mit den Vertretern des Wettveranstalters) gegeben ist (vgl. allgemein zu den Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen einer Täuschung durch Tun und durch Unterlassen Tiedemann aaO § 263 Rdn. 29 m.w.N.; Schlösser aaO S. 426).
28
bb) Durch die konkludente Täuschung über die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes ist bei den jeweiligen Mitarbeitern der Wettanbieter auch ein entsprechender Irrtum erregt worden (vgl. BGHSt 29, 165, 168). Die Mitarbeiter der Wettanbieter gingen – jedenfalls in Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins (hierzu näher Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 35 m.w.N.) – jeweils davon aus, dass das wettgegenständliche Risiko nicht durch Manipulation des Sportereignisses zu Ungunsten ihres Unternehmens ganz erheblich verändert wird. Ansonsten hätten sie die jeweiligen Wettangebote zu der angebotenen Quote zurückgewiesen. Gerade weil die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes beim Abschluss einer Sportwette mit festen Quoten für die Vertragspartner von entscheidender Bedeutung für die Einschätzung des Wettrisikos ist, verbinden Wettender und Wettanbieter mit ihren rechtsgeschäftlichen Erklärungen regelmäßig die Vorstellung, dass der Wettgegenstand nicht manipuliert wird (vgl. auch BGHSt 24, 386, 389). Hierüber irren sie aber infolge des Verhaltens des anderen Teils. Dieser Irrtum führte auch zu einer Vermögensverfügung, nämlich zum Vertragsabschluss mit dem jeweiligen Wettanbieter.
29
cc) Bei den jeweiligen Wettveranstaltern ist durch diese täuschungsbedingte Vermögensverfügung auch ein Schaden entstanden.
30
(1) In allen Fällen liegt bereits mit Abschluss der jeweiligen Wettverträge ein vollendeter Betrug vor.
31
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug) ergibt der Vergleich der Vermögenslage vor und nach Abschluss des Vertrages , ob ein Vermögensschaden eingetreten ist. Zu vergleichen sind die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen. Wenn der Wert des Anspruchs auf die Leistung des Täuschenden hinter dem Wert der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurückbleibt, ist der Getäuschte geschädigt (vgl. BGHSt 16, 220, 221; BGH NStZ 1991, 488). Entscheidend ist für die Tatbestandserfüllung beim (Eingehungs-)Betrug nämlich, dass der Verfügende aus dem Bestand seines Vermögens aufgrund der Täuschung mehr weggibt, als er zurückerhält (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 64 m.w.N.). Diese für übliche Austauschgeschäfte entwickelte Rechtsprechung bedarf der Anpassung an die Besonderheiten der hier gegenständlichen Sportwetten , bei denen zur Eingehung der vertraglichen Verpflichtungen der Aus- tausch von Einsatz und Wettschein (einer Inhaberschuldverschreibung, vgl. Sprau in Palandt aaO § 793 Rdn. 5) hinzukommt:
32
Bei Sportwetten mit festen Quoten (sog. Oddset-Wetten) stellt die aufgrund eines bestimmten Risikos ermittelte Quote gleichsam den „Verkaufspreis“ der Wettchance dar; die Quote bestimmt, mit welchem Faktor der Einsatz im Gewinnfall multipliziert wird. Weil die von A. S. geplante und ins Werk gesetzte Manipulation der Fußballspiele das Wettrisiko ganz erheblich zu seinen Gunsten verschoben hatte, entsprachen die bei dem Vertragsschluss vom Wettanbieter vorgegebenen Quoten nicht mehr dem Risiko, das jeder Wettanbieter seiner eigenen kaufmännischen Kalkulation zugrunde gelegt hatte. Eine derart erheblich höhere Chance auf den Wettgewinn ist aber wesentlich mehr wert, als A. S. hierfür jeweils in Ausnutzung der erfolgten Täuschung gezahlt hat. Für seinen jeweiligen Einsatz hätte er bei realistischer Einschätzung des Wettrisikos unter Berücksichtigung der verabredeten Manipulation nur die Chance auf einen erheblich geringeren Gewinn erkaufen können. Diese „Quotendifferenz“ stellt bereits bei jedem Wettvertragsabschluss einen nicht unerheblichen Vermögensschaden dar. Dieser ähnelt infolge des für Wetten typischen Zusammenhangs zwischen Wettchance und realisiertem Wettrisiko der vom Landgericht angenommenen schadensgleichen Vermögensgefährdung (gegen deren Annahme indes durchgreifende Bedenken bestehen, vgl. unten [3]) und stellt wirtschaftlich bereits einen erheblichen Teil des beabsichtigten Wettgewinns dar. Dass Wetten für erkannt manipulierte Spiele nicht angeboten werden, ist insoweit ohne Bedeutung. Maßgeblich ist allein, dass der Wettanbieter täuschungsbedingt aus seinem Vermögen eine Gewinnchance einräumt, die (unter Berücksichtigung der Preisbildung des Wettanbieters) gemessen am Wetteinsatz zu hoch ist. Mithin verschafft sich der Täuschende eine höhere Gewinnchance , als der Wettanbieter ihm für diesen Preis bei richtiger Risikoeinschätzung „verkaufen“ würde.
33
Ein derartiger Quotenschaden muss nicht beziffert werden. Es reicht aus, wenn die insoweit relevanten Risikofaktoren gesehen und bewertet werden. Realisiert sich der vom Wettenden infolge seiner Manipulation erstrebte Gewinn nicht, verbleibt es vielmehr bei dem mit erfolgreicher Täuschung bereits erzielten Quotenschaden, so ist dem wegen der geringeren Auswirkungen der Tat im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen.
34
(2) In denjenigen Fällen, in denen es zur Auszahlung von Wettgewinnen auf manipulierte Spiele kam (Fälle 2, 6, 7, 11), ist das mit dem Eingehungsbetrug verbundene erhöhte Verlustrisiko in einen endgültigen Vermögensverlust der jeweiligen Wettanbieter in Höhe der Differenz zwischen Wetteinsatz und Wettgewinn umgeschlagen (vgl. zur Schadensberechnung näher Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 73; Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 71 m.w.N.); der so erzielte Vermögensvorteil war insbesondere das Endziel des mit Hilfe von Manipulationen Wettenden. Weil sich Sportwettenverträge auf ein in der Zukunft stattfindendes Ereignis beziehen, stellt der Quotenschaden das notwendige Durchgangsstadium und damit einen erheblichen Teil des beabsichtigten endgültigen Schadens bei dem Wettanbieter dar.
35
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Kutzner JZ 2006 S. 712, 717; Schild aaO S. 219) liegt der betrugsrelevante Vermögensschaden in diesen Fällen nicht in der – kaum feststellbaren – Differenz zwischen der auf Grund des „normalen Wettverhaltens“ prognostizierten Gesamtgewinnausschüttung und der nach Manipulation tatsächlich auszuschüttenden Gesamtgewinnsumme. Diese mögliche Vermögenseinbuße stünde zudem in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der vom Wettenden beabsichtigten Vermögensmehrung, so dass insoweit Bedenken hinsichtlich der Stoffgleichheit der erstrebten Bereicherung bestünden. Ausreichend und allein maßgeblich ist, dass der jeweilige Wettanbieter täuschungsbedingt den Wettgewinn auszahlt, auf den der Wettende wegen der Spielmanipulation keinen Anspruch hat, und in dieser Höhe sein Vermögen mindert; gerade diese Bereicherung erstrebt auch der Wettende. Die Ersparnis anderweitig zu erwartender Gewinnausschüttungen durch den Wettanbieter infolge der Manipulation ist allenfalls mittelbar relevant (vgl. auch BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 54).
36
Für die Schadensfeststellung kommt es entgegen der Auffassung einiger Revisionen auch nicht darauf an, ob sich die von A. S. ins Werk gesetzten Manipulationen kausal im Spielergebnis oder wenigstens entscheidend im Spielverlauf niedergeschlagen haben. Es reicht vielmehr aus, dass der jeweilige Wettanbieter täuschungsbedingt Wettverträge abgeschlossen hat, die er bei Kenntnis der beabsichtigten Manipulationen nicht abgeschlossen hätte. Denn nicht der Erfolg der Manipulation ist Tatbestandsmerkmal des § 263 StGB, sondern allein die täuschungsbedingte Vermögensschädigung. Im Übrigen ist für die Risikoverschiebung die Zusage der Manipulation durch einen Mannschaftsspieler oder gar einen Schiedsrichter – anders als von einigen Verteidigern in der Revisionshauptverhandlung vorgetragen – regelmäßig von erheblicher Bedeutung.
37
(3) In denjenigen Fällen, in denen die Manipulationen keinen oder keinen vollständigen Wetterfolg einbrachten, hat das Landgericht allerdings den Schaden nicht gemäß den vorstehenden Grundsätzen bestimmt. Abgesehen davon sind auch die rechtlichen Erwägungen des Landgerichts nicht tragfähig , soweit es bereits beim Abschluss der Wettverträge eine schadensgleiche Vermögensgefährdung der jeweiligen Wettanbieter in Höhe des möglichen Wettgewinns (abzüglich des Einsatzes) angenommen hat.
38
Zwar kann auch schon die bloße konkrete Gefährdung einen Vermögensschaden i. S. von § 263 StGB darstellen. Diese Gefährdung muss aber nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage bedeuten. Die täuschungsbedingte Gefahr des endgültigen Verlustes eines Vermögensbestandteils muss zum Zeitpunkt der Verfügung so groß sein, dass sie schon jetzt eine Minderung des Ge- samtvermögens zur Folge hat (vgl. BGHSt 34, 394, 395; BGH NStZ 2004, 264). Eine derartige konkrete Gefährdung, die bereits einem Schaden entspricht , kann nur dann anerkannt werden, wenn der Betrogene ernstlich mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen hat (BGHSt 21, 112, 113). Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt, wenn der Eintritt wirtschaftlicher Nachteile nicht einmal überwiegend wahrscheinlich ist, sondern von zukünftigen Ereignissen abhängt, die sich einer Einflussnahme trotz der Manipulation immer noch in ganz wesentlichem Umfang entziehen.
39
Durch den Abschluss der Wettverträge ist es über den oben dargestellten Quotenschaden hinaus erst zu einer abstrakten Gefährdung der Vermögen der jeweiligen Wettanbieter in Höhe des durch die Wettquote bestimmten Auszahlungsbetrages abzüglich des Einsatzes gekommen. Ein Erfolg der Manipulationen war nach den Feststellungen des Landgerichts nicht einmal überwiegend wahrscheinlich, sondern schlug in vielen Fällen trotz beträchtlicher Eingriffe in das Spielgeschehen fehl, insbesondere auch, weil die kombinierten Spiele teilweise einen anderen Ausgang nahmen; dies macht deutlich, dass die Manipulation des Spielgeschehens nur die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Spielausgangs um einen gewissen – regelmäßig freilich, wie ausgeführt, erheblichen – Grad erhöhen konnte (vgl. dazu Kutzner aaO S. 717; Mosbacher NJW 2006, 3529, 3530).
40
b) Die Feststellungen des Landgerichts belegen ohne Weiteres die abgeurteilten Beihilfehandlungen der Angeklagten M. und F. S. sowie R. H. und D. M. .
41
aa) Die Betrugstaten des Haupttäters A. S. waren in dem von ihm beabsichtigten und von den Teilnehmern erkannten Umfang frühestens mit der Auszahlung des zu Unrecht beanspruchten Wettgewinns beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt förderten alle Handlungen, die unmittelbar der Manipulation des wettgegenständlichen Spielereignisses dienten oder durch die Spieler bzw. Schiedsrichter zur Manipulation des Spielgeschehens angehal- ten oder dabei bestärkt wurden, den beabsichtigten unrechtmäßigen Wettgewinn von A. S. . Aufgrund der Eigenart der Sportwette, die ein in der Zukunft liegendes Sportereignis betrifft, ist eine derartige Beihilfe zum Wettbetrug mittels Manipulation des Wettereignisses nicht nur durch deren vorherige Zusage, sondern auch nach Wettvertragsabschluss möglich. Dass die jeweiligen Teilnehmer insoweit vorsätzlich gehandelt haben, ergibt sich nach den Feststellungen des Landgerichts aus der Kenntnis vom beabsichtigten bzw. erfolgten Abschluss der Sportwetten; nur der Wettvertragsabschluss gab den Spielmanipulationen aus Sicht der Beteiligten hier einen nachvollziehbaren wirtschaftlichen Sinn.
42
bb) Der Angeklagte H. hat auch im Fall 8 der Urteilsgründe eine Beihilfe zum Wettbetrug A. S. begangen. Entgegen der Auffassung der Revision zu diesem Fall belegen die Feststellungen des Landgerichts hinreichend, dass H. in diesem Fall dem Haupttäter A. S. konkret bei seinem Betrug geholfen hat, indem er ihn bei der Anwerbung des Angeklagten M. für eine Spielmanipulation unterstützte. Soweit das Landgericht bei der rechtlichen Würdigung der Taten und im Rahmen der Strafzumessung – ersichtlich versehentlich – nicht zwischen dem Fall 8 der Urteilsgründe und den Einflussnahmen H. s als Schiedsrichter auf dem Spielfeld differenziert hat (vgl. UA S. 47, 53), ist dies im Ergebnis unschädlich: Das Unrecht H. s wiegt in Fall 8 nicht minder schwer als in den Fällen einer Manipulation auf dem Spielfeld. H. hat in diesem Fall sogar ganz erheblich dazu beigetragen, einen weiteren zur Unparteilichkeit verpflichteten Schiedsrichter in kriminelle Machenschaften zu verstricken.
43
cc) Im Fall 10 tragen die Feststellungen des Landgerichts auch die Annahme einer Beihilfe F. S. s zum gemeinschaftlich von A. und M. S. begangenen Betrug. F. S. hat danach R. H. ausdrücklich zur Manipulation des Fußballspiels in dem von seinem Bruder A. S. gewünschten Sinne ermutigt. Er hat aufgrund der Gesamtumstände des Geschehens auch ersichtlich in der Kenntnis gehandelt, dass auf dieses manipulierte Spiel Sportwetten abgeschlossen sind oder werden und dass sein Handeln den beabsichtigten Eintritt des Wetterfolges fördert.
44
c) Dass im Fall 10 der Urteilsgründe nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen M. S. die Sportwetten in Italien abgeschlossen hat, hindert eine Bestrafung der in diesem Fall Beteiligten nach deutschem Recht nicht:
45
Eine als Betrug nach § 263 StGB strafbare Haupttat M. S. s ist noch hinreichend durch Feststellungen belegt. Wie sich aus den gleichsam „vor die Klammer“ gezogenen Feststellungen des Landgerichts ergibt, gab der Angeklagte M. S. die Wettscheine auch in diesem Fall in den Geschäftsräumen des Wettanbieters ab und erklärte damit zugleich konkludent, nicht an einer Manipulation des wettgenständlichen Sportereignisses beteiligt zu sein. Aus dem einschlägigen italienischen Recht ergibt sich weder zum Erklärungswert seines Verhaltens noch in anderer Hinsicht ein relevanter Unterschied zum deutschen Recht; insbesondere besteht auch dort die Möglichkeit , sich bei einer bewussten Täuschung ohne weiteres vom Vertrag zu lösen (vgl. Art. 1427 ff. Codice Civile).
46
Für die Tat von M. S. im Fall 10 der Urteilsgründe gilt nach § 3 StGB das deutsche Strafrecht, weil die Tat (auch) im Inland begangen worden ist. Weil M. S. nach den (insoweit tragfähigen) Feststellungen des Landgerichts in diesem Fall als Mittäter des Angeklagten A. S. gehandelt hat, und ihm deshalb aufgrund des gemeinsamen Tatplans das Handeln A. S. s in Deutschland und auch der Ort dieses Handelns zuzurechnen ist, ist Tatort im Sinne von § 9 StGB auch für M. S. Deutschland (vgl. BGHSt 39, 88, 91; Tröndle/Fischer aaO § 9 Rdn. 3). Für die Teilnehmer ergibt sich ein Tatort im Bundesgebiet in diesem Fall jedenfalls aus § 9 Abs. 2 StGB. Zudem ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass auch A. S. in diesem Fall – was angesichts der von ihm versprochenen Bestechungssumme von 50.000 Euro mehr als nahe liegt – auf das ma- nipulierte Spiel gewettet hat; das Landgericht konnte lediglich keine Feststellungen dazu treffen, wo und in welcher Höhe dies geschehen ist.
47
d) Auch die weiteren Einwände der Revisionen gegen den Schuldspruch tragen nicht:
48
Soweit unter Hinweis auf nicht im Urteil wiedergegebene Allgemeine Geschäftsbedingungen vorgetragen wird, beim Wettvertragsschluss könnte keine reale Person getäuscht werden, weil der Vertragsschluss letztlich nur elektronisch erfolge, widerspricht dies den (nicht angegriffenen) Feststellungen des Landgerichts. Danach hat stets ein Mitarbeiter des Wettbüros die Wettscheine entgegengenommen, nach Prüfung weitergeleitet und insbesondere den Wetteinsatz vereinnahmt.
49
Der Einwand der Revision, ausländischen Wettanbietern könne in Hinblick auf §§ 762, 763 BGB wegen der Rechtswidrigkeit ungenehmigter ausländischer Wetten kein Schaden entstehen, verfängt nicht. Zwar findet auf Sportwetten § 763 Satz 2 i.V.m. § 762 BGB grundsätzlich Anwendung (vgl. BGH NJW 1999, 54). Unabhängig von der Frage, ob im EU-Ausland genehmigte Sportwetten auch im Bundesgebiet ohne zusätzliche Genehmigung zulässig vermittelt werden dürfen oder nicht (vgl. hierzu OLG München NJW 2006, 3588; Mosbacher NJW 2006, 3529), ist hier jedenfalls aus wirtschaftlicher Sicht eine Schädigung der ausländischen Wettanbieter eingetreten (vgl. auch Weber aaO S. 67; Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 91; RGSt 68, 379, 380).
50
Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Dies gilt namentlich hinsichtlich des Angeklagten M. . Die Feststellungen des Landgerichts zu seiner Tatbeteiligung beruhen auf einer tragfähigen Grundlage, nämlich auf seinem Eingeständnis, von A. S. die festgestellten Zahlungen erhalten zu haben, sowie im Übri- gen auf den vom Landgericht als glaubhaft angesehenen Angaben der geständigen Angeklagten A. S. und R. H. .
51
e) Die Rechtsfolgenaussprüche können bestehen bleiben.
52
aa) Auch wenn das Landgericht in demjenigen Teil der Fälle, in denen die Manipulationen nicht zu dem gewünschten Spielergebnis geführt haben oder die Kombinationswetten aus anderen Gründen keinen Erfolg hatten, der Strafzumessung einen zu großen Schadensumfang zugrunde gelegt hat, kann der Senat ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei einer zutreffenden rechtlichen Bewertung niedrigere Einzelstrafen und niedrigere Gesamtstrafen verhängt hätte: Zum einen ist ein Gefährdungsschaden für die Strafzumessung ohnehin nicht mit dem darüber hinaus erstrebten endgültigen Schaden gleichzusetzen (vgl. BGH wistra 1999, 185, 187). Zum zweiten ähnelt der vom Landgericht nicht ausdrücklich bezifferte Quotenschaden dem angenommenen Gefährdungsschaden und stellt jedenfalls einen erheblichen Teil hiervon dar; die Wettanbieter hätten bei nicht täuschungsbedingter Fehleinschätzung des Wettrisikos für die gezahlten Einsätze allenfalls wesentlich geringere Wettchancen eingeräumt. Schließlich war ohnehin strafschärfend zu berücksichtigen, dass sich der Vorsatz über den durch Eingehung der Wetten bereits vollendeten Schadenseintritt hinaus auf eine ganz erhebliche Gewinnsumme bezog und damit das vom Vorsatz umfasste Handlungsziel den als „Durchgangsschaden“ erfassten Quotenschaden des Wettanbieters jeweils ganz erheblich überstieg (vgl. auch BGHSt 43, 270, 276; BGH NStZ 2000, 38, 39).
53
bb) Auch im Übrigen hält die Strafzumessung im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand: Das Landgericht hat zwar verkannt, dass es sich bei § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erste Alt. StGB nicht um einen Qualifikationstatbestand des gewerbsmäßigen Betruges, sondern um eine Strafzumessungsregel handelt, die grundsätzlich eine Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Gesichtspunkte erfordert (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 2 Besonders schwerer Fall 1) und insbesondere auch deshalb ausscheiden kann, weil die Voraussetzungen eines vertypten Strafmilderungsgrunds (hier etwa §§ 21, 27 StGB) vorliegen (BGH wistra 2003, 297). Bei den wegen Beihilfe zum Betrug verurteilten Angeklagten hat das Landgericht auch nicht bedacht, dass die Teilnahmehandlung als solche als besonders schwerer Fall zu werten sein muss (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 105 m.w.N.) und das täterbezogene Merkmal der Gewerbsmäßigkeit nur demjenigen Tatbeteiligten angelastet werden kann, der dieses Merkmal selbst aufweist (vgl. Eser in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 243 Rdn. 47 m.w.N.). Der Senat kann jedoch ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass sich diese Fehler bei der Strafzumessung ausgewirkt haben.
54
(1) Bei A. S. war ein Absehen von der Regelwirkung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erste Alt. StGB nach den Gesamtumständen der mit hoher krimineller Energie ins Werk gesetzten Betrügereien, bei denen es jeweils um ganz erhebliche Summen ging, auch unter Berücksichtigung von § 21 StGB offensichtlich nicht veranlasst. Dem Senat erscheint es im Übrigen angesichts des jahrelangen professionellen Agierens von A. S. auf dem Sportwettenmarkt, seines kompliziert angelegten Wett- und Manipulationssystems und des damit verbundenen erheblichen organisatorischen Aufwands ohnehin eher fernliegend, dass bei diesem Angeklagten die Steuerungsfähigkeit bei der Begehung sämtlicher Taten wegen „Spielsucht“ erheblich eingeschränkt gewesen sein soll (vgl. zu den Anforderungen BGHSt 49, 365, 369 f. m.w.N.). Die vom Landgericht angenommene Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB beschwert den Angeklagten jedoch nicht. In den Fällen 2, 6, 7 und 11 liegen zudem zusätzlich – auch bei den Teilnehmern, die angesichts der Kenntnis von den Gesamtumständen und angesichts der Höhe der gezahlten Bestechungsgelder insoweit zumindest mit bedingtem Vorsatz handelten – die Voraussetzungen eines besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 erste Alt. StGB vor.
55
(2) Bei den Angeklagten H. und M. hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass auch diese Angeklagten selbst gewerbsmäßig gehandelt haben. Sie wollten sich durch die Zusammenarbeit mit A. S. eine auf Dauer angelegte Einnahmequelle von einigem Umfang erschließen. Bei diesen Angeklagten liegt aufgrund der besonders pflichtwidrigen Ausnutzung ihrer Stellung als unparteiische Schiedsrichter im Übrigen auch die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB auf der Hand.
56
(3) Eigenes gewerbsmäßiges Handeln hat das Landgericht auch für M. S. festgestellt. Es kann dahinstehen, ob diese Wertung tatsächlich ausreichend belegt ist. Der Senat kann angesichts der Vielzahl erschwerender Gesichtspunkte jedenfalls ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei den Angeklagten M. und F. S. bei bloßer Anwendung von § 263 Abs. 1 StGB auf noch niedrigere Einzel- und Gesamtstrafen erkannt hätte. Das Landgericht hat sich bei der Bemessung der ohnehin maßvollen Strafen ersichtlich nicht am oberen Ende des – abgesehen von Fall 10 für M. S. – gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB verschobenen Strafrahmens des § 263 Abs. 3 StGB orientiert.
57
(4) Die verhängten Einzelstrafen und die verhängte Gesamtstrafe sind darüber hinaus auch aus folgenden Gründen angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO: Es geht bei den durch die Angeklagten unterstützen Betrügereien von A. S. ganz überwiegend um erhebliche Summen und insgesamt um Beträge von mehreren Millionen Euro. Die Spielmanipulationen haben nicht nur die jeweiligen Wettanbieter geschädigt, sondern – wie die Angeklagten wussten – einer Vielzahl Unbeteiligter ganz erhebliche Schäden zugefügt: Die jeweiligen Fußballmannschaften und alle zahlenden Zuschauer wurden um ein faires Spiel gebracht. Die infolge von Manipulationen unterlegenen Mannschaften und ihre Trainer mussten erhebliche wirtschaftliche Schäden gewärtigen, die sich etwa im Fall des Ausscheidens des Hamburger SV aus dem DFB-Pokal auch durch die Entlas- sung des damaligen Trainers realisiert haben. Die massive Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern zum Zweck der Spielmanipulation hat zudem dem gesamten professionellen Fußballsport einen ganz erheblichen Rufschaden zugefügt, indem das Vertrauen von Millionen sportbegeisterter Zuschauer in die Fairness des Fußballsports und in die Unparteilichkeit der Schiedsrichter massiv enttäuscht wurde. Im Übrigen sind auch viele redliche Wettkunden, die auf ein anderes Ergebnis gesetzt hatten, im Falle gelungener Spielmanipulationen um ihre Gewinnchancen gebracht worden. Diese offenkundigen erschwerenden Gesichtspunkte hat das Landgericht im Rahmen seiner Strafzumessung nicht einmal umfassend ausdrücklich bedacht.
58
(5) Bei F. S. ist die Gesamtstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe auch deshalb angemessen, weil das Landgericht zugunsten dieses Angeklagten einen nicht gerechtfertigten Härteausgleich vorgenommen hat. Die Strafkammer hat sich hierfür auf eine am 25. Oktober 2004 erfolgte Verurteilung zu einer bereits vollstreckten Geldstrafe bezogen und mit Rücksicht auf die fehlende Gesamtstrafenfähigkeit einen Härteausgleich in Höhe von einem Monat Freiheitsstrafe gewährt. Unbeachtet blieb dabei, dass zu diesem Zeitpunkt die Tat Nr. 10 der Urteilsgründe noch nicht begangen worden war. Wegen der Erledigung der Geldstrafe entfiel mithin lediglich die Zäsurwirkung der Verurteilung vom 25. Oktober 2005. Daher hat sich der Angeklagte durch die Erledigung der Geldstrafe die Verhängung zweier – notwendig in der Summe gegenüber der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe höherer – Freiheitsstrafen erspart, mithin keinen Nachteil, sondern einen Vorteil erlangt. Deshalb war kein Härteausgleich gerechtfertigt (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 4).
59
3. Der Senat weist abschließend darauf hin, dass die missverständliche Entscheidung des Landgerichts im Adhäsionsverfahren nicht bedeutet, dass die Adhäsionskläger ihr Ziel nicht anderweitig weiter verfolgen könnten (§ 406 Abs. 3 Satz 3 StPO). Daher wäre lediglich ein Absehen von einer Ent- scheidung, nicht etwa, wie zu weitgehend erfolgt, eine Antragsabweisung zu tenorieren gewesen (vgl. BGHR StPO § 406 Teilentscheidung 1).
Basdorf Häger Gerhardt Raum Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 616/10
vom
14. April 2011
Nachschlagewerk: ja
BGHR: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
Zur Schadensfeststellung bei betrügerischer Kapitalerhöhung.
BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 616/10 - LG Köln
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 14. April 2011 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 9. Juni 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 78 rechtlich zusammenfallenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

2
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts entwickelte der Angeklagte Ende der 1990er Jahre die Idee, durch den "Verkauf von Aktien" Geld für einen von ihm geplanten Windkraftpark zu gewinnen. Zu diesem Zweck erwarb er im Jahre 2001 die nicht börsennotierte, vermögenslose L. AG als Alleinak- tionär und wurde deren alleiniger Vorstand. Den Aufsichtsrat der L. AG berief er ab und ersetzte ihn durch ihm nahe stehende Personen. Auf Anraten eines Rechtsanwalts verschaffte sich der auf dem Gebiet des Aktiengeschäfts völlig unerfahrene Angeklagte in der Folgezeit Geld von Anlegern, indem er mehrfach das Grundkapital der L. AG gegen Bareinlage im Wege der Ausgabe von Vorzugsaktien, teils auch Inhaberaktien, erhöhte bzw. zu erhöhen vorgab.
3
Die Aktien ließ er in der Zeit vom 28. Januar 2002 bis 3. Januar 2005 zu jeweils unterschiedlichen Preisen durch Telefonverkäufer an Privatanleger vertreiben. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Zeichnung von Aktien durch 17 Anleger, denen in 78 Fällen Aktien veräußert wurden. Hierbei vereinnahmte die L. AG 8,258 Mio. €. Während des Tatzeitraums und danach entnahm der Angeklagte in seiner Funktion als Vorstand der L. AGhiervon 7,74 Mio. €. Damit finanzierte er seinen eigenen Lebensunterhalt als Ausgleich für seine Vorstandstätigkeit und zahlte an die Telefonverkäufer Provisionen in Höhe von 12 % der jeweiligen Anlagesumme. Die meisten Anleger erhielten vor allem zu Beginn Dividendenzahlungen in zwei- bis fünfstelliger Höhe.
4
b) Den Kapitalerhöhungen lagen nur am Anfang entsprechende Beschlüsse der Hauptversammlung zugrunde (Kapitalerhöhungsbeschlüsse vom 7. November 2001, 8. März 2002 und 22. November 2002). Für zwei weitere Kapitalerhöhungen in den Jahren 2003 und 2004 fehlten die notwendigen Kapitalerhöhungsbeschlüsse. Lediglich die Durchführung der ersten Kapitalerhöhung vom 7. November 2001 wurde am 24. September 2002 mit einem Betrag von 1,547 Mio. € in das Handelsregister eingetragen. Die handelsrechtliche Eintragung weiterer Kapitalerhöhungen unterblieb, da - was hierfür erforderlich gewesen wäre - die an die L. AG geleisteten Einlagezahlungen der Anleger dem Handelsregister aufgrund der Entnahmen des Angeklagten nicht nachgewiesen werden konnten.
5
c) Der Angeklagte ließ in seiner Funktion als Vorstand einen umfangreichen Emissionsprospekt anfertigen, in dem er nicht nur die L. AG als junges, im Aufbau befindliches Immobilienunternehmen darstellte, sondern auch auf die Möglichkeit des Totalverlustes des eingesetzten Kapitals hinwies. Mit dem Emissionsprospekt bzw. einem entsprechenden Kurzexposé warb der Angeklagte über die Telefonverkäufer für den Kauf von Vorzugsaktien der L. AG, deren Börsengang er für die Jahre 2004/05 in Aussicht stellte. Den Emissionsprospekt passte der Angeklagte bei den jeweiligen Kapitalerhöhungen inhaltlich an.
6
Ein operatives Geschäft entfaltete der Angeklagte zunächst nicht. Aufgrund gegen ihn gerichteter polizeilicher Ermittlungen im Mai 2002 erkannte er jedoch die Notwendigkeit, gewisse Bemühungen hinsichtlich des prospektierten Börsengangs und des Immobilienerwerbs gegenüber den Anlegern darstellen zu können. Pläne des Angeklagten, den "Börsenmantel" der K. AG, die nach einem abgeschlossenen Insolvenzverfahren von allen Verbindlichkeiten bereinigt war, zu übernehmen, scheiterten. Ende Dezember 2002 kam es zum einzigen Immobilienerwerb der L. AG im Tatzeitraum, als diese 90 % der Anteile der Fa. A. T. GmbH, die Eigentümerin dreier M. -Hotels war, übernahm. Den ratenweise zu zahlenden Kaufpreis von 3,1 Mio. € erbrachte die L. AG nur unvollständig, so dass die C. R. E. AG (ehemals K. AG) im Oktober 2004 die von der L. AG gehaltenen Anteile an der A. T. GmbH erwarb.
7
d) Nach Ablauf der Eintragungsfrist für die zweite Kapitalerhöhung vom 8. März 2002 war die L. AG am 31. März 2003 außerstande, den erforderlichen Bareinlagebetrag nachzuweisen. Infolge dessen entfiel die Wirkung der Zeichnungserklärungen der Anleger, denen deshalb Rückzahlungsansprüche gegen die L. AG in Höhe der von ihnen geleisteten Zahlungen zustanden.
Hierdurch wurde die L. AG zahlungsunfähig. Um eine Insolvenz der Gesellschaft zu verhindern, ließ der Angeklagte gleichwohl den Vertrieb von Vorzugsaktien fortsetzen. In den Zeichnungsscheinen der Anleger ließ er mit fiktiven Daten zwei weitere Kapitalerhöhungsbeschlüsse ausweisen, die tatsächlich nie gefasst worden waren.
8
e) In der Folge unterbreitete die Mehrheitseignerin der C. R. E. AG der L. AG ein bedingtes Übernahmeangebot, das letztlich nicht zustande kam. Gleichwohl ließ der Angeklagte weiterhin Anleger mit einer unmittelbar bevorstehenden Übernahme durch die C. R. E. AG werben. Erst am 3. Januar 2005 stellte er schließlich den telefonischen Aktienverkauf ein.
9
f) Am 2. Juni 2005 kam es zu einer Informationsveranstaltung, bei der den Anlegern ein Tausch von L. -Aktien in Aktien einer Tochtergesellschaft der C. R. E. AG in Aussicht gestellt wurde. Tatsächlich wurde ihnen Mitte des Jahres 2006 gegen Rückgabe von L. -Vorzugsaktien im Verhältnis 3:2 Vorzugsaktien der amerikanischen Gesellschaft D.S. I. (DSI) angeboten. Im Gegenzug sollten mit der Übertragung der Aktien sämtliche Ansprüche gegen die L. AG abgegolten sein. Nähere Feststellungen zum wirtschaftlichen Hintergrund dieses Tauschangebots hat das Landgericht nicht getroffen. Nahezu alle Anleger, die sich verpflichten mussten, die Aktien der DSI mindestens 12 Monate zu halten, nahmen das Angebot an. Zum Übertragungszeitpunkt betrug der Kurswert der DSI-Aktie 8,50 €, nach Ablauf der Haltefrist 2,50 €. Zwei Anleger erhielten im Vergleichsweg einen erheblichen Anteil der geleisteten Anlagesummen zurück.
10
2. Das Landgericht hat - ohne dies näher zu erläutern - Betrug in 78 rechtlich zusammentreffenden Fällen angenommen. Hierbei hat es dem Ange- klagten die von den Telefonverkäufern vorgenommenen Täuschungshandlungen mittäterschaftlich (§ 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet. Hinsichtlich des Vermögensschadens hat das Landgericht - auch ohne weitere Darlegung - zu Beginn des Tatzeitraums einen nicht näher bezifferten Vermögensgefährdungsschaden , nach dem Scheitern des Ankaufs der A. T. -Anteile und Einzahlungen der Anleger auf tatsächlich nicht gefasste Kapitalerhöhungsbeschlüsse einen tatsächlichen Vermögensschaden angenommen.

II.

11
Die Verurteilung wegen Betrugs hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Es fehlt an der hinreichenden Feststellung eines Vermögensschadens.
12
1. a) Ein Schaden i.S.v. § 263 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts des Vermögens des Verfügenden führt (Prinzip der Gesamtsaldierung, BGHSt 53, 199, 201 mwN). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung (BGHSt 30, 388 f.; BGH wistra 1993, 265; wistra 1995, 222; NStZ 1999, 353, 354; BGHSt 53, 199, 201). Bei der - hier vorliegenden - Konstellation eines Betruges durch Abschluss eines Vertrages ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen (Eingehungsschaden). Zu vergleichen sind die wirtschaftlichen Werte der beiderseitigen Vertragspflichten (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 10). Ein Schaden liegt demnach vor, wenn die von dem Getäuschten eingegangene Verpflichtung wertmäßig höher ist als die ihm dafür gewährte Gegenleistung unter Berücksichtigung aller mit ihr verbundenen, zur Zeit der Vermögensverfügung gegebenen Gewinnmöglichkeiten (BGHSt 30, 388, 390). Zu be- rücksichtigen ist beim Eingehen von Risikogeschäften dabei auch eine täuschungs - und irrtumsbedingte Verlustgefahr, die über die vertraglich zugrunde gelegte hinausgeht. Ein darin liegender Minderwert des im Synallagma Erlangten ist unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bewerten (vgl. BGHSt 53, 198, 202 f.; zur Frage der Entbehrlichkeit des Begriffs des Gefährdungsschadens vgl. Fischer StGB 58. Aufl. § 263 Rn. 157 f.). Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss des 2. Senats - 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3220) ist dieser Minderwert konkret festzustellen und ggf. unter Beauftragung eines Sachverständigen zur wirtschaftlichen Schadensfeststellung zu beziffern. Sofern genaue Feststellungen zur Einschätzung dieses Risikos nicht möglich sind, sind Mindestfeststellungen zu treffen , um den dadurch bedingten Minderwert und den insofern eingetretenen wirtschaftlichen Schaden unter Beachtung des Zweifelsatzes zu schätzen. Dieser zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche bestimmte Schaden materialisiert sich mit der Erbringung der versprochenen Leistung des Tatopfers (Erfüllungsschaden) und bemisst sich nach deren vollen wirtschaftlichen Wert, wenn die Gegenleistung völlig ausbleibt bzw. nach der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und demjenigen der Gegenleistung, soweit eine solche vom Täter erbracht wird (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - 3 StR 434/10).
13
b) Gemessen daran ist nach den landgerichtlichen Feststellungen ein Vermögensschaden für Zeichnungen bis März 2003 (anders ab April 2003; s. unten II.1.d) nicht hinreichend nachgewiesen. Für die Beurteilung, ob und in welcher Höhe bei Abschluss der Zeichnungsverträge ein Schaden eingetreten ist, ist der Wert der erworbenen Vorzugsaktien der L. AG - zum jeweiligen Zeichnungszeitpunkt - maßgebend und dem jeweils zu zahlenden Kaufpreis gegenüberzustellen. Entsprach der Aktienwert dem Gegenwert des Kaufprei- ses, liegt kein Schaden vor. Ob und ggf. in welcher Höhe die gezeichneten Aktien zum Zeitpunkt der jeweiligen Zeichnung tatsächlich einen wirtschaftlichen Wert hatten, lässt sich den Feststellungen jedoch nicht entnehmen. Der Senat vermag daher nicht festzustellen, ob das Landgericht zutreffend von einem Schaden ausgegangen ist.
14
Ein Schaden in Höhe der jeweiligen Anlagesumme - wovon das Landgericht trotz Annahme eines Vermögensgefährdungsschadens offenbar ausgeht - besteht nur dann, wenn die Aktie zum jeweiligen Zeichnungszeitpunkt wertlos war. Zu Beginn des Tatzeitraums (Januar 2002) könnte dies der Fall gewesen sein, da die L. AG zunächst kein operatives Geschäft betrieb und die Dividendenzahlungen in erster Linie als Anreiz für den Erwerb weiterer Aktienpakete dienten. Ob zu dieser Zeit unter Berücksichtigung der Angaben im Emissionsprospekt ein Ertragswert des Unternehmens und damit eine sich daraus ergebende Werthaltigkeit der Aktie festgestellt werden kann, erscheint deshalb zweifelhaft. Soweit aufgrund der dauernden Einzahlung von Anlagegeldern, die dem Handelsregister bei der Eintragung auch noch in Höhe von 1,547 Mio. € im Jahr 2002 nachgewiesen werden konnten, Barvermögen der Gesellschaft vorhanden war, könnte dies freilich gegen die vollständige Wertlosigkeit der gezeichneten Aktien sprechen. Zu bedenken ist allerdings auch, dass die durch Täuschung veranlasste Zeichnung von Aktien zur Anfangszeit mit den Fällen sog. Schneeball-Systeme vergleichbar sein könnte, bei denen Neu-Anlagen zumindest auch verwendet werden, um früheren Anlegern angebliche Gewinne oder Zinsen auszuzahlen. Hier nimmt die Rechtsprechung ohne weitere Differenzierung auch für die Erstanleger einen Schaden in Höhe des gesamten eingezahlten Kapitals an, da ihre Chance sich allein auf die Begehung weiterer Straftaten stütze und ihre Gewinnerwartung daher von vornherein wertlos sei (vgl. BGHSt 53, 199, 204 f.; kritisch hierzu Fischer StGB 58. Aufl. § 263 Rn. 130).
15
Der Senat braucht dies hier nicht zu entscheiden. Denn jedenfalls ab Mai 2002 ist die Annahme einer vollständigen Wertlosigkeit der Anlage zumindest zweifelhaft. Zu diesem Zeitpunkt begann die L. AG - orientiert an den Planvorgaben des Emissionsprospekts - mit der Aufnahme eines Geschäftsbetriebs , in dessen Folge es im Dezember 2002 zum Erwerb der Anteile an der A. T. GmbH kam. Daneben zahlte die L. AG im August 2002 125.000 € an Do. I. , im September 2002 1,3 Mio. € an F. C. zum Zwecke der (letztlich allerdings gescheiterten) Übernahme des "Börsenmantels" der K. AG und erwarb im November 2002 Aktien der K. AG im Wert von 185.000 €. Hinzu kommt, dass die L. AG für die (vorübergehende ) Übernahme der A. T. -Anteile jedenfalls größere Teile des ratenweise zu zahlenden Kaufpreises aufgebracht hat. Schließlich weisen die spätere Veräußerung der A. T. -GmbH-Anteile und die wirtschaftlich nicht näher nachzuvollziehende Übernahme von werthaltigen DSI-Aktien mit dem darauf erfolgten Tausch von L. -Vorzugsaktien in DSI-Aktien darauf hin, dass die L. AG offenbar nicht ohne Wert war. Dies legt - auch wenn es sich dabei um nach der Zeichnung der Aktien liegende Umstände handelt - nahe, dass jedenfalls ein vollständiger Wertverlust der L. -Aktie ab Mai 2002 nicht gegeben war.
16
Das Landgericht hätte daher den Wert der Aktie (als Anteil an einem zu bestimmenden Unternehmenswert) zum jeweiligen Zeichnungszeitpunkt ermitteln müssen, um unter Gegenüberstellung zu den jeweiligen Erwerbspreisen die erforderliche Saldierung vornehmen und die Schadenshöhe in jedem Einzelfall konkret beziffern zu können. Es hätte dabei auch das - täuschungs- und irrtumsbedingt überhöhte - Risiko des Aktienerwerbs und den dadurch verursachten Minderwert bewertend berücksichtigen müssen. Die Bewertung von Unternehmen bzw. Aktien erfordert zwar komplexe wirtschaftliche Analysen (vgl. hierzu etwa Großfeld Recht der Unternehmensbewertung 6. Aufl.
Rn. 202 ff.; Peemöller Praxishandbuch der Unternehmensbewertung 3. Aufl. Rn. 201 ff.), insbesondere dann, wenn das Unternehmen - wie vorliegend der Fall - nicht börsennotiert ist und es sich um ein junges Unternehmen handelt (hierzu näher Peemöller aaO Rn. 601 ff.). Dies beruht insbesondere darauf, dass der Ertragswert eines Unternehmens auch in die Zukunft reichende Entwicklungen , unter Berücksichtigung von Prospektangaben, erfasst (vgl. näher Großfeld aaO Rn. 982 ff.). Die Einschätzung von Risiken bei der Bewertung im Wirtschaftsleben ist jedoch kaufmännischer Alltag (vgl. im Zusammenhang mit der Bewertung von Forderungen BVerfG NJW 2010, 3209, 3219 f.; zu Anlagen auch BGHSt 53, 199, 203, jeweils mit weiteren Nachweisen). Das Landgericht hätte sich deshalb sachverständiger Hilfe bedienen können, um unter Beachtung der gängigen betriebswirtschaftlichen Bewertungskriterien den Aktienwert in jedem der Einzelfälle feststellen zu können.
17
c) Die Feststellungen tragen für die Zeit bis März 2003 auch hinsichtlich der Zahlung der Anlagegelder nicht die Annahme eines Vermögensschadens. Zwar ist es ab der 2. Kapitalerhöhung vom 8. März 2002, für die die Eintragungsfrist am 31. März 2003 ablief, nicht mehr zu einer Eintragung in das Handelsregister gekommen, so dass die Anleger keine Aktien erwarben. Erfolgt die Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister nicht bis zum Ende der Eintragungsfrist, entfällt entsprechend § 158 Abs. 2 BGB die Wirkung der Zeichnung (BGH NJW 1999, 1252, 1253; Hüffer AktG 9. Aufl. § 185 Rn. 14; Peifer in MüKo AktG 2. Aufl. § 185 Rn. 25) mit der Folge, dass die Anleger keine Aktionärstellung erlangen und bereits gezahlte Anlagegelder zurückzugewähren sind. Hätte der Angeklagte bereits bei der jeweiligen Zeichnung der Aktien durch die Anleger die Vorstellung gehabt, dass es mangels fehlenden Nachweises gegenüber dem Registergericht nicht zur Eintragung in das Handelsregister kommen könnte, wäre mit der täuschungsbedingten Zahlung der Anlagegelder angesichts eines in Kauf genommenen Entfallens der Gegenleis- tung ein Schaden anzunehmen. Dahingehende Feststellungen lassen sich dem Urteil des Landgerichts jedoch nicht entnehmen.
18
d) Dagegen dürfte die Annahme eines Schadens für die ab April 2003 gezeichneten Anlagen, bei denen der Angeklagte Kapitalerhöhungen vortäuschte , denen kein entsprechender Beschluss der Hauptversammlung zugrunde lag, im Ergebnis nicht zu beanstanden sein. Es kann dahinstehen, ob die Zeichnungserklärungen der Anleger und die Annahme durch die L. AG vor diesem Hintergrund überhaupt zu wirksamen wechselseitigen Verpflichtungen geführt haben (vgl. hierzu Hüffer AktG 9. Aufl. § 185 Rn. 27; Lutter in Kölner Kommentar AktG 2. Aufl. § 185 Rn. 36; Peifer in MüKo AktG 3. Aufl. § 185 Rn. 62), die im Rahmen der Schadensfeststellung zu saldieren wären. Da der Angeklagte in den Zeichnungsscheinen fiktive Kapitalerhöhungsbeschlüsse angegeben hat und damit erkennbar von Anfang an nicht die Absicht hatte, wirksame Kapitalerhöhungen durchzuführen, ist den Anlegern spätestens mit Erbringung der Zahlungen in dieser Höhe ein endgültiger Schaden entstanden. Sie hatten keine Aussicht, Aktionär zu werden, so dass ein Schaden in Höhe der jeweiligen Zeichnungssumme vorlag. Der den Anlegern zustehende Anspruch auf Rückerstattung bereits geleisteter Einlagen stellt insoweit keine unmittelbare Schadenskompensation, sondern lediglich einen möglichen Schadensausgleich dar, der die Annahme eines Schadens unberührt lässt.
19
Aufgrund der landgerichtlichen Annahme tateinheitlicher Verknüpfung sämtlicher Betrugstaten unterliegt das Urteil jedoch insgesamt der Aufhebung.
20
2. Der Senat weist darauf hin, dass die Verurteilung wegen einer Tat in 78 tateinheitlich zusammen treffenden Betrugsfällen rechtlichen Bedenken begegnet. Das Landgericht hat übersehen, dass für jeden Beteiligten von Straftaten selbständig zu ermitteln ist, ob Handlungseinheit oder -mehrheit gegeben ist. Maßgeblich ist dabei der Umfang seines Tatbeitrages oder seiner Tatbeiträge. Erfüllt ein Mittäter hinsichtlich aller oder einzelner Taten einer Deliktsserie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag , so sind ihm diese Taten - soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Allein die organisatorische Einbindung des Täters in ein betrügerisches Geschäftsunternehmen ist nicht geeignet, die Einzeldelikte der Tatserie rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (vgl. BGH NStZ 2010, 103). Erbringt der Täter dagegen im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeldelikte seiner Mittäter gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm diese gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die übrigen Beteiligten die einzelnen Delikte gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr., vgl. BGHSt 49, 177, 182 ff.).
21
Gemessen daran belegen die Feststellungen jedenfalls keine 78 Straftaten des Betrugs. Der Angeklagte hat nicht mit jeder einzelnen Anlagevermittlung durch die Telefonverkäufer, von der er im Zweifel keine Kenntnis hatte, eine selbständige Tat begangen, sondern mit jedem neuen Entschluss zur täuschenden Werbung von Anlegern, die er durch sein Verhalten gegenüber den Telefonverkäufern initiierte. Nach den bisherigen Feststellungen liegt es nahe, dass der Angeklagte jedenfalls mit jeder neuen Kapitalerhöhung, womöglich aber auch mit weiteren von ihm veranlassten, auf Irreführung ausgelegten Werbungsmaßnahmen, auch äußerlich einen neuen Entschluss fasste, durch Täuschungen mittels des - den einzelnen Kapitalerhöhungen jeweils angepassten - Emissionsprospekts Anleger neu zu werben. Die aufgrund der einzelnen Täuschungsentschlüsse durch die Vermittlung der Telefonverkäufer zustande gekommenen Anlagegeschäfte werden dabei zu einer Tat verbunden. Für eine Verknüpfung dieser selbständigen Taten zu lediglich einer einzigen Tat, etwa im Sinne eines "uneigentlichen Organisationsdelikts", ist kein Raum. Es handelt sich hinsichtlich des als Mittäter agierenden Angeklagten nicht um bloße Handlungen "zur Errichtung, zur Aufrechterhaltung und zum Ablauf eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebes", sondern um solche, die über die Einschaltung von Telefonverkäufern unmittelbar auf den betrügerischen Vertrieb von Aktien gerichtet waren.
22
3. Der neue Tatrichter wird bei der Bemessung der Strafe die erfolgten Schadenskompensationen genauer als bisher erfolgt zu berücksichtigen haben. Neben den gezahlten Dividenden fällt insbesondere der Umstand ins Gewicht, dass die Anleger für ihre L. -Aktien im Tausch Aktien der DSI erhalten haben, deren Wert jedenfalls zum Zeitpunkt des Tauschs (8,50 €/Aktie) im Verhältnis 3:2 regelmäßig über den Anlagebeträgen der Geschädigten lag.
Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. Dem Angebot auf Abschluss eines Sportwettenvertrages ist
in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen,
dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht
vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert ist (im Anschluss
an BGHSt 29, 165).
2. Zur Schadensfeststellung beim Sportwettenbetrug.
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 15. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 28. November und 15. Dezember 2006, an der teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B. ,
Rechtsanwalt C.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en A. S. ,
Rechtsanwalt H.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en M. S. ,
Rechtsanwalt H. ,
Rechtsanwalt D.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en R. H. ,
Rechtsanwältin Ko.
als Verteidigerin für den Angeklagten D. M. ,
Rechtsanwalt St.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en F. S. ,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 15. Dezember 2006 für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. November 2005 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: A. S. wegen Betruges in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten, M. S. wegen Betruges und wegen Beihilfe zum Betrug in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, R. H. (unter Freisprechung im Übrigen) wegen Beihilfe zum Betrug in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten, D. M. (unter Freisprechung im Übrigen) wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie F. S. wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Soweit Freiheitsstrafen unter zwei Jahren verhängt worden sind, hat das Landgericht deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die mit der Sachrüge und teilweise mit Verfahrensrügen geführten Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Der Angeklagte A. S. , ein jüngerer Bruder der Angeklagten M. und F. S. , beschäftigte sich seit vielen Jahren intensiv mit Sportwetten. Seit 2000 riskierte und gewann er jährlich sechsstellige Beträge. Aufgrund seines großen Insiderwissens im Sportbereich verfügte er vielfach über einen Wissensvorsprung gegenüber den Buchmachern und konnte deshalb erhebliche Gewinne erzielen. Die hohen Wetterfolge führten dazu, dass die in Berlin ortsansässigen Buchmacher seine Wettmöglichkeiten erheblich beschränkten und seinen Einsatz limitierten. Im Jahr 2003 konnte A. S. höhere Einsätze praktisch nur noch bei der von der Deutschen Klassenlotterie Berlin (DKLB) unter dem Namen „Oddset“ betriebenen Sportwette plazieren; die dabei vorgegebenen festen Quoten empfand er als „die schlechtesten Wettquoten in ganz Europa“. Sein Wettverhalten wurde zusätzlich dadurch reglementiert, dass er Kombinationswetten spielen musste. Dabei kann der Wettende nicht mehr auf ein Sportereignis allein wetten, sondern muss das Ergebnis verschiedener Sportereignisse, vornehmlich Fußballspiele, vorhersagen.
4
Bis Frühjahr 2004 hatte A. S. bei Oddset insgesamt Spielverluste in Höhe von 300.000 bis 500.000 Euro erlitten. Zu dieser Zeit entschloss er sich, seine Gewinnchancen durch Einflussnahme auf das Spielgeschehen mittels Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern entscheidend zu erhöhen, um so den bei Oddset verlorenen Betrag zurückzugewinnen. Selbstverständlich hielt er diese Manipulationen vor dem jeweiligen Wettanbieter geheim, schon um von diesem nicht von der Spielteilnahme ausgeschlossen zu werden. In Ausführung seines Plans kam es zu zehn einzelnen Taten, wobei die Wetten jeweils zu festen Gewinnquoten abgeschlossen wurden.
5
Der Angeklagte A. S. gewann dabei, teilweise unter Mithilfe seiner Brüder, die angeklagten Schiedsrichter H. und M. sowie den gesondert verfolgten Fußballspieler K. und andere Fußballspieler gegen Zahlung oder das Versprechen von erheblichen Geldbeträgen (zwischen 3.000 und 50.000 Euro) dazu, dass diese den Ausgang von Fußballspielen durch falsche Schiedsrichterentscheidungen oder unsportliche Spielzurückhaltung manipulieren. In einem Fall half R. H. , seinen Kollegen M. für eine Manipulation zu gewinnen. Betroffen waren Fußballspiele in der Regionalliga, in der Zweiten Bundesliga und im DFB-Pokal. Teilweise gelangen die von A. S. geplanten Manipulationen nicht, teilweise hatten die kombiniert gewetteten Spiele nicht den von ihm erhofften Ausgang. In vier Fällen (Fälle 2, 6, 7 und 11 der Urteilsgründe) gewann A. S. ganz erhebliche Geldbeträge (zwischen 300.000 und 870.000 Euro), in den übrigen Fällen verlor er seine Einsätze. Im Fall 10 der Urteilsgründe setzte auch M. S. Beträge in eigenem Interesse. Nach den Feststellungen des Landgerichts lag der bei den Wettanbietern in allen zehn Fällen insgesamt verursachte Vermögensschaden bei knapp 2 Mio. Euro (Gewinn abzüglich der jeweiligen Einsätze), in Fällen erfolgloser Wetten nahm das Landgericht darüber hinaus eine schadensgleiche Vermögensgefährdung von insgesamt etwa 1 Mio. Euro an.
6
Das Landgericht hat jeweils einen vollendeten Betrug durch A. S. (im Fall 10 auch durch M. S. ) aufgrund einer konkludenten Täuschung der Angestellten der Wettannahmestellen bei Abgabe der Wettscheine angenommen. Aufgrund dieser Täuschung sei das Personal der Wettannahmestellen dem Irrtum erlegen, es läge bei dem jeweils vorgelegten Spielschein nicht der Ablehnungsgrund einer unlauteren Einflussnahme des Wettenden auf ein wettgegenständliches Spiel vor. Der hierdurch bedingte Abschluss des Wettvertrages habe unmittelbar zu einer schadensgleichen Vermögensgefährdung bei dem jeweiligen Wettanbieter in Höhe des möglichen Wettgewinns abzüglich des Einsatzes geführt.

II.


7
Die Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.
8
1. Die Verfahrensrügen, in denen jeweils die Behandlung von Wettbedingungen als Verstoß gegen § 244 Abs. 2, Abs. 3 oder § 261 StPO beanstandet wird, zeigen – unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der jeweiligen Verfahrensbeanstandungen (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) – keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Revisionen sind die Teilnahmebedingungen der DKLB für Oddset-Wetten und die Bedingungen der übrigen Wettanbieter für die rechtliche Lösung des Falls unerheblich:
9
a) Allgemeine Geschäftsbedingungen, die bei Vertragsschluss wirksam einbezogen werden, könnten im vorliegenden Fall allenfalls dann beachtlich sein, wenn sie zum Vorteil manipulierender Wettkunden vom geltenden Recht abweichen würden, also etwa – was überaus fernliegend ist und von den Revisionen auch nicht behauptet wird – ausnahmsweise eine Manipulation des Wettgegenstandes erlauben oder eine diesbezügliche Überprüfung des Wettkunden bzw. der Wetten auf Manipulation ausschließen würden.
10
b) Im Übrigen ergibt sich schon aus dem (allgemein) geltenden Zivilrecht , dass bei einer Wette auf den Ausgang eines zukünftigen Sportereignisses eine vorsätzliche Manipulation des Wettereignisses vertragswidrig ist. Schon hiernach ist selbstverständlich, dass kein Wettanbieter Wetten auf Sportereignisse entgegennehmen muss oder zur Auszahlung des Wettbetrages verpflichtet ist, wenn der Wettende das Wettrisiko durch eine Manipulation des Sportereignisses zu seinen Gunsten erheblich verschiebt. Die Teilnahmebedingungen haben aus diesem Grund auch keinen entscheidenden Einfluss auf die Feststellung des Erklärungsinhalts im Rahmen des Wettvertragsschlusses. Denn dass der Wettanbieter bei einer Manipulation des Sportereignisses nicht an den Wettvertrag gebunden bleibt, ergibt sich schon aus der gravierenden Verletzung vertraglicher Nebenpflichten durch den Wettenden. Ob die Teilnahmebedingungen der DKLB nach den jeweiligen Taten geändert wurden oder nicht, ist entgegen der Auffassung einzelner Revisionen rechtlich unerheblich, weil es allein auf die Umstände zur Tatzeit ankommt.
11
Es ergibt sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hier auch – anders als etwa im Fall der Fehlbuchung (dazu näher BGHSt 39, 392; 46, 196) – kein Ansatzpunkt zum Verständnis der Erklärungen bei Wettabschluss. Bei einer arglistigen Manipulation der Vertragsgrundlage bedarf es keiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen, um eine entsprechende Prüfungspflicht bzw. ein Ablehnungs- oder Anfechtungsrecht des Wettanbieters zu statuieren. Dies ergibt sich bereits aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Anders als einige Revisionen meinen, bestimmen oder begrenzen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch nicht Prüfungsrecht und Prüfungspflicht desjenigen, der den Wettschein für den Wettanbieter entgegennimmt. Für den Erklärungsinhalt und die Überprüfungspflicht wichtig können Allgemeine Geschäftsbedingungen allerdings dann sein, wenn es nicht um die aktive Manipulation des Vertragsgegenstandes, sondern um das Ausnutzen von Fehlern wie etwa bei einer Fehlbuchung geht (vgl. BGHSt 46,

196).


12
Auf Allgemeine Geschäftsbedingungen kommt es vorliegend auch deshalb nicht entscheidend an, weil weder die Feststellungen des Landgerichts noch der Revisionsvortrag eine wirksame Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen belegen (vgl. §§ 305, 305a BGB).
13
c) Dies gilt unabhängig davon, ob es um Wettabschlüsse mit deutschen oder mit ausländischen Wettanbietern über deutsche Sportwettenvermittler geht. In allen diesen Fällen bestimmt sich die Rechtslage nach dem dargestellten deutschen Recht (Art. 28 und Art. 29 EGBGB; vgl. auch Heldrich in Palandt, BGB 66. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 19; Martiny in MünchKomm-BGB 4. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 376).
14
2. Auch die Sachrügen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
15
a) Das Landgericht hat die Taten im Ergebnis zutreffend als zehn Fälle des Betruges zum Nachteil der jeweiligen Wettanbieter angesehen.
16
Der Angeklagte A. S. (im Fall 10 auch M. S. ) hat bei Abgabe der Wettscheine konkludent erklärt, nicht an einer Manipulation des Wettgegenstandes beteiligt zu sein, und hat hierdurch den Mitarbeiter der Annahmestelle getäuscht, so dass dieser irrtumsbedingt die jeweiligen Wettverträge abschloss, wodurch den Wettanbietern täuschungsbedingt ein Schaden entstanden ist.
17
aa) Der 3. Strafsenat hat bereits entschieden, dass ein Wettteilnehmer , der den Gegenstand des Wettvertrages zu seinen Gunsten beeinflusst, einen Betrug begeht, wenn er diesen Umstand bei Abschluss des Wettvertrages verschweigt (BGHSt 29, 165, 167 – „Pferdewetten“): Dem Vertragsangebot könne die stillschweigende Erklärung entnommen werden, der Wetter selbst habe die Geschäftsgrundlage der Wette nicht durch eine rechtswidrige Manipulation verändert; in dem Verschweigen der Manipulation liege eine Täuschung durch schlüssiges Handeln (BGHSt 29, 165, 167 f.). Der Senat sieht entgegen der Bundesanwaltschaft keinen Anlass, von dieser in der Literatur vielfach geteilten Auffassung (vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 263 Rdn. 18; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 263 Rdn. 16e; Hefendehl in MünchKomm-StGB § 263 Rdn. 113; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 263 Rdn. 9; Kindhäuser in NK-StGB 2. Aufl. § 263 Rdn. 133; Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 71; Valerius SpuRt 2005, 90, 92; Weber in Pfister [Hrsg.], Rechtsprobleme der Sportwette [1989] S. 39, 62; a. A. etwa Schlösser NStZ 2005, 423, 425 f.; jeweils m.w.N.) im Ergebnis abzurücken.
18
Gegen die Auffassung, beim Abschluss einer Sportwette erkläre der Wetter zugleich die Nichtmanipulation des sportlichen Ereignisses, wird – im Anschluss an BGHSt 16, 120 („Spätwette“, m. abl. Anm. Bockelmann NJW 1961, 1934) – geltend gemacht, die Annahme einer solchen Erklärung liefe auf eine „willkürliche Konstruktion“ hinaus (vgl. Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung [2001] S. 164 f.; Weber aaO S. 57 f.; Schlösser aaO S. 425 f.; Schild ZfWG 2006, 213, 215 ff.); damit werde zudem in unzulässiger Weise ein lediglich gemäß § 13 StGB strafbares Unterlassen in ein aktives Tun umgedeutet (vgl. Schlösser aaO S. 426; Schild aaO S. 216). Gegen diese auch von der Bundesanwaltschaft erhobenen Einwände spricht folgendes:
19
(1) In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, dass außer durch ausdrückliche Erklärung, namentlich durch bewusst unwahre Behauptungen , eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB auch konkludent erfolgen kann, nämlich durch irreführendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist. Davon ist auszugehen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt (BGHSt 47, 1, 3; vgl. auch Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 12; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 22; jeweils m.w.N.).
20
Der Erklärungswert eines Verhaltens ergibt sich demnach nicht nur aus demjenigen, was ausdrücklich zum Gegenstand der Kommunikation gemacht wird, sondern auch aus den Gesamtumständen der konkreten Situation (vgl. Vogel in Gedächtnisschrift für Rolf Keller [2003] S. 313, 315). Dieser unausgesprochene Kommunikationsinhalt wird wesentlich durch den dem Erklärenden bekannten Empfängerhorizont und damit durch die ersichtlichen Erwartungen der Beteiligten bestimmt (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 12). Derartige tatsächliche Erwartungen werden ganz wesentlich auch durch die Anschauungen der jeweiligen Verkehrskreise und die in der Situation relevanten rechtlichen Normen geprägt (vgl. auch Hefendehl aaO § 263 Rdn. 88; Tiedemann aaO § 263 Rdn. 30). In aller Regel muss der Inhalt konkludenter Kommunikation deshalb auch unter Bezugnahme auf die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmt werden, von denen ersichtlich die Erwartungen der Kommunikationspartner geprägt sind. Bei der Ermittlung des Erklärungswertes eines konkreten Verhaltens sind daher sowohl faktische als auch normative Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 14/15; Vogel aaO S. 316).
21
Entscheidende Kriterien für die Auslegung eines rechtsgeschäftlich bedeutsamen Verhaltens sind neben der konkreten Situation der jeweilige Geschäftstyp und die dabei typische Pflichten- und Risikoverteilung zwischen den Partnern (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 22; Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 14/15). Liegen keine Besonderheiten vor, kann der Tatrichter regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation schließen. Ein derartiger Schluss des Tatrichters von den Gesamtumständen eines Geschehens, die auch von normativen Erwartungen geprägt sind, auf einen bestimmten Kommunikationsinhalt führt nicht zur „Fiktion“ einer Erklärung.
22
Für eine Vielzahl von Fallgruppen hat die Rechtsprechung anhand des jeweiligen Geschäftstyps und der dabei üblichen Pflichten- und Risikoverteilung den jeweils typischen Inhalt konkludenter Kommunikation herausgearbeitet (vgl. näher Tiedemann aaO § 263 Rdn. 31 ff.; Hefendehl aaO § 263 Rdn. 93 ff.; Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 13 ff.; je m.w.N.). Erklärungsinhalt kann danach auch sein, dass etwas nicht geschehen ist (sog. „Negativtatsache“ ), etwa ein Angebot ohne vorherige Preisabsprache zwischen den Bietern zustande kam (vgl. BGHSt 47, 83, 87). Eine konkludente Erklärung derartiger Negativtatsachen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn es um erhebliche vorsätzliche Manipulationen des Vertragsgegenstandes geht, auf den sich das kommunikative Verhalten bezieht (vgl. RGSt 20, 144: Überstreichen schwammbefallener Hausteile; RGSt 59, 299, 305 f.: Überdecken schlechter Ware; RGSt 29, 369, 370; 59, 311, 312; BGH MDR 1969, 497 f.: Verfälschen von Lebensmitteln; BGHSt 8, 289: Zurückbehalten des Hauptgewinnloses einer Lotterie; BGH NJW 1988, 150: Erschleichen einer Prädikatsbezeichnung für Wein; BGHSt 38, 186; 47, 83: unzulässige vorherige Preisabsprache; vgl. zur konkludenten Täuschung bei Manipulation auch Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug [1999] S. 87). Zwar reicht die allgemeine Erwartung, der andere werde sich redlich verhalten, für die Annahme entsprechender konkludenter Erklärungen nicht aus. Abgesehen davon , dass die Vertragspartner aber ein Minimum an Redlichkeit im Rechtsverkehr , das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen dürfen (vgl. Cramer /Perron aaO § 263 Rdn. 14/15), ist die Erwartung, dass keine vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht, unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Erklärungen. Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird.
23
Bei der Sportwette, einer Unterform des wesentlich durch Zufall bestimmten Glücksspiels (vgl. BGH NStZ 2003, 372, 373; Hofmann/Mosbacher NStZ 2006, 249, 251 m.w.N.), ist Gegenstand des Vertrages das in der Zukunft stattfindende und von den Sportwettenteilnehmern nicht beeinflussbare (vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand [1994] S. 471) Sportereignis. Auf diesen Vertragsgegenstand nimmt jede der Parteien bei Abgabe und Annahme des Wettscheins Bezug. Beim Abschluss einer Sportwette erklärt demnach regelmäßig jeder der Beteiligten konkludent, dass das wettgegenständliche Risiko nicht durch eine von ihm veranlasste, dem Vertragspartner unbekannte Manipulation des Sportereignisses zu seinen Gunsten verändert wird (BGHSt 29, 165). Denn dies erwartet nicht nur der Wettanbieter vom Wettenden, sondern auch umgekehrt der Wettende vom Wettanbieter.
24
Weil sich eine Sportwette zwangsläufig auf ein in der Zukunft stattfindendes Ereignis bezieht, kann sich die Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits endgültig durchgeführte, sondern nur auf eine beabsichtigte Manipulation beziehen. Eine Täuschung ist jedenfalls dann anzunehmen , wenn zu dem konkreten Plan der Manipulation des zukünftigen Sportereignisses die konkrete Einflussnahme tritt, etwa wie hier durch die vorherigen Abreden mit Teilnehmern an dem Sportereignis, die ihre Manipulationsbereitschaft zugesagt haben. Nur in einem solchen Fall wird der Wettende auch – wie hier – erhebliche Beträge auf einen eher unwahrscheinlichen (und dafür zu hohen Gewinnquoten angebotenen) Spielausgang setzen. Wer erhebliche Beträge zu hoher Quote auf einen unwahrscheinlichen Spielausgang setzt und in Manipulationen des Spielgeschehens verstrickt ist, hat diese regelmäßig bereits zuvor schon so hinreichend konkret ins Werk gesetzt, dass es bei normalem Lauf der Dinge allein von ihm abhängt, ob es zu der unlauteren Beeinflussung des Spielverlaufs kommt. Dass dies bei A. S. jeweils der Fall war, ist den Feststellungen des Landgerichts zu den Wettvertragsabschlüssen insgesamt mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen.
25
Dieser Begründung steht die Entscheidung des Senats in BGHSt 16, 120 („Spätwette“) nicht entgegen. Dort ging es nicht um eine Manipulation des Vertragsgegenstandes, sondern um ein überlegenes Wissen des Wettenden , das aus allgemein zugänglichen Informationsquellen stammte. Ob der Wettende bei Abschluss einer Wette auf ein zukünftiges Ereignis auch konkludent erklärt, dieses sei noch nicht eingetreten, so dass er davon nichts wisse, bedarf hier deshalb keiner Entscheidung. Dagegen mag sprechen, dass das Einholen allgemein zugänglicher Informationen über den Wettgegenstand typischerweise in das Risiko jedes Vertragspartners fällt. Berechtigterweise erwartet der Vertragspartner einer Sportwette jedenfalls, dass der andere Teil nicht über Sonderwissen verfügt, das aus einer verwerflichen Manipulation des Wettgegenstandes resultiert (vgl. aber auch Habersack in MünchKomm-BGB 4. Aufl. § 762 Rdn. 19).
26
(2) Entgegen einer in der Literatur verbreiteten Meinung (vgl. Schlösser aaO S. 426; Schild aaO S. 216) handelt es sich bei der Täuschung der jeweiligen Wettbüro-Mitarbeiter um eine konkludente Täuschung durch aktives Tun und nicht um eine Täuschung durch Unterlassen.
27
Die Grenze zwischen einer aktiven konkludenten Täuschung und einer Täuschung durch Unterlassen bestimmt sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Erklärungswert des aktiven Verhaltens. Deshalb darf der Tatrichter grundsätzlich nicht an ein Unterlassen, sondern muss an das aktive Tun – also insbesondere den jeweiligen Vertragsschluss – anknüpfen (missverständlich deshalb BGHSt 29, 165, 167, soweit dort auf ein „Verschweigen“ abgestellt wird), wenn in der Erklärung bereits die Täuschungshandlung zu sehen ist. In diesen Fällen liegt der relevante Handlungsschwerpunkt in einem positiven Tun, weil der Täter inzident die Essentialia zusichert, die – wie oben dargestellt – zur unverzichtbaren Grundlage des Geschäfts zählen. Deshalb ist im vorliegenden Fall ein aktives Verhalten, nämlich der Abschluss des Wettvertrages, die strafbarkeitsbegründende Täuschungshandlung , weil ihm der Erklärungswert zukommt, nicht auf Manipulationen des Vertragsgegenstandes hingewirkt zu haben. Da bereits ein Betrug durch aktives Tun vorliegt, kann dahinstehen, ob hier auch ein Betrug durch Unterlassen der Aufklärung über die Spielmanipulation (vgl. zu einer möglichen Aufklärungspflicht Henssler aaO S. 471; Habersack aaO § 762 Rdn. 19) oder später (vgl. etwa in Fall 7 der Urteilsgründe das Gespräch mit den Vertretern des Wettveranstalters) gegeben ist (vgl. allgemein zu den Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen einer Täuschung durch Tun und durch Unterlassen Tiedemann aaO § 263 Rdn. 29 m.w.N.; Schlösser aaO S. 426).
28
bb) Durch die konkludente Täuschung über die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes ist bei den jeweiligen Mitarbeitern der Wettanbieter auch ein entsprechender Irrtum erregt worden (vgl. BGHSt 29, 165, 168). Die Mitarbeiter der Wettanbieter gingen – jedenfalls in Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins (hierzu näher Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 35 m.w.N.) – jeweils davon aus, dass das wettgegenständliche Risiko nicht durch Manipulation des Sportereignisses zu Ungunsten ihres Unternehmens ganz erheblich verändert wird. Ansonsten hätten sie die jeweiligen Wettangebote zu der angebotenen Quote zurückgewiesen. Gerade weil die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes beim Abschluss einer Sportwette mit festen Quoten für die Vertragspartner von entscheidender Bedeutung für die Einschätzung des Wettrisikos ist, verbinden Wettender und Wettanbieter mit ihren rechtsgeschäftlichen Erklärungen regelmäßig die Vorstellung, dass der Wettgegenstand nicht manipuliert wird (vgl. auch BGHSt 24, 386, 389). Hierüber irren sie aber infolge des Verhaltens des anderen Teils. Dieser Irrtum führte auch zu einer Vermögensverfügung, nämlich zum Vertragsabschluss mit dem jeweiligen Wettanbieter.
29
cc) Bei den jeweiligen Wettveranstaltern ist durch diese täuschungsbedingte Vermögensverfügung auch ein Schaden entstanden.
30
(1) In allen Fällen liegt bereits mit Abschluss der jeweiligen Wettverträge ein vollendeter Betrug vor.
31
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug) ergibt der Vergleich der Vermögenslage vor und nach Abschluss des Vertrages , ob ein Vermögensschaden eingetreten ist. Zu vergleichen sind die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen. Wenn der Wert des Anspruchs auf die Leistung des Täuschenden hinter dem Wert der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurückbleibt, ist der Getäuschte geschädigt (vgl. BGHSt 16, 220, 221; BGH NStZ 1991, 488). Entscheidend ist für die Tatbestandserfüllung beim (Eingehungs-)Betrug nämlich, dass der Verfügende aus dem Bestand seines Vermögens aufgrund der Täuschung mehr weggibt, als er zurückerhält (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 64 m.w.N.). Diese für übliche Austauschgeschäfte entwickelte Rechtsprechung bedarf der Anpassung an die Besonderheiten der hier gegenständlichen Sportwetten , bei denen zur Eingehung der vertraglichen Verpflichtungen der Aus- tausch von Einsatz und Wettschein (einer Inhaberschuldverschreibung, vgl. Sprau in Palandt aaO § 793 Rdn. 5) hinzukommt:
32
Bei Sportwetten mit festen Quoten (sog. Oddset-Wetten) stellt die aufgrund eines bestimmten Risikos ermittelte Quote gleichsam den „Verkaufspreis“ der Wettchance dar; die Quote bestimmt, mit welchem Faktor der Einsatz im Gewinnfall multipliziert wird. Weil die von A. S. geplante und ins Werk gesetzte Manipulation der Fußballspiele das Wettrisiko ganz erheblich zu seinen Gunsten verschoben hatte, entsprachen die bei dem Vertragsschluss vom Wettanbieter vorgegebenen Quoten nicht mehr dem Risiko, das jeder Wettanbieter seiner eigenen kaufmännischen Kalkulation zugrunde gelegt hatte. Eine derart erheblich höhere Chance auf den Wettgewinn ist aber wesentlich mehr wert, als A. S. hierfür jeweils in Ausnutzung der erfolgten Täuschung gezahlt hat. Für seinen jeweiligen Einsatz hätte er bei realistischer Einschätzung des Wettrisikos unter Berücksichtigung der verabredeten Manipulation nur die Chance auf einen erheblich geringeren Gewinn erkaufen können. Diese „Quotendifferenz“ stellt bereits bei jedem Wettvertragsabschluss einen nicht unerheblichen Vermögensschaden dar. Dieser ähnelt infolge des für Wetten typischen Zusammenhangs zwischen Wettchance und realisiertem Wettrisiko der vom Landgericht angenommenen schadensgleichen Vermögensgefährdung (gegen deren Annahme indes durchgreifende Bedenken bestehen, vgl. unten [3]) und stellt wirtschaftlich bereits einen erheblichen Teil des beabsichtigten Wettgewinns dar. Dass Wetten für erkannt manipulierte Spiele nicht angeboten werden, ist insoweit ohne Bedeutung. Maßgeblich ist allein, dass der Wettanbieter täuschungsbedingt aus seinem Vermögen eine Gewinnchance einräumt, die (unter Berücksichtigung der Preisbildung des Wettanbieters) gemessen am Wetteinsatz zu hoch ist. Mithin verschafft sich der Täuschende eine höhere Gewinnchance , als der Wettanbieter ihm für diesen Preis bei richtiger Risikoeinschätzung „verkaufen“ würde.
33
Ein derartiger Quotenschaden muss nicht beziffert werden. Es reicht aus, wenn die insoweit relevanten Risikofaktoren gesehen und bewertet werden. Realisiert sich der vom Wettenden infolge seiner Manipulation erstrebte Gewinn nicht, verbleibt es vielmehr bei dem mit erfolgreicher Täuschung bereits erzielten Quotenschaden, so ist dem wegen der geringeren Auswirkungen der Tat im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen.
34
(2) In denjenigen Fällen, in denen es zur Auszahlung von Wettgewinnen auf manipulierte Spiele kam (Fälle 2, 6, 7, 11), ist das mit dem Eingehungsbetrug verbundene erhöhte Verlustrisiko in einen endgültigen Vermögensverlust der jeweiligen Wettanbieter in Höhe der Differenz zwischen Wetteinsatz und Wettgewinn umgeschlagen (vgl. zur Schadensberechnung näher Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 73; Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 71 m.w.N.); der so erzielte Vermögensvorteil war insbesondere das Endziel des mit Hilfe von Manipulationen Wettenden. Weil sich Sportwettenverträge auf ein in der Zukunft stattfindendes Ereignis beziehen, stellt der Quotenschaden das notwendige Durchgangsstadium und damit einen erheblichen Teil des beabsichtigten endgültigen Schadens bei dem Wettanbieter dar.
35
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Kutzner JZ 2006 S. 712, 717; Schild aaO S. 219) liegt der betrugsrelevante Vermögensschaden in diesen Fällen nicht in der – kaum feststellbaren – Differenz zwischen der auf Grund des „normalen Wettverhaltens“ prognostizierten Gesamtgewinnausschüttung und der nach Manipulation tatsächlich auszuschüttenden Gesamtgewinnsumme. Diese mögliche Vermögenseinbuße stünde zudem in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der vom Wettenden beabsichtigten Vermögensmehrung, so dass insoweit Bedenken hinsichtlich der Stoffgleichheit der erstrebten Bereicherung bestünden. Ausreichend und allein maßgeblich ist, dass der jeweilige Wettanbieter täuschungsbedingt den Wettgewinn auszahlt, auf den der Wettende wegen der Spielmanipulation keinen Anspruch hat, und in dieser Höhe sein Vermögen mindert; gerade diese Bereicherung erstrebt auch der Wettende. Die Ersparnis anderweitig zu erwartender Gewinnausschüttungen durch den Wettanbieter infolge der Manipulation ist allenfalls mittelbar relevant (vgl. auch BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 54).
36
Für die Schadensfeststellung kommt es entgegen der Auffassung einiger Revisionen auch nicht darauf an, ob sich die von A. S. ins Werk gesetzten Manipulationen kausal im Spielergebnis oder wenigstens entscheidend im Spielverlauf niedergeschlagen haben. Es reicht vielmehr aus, dass der jeweilige Wettanbieter täuschungsbedingt Wettverträge abgeschlossen hat, die er bei Kenntnis der beabsichtigten Manipulationen nicht abgeschlossen hätte. Denn nicht der Erfolg der Manipulation ist Tatbestandsmerkmal des § 263 StGB, sondern allein die täuschungsbedingte Vermögensschädigung. Im Übrigen ist für die Risikoverschiebung die Zusage der Manipulation durch einen Mannschaftsspieler oder gar einen Schiedsrichter – anders als von einigen Verteidigern in der Revisionshauptverhandlung vorgetragen – regelmäßig von erheblicher Bedeutung.
37
(3) In denjenigen Fällen, in denen die Manipulationen keinen oder keinen vollständigen Wetterfolg einbrachten, hat das Landgericht allerdings den Schaden nicht gemäß den vorstehenden Grundsätzen bestimmt. Abgesehen davon sind auch die rechtlichen Erwägungen des Landgerichts nicht tragfähig , soweit es bereits beim Abschluss der Wettverträge eine schadensgleiche Vermögensgefährdung der jeweiligen Wettanbieter in Höhe des möglichen Wettgewinns (abzüglich des Einsatzes) angenommen hat.
38
Zwar kann auch schon die bloße konkrete Gefährdung einen Vermögensschaden i. S. von § 263 StGB darstellen. Diese Gefährdung muss aber nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage bedeuten. Die täuschungsbedingte Gefahr des endgültigen Verlustes eines Vermögensbestandteils muss zum Zeitpunkt der Verfügung so groß sein, dass sie schon jetzt eine Minderung des Ge- samtvermögens zur Folge hat (vgl. BGHSt 34, 394, 395; BGH NStZ 2004, 264). Eine derartige konkrete Gefährdung, die bereits einem Schaden entspricht , kann nur dann anerkannt werden, wenn der Betrogene ernstlich mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen hat (BGHSt 21, 112, 113). Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt, wenn der Eintritt wirtschaftlicher Nachteile nicht einmal überwiegend wahrscheinlich ist, sondern von zukünftigen Ereignissen abhängt, die sich einer Einflussnahme trotz der Manipulation immer noch in ganz wesentlichem Umfang entziehen.
39
Durch den Abschluss der Wettverträge ist es über den oben dargestellten Quotenschaden hinaus erst zu einer abstrakten Gefährdung der Vermögen der jeweiligen Wettanbieter in Höhe des durch die Wettquote bestimmten Auszahlungsbetrages abzüglich des Einsatzes gekommen. Ein Erfolg der Manipulationen war nach den Feststellungen des Landgerichts nicht einmal überwiegend wahrscheinlich, sondern schlug in vielen Fällen trotz beträchtlicher Eingriffe in das Spielgeschehen fehl, insbesondere auch, weil die kombinierten Spiele teilweise einen anderen Ausgang nahmen; dies macht deutlich, dass die Manipulation des Spielgeschehens nur die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Spielausgangs um einen gewissen – regelmäßig freilich, wie ausgeführt, erheblichen – Grad erhöhen konnte (vgl. dazu Kutzner aaO S. 717; Mosbacher NJW 2006, 3529, 3530).
40
b) Die Feststellungen des Landgerichts belegen ohne Weiteres die abgeurteilten Beihilfehandlungen der Angeklagten M. und F. S. sowie R. H. und D. M. .
41
aa) Die Betrugstaten des Haupttäters A. S. waren in dem von ihm beabsichtigten und von den Teilnehmern erkannten Umfang frühestens mit der Auszahlung des zu Unrecht beanspruchten Wettgewinns beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt förderten alle Handlungen, die unmittelbar der Manipulation des wettgegenständlichen Spielereignisses dienten oder durch die Spieler bzw. Schiedsrichter zur Manipulation des Spielgeschehens angehal- ten oder dabei bestärkt wurden, den beabsichtigten unrechtmäßigen Wettgewinn von A. S. . Aufgrund der Eigenart der Sportwette, die ein in der Zukunft liegendes Sportereignis betrifft, ist eine derartige Beihilfe zum Wettbetrug mittels Manipulation des Wettereignisses nicht nur durch deren vorherige Zusage, sondern auch nach Wettvertragsabschluss möglich. Dass die jeweiligen Teilnehmer insoweit vorsätzlich gehandelt haben, ergibt sich nach den Feststellungen des Landgerichts aus der Kenntnis vom beabsichtigten bzw. erfolgten Abschluss der Sportwetten; nur der Wettvertragsabschluss gab den Spielmanipulationen aus Sicht der Beteiligten hier einen nachvollziehbaren wirtschaftlichen Sinn.
42
bb) Der Angeklagte H. hat auch im Fall 8 der Urteilsgründe eine Beihilfe zum Wettbetrug A. S. begangen. Entgegen der Auffassung der Revision zu diesem Fall belegen die Feststellungen des Landgerichts hinreichend, dass H. in diesem Fall dem Haupttäter A. S. konkret bei seinem Betrug geholfen hat, indem er ihn bei der Anwerbung des Angeklagten M. für eine Spielmanipulation unterstützte. Soweit das Landgericht bei der rechtlichen Würdigung der Taten und im Rahmen der Strafzumessung – ersichtlich versehentlich – nicht zwischen dem Fall 8 der Urteilsgründe und den Einflussnahmen H. s als Schiedsrichter auf dem Spielfeld differenziert hat (vgl. UA S. 47, 53), ist dies im Ergebnis unschädlich: Das Unrecht H. s wiegt in Fall 8 nicht minder schwer als in den Fällen einer Manipulation auf dem Spielfeld. H. hat in diesem Fall sogar ganz erheblich dazu beigetragen, einen weiteren zur Unparteilichkeit verpflichteten Schiedsrichter in kriminelle Machenschaften zu verstricken.
43
cc) Im Fall 10 tragen die Feststellungen des Landgerichts auch die Annahme einer Beihilfe F. S. s zum gemeinschaftlich von A. und M. S. begangenen Betrug. F. S. hat danach R. H. ausdrücklich zur Manipulation des Fußballspiels in dem von seinem Bruder A. S. gewünschten Sinne ermutigt. Er hat aufgrund der Gesamtumstände des Geschehens auch ersichtlich in der Kenntnis gehandelt, dass auf dieses manipulierte Spiel Sportwetten abgeschlossen sind oder werden und dass sein Handeln den beabsichtigten Eintritt des Wetterfolges fördert.
44
c) Dass im Fall 10 der Urteilsgründe nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen M. S. die Sportwetten in Italien abgeschlossen hat, hindert eine Bestrafung der in diesem Fall Beteiligten nach deutschem Recht nicht:
45
Eine als Betrug nach § 263 StGB strafbare Haupttat M. S. s ist noch hinreichend durch Feststellungen belegt. Wie sich aus den gleichsam „vor die Klammer“ gezogenen Feststellungen des Landgerichts ergibt, gab der Angeklagte M. S. die Wettscheine auch in diesem Fall in den Geschäftsräumen des Wettanbieters ab und erklärte damit zugleich konkludent, nicht an einer Manipulation des wettgenständlichen Sportereignisses beteiligt zu sein. Aus dem einschlägigen italienischen Recht ergibt sich weder zum Erklärungswert seines Verhaltens noch in anderer Hinsicht ein relevanter Unterschied zum deutschen Recht; insbesondere besteht auch dort die Möglichkeit , sich bei einer bewussten Täuschung ohne weiteres vom Vertrag zu lösen (vgl. Art. 1427 ff. Codice Civile).
46
Für die Tat von M. S. im Fall 10 der Urteilsgründe gilt nach § 3 StGB das deutsche Strafrecht, weil die Tat (auch) im Inland begangen worden ist. Weil M. S. nach den (insoweit tragfähigen) Feststellungen des Landgerichts in diesem Fall als Mittäter des Angeklagten A. S. gehandelt hat, und ihm deshalb aufgrund des gemeinsamen Tatplans das Handeln A. S. s in Deutschland und auch der Ort dieses Handelns zuzurechnen ist, ist Tatort im Sinne von § 9 StGB auch für M. S. Deutschland (vgl. BGHSt 39, 88, 91; Tröndle/Fischer aaO § 9 Rdn. 3). Für die Teilnehmer ergibt sich ein Tatort im Bundesgebiet in diesem Fall jedenfalls aus § 9 Abs. 2 StGB. Zudem ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass auch A. S. in diesem Fall – was angesichts der von ihm versprochenen Bestechungssumme von 50.000 Euro mehr als nahe liegt – auf das ma- nipulierte Spiel gewettet hat; das Landgericht konnte lediglich keine Feststellungen dazu treffen, wo und in welcher Höhe dies geschehen ist.
47
d) Auch die weiteren Einwände der Revisionen gegen den Schuldspruch tragen nicht:
48
Soweit unter Hinweis auf nicht im Urteil wiedergegebene Allgemeine Geschäftsbedingungen vorgetragen wird, beim Wettvertragsschluss könnte keine reale Person getäuscht werden, weil der Vertragsschluss letztlich nur elektronisch erfolge, widerspricht dies den (nicht angegriffenen) Feststellungen des Landgerichts. Danach hat stets ein Mitarbeiter des Wettbüros die Wettscheine entgegengenommen, nach Prüfung weitergeleitet und insbesondere den Wetteinsatz vereinnahmt.
49
Der Einwand der Revision, ausländischen Wettanbietern könne in Hinblick auf §§ 762, 763 BGB wegen der Rechtswidrigkeit ungenehmigter ausländischer Wetten kein Schaden entstehen, verfängt nicht. Zwar findet auf Sportwetten § 763 Satz 2 i.V.m. § 762 BGB grundsätzlich Anwendung (vgl. BGH NJW 1999, 54). Unabhängig von der Frage, ob im EU-Ausland genehmigte Sportwetten auch im Bundesgebiet ohne zusätzliche Genehmigung zulässig vermittelt werden dürfen oder nicht (vgl. hierzu OLG München NJW 2006, 3588; Mosbacher NJW 2006, 3529), ist hier jedenfalls aus wirtschaftlicher Sicht eine Schädigung der ausländischen Wettanbieter eingetreten (vgl. auch Weber aaO S. 67; Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 91; RGSt 68, 379, 380).
50
Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Dies gilt namentlich hinsichtlich des Angeklagten M. . Die Feststellungen des Landgerichts zu seiner Tatbeteiligung beruhen auf einer tragfähigen Grundlage, nämlich auf seinem Eingeständnis, von A. S. die festgestellten Zahlungen erhalten zu haben, sowie im Übri- gen auf den vom Landgericht als glaubhaft angesehenen Angaben der geständigen Angeklagten A. S. und R. H. .
51
e) Die Rechtsfolgenaussprüche können bestehen bleiben.
52
aa) Auch wenn das Landgericht in demjenigen Teil der Fälle, in denen die Manipulationen nicht zu dem gewünschten Spielergebnis geführt haben oder die Kombinationswetten aus anderen Gründen keinen Erfolg hatten, der Strafzumessung einen zu großen Schadensumfang zugrunde gelegt hat, kann der Senat ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei einer zutreffenden rechtlichen Bewertung niedrigere Einzelstrafen und niedrigere Gesamtstrafen verhängt hätte: Zum einen ist ein Gefährdungsschaden für die Strafzumessung ohnehin nicht mit dem darüber hinaus erstrebten endgültigen Schaden gleichzusetzen (vgl. BGH wistra 1999, 185, 187). Zum zweiten ähnelt der vom Landgericht nicht ausdrücklich bezifferte Quotenschaden dem angenommenen Gefährdungsschaden und stellt jedenfalls einen erheblichen Teil hiervon dar; die Wettanbieter hätten bei nicht täuschungsbedingter Fehleinschätzung des Wettrisikos für die gezahlten Einsätze allenfalls wesentlich geringere Wettchancen eingeräumt. Schließlich war ohnehin strafschärfend zu berücksichtigen, dass sich der Vorsatz über den durch Eingehung der Wetten bereits vollendeten Schadenseintritt hinaus auf eine ganz erhebliche Gewinnsumme bezog und damit das vom Vorsatz umfasste Handlungsziel den als „Durchgangsschaden“ erfassten Quotenschaden des Wettanbieters jeweils ganz erheblich überstieg (vgl. auch BGHSt 43, 270, 276; BGH NStZ 2000, 38, 39).
53
bb) Auch im Übrigen hält die Strafzumessung im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand: Das Landgericht hat zwar verkannt, dass es sich bei § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erste Alt. StGB nicht um einen Qualifikationstatbestand des gewerbsmäßigen Betruges, sondern um eine Strafzumessungsregel handelt, die grundsätzlich eine Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Gesichtspunkte erfordert (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 2 Besonders schwerer Fall 1) und insbesondere auch deshalb ausscheiden kann, weil die Voraussetzungen eines vertypten Strafmilderungsgrunds (hier etwa §§ 21, 27 StGB) vorliegen (BGH wistra 2003, 297). Bei den wegen Beihilfe zum Betrug verurteilten Angeklagten hat das Landgericht auch nicht bedacht, dass die Teilnahmehandlung als solche als besonders schwerer Fall zu werten sein muss (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 105 m.w.N.) und das täterbezogene Merkmal der Gewerbsmäßigkeit nur demjenigen Tatbeteiligten angelastet werden kann, der dieses Merkmal selbst aufweist (vgl. Eser in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 243 Rdn. 47 m.w.N.). Der Senat kann jedoch ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass sich diese Fehler bei der Strafzumessung ausgewirkt haben.
54
(1) Bei A. S. war ein Absehen von der Regelwirkung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erste Alt. StGB nach den Gesamtumständen der mit hoher krimineller Energie ins Werk gesetzten Betrügereien, bei denen es jeweils um ganz erhebliche Summen ging, auch unter Berücksichtigung von § 21 StGB offensichtlich nicht veranlasst. Dem Senat erscheint es im Übrigen angesichts des jahrelangen professionellen Agierens von A. S. auf dem Sportwettenmarkt, seines kompliziert angelegten Wett- und Manipulationssystems und des damit verbundenen erheblichen organisatorischen Aufwands ohnehin eher fernliegend, dass bei diesem Angeklagten die Steuerungsfähigkeit bei der Begehung sämtlicher Taten wegen „Spielsucht“ erheblich eingeschränkt gewesen sein soll (vgl. zu den Anforderungen BGHSt 49, 365, 369 f. m.w.N.). Die vom Landgericht angenommene Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB beschwert den Angeklagten jedoch nicht. In den Fällen 2, 6, 7 und 11 liegen zudem zusätzlich – auch bei den Teilnehmern, die angesichts der Kenntnis von den Gesamtumständen und angesichts der Höhe der gezahlten Bestechungsgelder insoweit zumindest mit bedingtem Vorsatz handelten – die Voraussetzungen eines besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 erste Alt. StGB vor.
55
(2) Bei den Angeklagten H. und M. hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass auch diese Angeklagten selbst gewerbsmäßig gehandelt haben. Sie wollten sich durch die Zusammenarbeit mit A. S. eine auf Dauer angelegte Einnahmequelle von einigem Umfang erschließen. Bei diesen Angeklagten liegt aufgrund der besonders pflichtwidrigen Ausnutzung ihrer Stellung als unparteiische Schiedsrichter im Übrigen auch die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB auf der Hand.
56
(3) Eigenes gewerbsmäßiges Handeln hat das Landgericht auch für M. S. festgestellt. Es kann dahinstehen, ob diese Wertung tatsächlich ausreichend belegt ist. Der Senat kann angesichts der Vielzahl erschwerender Gesichtspunkte jedenfalls ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei den Angeklagten M. und F. S. bei bloßer Anwendung von § 263 Abs. 1 StGB auf noch niedrigere Einzel- und Gesamtstrafen erkannt hätte. Das Landgericht hat sich bei der Bemessung der ohnehin maßvollen Strafen ersichtlich nicht am oberen Ende des – abgesehen von Fall 10 für M. S. – gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB verschobenen Strafrahmens des § 263 Abs. 3 StGB orientiert.
57
(4) Die verhängten Einzelstrafen und die verhängte Gesamtstrafe sind darüber hinaus auch aus folgenden Gründen angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO: Es geht bei den durch die Angeklagten unterstützen Betrügereien von A. S. ganz überwiegend um erhebliche Summen und insgesamt um Beträge von mehreren Millionen Euro. Die Spielmanipulationen haben nicht nur die jeweiligen Wettanbieter geschädigt, sondern – wie die Angeklagten wussten – einer Vielzahl Unbeteiligter ganz erhebliche Schäden zugefügt: Die jeweiligen Fußballmannschaften und alle zahlenden Zuschauer wurden um ein faires Spiel gebracht. Die infolge von Manipulationen unterlegenen Mannschaften und ihre Trainer mussten erhebliche wirtschaftliche Schäden gewärtigen, die sich etwa im Fall des Ausscheidens des Hamburger SV aus dem DFB-Pokal auch durch die Entlas- sung des damaligen Trainers realisiert haben. Die massive Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern zum Zweck der Spielmanipulation hat zudem dem gesamten professionellen Fußballsport einen ganz erheblichen Rufschaden zugefügt, indem das Vertrauen von Millionen sportbegeisterter Zuschauer in die Fairness des Fußballsports und in die Unparteilichkeit der Schiedsrichter massiv enttäuscht wurde. Im Übrigen sind auch viele redliche Wettkunden, die auf ein anderes Ergebnis gesetzt hatten, im Falle gelungener Spielmanipulationen um ihre Gewinnchancen gebracht worden. Diese offenkundigen erschwerenden Gesichtspunkte hat das Landgericht im Rahmen seiner Strafzumessung nicht einmal umfassend ausdrücklich bedacht.
58
(5) Bei F. S. ist die Gesamtstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe auch deshalb angemessen, weil das Landgericht zugunsten dieses Angeklagten einen nicht gerechtfertigten Härteausgleich vorgenommen hat. Die Strafkammer hat sich hierfür auf eine am 25. Oktober 2004 erfolgte Verurteilung zu einer bereits vollstreckten Geldstrafe bezogen und mit Rücksicht auf die fehlende Gesamtstrafenfähigkeit einen Härteausgleich in Höhe von einem Monat Freiheitsstrafe gewährt. Unbeachtet blieb dabei, dass zu diesem Zeitpunkt die Tat Nr. 10 der Urteilsgründe noch nicht begangen worden war. Wegen der Erledigung der Geldstrafe entfiel mithin lediglich die Zäsurwirkung der Verurteilung vom 25. Oktober 2005. Daher hat sich der Angeklagte durch die Erledigung der Geldstrafe die Verhängung zweier – notwendig in der Summe gegenüber der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe höherer – Freiheitsstrafen erspart, mithin keinen Nachteil, sondern einen Vorteil erlangt. Deshalb war kein Härteausgleich gerechtfertigt (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 4).
59
3. Der Senat weist abschließend darauf hin, dass die missverständliche Entscheidung des Landgerichts im Adhäsionsverfahren nicht bedeutet, dass die Adhäsionskläger ihr Ziel nicht anderweitig weiter verfolgen könnten (§ 406 Abs. 3 Satz 3 StPO). Daher wäre lediglich ein Absehen von einer Ent- scheidung, nicht etwa, wie zu weitgehend erfolgt, eine Antragsabweisung zu tenorieren gewesen (vgl. BGHR StPO § 406 Teilentscheidung 1).
Basdorf Häger Gerhardt Raum Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 616/10
vom
14. April 2011
Nachschlagewerk: ja
BGHR: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
Zur Schadensfeststellung bei betrügerischer Kapitalerhöhung.
BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 616/10 - LG Köln
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 14. April 2011 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 9. Juni 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 78 rechtlich zusammenfallenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

2
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts entwickelte der Angeklagte Ende der 1990er Jahre die Idee, durch den "Verkauf von Aktien" Geld für einen von ihm geplanten Windkraftpark zu gewinnen. Zu diesem Zweck erwarb er im Jahre 2001 die nicht börsennotierte, vermögenslose L. AG als Alleinak- tionär und wurde deren alleiniger Vorstand. Den Aufsichtsrat der L. AG berief er ab und ersetzte ihn durch ihm nahe stehende Personen. Auf Anraten eines Rechtsanwalts verschaffte sich der auf dem Gebiet des Aktiengeschäfts völlig unerfahrene Angeklagte in der Folgezeit Geld von Anlegern, indem er mehrfach das Grundkapital der L. AG gegen Bareinlage im Wege der Ausgabe von Vorzugsaktien, teils auch Inhaberaktien, erhöhte bzw. zu erhöhen vorgab.
3
Die Aktien ließ er in der Zeit vom 28. Januar 2002 bis 3. Januar 2005 zu jeweils unterschiedlichen Preisen durch Telefonverkäufer an Privatanleger vertreiben. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Zeichnung von Aktien durch 17 Anleger, denen in 78 Fällen Aktien veräußert wurden. Hierbei vereinnahmte die L. AG 8,258 Mio. €. Während des Tatzeitraums und danach entnahm der Angeklagte in seiner Funktion als Vorstand der L. AGhiervon 7,74 Mio. €. Damit finanzierte er seinen eigenen Lebensunterhalt als Ausgleich für seine Vorstandstätigkeit und zahlte an die Telefonverkäufer Provisionen in Höhe von 12 % der jeweiligen Anlagesumme. Die meisten Anleger erhielten vor allem zu Beginn Dividendenzahlungen in zwei- bis fünfstelliger Höhe.
4
b) Den Kapitalerhöhungen lagen nur am Anfang entsprechende Beschlüsse der Hauptversammlung zugrunde (Kapitalerhöhungsbeschlüsse vom 7. November 2001, 8. März 2002 und 22. November 2002). Für zwei weitere Kapitalerhöhungen in den Jahren 2003 und 2004 fehlten die notwendigen Kapitalerhöhungsbeschlüsse. Lediglich die Durchführung der ersten Kapitalerhöhung vom 7. November 2001 wurde am 24. September 2002 mit einem Betrag von 1,547 Mio. € in das Handelsregister eingetragen. Die handelsrechtliche Eintragung weiterer Kapitalerhöhungen unterblieb, da - was hierfür erforderlich gewesen wäre - die an die L. AG geleisteten Einlagezahlungen der Anleger dem Handelsregister aufgrund der Entnahmen des Angeklagten nicht nachgewiesen werden konnten.
5
c) Der Angeklagte ließ in seiner Funktion als Vorstand einen umfangreichen Emissionsprospekt anfertigen, in dem er nicht nur die L. AG als junges, im Aufbau befindliches Immobilienunternehmen darstellte, sondern auch auf die Möglichkeit des Totalverlustes des eingesetzten Kapitals hinwies. Mit dem Emissionsprospekt bzw. einem entsprechenden Kurzexposé warb der Angeklagte über die Telefonverkäufer für den Kauf von Vorzugsaktien der L. AG, deren Börsengang er für die Jahre 2004/05 in Aussicht stellte. Den Emissionsprospekt passte der Angeklagte bei den jeweiligen Kapitalerhöhungen inhaltlich an.
6
Ein operatives Geschäft entfaltete der Angeklagte zunächst nicht. Aufgrund gegen ihn gerichteter polizeilicher Ermittlungen im Mai 2002 erkannte er jedoch die Notwendigkeit, gewisse Bemühungen hinsichtlich des prospektierten Börsengangs und des Immobilienerwerbs gegenüber den Anlegern darstellen zu können. Pläne des Angeklagten, den "Börsenmantel" der K. AG, die nach einem abgeschlossenen Insolvenzverfahren von allen Verbindlichkeiten bereinigt war, zu übernehmen, scheiterten. Ende Dezember 2002 kam es zum einzigen Immobilienerwerb der L. AG im Tatzeitraum, als diese 90 % der Anteile der Fa. A. T. GmbH, die Eigentümerin dreier M. -Hotels war, übernahm. Den ratenweise zu zahlenden Kaufpreis von 3,1 Mio. € erbrachte die L. AG nur unvollständig, so dass die C. R. E. AG (ehemals K. AG) im Oktober 2004 die von der L. AG gehaltenen Anteile an der A. T. GmbH erwarb.
7
d) Nach Ablauf der Eintragungsfrist für die zweite Kapitalerhöhung vom 8. März 2002 war die L. AG am 31. März 2003 außerstande, den erforderlichen Bareinlagebetrag nachzuweisen. Infolge dessen entfiel die Wirkung der Zeichnungserklärungen der Anleger, denen deshalb Rückzahlungsansprüche gegen die L. AG in Höhe der von ihnen geleisteten Zahlungen zustanden.
Hierdurch wurde die L. AG zahlungsunfähig. Um eine Insolvenz der Gesellschaft zu verhindern, ließ der Angeklagte gleichwohl den Vertrieb von Vorzugsaktien fortsetzen. In den Zeichnungsscheinen der Anleger ließ er mit fiktiven Daten zwei weitere Kapitalerhöhungsbeschlüsse ausweisen, die tatsächlich nie gefasst worden waren.
8
e) In der Folge unterbreitete die Mehrheitseignerin der C. R. E. AG der L. AG ein bedingtes Übernahmeangebot, das letztlich nicht zustande kam. Gleichwohl ließ der Angeklagte weiterhin Anleger mit einer unmittelbar bevorstehenden Übernahme durch die C. R. E. AG werben. Erst am 3. Januar 2005 stellte er schließlich den telefonischen Aktienverkauf ein.
9
f) Am 2. Juni 2005 kam es zu einer Informationsveranstaltung, bei der den Anlegern ein Tausch von L. -Aktien in Aktien einer Tochtergesellschaft der C. R. E. AG in Aussicht gestellt wurde. Tatsächlich wurde ihnen Mitte des Jahres 2006 gegen Rückgabe von L. -Vorzugsaktien im Verhältnis 3:2 Vorzugsaktien der amerikanischen Gesellschaft D.S. I. (DSI) angeboten. Im Gegenzug sollten mit der Übertragung der Aktien sämtliche Ansprüche gegen die L. AG abgegolten sein. Nähere Feststellungen zum wirtschaftlichen Hintergrund dieses Tauschangebots hat das Landgericht nicht getroffen. Nahezu alle Anleger, die sich verpflichten mussten, die Aktien der DSI mindestens 12 Monate zu halten, nahmen das Angebot an. Zum Übertragungszeitpunkt betrug der Kurswert der DSI-Aktie 8,50 €, nach Ablauf der Haltefrist 2,50 €. Zwei Anleger erhielten im Vergleichsweg einen erheblichen Anteil der geleisteten Anlagesummen zurück.
10
2. Das Landgericht hat - ohne dies näher zu erläutern - Betrug in 78 rechtlich zusammentreffenden Fällen angenommen. Hierbei hat es dem Ange- klagten die von den Telefonverkäufern vorgenommenen Täuschungshandlungen mittäterschaftlich (§ 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet. Hinsichtlich des Vermögensschadens hat das Landgericht - auch ohne weitere Darlegung - zu Beginn des Tatzeitraums einen nicht näher bezifferten Vermögensgefährdungsschaden , nach dem Scheitern des Ankaufs der A. T. -Anteile und Einzahlungen der Anleger auf tatsächlich nicht gefasste Kapitalerhöhungsbeschlüsse einen tatsächlichen Vermögensschaden angenommen.

II.

11
Die Verurteilung wegen Betrugs hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Es fehlt an der hinreichenden Feststellung eines Vermögensschadens.
12
1. a) Ein Schaden i.S.v. § 263 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts des Vermögens des Verfügenden führt (Prinzip der Gesamtsaldierung, BGHSt 53, 199, 201 mwN). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung (BGHSt 30, 388 f.; BGH wistra 1993, 265; wistra 1995, 222; NStZ 1999, 353, 354; BGHSt 53, 199, 201). Bei der - hier vorliegenden - Konstellation eines Betruges durch Abschluss eines Vertrages ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen (Eingehungsschaden). Zu vergleichen sind die wirtschaftlichen Werte der beiderseitigen Vertragspflichten (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 10). Ein Schaden liegt demnach vor, wenn die von dem Getäuschten eingegangene Verpflichtung wertmäßig höher ist als die ihm dafür gewährte Gegenleistung unter Berücksichtigung aller mit ihr verbundenen, zur Zeit der Vermögensverfügung gegebenen Gewinnmöglichkeiten (BGHSt 30, 388, 390). Zu be- rücksichtigen ist beim Eingehen von Risikogeschäften dabei auch eine täuschungs - und irrtumsbedingte Verlustgefahr, die über die vertraglich zugrunde gelegte hinausgeht. Ein darin liegender Minderwert des im Synallagma Erlangten ist unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bewerten (vgl. BGHSt 53, 198, 202 f.; zur Frage der Entbehrlichkeit des Begriffs des Gefährdungsschadens vgl. Fischer StGB 58. Aufl. § 263 Rn. 157 f.). Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss des 2. Senats - 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3220) ist dieser Minderwert konkret festzustellen und ggf. unter Beauftragung eines Sachverständigen zur wirtschaftlichen Schadensfeststellung zu beziffern. Sofern genaue Feststellungen zur Einschätzung dieses Risikos nicht möglich sind, sind Mindestfeststellungen zu treffen , um den dadurch bedingten Minderwert und den insofern eingetretenen wirtschaftlichen Schaden unter Beachtung des Zweifelsatzes zu schätzen. Dieser zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche bestimmte Schaden materialisiert sich mit der Erbringung der versprochenen Leistung des Tatopfers (Erfüllungsschaden) und bemisst sich nach deren vollen wirtschaftlichen Wert, wenn die Gegenleistung völlig ausbleibt bzw. nach der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und demjenigen der Gegenleistung, soweit eine solche vom Täter erbracht wird (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - 3 StR 434/10).
13
b) Gemessen daran ist nach den landgerichtlichen Feststellungen ein Vermögensschaden für Zeichnungen bis März 2003 (anders ab April 2003; s. unten II.1.d) nicht hinreichend nachgewiesen. Für die Beurteilung, ob und in welcher Höhe bei Abschluss der Zeichnungsverträge ein Schaden eingetreten ist, ist der Wert der erworbenen Vorzugsaktien der L. AG - zum jeweiligen Zeichnungszeitpunkt - maßgebend und dem jeweils zu zahlenden Kaufpreis gegenüberzustellen. Entsprach der Aktienwert dem Gegenwert des Kaufprei- ses, liegt kein Schaden vor. Ob und ggf. in welcher Höhe die gezeichneten Aktien zum Zeitpunkt der jeweiligen Zeichnung tatsächlich einen wirtschaftlichen Wert hatten, lässt sich den Feststellungen jedoch nicht entnehmen. Der Senat vermag daher nicht festzustellen, ob das Landgericht zutreffend von einem Schaden ausgegangen ist.
14
Ein Schaden in Höhe der jeweiligen Anlagesumme - wovon das Landgericht trotz Annahme eines Vermögensgefährdungsschadens offenbar ausgeht - besteht nur dann, wenn die Aktie zum jeweiligen Zeichnungszeitpunkt wertlos war. Zu Beginn des Tatzeitraums (Januar 2002) könnte dies der Fall gewesen sein, da die L. AG zunächst kein operatives Geschäft betrieb und die Dividendenzahlungen in erster Linie als Anreiz für den Erwerb weiterer Aktienpakete dienten. Ob zu dieser Zeit unter Berücksichtigung der Angaben im Emissionsprospekt ein Ertragswert des Unternehmens und damit eine sich daraus ergebende Werthaltigkeit der Aktie festgestellt werden kann, erscheint deshalb zweifelhaft. Soweit aufgrund der dauernden Einzahlung von Anlagegeldern, die dem Handelsregister bei der Eintragung auch noch in Höhe von 1,547 Mio. € im Jahr 2002 nachgewiesen werden konnten, Barvermögen der Gesellschaft vorhanden war, könnte dies freilich gegen die vollständige Wertlosigkeit der gezeichneten Aktien sprechen. Zu bedenken ist allerdings auch, dass die durch Täuschung veranlasste Zeichnung von Aktien zur Anfangszeit mit den Fällen sog. Schneeball-Systeme vergleichbar sein könnte, bei denen Neu-Anlagen zumindest auch verwendet werden, um früheren Anlegern angebliche Gewinne oder Zinsen auszuzahlen. Hier nimmt die Rechtsprechung ohne weitere Differenzierung auch für die Erstanleger einen Schaden in Höhe des gesamten eingezahlten Kapitals an, da ihre Chance sich allein auf die Begehung weiterer Straftaten stütze und ihre Gewinnerwartung daher von vornherein wertlos sei (vgl. BGHSt 53, 199, 204 f.; kritisch hierzu Fischer StGB 58. Aufl. § 263 Rn. 130).
15
Der Senat braucht dies hier nicht zu entscheiden. Denn jedenfalls ab Mai 2002 ist die Annahme einer vollständigen Wertlosigkeit der Anlage zumindest zweifelhaft. Zu diesem Zeitpunkt begann die L. AG - orientiert an den Planvorgaben des Emissionsprospekts - mit der Aufnahme eines Geschäftsbetriebs , in dessen Folge es im Dezember 2002 zum Erwerb der Anteile an der A. T. GmbH kam. Daneben zahlte die L. AG im August 2002 125.000 € an Do. I. , im September 2002 1,3 Mio. € an F. C. zum Zwecke der (letztlich allerdings gescheiterten) Übernahme des "Börsenmantels" der K. AG und erwarb im November 2002 Aktien der K. AG im Wert von 185.000 €. Hinzu kommt, dass die L. AG für die (vorübergehende ) Übernahme der A. T. -Anteile jedenfalls größere Teile des ratenweise zu zahlenden Kaufpreises aufgebracht hat. Schließlich weisen die spätere Veräußerung der A. T. -GmbH-Anteile und die wirtschaftlich nicht näher nachzuvollziehende Übernahme von werthaltigen DSI-Aktien mit dem darauf erfolgten Tausch von L. -Vorzugsaktien in DSI-Aktien darauf hin, dass die L. AG offenbar nicht ohne Wert war. Dies legt - auch wenn es sich dabei um nach der Zeichnung der Aktien liegende Umstände handelt - nahe, dass jedenfalls ein vollständiger Wertverlust der L. -Aktie ab Mai 2002 nicht gegeben war.
16
Das Landgericht hätte daher den Wert der Aktie (als Anteil an einem zu bestimmenden Unternehmenswert) zum jeweiligen Zeichnungszeitpunkt ermitteln müssen, um unter Gegenüberstellung zu den jeweiligen Erwerbspreisen die erforderliche Saldierung vornehmen und die Schadenshöhe in jedem Einzelfall konkret beziffern zu können. Es hätte dabei auch das - täuschungs- und irrtumsbedingt überhöhte - Risiko des Aktienerwerbs und den dadurch verursachten Minderwert bewertend berücksichtigen müssen. Die Bewertung von Unternehmen bzw. Aktien erfordert zwar komplexe wirtschaftliche Analysen (vgl. hierzu etwa Großfeld Recht der Unternehmensbewertung 6. Aufl.
Rn. 202 ff.; Peemöller Praxishandbuch der Unternehmensbewertung 3. Aufl. Rn. 201 ff.), insbesondere dann, wenn das Unternehmen - wie vorliegend der Fall - nicht börsennotiert ist und es sich um ein junges Unternehmen handelt (hierzu näher Peemöller aaO Rn. 601 ff.). Dies beruht insbesondere darauf, dass der Ertragswert eines Unternehmens auch in die Zukunft reichende Entwicklungen , unter Berücksichtigung von Prospektangaben, erfasst (vgl. näher Großfeld aaO Rn. 982 ff.). Die Einschätzung von Risiken bei der Bewertung im Wirtschaftsleben ist jedoch kaufmännischer Alltag (vgl. im Zusammenhang mit der Bewertung von Forderungen BVerfG NJW 2010, 3209, 3219 f.; zu Anlagen auch BGHSt 53, 199, 203, jeweils mit weiteren Nachweisen). Das Landgericht hätte sich deshalb sachverständiger Hilfe bedienen können, um unter Beachtung der gängigen betriebswirtschaftlichen Bewertungskriterien den Aktienwert in jedem der Einzelfälle feststellen zu können.
17
c) Die Feststellungen tragen für die Zeit bis März 2003 auch hinsichtlich der Zahlung der Anlagegelder nicht die Annahme eines Vermögensschadens. Zwar ist es ab der 2. Kapitalerhöhung vom 8. März 2002, für die die Eintragungsfrist am 31. März 2003 ablief, nicht mehr zu einer Eintragung in das Handelsregister gekommen, so dass die Anleger keine Aktien erwarben. Erfolgt die Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister nicht bis zum Ende der Eintragungsfrist, entfällt entsprechend § 158 Abs. 2 BGB die Wirkung der Zeichnung (BGH NJW 1999, 1252, 1253; Hüffer AktG 9. Aufl. § 185 Rn. 14; Peifer in MüKo AktG 2. Aufl. § 185 Rn. 25) mit der Folge, dass die Anleger keine Aktionärstellung erlangen und bereits gezahlte Anlagegelder zurückzugewähren sind. Hätte der Angeklagte bereits bei der jeweiligen Zeichnung der Aktien durch die Anleger die Vorstellung gehabt, dass es mangels fehlenden Nachweises gegenüber dem Registergericht nicht zur Eintragung in das Handelsregister kommen könnte, wäre mit der täuschungsbedingten Zahlung der Anlagegelder angesichts eines in Kauf genommenen Entfallens der Gegenleis- tung ein Schaden anzunehmen. Dahingehende Feststellungen lassen sich dem Urteil des Landgerichts jedoch nicht entnehmen.
18
d) Dagegen dürfte die Annahme eines Schadens für die ab April 2003 gezeichneten Anlagen, bei denen der Angeklagte Kapitalerhöhungen vortäuschte , denen kein entsprechender Beschluss der Hauptversammlung zugrunde lag, im Ergebnis nicht zu beanstanden sein. Es kann dahinstehen, ob die Zeichnungserklärungen der Anleger und die Annahme durch die L. AG vor diesem Hintergrund überhaupt zu wirksamen wechselseitigen Verpflichtungen geführt haben (vgl. hierzu Hüffer AktG 9. Aufl. § 185 Rn. 27; Lutter in Kölner Kommentar AktG 2. Aufl. § 185 Rn. 36; Peifer in MüKo AktG 3. Aufl. § 185 Rn. 62), die im Rahmen der Schadensfeststellung zu saldieren wären. Da der Angeklagte in den Zeichnungsscheinen fiktive Kapitalerhöhungsbeschlüsse angegeben hat und damit erkennbar von Anfang an nicht die Absicht hatte, wirksame Kapitalerhöhungen durchzuführen, ist den Anlegern spätestens mit Erbringung der Zahlungen in dieser Höhe ein endgültiger Schaden entstanden. Sie hatten keine Aussicht, Aktionär zu werden, so dass ein Schaden in Höhe der jeweiligen Zeichnungssumme vorlag. Der den Anlegern zustehende Anspruch auf Rückerstattung bereits geleisteter Einlagen stellt insoweit keine unmittelbare Schadenskompensation, sondern lediglich einen möglichen Schadensausgleich dar, der die Annahme eines Schadens unberührt lässt.
19
Aufgrund der landgerichtlichen Annahme tateinheitlicher Verknüpfung sämtlicher Betrugstaten unterliegt das Urteil jedoch insgesamt der Aufhebung.
20
2. Der Senat weist darauf hin, dass die Verurteilung wegen einer Tat in 78 tateinheitlich zusammen treffenden Betrugsfällen rechtlichen Bedenken begegnet. Das Landgericht hat übersehen, dass für jeden Beteiligten von Straftaten selbständig zu ermitteln ist, ob Handlungseinheit oder -mehrheit gegeben ist. Maßgeblich ist dabei der Umfang seines Tatbeitrages oder seiner Tatbeiträge. Erfüllt ein Mittäter hinsichtlich aller oder einzelner Taten einer Deliktsserie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag , so sind ihm diese Taten - soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Allein die organisatorische Einbindung des Täters in ein betrügerisches Geschäftsunternehmen ist nicht geeignet, die Einzeldelikte der Tatserie rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (vgl. BGH NStZ 2010, 103). Erbringt der Täter dagegen im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeldelikte seiner Mittäter gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm diese gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die übrigen Beteiligten die einzelnen Delikte gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr., vgl. BGHSt 49, 177, 182 ff.).
21
Gemessen daran belegen die Feststellungen jedenfalls keine 78 Straftaten des Betrugs. Der Angeklagte hat nicht mit jeder einzelnen Anlagevermittlung durch die Telefonverkäufer, von der er im Zweifel keine Kenntnis hatte, eine selbständige Tat begangen, sondern mit jedem neuen Entschluss zur täuschenden Werbung von Anlegern, die er durch sein Verhalten gegenüber den Telefonverkäufern initiierte. Nach den bisherigen Feststellungen liegt es nahe, dass der Angeklagte jedenfalls mit jeder neuen Kapitalerhöhung, womöglich aber auch mit weiteren von ihm veranlassten, auf Irreführung ausgelegten Werbungsmaßnahmen, auch äußerlich einen neuen Entschluss fasste, durch Täuschungen mittels des - den einzelnen Kapitalerhöhungen jeweils angepassten - Emissionsprospekts Anleger neu zu werben. Die aufgrund der einzelnen Täuschungsentschlüsse durch die Vermittlung der Telefonverkäufer zustande gekommenen Anlagegeschäfte werden dabei zu einer Tat verbunden. Für eine Verknüpfung dieser selbständigen Taten zu lediglich einer einzigen Tat, etwa im Sinne eines "uneigentlichen Organisationsdelikts", ist kein Raum. Es handelt sich hinsichtlich des als Mittäter agierenden Angeklagten nicht um bloße Handlungen "zur Errichtung, zur Aufrechterhaltung und zum Ablauf eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebes", sondern um solche, die über die Einschaltung von Telefonverkäufern unmittelbar auf den betrügerischen Vertrieb von Aktien gerichtet waren.
22
3. Der neue Tatrichter wird bei der Bemessung der Strafe die erfolgten Schadenskompensationen genauer als bisher erfolgt zu berücksichtigen haben. Neben den gezahlten Dividenden fällt insbesondere der Umstand ins Gewicht, dass die Anleger für ihre L. -Aktien im Tausch Aktien der DSI erhalten haben, deren Wert jedenfalls zum Zeitpunkt des Tauschs (8,50 €/Aktie) im Verhältnis 3:2 regelmäßig über den Anlagebeträgen der Geschädigten lag.
Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 552/08
vom
14. August 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nicht: B. III., C. V.-VII.)
Veröffentlichung: ja
____________________________________
I. StPO § 100 c Abs. 4, 5, 6, § 100 d Abs. 5 Nr. 3
1. Die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich
voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben
wurden.
2. Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den sog. relativen Beweisverwertungsverboten
, nach denen nicht jeder Verstoß bei der Beweiserhebung
zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse
führt, gelten auch für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung
eingeführten Verwendungsregelungen bzw. Verwendungsbeschränkungen.
3. Zur Verwendbarkeit von Daten im Strafverfahren, die durch eine akustische
Wohnraumüberwachung auf der Grundlage einer polizeirechtlichen Ermächtigung
zur Gefahrenabwehr gewonnen worden sind, welche noch keine Regelung
zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung enthielt.
4. Der Begriff "verwertbare Daten" in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO bezieht sich auf
die gesetzlichen Beweisverwertungsverbote in § 100 c Abs. 5 und 6 StPO sowie
auf das Beweiserhebungsverbot aus § 100 c Abs. 4 StPO.
5. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche eines
nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, so richtet
sich die Verwertbarkeit dieser Gesprächsinhalte stets nach der Vorschrift des
§ 100 c Abs. 6 StPO. Für eine isolierte Anwendung des § 52 StPO ist daneben
kein Raum.
II. StGB §§ 129, 129 a, 129 b
1. Zur Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, wenn
sich der Täter ausschließlich im Inland aufgehalten hat.
2. Das Unterstützen einer Vereinigung umfasst regelmäßig auch Sachverhalte
, die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur
mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten wären.
Mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrags ist der Eingehungsbetrug
vollendet, wenn der Versicherungsnehmer darüber getäuscht hat, dass er
den Versicherungsfall fingieren will, um die Versicherungssumme geltend machen
zu lassen.
BGH, Urt. vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08 - OLG Düsseldorf
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
zu 2. und 3.: Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
28. Mai 2009 in der Sitzung am 14. August 2009, an denen teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten Y. A. ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten I. A. ,
Justizangestellte in der Verhandlung vom 28. Mai 2009,
Justizamtsinspektor bei der Verkündung am 14. August 2009
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Dezember 2007
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten wie folgt schuldig sind: aa) der Angeklagte K. der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen; bb) der Angeklagte Y. A. der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen; cc) der Angeklagte I. A. der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in fünf sowie mit versuchtem Betrug in achtzehn tateinheitlichen Fällen;
b) im Strafausspruch betreffend den Angeklagten Y. A. aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten Y. A. , an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten und die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils werden verworfen.
4. Die Angeklagten K. und I. A. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
A. Prozessgeschichte, Feststellungen und Wertungen des Oberlandesgerichts
2
Das Oberlandesgericht hat die Angeklagten K. und Y. A. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem "bandenmäßigen" Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu Freiheitsstrafen von sieben Jahren (K. ) bzw. sechs Jahren (Y. A. ) und den Angeklagten I. A. wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem bandenmäßigen Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die sowohl mehrere Verfahrensrügen erheben als auch mit Einzelbeanstandungen die Verletzung sachlichen Rechts geltend machen. Die beiden Angeklagten A. haben außerdem sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eingelegt.
3
Die Revision des Angeklagten Y. A. führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die übrigen Rechtsmittel bleiben im Wesentlichen ohne Erfolg.
4
Das Oberlandesgericht hat folgende Feststellungen getroffen und Bewertungen vorgenommen:
5
I. Die Organisation Al Qaida
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In den Jahren 1996/1997 entstand aus einem Bündnis zwischen Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri die Organisation Al Qaida, die zum Kampf einer "Islamischen Weltfront für den Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" aufrief und es mit dem Ziel, westliche, vor allem amerikanische Truppen aus der arabischen Halbinsel zu vertreiben, als individuelle Glaubenspflicht eines jeden Muslim bezeichnete, die Amerikaner und ihre Verbündeten an jedem möglichen Ort zu töten. Al Qaida war im Kern in Afghanistan angesiedelt. An der Spitze der hierarchisch aufgebauten Organisation standen Bin Laden, Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter der für Militär, Finanzen, religiöse Fragen und Medienarbeit zuständigen Abteilungen. "Jihadwillige" Islamisten, die mittels des von der Organisation verbreiteten Propagandamaterials angeworben worden waren, wurden in Ausbildungslagern in Afghanistan als Kämpfer geschult. Besonders geeignet erscheinenden Kandidaten wurde sodann in speziellen Vertiefungskursen Sonderwissen vermittelt. Wer an einer derartigen - privilegierten - Spezialausbildung in den Jahren vor 2001 teilgenommen hatte, war der Organisation Al Qaida in der Regel im Sinne einer "Mitgliedschaft" unmittelbar zuzuordnen. Nach Abschluss ihrer Ausbildung kehrten die Kämpfer in ihre Herkunftsländer zurück und bildeten dort operative Zellen. Von der Organisation, deren Zweck und Tätigkeit im Wesentlichen in der Tötung von "Feinden des Islams" bestand, wurden in der Folgezeit mehrere Anschläge ausgeführt, die eine erhebliche Zahl von Menschenleben forderten. Zu ihnen gehörten auch die Selbstmordattentate auf das World-Trade-Center und das Pentagon am 11. September 2001.
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Die dadurch ausgelösten militärischen Reaktionen beeinträchtigten in der Folgezeit die operative Handlungsfähigkeit der Organisation, führten aber nicht zu einer vollständigen Zerschlagung sämtlicher Strukturen von Al Qaida, sondern nur zu deren - dem Verfolgungsdruck vorübergehend angepassten - Modifizierung. Den in großer Zahl aus Afghanistan geflohenen Anhängern wurde durch Audio- und Videobotschaften verdeutlicht, dass die obersten Führungskräfte von Al Qaida dort weiterhin unverändert aktiv waren. Es gelang der Aufbau von regional tätigen Teilstrukturen in Form der "Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel" und einer Gruppe türkischer Islamisten. Außerdem konnte Al Qaida mehrere selbständige islamistische Organisationen ("Al Qaida im Zweistromland" sowie "Al Qaida im islamischen Maghreb") an sich binden. Durch den über Rundfunk und Fernsehen verbreiteten Führungsanspruch von Bin Laden und Al Zawahiri gelang es, auch ohne die Bildung eigenständiger Netzwerke neue Mitglieder der Organisation unter dem "Dach" der Al Qaida zu rekrutieren. An die Stelle des vor 2001 üblichen Gefolgschaftseids traten zur Begründung der Mitgliedschaft in der Organisation mehr und mehr einseitige Loyalitätserklärungen sowie an den Zielvorgaben von Al Qaida orientierte Handlungen.
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II. Die Tathandlungen der Angeklagten
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Der Angeklagte K. , der schon 2000 und Anfang 2001 in Trainingslagern der Al Qaida eine terroristische Ausbildung erhalten und seither den gewaltsamen Jihad gegen die "Ungläubigen" als seine außer jeder Diskussion stehende Individualpflicht betrachtet hatte, reiste nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Deutschland im Oktober 2001 erneut nach Afghanistan und nahm dort Ende 2001 / Anfang 2002 an Kampfhandlungen der Al QaidaVerbände teil. Dabei hatte er Kontakt zu Bin Laden und gliederte sich in die Hierarchie der Organisation ein. Im Frühjahr 2002 floh er vor den Amerikanern und deren Verbündeten. Er folgte der von Bin Laden an die im Besitz europäischer Pässe befindlichen "Kämpfer" erteilten Order, sich nach Möglichkeit in ihre Herkunftsländer zu begeben und weiterhin für Al Qaida zu arbeiten. Mitte Juli 2002 kehrte er nach Deutschland zurück und zog nach M. .
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In M. lernte der Angeklagte K. den Angeklagten Y. A. kennen. Dieser hatte sich schon seit längerem für den gewaltsamen Kampf der Muslime begeistert sowie seine Sympathie zu Al Qaida zum Ausdruck gebracht und war in M. in Kontakt zu weiteren gleichgesinnten Personen gekommen. Die Wohnung des Angeklagten K. in der P. straße wurde zum Treffpunkt dieses Freundeskreises. Der Angeklagte Y. A. besuchte den Angeklagten K. auch in der JVA , nachdem dieser im Januar 2004 in einem Verfahren wegen Betruges verhaftet und für vier Monate in Untersuchungshaft genommen worden war.
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Der Angeklagte K. , der sich nach wie vor der Al Qaida zugehörig und in der Rolle eines "Murabit" fühlte, der nur zeitweilig den Kampfschauplatz des Jihad hatte verlassen müssen, entfaltete in der Folgezeit umfangreiche Aktivitäten für die Organisation. Er befasste sich zu deren Gunsten in erster Linie mit Rekrutierungs- und Beschaffungsmaßnahmen und warb für die Unterstützung des gewaltsamen Jihad durch einen Märtyrereinsatz oder zumindest durch eine Spende an seine Organisation. Dabei gelang es ihm, den Angeklagten Y. A. zur Mitarbeit zu bewegen. Dieser entschloss sich vor dem Hintergrund seiner eigenen ideologischen Vorprägung, auf die Angebote des Angeklagten K. einzugehen und seine Tätigkeit in Deutschland fortan in den Dienst von Al Qaida zu stellen. Dementsprechend machte er die Planung und Durchführung einer Betrugsserie zum Nachteil von Lebensversicherungsgesellschaften zum "Mittelpunkt seines Lebens", deren erhebliche Beute zum einen Teil Al Qaida und zum anderen seiner Familie zugute kommen und zuletzt ihm ermöglichen sollte, dem Angeklagten K. zur Teilnahme am Jihad in den Irak zu folgen.
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Der Plan einer Betrugsserie sah vor, dass der Angeklagte Y. A. innerhalb eines auf zwei bis drei Monate angelegten Tatzeitraums zahlreiche Lebensversicherungsverträge abschließen, sodann nach Ägypten verreisen und von dort aus mittels Bestechung von Amtspersonen inhaltlich falsche Urkunden übersenden sollte, um gegenüber den Versicherungsunternehmen einen tödlichen Verkehrsunfall in Ägypten vortäuschen zu können. Der Angeklagte I. A. sollte sodann als Begünstigter mit Unterstützung des Angeklagten K. die Versicherungssummen geltend machen. In Verfolgung dieses zuerst zwischen den Angeklagten K. und Y. A. entwickelten Plans holte letzterer ab Mai 2004 bei Versicherungsunternehmen erste Erkundigungen über die möglichen Vertragsge- staltungen ein und begann am 10. August 2004 mit der Stellung von Versicherungsanträgen. Der Angeklagte K. stellte sicher, dass die ersten Prämien bezahlt werden konnten. Der Angeklagte I. A. , der am 21. September 2004 umfassend in den Tatplan eingeweiht worden war, nahm an zahlreichen Besprechungen des Vorhabens teil, ließ hierbei keine Zweifel an seiner uneingeschränkten Bereitschaft zur Mitwirkung bei der späteren Geltendmachung der Versicherungssummen und deren Verwendung aufkommen und unterstützte ferner die gemeinsame Tatplanung durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum Procedere der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art. Er nahm dabei billigend in Kauf, dass zumindest ein Teil der Beute über den Angeklagten K. der Al Qaida zufließen und auf diese Weise ihren organisatorischen Zusammenhang fördern sowie die Verfolgung ihrer terroristischen Aktivitäten erleichtern werde.
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Im Einzelnen stellte der Angeklagte Y. A. zwischen dem 10. August 2004 und dem 15. Januar 2005 bei verschiedenen Versicherungsunternehmen insgesamt 28 Anträge auf Abschluss von Lebensversicherungsverträgen. Entsprechend der Tatplanung kam es in neun Fällen zum Abschluss eines Versicherungsvertrages mit einer garantierten Todesfallsumme von 1.264.092 €. In 19 Fällen wurden die Anträge des Beschwerdeführers - teilweise aufgrund der zwischenzeitlichen Warnhinweise der Polizei an die Versicherungsunternehmen, zuletzt auch wegen der Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 - abgelehnt bzw. nicht mehr weiter bearbeitet.
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III. Beweisgrundlage und rechtliche Würdigung des Oberlandesgerichts
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Das Oberlandesgericht hat seine Überzeugung im Wesentlichen auf Erkenntnisse gestützt, die durch Wohnraumüberwachungsmaßnahmen in der von den Angeklagten K. und Y. A. bewohnten Wohnung in M. gewonnen worden waren.
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Nach der rechtlichen Würdigung des Oberlandesgerichts war Al Qaida trotz der strukturellen Veränderungen aufgrund der Verfolgung seit Ende des Jahres 2001 auch im Tatzeitraum eine ausländische terroristische Vereinigung. In dieser haben sich die Angeklagten K. und Y. A. als Mitglieder betätigt, während der Angeklagte I. A. nach Auffassung des Oberlandesgerichts die Vereinigung unterstützt hat. Die Taten der Angeklagten zum Nachteil der Versicherungen stellen sich nach Ansicht des Oberlandesgerichts in allen Fällen, also auch soweit es zu Vertragsabschlüssen gekommen ist, als täterschaftlich und bandenmäßig begangener versuchter Betrug dar.
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B. Die Verfahrensrügen
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I. Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung
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Die Beschwerdeführer rügen unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten die Verwertung der aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Den Verfahrensbeanstandungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Das Polizeipräsidium M. beantragte am 22. Juni 2004 beim Amtsgericht M. gemäß § 29 Abs. 1 des Rheinland-Pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (im Folgenden: POG RhPf) die richterliche Anordnung der Wohnraumüberwachung mit technischen Mitteln für die Wohnung des Angeklagten K. . Begründet wurde der Antrag u. a. mit der dringenden Gefahr, dass der sich dort regelmäßig treffende Personenkreis die Begehung von terroristischen Anschlägen plane. Nachdem der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht den Antrag zunächst am 28. Juni 2004 abgelehnt hatte, weil bereits der Anfangsverdacht einer Straftat nach §§ 129 a, 129 b StGB gegen die Betroffenen bestehe, genehmigte das Landgericht M. auf die sofortige Beschwerde des Polizeipräsidiums mit Beschluss vom 14. Juli 2004 gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 POG RhPf aF die Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen. Es bejahte entsprechend dem Antrag des Polizeipräsidiums das Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, weil in der Wohnung Anschläge geplant werden könnten. Eine Befristung der Maßnahme enthielt der Beschluss nicht. Vor Ablauf der damaligen Höchstfrist von drei Monaten gemäß § 29 Abs. 4 Satz 2 POG RhPf aF beantragte das Polizeipräsidium am 8. Oktober 2004 die Verlängerung der Maßnahme. Neben einer Verstrickung des Angeklagten K. in die Netzwerke arabischer Mudjahedin habe die Überwachung die Bereitschaft der Angeklagten K. und Y. A. ergeben, den "Märtyrertod" zu sterben, woraus sich wegen zu befürchtender Anschlagsplanungen eine fortdauernde dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ergebe. Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts M. verlängerte am 12. Oktober 2004 aus den fortgeltenden Gründen des Anordnungsbeschlusses die Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten. Nach dem Beschluss war die Überwachung sofort abzubrechen, wenn sich der Angeklagte K. oder der Angeklagte Y. A. jeweils allein in der Wohnung aufhalte, wenn Gespräche offensichtlich für die Gefahrenabwehr irrelevant seien oder wenn der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung - auch kurzzeitig - betroffen sei.
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Am 12. Oktober 2004 leitete der Generalbundesanwalt gegen die Angeklagten K. und Y. A. das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ein. Am 11. November 2004 beantragte er beim Landgericht Ka. die Anordnung der Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e, Abs. 2 und Abs. 3 StPO aF. In dem Antrag wurden Erkenntnisse aus der zuvor auf polizeirechtlicher Grundlage durchgeführten Wohnraumüberwachung zur Begründung des Tatverdachts verwendet. Das Landgericht Ka. ordnete die Maßnahme mit Beschluss vom 24. November 2004 für die Dauer von vier Wochen an. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse ließen den Schluss zu, dass der Angeklagte K. im Auftrag der Al Qaida Mitglieder zur Begehung von Selbstmordattentaten rekrutiere und in dem Angeklagten Y. A. auch bereits einen zum "Märtyrertod" Bereiten gefunden habe, mit dem er an der Umsetzung des Plans arbeite. Beide stünden damit im Verdacht, sich an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglieder zu beteiligen. Ohne die Wohnraumüberwachung werde die Erforschung des Sachverhalts unverhältnismäßig erschwert, weil keine sonstigen Beweismittel ersichtlich seien, mit denen Erkenntnisse über Zielsetzung oder Aktivitäten der Angeklagten gewonnen werden könnten. Eine weitere Aufklärung sei auch erforderlich, weil die bisherigen Erkenntnisse noch keinen hinreichenden Tatverdacht bezüglich der Mitgliedschaft der Angeklagten in der Al Qaida und ihre konkrete Art der Beteiligung ergeben hätten. Eine Ausforschung des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten, weil die in der abgehörten Wohnung zusammentreffenden Personen nicht miteinander verwandt seien und nicht in einer Beziehung höchstpersönlichen Vertrauens zueinander stünden. Soweit die Brüder des Angeklagten Y. A. in der Wohnung anwesend seien, müssten die Ermittlungsbehörden dafür Sorge tragen, dass die Überwachung sofort abgebrochen werde, sobald der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung berührt werde. Auf entsprechende Anträge des Generalbundesanwalts, mit denen weitere Erkenntnisse zu dem geplanten Versicherungsbetrug, aber auch zu einem möglichen Handel mit Uran mitgeteilt wurden, verlängerte das Landgericht Ka. mit Beschlüssen vom 22. Dezember 2004 und vom 19. Januar 2005 die Maßnahme um jeweils vier Wochen.
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Obwohl die Wohnraumüberwachung bereits mit Beschluss vom 14. Juli 2004 genehmigt worden war, begann die Ausführung der Maßnahme erst am 24. August 2004. Am 30. August 2004 erließ das Polizeipräsidium Handlungsgrundsätze für die Durchführung der Wohnraumüberwachung, die allen beteiligten Beamten bekannt gemacht wurden. Mit diesen Handlungsanweisungen sollten die Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (BVerfGE 109, 279) zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung umgesetzt werden. Insbesondere wurde nicht eine automatische, sondern eine manuelle Gesprächsaufzeichnung angeordnet. Dafür wurden Polizeibeamte und Dolmetscher im Schichtbetrieb eingesetzt, die nur dann Gespräche aufzeichneten, wenn aufgrund einer Einschätzung der aktuellen Situation in der Wohnung relevante Erkenntnisse zu erwarten waren. Die Handlungsanweisungen wurden entsprechend den Beschlüssen des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 und des Landgerichts Ka. vom 24. November 2004 fortgeschrieben und berücksichtigten die dort aufgestellten Vorgaben. Die Wohnraumüberwachung wurde mit der vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 beendet; sie dauerte mithin ca. fünf Monate. In dieser Zeit (insgesamt über 3.620 Stunden) wurden 703 Aufzeichnungen mit einer Gesamtlänge von etwas über 304 Stunden erstellt, was bezogen auf die Gesamtdauer der Maßnahme einem Anteil von 8,4 % entspricht. Von den 703 aufgezeichneten Gesprächen wurden 313 übersetzt, 144 der Anklageschrift zu Grunde gelegt, 142 in die Hauptverhandlung eingeführt und Passagen aus 86 Gesprächsaufzeichnungen im angefochtenen Urteil verwertet. Alle Angeklagten haben in der Hauptverhandlung der Verwertung der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung widersprochen.
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Die Rüge hat keinen Erfolg.
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1. Ob das Oberlandesgericht die im Rahmen der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung gewonnenen Informationen in die Hauptverhandlung einführen und bei seiner Beweiswürdigung verwerten durfte, bestimmt sich zunächst nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl I 3198 ff.). Zwar ist diese Vorschrift erst am 1. Januar 2008 und damit nach Erlass des angefochtenen Urteils in Kraft getreten. Jedoch ist bei der Änderung strafprozessualer Bestimmungen für das weitere Verfahren grundsätzlich auf die neue Rechtslage abzustellen (BGH NJW 2009, 791, 792 m. w. N.; Knierim StV 2009, 206, 207). Dies gilt auch bei einer Änderung des Rechtszustands zwischen dem tatrichterlichen Urteil und der Revisionsentscheidung (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 354 a Rdn. 4; Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 a Rdn. 5). Nach dem somit maßgeblichen § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO - der im Übrigen dem im Zeitpunkt der Verkündung des oberlandesgerichtlichen Urteils geltenden § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF entspricht - können aus einer polizeilichen akustischen Wohnraumüberwachung erlangte, verwertbare personenbezogene Daten im Strafverfahren ohne Einwilligung der über- wachten Personen unter anderem zur Aufklärung einer Straftat verwendet werden , auf Grund derer die Maßnahme nach § 100 c StPO angeordnet werden könnte. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt:
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a) Die auf der Grundlage der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse sind zum Nachweis von Straftaten herangezogen worden, zu deren Aufklärung die Wohnraumüberwachung auch nach § 100 c StPO angeordnet werden könnte (Gedanke des hypothetischen Ersatzeingriffs, vgl. dazu BTDrucks. 16/5846 S. 64; Wolter in SK-StPO § 100 d Rdn. 33). Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Verdacht, dass entsprechende Taten begangen worden sind, bereits im Zeitpunkt der Anordnung bzw. Durchführung der polizeirechtlichen Maßnahme bestanden hatte, denn es handelt sich bei § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO um eine Verwendungsregelung für Erkenntnisse, die zur Gefahrenabwehr , nicht dagegen zur Strafverfolgung erhoben worden waren. Daher ist allein maßgeblich, ob die Daten nunmehr im Strafverfahren zur Klärung des Verdachts einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO verwendet werden sollen.
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Hier sind die Protokolle der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung zum Nachweis der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB) verwertet worden, mithin von Katalogtaten im Sinne des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO.
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Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer durften sie aber auch zur Beweisführung hinsichtlich der ihnen angelasteten Betrugstaten herangezogen werden. Zwar sind diese nicht im Katalog des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO enthalten. Wie jedoch auch die Revisionen letztlich nicht in Abrede nehmen, liegt zwischen den Betrugshandlungen, die sich als Betätigungsakte der durch § 100 c Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO als Katalogtat erfassten Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung darstellen , Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB vor. In einer solchen Konstellation entspricht es bei Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsmaßnahmen auch zum Nachweis der mit der Katalogtat in Zusammenhang stehenden Nichtkatalogtat verwertet werden dürfen (BGHSt 28, 122, 127 f.; 30, 317, 320; BGH StV 1998, 247, 248). Diese Grundsätze sind im Schrifttum gebilligt und für die Verwertung von Erkenntnissen aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme übernommen worden (Nack in KK § 100 d Rdn. 33; Wolter aaO § 100 d Rdn. 74; jeweils m. w. N.). Es besteht insoweit kein Anlass, aufgrund der unterschiedlichen betroffenen Grundrechte die Fälle der Wohnraumüberwachung anders als diejenigen der Telekommunikationsüberwachung zu behandeln. Den entsprechenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts tritt der Senat bei.
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Die den Angeklagten angelasteten Taten nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB wogen auch im konkreten Fall besonders schwer (§ 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO). Zum einen handelt es sich bei der öffentlichen Sicherheit und staatlichen Ordnung (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 129 Rdn. 2 m. w. N.) um hochrangige Rechtsgüter; diese werden von § 129 a StGB geschützt. Zum anderen kam das arbeitsteilige, äußerst konspirative Zusammenwirken mehrerer Täter zur Umsetzung eines komplexen Tatplans hinzu , wodurch zugleich noch weitere Rechtsgüter - das Vermögen der Versicherungsunternehmen - verletzt wurden (zu diesen Anforderungen vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 12).
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Die Aufklärung der den Angeklagten angelasteten Taten wäre ohne die Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung unverhältnismäßig erschwert oder unmöglich gemacht worden (§ 100 c Abs. 1 Nr. 4 StPO). Es ist insoweit wiederum nicht auf den Zeitpunkt der Erlangung der Erkenntnisse abzustellen, denn die Regelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO bezieht sich nur auf den erneuten aus der anderweitigen Verwendung der zweckgebundenen Daten folgenden Grundrechtseingriff (vgl. BGH NJW 2009, 791, 792; BVerfGE 100, 313, 391). Zum Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil stellten die Wohnraumüberwachungsprotokolle indes die zentralen Beweismittel dar, ohne die ein Tatnachweis nicht möglich gewesen wäre.
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b) Bei den Erkenntnissen aus der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung handelt sich um verwertbare Daten im Sinne des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO.
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Der Begriff der Verwertbarkeit bezieht sich auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO (Nack aaO § 100 d Rdn. 18; Meyer-Goßner aaO § 100 d Rdn. 6). Dies folgt schon aus dem Vergleich zu § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO, der die Verwendbarkeit "verwertbarer personenbezogener Daten" regelt, die in einem anderen Strafverfahren gewonnen worden sind. Durch die Verwendungsregelungen in § 100 d Abs. 5 StPO (seinerzeit: § 100 d Abs. 6 StPO aF) sollte ein den Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung (BVerfGE 109, 279) entsprechendes Schutzniveau geschaffen werden, um für den Bereich der Strafverfolgung die einfachgesetzlichen Regelungen zur Wohnraumüberwachung und der Verwendung der aus einer solchen Maßnahme - sei es auch auf anderer gesetzlicher Grundlage als derjenigen der StPO - erlangten personenbezogenen Informationen insgesamt verfassungsgemäß auszugestalten (BTDrucks. 15/4533 S. 1). Dies erforderte einen einheitlichen Anknüpfungspunkt , wie ihn die Verwertungsverbote des § 100 c StPO boten. Dementsprechend nimmt die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF durch den Verweis auf § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF auch auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO Bezug, die der Gesetzgeber im Regelungsbereich des § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF beachtet wissen wollte (vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 17 f.). Daraus erhellt, dass diese Verwertungsverbote auch im Rahmen des § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF (jetzt: § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO) Anwendung finden und dies durch die gesetzliche Verwendungsvoraussetzung der "verwertbaren" personenbezogenen Daten zum Ausdruck gebracht werden sollte.
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Die Gegenauffassung, die auf eine Verwertbarkeit im polizeirechtlichen Ausgangsverfahren abstellen will (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64), könnte demgegenüber dazu führen, dass für die Verwendbarkeit durch Wohnraumüberwachungsmaßnahmen gewonnener Daten nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO andere , gegebenenfalls großzügigere Maßstäbe gelten würden, als für diejenige nach § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO. Denn im Polizeirecht kommt dem Aspekt der aus Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 1 GG abzuleitenden Schutzpflichten des Staates zur Abwehr von Gefahren insbesondere für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter eine weitaus größere Bedeutung zu als im Strafprozess (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht 4. Aufl. Rdn. 215 f.; Würtenberger /Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg 6. Aufl. Rdn. 659; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht 14. Aufl. § 17 Rdn. 69). Eine nach polizeirechtlichen Grundsätzen durchgeführte Abwägung zwischen den Grundrechten des durch die Maßnahme Betroffenen und den zu schützenden Rechtsgütern der Allgemeinheit oder eines Einzelnen könnte also auch dann noch zur Verwertbarkeit von erlangten Erkenntnissen führen, wenn diese nach strafpro- zessualen Grundsätzen zu verneinen wäre. Selbst wenn man für das Merkmal der Verwertbarkeit in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO nur auf die polizeirechtlichen Regelungen zum Kernbereichsschutz abstellen wollte, könnte aufgrund der insoweit teilweise unterschiedlichen Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder und des Bundes (vgl. dazu Wolter aaO § 100 c Rdn. 17, 19) die Verwendung im Strafverfahren davon abhängen, in welchem Bundesland bzw. nach welchem Bundesgesetz die Maßnahme angeordnet wurde. Dies wäre in sich nicht stimmig.
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Unverwertbare Daten im Sinne des § 100 c Abs. 4-6 StPO sind vorliegend nicht verwendet, insbesondere in dem angefochtenen Urteil nicht gegen die Beschwerdeführer verwertet worden (dazu unten 2. d) und e).
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2. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Verwendung der durch die Wohnraumüberwachung auf polizeirechtlicher Grundlage gewonnenen Daten im Strafverfahren gegen die Angeklagten liegen vor.
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a) Das zur Erhebung der Daten ermächtigende Gesetz gestattet deren Umwidmung für Zwecke der Strafverfolgung (s. dazu Nack aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 d Rdn. 65; allgemein zu dieser Voraussetzung Singelnstein ZStW 120 (2008), 854, 859 ff.). Die entsprechende Verwendungsbefugnis enthält § 29 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 POG RhPf, der auch bereits im Zeitpunkt der Verwertung der Daten in dem angefochtenen Urteil galt.
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b) Zutreffend machen die Beschwerdeführer allerdings geltend, dass § 29 POG RhPf aF, auf den die akustische Überwachung der Wohnung des Angeklagten K. gestützt worden war, nicht in vollem Umfang verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprach. Dies führt indes nicht dazu, dass die aus der Maßnahme erlangten Erkenntnisse nicht gemäß § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO im Strafverfahren gegen die Angeklagten verwendet werden durften. Hierzu gilt:
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§ 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 c Rdn. 32; Eisenberg, Beweisrecht der StPO 6. Aufl. Rdn. 358; s. auch Singelnstein aaO S. 887 f.; Griesbaum in KK § 161 Rdn. 40 - jeweils zur parallelen Problematik bei § 161 Abs. 2 StPO; BGHSt 48, 240, 249; BGHR StPO § 100 a Verwertungsverbot 10; Schäfer in Löwe/Rosenberg, 25. Aufl. § 100 a Rdn. 87 - jeweils zur Verwendungsregelung des § 100 b Abs. 5 StPO aF).
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aa) Bedingung dafür ist zunächst eine wirksame Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 13 GG genügt (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64 f.). Ermächtigungsgrundlage war hier § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF, der die Erhebung von Daten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in der Wohnung des Betroffenen zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit erlaubte. Diese Eingriffsvoraussetzungen stehen im Einklang mit der das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG einschränkenden Vorschrift des Art. 13 Abs. 4 GG, die eine Wohnraumüberwachung zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit , also bei einer konkreten Gefährdung eines wichtigen Rechtsgutes (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG 10. Aufl. Art. 13 Rdn. 30) zulässt. Durch die Aufzählung einer gemeinen Gefahr und der Lebensgefahr in Art. 13 Abs. 4 GG wird die Eingriffsschwelle beispielhaft definiert (Gornig in v. Mangoldt/Klein/Stark, GG 5. Aufl. Art. 13 Rdn. 126), was auch bei der Auslegung des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF zu berücksichtigen ist. Bei Beachtung dieser Maßstäbe ergeben sich insoweit keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Eingriffsermächtigung (vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl 2007, 569, 577 zum weitgehend inhaltsgleichen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf nF). Diese ist auch einfachrechtlich hinreichend bestimmt: Der unbestimmte Rechtsbegriff der dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist insbesondere durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte konturiert worden und setzt voraus, dass bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Schädigung eines hochrangigen Rechtsguts droht; auf eine zeitliche Komponente, etwa in dem Sinne, dass der Schadenseintritt unmittelbar bevorstehen muss, kommt es hingegen nicht entscheidend an (BVerwGE 47, 31, 40; Jarass aaO Art. 13 Rdn. 37).
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Die von den Beschwerdeführern zur Begründung ihrer Gegenauffassung herangezogene verfassungsgerichtliche Rechtsprechung (BVerfGE 113, 348; MVVerfG LKV 2000, 345) ist nicht einschlägig. Die in jenen Entscheidungen für nichtig erklärten Vorschriften des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG MV ) bzw. § 33 a Abs. 1 Nr. 2 und 3 Niedersächsisches Gesetz über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG Nds.) knüpften als Eingriffsvoraussetzung nicht an die Abwehr einer dringenden Gefahr, sondern an die vorsorgende Strafverfolgung und Verhütung von Straftaten an (BVerfGE 113, 348, 350 f., 368 f.; MVVerfG LKV 2000, 345, 349 f.; siehe auch VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl 2007, 569, 577). Die mit § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf vergleichbare Vorschrift des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SOG M-V, der die Wohnraumüberwachung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zulässt, ist nach der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern hingegen verfassungsgemäß (MVVerfG LKV 2000, 345, 349); der unter den gleichen Voraussetzungen die Anordnung der Telefonüberwachung zulassende § 33 a Abs. 1 Nr. 1 SOG Nds. war nicht Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, weil er in jenem Verfahren mit der Verfassungsbeschwerde nicht angefochten worden war. Aus den vorgenannten Entscheidungen lassen sich verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF somit nicht herleiten.
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Die Ermächtigungsgrundlage genügte auch im Hinblick auf den in der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG geforderten Richtervorbehalt den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. § 29 Abs. 4 Satz 1 POG RhPf aF).
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bb) Jedoch enthielt der am 3. März 2004 in Kraft getretene § 29 POG RhPf aF keine Vorschriften zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Solche Regelungen hatte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom selben Tag zur Anordnung einer Wohnraumüberwachung nach der Strafprozessordnung gefordert und die §§ 100 c, 100 d, 100 f und 101 StPO aF deshalb teilweise für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Gleichwohl hatte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist zur Neufassung dieser Bestimmungen eingeräumt, in der die bisherigen Regelungen unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten Vorgaben zum Schutz der Menschenwürde und zur Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit fortgalten (BVerfGE 109, 279). Mittlerweile - und auch bereits im Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht - sind solche Regelungen zum Kernbereichsschutz sowohl in § 100 c Abs. 4-6 StPO als auch in § 29 Abs. 3-6 POG RhPf nF enthalten.
42
Das Fehlen von Kernbereichsschutzregelungen in § 29 POG RhPf aF führt nicht zur Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme erlangten Erkenntnisse.
43
(1) Nicht zu teilen vermag der Senat allerdings die vom Oberlandesgericht und - ihm folgend - vom Generalbundesanwalt vertretene Auffassung, die Vorschrift sei einer verfassungskonformen Auslegung dahin zugänglich gewesen , dass sie unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben jedenfalls für eine Übergangszeit der Verfassung entsprochen habe und so als rechtmäßige Ermächtigungsgrundlage für Wohnraumüberwachungsmaßnahmen habe dienen können.
44
Eine verfassungskonforme Auslegung kommt in Betracht, wenn eine auslegungsfähige Norm nach den üblichen Interpretationsregeln mehrere Auslegungen zulässt, von denen eine oder mehrere mit der Verfassung übereinstimmen , während andere zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen (BVerfGE 19, 1, 5; 32, 373, 383 f.; 48, 40, 45). Die Grenzen einer solchen Auslegung sind indes erreicht, wenn durch sie der wesentliche Inhalt der gesetzlichen Regelung erst geschaffen werden müsste (BVerfGE 8, 71, 78 f.; 45, 393, 400); es steht den Fachgerichten insbesondere in Fällen, in denen der Gesetzgeber unterschiedliche Möglichkeiten zu einer verfassungskonformen Neuregelung hat, nicht zu, die gesetzgeberische Aufgabe der Rechtssetzung zu übernehmen (BVerfGE 72, 51, 62 f.; 100, 313, 396; vgl. auch BVerfGE 8, 71, 79). Hier erweist sich die vom Oberlandesgericht vorgenommene "verfassungskonforme Auslegung" der Sache nach als übergangsweise Regelung zur Fortgeltung eines mit der Verfassung nicht vereinbaren Gesetzes unter Berücksichtigung bestimmter verfassungsrechtlicher Vorgaben; zu solchen Übergangsregelungen sind gemäß § 35 BVerfGG nur das Bundesverfassungsgericht bzw. nach den entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften die Landesverfassungsgerichte befugt (vgl. Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG § 35 Rdn. 69, 43; Heusch in Mitarbeiterkommentar-BVerfGG 2. Aufl.
§ 31 Rdn. 81 f.; s. etwa § 26 Abs. 3 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz).
45
Gegen die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung mit dem vom Oberlandesgericht angenommenen Inhalt spricht zudem, dass sich das Bundesverfassungsgericht selbst - bezogen auf die Vorschriften der Strafprozessordnung - zu einer solchen außer Stande sah und ausdrücklich eine Regelung durch den Gesetzgeber forderte (BVerfGE 109, 279). In Kenntnis der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts hat auch der Sächsische Verfassungsgerichtshof die die Wohnraumüberwachung zulassenden Vorschriften im Sächsischen Verfassungsschutzgesetz, die ebenfalls keine Regelungen zum Kernbereichsschutz enthielten, nicht aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung unbeanstandet gelassen, sondern sie unter Bestimmung einer Übergangsfrist für mit der Verfassung unvereinbar erklärt (SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
46
(2) Obwohl danach wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz von der Unvereinbarkeit des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF mit Art. 13 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG und damit von der Rechtswidrigkeit der Wohnraumüberwachung ausgegangen werden muss, lässt dies hier die Verwendbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse im Sinne des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO unberührt.
47
Nach ständiger Rechtsprechung führt nicht jeder Rechtsverstoß bei der strafprozessualen Beweisgewinnung zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse. Vielmehr ist je nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Bedeutsam sind dabei insbesondere die Art des etwaigen Beweiserhebungsverbots und das Gewicht des in Rede stehen- den Verfahrensverstoßes, das seinerseits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt wird (vgl. BGHSt 19, 325, 329 ff.; 27, 355, 357; 31, 304, 307 ff.; 35, 32, 34 f.; 37, 30, 31 f.; 38, 214, 219 ff.; 38, 372, 373 f.; 42, 372, 377; 44, 243, 249; BGH NStZ 2007, 601, 602; BVerfG NStZ 2006, 46; NJW 2008, 3053). Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass die Annahme eines Verwertungsverbots ein wesentliches Prinzip des Strafverfahrensrechts - den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind - einschränkt. Aus diesem Grund stellt ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme dar, die nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (BGHSt 37, 30, 32 m. w. N.; 44, 243, 249).
48
Diese Grundsätze gelten auch für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung eingeführten Verwendungsregelungen (der Sache nach auch BGHSt 48, 240, 249 zu § 100 b Abs. 5 StPO aF), zu denen auch § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO zählt.
49
Zwar wird in Teilen der Literatur die Auffassung vertreten, Verwendungsregelungen müssten bei Nichtvorliegen ihrer Voraussetzungen stets wie ein geschriebenes Verwertungsverbot wirken, das keiner Abwägung zugänglich sei, so dass in derartigen Fällen jegliche Verwendung und damit auch jede Verwertung der jeweils in Rede stehenden Daten ausgeschlossen werden müsse (Singelnstein aaO S. 889 m. w. N.). Nach dieser Ansicht sollen sich - mangels einer ausdrücklichen Ermächtigung, auch rechtswidrig erlangte Erkenntnisse für einen anderen Verfahrenszweck umzuwidmen - die Verwendungsregelungen der Strafprozessordnung ausschließlich auf rechtmäßig erhobene Daten beziehen, weil eine rechtswidrige Datenerhebung im Vergleich zu einer rechtmäßigen ei- nen schwereren Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen darstelle (Singelnstein aaO S. 887 f.).
50
Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Eine solche Beschränkung nur auf rechtmäßig erhobene Daten ergibt sich aus dem Wortlaut der Verwendungsregelungen nicht. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften zur Verwendung von Erkenntnissen aus präventiv-polizeilichen Maßnahmen im Strafverfahren ist allerdings zu entnehmen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von der rechtmäßigen Datenerhebung ausgegangen ist (Wollweber NJW 2000, 3623 unter Hinweis auf die Materialien zum Strafverfahrensänderungsgesetz 1999, vgl. BRDrucks. 64/00 S. 6 f.). Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass auf polizeigesetzlicher Grundlage rechtswidrig erhobene Daten unter keinen Umständen für Zwecke des Strafverfahrens zur Verfügung stehen sollten (Zöller in Roggan/Kutscha, Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit 2. Aufl. S. 496 f.). Denn es entspricht der üblichen Regelungstechnik der Strafprozessordnung, dass der Gesetzgeber zwar die Voraussetzungen normiert, unter denen zur strafprozessualen Beweisgewinnung durch Ermittlungsmaßnahmen rechtmäßig in (Grund-)Rechte der jeweils Betroffenen eingegriffen werden darf, jedoch - abgesehen von wenigen Ausnahmen (s. etwa § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO) - keine Bestimmungen dazu trifft, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen rechtswidrig erlangte Beweisergebnisse im weiteren Verfahren verwertet werden dürfen. Es ist kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Regelungen zur Verwendung von Daten, die in anderen Verfahren und eventuell auch unter Geltung anderer Rechtsgrundlagen für die Informationsbeschaffung gewonnen worden sind, von diesem Konzept abweichen wollte.
51
Auch von Verfassungs wegen folgt aus der Rechtswidrigkeit einer Datenerhebung nicht zwangsläufig das Verbot einer zweckändernden Verwendung (Wolter aaO vor § 151 Rdn. 167 a; Albers, Die Determination polizeilicher Tätigkeit in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge S. 330 f.; Singelnstein aaO S. 887). Damit entspricht die rechtliche Ausgangslage aber derjenigen bei den sog. relativen Verwertungsverboten. Auch hier besteht ein ausdrückliches gesetzliches Verwertungsverbot nicht; ob die gewonnenen Erkenntnisse möglicherweise unverwertbar sind, wird auf der Grundlage der oben dargestellten Abwägungskriterien vielmehr nur deshalb geprüft, weil die Ermittlungsbehörden bei der Beweisgewinnung gegen Vorschriften der Strafprozessordnung verstoßen haben, von deren Einhaltung durch die Behörden der Gesetzgeber grundsätzlich ausgeht. Wenn aber in diesen Fällen die Rechtswidrigkeit der Ermittlungshandlung nicht stets zur Unverwertbarkeit der Beweismittel führt, so ist kein Grund dafür ersichtlich, in der vergleichbaren Situation der Verwendungsregelungen jede Verwendung und damit auch die Verwertung von der Rechtmäßigkeit der Datengewinnung abhängig zu machen. Besonders augenfällig wird dies bei der Vorschrift des § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO, die die Verwendung von Zufallsfunden regelt: Während die Rechtswidrigkeit der Ermittlungsmaßnahme die Verwertbarkeit der Erkenntnisse zu der Straftat, zu deren Aufklärung sie angeordnet wurde, gegebenenfalls unberührt lassen würde, dürften gleichzeitig gewonnene Beweisergebnisse, die eine andere Tat des selben Täters betreffen, nicht verwertet werden. Diesem unstimmigen Ergebnis kann auch nicht mit dem Hinweis darauf begegnet werden, dass die Zweckänderung einen erneuten Grundrechtseingriff darstellt, der durch die Verwendungsregelung nur gerechtfertigt werden könne, wenn die Datenerhebung selbst rechtmäßig war. Denn auch die Verwertung von rechtswidrig erlangten Erkenntnissen in demselben Verfahren stellt einen erneuten Grundrechtseingriff oder zumindest eine Vertiefung des zuvor erfolgten dar. Dessen Rechtfertigung kann sich bei einem Überwiegen der Belange der Allgemeinheit, insbesondere des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung - einem Prinzip von Verfassungsrang (BVerfGE 44, 353, 374; BVerfG StV 1985, 177) - aus der nach den dargestellten Grundsätzen vorzunehmenden Güterabwägung ergeben.
52
Ob - was allerdings nahe liegen dürfte - von diesem Ergebnis abzuweichen ist, wenn durch die Nutzung der rechtswidrig erhobenen Daten eine in der Verwendungsregelung enthaltene Beschränkung umgangen würde, etwa wenn die Wohnraumüberwachung nicht zur Aufklärung einer Katalogtat oder eines vergleichbaren präventiv-polizeilichen Zwecks angeordnet wurde (vgl. Albers aaO S. 331; Schäfer aaO § 100 a Rdn. 97 zu § 100 b Abs. 5 StPO aF; Weßlau in SK-StPO § 477 Rdn. 41; in diesem Sinne wohl auch Dencker in FS für Meyer -Goßner S. 237, 249 f.), kann der Senat offen lassen. Zu einer solchen Verletzung der Verwendungsbeschränkung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO ist es nicht gekommen (dazu oben 1. a). Im Übrigen würde in solchen Fällen auch die Auffassung, die ein Verwertungsverbot von einer Güterabwägung abhängig macht, regelmäßig zu dem Ergebnis einer Unverwertbarkeit der Daten gelangen (vgl. BGHSt 31, 304, 309; 41, 30; 47, 362).
53
Für alle anderen Verstöße ist abzuwägen, ob die Rechtswidrigkeit der Datenerhebung auch die zweckändernde Verwendung und damit hier die Verwertung im Strafverfahren verbietet (vgl. Nack aaO § 100 d Rdn. 31 ff.; Albers aaO S. 331 f.; vgl. auch Wolter aaO § 100 d Rdn. 69, der bei "Minimalverstößen" ebenfalls eine Abwägung für geboten hält, aA wohl Singelnstein aaO).
54
(3) Ist nach alledem eine Verwendung der aus der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung erlangten Daten wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz in § 29 POG RhPf aF und einer daraus resultierenden Rechtswidrigkeit der Maßnahme nicht von vornherein ausgeschlossen, ergibt die vorzunehmende Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung, was zur Verwertbarkeit der gewonnen Erkenntnisse führt. Im Einzelnen:
55
Der Rechtsverstoß bei der Informationsbeschaffung liegt hier darin, dass die Abhörmaßnahme auf der Grundlage einer mit dem Grundgesetz nicht in vollem Umfang vereinbaren einfachgesetzlichen Ermächtigung durchgeführt worden ist. Der Senat verkennt nicht, dass die Unvereinbarkeit der Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung mit höherrangigem Recht einen Verstoß von Gewicht begründet, der regelmäßig zur Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen wird. Jedoch sind vorliegend besondere Umstände zu beachten , die zu einer abweichenden Beurteilung führen:
56
Das Bundesverfassungsgericht hatte die entsprechenden strafprozessualen Regelungen trotz ihrer teilweisen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht für nichtig, sondern sie unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die Erfordernisse einer funktionierenden Strafrechtspflege für eine Übergangszeit weiterhin für anwendbar erklärt. Dem entnimmt der Senat, dass auch § 29 POG RhPf aF, wäre er zur verfassungsrechtlichen Prüfung durch das Bundes- oder Landesverfassungsgericht gestellt worden, nicht etwa für nichtig, sondern unter entsprechenden Vorgaben ebenfalls für eine Übergangszeit für weiter anwendbar erklärt worden wäre (vgl. SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
57
Die Vorschrift des § 29 POG RhPf aF entsprach in Bezug auf den Überwachungsgrund der Gefahrenabwehr sowie im Hinblick auf die Eingriffsschwelle und den Richtervorbehalt der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG. Sie konnte die Maßgaben des Verfassungsgerichts zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensführung nicht berücksichtigen, weil für den Gesetzgeber noch keine Möglichkeit bestand, diese in das Gesetz einzuarbeiten; denn zwischen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der Erstanordnung der Maßnahme lagen nur etwas über vier Monate (das Bundesverfassungsgericht hatte dem Bundesgesetzgeber in seinem Urteil vom 3. März 2004 eine Frist von mehr als einem Jahr und drei Monaten zur verfassungskonformen Neufassung der einschlägigen Bestimmungen der Strafprozessordnung zur Wohnraumüberwachung gesetzt, vgl. BVerfGE 109, 279, 381). Gleichwohl waren Betroffene von Wohnraumüberwachungsmaßnahmen im Hinblick auf ihr Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht schutzlos gestellt; vielmehr ergibt sich bei Fehlen entsprechender Vorschriften in den Polizeigesetzen ein solcher Schutz unmittelbar aus Art. 13 Abs. 4 GG in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aufgestellten Grundsätze (Wolter aaO § 100 c Rdn. 19 m. w. N.).
58
Bei dieser Ausgangslage war die Annahme des Polizeipräsidiums und der die präventiv-polizeiliche Wohnraumüberwachung anordnenden bzw. die Anordnung verlängernden Gerichte nicht unvertretbar, dass die Maßnahme trotz des Fehlens einer gesetzlichen Regelung zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung durchgeführt werden durfte und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts durch entsprechende Vorkehrungen im Vollzug der Wohnraumüberwachung Rechnung getragen werden konnte. Jedenfalls stellte sich diese Annahme nicht als eine bewusste Umgehung des Gesetzes oder grundrechtlich geschützter Positionen der Angeklagten dar.
59
Nach alldem wiegt die teilweise Unvereinbarkeit des § 29 POG RhPf aF mit verfassungsrechtlichen Anforderungen hier nicht so schwer, dass sie eine nach den dargelegten Grundsätzen nur ausnahmsweise anzuerkennende Un- verwertbarkeit der bei der Wohnraumüberwachung erlangten Erkenntnisse zur Folge hätte. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass wegen der Respektierung des Kernbereichs der privaten Lebensführung bei Durchführung der Maßnahme (s. unten d) und e) jedenfalls materiell ein ungerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht der Angeklagten K. und Y. A. aus Art. 13 Abs. 1 GG sowie eine Verletzung ihrer Menschenwürde nicht vorlag. Angesichts dessen kann auch die überragende Bedeutung dieser Grundrechte keine andere Beurteilung rechtfertigen.
60
c) Die Anordnung der Wohnraumüberwachung unterliegt im Übrigen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die entgegenstehende Rüge, mit der die Beschwerdeführer geltend machen, die Voraussetzungen einer Anordnung der Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF hätten nicht vorgelegen, ist unbegründet.
61
aa) Die Anordnung wurde nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Anordnungsbeschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit getroffen. Auch in der Sache lag kein Eingriff zur bloßen Gefahrenvorsorge oder zur vorbeugenden Strafverfolgung vor.
62
Die gegenteilige Ansicht der Beschwerdeführer beruht auf einer Verkennung des Begriffs der dringenden Gefahr. Eine solche braucht nicht bereits eingetreten zu sein; es genügt, dass die Beschränkung des Grundrechts dem Zweck dient, einen Zustand nicht eintreten zu lassen, der seinerseits eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen würde (vgl. BVerfGE 17, 232, 251 f.). Damit liegt eine dringende Gefahr im Sinne des für den vorliegenden Eingriff maßgeblichen § 13 Abs. 4 GG vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein bedeutendes Rechtsgut schädigen wird (vgl. BVerwGE 47, 31, 40). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind zudem an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden wäre (BVerwGE 47, 31, 40; 57, 61, 65; 88, 348, 351; 116, 347, 356; Gusy, Polizeirecht 6. Aufl. Rdn. 119; vgl. BVerfGE 49, 89, 135 ff.). Zuzugeben ist den Beschwerdeführern insoweit allerdings, dass auch angesichts der Größe eines möglichen Schadens bloße Vermutungen oder die Inbezugnahme einer allgemeinen Sicherheitslage nicht zur Begründung einer Gefahr ausreichend sind; erforderlich ist vielmehr eine im konkreten Fall durch hinreichende Tatsachen zu belegende Gefahrenlage (BVerfGE 115, 320, 368 f.).
63
Nach diesen Grundsätzen ist die Anordnung der Wohnraumüberwachung durch das Landgericht M. jedenfalls im Ergebnis insoweit nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat das Vorliegen einer dringenden Gefahr auf die konkreten Einwände der Beschwerdeführer gegen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme anhand einer eigenständigen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Anordnung (vgl. dazu BGHSt 47, 362, 367) geprüft und - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - im Beschluss vom 21. August 2007 mit plausibler und rechtlich nicht zu beanstandender Begründung bejaht. Dabei hat es insbesondere darauf abgestellt , dass die Ermittlungslage wegen einer zu vorangegangenen Terroranschlägen parallelen Grundkonstellation befürchten ließ, dass in der Wohnung des Angeklagten K. Planungs- oder Vorbereitungshandlungen für Terroranschläge , also schwerste Straftaten gegen Leib und Leben Unbeteiligter durchgeführt würden, und damit eine gemeine Gefahr (vgl. dazu Gornig in v. Mangoldt /Klein/Stark, GG aaO Art. 13 Rdn. 127) vorlag. Diese Einschätzung basierte nicht auf bloßen Vermutungen, sondern auf konkreten Tatsachen, namentlich der extremistischen Grundeinstellung der sich in der Wohnung des Angeklagten K. treffenden Personen, ihren teilweisen Kontakten zu weiteren Personen, gegen die wegen des Verdachts der Einbindung in terroristische Netzwerke ermittelt wurde, dem konkreten Verdacht, dass der Angeklagte K. Kontakt zu terroristischen Strukturen in Afghanistan aufgenommen und sich dort an Kampfhandlungen beteiligt hatte, sowie nicht zuletzt auf dem Umstand, dass die Besucher der Wohnung konspirativ miteinander kommunizierten und sich Observationsmaßnahmen entzogen.
64
Die Einwendungen der Revisionen gehen auf die eine konkrete Gefahrenlage begründenden Umstände nicht ein und beschränken sich auf eine - im Revisionsverfahren unbehelfliche - eigene, abweichende Wertung des Ermittlungsstandes , der - wie vom Generalbundesanwalt aufgezeigt - teilweise auch unzutreffend wiedergegeben wird. Soweit sie darauf abstellen, dass sich im Zeitpunkt der Anordnung vorliegende Verdachtsmomente in der Hauptverhandlung nicht bestätigt hätten (Kodiertabelle), können sie mit diesem Einwand nicht gehört werden: Im Polizeirecht beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle einer Gefahrenprognose auf eine Überprüfung der tatsächlichen Anhaltspunkte und den daraus resultierenden Schluss auf zukünftige Schäden aus einer ex-antePerspektive (Gusy aaO Rdn. 121).
65
bb) Der Rechtmäßigkeit der Anordnung steht - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - nicht entgegen, dass sie sich in Rubrum und Tenor des Beschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 nicht auch gegen den Angeklagten Y. A. als weiteren Bewohner der überwachten Wohnung richtete. Insbesondere ist die Behauptung der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar, die Polizei habe es bewusst unterlassen, eine entsprechende richterliche Anordnung auch gegen ihn einzuholen. Aufgrund der Angaben in dem Antrag des Polizeipräsidiums war dem Landgericht M. ausweislich des Beschlusses bekannt, dass der Angeklagte Y. A. in der Wohnung des Angeklagten K. gemeldet war. Von einer bewussten Umgehung oder Missachtung des Richtervorbehalts kann mithin keine Rede sein. Der Angeklagte wurde vielmehr in ihn nicht beschwerender Weise im Ergebnis wie ein Dritter im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 POG RhPf aF behandelt; auch insoweit war die Aufzeichnung des von ihm gesprochenen Wortes zulässig.
66
Die Anordnung hätte nach den obigen Darlegungen zudem auch gegen den Angeklagten Y. A. jederzeit erwirkt werden können. Dieser Umstand führt dazu, dass auch dann nicht von einer Unverwertbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse auszugehen wäre, wenn man insoweit von einer Fehlerhaftigkeit der Anordnung ausgehen wollte. Vielmehr ist nach den oben dargelegten Grundsätzen in Fällen der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme im Wege einer Abwägung zu ermitteln, ob die so gewonnenen Daten verwendet werden dürfen (dazu oben b) bb) (2)). Eine solche Abwägung würde hier wegen der unproblematisch möglichen Anordnung der Maßnahme auch gegenüber dem Angeklagten Y. A. zur Verwendbarkeit und damit auch zur Verwertbarkeit der Ergebnisse der Wohnraumüberwachung führen. Denn angesichts der daraus resultierenden Geringfügigkeit eines etwaigen Verstoßes würden die öffentlichen Belange, namentlich die gerichtliche Aufklärungspflicht und das öffentliche Strafverfolgungsinteresse vorgehen.
67
cc) Die Einwendungen der Revisionen gegen den Verlängerungsbeschluss des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 greifen ebenfalls nicht durch. Soweit damit nicht die Beanstandungen gegenüber der Erstanordnung wiederholt werden, beschränken sich die Beschwerdeführer darauf, dass die durchgeführte Überwachung eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit , insbesondere wegen konkreter Anschlagsplanungen, nicht ergeben habe.
68
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, hat sich das Oberlandesgericht mit diesem Argument bereits eingehend auseinandergesetzt und anhand einer freibeweislichen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Verlängerung das weitere Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit nach eingehender Prüfung anhand konkreter Tatsachen gleichwohl bejaht. Rechtsfehler zeigen die Revisionen auch insoweit nicht auf. Hinweise auf eine Rechtswidrigkeit der Verlängerung der Wohnraumüberwachung , die zu einer Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen könnten, ergeben sich damit nicht.
69
d) Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, die Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung seien insgesamt "wegen Verletzung des Schutzes des Kernbereichs der Persönlichkeit" unverwertbar. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
70
Im Ausgangspunkt zutreffend ist die Annahme, dass nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO nur solche Daten verwendet werden dürfen, die nicht unter ein Verwertungsverbot aus § 100 c StPO fallen (dazu oben 1. b). Die Vorschrift des § 100 c Abs. 5 Satz 3 StPO normiert ein Verwertungsverbot für Erkenntnisse aus Äußerungen, die dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Daraus ergibt sich indes kein umfassendes Verwertungsverbot für alle aus einer Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse, sondern nur für diejenigen, die durch eine Kernbereichsverletzung erzielt wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 29; Wolter aaO § 100 c Rdn. 71). Dass kernbereichsrelevante Gesprächsteile in dem Urteil gegen sie verwertet worden seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht. Dies ergibt sich auch nicht aus dem angefochtenen Urteil, das die verwerteten Passagen zitiert; diese lassen Kernbereichsverletzungen nicht erkennen.
71
aa) Nach der hier über § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO heranzuziehenden gesetzlichen Regelung in § 100 c StPO kommt eine Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme nur in Betracht, wenn gegen das Beweiserhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO verstoßen wurde (Nack aaO § 100 d Rdn. 28; Wolter aaO § 100 c Rdn. 73; vgl. auch BVerfGE 109, 279, 331). Ob ein solches Verwertungsverbot vorliegt, hat das erkennende Gericht zu prüfen, dessen Entscheidung wiederum der revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegt (Nack aaO § 100 c Rdn. 41).
72
Das Erhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO (und des inhaltsgleichen § 29 Abs. 3 POG RhPf nF) knüpft an die Anordnung der Maßnahme an. Diese darf nur ergehen, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. Sie erfordert somit eine negative Kernbereichsprognose durch das anordnende Gericht, für die - wie bei anderen Prognoseentscheidungen auch - ein Beurteilungsspielraum besteht (Nack aaO § 100 c Rdn. 25). Ein Verwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen das Erhebungsverbot besteht demnach nur dann, wenn das Gericht diesen Beurteilungsspielraum klar erkennbar und damit rechtsfehlerhaft überschritten hat (Wolter aaO § 100 c Rdn. 73).
73
Eine in diesem Sinne rechtsfehlerhafte Anordnung der Wohnraumüberwachung zeigen die Beschwerdeführer weder auf, noch ist sie ersichtlich. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus der Aufzählung von Gesprächen, hinsichtlich derer eine Kernbereichsrelevanz lediglich pauschal durch schlagwortartige Bezeichnungen ("Beten", "Heirat", "Tod des Vaters" etc.) behauptet wird. Das Oberlandesgericht hat zudem auch insoweit auf der Grundlage einer Rekonstruktion der tatsächlichen Verhältnisse zum Anordnungszeitpunkt das Vorliegen einer negativen Kernbereichsprognose geprüft und bejaht. Die Beschwerdeführer legen erneut nicht dar, dass diese Entscheidung Rechtsfehler enthält. Es haben sich auch nach revisionsrechtlicher Prüfung keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die Sachlage anders als vom Oberlandesgericht angenommen dargestellt hat, so dass eine vertiefte freibeweisliche Prüfung (vgl. BGHSt 16, 164, 166 f.) nicht veranlasst war. Der Senat neigt ohnehin der Ansicht zu, dass in Abkehr von bisheriger Rechtsprechung tatsächliche Feststellungen , die der Tatrichter freibeweislich trifft, in der Revisionsinstanz ebenso wie seine Überzeugungsbildung auf strengbeweislicher Grundlage nur auf Rechtsfehler in der Beweiswürdigung zu überprüfen sind; dies bedarf hier aus den dargelegten Gründen aber keiner näheren Erörterung.
74
bb) Die Rüge wendet sich der Sache nach gegen den Vollzug der Maßnahme. Durch die unzureichenden Handlungsanweisungen des Polizeipräsidiums sei es zu einer Vielzahl von Kernbereichsverletzungen gekommen, so dass die Maßnahme insgesamt unzulässig gewesen sei. Auch insoweit hat die Verfahrensbeanstandung keinen Erfolg.
75
Im Ansatz ist allerdings zutreffend, dass das Bundesverfassungsgericht nicht allein auf die richterliche Anordnung abgestellt, sondern ein umfassendes Verwertungsverbot für den Fall als erforderlich angesehen hat, dass die Behörden in Überschreitung der Ermächtigung die Wohnraumüberwachung durchführen , obwohl eine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass mit ihr absolut geschützte , dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnende Gespräche erfasst werden (BVerfGE 109, 279, 331). Dementsprechend ist auch das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass ein nicht am Kernbereichs- schutz ausgerichteter Vollzug zur Unverwertbarkeit der Erkenntnisse aus der gesamten Maßnahme führen könnte.
76
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer genügte die tatsächliche Durchführung der Wohnraumüberwachung jedoch grundsätzlich den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift: In technischer und personeller Hinsicht war ein möglichst schonender Maßnahmevollzug bereits dadurch gewährleistet, dass in jedem Einzelfall durch den diensthabenden Polizeibeamten unter Zuhilfenahme des stets anwesenden Dolmetschers entschieden wurde, ob die Aufzeichnung gestartet wurde und wie lange sie andauerte. Soweit die generellen Handlungsanweisungen nach Ansicht des Oberlandesgerichts rechtlich bedenklich waren, hat es die Erkenntnisse entweder nicht verwertet (Selbstgespräche des Angeklagten K. ) oder - im Hinblick auf die den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genügende Handlungsanweisung, dass eine Abschaltung nur bei "wesentlicher" Verletzung des Kernbereichs über "zweifelsfrei längere Zeit" zu erfolgen habe - die Gespräche einer eingehenden Prüfung unterzogen, die eine Erfassung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte nicht ergab. Diese Handlungsanweisung galt entgegen der insoweit zumindest missverständlichen Darstellung der Beschwerdeführer ohnehin nur für den ersten Abschnitt der Maßnahme bis zum 4. November 2004. Ab diesem Zeitpunkt wurde sie durch eine den Kernbereichsschutz noch verstärkende Anordnung ersetzt. Eine bewusste oder planmäßige Überschreitung der Ermächtigung zur Wohnraumüberwachung durch die Polizeibehörden ergibt sich danach nicht. Diese waren vielmehr mit hohem personellem und technischem Aufwand bemüht, die verfassungsgerichtlichen Vorgaben umzusetzen.
77
Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, es sei ein zu enger Maßstab an den Kernbereich privater Lebensgestaltung angelegt worden, verschweigen sie in diesem Zusammenhang, dass sich das Oberlandesgericht bereits in der Hauptverhandlung auf den Vortrag einer Vielzahl von angeblichen Kernbereichsverletzungen damit auseinandergesetzt hat, dass die aufgenommenen Gebete in gefahrrelevante Gespräche über die Rechtfertigung von terroristischen Anschlägen oder die Verherrlichung des "Märtyrertods" eingebettet waren und deshalb nicht höchstpersönliche Gefühle oder Gedanken und damit den Kernbereich berührten. Auch die weiteren von den Revisionen schlagwortartig genannten Themen "Heirat" und "Familie" betrafen nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts Gespräche, die sich vorrangig auf die Erlangung eines gesicherten Aufenthaltsstatus in Europa bezogen oder im Zusammenhang mit dem geplanten Versicherungsbetrug standen, der wegen der dadurch möglichen finanziellen Versorgung der Familie eine Voraussetzung für den von dem Angeklagten Y. A. angestrebten "Märtyrertod" war. Die Beurteilung, dass mit der Aufzeichnung solcher Gespräche nicht in den Kernbereich eingegriffen wurde, ist - wie bereits vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegt - rechtsfehlerfrei.
78
Nach alledem ist für einen den Kernbereichsschutz von vornherein außer Acht lassenden Maßnahmevollzug, der allein zur Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung führen könnte, nichts ersichtlich. Vielmehr verbleibt es - soweit es zu Kernbereichsverletzungen gekommen sein sollte - bei dem aus § 100 c Abs. 5 Satz 3 StPO resultierenden Verwertungsverbot in Bezug auf solche einzelnen Gespräche.
79
Angesichts dessen kann offen bleiben, ob der Vortrag der Revisionen zu einzelnen Kernbereichsverletzungen den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Da eine Verwertung der entsprechenden Gesprächspassagen nicht konkret behauptet wird und sich aus dem angefochtenen Urteil auch nicht ergibt, ist die Rüge insoweit jedenfalls unbegründet.
80
e) Auch soweit die Beschwerdeführer darüber hinaus in Bezug auf die Gespräche, an denen die Angeklagten Y. und I. A. bzw. ihr Bruder A. A. beteiligt waren, ein Verwertungsverbot nach § 52 StPO bzw. gemäß § 100 c Abs. 6, § 52 StPO geltend machen, bleiben ihre Beanstandungen ohne Erfolg.
81
Rechtlich verfehlt ist die Auffassung der Revisionen, § 100 c Abs. 6 StPO komme jedenfalls für die aufgrund der präventiv-polizeilichen Ermächtigungsgrundlage des § 29 Abs. 1 POG RhPf aF gewonnenen Erkenntnisse nicht zur Anwendung, weil sich die Vorschrift nur auf strafprozessuale Wohnraumüberwachungsmaßnahmen beziehe. Wie bereits dargelegt (dazu 1. b) sind mit der Formulierung in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO, dass nur "verwertbare" Daten aus einer nach anderen Gesetzen durchgeführten Maßnahme im Strafverfahren verwendet werden dürfen, die Verwertungsverbote des § 100 c StPO angesprochen. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche eines nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, der infolgedessen die Entscheidung, ob er von seinem Recht Gebrauch machen möchte, nicht mehr treffen kann, richtet sich die Verwertbarkeit daher stets nach der Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO. Dies folgt bei Erkenntnissen aus einer polizeilichen Maßnahme aus der Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO; bei solchen aus einer strafprozessualen Maßnahme gilt § 100 c Abs. 6 StPO entweder unmittelbar oder - wenn wie hier mit dem Angeklagten I. A. ein zunächst Unverdächtiger betroffen ist - über die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO. Für eine isolierte Anwen- dung des § 52 StPO ist daneben kein Raum (vgl. BGHSt 40, 211; BGH NStZ 1999, 416).
82
Danach gilt für die Angeklagten Y. und I. A. § 100 c Abs. 6 Satz 3 StPO mit der Folge, dass ihre im Rahmen der aufgezeichneten Gespräche abgegebenen Äußerungen unbeschränkt verwertbar sind (vgl. § 160 a Abs. 4 StPO). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kommt es für die Frage der Verwertbarkeit nicht darauf an, ob bereits im Zeitpunkt der Gesprächsaufzeichnungen ein Tatverdacht bezüglich einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 2 StPO gegen den Angeklagten I. A. bestand. Denn es handelt sich bei der verfassungskonformen Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO (vgl. BVerfG NJW 2007, 2753) um eine Verwertungsregelung , so dass allein auf den Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil abzustellen ist, in welchem angesichts der Anklageerhebung und des Eröffnungsbeschlusses des Oberlandesgerichts jedenfalls ein hinreichender Tatverdacht gegeben war, dass der Angeklagte I. A. sich der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig gemacht hatte. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn für Gespräche mit Zeugnisverweigerungsberechtigten ein Beweiserhebungsverbot gälte; ein solches hat indes auch das Bundesverfassungsgericht nicht gefordert (vgl. BVerfGE 109, 279, 331 ff.).
83
Der Verwertung steht auch die von den Beschwerdeführern zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unverwertbarkeit von Erkenntnissen aus beschlagnahmefreien Urkunden im Sinne des § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO (BGH NStZ 2001, 604, 606) nicht entgegen. Dort resultierte die Unverwertbarkeit der Erkenntnisse, die erst einen Tatverdacht hätten begründen können, aus dem Umstand, dass bereits die Beweiserhebung unzulässig war (BGH aaO). Die Regelungen des § 100 c Abs. 6 StPO haben indes lediglich ein Ver- wertungsverbot im Hinblick auf im Übrigen - so auch hier - zulässig erlangte Beweismittel zum Gegenstand.
84
Auch die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführer, die von dem Oberlandesgericht vorgenommene Abwägung zur Verwertung der Äußerungen des nicht tatverdächtigen Bruders der Angeklagten, A. A. , nach § 100 c Abs. 6 Satz 2 StPO sei rechtsfehlerhaft, greifen nicht durch. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts.
85
3. Die Beschwerdeführer rügen weiter die Verwertung der Erkenntnisse aus den auf strafprozessualer Grundlage ergangenen Anordnungen der Wohnraumüberwachung. Diese hätten nicht ergehen dürfen, weil sie sich auf unverwertbare Erkenntnisse aus der zuvor angeordneten Maßnahme nach § 29 POG RhPf aF gestützt hätten.
86
Da die Erkenntnisse aus der polizeilichen Wohnraumüberwachung indes verwendbar waren (vgl. oben 2. b) bb), konnten sie auch im Zeitpunkt der ersten strafprozessualen Anordnung zur Begründung des Tatverdachts verwendet werden (vgl. § 100 f Abs. 2 StPO aF).
87
Hinsichtlich der Verwertbarkeit der Erkenntnisse gelten die Ausführungen zu 1. d) und e) entsprechend, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
88
II. Rundumüberwachung
89
Die Beschwerdeführer rügen die Verwertung von Erkenntnissen aus weiteren geheimen Ermittlungsmaßnahmen und machen in diesem Zusammen- hang geltend, dass diese - kumulativ zu der angeordneten Wohnraumüberwachung - zu einer unzulässigen Rundumüberwachung geführt hätten, aus der sich wiederum die Unverwertbarkeit auch der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung ergebe.
90
Den Revisionsbegründungen sowie der Gegenerklärung des Generalbundesanwalts vom 15. Oktober 2008, der die Beschwerdeführer insoweit zugestimmt haben, lässt sich folgender Verfahrenssachverhalt entnehmen:
91
Die Wohnraumüberwachung dauerte - wie dargelegt - vom 24. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 und damit über einen Zeitraum von etwa fünf Monaten. Die Dauer der aufgezeichneten Gespräche betrug hingegen nur einen Bruchteil; sie machte im Verhältnis zur Gesamtdauer der Maßnahme lediglich 8,4 % aus. Die Zeiten, in denen die Polizeibehörden das gesprochene Wort in der Wohnung des Angeklagten K. nicht nur nicht aufzeichneten sondern auch nicht abhörten, sind nicht dokumentiert. Aus technischen Gründen war es nicht möglich, bei abgeschalteter Aufzeichnung auch das Mithören nachweisbar zu unterbrechen, was zunächst nur durch ein Abdrehen der Lautstärke, später auch durch ein Betätigen der "Stopp-Taste" an den eingesetzten Rekordern zu erreichen war.
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Darüber hinaus wurden folgende Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt:
93
Vom 9. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 wurde auf Anordnung des Landgerichts (Beschluss vom 14. Juli 2004) beziehungsweise des Amtsgerichts M. (Beschluss vom 12. Oktober 2004) der Eingang des Hauses videoüberwacht , in dem sich die Wohnung des Angeklagten K. befand. Mit Beschluss vom 21. September 2004 genehmigte das Amtsgericht M. darüber hinaus die Videoüberwachung eines Telefonladens, den die Angeklagten K. und Y. A. gelegentlich aufsuchten. Die Maßnahme war auf die Dauer von zwei Monaten befristet. Für das Wochenende vom 22. bis 24. Oktober 2004 ordnete das Polizeipräsidium zudem die Anbringung eines GPSSenders an zwei von dem Angeklagten Y. A. genutzten Fahrzeugen an. Diese Maßnahmen beruhten auf polizeirechtlicher Grundlage (§ 28 POG RhPf).
94
Am 8. November 2004 ordnete der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof auf Antrag des Generalbundesanwalts die Herausgabe der Verbindungsdaten von insgesamt sechs am 9. Oktober 2004 aus fünf verschiedenen öffentlichen Telefonzellen in Mü. geführten Gesprächen an. Der Generalbundesanwalt verfügte am 10. November 2004 die Anordnung einer planmäßig angelegten Beobachtung des Angeklagten Y. A. für die Dauer von einem Monat. Mit Beschluss des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 9. Dezember 2004 wurde diese Observation um drei Monate verlängert ; sie dauerte bis zur vorläufigen Festnahme des Angeklagten fort. Mit Beschlüssen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 12. November 2004 wurde sodann die Telefonüberwachung der von den Angeklagten K. und Y. A. genutzten Mobiltelefone, die Beschlagnahme aller an sie gerichteten Postsendungen und die langfristige Observation des Angeklagten K. angeordnet. Diese Maßnahmen dauerten jeweils bis zur vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. an. Mit Beschlüssen vom 12. November 2004 wurde bezüglich dieser beiden Angeklagten auch der Einsatz eines sogenannten IMSI-Catchers verfügt, zu dem es im Ermittlungsverfahren indes nicht kam.
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Die Beschwerdeführer haben in der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht der Verwertung der Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsmaßnah- men widersprochen, mit Ausnahme der Erkenntnisse aus der GPSÜberwachung , der Videoüberwachung des Telefonladens und der Observation des Angeklagten Y. A. . In diesen Widersprüchen haben sie nicht geltend gemacht, dass es sich wegen der Kumulation der Maßnahmen um eine unzulässige Rundumüberwachung gehandelt habe.
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1. Soweit die Beschwerdeführer meinen, die Erkenntnisse aus den strafprozessualen Maßnahmen hätten nicht verwertet werden dürfen, weil deren Anordnung auf den unverwertbaren Erkenntnissen aus der Wohnraumüberwachung beruhe, ist die Rüge unbegründet. Wie dargelegt konnten die aus der Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 POG RhPf aF resultierenden Gesprächsaufzeichnungen im Zeitpunkt der Anordnung der strafprozessualen Maßnahmen gemäß § 100 f Abs. 2 StPO aF verwendet werden (dazu oben I. 3.).
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2. Die Rüge, es habe eine unzulässige Rundumüberwachung vorgelegen , ist ungeachtet der in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgezeigten Bedenken gegen ihre Zulässigkeit jedenfalls unbegründet.
98
Es ist vorliegend durch die zeitgleiche Durchführung mehrerer Überwachungsmaßnahmen nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen, zeitlichen und räumlichen Rundumüberwachung (vgl. BVerfGE 65, 1, 42 f.; 109, 279, 323) gekommen. Bezüglich des Angeklagten I. A. liegt dies bereits deshalb auf der Hand, weil gegen ihn keinerlei Überwachungsmaßnahmen angeordnet worden sind. Er war von solchen nur reflexartig betroffen, etwa wenn er sich in der überwachten Wohnung des Angeklagten K. aufhielt. In den Zeiträumen, in denen er keinen Kontakt zu den Angeklagten K. und Y. A. hatte, fand eine Überwachung seiner Person nicht statt.
99
Aber auch gegenüber den Angeklagten K. und Y. A. liegt eine derart intensive Überwachung, die im Hinblick auf den daraus resultierenden sog. additiven Grundrechtseingriff (vgl. BVerfGE 112, 304, 320) Bedenken an ihrer verfassungsmäßigen Rechtmäßigkeit aufkommen lassen könnte, nicht vor.
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Die Wohnraumüberwachung wurde zwar über einen längeren Zeitraum durchgeführt und war engmaschig strukturiert. Dies war indes - wie das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat - zunächst im Hinblick auf die komplexe präventiv-polizeiliche Gefahrenlage und im weiteren Verlauf zur Aufklärung der Vereinigungsdelikte nach §§ 129 a, 129 b StGB, dabei insbesondere zur Aufdeckung von Planungs- und Verbindungsstrukturen erforderlich. Bei der konkreten Durchführung der Wohnraumüberwachung achteten die durchführenden Beamten zudem auf einen möglichst schonenden Maßnahmevollzug (dazu oben I. 2. d), was sich nicht zuletzt auch an der im Verhältnis zum Zeitraum der Gesamtmaßnahme geringen Dauer der Gesprächsaufzeichnungen zeigt. Dass die Überwachung in Form jedenfalls des Mithörens über die gesamten Monate "rund um die Uhr" erfolgt sei, ist eine nicht belegte Mutmaßung der Revisionen. Aus den vom Oberlandesgericht erlangten Erkenntnissen über die Durchführung der Maßnahme ergibt sich vielmehr, dass der diensthabende Beamte bei der Wahrnehmung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte die "Stopp-Taste" zu drücken hatte - mithin auch das Mithören beendete - und nur bei veränderter Personenkonstellation in der Wohnung durch gelegentliches "Hereinhören" überprüfte, ob die Gespräche sich verfahrensrelevanten, nicht dem Kernbereich zugehörenden Materien zuwandten. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere der Videoüberwachung des Hauseingangs keine die Eingriffsintensität steigernde Wirkung zu. Sie diente im Gegenteil vorrangig dazu , den in der Wohnung verkehrenden Personenkreis zu überprüfen. Dadurch wurde überhaupt erst eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf mögliche Kernbereichsverletzungen ermöglicht, und es konnte so im Ergebnis die Intensität der - wesentlich grundrechtsrelevanteren - Abhörmaßnahme verringert werden.
101
Die daneben auf polizeirechtlicher Grundlage angeordnete Überwachung eines Telefonladens dauerte entgegen dem von den Beschwerdeführern erweckten Eindruck nicht die gesamte Zeit an, sie lief vielmehr aus, als im November 2004 mehrere Maßnahmen auf strafprozessualer Basis angeordnet wurden. Die Überwachung von Fahrzeugen des Angeklagten Y. A. mittels eines GPS-Senders dauerte nur drei Tage und war im Zeitpunkt der strafprozessualen Maßnahmen bereits beendet. Auch insoweit kann also keine Rede von einer Rundumüberwachung sein.
102
Im Ergebnis traten zu der Wohnraumüberwachung also kumulativ die im Wesentlichen durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs angeordneten Maßnahmen der Telefonüberwachung von zwei Mobilfunkanschlüssen der Angeklagten K. und Y. A. , ihre längerfristige Observation und die Beschlagnahme der an sie gerichteten Postsendungen hinzu. Auch bei einer Gesamtschau dieser Überwachungsmaßnahmen ergibt sich eine unzulässige Rundumüberwachung, mit der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil eines Betroffenen erstellt werden könnte, nicht. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch bei einer Bündelung mehrerer heimlicher Überwachungsmaßnahmen durch die vorhandenen verfahrensrechtlichen Sicherungen, an die mit Rücksicht auf das der Kumulation der Grundrechtseingriffe innewohnende Gefährdungspotential allerdings besondere Anforderungen zu stellen sind, grundsätzlich ausgeschlossen (BVerfGE 112, 304, 319 f.; aA Puschke, Die kumulative Anordnung von Informationsbeschaffungs- maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung S. 79 ff., der eine kumulative Überwachung als andersartigen Eingriff begreift, für den es einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage bedürfe).
103
Die genannten verfahrensrechtlichen Sicherungen bestehen namentlich in dem Richtervorbehalt, aber auch in Eingriffsschwellen, die besonders schwerwiegend beeinträchtigende Überwachungsmaßnahmen vom Vorliegen besonders schwerer Straftaten oder bestimmten qualifizierten Verdachtsgraden abhängig machen, sowie in sog. Subsidiaritätsklauseln, die den Eingriff nur dann erlauben, wenn anderweitig die Aufklärung erheblich erschwert würde. Sie stellen letztlich Ausprägungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar. Bei der gleichwohl noch erforderlichen Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne beurteilt sich die Frage der Zulässigkeit einer Überwachungsmaßnahme auch danach, ob gegebenenfalls mehrere, in die Grundrechte des Betroffenen eingreifende Maßnahmen durchgeführt werden (vgl. BVerfGE aaO S. 321; BGHSt 46, 266, 277). Die besonderen vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Anforderungen an das Verfahren sind - soweit vorliegend maßgeblich - erfüllt, wenn sichergestellt ist, dass die für die Beantragung oder Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen primär zuständige Staatsanwaltschaft über alle den Grundrechtsträger betreffenden Ermittlungseingriffe informiert ist (vgl. BVerfGE aaO S. 320).
104
So verhält es sich hier. Der Generalbundesanwalt war - ebenso wie der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof - über sämtliche Überwachungsmaßnahmen informiert. Dies gilt auch für die - nicht vom Ermittlungsrichter angeordnete - Wohnraumüberwachung und die sie begleitende Videoüberwachung des Hauseingangs. In sämtlichen Anordnungsbeschlüssen wurde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insbesondere dadurch Genüge getan, dass der Richtervorbehalt gewahrt blieb, die an die Schwere der Straftat anknüpfenden Eingriffsvoraussetzungen sowie die Subsidiaritätsklauseln in den die Maßnahmen rechtfertigenden Vorschriften (§ 100 a Satz 1, § 100 c Abs. 1 Satz 1, § 163 f Abs. 2 Satz 1 StPO aF) beachtet wurden. Dass die Entscheidungen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof oder des Landgerichts Ka. insoweit rechtsfehlerhaft gewesen seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht; dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Anordnung der Ermittlungsmaßnahmen stand auch darüber hinaus zur Schwere des Tatvorwurfs und zum Grad des sich aus den vorangegangenen Ermittlungen ergebenden Verdachts nicht außer Verhältnis. Dies belegen neben den in diesem Verfahren ausgeurteilten Taten insbesondere die im November 2004 gewonnenen Verdachtsmomente , nach denen sich der Angeklagte K. zu dieser Zeit zumindest mit der Vermittlung von 48 Gramm hochangereichertem Uran befasste, das - wie er den Angeklagten Y. und I. A. in einem Gespräch erläuterte - für den Bau einer Bombe verwendet werden konnte.
105
Soweit die Beschwerdeführer schließlich zum Beleg ihrer Gegenauffassung eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zitieren (JZ 2000, 993, 994), befasst sich diese mit einem Fall der sog. Rundumüberwachung nicht.
106
III. Weitere Verfahrensrügen
107
Daneben rügen die Revisionen die Verfahrensweise, in der das Oberlandesgericht 141 der überwachten und aufgezeichneten Wohnraumgespräche in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Das angeordnete Selbstleseverfahren beschränke die Öffentlichkeit unzulässig und verstoße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Beanstandet wird weiterhin, das Oberlandesgericht habe die Inhalte der Wohnraumüberwachung im Urteil lückenhaft und selektiv darge- stellt und insoweit den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht erschöpfend seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegt. Gerügt wird ferner die Ablehnung einer Reihe von Beweisanträgen, mit denen die Ladung und Vernehmung syrischer Zeugen beantragt worden war. Die Zeugen - neben Bekannten des Angeklagten K. auch dessen Eltern, Schwester und Bruder - waren im Wesentlichen dazu benannt, den Aufenthalt des Angeklagten K. in seinem Heimatort D. in Syrien in der Zeit von Mitte Oktober 2001 bis Ende April/Anfang Mai 2002 zu bestätigen und so dessen durch die Wohnraumüberwachung ermittelte Darstellung zu erschüttern, er habe sich in diesem Zeitraum als Kämpfer der Al Qaida in Pakistan und Afghanistan aufgehalten. Das Oberlandesgericht hat die Vernehmung der Zeugen unter Aufklärungsgesichtspunkten nicht für erforderlich gehalten und deshalb diese Anträge jeweils nach § 244 Abs. 5 StPO abgelehnt. In gleicher Weise ist das Gericht mit Anträgen verfahren, in denen die Zeugenvernehmung des in US-Gewahrsam im Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba befindlichen Ramzi Binalshibh sowie die des ebenfalls in amerikanischem Gewahrsam befindlichen Zayn Husayn alias "Abu Zubaydah" begehrt worden war.
108
Diese Rügen bleiben aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen sämtlich ohne Erfolg.

109
C. Die Sachrügen
110
I. Beweiswürdigung
111
Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts hält den Maßstäben revisionsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. BGH NJW 2005, 2322, 2326) stand. Die Rechtsmittel zeigen auch mit ihren Einzelausführungen insoweit keinen Rechtsfehler auf, sondern legen - teilweise unter Mitteilung aus dem Urteil nicht ersichtlicher Tatsachen - allein ihre eigene Beweiswürdigung dar.
112
II. § 129 b StGB
113
1. Revision des Angeklagten K.
114
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten K. rechtsfehlerfrei wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) verurteilt.
115
a) Die Wertung des Oberlandesgerichts, die Organisation Al Qaida sei als ausländische terroristische Vereinigung im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB anzusehen, hält auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen im Ergebnis sachlichrechtlicher Prüfung stand.
116
aa) Als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB ist nach bisher in der Rechtsprechung gebräuchlicher Definition der auf eine gewisse Dauer angelegte , freiwillige organisatorische Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (BGHSt 28, 147; 31, 202, 204 f.; 31, 239 f.; 45, 26, 35; BGH NJW 2005, 1668; 2006, 1603; BGHR StGB § 129 Vereinigung 3 m. w. N.). Diese Kriterien liegen nach den Feststellungen für die Al Qaida im Tatzeitraum insbesondere auch mit Blick auf die erforderliche Struktur und Art der Willensbildung der Organisation vor. Hierzu gilt:
117
(1) Für eine Vereinigung in diesem Sinne konstitutiv ist das Bestehen eines Mindestmaßes an fester Organisation mit einer gegenseitigen Verpflichtung der Mitglieder (BGHSt 31, 202, 205; BGH NStZ 1982, 68). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts lagen diese Voraussetzungen für die Zeit bis Herbst 2001 zweifelsfrei vor; denn die Al Qaida war durch eine gefestigte Organisation geprägt, in deren Rahmen die Mitglieder mit verteilten Rollen und im Wege einer koordinierten Aufgabenverteilung zu einem gemeinsamen Zweck zusammenwirkten. Die strukturellen Voraussetzungen einer Vereinigung sind jedoch auch für den Tatzeitraum zu bejahen. Die Feststellungen belegen, dass der seit Herbst 2001 anhaltende Verfolgungsdruck weder auf der Führungsebene noch in den nachgeordneten Bereichen zu einer Zerschlagung der Organisation , sondern lediglich zu einer entsprechenden Anpassung der Strukturen geführt und die hierarchisch gegliederte Kernorganisation der Al Qaida in kommunikativer und operativer Hinsicht einen bedeutenden Rest an Handlungsfähigkeit bewahrt hat, der den erneuten Aufbau festerer Strukturen erlaubt und hierauf auch angelegt ist. Eine solche - möglicherweise nur vorübergehende und taktisch bedingte - Lockerung der Organisationsstruktur führt indes nicht dazu, dass die Gruppierung für diese Phase ihrer Existenz die Eigenschaft als Vereinigung verliert. Insoweit gilt Ähnliches wie für das Fortbestehen der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, das grundsätzlich auch für solche (Zwischen-)Phasen in Betracht kommt, in denen das Mitglied - gegebenenfalls bedingt durch die äußeren Umstände - keine aktiven Tätigkeiten entfaltet (vgl. BGHSt 29, 288, 294; 46, 349, 355 ff.). Hier kommt hinzu, dass nach wie vor ein nach Art, Inhalt und Intensität enges Beziehungsgeflecht der Mitglieder bestand , das auch in der Zeit nach Herbst 2001 die Planung und Ausführung zentral gesteuerter Attentate ermöglichte.
118
(2) Voraussetzung für eine Vereinigung ist daneben die subjektive Einbindung der Beteiligten in die Ziele der Organisation und in deren Willensbildung unter Zurückstellung individueller Einzelmeinungen. Dabei ist die Art und Weise der Willensbildung gleichgültig, solange sie ihrerseits von dem Willen der Mitglieder der Vereinigung getragen wird. Die für alle Mitglieder verbindlichen Regeln über die Willensbildung können etwa dem Demokratieprinzip entsprechen oder auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam aufgebaut sein (BGHSt 31, 239, 240; 45, 26, 35). Die Annahme einer Vereinigung scheidet indes aus, wenn die Mitglieder einer Gruppierung sich nur jeweils für sich der autoritären Führung einer Person unterwerfen, ohne dass diese vom Gruppenwillen abgeleitet wird (BGH NJW 1992, 1518; StV 1999, 424, 425).
119
Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist auch dieses voluntative Element der Vereinigung hinreichend belegt. Nach der ursprünglichen Struktur der Al Qaida in Afghanistan stand an der Spitze der Organisation ein Führungskreis , dem Usama Bin Laden, Aiman Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter verschiedener "Fachausschüsse" angehörten. Die Willensbildung war demnach hierarchisch strukturiert, ohne dass sich allerdings die Mitglieder der Organisation einseitig einer nicht vom Gruppenwillen getragenen Führungsperson unterwarfen. Im Tatzeitraum teilten die Mitglieder der Al Qaida weiterhin die gemeinsame politisch-ideologische Grundhaltung des gewaltbereiten extremistischen Islamismus. Die Gruppierung verfügte nach wie vor mit dem "Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" bis zur Zerstörung der USA und ihrer Verbündeten über eine über den bloßen Zweckzusammenhang der Vereinigung hinausreichende , von allen Mitgliedern getragene Zielsetzung. Der fortwährende, vom Willen der Mitglieder der Al Qaida getragene Führungsanspruch von Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri wird etwa durch deren per Internet oder Massenmedien veröffentlichte Video- und Audiobotschaften manifestiert.
120
bb) Der Senat ist aus diesen Gründen nicht gehalten zu entscheiden, ob dem Oberlandesgericht darin zugestimmt werden kann, dass im Hinblick auf die Gemeinsame Maßnahme des Rates der Europäischen Union vom 21. Dezember 1998 (ABl. EG 1998 Nr. L 351 S. 1) und den Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. EG 2002 Nr. L 164 S. 3) der bisher gebräuchliche Vereinigungsbegriff zu modifizieren ist und die Anforderungen insbesondere an die organisatorischen und voluntativen Voraussetzungen herabzusetzen sind. In der Literatur wird eine derartige "europarechtsfreundliche" Interpretation des Vereinigungsbegriffs teilweise vertreten (Krauß in LK 12. Aufl. § 129 a Rdn. 26; Kress JA 2005, 220, 223 ff.; v. Heintschel-Heinegg in FS für Schroeder S. 799; krit. Rudolphi/Stein in SKStGB § 129 Rdn. 6 b). Auch der Senat hat eine derartige Neubestimmung zunächst grundsätzlich in den Blick genommen, ohne sich indes im Einzelnen hierzu zu verhalten (BGH NJW 2006, 1603); zuletzt hat er jedoch insbesondere für die kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB vor dem Hintergrund des abgestuften Systems der Strafbarkeit von Tatvollendung, Versuch und Vorbereitungshandlung , der erforderlichen Abgrenzbarkeit der Vereinigung von einer Bande oder nur mittäterschaftlichen Zusammenschlüssen sowie der prozessualen Folgewirkungen Bedenken geäußert (BGHR StGB § 129 Vereinigung 3). Diese Vorbehalte gegen eine erweiternde Auslegung des Vereinigungsbegriffs werden bei Berücksichtigung des Strafzwecks der Vereinigungsdelikte noch verstärkt: Die §§ 129 ff. StGB sollen die erhöhte kriminelle Intensität erfassen, die in der Gründung oder Fortführung einer fest gefügten, auf die Begehung von Straftaten angelegten Organisation ihren Ausdruck findet und die kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte Gefährlichkeit in sich birgt. Diese Eigendynamik führt typischerweise dazu, dass dem einzelnen Beteiligten die Begehung von Straftaten erleichtert und bei ihm das Gefühl der persönlichen Verantwortlichkeit zurückgedrängt wird. Der Strafgrund der in diesem Sinne verstandenen spezifischen vereinigungsbezogenen Gefährlichkeit der Organisation geriete jedoch aus dem Blick, wenn Abstriche an den bisherigen Voraussetzungen hinsichtlich der Struktur der Vereinigung sowie der Willensbildung und -unterordnung ihrer Mitglieder zugelassen würden; denn nur eine ausreichend enge Verbindung der Mitglieder sowie ein entsprechender Gruppenwille schaffen die spezifischen Gefahren einer für die Vereinigung typischen, vom Willen des Einzelnen losgelösten Eigendynamik. All diese Gesichtspunkte sind gleichermaßen bei der Auslegung des Begriffs der terroristischen Vereinigung nach §§ 129 a, 129 b StGB von Bedeutung; im Übrigen spricht auch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und -klarheit dagegen, ein wortgleiches Tatbestandsmerkmal in einem Qualifikationstatbestand anders auszulegen als in der Grundnorm (aA Krauß aaO § 129 a Rdn. 26 aE).
121
Der Senat hält deshalb an seinen Bedenken gegen die vom Oberlandesgericht vorgenommene Begriffsbestimmung fest. Er ist entgegen der Auffassung der Revision allerdings nicht gehindert, auf der Basis der Feststellungen des Oberlandesgerichts eine von dessen Rechtsansicht abweichende Auffassung zu vertreten und seiner rechtlichen Bewertung den herkömmlichen Vereinigungsbegriff zugrunde zu legen.
122
b) Der Angeklagte K. hat sich an der Al Qaida als Mitglied beteiligt.
123
Die mitgliedschaftliche Beteiligung erfordert, dass der Täter sich unter Eingliederung in die Organisation deren Willen unterordnet und eine Tätigkeit zur Förderung der Ziele der Organisation entfaltet. Notwendig ist eine auf Dauer oder zumindest längere Zeit angelegte Teilnahme am "Verbandsleben" (BGHSt 18, 296, 299 f.; BGH NStZ 1993, 37, 38).
124
Nach den Feststellungen schloss der Angeklagte K. sich der Al Qaida während eines Aufenthalts in einem von dieser betriebenem Ausbildungslager in Afghanistan an. Er begab sich aufgrund des Verfolgungsdrucks nach dem Herbst 2001 absprachegemäß zurück nach Deutschland und nahm hier Rekrutierungs - und Beschaffungsmaßnahmen für die Vereinigung vor. Dass das Oberlandesgericht während dieser Zeit keinen Kontakt des Angeklagten zur Führungsebene der Al Qaida festgestellt hat, steht vor dem Hintergrund dieser gewichtigen, fortdauernden, im Einverständnis mit der Führungsebene entfalteten und auf eine aktive Beteiligung an der Organisation gerichteten Tätigkeiten der Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung nicht entgegen (vgl. BGHSt 46, 349, 356 f.). Hinzu kommt, dass der Aufenthalt des Angeklagten in Deutschland nicht auf Dauer angelegt war. Vielmehr wollte er sich zurück in ein "Jihadland" begeben und sich dort erneut den kämpfenden Verbänden der Al Qaida anschließen. Aus alldem ergibt sich, dass die Mitgliedschaft des Angeklagten in der Al Qaida zu keinem Zeitpunkt beendet war; vielmehr bestand sie während des Tatzeitraums unvermindert fort. Die Leistung des Treueids auf Usama Bin Laden durch den Angeklagten war entgegen dem Vorbringen der Revision zum Erwerb der Mitgliedschaft nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht konstitutiv.
125
2. Revision des Angeklagten Y. A.
126
a) Für den Angeklagten Y. A. belegen die Feststellungen des Urteils dagegen nicht, dass dieser sich an der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida als Mitglied beteiligt hat; denn es fehlt an einer ausreichenden, von einem übereinstimmenden Willen der Organisation und des Angeklagten getragenen Eingliederung in die Vereinigung.
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Das Oberlandesgericht hat im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung die mitgliedschaftliche Beteiligung dieses Angeklagten an Al Qaida zum einen daran angeknüpft, dass er sich mit hohem Zeitaufwand und als Hauptakteur der Umsetzung der Versicherungsbetrügereien gewidmet habe. Zum anderen habe er finanzielle Mittel beschaffen wollen, die seine eigene Teilnahme und diejenige des Angeklagten K. am bewaffneten Jihad auf Seiten der Al Qaida ermöglichen sollten. Damit hat das Oberlandesgericht bei seiner Beurteilung wesentliche Kriterien, die für die Mitgliedschaft in einer Vereinigung maßgeblich sind, außer Acht gelassen. Im Einzelnen:
128
Die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, bedarf regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter nie an einem Ort befunden hat, an dem Vereinigungsstrukturen bestehen, und seine Verbindung zu der Vereinigung ausschließlich in dem Kontakt zu einem in Deutschland befindlichen Mitglied der Organisation besteht. Denn die Beteiligung als Mitglied setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Die Begehungsform der mitgliedschaftlichen Beteiligung kommt im Unterschied zu den Tathandlungen des Werbens für die oder des Unterstützens der Vereinigung nur in Betracht , wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert (Krauß aaO § 129 Rdn. 110). Zwar ist hierfür eine organisierte Teilnahme am Leben der Vereinigung nicht erforderlich, weshalb es etwa einer förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft mit etwa listenmäßiger Erfassung, Zahlung von Mitgliedsbeiträgen oder gar Ausstellung eines Mitgliedsausweises nicht bedarf (BGHSt 18, 296, 299 f.; 29, 114, 121; Rebmann NStZ 1989, 97, 100 Fn. 27). Notwendig ist allerdings, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Hierfür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied (BGHSt 18, 296, 300; 29, 114, 123; BGH NStZ 1993, 37, 38; Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 129 Rdn. 13). Auch ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern (Krauß aaO § 129 Rdn. 105). Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (BGH NStZ 1993, 37, 38).
129
Danach liegen die Voraussetzungen für eine Beteiligung des Angeklagten Y. A. als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida nicht vor. Der Angeklagte war nicht in der erforderlichen Weise in die Organisationsstrukturen der Al Qaida eingebunden. Er war zu keinem Zeitpunkt etwa in Afghanistan, Pakistan oder dem Irak und hatte keine Verbindung zu den Führungspersonen oder den sich dort aufhaltenden Mitgliedern der Organisation. Es ist nicht festgestellt, dass außer seiner einzigen Kontaktperson , dem sich mit ihm in Deutschland befindenden Angeklagten K. , irgendein sonstiges Mitglied der Al Qaida überhaupt Kenntnis von ihm hatte. Unter diesen Umständen kann bereits von einer mit einer Teilnahme am Verbandsleben verbundenen Stellung des Angeklagten Y. A.
innerhalb der Vereinigung, wie sie für eine Beteiligung als Mitglied konstitutiv ist, keine Rede sein.
130
Eine willentliche Übereinstimmung zwischen der Vereinigung und dem Angeklagten bezüglich seiner Einbindung in die Organisation ist aus den dargelegten Gründen ebenfalls nicht feststellbar. Die Mitgliedschaft des Angeklagten lässt sich insoweit auch nicht mit der festgestellten Übung der Al Qaida begründen , im Tatzeitraum Mitglieder u. a. in europäische Länder mit dem Auftrag zu senden, dort für die Vereinigung rekrutierend tätig zu werden und den zuvor zum Erwerb der Mitgliedschaft üblichen Treueid auf Usama Bin Laden durch eine einseitige Erklärung der Loyalität durch die rekrutierte Person sowie deren Tätigkeit für die Organisation zu ersetzen. Die auf diese Weise angeworbenen Anhänger mögen zwar durch ihr - wie auch immer im Einzelfall geartetes - Eintreten für die Ziele der Al Qaida dieser als Unterstützer im untechnischen Sinne nützlich und willkommen sein; sie sind indes nicht ohne Weiteres, sondern nur dann als Mitglieder der Organisation im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB anzusehen , wenn die oben dargelegten Voraussetzungen gegeben sind. Der Angeklagte konnte deshalb nicht allein dadurch zum Mitglied der Al Qaida werden, dass er einen besonderen Einsatz zeigte sowie seinen Willen zu einer dauerhaften Beteiligung an der Organisation durch den Wunsch manifestierte, nach Erlangung der zur Versorgung seiner Familie erforderlichen wirtschaftlichen Mittel am Jihad im Irak teilzunehmen, selbst wenn dies das Einverständnis seiner einzigen Kontaktperson der Al Qaida, des Angeklagten K. , fand.
131
Ob dies möglicherweise anders zu beurteilen wäre, wenn der Angeklagte K. von der Al Qaida den Auftrag und gleichsam die Vollmacht erhalten hätte , allein und ohne Rücksprache mit der Organisation neue Mitglieder im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in die Vereinigung aufzunehmen, hat der Senat nicht zu entscheiden. Denn weder ein derartiger Auftrag durch die Al Qaida noch eine solch weitgehende Befugnis des Angeklagten K. ist durch die Feststellungen belegt. Der Senat kann den - freilich nicht an allen Stellen vollständig übereinstimmenden - Feststellungen im Ergebnis lediglich entnehmen, dass K. sich nach Deutschland begab, um hier für die Al Qaida "autonom terroristische Operationen zu planen und hierfür geeignetes Personal heranzuziehen" (UA S. 22) bzw. "zu arbeiten" (UA S. 27, 221). Aus diesen Formulierungen kann die spezielle Beauftragung zur Rekrutierung und Aufnahme echter Vereinigungsmitglieder nicht abgeleitet werden. Zudem lassen die Feststellungen zur Stellung des Angeklagten K. innerhalb der Al Qaida lediglich erkennen, dass er in der Hierarchie noch unterhalb der "Emire" stand. Hieraus ist zu schließen, dass es sich bei ihm trotz seiner persönlichen Bekanntschaft mit Usama Bin Laden lediglich um ein gewöhnliches Mitglied der Organisation handelte, das nicht in herausgehobener Position tätig war. Die Annahme, dass ein derartiges "normales" Mitglied die weitreichende Befugnis hatte, aufgrund eigener Entscheidung neue Mitglieder in die Organisation aufzunehmen, wird von den Feststellungen auch bei Berücksichtigung von deren Gesamtzusammenhang nicht getragen. Diese belegen vielmehr lediglich, dass der Angeklagte K. vorgab, die Möglichkeit zu haben, Interessenten durch die Abgabe einer Empfehlung den Zugang zu einer kämpfenden Organisation an einem "Jihadschauplatz" im Ausland zu erleichtern (UA S. 42, 294).
132
Gegen eine darüber hinausgehende Bevollmächtigung des Angeklagten K. spricht im Übrigen auch der Vergleich zur festgestellten Praxis der Gewinnung von Vereinigungsmitgliedern in der Zeit vor Herbst 2001. Damals reichte noch nicht einmal das Durchlaufen einer "normalen" Ausbildung in einem Lager in Afghanistan aus. Die Mitglieder der Al Qaida wurden vielmehr unter denjenigen Personen ausgesucht, die sich als besonders qualifiziert erwiesen und deshalb eine Spezialausbildung erhalten hatten. Hieraus folgt, dass die Al Qaida ihrerseits an die "Kandidaten" gewisse Anforderungen stellte, die diese erfüllen mussten, um Mitglied der Vereinigung werden zu können. Nach den Feststellungen ist nicht zu erkennen, dass diese Anforderungen aufgegeben wurden, als aufgrund des Verfolgungsdrucks eine "Reorganisation durch Dezentralisierung" erfolgte. In dieser Phase sollten zwar u. a. in Europa neue Kämpfer für den Jihad angeworben werden; es ist jedoch nichts dafür ersichtlich , dass die Al Qaida zu dieser Zeit jeden in einem europäischen Land befindlichen Interessenten ohne weitere Überprüfung wahllos als Mitglied im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in ihre Organisation aufnehmen wollte.
133
b) Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte Y. A. allerdings wegen Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar gemacht (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB).
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Nach ständiger Rechtsprechung unterstützt eine terroristische Vereinigung , wer, ohne selbst Mitglied der Organisation zu sein, deren Tätigkeit und terroristische Bestrebungen direkt oder über eines ihrer Mitglieder fördert. Dabei kann sich die Förderung richten auf die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt, auf die Erleichterung einzelner von ihr geplanter Straftaten, aber auch allgemein auf die Erhöhung ihrer Aktionsmöglichkeiten oder die Stärkung ihrer kriminellen Zielsetzung. Nicht erforderlich ist, dass der Organisation durch die Tathandlung ein messbarer Nutzen entsteht. Vielmehr genügt es, wenn die Förderungshandlung an sich wirksam ist und der Organisation irgendeinen Vorteil bringt; ob dieser Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ih rer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (BGHSt 51, 345, 348 f.).
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Ein tatbestandliches Unterstützen liegt demgegenüber nicht vor, wenn die Handlung der Vereinigung von vornherein nicht nützlich war und sein konnte (vgl. BGH bei Schmidt MDR 1981, 91; Krauß aaO § 129 Rdn. 133). Es scheidet darüber hinaus auch dann aus, wenn die unterstützende Handlung sich der Sache nach als Werben für die Vereinigung darstellt. Wirbt der Täter um Mitglieder oder Unterstützer der terroristischen Vereinigung, kommt seine Strafbarkeit - nur - nach § 129 a Abs. 5 Satz 2 StGB in Betracht; wirbt er lediglich für die Ideologie oder Ziele der Vereinigung, bleibt er grundsätzlich straflos (BGHSt 51, 345). Die hieraus folgende Privilegierung des Werbens für eine Vereinigung ist durch die entsprechende Änderung der §§ 129, 129 a StGB durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. August 2002 (BGBl I 3390) sowie das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2836) bedingt und auf diese Tathandlung beschränkt ; sie führt insbesondere nicht dazu, dass für die sonstigen Erscheinungsformen möglicher Unterstützungshandlungen vergleichbare Einschränkungen gelten etwa mit der Folge, dass die Anforderungen an den notwendigen Vorteil der Unterstützungshandlung für die Vereinigung generell zu erhöhen wären.
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Nach alldem ist als tatbestandliche Unterstützung jedes Tätigwerden anzusehen , das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung unmittelbar fördert, die Realisierung der von der Vereinigung geplanten Straftaten - wenn auch nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung der Vereinigung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr wesenseigene Gefährlichkeit festigt (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 139; Miebach/Schäfer in MünchKomm-StGB § 129 Rdn. 83), solange diese Tätigkeit sich nicht als Werben für eine Vereinigung darstellt. Aufgrund des aus der besonderen Tatbestandsstruktur der Vereinigungsdelikte folgenden Verhältnisses der einzelnen Tathandlungen zueinander umfasst das Unterstützen einer Vereinigung daher auch Sachverhaltsgestaltungen , die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten wären (BGHSt 51, 345, 350 f.). Da als Effekt des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt , regelmäßig bereits hierin ein ausreichender Nutzen für die Vereinigung zu sehen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Täter ein Mitglied der Vereinigung bei der Erfüllung einer Aufgabe unterstützt, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist. Denn die Mitwirkung an der Erfüllung eines Auftrags, den die Vereinigung selbst einem Mitglied erteilt hat, erweist sich nicht nur allein für das betroffene Mitglied als im hier relevanten Sinne vorteilhaft; der ausreichende , nicht notwendigerweise spezifizierte Nutzen wirkt sich in einem solchen Fall vielmehr auch auf die Organisation als solche in vergleichbarer Weise aus wie in den Fällen, in denen die Mitglieder in ihrem Entschluss gestärkt werden, die Straftaten zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder ihrer Tätigkeit entsprechen (BGHSt 32, 243, 244). Eines noch weiter gehenden Vorteils für die Vereinigung bedarf es deshalb in diesen Fallgestaltungen nicht.
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In derartigen Fällen wird die gleichzeitig verwirklichte Beihilfe des Täters zur mitgliedschaftlichen Beteiligung des Dritten an der Vereinigung durch das täterschaftliche Unterstützen der Vereinigung verdrängt. Ob daneben Fallge- staltungen denkbar sind, in denen sich die Tathandlung lediglich als Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, nicht aber als Unterstützen der Vereinigung darstellt, kann hier offen bleiben.
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Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte Y. A. die terroristische Vereinigung Al Qaida unterstützt. Der Angeklagte hat sich in maßgebender Funktion an den Versicherungsbetrügereien beteiligt, die u. a. dazu dienten, finanzielle Mittel für die Al Qaida zu erschließen. Durch diese Tätigkeit hat er die entsprechenden Bemühungen des Al Qaida-Mitglieds K. unterstützt, die für diesen wiederum Teil seiner mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Organisation waren. Die Förderung der Betätigungen des Angeklagten K. wirkte sich für diesen auch vorteilhaft aus; denn er wurde zum einen in dem Entschluss gestärkt, Straftaten zu begehen, die dem Fortbestand der terroristischen Vereinigung dienten und musste zum anderen darüber hinaus die Tätigkeiten, die der Angeklagte Y. A. entfaltete, nicht selbst vornehmen oder eine andere Person hierfür gewinnen. Die Beschaffungsbemühungen des Angeklagten K. dienten gerade der Erfüllung der allgemeinen Order, mit der er von der Al Qaida für seine in Deutschland zu verbringende Zeit betraut worden war. Damit wurden auch die Bestrebungen der Vereinigung insgesamt ausreichend gefördert. Der Vollendung der Tat steht nach alldem insbesondere nicht entgegen, dass es hier letztlich in keinem Fall zu einer Auszahlung der Versicherungssumme an die Beteiligten und demnach auch nicht zu einer Weiterleitung eines Teils des Erlöses an die Organisation kam.
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3. Revision des Angeklagten I. A.
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Die Verurteilung des Angeklagten I. A. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
141
Die Tatbeiträge des Angeklagten I. A. stellen inhaltlich ebenso wie diejenigen des Angeklagten Y. A. eine Beihilfe zur Beteiligung des Angeklagten K. als Mitglied an der Al Qaida dar; denn mit ihnen förderte der Angeklagte I. A. die Bemühungen des Angeklagten K. , seinen ihm von der Al Qaida erteilten Auftrag zu erfüllen. Sie bewirkten somit im Ergebnis ebenfalls für die Vereinigung als solche einen ausreichenden Effekt.
142
Soweit der Senat in seiner Haftprüfungsentscheidung vom 19. Mai 2005 (BGHR StGB § 129 a Abs. 5 Unterstützen 1) Bedenken dagegen geäußert hat, dass die Tatbeiträge des Angeklagten als vollendetes Unterstützen zu werten seien, beruhte dies auf der dem damaligen Ermittlungsstand, wonach sich die Tätigkeit des Angeklagten auf die Zusage beschränkte, von der in der Zukunft zu erwartenden Beute einen Teil an die Vereinigung abzugeben. Der Senat ist im Revisionsverfahren auf der Basis der Feststellungen des tatgerichtlichen Urteils nicht gehalten zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen für ein Unterstützen der Vereinigung allein die Zusage eines Nichtmitglieds ausreicht, eine Handlung vorzunehmen, die sich auf die Organisation irgendwie vorteilhaft auswirken kann (vgl. hierzu auch BGHR StGB § 129 a Abs. 3 Unterstützen 4); denn nach diesen Feststellungen war die Tätigkeit des Angeklagten nicht auf die Abgabe einer derartigen Zusage beschränkt. Der Angeklagte wirkte vielmehr an den Versicherungsbetrügereien insgesamt mit, indem er selbstständig recherchierte und an Besprechungen in allgemein beratender Funktion teilnahm. Zudem war er damit einverstanden, als Bezugsberechtigter für die Versicherungssummen aufzutreten. Mit seiner diesbezüglichen Zusage leistete er somit einen erheblichen Beitrag für die Durchführung der einzelnen Betrugsstraftaten. Die Tätigkeiten des Angeklagten begründeten deshalb - wenn sie auch hinter denjenigen des Angeklagten Y. A. zurückblieben - jedenfalls bei einer Gesamtschau einen hinreichenden Vorteil für die Vereinigung im oben näher dargestellten Sinn.
143
144
Die Verurteilung der Angeklagten wegen versuchten "bandenmäßigen" Betrugs in 28 Fällen hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis nicht in vollem Umfang stand und bedarf hinsichtlich aller Angeklagter teilweise der Abänderung. Entgegen der Würdigung des Oberlandesgerichts tritt in den hier vorliegenden Fällen betrügerischer Eingehung von Lebensversicherungsverträgen der Schaden bei den getäuschten Versicherungsunternehmen nicht erst mit Auszahlung der jeweiligen Versicherungsleistung, sondern bereits mit Abschluss der Versicherungsverträge ein. Damit ist der Betrug in neun Fällen vollendet , in den übrigen Fällen jeweils durch die Beantragung von Versicherungsverträgen versucht worden. Die Beanstandung der Revisionen, es habe sich wegen der geplanten, in ferner Zukunft liegenden Vortäuschung des Todes bei den Anträgen auf Vertragsabschluss jeweils nur um straflose Vorbereitungshandlungen gehandelt, geht daher fehl.
145
An den Betrugstaten der Angeklagten Y. A. und K. beteiligte sich der Angeklagte I. A. erst nach dem 21. September 2004. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts können ihm die vorher begangenen Betrugshandlungen der beiden Mitangeklagten nicht über die Rechtsfigur der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden. Damit erfüllen auch erst die nach diesem Zeitpunkt verwirklichten Taten das Regelbeispiel des bandenmäßigen Betrugs.
146
Dazu im Einzelnen:
147
1. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts gelang es dem Angeklagten Y. A. in neun Fällen (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30 und 33), Versicherungsunternehmen durch falsche Angaben jeweils zum Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages zu veranlassen und damit die Deckung des Todesfallrisikos zu übernehmen. Bereits mit dem Vertragsschluss war unter den gegebenen - in der Praxis selten vorkommenden, zumindest selten nachweisbaren, hier allerdings ausdrücklich festgestellten - Umständen der Vermögensbestand der Versicherungsunternehmen gemindert und damit der Versicherungsbetrug vollendet.
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a) Der Angeklagte täuschte bei der Antragstellung jeweils in mehrfacher Hinsicht über innere und äußere Tatsachen. So verneinte er ab Fall 3 stets wahrheitswidrig eine Vorerkrankung und in den meisten Fällen (mit Ausnahme der Fälle 1, 2, 13, 18, 19, 25 und 26) die Fragen nach anderen bestehenden oder beantragten Lebensversicherungsverträgen.
149
Insbesondere täuschte der Angeklagte in allen Fällen konkludent darüber , einerseits zukünftig dauerhaft nach den Vertragsbedingungen die Versicherungsprämien zahlen zu wollen und zu können sowie andererseits bereit zu sein, den beantragten Versicherungsschutz seinem Zweck entsprechend allein zur Abdeckung des zukünftigen Risikos eines ungewissen Schadenseintritts zu nutzen (zur Absicht der rechtswidrigen Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen als tauglicher Gegenstand einer Täuschung vgl. Lindenau, Die Betrugsstrafbarkeit des Versicherungsnehmers aus strafrechtlicher und kriminologischer Sicht S. 164).
150
Über die innere Tatsache, sich nicht vertragstreu verhalten zu wollen, ist eine konkludente Täuschung möglich. Die Vertragspartner dürfen ein Minimum an Redlichkeit im Rechtsverkehr, das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen (vgl. Cramer/Perron in Schönke/Schröder aaO § 263 Rdn. 14/15). Deshalb ist die Erwartung, dass keine vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht, unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Willensbekundungen. Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird (BGHSt 51, 165, 171).
151
Da die Manipulation des Vertragsgegenstandes eines Lebensversicherungsvertrags in der Form der Vortäuschung des Versicherungsfalles - ähnlich wie diejenige einer Sportwette (vgl. dazu BGHSt aaO S. 172) - zwangsläufig erst nach Vertragsschluss stattfinden kann, bezieht sich die konkludente Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits durchgeführte, sondern auf eine beabsichtigte Manipulation. Für die Täuschung kommt es dabei nicht darauf an, inwieweit die geplanten Beeinflussungen bereits ins Werk gesetzt sind.
152
Diese Täuschung ist tatbestandsmäßig im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB. Sie war unentbehrlich, um zu dem nach dem Tatplan notwendigen Zwischenziel , dem Abschluss des Versicherungsvertrags, zu gelangen. Dass es danach noch einer weiteren Täuschung (über den Eintritt des Versicherungsfalls) bedurfte , um das eigentliche Endziel der Auszahlung der Versicherungssumme zu erreichen, ist demgegenüber für die Täuschungshandlung rechtlich ohne Belang.
153
b) Den Vorstellungen des Angeklagten entsprechend ist bei den Versicherungsunternehmen aufgrund der Täuschung jeweils eine entsprechende Fehlvorstellung über die Leistungsbereitschaft sowie die Vertragstreue des Angeklagten und damit über den Umfang des zu übernehmenden Risikos eingetreten. Dieser Irrtum war (mit)ursächlich für den jeweiligen Vertragsabschluss durch den Versicherer.
154
c) Mit dem Vertragsabschluss ist bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen ein Vermögensschaden eingetreten.
155
aa) Der Vermögensschaden beim Betrug ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch einen Vermögensvergleich mit wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln (BGHSt 45, 1, 4; BGH NStZ 1996, 191; 1997, 32, 33).
156
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug), wie er hier in Rede steht, ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen. Ob ein Vermögensschaden eingetreten ist, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der Vermögenslage vor und nach diesem Zeitpunkt. Zu vergleichen sind demnach die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen (BGHSt 16, 220, 221; 45, 1, 4). Bleibt der Anspruch auf die Leistung des Täuschenden in seinem Wert hinter der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurück, so ist dieser geschädigt (BGHSt 16 aaO).
157
Für die Beurteilung des Vermögenswertes von Leistung und Gegenleistung kommt es weder auf den von den Vertragsparteien vereinbarten Preis an (BGHSt 16, 220, 224) noch darauf, wie hoch der Verfügende subjektiv ihren Wert taxiert (BGHSt 16, 321, 325). Entscheidend für den Vermögenswert von Leistung und Gegenleistung ist vielmehr das vernünftige Urteil eines objektiven Dritten (BGHSt 16, 220, 222; 16, 321, 326; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 70 m. w. N.).
158
bb) Daran gemessen ist ein solcher Schaden bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen hier zu bejahen. Mit dem Vertragsabschluss war es mit der Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme im Todesfall belastet. Dem stand die Verbindlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber, an den Versicherer bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit die Prämien zu zahlen. Die Prämie ist der Preis, den der Versicherungsnehmer dafür zu entrichten hat, dass der Versicherer bei Eintritt des Versicherungsfalls die Versicherungssumme leistet. Sie muss in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem Versicherungsschutz stehen (vgl. hierzu Lindenau aaO S. 217 f.). Der Versicherer kalkuliert die Versicherungsprämien unter Berücksichtigung seiner allgemeinen Kosten (u. a. Abschlussprovision, Betriebskosten) auf der Basis von sog. Sterbetafeln, die eine aus der Erfahrung der Vergangenheit gewonnene wahrscheinliche Lebenszeit des Versicherten ausdrücken. Hinzu kommen ggf. Zuschläge für besondere Risiken. In die Prämienkalkulation geht die voraussichtliche Lebensdauer des Versicherten ebenso ein wie die Anzahl der Prämien, die - vorbehaltlich eines vorzeitigen Todes - bis zum Ablauf der Versicherungszeit zu zahlen sind. Im Normalfall besteht zwischen Leistung und Gegenleistung ein Äquivalent.
159
Hier stellte die Prämie indessen keinen entsprechenden Ausgleich für die mit dem Vertrag eingegangenen Verpflichtungen dar; denn der Angeklagte war von vornherein entschlossen, den Versicherungsfall zu fingieren, und hatte in Form der Verabredungen zuerst mit dem Mitangeklagten K. , später auch mit dem Mitangeklagten I. A. , bereits mit konkreten Vorbereitungen begonnen. Der jeweilige Versicherer war daher mit Abschluss des Vertra- ges rein wirtschaftlich gesehen nicht - wie von ihm angenommen - nur mit einer aufschiebend bedingten Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme für den Fall belastet, dass sich das - nach allgemeinen Maßstäben bewertete - Risiko des Todeseintritts während der Vertragslaufzeit verwirklichen sollte. Vielmehr war seine Inanspruchnahme aufgrund der von den Angeklagten beabsichtigten Manipulation des Vertragsgegenstandes sicher zu erwarten. Der entsprechenden Forderung hätte er sich nur durch den Beleg der Unredlichkeit des Versicherungsnehmers, etwa durch den Nachweis der Unrichtigkeit der ägyptischen Todesbescheinigung, entziehen können. Damit war die Leistungswahrscheinlichkeit gegenüber dem vertraglich vereinbarten Einstandsrisiko signifikant erhöht.
160
Bei dem Vergleich der wechselseitigen Ansprüche von Versicherer und Versicherungsnehmer bleibt außer Betracht, dass der Versicherer, sofern er Kenntnis von den tatsächlichen Hintergründen des Vertragsschlusses erlangen würde, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 BGB; vgl. § 22 VVG) oder sich in anderen Konstellationen, etwa gemäß § 74 Abs. 2 VVG, auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen könnte; denn diese Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, soll dem getäuschten Versicherer gerade verborgen bleiben (vgl. RGSt 48, 186, 189; BGH StV 1985, 368 m. w. N.; Fischer aaO § 263 Rdn. 103 m. w. N.).
161
Dafür, dass bereits mit dem Vertragsabschluss beim Versicherer ein Vermögensschaden eingetreten ist, spricht nicht zuletzt auch die zivilrechtliche Betrachtung. Insoweit ist anerkannt, dass der Versicherer gegenüber dem täuschenden Versicherungsnehmer nicht nur die Möglichkeit der Anfechtung des Vertrages hat. Daneben kommt vielmehr auch eine Schadensersatzhaftung des Versicherungsnehmers aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB) in Betracht mit der Folge, dass der getäuschte Versicherer gemäß § 249 BGB die Rückgängigmachung des Vertrages verlangen kann (vgl. BGH NJW 1998, 302, 303). Insoweit besteht die Möglichkeit, dass allein durch die mit dem Vertragsabschluss eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen ein Vermögensschaden begründet wird, wenn der Wert der Gegenleistung hinter dem Wert der Verpflichtungen zurückbleibt (vgl. BGH aaO S. 304).
162
Nach alldem ist in den Fällen, in denen es zum Abschluss des Lebensversicherungsvertrags kam, beim Versicherer ein Schaden entstanden, so dass insoweit jeweils ein vollendeter Eingehungsbetrug vorliegt. Die dem Tatplan entsprechende spätere Auszahlung der Versicherungssummen hätte lediglich zu einer Schadensvertiefung geführt und den Eingehungs- zum Erfüllungsbetrug werden lassen. Auch insoweit ist es für die rechtliche Bewertung ohne Belang , dass hierzu und damit zum Eintritt des endgültigen Verlustes des Versicherers noch eine weitere erfolgreiche Täuschung über den Eintritt des Versicherungsfalls erforderlich gewesen wäre.
163
Zweifel daran, dass der jeweilige Versicherer bereits mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages in seinem Vermögen geschädigt war, bestehen auch nicht deswegen, weil sich die Bestimmung der Schadenshöhe als problematisch erweist. Insoweit könnte sich eine Berechnung nach bilanziellen Maßstäben (so BGH StV 2009, 242) etwa deswegen als schwierig darstellen, weil es für die Bewertung der Verpflichtung aus einem täuschungsbedingt abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag keine anerkannten Richtgrößen gibt. Diese Schwierigkeiten lassen indes den Schaden nicht entfallen. Sie führen lediglich dazu, dass der Tatrichter grundsätzlich unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege der Schätzung Mindestfeststellungen zu treffen hat (vgl.
BGH aaO S. 243). Hierzu wird er sich erforderlichenfalls der Hilfe von Sachverständigen aus den Gebieten der Versicherungsmathematik bzw. der Versicherungsökonomie und/oder des Bilanzwesens bedienen. Unter den hier gegebenen Umständen (vgl. unten VI.) war dies indes nicht geboten.
164
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit bisheriger Rechtsprechung zum Eingehungsbetrug.
165
So hat bereits das Reichsgericht (RGSt 48, 186) einen Vermögensschaden des Feuerversicherers in dem bloßen Abschluss eines Versicherungsvertrages gesehen, auf den die Versicherungsnehmer unter Angabe eines unzutreffend hohen Versicherungswerts in der Absicht angetragen hatten, die versicherten Sachen alsbald in Brand zu setzen und dadurch in den Besitz der Versicherungssumme u. a. auch für Gegenstände zu kommen, die gar nicht vorhanden waren. Es hat dabei ausgeführt, dass der Prämienanspruch, den die Gesellschaft erhielt, nur den Ausgleich bildete "für die gegenüber einem vertragstreuen Vertragsgegner übernommene Verpflichtung zur Gefahrtragung. Dieser Anspruch verlor an Wert und büßte ihn im wesentlichen ein bei den Angeklagten , die überhaupt nicht die Absicht hatten, ihr Verhalten dem Vertrage gemäß einzurichten, … sondern im Gegenteil entschlossen waren, mit Hilfe des Scheines eines Vertrags die Gesellschaft zu einer vermögensrechtlichen Aufwendung , der Zahlung der Brandentschädigung, zu veranlassen." Die Vermögensminderung (damals bezeichnet als Vermögensgefährdung) sah das Reichsgericht darin, dass sich die Versicherungsgesellschaft täuschungsbedingt vertraglich verpflichtete, "eine weit größere Gefahr (vermögensrechtlichen Inhalts) zu tragen, als sie dem in der Prämie ausgedrückten, demgemäß auch vereinbarten gewöhnlichen Verlaufe der Dinge entsprach, und die Möglichkeit einer die Gesellschaft treffenden tatsächlichen Einbuße an ihrem Vermögen war bei der von den Angeklagten in Aussicht genommenen alsbaldigen Brandstiftung unmittelbar gegeben" (RGSt 48, 186, 190).
166
Auch der Bundesgerichtshof hat den Betrug schon als vollendet angesehen mit dem Vertragsschluss über die Lieferung von Feinkohle, bei dem der Angeklagte von Anfang an beabsichtigt hatte, lediglich minderwertigen Kohlenschlamm zu liefern (BGH NJW 1953, 836). Er hat ausgeführt, dass beim Eingehungsbetrug eine "Vermögensgefährdung" schon darin bestehen kann, dass der Geschädigte überhaupt in vertragliche Beziehungen zu einem böswilligen Vertragspartner getreten ist, der von vornherein darauf ausging, den Vertragspartner unter planmäßiger Ausnutzung eines beim Vertragsschluss durch Vorspiegelung von Tatsachen erregten Irrtums zur späteren Entgegennahme einer vertragswidrigen Leistung zu veranlassen.
167
Einen vollendeten Eingehungsbetrug hat der Bundesgerichtshof zuletzt auch in dem betrügerisch veranlassten Eingehen eines Risikogeschäfts gesehen , das mit einer nicht mehr vertragsimmanenten Verlustgefahr verbunden ist (BGH NJW 2009, 2390). Er hat dabei ausgeführt, der mit der Vermögensverfügung unmittelbar eingetretene Vermögensschaden sei durch das Verlustrisiko im Zeitpunkt der Vermögensverfügung bestimmt.
168
d) Entgegen der Ansicht der Revisionen steht auch das Erfordernis der Stoffgleichheit einer Strafbarkeit des Angeklagten nicht entgegen. Der rechtswidrige Vermögensvorteil, den der Täter für sich oder einen Dritten erlangen will, muss die Kehrseite des Schadens sein. Unmittelbare Folge des Vertragsabschlusses war für den Angeklagten die Verbesserung seiner Vermögenssituation. Diese bestand darin, dass der getäuschte Lebensversicherer die Deckung des Risikos zu nicht äquivalenten Konditionen übernahm und dem Ange- klagten die Möglichkeit eröffnete, diese Risikodeckung zur Fingierung des Todesfalles auszunutzen.
169
2. Dementsprechend setzte der Angeklagte Y. A. in 19 weiteren Fällen (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) zur Begehung eines Eingehungsbetrugs unmittelbar an, indem er mit täuschenden Angaben in den Anträgen die Versicherungsunternehmen jeweils zum Abschluss entsprechender Verträge zu veranlassen suchte. Mit der Einreichung des Antrags nahm er diejenige Täuschungshandlung vor, die nach seiner Vorstellung dazu ausreichte, denjenigen Irrtum hervorzurufen, der den Getäuschten zu der schädigenden Vermögensverfügung bestimmen und damit den Schaden herbeiführen sollte (vgl. BGHSt 37, 294, 296).
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Die Einwände der Revisionen, die Angeklagten hätten noch nicht unmittelbar zur Tatbegehung angesetzt, sondern seien lediglich im Stadium der straflosen Vorbereitungshandlungen verblieben, haben deshalb im Ergebnis keinen Erfolg. Sie sind lediglich im Ausgangspunkt insoweit berechtigt, als die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts, in allen Fällen habe ein versuchter Erfüllungsbetrug vorgelegen, rechtlich nicht haltbar ist.
171
Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, sobald der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn er bereits eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt bzw. ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Auch eine frühere, vorgelagerte Handlung kann bereits die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar einmündet oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang steht. Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen jedoch stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles. Hierbei können etwa die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium Bedeutung gewinnen (BGHR StGB § 22 Ansetzen 30 m. w. N.).
172
Hier fehlt es für den vom Oberlandesgericht angenommenen Erfüllungsbetrug an einem unmittelbaren Ansetzen zur Tat im Sinne des § 22 StGB, da zunächst noch wesentliche Zwischenschritte erfolgreich hätten zurückgelegt werden müssen, bevor es möglich gewesen wäre, die Versicherungen zur Leistung auf den Todesfall in Anspruch zu nehmen. Denn bevor nicht der Tod des Angeklagten Y. A. in Ägypten fingiert und die entsprechend gefälschten Unterlagen beschafft waren, wäre es nicht möglich gewesen, die Versicherer durch deren Vorlage auf Auszahlung der Versicherungssummen in Anspruch zu nehmen.
173
3. An den 28 Taten des vollendeten bzw. versuchten Betrugs des Angeklagten Y. A. beteiligte sich der Angeklagte K. als Mittäter.
174
Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen; es kann auch eine solche im Vorbereitungsstadium des unmittelbar tatbestandsmäßigen Handelns genügen. Der Mittäter muss nur einen Beitrag leisten, der die Tat fördert und er muss die Tat als eigene wollen. Die Annahme von Mittäterschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in wertender Betrachtung der festgestellten Tatsachen zu prüfen. Dafür sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zu ihr maßgeb- lich (BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26 m. w. N.). Danach hat das Oberlandesgericht den Angeklagten K. zutreffend als Mittäter angesehen. Er nahm zwar selbst keine Täuschungshandlung vor, war aber der Ideengeber und beteiligte sich intensiv an der Planung der Taten, sorgte nach den Vertragsabschlüssen für die Bezahlung der Prämien und sollte nach dem Tatplan bei der Geltendmachung der Versicherungsleistungen mitwirken. An der Tat hatte er selbst ein großes Interesse.
175
4. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts beteiligte sich der Angeklagte I. A. , nachdem er am 21. September 2004 von den beiden Mitangeklagten in das Betrugsvorhaben eingeweiht worden war, an den nach diesem Tag begangenen Taten (fünf Fälle des vollendeten und 18 Fälle des versuchten Betrugs). Die Würdigung des Oberlandesgerichts, der Angeklagte sei dabei Mittäter gewesen, hält rechtlicher Überprüfung nach den oben dargelegten Grundsätzen noch stand. Zwar nahm auch er nicht selbst Täuschungshandlungen vor, zudem sollte er persönlich von der erwarteten Beute nicht profitieren. Gleichwohl hatte er insoweit ein eigenes Interesse an der Tat, als er wusste, dass mit einem Teil der Beute seine Familie (Mutter und Geschwister ) unterstützt werden sollten. Hinzu kommt, dass er im Endstadium des Betrugsvorhabens als Begünstigter der Lebensversicherungsverträge die entscheidende Tatherrschaft haben sollte und seine Mitwirkung deshalb notwendige Bedingung für das Tatvorhaben war.
176
Für die vor dem 21. September 2004 begangenen Taten ist indes ein strafbares Handeln des Angeklagten I. A. nicht belegt. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts und des Generalbundesanwalts können ihm die Tatbeiträge der Mitangeklagten auch nicht nach den Grundsätzen der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden. Eine solche liegt bei demjenigen vor, der in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen tatbestandsmäßigen Handelns in das tatbestandliche Geschehen eingreift. Die Zurechnung bereits verwirklichter Tatumstände ist aber nur dann möglich, wenn der Hinzutretende selbst einen für die Tatbestandsverwirklichung ursächlichen Beitrag leistet. Kann der Hinzutretende die weitere Tatausführung dagegen nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs schon alles getan ist und das Tun des Eintretenden auf den weiteren Ablauf des Geschehens ohne jeden Einfluss bleibt, kommt mittäterschaftliche Mitwirkung trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH NStZ 1984, 548; 1998, 565). So liegt es hier. Der Angeklagte billigte nach seinem Hinzukommen zwar die Tatausführung durch die Mitangeklagten, erklärte sich bereit, in einem späteren Stadium der Tat durch eigene Tatbeiträge zur endgültigen Beutesicherung beizutragen , und beteiligte sich mit Vorschlägen an der weiteren Tatausführung. Er leistete aber für diese ersten fünf Taten selbst keinen Tatbeitrag mehr. Bei zwei Fällen (Fälle 1 und 4) waren die Versicherungsverträge schon abgeschlossen, in zwei Fällen (Fälle 2 und 3) sind die Versicherungsverträge später abgeschlossen worden, im Fall 4 hat die Versicherung den Vertragsabschluss am 4. Oktober 2004 abgelehnt. In keinem Fall ist ein Tätigwerden des Angeklagten, das auf den weiteren Ablauf Einfluss gehabt hätte, festgestellt. Insoweit ist ohne Bedeutung, dass auf alle vier abgeschlossenen Versicherungsverträge Prämienzahlungen auch nach dem 21. September 2004 erfolgten. Dies entsprach zwar dem inzwischen von allen drei Angeklagten gefassten Tatplan, indes lag darin nur ein Aufrechterhalten der durch die frühere Täuschung erreichten Fehlvorstellung des jeweiligen Versicherers über eine korrekte Vertragsabwicklung und keine weitere tatbestandsrelevante Täuschungshandlung.
177
Der Senat kann daher offenlassen, ob angesichts der Fallbesonderheiten - zur Vertiefung des Schadens durch Inanspruchnahme der Lebensversicherungen nach einem fingierten Todesfall sollte der Angeklagte ganz erhebliche Tatbeiträge leisten - eine sukzessive Mittäterschaft im Rahmen des Betrugstatbestands zwischen Vollendung und Beendigung hier in Frage kommen könnte (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 5; BGH, Beschl. vom 2. Juli 2009 - 3 StR 131/09).
178
5. Mit der Zustimmung des Angeklagten I. A. zu dem Tatplan und mit dessen erklärter Bereitschaft, sich im weiteren Verlauf der Tat an der Geltendmachung der Ansprüche auf Auszahlung der Versicherungssummen zu beteiligen und die Beute auszukehren, haben sich die Angeklagten zu einer Bande verbunden, um in der Folgezeit - jedenfalls in der in Aussicht genommenen kurzen, im einzelnen aber noch nicht genau bestimmten Zeitspanne - weitere Betrugstaten zu begehen. Damit liegt bei den nach dem 21. September 2004 begangenen Taten (ab Fall 6) jeweils das Regelbeispiel bandenmäßiger Begehung für die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB vor.
179
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts fehlt dieses Merkmal bei den ersten fünf Taten. Der Angeklagte I. A. war an diesen Taten nicht beteiligt, die für eine Bande erforderliche Bandenabrede zum Tatzeitpunkt noch nicht getroffen. Die Mitangeklagten handelten deshalb lediglich als Mittäter (vgl. BGH, Beschl. vom 17. März 2009 - 4 StR 607/08).
180
IV. Konkurrenzen
181
Das Verhältnis zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung und den Betrugstaten hat das Oberlandesgericht im Grundsatz zutreffend beurteilt.
182
1. Der Angeklagte K. hat die neun Taten des Betrugs (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) jeweils in Verfolgung der Ziele der Al Qaida begangen. Sie stehen deshalb mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an der ausländischen terroristischen Vereinigung jeweils in Tateinheit. Zugleich werden sie, da das Verbrechen nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB gegenüber den Betrugstaten das schwerere Delikt ist, von diesem zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verklammert (vgl. BGHSt 29, 288, 291; BGHR StGB § 129 Konkurrenzen 1; § 129 a Konkurrenzen

4).


183
2. Bei dem Angeklagten Y. A. stellen sich die neun Taten des Betrugs (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) im Ergebnis als Teile einer einheitlichen Unterstützungshandlung für die ausländische terroristische Vereinigung dar.
184
Im Ausgangspunkt besteht allerdings bei einer Mehrzahl von Unterstützungshandlungen zwischen diesen jeweils Tatmehrheit. Hierin liegt der Unterschied zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, bei der mehrere Einzelakte zu einem tatbestandlichen Verhaltenstypus im Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 193). Eine tatbestandliche Handlungseinheit zwischen mehreren Unterstützungshandlun- gen kommt nur in Betracht, wenn es um ein und denselben Unterstützungserfolg geht und die einzelnen Akte einen engen räumlichen, zeitlichen und bezugmäßigen Handlungszusammenhang aufweisen (vgl. Krauß aaO m. w. N.). So liegt es hier. Sämtliche Handlungen bezogen sich auf das einheitliche, übergeordnete Ziel der Unterstützung. Die Bemühungen dienten stets nach demselben Tatschema dem Zweck, aus der gesamten erstrebten Betrugsbeute die ausländische terroristische Vereinigung Al Qaida in Form einer Geldzuwendung zu stärken. Die Handlungen standen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang. Zum Teil beantragte der Angeklagte an einem Tag bei demselben Versicherer den Abschluss mehrerer Versicherungsverträge oder stellte Anträge bei mehreren Versicherern.
185
Die somit einheitliche Unterstützungshandlung verbindet nach den unter vorstehend 1. für die mitgliedschaftliche Beteiligung dargestellten Grundsätzen, die im Hinblick auf den am jeweiligen Strafrahmen zu messenden Unrechtsgehalt des § 129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB einerseits und des § 263 Abs. 1 bzw. Abs. 3 Satz 1 StGB andererseits für diese Konstellation entsprechend gelten , die einzelnen vollendeten bzw. versuchten Betrugstaten ebenfalls zur Tateinheit.
186
3. Bei dem Angeklagten I. A. stellen sich die fünf Taten des Betrugs (Fälle 6, 16, 22, 30, 33) und die 18 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) im Ergebnis ebenfalls als Teile einer einheitlichen Unterstützungshandlung für die ausländische terroristische Vereinigung dar.
187
Als Mittäter muss sich der Angeklagte die im Rahmen des gemeinsamen Tatplans mit seiner Billigung erbrachten Tathandlungen seiner Mittäter - und damit alle 23 vom Mitangeklagten Y. A. seit seinem Hinzutre- ten und der Bildung der Bande begangenen Täuschungshandlungen - zurechnen lassen. Die Frage des rechtlichen Zusammentreffens ist jedoch bei einer Tatserie für jeden einzelnen Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des Tatbeitrags jedes Tatbeteiligten (BGH StV 2002, 73). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts hat der Angeklagte seinen Tatbeitrag insgesamt durch die Bereitschaft zur Geltendmachung der Versicherungsleistungen sowie durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum Verfahrensablauf der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art erbracht. Beiträge , die auf einzelne Betrugstaten konkretisiert waren, sind nicht festgestellt. In diesem Fall werden ihm die Einzeltaten des Mitangeklagten als in gleichartiger Tateinheit begangen zugerechnet (vgl. Fischer aaO § 25 Rdn. 23 m. w. N.). Diese Tatbeiträge zum Betrug stellen gleichzeitig die Unterstützungshandlung des Angeklagten dar. Dementsprechend liegt - wie das Oberlandesgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat - auch nur eine Tat des Unterstützens einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor.
188
V. Schuldspruchänderung
189
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch weitergehende Feststellungen zur Beteiligung des Angeklagten Y. A. an der Al Qaida getroffen werden können. Er hat deshalb den Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig ist. Außerdem hat er die durch die abweichende rechtliche Beurteilung der Betrugstaten notwendigen Änderungen der Schuldsprüche vorgenommen. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn die Angeklagten hätten sich dagegen hier nicht anders als geschehen verteidigen können.
190
VI. Strafausspruch
191
1. Bei dem Angeklagten K. bleibt der Strafausspruch von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Oberlandesgericht hat die Strafe aus dem Strafrahmen des § 129 a Abs. 1 StGB (ein Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe ) entnommen. Der Senat schließt aus, dass es bei zutreffender rechtlicher Beurteilung der Betrugstaten auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Zwar können die Fälle 1 bis 5 nicht mehr als bandenmäßig begangen und damit regelmäßig als besonders schwere Fälle des Betrugs bzw. des versuchten Betrugs beurteilt werden. Indes sind neun der Taten als vollendet anzusehen, was deren Gewicht für die Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten erhöht. Der Bestand der Strafe ist auch nicht deshalb gefährdet, weil die (potentiellen) Vermögensschäden der Versicherer durch die (versuchten) Eingehungsbetrugstaten , die der Schuldspruchänderung durch den Senat zugrunde liegen, wesentlich hinter den Beträgen zurückbleiben, die der Angeklagte letztlich nach gelungener Vortäuschung des Versicherungsfalles für sich und die Mittäter erlangen wollte. Das Oberlandesgericht ist insgesamt nur von Versuchsfällen ausgegangen und hat demgemäß einen Schadenseintritt verneint. Dass es die Höhe der beabsichtigten Bereicherung durch Zahlung der Versicherungssummen im Sinne einer Beuteerwartung strafschärfend berücksichtigt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden und stellt auch auf der Grundlage der vom Senat ausgeurteilten (versuchten) Eingehungsbetrugstaten einen maßgeblichen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar. Demgegenüber hat aber auch bereits das Oberlandesgericht ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass der Eintritt dieses letztendlich ins Auge gefassten Schadens noch sehr weit entfernt war und noch weiterer Zwischenschritte bedurft hätte.
192
2. Die Strafe für den Angeklagten Y. A. kann hingegen nicht bestehen bleiben. Durch die Änderung des Schuldspruchs hat sich der die Strafe bestimmende Strafrahmen in seiner Untergrenze von einem Jahr auf sechs Monate Freiheitsstrafe abgesenkt. Zwar hat sich das Oberlandesgericht daran nicht orientiert; auch ist die Obergrenze des Strafrahmens mit zehn Jahren gleichgeblieben. Dennoch kann der Senat - schon wegen der Nähe der verhängten Strafe zu derjenigen für den wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung verurteilten Mitangeklagten K. - nicht ausschließen, dass die Strafe milder ausgefallen wäre, wenn das Oberlandesgericht den Angeklagten zutreffend nur wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen hätte.
193
Über den Strafausspruch muss deshalb erneut durch den Tatrichter entschieden werden. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von der rechtsfehlerhaften Einordnung des Tatbeitrags des Angeklagten nicht berührt sind. Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen dürfen.
194
Damit wird die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung gegenstandslos (Meyer-Goßner aaO § 464 Rdn. 20).
195
3. Bei dem Angeklagten I. A. bleibt der Strafausspruch von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Oberlandesgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) entnommen. Der Senat kann auch hier ausschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Beurteilung auf eine geringere Strafe erkannt hätte. Zwar sind die ersten fünf Betrugstaten im Schuldspruch entfallen; indes wird der Schuldumfang davon bestimmt, dass der Angeklagte bereit war, auch hinsichtlich der ohne seine Mitwirkung begangenen Betrugstaten die letztendlich erwartete Beute durch die Geltendmachung und Vereinnahmung der Versicherungsleistungen zu sichern.
196
VII. Kostenbeschwerde
197
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung wird als unbegründet verworfen, da diese dem Gesetz entspricht.
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 616/10
vom
14. April 2011
Nachschlagewerk: ja
BGHR: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
Zur Schadensfeststellung bei betrügerischer Kapitalerhöhung.
BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 616/10 - LG Köln
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 14. April 2011 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 9. Juni 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 78 rechtlich zusammenfallenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

2
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts entwickelte der Angeklagte Ende der 1990er Jahre die Idee, durch den "Verkauf von Aktien" Geld für einen von ihm geplanten Windkraftpark zu gewinnen. Zu diesem Zweck erwarb er im Jahre 2001 die nicht börsennotierte, vermögenslose L. AG als Alleinak- tionär und wurde deren alleiniger Vorstand. Den Aufsichtsrat der L. AG berief er ab und ersetzte ihn durch ihm nahe stehende Personen. Auf Anraten eines Rechtsanwalts verschaffte sich der auf dem Gebiet des Aktiengeschäfts völlig unerfahrene Angeklagte in der Folgezeit Geld von Anlegern, indem er mehrfach das Grundkapital der L. AG gegen Bareinlage im Wege der Ausgabe von Vorzugsaktien, teils auch Inhaberaktien, erhöhte bzw. zu erhöhen vorgab.
3
Die Aktien ließ er in der Zeit vom 28. Januar 2002 bis 3. Januar 2005 zu jeweils unterschiedlichen Preisen durch Telefonverkäufer an Privatanleger vertreiben. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Zeichnung von Aktien durch 17 Anleger, denen in 78 Fällen Aktien veräußert wurden. Hierbei vereinnahmte die L. AG 8,258 Mio. €. Während des Tatzeitraums und danach entnahm der Angeklagte in seiner Funktion als Vorstand der L. AGhiervon 7,74 Mio. €. Damit finanzierte er seinen eigenen Lebensunterhalt als Ausgleich für seine Vorstandstätigkeit und zahlte an die Telefonverkäufer Provisionen in Höhe von 12 % der jeweiligen Anlagesumme. Die meisten Anleger erhielten vor allem zu Beginn Dividendenzahlungen in zwei- bis fünfstelliger Höhe.
4
b) Den Kapitalerhöhungen lagen nur am Anfang entsprechende Beschlüsse der Hauptversammlung zugrunde (Kapitalerhöhungsbeschlüsse vom 7. November 2001, 8. März 2002 und 22. November 2002). Für zwei weitere Kapitalerhöhungen in den Jahren 2003 und 2004 fehlten die notwendigen Kapitalerhöhungsbeschlüsse. Lediglich die Durchführung der ersten Kapitalerhöhung vom 7. November 2001 wurde am 24. September 2002 mit einem Betrag von 1,547 Mio. € in das Handelsregister eingetragen. Die handelsrechtliche Eintragung weiterer Kapitalerhöhungen unterblieb, da - was hierfür erforderlich gewesen wäre - die an die L. AG geleisteten Einlagezahlungen der Anleger dem Handelsregister aufgrund der Entnahmen des Angeklagten nicht nachgewiesen werden konnten.
5
c) Der Angeklagte ließ in seiner Funktion als Vorstand einen umfangreichen Emissionsprospekt anfertigen, in dem er nicht nur die L. AG als junges, im Aufbau befindliches Immobilienunternehmen darstellte, sondern auch auf die Möglichkeit des Totalverlustes des eingesetzten Kapitals hinwies. Mit dem Emissionsprospekt bzw. einem entsprechenden Kurzexposé warb der Angeklagte über die Telefonverkäufer für den Kauf von Vorzugsaktien der L. AG, deren Börsengang er für die Jahre 2004/05 in Aussicht stellte. Den Emissionsprospekt passte der Angeklagte bei den jeweiligen Kapitalerhöhungen inhaltlich an.
6
Ein operatives Geschäft entfaltete der Angeklagte zunächst nicht. Aufgrund gegen ihn gerichteter polizeilicher Ermittlungen im Mai 2002 erkannte er jedoch die Notwendigkeit, gewisse Bemühungen hinsichtlich des prospektierten Börsengangs und des Immobilienerwerbs gegenüber den Anlegern darstellen zu können. Pläne des Angeklagten, den "Börsenmantel" der K. AG, die nach einem abgeschlossenen Insolvenzverfahren von allen Verbindlichkeiten bereinigt war, zu übernehmen, scheiterten. Ende Dezember 2002 kam es zum einzigen Immobilienerwerb der L. AG im Tatzeitraum, als diese 90 % der Anteile der Fa. A. T. GmbH, die Eigentümerin dreier M. -Hotels war, übernahm. Den ratenweise zu zahlenden Kaufpreis von 3,1 Mio. € erbrachte die L. AG nur unvollständig, so dass die C. R. E. AG (ehemals K. AG) im Oktober 2004 die von der L. AG gehaltenen Anteile an der A. T. GmbH erwarb.
7
d) Nach Ablauf der Eintragungsfrist für die zweite Kapitalerhöhung vom 8. März 2002 war die L. AG am 31. März 2003 außerstande, den erforderlichen Bareinlagebetrag nachzuweisen. Infolge dessen entfiel die Wirkung der Zeichnungserklärungen der Anleger, denen deshalb Rückzahlungsansprüche gegen die L. AG in Höhe der von ihnen geleisteten Zahlungen zustanden.
Hierdurch wurde die L. AG zahlungsunfähig. Um eine Insolvenz der Gesellschaft zu verhindern, ließ der Angeklagte gleichwohl den Vertrieb von Vorzugsaktien fortsetzen. In den Zeichnungsscheinen der Anleger ließ er mit fiktiven Daten zwei weitere Kapitalerhöhungsbeschlüsse ausweisen, die tatsächlich nie gefasst worden waren.
8
e) In der Folge unterbreitete die Mehrheitseignerin der C. R. E. AG der L. AG ein bedingtes Übernahmeangebot, das letztlich nicht zustande kam. Gleichwohl ließ der Angeklagte weiterhin Anleger mit einer unmittelbar bevorstehenden Übernahme durch die C. R. E. AG werben. Erst am 3. Januar 2005 stellte er schließlich den telefonischen Aktienverkauf ein.
9
f) Am 2. Juni 2005 kam es zu einer Informationsveranstaltung, bei der den Anlegern ein Tausch von L. -Aktien in Aktien einer Tochtergesellschaft der C. R. E. AG in Aussicht gestellt wurde. Tatsächlich wurde ihnen Mitte des Jahres 2006 gegen Rückgabe von L. -Vorzugsaktien im Verhältnis 3:2 Vorzugsaktien der amerikanischen Gesellschaft D.S. I. (DSI) angeboten. Im Gegenzug sollten mit der Übertragung der Aktien sämtliche Ansprüche gegen die L. AG abgegolten sein. Nähere Feststellungen zum wirtschaftlichen Hintergrund dieses Tauschangebots hat das Landgericht nicht getroffen. Nahezu alle Anleger, die sich verpflichten mussten, die Aktien der DSI mindestens 12 Monate zu halten, nahmen das Angebot an. Zum Übertragungszeitpunkt betrug der Kurswert der DSI-Aktie 8,50 €, nach Ablauf der Haltefrist 2,50 €. Zwei Anleger erhielten im Vergleichsweg einen erheblichen Anteil der geleisteten Anlagesummen zurück.
10
2. Das Landgericht hat - ohne dies näher zu erläutern - Betrug in 78 rechtlich zusammentreffenden Fällen angenommen. Hierbei hat es dem Ange- klagten die von den Telefonverkäufern vorgenommenen Täuschungshandlungen mittäterschaftlich (§ 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet. Hinsichtlich des Vermögensschadens hat das Landgericht - auch ohne weitere Darlegung - zu Beginn des Tatzeitraums einen nicht näher bezifferten Vermögensgefährdungsschaden , nach dem Scheitern des Ankaufs der A. T. -Anteile und Einzahlungen der Anleger auf tatsächlich nicht gefasste Kapitalerhöhungsbeschlüsse einen tatsächlichen Vermögensschaden angenommen.

II.

11
Die Verurteilung wegen Betrugs hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Es fehlt an der hinreichenden Feststellung eines Vermögensschadens.
12
1. a) Ein Schaden i.S.v. § 263 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts des Vermögens des Verfügenden führt (Prinzip der Gesamtsaldierung, BGHSt 53, 199, 201 mwN). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung (BGHSt 30, 388 f.; BGH wistra 1993, 265; wistra 1995, 222; NStZ 1999, 353, 354; BGHSt 53, 199, 201). Bei der - hier vorliegenden - Konstellation eines Betruges durch Abschluss eines Vertrages ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen (Eingehungsschaden). Zu vergleichen sind die wirtschaftlichen Werte der beiderseitigen Vertragspflichten (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 10). Ein Schaden liegt demnach vor, wenn die von dem Getäuschten eingegangene Verpflichtung wertmäßig höher ist als die ihm dafür gewährte Gegenleistung unter Berücksichtigung aller mit ihr verbundenen, zur Zeit der Vermögensverfügung gegebenen Gewinnmöglichkeiten (BGHSt 30, 388, 390). Zu be- rücksichtigen ist beim Eingehen von Risikogeschäften dabei auch eine täuschungs - und irrtumsbedingte Verlustgefahr, die über die vertraglich zugrunde gelegte hinausgeht. Ein darin liegender Minderwert des im Synallagma Erlangten ist unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bewerten (vgl. BGHSt 53, 198, 202 f.; zur Frage der Entbehrlichkeit des Begriffs des Gefährdungsschadens vgl. Fischer StGB 58. Aufl. § 263 Rn. 157 f.). Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss des 2. Senats - 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3220) ist dieser Minderwert konkret festzustellen und ggf. unter Beauftragung eines Sachverständigen zur wirtschaftlichen Schadensfeststellung zu beziffern. Sofern genaue Feststellungen zur Einschätzung dieses Risikos nicht möglich sind, sind Mindestfeststellungen zu treffen , um den dadurch bedingten Minderwert und den insofern eingetretenen wirtschaftlichen Schaden unter Beachtung des Zweifelsatzes zu schätzen. Dieser zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche bestimmte Schaden materialisiert sich mit der Erbringung der versprochenen Leistung des Tatopfers (Erfüllungsschaden) und bemisst sich nach deren vollen wirtschaftlichen Wert, wenn die Gegenleistung völlig ausbleibt bzw. nach der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und demjenigen der Gegenleistung, soweit eine solche vom Täter erbracht wird (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - 3 StR 434/10).
13
b) Gemessen daran ist nach den landgerichtlichen Feststellungen ein Vermögensschaden für Zeichnungen bis März 2003 (anders ab April 2003; s. unten II.1.d) nicht hinreichend nachgewiesen. Für die Beurteilung, ob und in welcher Höhe bei Abschluss der Zeichnungsverträge ein Schaden eingetreten ist, ist der Wert der erworbenen Vorzugsaktien der L. AG - zum jeweiligen Zeichnungszeitpunkt - maßgebend und dem jeweils zu zahlenden Kaufpreis gegenüberzustellen. Entsprach der Aktienwert dem Gegenwert des Kaufprei- ses, liegt kein Schaden vor. Ob und ggf. in welcher Höhe die gezeichneten Aktien zum Zeitpunkt der jeweiligen Zeichnung tatsächlich einen wirtschaftlichen Wert hatten, lässt sich den Feststellungen jedoch nicht entnehmen. Der Senat vermag daher nicht festzustellen, ob das Landgericht zutreffend von einem Schaden ausgegangen ist.
14
Ein Schaden in Höhe der jeweiligen Anlagesumme - wovon das Landgericht trotz Annahme eines Vermögensgefährdungsschadens offenbar ausgeht - besteht nur dann, wenn die Aktie zum jeweiligen Zeichnungszeitpunkt wertlos war. Zu Beginn des Tatzeitraums (Januar 2002) könnte dies der Fall gewesen sein, da die L. AG zunächst kein operatives Geschäft betrieb und die Dividendenzahlungen in erster Linie als Anreiz für den Erwerb weiterer Aktienpakete dienten. Ob zu dieser Zeit unter Berücksichtigung der Angaben im Emissionsprospekt ein Ertragswert des Unternehmens und damit eine sich daraus ergebende Werthaltigkeit der Aktie festgestellt werden kann, erscheint deshalb zweifelhaft. Soweit aufgrund der dauernden Einzahlung von Anlagegeldern, die dem Handelsregister bei der Eintragung auch noch in Höhe von 1,547 Mio. € im Jahr 2002 nachgewiesen werden konnten, Barvermögen der Gesellschaft vorhanden war, könnte dies freilich gegen die vollständige Wertlosigkeit der gezeichneten Aktien sprechen. Zu bedenken ist allerdings auch, dass die durch Täuschung veranlasste Zeichnung von Aktien zur Anfangszeit mit den Fällen sog. Schneeball-Systeme vergleichbar sein könnte, bei denen Neu-Anlagen zumindest auch verwendet werden, um früheren Anlegern angebliche Gewinne oder Zinsen auszuzahlen. Hier nimmt die Rechtsprechung ohne weitere Differenzierung auch für die Erstanleger einen Schaden in Höhe des gesamten eingezahlten Kapitals an, da ihre Chance sich allein auf die Begehung weiterer Straftaten stütze und ihre Gewinnerwartung daher von vornherein wertlos sei (vgl. BGHSt 53, 199, 204 f.; kritisch hierzu Fischer StGB 58. Aufl. § 263 Rn. 130).
15
Der Senat braucht dies hier nicht zu entscheiden. Denn jedenfalls ab Mai 2002 ist die Annahme einer vollständigen Wertlosigkeit der Anlage zumindest zweifelhaft. Zu diesem Zeitpunkt begann die L. AG - orientiert an den Planvorgaben des Emissionsprospekts - mit der Aufnahme eines Geschäftsbetriebs , in dessen Folge es im Dezember 2002 zum Erwerb der Anteile an der A. T. GmbH kam. Daneben zahlte die L. AG im August 2002 125.000 € an Do. I. , im September 2002 1,3 Mio. € an F. C. zum Zwecke der (letztlich allerdings gescheiterten) Übernahme des "Börsenmantels" der K. AG und erwarb im November 2002 Aktien der K. AG im Wert von 185.000 €. Hinzu kommt, dass die L. AG für die (vorübergehende ) Übernahme der A. T. -Anteile jedenfalls größere Teile des ratenweise zu zahlenden Kaufpreises aufgebracht hat. Schließlich weisen die spätere Veräußerung der A. T. -GmbH-Anteile und die wirtschaftlich nicht näher nachzuvollziehende Übernahme von werthaltigen DSI-Aktien mit dem darauf erfolgten Tausch von L. -Vorzugsaktien in DSI-Aktien darauf hin, dass die L. AG offenbar nicht ohne Wert war. Dies legt - auch wenn es sich dabei um nach der Zeichnung der Aktien liegende Umstände handelt - nahe, dass jedenfalls ein vollständiger Wertverlust der L. -Aktie ab Mai 2002 nicht gegeben war.
16
Das Landgericht hätte daher den Wert der Aktie (als Anteil an einem zu bestimmenden Unternehmenswert) zum jeweiligen Zeichnungszeitpunkt ermitteln müssen, um unter Gegenüberstellung zu den jeweiligen Erwerbspreisen die erforderliche Saldierung vornehmen und die Schadenshöhe in jedem Einzelfall konkret beziffern zu können. Es hätte dabei auch das - täuschungs- und irrtumsbedingt überhöhte - Risiko des Aktienerwerbs und den dadurch verursachten Minderwert bewertend berücksichtigen müssen. Die Bewertung von Unternehmen bzw. Aktien erfordert zwar komplexe wirtschaftliche Analysen (vgl. hierzu etwa Großfeld Recht der Unternehmensbewertung 6. Aufl.
Rn. 202 ff.; Peemöller Praxishandbuch der Unternehmensbewertung 3. Aufl. Rn. 201 ff.), insbesondere dann, wenn das Unternehmen - wie vorliegend der Fall - nicht börsennotiert ist und es sich um ein junges Unternehmen handelt (hierzu näher Peemöller aaO Rn. 601 ff.). Dies beruht insbesondere darauf, dass der Ertragswert eines Unternehmens auch in die Zukunft reichende Entwicklungen , unter Berücksichtigung von Prospektangaben, erfasst (vgl. näher Großfeld aaO Rn. 982 ff.). Die Einschätzung von Risiken bei der Bewertung im Wirtschaftsleben ist jedoch kaufmännischer Alltag (vgl. im Zusammenhang mit der Bewertung von Forderungen BVerfG NJW 2010, 3209, 3219 f.; zu Anlagen auch BGHSt 53, 199, 203, jeweils mit weiteren Nachweisen). Das Landgericht hätte sich deshalb sachverständiger Hilfe bedienen können, um unter Beachtung der gängigen betriebswirtschaftlichen Bewertungskriterien den Aktienwert in jedem der Einzelfälle feststellen zu können.
17
c) Die Feststellungen tragen für die Zeit bis März 2003 auch hinsichtlich der Zahlung der Anlagegelder nicht die Annahme eines Vermögensschadens. Zwar ist es ab der 2. Kapitalerhöhung vom 8. März 2002, für die die Eintragungsfrist am 31. März 2003 ablief, nicht mehr zu einer Eintragung in das Handelsregister gekommen, so dass die Anleger keine Aktien erwarben. Erfolgt die Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister nicht bis zum Ende der Eintragungsfrist, entfällt entsprechend § 158 Abs. 2 BGB die Wirkung der Zeichnung (BGH NJW 1999, 1252, 1253; Hüffer AktG 9. Aufl. § 185 Rn. 14; Peifer in MüKo AktG 2. Aufl. § 185 Rn. 25) mit der Folge, dass die Anleger keine Aktionärstellung erlangen und bereits gezahlte Anlagegelder zurückzugewähren sind. Hätte der Angeklagte bereits bei der jeweiligen Zeichnung der Aktien durch die Anleger die Vorstellung gehabt, dass es mangels fehlenden Nachweises gegenüber dem Registergericht nicht zur Eintragung in das Handelsregister kommen könnte, wäre mit der täuschungsbedingten Zahlung der Anlagegelder angesichts eines in Kauf genommenen Entfallens der Gegenleis- tung ein Schaden anzunehmen. Dahingehende Feststellungen lassen sich dem Urteil des Landgerichts jedoch nicht entnehmen.
18
d) Dagegen dürfte die Annahme eines Schadens für die ab April 2003 gezeichneten Anlagen, bei denen der Angeklagte Kapitalerhöhungen vortäuschte , denen kein entsprechender Beschluss der Hauptversammlung zugrunde lag, im Ergebnis nicht zu beanstanden sein. Es kann dahinstehen, ob die Zeichnungserklärungen der Anleger und die Annahme durch die L. AG vor diesem Hintergrund überhaupt zu wirksamen wechselseitigen Verpflichtungen geführt haben (vgl. hierzu Hüffer AktG 9. Aufl. § 185 Rn. 27; Lutter in Kölner Kommentar AktG 2. Aufl. § 185 Rn. 36; Peifer in MüKo AktG 3. Aufl. § 185 Rn. 62), die im Rahmen der Schadensfeststellung zu saldieren wären. Da der Angeklagte in den Zeichnungsscheinen fiktive Kapitalerhöhungsbeschlüsse angegeben hat und damit erkennbar von Anfang an nicht die Absicht hatte, wirksame Kapitalerhöhungen durchzuführen, ist den Anlegern spätestens mit Erbringung der Zahlungen in dieser Höhe ein endgültiger Schaden entstanden. Sie hatten keine Aussicht, Aktionär zu werden, so dass ein Schaden in Höhe der jeweiligen Zeichnungssumme vorlag. Der den Anlegern zustehende Anspruch auf Rückerstattung bereits geleisteter Einlagen stellt insoweit keine unmittelbare Schadenskompensation, sondern lediglich einen möglichen Schadensausgleich dar, der die Annahme eines Schadens unberührt lässt.
19
Aufgrund der landgerichtlichen Annahme tateinheitlicher Verknüpfung sämtlicher Betrugstaten unterliegt das Urteil jedoch insgesamt der Aufhebung.
20
2. Der Senat weist darauf hin, dass die Verurteilung wegen einer Tat in 78 tateinheitlich zusammen treffenden Betrugsfällen rechtlichen Bedenken begegnet. Das Landgericht hat übersehen, dass für jeden Beteiligten von Straftaten selbständig zu ermitteln ist, ob Handlungseinheit oder -mehrheit gegeben ist. Maßgeblich ist dabei der Umfang seines Tatbeitrages oder seiner Tatbeiträge. Erfüllt ein Mittäter hinsichtlich aller oder einzelner Taten einer Deliktsserie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag , so sind ihm diese Taten - soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Allein die organisatorische Einbindung des Täters in ein betrügerisches Geschäftsunternehmen ist nicht geeignet, die Einzeldelikte der Tatserie rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (vgl. BGH NStZ 2010, 103). Erbringt der Täter dagegen im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeldelikte seiner Mittäter gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm diese gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die übrigen Beteiligten die einzelnen Delikte gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr., vgl. BGHSt 49, 177, 182 ff.).
21
Gemessen daran belegen die Feststellungen jedenfalls keine 78 Straftaten des Betrugs. Der Angeklagte hat nicht mit jeder einzelnen Anlagevermittlung durch die Telefonverkäufer, von der er im Zweifel keine Kenntnis hatte, eine selbständige Tat begangen, sondern mit jedem neuen Entschluss zur täuschenden Werbung von Anlegern, die er durch sein Verhalten gegenüber den Telefonverkäufern initiierte. Nach den bisherigen Feststellungen liegt es nahe, dass der Angeklagte jedenfalls mit jeder neuen Kapitalerhöhung, womöglich aber auch mit weiteren von ihm veranlassten, auf Irreführung ausgelegten Werbungsmaßnahmen, auch äußerlich einen neuen Entschluss fasste, durch Täuschungen mittels des - den einzelnen Kapitalerhöhungen jeweils angepassten - Emissionsprospekts Anleger neu zu werben. Die aufgrund der einzelnen Täuschungsentschlüsse durch die Vermittlung der Telefonverkäufer zustande gekommenen Anlagegeschäfte werden dabei zu einer Tat verbunden. Für eine Verknüpfung dieser selbständigen Taten zu lediglich einer einzigen Tat, etwa im Sinne eines "uneigentlichen Organisationsdelikts", ist kein Raum. Es handelt sich hinsichtlich des als Mittäter agierenden Angeklagten nicht um bloße Handlungen "zur Errichtung, zur Aufrechterhaltung und zum Ablauf eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebes", sondern um solche, die über die Einschaltung von Telefonverkäufern unmittelbar auf den betrügerischen Vertrieb von Aktien gerichtet waren.
22
3. Der neue Tatrichter wird bei der Bemessung der Strafe die erfolgten Schadenskompensationen genauer als bisher erfolgt zu berücksichtigen haben. Neben den gezahlten Dividenden fällt insbesondere der Umstand ins Gewicht, dass die Anleger für ihre L. -Aktien im Tausch Aktien der DSI erhalten haben, deren Wert jedenfalls zum Zeitpunkt des Tauschs (8,50 €/Aktie) im Verhältnis 3:2 regelmäßig über den Anlagebeträgen der Geschädigten lag.
Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 731/08
vom
18. Februar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja nur 1.
Veröffentlichung: ja
___________________________
1. Beim betrügerisch veranlassten Eingehen eines Risikogeschäfts - mit einer
nicht mehr vertragsimmanenten Verlustgefahr - ist zur Feststellung des Schadens
auf den unmittelbar mit der Vermögensverfügung des Geschädigten eingetretenen
Vermögensnachteil abzustellen. Allein hierauf muss sich das voluntative
Element des Vorsatzes beim Täter beziehen. Auf die Billigung eines
eventuellen Endschadens kommt es insoweit nicht an.
2. Der mit der Vermögensverfügung unmittelbar eingetretene Vermögensschaden
ist durch das Verlustrisiko zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung bestimmt.
Dies stellt hinsichtlich des Straftatbestands einen endgültigen Schaden
dar und nicht nur eine (schadensgleiche) Vermögensgefährdung. Die Höhe des
Vermögensnachteils zum Zeitpunkt der Verfügung ist nach wirtschaftlichen
Maßstäben zu bewerten. Ist eine genaue Feststellung zur Schadenshöhe nicht
möglich, sind hierzu Mindestfeststellungen zu treffen. Dies kann durch Schätzung
geschehen. Dem Tatrichter steht dabei ein Beurteilungsspielraum zu.
BGH, Beschl. vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08 - LG München I
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Februar 2009 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 30. Juli 2008 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 60 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt und festgestellt, dass der Angeklagte aus den abgeurteilten Betrugstaten 21.215.498,98 € erlangt hat und dass dem Verfall des Erlangten und des Wertersatzes Ansprüche der Verletzten entgegenstehen.
2
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
4
1. Zum Betrugsschaden:
5
Nach der Bewertung der Strafkammer erlitten die „Investoren“ mit der Bezahlung ihrer Anlagegelder an den Angeklagten bzw. seine Unternehmen sofort einen endgültigen Schaden, hier in der Gesamthöhe der jeweiligen Anla- gesumme; das Vermögen der Anleger wurde insoweit nicht nur schadensgleich gefährdet. Dies ist frei von Rechtsfehlern.
6
a) Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
7
Der Angeklagte versprach eine sichere, insbesondere bankgarantierte, hochrentierliche Geldanlage. Die einbezahlten Beträge dienten danach nur als Kapitalnachweis. Sie durften während der gesamten Investitionszeit nicht angetastet werden. Als Laufzeit wurden in der Regel zehn Monate vereinbart. Monatlich sollten dann 7 % an Verzinsung ausgeschüttet werden. Einem Großanleger (15 Millionen €) versprach der Angeklagte die Rückzahlung nach drei Monaten, zuzüglich einer Rendite von 50 %.
8
Tatsächlich hatte der Angeklagte nicht vor, die erhaltenen Geldmittel sicher und gewinnbringend anzulegen. Er wollte sie zum einen zur Finanzierung seines Lebensunterhalts verwenden. Zum anderen wollte er - nach Art eines Schneeballsystems - neu eingehende Gelder einsetzen, um Rendite- und Rückzahlungsforderungen der Altinvestoren soweit wie möglich zu befriedigen, um diese in Sicherheit zu wiegen und zu weiteren Einzahlungen zu bewegen.
9
Im Vertrauen auf die Versprechungen des Angeklagten zahlten 31 Personen in der Zeit von September 2005 bis Januar 2008 - teilweise mehrfach - insgesamt 28.206.841,12 € an die Unternehmen des Angeklagten. 7.310.145,58 € schüttete der Angeklagte wieder aus. Einzelne Anleger bekamen damit nicht nur ihr gesamtes Kapital zurück, sondern auch versprochene Erträge ausbezahlt. Mit der Verhaftung des Angeklagten konnten bei seinen Unternehmen noch Vermögenswerte in Höhe von insgesamt 16,8 Millionen € sichergestellt werden (§§ 111c, 111d StPO).
10
b) Ein Schaden i.S.v. § 263 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung (hier die vertragsgemäße Bezahlung der Anlagesumme an den Angeklagten beziehungsweise eines seiner Unternehmen) unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts des Vermögens des Verfügenden führt (Prinzip der Gesamtsaldierung, vgl. BGHSt 3, 99, 102; 16, 220, 221; 30, 388, 389; 34, 199, 203; 45, 1, 4; 51,10, 15 Rdn. 18; 51, 165, 174 Rdn. 31; BGHR StGB § 263 Abs. 1, Vermögensschaden 54, 70; BGH, Beschl. vom 26. Januar 2006 - 5 StR 334/05 -; BVerfG, Beschl. vom 20. Mai 1998 - 2 BvR 1385/95 - 2. Kammer des 2. Senats -; Hefendehl in MünchKomm-StGB § 263 Rdn. 442 ff.).
11
Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und unmittelbar nach der Verfügung (vgl. BGHSt 6, 115, 116; 23, 300, 303; Tiedemann in LK 6. Aufl. § 263 Rdn. 161). Spätere Entwicklungen, wie Schadensvertiefung oder Schadensausgleich (-wiedergutmachung), berühren den tatbestandlichen Schaden nicht. „Wie sich die Dinge später entwickeln, ist für die strafrechtliche Wertung ohne Belang“ (BGHSt 30, 388, 389 f.). Dies hat nur noch für die Strafzumessung Bedeutung (vgl. BGHSt 51, 10, 17 Rdn. 23).
12
Beim Eingehen von Risikogeschäften - mit einer täuschungs- und irrtumsbedingten Verlustgefahr über der vertraglich vorausgesetzten - gilt nichts anderes. Auch in derartigen Fällen ist mit der Vermögensverfügung bei Saldierung der Vermögenslage vor und nach der Verfügung ein Schaden unmittelbar eingetreten. Der Begriff der konkreten Vermögensgefährdung beschreibt dies nur unzureichend und ist entbehrlich (vgl. schon BGH, Beschl. vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07 - [BGHR StGB § 266 I Nachteil 65] Rdn. 18 bis 22 zur entsprechenden Situation beim Vorwurf der Untreue gemäß § 266 StGB). Dement- sprechend erkannte der Bundesgerichtshof auch schon früher: „Für Risikogeschäfte , wie sie hier in Rede stehen, folgt daraus, dass ein Vermögensschaden nur insoweit vorliegt, als die von dem Getäuschten eingegangene Verpflichtung wertmäßig höher ist als die ihm dafür gewährte Gegenleistung unter Berücksichtigung aller mit ihr verbundenen, zur Zeit der Vermögensverfügung gegebenen Gewinnmöglichkeiten“ (BGHSt 30, 388, 390; vgl. auch BGHSt 34, 394, 395 und BGHSt 51, 165, 177 Rdn. 38, wonach die Annahme einer konkreten Vermögensgefährdung bedeutet, dass nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise schon eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage vorliegen muss, dass sie schon jetzt eine Minderung des Gesamtvermögens zur Folge hat; sowie Hefendehl in MünchKomm-StGB § 263 Rdn. 718: „Hierbei handelt es sich indes um ein Scheinproblem, weil die ‚Möglichkeit des Schadens’ eben ein Schaden sein muss“). „Zwischen Schaden (Verlust) und Gefährdung (Beeinträchtigung ) besteht bei wirtschaftlicher Betrachtung also kein qualitativer sondern nur ein quantitativer Unterschied“ (Tiedemann in LK 6. Aufl. § 263 Rdn. 168 m.w.N.).
13
Dass mit dem Eingehen eines Risikogeschäfts - mit einer nicht mehr vertragsimmanenten Verlustgefahr - ein unmittelbarer Wertverlust, eine Vermögenseinbuße einhergeht, liegt bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf der Hand. Dieser Schaden ist auch benennbar. Das mit der Verfügung (hier: Zahlung des Anlagebetrags) eingegangene - aufgrund einer Täuschung und eines entsprechenden Irrtums überhöhte - Risiko und der dadurch verursachte Minderwert des im Synallagma Erlangten sind zu bewerten (vgl. Hefendehl in MünchKomm-StGB § 263 Rdn. 569 ff.), wie im Falle einer Einzelwertberichtigung (vgl. Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 33. Aufl. § 253 Rdn. 21; zu IAS [International Accounting Standards] 39.58 ff. - Finanzinstrumente, Ansatz und Bewertung - vgl. Baumbach/Hopt aaO, Rdn. 42 f., sowie Lüdenbach in Haufe IAS/IFRS, 2. Aufl. § 2 Rdn. 81, Kehm/Lüdenbach in Haufe IAS/IFRS, 2. Aufl. § 28 Rdn. 120 ff.), bei der Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste (§ 249 HGB) oder auch beim Verkauf von Forderungen (vgl. auch Tiedemann in LK 6. Aufl. § 263 Rdn. 168 mit Hinweis auf die Institute des Bilanzrechts ; Goldschmidt/Weigel, Die Bewertung von Finanzinstrumenten bei Kreditinstituten in illiquiden Märkten nach IAS 39 und HGB, WPg 2009, 192 ff.). Dies ist kaufmännischer Alltag (nicht überzeugend deshalb Beulke/Witzigmann, JR 2008, 430, 433, wonach diese schon im Senatsbeschl. vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07 - [BGHR StGB § 266 I Nachteil 65] zur Untreue vertretene Auffassung nicht nur bei Wirtschaftswissenschaftlern auf Unverständnis stoße, sondern auch bei all denen Kopfschütteln auslöse, die in der Praxis mit der Vergabe von Krediten betraut sind).
14
Wenn eine genaue Feststellung zur Schadenshöhe zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung nicht möglich ist, wird der Tatrichter im Hinblick auf die Besonderheiten des Strafrechts Mindestfeststellungen zu treffen haben (BGHSt 30, 388, 390). Dies kann durch Schätzung im Rahmen des dabei eingeräumten Beurteilungsspielraums geschehen.
15
Außerdem entfiele auch mit der verschleiernden Bezeichnung des Schadens als konkrete (schadensgleiche) Vermögensgefährdung im Grunde nicht die Notwendigkeit von deren Bewertung zur Erfassung des Tatunrechts, wenn dem bislang auch kaum entsprochen wurde. Die Rechtsfigur des Gefährdungsschadens birgt aber gerade auch deshalb die Gefahr der Überdehnung des Betrugstatbestands hin zum Gefährdungsdelikt durch Einbeziehung tatsächlich nur abstrakter Risiken in sich (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 263 Rdn. 96). Die Notwendigkeit , den mit der Vermögensverfügung unmittelbar real eingetretenen Schaden zu bewerten und zu benennen, zwingt demgegenüber zur Klarheit und vermeidet Grenzüberschreitungen.
16
Schließlich wäre die Subsumtion wirklich nur „schadensgleicher“ Gefährdungen unter den Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB mit Art. 103 Abs. 2 GG kaum vereinbar. Auch deshalb ist schon die Formulierung bedenklich.
17
Allein auf den unmittelbar mit der Vermögensverfügung des Getäuschten eingetretenen tatbestandlichen Schaden muss sich das voluntative Element des Vorsatzes des Täters erstrecken. Auf die Billigung eines eventuellen Endschadens kommt es nicht an. Ebenso ist die Absicht des späteren Ausgleichs der Vermögensminderung ohne Bedeutung (vgl. auch BGHSt 34, 199, 204 zur Schadenswiedergutmachung nach Ausübung eines eingeräumten Rücktrittsrechts ; BGHSt 23, 300, 303: die Bereitschaft zur Stornierung ist unerheblich; und zur entsprechenden Situation bei der Untreue BGH, Urt. vom 29. August 2008 - 2 StR 587/07 - Rdn. 45 f.). „Wer … die ... Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs bei Kreditgewährung … erkennt und billigend in Kauf nimmt, handelt auch dann vorsätzlich, wenn er hofft oder darauf vertraut, der (spätere endgültige) Schaden werde ausbleiben“ (Tiedemann in LK 6. Aufl. § 263 Rdn. 246).
18
c) Die Täuschung der Anleger über das „Anlagemodell“, über dessen tatsächliche Nichtexistenz, begründet hier in allen Fällen von vorneherein einen Schaden im Umfang der gesamten Leistung. Diese Bewertung des Landgerichts ist rechtlich auch für die frühen Anlagen nicht zu beanstanden, auch nicht in den Fällen, bei denen vom Angeklagten später absprachegemäß geleistet wurde. Das hat die Strafkammer zu Recht - nur - als Schadenswiedergutmachung gewertet. Denn auch in diesen Fällen war der von den Investoren für ihre Zahlungen erlangte Gegenanspruch zum Zeitpunkt der Verfügung wirtschaftlich wertlos. Zwar bestand - wie es einem Schneeballsystem immanent ist - für die ersten Anleger eine gewisse Chance, ihr Kapital zurück und selbst die versprochenen Erträge ausbezahlt zu erhalten. Dies beruhte aber nicht auf der Umsetzung des vom Angeklagten vorgegaukelten Anlagemodells oder auch nur dem Versuch hierzu. Vielmehr hing alles vom weiteren „Erfolg“ des allein auf Täuschung aufgebauten Systems und vom Eingang weiterer betrügerisch erlangter Gelder ab. Die hierauf basierende Aussicht auf Erfüllung der vom Angeklagten eingegangenen Verpflichtung war nicht, auch nicht teilweise die versprochene Gegenleistung, sondern ein aliud ohne wirtschaftlichen Wert (vgl. BGHSt 51, 10, 15 Rdn. 19). Eine auf die Begehung von Straftaten aufgebaute Aussicht auf Vertragserfüllung ist an sich schon wertlos. Wegen des objektiv völlig unrealistischen Anlagemodells und der damit verbundenen Ertragsversprechungen war hier zudem - entgegen dem tatsächlichen Ablauf - ein schnelles Ende zu erwarten , jedenfalls war von Anfang an nicht absehbar, wann das System zusammenbricht , sei es auf Grund strafrechtlicher Ermittlungen oder mangels Eingangs weiterer Anlagen.
19
2. Zur Rüge der Verletzung des § 265 StPO:
20
Der Angeklagte war nach den Feststellungen des Landgerichts im Besitz gefälschter Personalpapiere, nämlich eines Passes und einer Driver Licence von British Honduras sowie einer Yacht-Clubkarte, alle lautend auf den Aliasnamen J. G. . Außerdem besaß er einen Diplomatenpass der „Conch Republic Key West“, ausgestellt auf seinen tatsächlichen Namen Dr. R. . Die Staatsanwaltschaft hatte im Zusammenhang mit der Anklageerhebung in der Schlussverfügung gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung weiterer Straftaten abgesehen, also auch hinsichtlich einer mögli- chen Beteiligung des Angeklagten an Urkundenfälschungen (§ 267 StGB). Gleichwohl - so beanstandet die Revision - habe die Strafkammer die „ausgeschiedenen Tatteile“ strafschärfend berücksichtigt, ohne auf diese Möglichkeit hingewiesen zu haben.
21
Eines rechtlichen und tatsächlichen Hinweises bedurfte es insoweit jedoch nicht.
22
Die Strafkammer hat in den Urteilsgründen nicht auf die strafschärfende Wirkung der Begehung weiterer von der Verfolgung ausgenommener Straftaten abgestellt. Das Landgericht hat vielmehr in der Beschaffung gefälschter Personaldokumente , um sie bei Bedarf tatbezogen einsetzen zu können (UA S. 39), und in deren Verstecken in einem separaten Büro Hinweise auf die Raffinesse und damit auf die hohe kriminelle Energie des Angeklagten gesehen.
23
Ebenso hat die Strafkammer im Verbergen der Geschäftsunterlagen der vom Angeklagten etablierten Unternehmen, im Aufbau eines internationalen Firmengeflechts und in der Nutzung verschiedener Konten zu Verschleierungszwecken , in der Vermögensverlagerung ins Ausland sowie im Nachtatverhalten gegenüber dem Hauptgeschädigten Dr. K. (Forderung der Abgabe einer „Ehrenerklärung“ für den Angeklagten sowie die Zahlung von 300.000,-- € an diesen als Voraussetzung für die Rückzahlung der geleisteten Einlage) Indizien für die hohe kriminelle Energie des Angeklagten gesehen. Auch im zuletzt genannten Punkt spielte eine mögliche strafrechtliche Relevanz bei der Bewertung seitens des Landgerichts keine Rolle.
24
All diese Punkte gehören zum Tatgeschehen und charakterisieren Tat und Täter, wie zahlreiche andere von der Strafkammer aufgeführte strafzumes- sungsrelevante Aspekte. Der strafrechtliche Betrugsvorwurf hat sich durch den Besitz der gefälschten Personalpapiere weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht bezüglich der Tatrichtung, der Beteiligung oder sonstiger wesentlicher Punkte verändert. Eines ausdrücklichen Hinweises auf die Strafzumessungsrelevanz derartiger das Tat- und Täterbild kennzeichnenden Aspekte des Tatgeschehens bedarf es nicht. Dies ist selbstverständlich.
25
Dass der Besitz der gefälschten Personalpapiere - in der Anklageschrift hatte dies keine Erwähnung gefunden - als Facette zur Kennzeichnung der Täterpersönlichkeit relevant sein könnte, war nach dem auch der Revisionsbegründung zu entnehmenden Verfahrensgang (Inaugenscheinnahme der Dokumente sowie Vernehmung des Zeugen S. hierzu) offensichtlich. Der Angeklagte hat die Existenz der Papiere in der Hauptverhandlung auch eingeräumt.
26
3. Zur Rüge der Nichterörterung des § 41 StGB:
27
Die Revision beanstandet die fehlende Erörterung der Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe neben einer - dann niedrigeren - Freiheitsstrafe gemäß § 41 StGB. Dies sei immer geboten, wenn die Straftaten zu erheblichen Gewinnen geführt haben, durch die ein Angeklagter ein beträchtliches Vermögen erworben hat.
28
Die Revision übersieht hierbei jedoch, dass bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 41 Satz 1 StGB) solche Vermögenswerte außer Betracht zu bleiben haben, die dem Verfall gemäß §§ 73, 73a StGB (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 41 Rdn. 2) bzw. der Rückgewinnungshilfe nach § 111i StPO unterliegen (vgl. auch Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung , 4. Aufl. Rdn. 214). Das Gericht hat gemäß § 111i Abs. 2 Satz 2 StPO zwar festgestellt, dass der Angeklagte 21.215.498,98 € aus den abgeurteilten Betrugstaten erlangt hat, aber auch, dass dem Verfall des Erlangten und des Wertersatzes Ansprüche der Verletzten entgegenstehen. Die auf Betreiben der Strafverfolgungsbehörden sichergestellten Werte (Arrest- und Pfändungsbeschlüsse über 16,8 Mio. €) fließen damit an die Geschädigten oder - unter den Vorsaussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO - dann doch in die Staatskasse. Vor dem Hintergrund der sonstigen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten lag deshalb die Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe gemäß § 41 StGB neben einer - auch dann noch mehrjährigen Freiheitsstrafe - sehr fern. Einer Erörterung in den schriftlichen Urteilsgründen bedurfte dies deshalb nicht. Ausführungen hierzu hätten die Gründe, die sich auf das Wesentliche konzentrieren sollen, vielmehr nur unnötig belastet.
29
4. Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 13. Januar 2009 verwiesen.
Nack Kolz Hebenstreit Elf Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 552/08
vom
14. August 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nicht: B. III., C. V.-VII.)
Veröffentlichung: ja
____________________________________
I. StPO § 100 c Abs. 4, 5, 6, § 100 d Abs. 5 Nr. 3
1. Die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich
voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben
wurden.
2. Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den sog. relativen Beweisverwertungsverboten
, nach denen nicht jeder Verstoß bei der Beweiserhebung
zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse
führt, gelten auch für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung
eingeführten Verwendungsregelungen bzw. Verwendungsbeschränkungen.
3. Zur Verwendbarkeit von Daten im Strafverfahren, die durch eine akustische
Wohnraumüberwachung auf der Grundlage einer polizeirechtlichen Ermächtigung
zur Gefahrenabwehr gewonnen worden sind, welche noch keine Regelung
zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung enthielt.
4. Der Begriff "verwertbare Daten" in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO bezieht sich auf
die gesetzlichen Beweisverwertungsverbote in § 100 c Abs. 5 und 6 StPO sowie
auf das Beweiserhebungsverbot aus § 100 c Abs. 4 StPO.
5. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche eines
nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, so richtet
sich die Verwertbarkeit dieser Gesprächsinhalte stets nach der Vorschrift des
§ 100 c Abs. 6 StPO. Für eine isolierte Anwendung des § 52 StPO ist daneben
kein Raum.
II. StGB §§ 129, 129 a, 129 b
1. Zur Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, wenn
sich der Täter ausschließlich im Inland aufgehalten hat.
2. Das Unterstützen einer Vereinigung umfasst regelmäßig auch Sachverhalte
, die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur
mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten wären.
Mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrags ist der Eingehungsbetrug
vollendet, wenn der Versicherungsnehmer darüber getäuscht hat, dass er
den Versicherungsfall fingieren will, um die Versicherungssumme geltend machen
zu lassen.
BGH, Urt. vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08 - OLG Düsseldorf
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
zu 2. und 3.: Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
28. Mai 2009 in der Sitzung am 14. August 2009, an denen teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten Y. A. ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten I. A. ,
Justizangestellte in der Verhandlung vom 28. Mai 2009,
Justizamtsinspektor bei der Verkündung am 14. August 2009
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Dezember 2007
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten wie folgt schuldig sind: aa) der Angeklagte K. der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen; bb) der Angeklagte Y. A. der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen; cc) der Angeklagte I. A. der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in fünf sowie mit versuchtem Betrug in achtzehn tateinheitlichen Fällen;
b) im Strafausspruch betreffend den Angeklagten Y. A. aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten Y. A. , an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten und die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils werden verworfen.
4. Die Angeklagten K. und I. A. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
A. Prozessgeschichte, Feststellungen und Wertungen des Oberlandesgerichts
2
Das Oberlandesgericht hat die Angeklagten K. und Y. A. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem "bandenmäßigen" Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu Freiheitsstrafen von sieben Jahren (K. ) bzw. sechs Jahren (Y. A. ) und den Angeklagten I. A. wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem bandenmäßigen Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die sowohl mehrere Verfahrensrügen erheben als auch mit Einzelbeanstandungen die Verletzung sachlichen Rechts geltend machen. Die beiden Angeklagten A. haben außerdem sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eingelegt.
3
Die Revision des Angeklagten Y. A. führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die übrigen Rechtsmittel bleiben im Wesentlichen ohne Erfolg.
4
Das Oberlandesgericht hat folgende Feststellungen getroffen und Bewertungen vorgenommen:
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I. Die Organisation Al Qaida
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In den Jahren 1996/1997 entstand aus einem Bündnis zwischen Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri die Organisation Al Qaida, die zum Kampf einer "Islamischen Weltfront für den Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" aufrief und es mit dem Ziel, westliche, vor allem amerikanische Truppen aus der arabischen Halbinsel zu vertreiben, als individuelle Glaubenspflicht eines jeden Muslim bezeichnete, die Amerikaner und ihre Verbündeten an jedem möglichen Ort zu töten. Al Qaida war im Kern in Afghanistan angesiedelt. An der Spitze der hierarchisch aufgebauten Organisation standen Bin Laden, Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter der für Militär, Finanzen, religiöse Fragen und Medienarbeit zuständigen Abteilungen. "Jihadwillige" Islamisten, die mittels des von der Organisation verbreiteten Propagandamaterials angeworben worden waren, wurden in Ausbildungslagern in Afghanistan als Kämpfer geschult. Besonders geeignet erscheinenden Kandidaten wurde sodann in speziellen Vertiefungskursen Sonderwissen vermittelt. Wer an einer derartigen - privilegierten - Spezialausbildung in den Jahren vor 2001 teilgenommen hatte, war der Organisation Al Qaida in der Regel im Sinne einer "Mitgliedschaft" unmittelbar zuzuordnen. Nach Abschluss ihrer Ausbildung kehrten die Kämpfer in ihre Herkunftsländer zurück und bildeten dort operative Zellen. Von der Organisation, deren Zweck und Tätigkeit im Wesentlichen in der Tötung von "Feinden des Islams" bestand, wurden in der Folgezeit mehrere Anschläge ausgeführt, die eine erhebliche Zahl von Menschenleben forderten. Zu ihnen gehörten auch die Selbstmordattentate auf das World-Trade-Center und das Pentagon am 11. September 2001.
7
Die dadurch ausgelösten militärischen Reaktionen beeinträchtigten in der Folgezeit die operative Handlungsfähigkeit der Organisation, führten aber nicht zu einer vollständigen Zerschlagung sämtlicher Strukturen von Al Qaida, sondern nur zu deren - dem Verfolgungsdruck vorübergehend angepassten - Modifizierung. Den in großer Zahl aus Afghanistan geflohenen Anhängern wurde durch Audio- und Videobotschaften verdeutlicht, dass die obersten Führungskräfte von Al Qaida dort weiterhin unverändert aktiv waren. Es gelang der Aufbau von regional tätigen Teilstrukturen in Form der "Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel" und einer Gruppe türkischer Islamisten. Außerdem konnte Al Qaida mehrere selbständige islamistische Organisationen ("Al Qaida im Zweistromland" sowie "Al Qaida im islamischen Maghreb") an sich binden. Durch den über Rundfunk und Fernsehen verbreiteten Führungsanspruch von Bin Laden und Al Zawahiri gelang es, auch ohne die Bildung eigenständiger Netzwerke neue Mitglieder der Organisation unter dem "Dach" der Al Qaida zu rekrutieren. An die Stelle des vor 2001 üblichen Gefolgschaftseids traten zur Begründung der Mitgliedschaft in der Organisation mehr und mehr einseitige Loyalitätserklärungen sowie an den Zielvorgaben von Al Qaida orientierte Handlungen.
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II. Die Tathandlungen der Angeklagten
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Der Angeklagte K. , der schon 2000 und Anfang 2001 in Trainingslagern der Al Qaida eine terroristische Ausbildung erhalten und seither den gewaltsamen Jihad gegen die "Ungläubigen" als seine außer jeder Diskussion stehende Individualpflicht betrachtet hatte, reiste nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Deutschland im Oktober 2001 erneut nach Afghanistan und nahm dort Ende 2001 / Anfang 2002 an Kampfhandlungen der Al QaidaVerbände teil. Dabei hatte er Kontakt zu Bin Laden und gliederte sich in die Hierarchie der Organisation ein. Im Frühjahr 2002 floh er vor den Amerikanern und deren Verbündeten. Er folgte der von Bin Laden an die im Besitz europäischer Pässe befindlichen "Kämpfer" erteilten Order, sich nach Möglichkeit in ihre Herkunftsländer zu begeben und weiterhin für Al Qaida zu arbeiten. Mitte Juli 2002 kehrte er nach Deutschland zurück und zog nach M. .
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In M. lernte der Angeklagte K. den Angeklagten Y. A. kennen. Dieser hatte sich schon seit längerem für den gewaltsamen Kampf der Muslime begeistert sowie seine Sympathie zu Al Qaida zum Ausdruck gebracht und war in M. in Kontakt zu weiteren gleichgesinnten Personen gekommen. Die Wohnung des Angeklagten K. in der P. straße wurde zum Treffpunkt dieses Freundeskreises. Der Angeklagte Y. A. besuchte den Angeklagten K. auch in der JVA , nachdem dieser im Januar 2004 in einem Verfahren wegen Betruges verhaftet und für vier Monate in Untersuchungshaft genommen worden war.
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Der Angeklagte K. , der sich nach wie vor der Al Qaida zugehörig und in der Rolle eines "Murabit" fühlte, der nur zeitweilig den Kampfschauplatz des Jihad hatte verlassen müssen, entfaltete in der Folgezeit umfangreiche Aktivitäten für die Organisation. Er befasste sich zu deren Gunsten in erster Linie mit Rekrutierungs- und Beschaffungsmaßnahmen und warb für die Unterstützung des gewaltsamen Jihad durch einen Märtyrereinsatz oder zumindest durch eine Spende an seine Organisation. Dabei gelang es ihm, den Angeklagten Y. A. zur Mitarbeit zu bewegen. Dieser entschloss sich vor dem Hintergrund seiner eigenen ideologischen Vorprägung, auf die Angebote des Angeklagten K. einzugehen und seine Tätigkeit in Deutschland fortan in den Dienst von Al Qaida zu stellen. Dementsprechend machte er die Planung und Durchführung einer Betrugsserie zum Nachteil von Lebensversicherungsgesellschaften zum "Mittelpunkt seines Lebens", deren erhebliche Beute zum einen Teil Al Qaida und zum anderen seiner Familie zugute kommen und zuletzt ihm ermöglichen sollte, dem Angeklagten K. zur Teilnahme am Jihad in den Irak zu folgen.
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Der Plan einer Betrugsserie sah vor, dass der Angeklagte Y. A. innerhalb eines auf zwei bis drei Monate angelegten Tatzeitraums zahlreiche Lebensversicherungsverträge abschließen, sodann nach Ägypten verreisen und von dort aus mittels Bestechung von Amtspersonen inhaltlich falsche Urkunden übersenden sollte, um gegenüber den Versicherungsunternehmen einen tödlichen Verkehrsunfall in Ägypten vortäuschen zu können. Der Angeklagte I. A. sollte sodann als Begünstigter mit Unterstützung des Angeklagten K. die Versicherungssummen geltend machen. In Verfolgung dieses zuerst zwischen den Angeklagten K. und Y. A. entwickelten Plans holte letzterer ab Mai 2004 bei Versicherungsunternehmen erste Erkundigungen über die möglichen Vertragsge- staltungen ein und begann am 10. August 2004 mit der Stellung von Versicherungsanträgen. Der Angeklagte K. stellte sicher, dass die ersten Prämien bezahlt werden konnten. Der Angeklagte I. A. , der am 21. September 2004 umfassend in den Tatplan eingeweiht worden war, nahm an zahlreichen Besprechungen des Vorhabens teil, ließ hierbei keine Zweifel an seiner uneingeschränkten Bereitschaft zur Mitwirkung bei der späteren Geltendmachung der Versicherungssummen und deren Verwendung aufkommen und unterstützte ferner die gemeinsame Tatplanung durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum Procedere der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art. Er nahm dabei billigend in Kauf, dass zumindest ein Teil der Beute über den Angeklagten K. der Al Qaida zufließen und auf diese Weise ihren organisatorischen Zusammenhang fördern sowie die Verfolgung ihrer terroristischen Aktivitäten erleichtern werde.
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Im Einzelnen stellte der Angeklagte Y. A. zwischen dem 10. August 2004 und dem 15. Januar 2005 bei verschiedenen Versicherungsunternehmen insgesamt 28 Anträge auf Abschluss von Lebensversicherungsverträgen. Entsprechend der Tatplanung kam es in neun Fällen zum Abschluss eines Versicherungsvertrages mit einer garantierten Todesfallsumme von 1.264.092 €. In 19 Fällen wurden die Anträge des Beschwerdeführers - teilweise aufgrund der zwischenzeitlichen Warnhinweise der Polizei an die Versicherungsunternehmen, zuletzt auch wegen der Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 - abgelehnt bzw. nicht mehr weiter bearbeitet.
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III. Beweisgrundlage und rechtliche Würdigung des Oberlandesgerichts
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Das Oberlandesgericht hat seine Überzeugung im Wesentlichen auf Erkenntnisse gestützt, die durch Wohnraumüberwachungsmaßnahmen in der von den Angeklagten K. und Y. A. bewohnten Wohnung in M. gewonnen worden waren.
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Nach der rechtlichen Würdigung des Oberlandesgerichts war Al Qaida trotz der strukturellen Veränderungen aufgrund der Verfolgung seit Ende des Jahres 2001 auch im Tatzeitraum eine ausländische terroristische Vereinigung. In dieser haben sich die Angeklagten K. und Y. A. als Mitglieder betätigt, während der Angeklagte I. A. nach Auffassung des Oberlandesgerichts die Vereinigung unterstützt hat. Die Taten der Angeklagten zum Nachteil der Versicherungen stellen sich nach Ansicht des Oberlandesgerichts in allen Fällen, also auch soweit es zu Vertragsabschlüssen gekommen ist, als täterschaftlich und bandenmäßig begangener versuchter Betrug dar.
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B. Die Verfahrensrügen
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I. Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung
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Die Beschwerdeführer rügen unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten die Verwertung der aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Den Verfahrensbeanstandungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Das Polizeipräsidium M. beantragte am 22. Juni 2004 beim Amtsgericht M. gemäß § 29 Abs. 1 des Rheinland-Pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (im Folgenden: POG RhPf) die richterliche Anordnung der Wohnraumüberwachung mit technischen Mitteln für die Wohnung des Angeklagten K. . Begründet wurde der Antrag u. a. mit der dringenden Gefahr, dass der sich dort regelmäßig treffende Personenkreis die Begehung von terroristischen Anschlägen plane. Nachdem der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht den Antrag zunächst am 28. Juni 2004 abgelehnt hatte, weil bereits der Anfangsverdacht einer Straftat nach §§ 129 a, 129 b StGB gegen die Betroffenen bestehe, genehmigte das Landgericht M. auf die sofortige Beschwerde des Polizeipräsidiums mit Beschluss vom 14. Juli 2004 gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 POG RhPf aF die Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen. Es bejahte entsprechend dem Antrag des Polizeipräsidiums das Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, weil in der Wohnung Anschläge geplant werden könnten. Eine Befristung der Maßnahme enthielt der Beschluss nicht. Vor Ablauf der damaligen Höchstfrist von drei Monaten gemäß § 29 Abs. 4 Satz 2 POG RhPf aF beantragte das Polizeipräsidium am 8. Oktober 2004 die Verlängerung der Maßnahme. Neben einer Verstrickung des Angeklagten K. in die Netzwerke arabischer Mudjahedin habe die Überwachung die Bereitschaft der Angeklagten K. und Y. A. ergeben, den "Märtyrertod" zu sterben, woraus sich wegen zu befürchtender Anschlagsplanungen eine fortdauernde dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ergebe. Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts M. verlängerte am 12. Oktober 2004 aus den fortgeltenden Gründen des Anordnungsbeschlusses die Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten. Nach dem Beschluss war die Überwachung sofort abzubrechen, wenn sich der Angeklagte K. oder der Angeklagte Y. A. jeweils allein in der Wohnung aufhalte, wenn Gespräche offensichtlich für die Gefahrenabwehr irrelevant seien oder wenn der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung - auch kurzzeitig - betroffen sei.
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Am 12. Oktober 2004 leitete der Generalbundesanwalt gegen die Angeklagten K. und Y. A. das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ein. Am 11. November 2004 beantragte er beim Landgericht Ka. die Anordnung der Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e, Abs. 2 und Abs. 3 StPO aF. In dem Antrag wurden Erkenntnisse aus der zuvor auf polizeirechtlicher Grundlage durchgeführten Wohnraumüberwachung zur Begründung des Tatverdachts verwendet. Das Landgericht Ka. ordnete die Maßnahme mit Beschluss vom 24. November 2004 für die Dauer von vier Wochen an. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse ließen den Schluss zu, dass der Angeklagte K. im Auftrag der Al Qaida Mitglieder zur Begehung von Selbstmordattentaten rekrutiere und in dem Angeklagten Y. A. auch bereits einen zum "Märtyrertod" Bereiten gefunden habe, mit dem er an der Umsetzung des Plans arbeite. Beide stünden damit im Verdacht, sich an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglieder zu beteiligen. Ohne die Wohnraumüberwachung werde die Erforschung des Sachverhalts unverhältnismäßig erschwert, weil keine sonstigen Beweismittel ersichtlich seien, mit denen Erkenntnisse über Zielsetzung oder Aktivitäten der Angeklagten gewonnen werden könnten. Eine weitere Aufklärung sei auch erforderlich, weil die bisherigen Erkenntnisse noch keinen hinreichenden Tatverdacht bezüglich der Mitgliedschaft der Angeklagten in der Al Qaida und ihre konkrete Art der Beteiligung ergeben hätten. Eine Ausforschung des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten, weil die in der abgehörten Wohnung zusammentreffenden Personen nicht miteinander verwandt seien und nicht in einer Beziehung höchstpersönlichen Vertrauens zueinander stünden. Soweit die Brüder des Angeklagten Y. A. in der Wohnung anwesend seien, müssten die Ermittlungsbehörden dafür Sorge tragen, dass die Überwachung sofort abgebrochen werde, sobald der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung berührt werde. Auf entsprechende Anträge des Generalbundesanwalts, mit denen weitere Erkenntnisse zu dem geplanten Versicherungsbetrug, aber auch zu einem möglichen Handel mit Uran mitgeteilt wurden, verlängerte das Landgericht Ka. mit Beschlüssen vom 22. Dezember 2004 und vom 19. Januar 2005 die Maßnahme um jeweils vier Wochen.
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Obwohl die Wohnraumüberwachung bereits mit Beschluss vom 14. Juli 2004 genehmigt worden war, begann die Ausführung der Maßnahme erst am 24. August 2004. Am 30. August 2004 erließ das Polizeipräsidium Handlungsgrundsätze für die Durchführung der Wohnraumüberwachung, die allen beteiligten Beamten bekannt gemacht wurden. Mit diesen Handlungsanweisungen sollten die Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (BVerfGE 109, 279) zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung umgesetzt werden. Insbesondere wurde nicht eine automatische, sondern eine manuelle Gesprächsaufzeichnung angeordnet. Dafür wurden Polizeibeamte und Dolmetscher im Schichtbetrieb eingesetzt, die nur dann Gespräche aufzeichneten, wenn aufgrund einer Einschätzung der aktuellen Situation in der Wohnung relevante Erkenntnisse zu erwarten waren. Die Handlungsanweisungen wurden entsprechend den Beschlüssen des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 und des Landgerichts Ka. vom 24. November 2004 fortgeschrieben und berücksichtigten die dort aufgestellten Vorgaben. Die Wohnraumüberwachung wurde mit der vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 beendet; sie dauerte mithin ca. fünf Monate. In dieser Zeit (insgesamt über 3.620 Stunden) wurden 703 Aufzeichnungen mit einer Gesamtlänge von etwas über 304 Stunden erstellt, was bezogen auf die Gesamtdauer der Maßnahme einem Anteil von 8,4 % entspricht. Von den 703 aufgezeichneten Gesprächen wurden 313 übersetzt, 144 der Anklageschrift zu Grunde gelegt, 142 in die Hauptverhandlung eingeführt und Passagen aus 86 Gesprächsaufzeichnungen im angefochtenen Urteil verwertet. Alle Angeklagten haben in der Hauptverhandlung der Verwertung der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung widersprochen.
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Die Rüge hat keinen Erfolg.
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1. Ob das Oberlandesgericht die im Rahmen der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung gewonnenen Informationen in die Hauptverhandlung einführen und bei seiner Beweiswürdigung verwerten durfte, bestimmt sich zunächst nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl I 3198 ff.). Zwar ist diese Vorschrift erst am 1. Januar 2008 und damit nach Erlass des angefochtenen Urteils in Kraft getreten. Jedoch ist bei der Änderung strafprozessualer Bestimmungen für das weitere Verfahren grundsätzlich auf die neue Rechtslage abzustellen (BGH NJW 2009, 791, 792 m. w. N.; Knierim StV 2009, 206, 207). Dies gilt auch bei einer Änderung des Rechtszustands zwischen dem tatrichterlichen Urteil und der Revisionsentscheidung (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 354 a Rdn. 4; Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 a Rdn. 5). Nach dem somit maßgeblichen § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO - der im Übrigen dem im Zeitpunkt der Verkündung des oberlandesgerichtlichen Urteils geltenden § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF entspricht - können aus einer polizeilichen akustischen Wohnraumüberwachung erlangte, verwertbare personenbezogene Daten im Strafverfahren ohne Einwilligung der über- wachten Personen unter anderem zur Aufklärung einer Straftat verwendet werden , auf Grund derer die Maßnahme nach § 100 c StPO angeordnet werden könnte. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt:
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a) Die auf der Grundlage der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse sind zum Nachweis von Straftaten herangezogen worden, zu deren Aufklärung die Wohnraumüberwachung auch nach § 100 c StPO angeordnet werden könnte (Gedanke des hypothetischen Ersatzeingriffs, vgl. dazu BTDrucks. 16/5846 S. 64; Wolter in SK-StPO § 100 d Rdn. 33). Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Verdacht, dass entsprechende Taten begangen worden sind, bereits im Zeitpunkt der Anordnung bzw. Durchführung der polizeirechtlichen Maßnahme bestanden hatte, denn es handelt sich bei § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO um eine Verwendungsregelung für Erkenntnisse, die zur Gefahrenabwehr , nicht dagegen zur Strafverfolgung erhoben worden waren. Daher ist allein maßgeblich, ob die Daten nunmehr im Strafverfahren zur Klärung des Verdachts einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO verwendet werden sollen.
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Hier sind die Protokolle der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung zum Nachweis der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB) verwertet worden, mithin von Katalogtaten im Sinne des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO.
27
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer durften sie aber auch zur Beweisführung hinsichtlich der ihnen angelasteten Betrugstaten herangezogen werden. Zwar sind diese nicht im Katalog des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO enthalten. Wie jedoch auch die Revisionen letztlich nicht in Abrede nehmen, liegt zwischen den Betrugshandlungen, die sich als Betätigungsakte der durch § 100 c Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO als Katalogtat erfassten Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung darstellen , Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB vor. In einer solchen Konstellation entspricht es bei Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsmaßnahmen auch zum Nachweis der mit der Katalogtat in Zusammenhang stehenden Nichtkatalogtat verwertet werden dürfen (BGHSt 28, 122, 127 f.; 30, 317, 320; BGH StV 1998, 247, 248). Diese Grundsätze sind im Schrifttum gebilligt und für die Verwertung von Erkenntnissen aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme übernommen worden (Nack in KK § 100 d Rdn. 33; Wolter aaO § 100 d Rdn. 74; jeweils m. w. N.). Es besteht insoweit kein Anlass, aufgrund der unterschiedlichen betroffenen Grundrechte die Fälle der Wohnraumüberwachung anders als diejenigen der Telekommunikationsüberwachung zu behandeln. Den entsprechenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts tritt der Senat bei.
28
Die den Angeklagten angelasteten Taten nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB wogen auch im konkreten Fall besonders schwer (§ 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO). Zum einen handelt es sich bei der öffentlichen Sicherheit und staatlichen Ordnung (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 129 Rdn. 2 m. w. N.) um hochrangige Rechtsgüter; diese werden von § 129 a StGB geschützt. Zum anderen kam das arbeitsteilige, äußerst konspirative Zusammenwirken mehrerer Täter zur Umsetzung eines komplexen Tatplans hinzu , wodurch zugleich noch weitere Rechtsgüter - das Vermögen der Versicherungsunternehmen - verletzt wurden (zu diesen Anforderungen vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 12).
29
Die Aufklärung der den Angeklagten angelasteten Taten wäre ohne die Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung unverhältnismäßig erschwert oder unmöglich gemacht worden (§ 100 c Abs. 1 Nr. 4 StPO). Es ist insoweit wiederum nicht auf den Zeitpunkt der Erlangung der Erkenntnisse abzustellen, denn die Regelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO bezieht sich nur auf den erneuten aus der anderweitigen Verwendung der zweckgebundenen Daten folgenden Grundrechtseingriff (vgl. BGH NJW 2009, 791, 792; BVerfGE 100, 313, 391). Zum Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil stellten die Wohnraumüberwachungsprotokolle indes die zentralen Beweismittel dar, ohne die ein Tatnachweis nicht möglich gewesen wäre.
30
b) Bei den Erkenntnissen aus der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung handelt sich um verwertbare Daten im Sinne des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO.
31
Der Begriff der Verwertbarkeit bezieht sich auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO (Nack aaO § 100 d Rdn. 18; Meyer-Goßner aaO § 100 d Rdn. 6). Dies folgt schon aus dem Vergleich zu § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO, der die Verwendbarkeit "verwertbarer personenbezogener Daten" regelt, die in einem anderen Strafverfahren gewonnen worden sind. Durch die Verwendungsregelungen in § 100 d Abs. 5 StPO (seinerzeit: § 100 d Abs. 6 StPO aF) sollte ein den Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung (BVerfGE 109, 279) entsprechendes Schutzniveau geschaffen werden, um für den Bereich der Strafverfolgung die einfachgesetzlichen Regelungen zur Wohnraumüberwachung und der Verwendung der aus einer solchen Maßnahme - sei es auch auf anderer gesetzlicher Grundlage als derjenigen der StPO - erlangten personenbezogenen Informationen insgesamt verfassungsgemäß auszugestalten (BTDrucks. 15/4533 S. 1). Dies erforderte einen einheitlichen Anknüpfungspunkt , wie ihn die Verwertungsverbote des § 100 c StPO boten. Dementsprechend nimmt die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF durch den Verweis auf § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF auch auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO Bezug, die der Gesetzgeber im Regelungsbereich des § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF beachtet wissen wollte (vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 17 f.). Daraus erhellt, dass diese Verwertungsverbote auch im Rahmen des § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF (jetzt: § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO) Anwendung finden und dies durch die gesetzliche Verwendungsvoraussetzung der "verwertbaren" personenbezogenen Daten zum Ausdruck gebracht werden sollte.
32
Die Gegenauffassung, die auf eine Verwertbarkeit im polizeirechtlichen Ausgangsverfahren abstellen will (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64), könnte demgegenüber dazu führen, dass für die Verwendbarkeit durch Wohnraumüberwachungsmaßnahmen gewonnener Daten nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO andere , gegebenenfalls großzügigere Maßstäbe gelten würden, als für diejenige nach § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO. Denn im Polizeirecht kommt dem Aspekt der aus Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 1 GG abzuleitenden Schutzpflichten des Staates zur Abwehr von Gefahren insbesondere für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter eine weitaus größere Bedeutung zu als im Strafprozess (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht 4. Aufl. Rdn. 215 f.; Würtenberger /Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg 6. Aufl. Rdn. 659; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht 14. Aufl. § 17 Rdn. 69). Eine nach polizeirechtlichen Grundsätzen durchgeführte Abwägung zwischen den Grundrechten des durch die Maßnahme Betroffenen und den zu schützenden Rechtsgütern der Allgemeinheit oder eines Einzelnen könnte also auch dann noch zur Verwertbarkeit von erlangten Erkenntnissen führen, wenn diese nach strafpro- zessualen Grundsätzen zu verneinen wäre. Selbst wenn man für das Merkmal der Verwertbarkeit in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO nur auf die polizeirechtlichen Regelungen zum Kernbereichsschutz abstellen wollte, könnte aufgrund der insoweit teilweise unterschiedlichen Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder und des Bundes (vgl. dazu Wolter aaO § 100 c Rdn. 17, 19) die Verwendung im Strafverfahren davon abhängen, in welchem Bundesland bzw. nach welchem Bundesgesetz die Maßnahme angeordnet wurde. Dies wäre in sich nicht stimmig.
33
Unverwertbare Daten im Sinne des § 100 c Abs. 4-6 StPO sind vorliegend nicht verwendet, insbesondere in dem angefochtenen Urteil nicht gegen die Beschwerdeführer verwertet worden (dazu unten 2. d) und e).
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2. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Verwendung der durch die Wohnraumüberwachung auf polizeirechtlicher Grundlage gewonnenen Daten im Strafverfahren gegen die Angeklagten liegen vor.
35
a) Das zur Erhebung der Daten ermächtigende Gesetz gestattet deren Umwidmung für Zwecke der Strafverfolgung (s. dazu Nack aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 d Rdn. 65; allgemein zu dieser Voraussetzung Singelnstein ZStW 120 (2008), 854, 859 ff.). Die entsprechende Verwendungsbefugnis enthält § 29 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 POG RhPf, der auch bereits im Zeitpunkt der Verwertung der Daten in dem angefochtenen Urteil galt.
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b) Zutreffend machen die Beschwerdeführer allerdings geltend, dass § 29 POG RhPf aF, auf den die akustische Überwachung der Wohnung des Angeklagten K. gestützt worden war, nicht in vollem Umfang verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprach. Dies führt indes nicht dazu, dass die aus der Maßnahme erlangten Erkenntnisse nicht gemäß § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO im Strafverfahren gegen die Angeklagten verwendet werden durften. Hierzu gilt:
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§ 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 c Rdn. 32; Eisenberg, Beweisrecht der StPO 6. Aufl. Rdn. 358; s. auch Singelnstein aaO S. 887 f.; Griesbaum in KK § 161 Rdn. 40 - jeweils zur parallelen Problematik bei § 161 Abs. 2 StPO; BGHSt 48, 240, 249; BGHR StPO § 100 a Verwertungsverbot 10; Schäfer in Löwe/Rosenberg, 25. Aufl. § 100 a Rdn. 87 - jeweils zur Verwendungsregelung des § 100 b Abs. 5 StPO aF).
38
aa) Bedingung dafür ist zunächst eine wirksame Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 13 GG genügt (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64 f.). Ermächtigungsgrundlage war hier § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF, der die Erhebung von Daten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in der Wohnung des Betroffenen zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit erlaubte. Diese Eingriffsvoraussetzungen stehen im Einklang mit der das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG einschränkenden Vorschrift des Art. 13 Abs. 4 GG, die eine Wohnraumüberwachung zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit , also bei einer konkreten Gefährdung eines wichtigen Rechtsgutes (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG 10. Aufl. Art. 13 Rdn. 30) zulässt. Durch die Aufzählung einer gemeinen Gefahr und der Lebensgefahr in Art. 13 Abs. 4 GG wird die Eingriffsschwelle beispielhaft definiert (Gornig in v. Mangoldt/Klein/Stark, GG 5. Aufl. Art. 13 Rdn. 126), was auch bei der Auslegung des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF zu berücksichtigen ist. Bei Beachtung dieser Maßstäbe ergeben sich insoweit keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Eingriffsermächtigung (vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl 2007, 569, 577 zum weitgehend inhaltsgleichen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf nF). Diese ist auch einfachrechtlich hinreichend bestimmt: Der unbestimmte Rechtsbegriff der dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist insbesondere durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte konturiert worden und setzt voraus, dass bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Schädigung eines hochrangigen Rechtsguts droht; auf eine zeitliche Komponente, etwa in dem Sinne, dass der Schadenseintritt unmittelbar bevorstehen muss, kommt es hingegen nicht entscheidend an (BVerwGE 47, 31, 40; Jarass aaO Art. 13 Rdn. 37).
39
Die von den Beschwerdeführern zur Begründung ihrer Gegenauffassung herangezogene verfassungsgerichtliche Rechtsprechung (BVerfGE 113, 348; MVVerfG LKV 2000, 345) ist nicht einschlägig. Die in jenen Entscheidungen für nichtig erklärten Vorschriften des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG MV ) bzw. § 33 a Abs. 1 Nr. 2 und 3 Niedersächsisches Gesetz über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG Nds.) knüpften als Eingriffsvoraussetzung nicht an die Abwehr einer dringenden Gefahr, sondern an die vorsorgende Strafverfolgung und Verhütung von Straftaten an (BVerfGE 113, 348, 350 f., 368 f.; MVVerfG LKV 2000, 345, 349 f.; siehe auch VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl 2007, 569, 577). Die mit § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf vergleichbare Vorschrift des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SOG M-V, der die Wohnraumüberwachung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zulässt, ist nach der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern hingegen verfassungsgemäß (MVVerfG LKV 2000, 345, 349); der unter den gleichen Voraussetzungen die Anordnung der Telefonüberwachung zulassende § 33 a Abs. 1 Nr. 1 SOG Nds. war nicht Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, weil er in jenem Verfahren mit der Verfassungsbeschwerde nicht angefochten worden war. Aus den vorgenannten Entscheidungen lassen sich verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF somit nicht herleiten.
40
Die Ermächtigungsgrundlage genügte auch im Hinblick auf den in der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG geforderten Richtervorbehalt den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. § 29 Abs. 4 Satz 1 POG RhPf aF).
41
bb) Jedoch enthielt der am 3. März 2004 in Kraft getretene § 29 POG RhPf aF keine Vorschriften zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Solche Regelungen hatte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom selben Tag zur Anordnung einer Wohnraumüberwachung nach der Strafprozessordnung gefordert und die §§ 100 c, 100 d, 100 f und 101 StPO aF deshalb teilweise für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Gleichwohl hatte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist zur Neufassung dieser Bestimmungen eingeräumt, in der die bisherigen Regelungen unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten Vorgaben zum Schutz der Menschenwürde und zur Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit fortgalten (BVerfGE 109, 279). Mittlerweile - und auch bereits im Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht - sind solche Regelungen zum Kernbereichsschutz sowohl in § 100 c Abs. 4-6 StPO als auch in § 29 Abs. 3-6 POG RhPf nF enthalten.
42
Das Fehlen von Kernbereichsschutzregelungen in § 29 POG RhPf aF führt nicht zur Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme erlangten Erkenntnisse.
43
(1) Nicht zu teilen vermag der Senat allerdings die vom Oberlandesgericht und - ihm folgend - vom Generalbundesanwalt vertretene Auffassung, die Vorschrift sei einer verfassungskonformen Auslegung dahin zugänglich gewesen , dass sie unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben jedenfalls für eine Übergangszeit der Verfassung entsprochen habe und so als rechtmäßige Ermächtigungsgrundlage für Wohnraumüberwachungsmaßnahmen habe dienen können.
44
Eine verfassungskonforme Auslegung kommt in Betracht, wenn eine auslegungsfähige Norm nach den üblichen Interpretationsregeln mehrere Auslegungen zulässt, von denen eine oder mehrere mit der Verfassung übereinstimmen , während andere zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen (BVerfGE 19, 1, 5; 32, 373, 383 f.; 48, 40, 45). Die Grenzen einer solchen Auslegung sind indes erreicht, wenn durch sie der wesentliche Inhalt der gesetzlichen Regelung erst geschaffen werden müsste (BVerfGE 8, 71, 78 f.; 45, 393, 400); es steht den Fachgerichten insbesondere in Fällen, in denen der Gesetzgeber unterschiedliche Möglichkeiten zu einer verfassungskonformen Neuregelung hat, nicht zu, die gesetzgeberische Aufgabe der Rechtssetzung zu übernehmen (BVerfGE 72, 51, 62 f.; 100, 313, 396; vgl. auch BVerfGE 8, 71, 79). Hier erweist sich die vom Oberlandesgericht vorgenommene "verfassungskonforme Auslegung" der Sache nach als übergangsweise Regelung zur Fortgeltung eines mit der Verfassung nicht vereinbaren Gesetzes unter Berücksichtigung bestimmter verfassungsrechtlicher Vorgaben; zu solchen Übergangsregelungen sind gemäß § 35 BVerfGG nur das Bundesverfassungsgericht bzw. nach den entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften die Landesverfassungsgerichte befugt (vgl. Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG § 35 Rdn. 69, 43; Heusch in Mitarbeiterkommentar-BVerfGG 2. Aufl.
§ 31 Rdn. 81 f.; s. etwa § 26 Abs. 3 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz).
45
Gegen die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung mit dem vom Oberlandesgericht angenommenen Inhalt spricht zudem, dass sich das Bundesverfassungsgericht selbst - bezogen auf die Vorschriften der Strafprozessordnung - zu einer solchen außer Stande sah und ausdrücklich eine Regelung durch den Gesetzgeber forderte (BVerfGE 109, 279). In Kenntnis der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts hat auch der Sächsische Verfassungsgerichtshof die die Wohnraumüberwachung zulassenden Vorschriften im Sächsischen Verfassungsschutzgesetz, die ebenfalls keine Regelungen zum Kernbereichsschutz enthielten, nicht aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung unbeanstandet gelassen, sondern sie unter Bestimmung einer Übergangsfrist für mit der Verfassung unvereinbar erklärt (SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
46
(2) Obwohl danach wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz von der Unvereinbarkeit des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF mit Art. 13 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG und damit von der Rechtswidrigkeit der Wohnraumüberwachung ausgegangen werden muss, lässt dies hier die Verwendbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse im Sinne des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO unberührt.
47
Nach ständiger Rechtsprechung führt nicht jeder Rechtsverstoß bei der strafprozessualen Beweisgewinnung zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse. Vielmehr ist je nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Bedeutsam sind dabei insbesondere die Art des etwaigen Beweiserhebungsverbots und das Gewicht des in Rede stehen- den Verfahrensverstoßes, das seinerseits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt wird (vgl. BGHSt 19, 325, 329 ff.; 27, 355, 357; 31, 304, 307 ff.; 35, 32, 34 f.; 37, 30, 31 f.; 38, 214, 219 ff.; 38, 372, 373 f.; 42, 372, 377; 44, 243, 249; BGH NStZ 2007, 601, 602; BVerfG NStZ 2006, 46; NJW 2008, 3053). Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass die Annahme eines Verwertungsverbots ein wesentliches Prinzip des Strafverfahrensrechts - den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind - einschränkt. Aus diesem Grund stellt ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme dar, die nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (BGHSt 37, 30, 32 m. w. N.; 44, 243, 249).
48
Diese Grundsätze gelten auch für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung eingeführten Verwendungsregelungen (der Sache nach auch BGHSt 48, 240, 249 zu § 100 b Abs. 5 StPO aF), zu denen auch § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO zählt.
49
Zwar wird in Teilen der Literatur die Auffassung vertreten, Verwendungsregelungen müssten bei Nichtvorliegen ihrer Voraussetzungen stets wie ein geschriebenes Verwertungsverbot wirken, das keiner Abwägung zugänglich sei, so dass in derartigen Fällen jegliche Verwendung und damit auch jede Verwertung der jeweils in Rede stehenden Daten ausgeschlossen werden müsse (Singelnstein aaO S. 889 m. w. N.). Nach dieser Ansicht sollen sich - mangels einer ausdrücklichen Ermächtigung, auch rechtswidrig erlangte Erkenntnisse für einen anderen Verfahrenszweck umzuwidmen - die Verwendungsregelungen der Strafprozessordnung ausschließlich auf rechtmäßig erhobene Daten beziehen, weil eine rechtswidrige Datenerhebung im Vergleich zu einer rechtmäßigen ei- nen schwereren Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen darstelle (Singelnstein aaO S. 887 f.).
50
Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Eine solche Beschränkung nur auf rechtmäßig erhobene Daten ergibt sich aus dem Wortlaut der Verwendungsregelungen nicht. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften zur Verwendung von Erkenntnissen aus präventiv-polizeilichen Maßnahmen im Strafverfahren ist allerdings zu entnehmen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von der rechtmäßigen Datenerhebung ausgegangen ist (Wollweber NJW 2000, 3623 unter Hinweis auf die Materialien zum Strafverfahrensänderungsgesetz 1999, vgl. BRDrucks. 64/00 S. 6 f.). Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass auf polizeigesetzlicher Grundlage rechtswidrig erhobene Daten unter keinen Umständen für Zwecke des Strafverfahrens zur Verfügung stehen sollten (Zöller in Roggan/Kutscha, Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit 2. Aufl. S. 496 f.). Denn es entspricht der üblichen Regelungstechnik der Strafprozessordnung, dass der Gesetzgeber zwar die Voraussetzungen normiert, unter denen zur strafprozessualen Beweisgewinnung durch Ermittlungsmaßnahmen rechtmäßig in (Grund-)Rechte der jeweils Betroffenen eingegriffen werden darf, jedoch - abgesehen von wenigen Ausnahmen (s. etwa § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO) - keine Bestimmungen dazu trifft, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen rechtswidrig erlangte Beweisergebnisse im weiteren Verfahren verwertet werden dürfen. Es ist kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Regelungen zur Verwendung von Daten, die in anderen Verfahren und eventuell auch unter Geltung anderer Rechtsgrundlagen für die Informationsbeschaffung gewonnen worden sind, von diesem Konzept abweichen wollte.
51
Auch von Verfassungs wegen folgt aus der Rechtswidrigkeit einer Datenerhebung nicht zwangsläufig das Verbot einer zweckändernden Verwendung (Wolter aaO vor § 151 Rdn. 167 a; Albers, Die Determination polizeilicher Tätigkeit in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge S. 330 f.; Singelnstein aaO S. 887). Damit entspricht die rechtliche Ausgangslage aber derjenigen bei den sog. relativen Verwertungsverboten. Auch hier besteht ein ausdrückliches gesetzliches Verwertungsverbot nicht; ob die gewonnenen Erkenntnisse möglicherweise unverwertbar sind, wird auf der Grundlage der oben dargestellten Abwägungskriterien vielmehr nur deshalb geprüft, weil die Ermittlungsbehörden bei der Beweisgewinnung gegen Vorschriften der Strafprozessordnung verstoßen haben, von deren Einhaltung durch die Behörden der Gesetzgeber grundsätzlich ausgeht. Wenn aber in diesen Fällen die Rechtswidrigkeit der Ermittlungshandlung nicht stets zur Unverwertbarkeit der Beweismittel führt, so ist kein Grund dafür ersichtlich, in der vergleichbaren Situation der Verwendungsregelungen jede Verwendung und damit auch die Verwertung von der Rechtmäßigkeit der Datengewinnung abhängig zu machen. Besonders augenfällig wird dies bei der Vorschrift des § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO, die die Verwendung von Zufallsfunden regelt: Während die Rechtswidrigkeit der Ermittlungsmaßnahme die Verwertbarkeit der Erkenntnisse zu der Straftat, zu deren Aufklärung sie angeordnet wurde, gegebenenfalls unberührt lassen würde, dürften gleichzeitig gewonnene Beweisergebnisse, die eine andere Tat des selben Täters betreffen, nicht verwertet werden. Diesem unstimmigen Ergebnis kann auch nicht mit dem Hinweis darauf begegnet werden, dass die Zweckänderung einen erneuten Grundrechtseingriff darstellt, der durch die Verwendungsregelung nur gerechtfertigt werden könne, wenn die Datenerhebung selbst rechtmäßig war. Denn auch die Verwertung von rechtswidrig erlangten Erkenntnissen in demselben Verfahren stellt einen erneuten Grundrechtseingriff oder zumindest eine Vertiefung des zuvor erfolgten dar. Dessen Rechtfertigung kann sich bei einem Überwiegen der Belange der Allgemeinheit, insbesondere des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung - einem Prinzip von Verfassungsrang (BVerfGE 44, 353, 374; BVerfG StV 1985, 177) - aus der nach den dargestellten Grundsätzen vorzunehmenden Güterabwägung ergeben.
52
Ob - was allerdings nahe liegen dürfte - von diesem Ergebnis abzuweichen ist, wenn durch die Nutzung der rechtswidrig erhobenen Daten eine in der Verwendungsregelung enthaltene Beschränkung umgangen würde, etwa wenn die Wohnraumüberwachung nicht zur Aufklärung einer Katalogtat oder eines vergleichbaren präventiv-polizeilichen Zwecks angeordnet wurde (vgl. Albers aaO S. 331; Schäfer aaO § 100 a Rdn. 97 zu § 100 b Abs. 5 StPO aF; Weßlau in SK-StPO § 477 Rdn. 41; in diesem Sinne wohl auch Dencker in FS für Meyer -Goßner S. 237, 249 f.), kann der Senat offen lassen. Zu einer solchen Verletzung der Verwendungsbeschränkung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO ist es nicht gekommen (dazu oben 1. a). Im Übrigen würde in solchen Fällen auch die Auffassung, die ein Verwertungsverbot von einer Güterabwägung abhängig macht, regelmäßig zu dem Ergebnis einer Unverwertbarkeit der Daten gelangen (vgl. BGHSt 31, 304, 309; 41, 30; 47, 362).
53
Für alle anderen Verstöße ist abzuwägen, ob die Rechtswidrigkeit der Datenerhebung auch die zweckändernde Verwendung und damit hier die Verwertung im Strafverfahren verbietet (vgl. Nack aaO § 100 d Rdn. 31 ff.; Albers aaO S. 331 f.; vgl. auch Wolter aaO § 100 d Rdn. 69, der bei "Minimalverstößen" ebenfalls eine Abwägung für geboten hält, aA wohl Singelnstein aaO).
54
(3) Ist nach alledem eine Verwendung der aus der polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung erlangten Daten wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz in § 29 POG RhPf aF und einer daraus resultierenden Rechtswidrigkeit der Maßnahme nicht von vornherein ausgeschlossen, ergibt die vorzunehmende Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung, was zur Verwertbarkeit der gewonnen Erkenntnisse führt. Im Einzelnen:
55
Der Rechtsverstoß bei der Informationsbeschaffung liegt hier darin, dass die Abhörmaßnahme auf der Grundlage einer mit dem Grundgesetz nicht in vollem Umfang vereinbaren einfachgesetzlichen Ermächtigung durchgeführt worden ist. Der Senat verkennt nicht, dass die Unvereinbarkeit der Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung mit höherrangigem Recht einen Verstoß von Gewicht begründet, der regelmäßig zur Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen wird. Jedoch sind vorliegend besondere Umstände zu beachten , die zu einer abweichenden Beurteilung führen:
56
Das Bundesverfassungsgericht hatte die entsprechenden strafprozessualen Regelungen trotz ihrer teilweisen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht für nichtig, sondern sie unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die Erfordernisse einer funktionierenden Strafrechtspflege für eine Übergangszeit weiterhin für anwendbar erklärt. Dem entnimmt der Senat, dass auch § 29 POG RhPf aF, wäre er zur verfassungsrechtlichen Prüfung durch das Bundes- oder Landesverfassungsgericht gestellt worden, nicht etwa für nichtig, sondern unter entsprechenden Vorgaben ebenfalls für eine Übergangszeit für weiter anwendbar erklärt worden wäre (vgl. SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
57
Die Vorschrift des § 29 POG RhPf aF entsprach in Bezug auf den Überwachungsgrund der Gefahrenabwehr sowie im Hinblick auf die Eingriffsschwelle und den Richtervorbehalt der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG. Sie konnte die Maßgaben des Verfassungsgerichts zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensführung nicht berücksichtigen, weil für den Gesetzgeber noch keine Möglichkeit bestand, diese in das Gesetz einzuarbeiten; denn zwischen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der Erstanordnung der Maßnahme lagen nur etwas über vier Monate (das Bundesverfassungsgericht hatte dem Bundesgesetzgeber in seinem Urteil vom 3. März 2004 eine Frist von mehr als einem Jahr und drei Monaten zur verfassungskonformen Neufassung der einschlägigen Bestimmungen der Strafprozessordnung zur Wohnraumüberwachung gesetzt, vgl. BVerfGE 109, 279, 381). Gleichwohl waren Betroffene von Wohnraumüberwachungsmaßnahmen im Hinblick auf ihr Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht schutzlos gestellt; vielmehr ergibt sich bei Fehlen entsprechender Vorschriften in den Polizeigesetzen ein solcher Schutz unmittelbar aus Art. 13 Abs. 4 GG in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aufgestellten Grundsätze (Wolter aaO § 100 c Rdn. 19 m. w. N.).
58
Bei dieser Ausgangslage war die Annahme des Polizeipräsidiums und der die präventiv-polizeiliche Wohnraumüberwachung anordnenden bzw. die Anordnung verlängernden Gerichte nicht unvertretbar, dass die Maßnahme trotz des Fehlens einer gesetzlichen Regelung zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung durchgeführt werden durfte und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts durch entsprechende Vorkehrungen im Vollzug der Wohnraumüberwachung Rechnung getragen werden konnte. Jedenfalls stellte sich diese Annahme nicht als eine bewusste Umgehung des Gesetzes oder grundrechtlich geschützter Positionen der Angeklagten dar.
59
Nach alldem wiegt die teilweise Unvereinbarkeit des § 29 POG RhPf aF mit verfassungsrechtlichen Anforderungen hier nicht so schwer, dass sie eine nach den dargelegten Grundsätzen nur ausnahmsweise anzuerkennende Un- verwertbarkeit der bei der Wohnraumüberwachung erlangten Erkenntnisse zur Folge hätte. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass wegen der Respektierung des Kernbereichs der privaten Lebensführung bei Durchführung der Maßnahme (s. unten d) und e) jedenfalls materiell ein ungerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht der Angeklagten K. und Y. A. aus Art. 13 Abs. 1 GG sowie eine Verletzung ihrer Menschenwürde nicht vorlag. Angesichts dessen kann auch die überragende Bedeutung dieser Grundrechte keine andere Beurteilung rechtfertigen.
60
c) Die Anordnung der Wohnraumüberwachung unterliegt im Übrigen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die entgegenstehende Rüge, mit der die Beschwerdeführer geltend machen, die Voraussetzungen einer Anordnung der Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF hätten nicht vorgelegen, ist unbegründet.
61
aa) Die Anordnung wurde nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Anordnungsbeschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit getroffen. Auch in der Sache lag kein Eingriff zur bloßen Gefahrenvorsorge oder zur vorbeugenden Strafverfolgung vor.
62
Die gegenteilige Ansicht der Beschwerdeführer beruht auf einer Verkennung des Begriffs der dringenden Gefahr. Eine solche braucht nicht bereits eingetreten zu sein; es genügt, dass die Beschränkung des Grundrechts dem Zweck dient, einen Zustand nicht eintreten zu lassen, der seinerseits eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen würde (vgl. BVerfGE 17, 232, 251 f.). Damit liegt eine dringende Gefahr im Sinne des für den vorliegenden Eingriff maßgeblichen § 13 Abs. 4 GG vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein bedeutendes Rechtsgut schädigen wird (vgl. BVerwGE 47, 31, 40). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind zudem an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden wäre (BVerwGE 47, 31, 40; 57, 61, 65; 88, 348, 351; 116, 347, 356; Gusy, Polizeirecht 6. Aufl. Rdn. 119; vgl. BVerfGE 49, 89, 135 ff.). Zuzugeben ist den Beschwerdeführern insoweit allerdings, dass auch angesichts der Größe eines möglichen Schadens bloße Vermutungen oder die Inbezugnahme einer allgemeinen Sicherheitslage nicht zur Begründung einer Gefahr ausreichend sind; erforderlich ist vielmehr eine im konkreten Fall durch hinreichende Tatsachen zu belegende Gefahrenlage (BVerfGE 115, 320, 368 f.).
63
Nach diesen Grundsätzen ist die Anordnung der Wohnraumüberwachung durch das Landgericht M. jedenfalls im Ergebnis insoweit nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat das Vorliegen einer dringenden Gefahr auf die konkreten Einwände der Beschwerdeführer gegen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme anhand einer eigenständigen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Anordnung (vgl. dazu BGHSt 47, 362, 367) geprüft und - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - im Beschluss vom 21. August 2007 mit plausibler und rechtlich nicht zu beanstandender Begründung bejaht. Dabei hat es insbesondere darauf abgestellt , dass die Ermittlungslage wegen einer zu vorangegangenen Terroranschlägen parallelen Grundkonstellation befürchten ließ, dass in der Wohnung des Angeklagten K. Planungs- oder Vorbereitungshandlungen für Terroranschläge , also schwerste Straftaten gegen Leib und Leben Unbeteiligter durchgeführt würden, und damit eine gemeine Gefahr (vgl. dazu Gornig in v. Mangoldt /Klein/Stark, GG aaO Art. 13 Rdn. 127) vorlag. Diese Einschätzung basierte nicht auf bloßen Vermutungen, sondern auf konkreten Tatsachen, namentlich der extremistischen Grundeinstellung der sich in der Wohnung des Angeklagten K. treffenden Personen, ihren teilweisen Kontakten zu weiteren Personen, gegen die wegen des Verdachts der Einbindung in terroristische Netzwerke ermittelt wurde, dem konkreten Verdacht, dass der Angeklagte K. Kontakt zu terroristischen Strukturen in Afghanistan aufgenommen und sich dort an Kampfhandlungen beteiligt hatte, sowie nicht zuletzt auf dem Umstand, dass die Besucher der Wohnung konspirativ miteinander kommunizierten und sich Observationsmaßnahmen entzogen.
64
Die Einwendungen der Revisionen gehen auf die eine konkrete Gefahrenlage begründenden Umstände nicht ein und beschränken sich auf eine - im Revisionsverfahren unbehelfliche - eigene, abweichende Wertung des Ermittlungsstandes , der - wie vom Generalbundesanwalt aufgezeigt - teilweise auch unzutreffend wiedergegeben wird. Soweit sie darauf abstellen, dass sich im Zeitpunkt der Anordnung vorliegende Verdachtsmomente in der Hauptverhandlung nicht bestätigt hätten (Kodiertabelle), können sie mit diesem Einwand nicht gehört werden: Im Polizeirecht beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle einer Gefahrenprognose auf eine Überprüfung der tatsächlichen Anhaltspunkte und den daraus resultierenden Schluss auf zukünftige Schäden aus einer ex-antePerspektive (Gusy aaO Rdn. 121).
65
bb) Der Rechtmäßigkeit der Anordnung steht - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - nicht entgegen, dass sie sich in Rubrum und Tenor des Beschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 nicht auch gegen den Angeklagten Y. A. als weiteren Bewohner der überwachten Wohnung richtete. Insbesondere ist die Behauptung der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar, die Polizei habe es bewusst unterlassen, eine entsprechende richterliche Anordnung auch gegen ihn einzuholen. Aufgrund der Angaben in dem Antrag des Polizeipräsidiums war dem Landgericht M. ausweislich des Beschlusses bekannt, dass der Angeklagte Y. A. in der Wohnung des Angeklagten K. gemeldet war. Von einer bewussten Umgehung oder Missachtung des Richtervorbehalts kann mithin keine Rede sein. Der Angeklagte wurde vielmehr in ihn nicht beschwerender Weise im Ergebnis wie ein Dritter im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 POG RhPf aF behandelt; auch insoweit war die Aufzeichnung des von ihm gesprochenen Wortes zulässig.
66
Die Anordnung hätte nach den obigen Darlegungen zudem auch gegen den Angeklagten Y. A. jederzeit erwirkt werden können. Dieser Umstand führt dazu, dass auch dann nicht von einer Unverwertbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse auszugehen wäre, wenn man insoweit von einer Fehlerhaftigkeit der Anordnung ausgehen wollte. Vielmehr ist nach den oben dargelegten Grundsätzen in Fällen der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme im Wege einer Abwägung zu ermitteln, ob die so gewonnenen Daten verwendet werden dürfen (dazu oben b) bb) (2)). Eine solche Abwägung würde hier wegen der unproblematisch möglichen Anordnung der Maßnahme auch gegenüber dem Angeklagten Y. A. zur Verwendbarkeit und damit auch zur Verwertbarkeit der Ergebnisse der Wohnraumüberwachung führen. Denn angesichts der daraus resultierenden Geringfügigkeit eines etwaigen Verstoßes würden die öffentlichen Belange, namentlich die gerichtliche Aufklärungspflicht und das öffentliche Strafverfolgungsinteresse vorgehen.
67
cc) Die Einwendungen der Revisionen gegen den Verlängerungsbeschluss des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 greifen ebenfalls nicht durch. Soweit damit nicht die Beanstandungen gegenüber der Erstanordnung wiederholt werden, beschränken sich die Beschwerdeführer darauf, dass die durchgeführte Überwachung eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit , insbesondere wegen konkreter Anschlagsplanungen, nicht ergeben habe.
68
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, hat sich das Oberlandesgericht mit diesem Argument bereits eingehend auseinandergesetzt und anhand einer freibeweislichen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Verlängerung das weitere Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit nach eingehender Prüfung anhand konkreter Tatsachen gleichwohl bejaht. Rechtsfehler zeigen die Revisionen auch insoweit nicht auf. Hinweise auf eine Rechtswidrigkeit der Verlängerung der Wohnraumüberwachung , die zu einer Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen könnten, ergeben sich damit nicht.
69
d) Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, die Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung seien insgesamt "wegen Verletzung des Schutzes des Kernbereichs der Persönlichkeit" unverwertbar. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
70
Im Ausgangspunkt zutreffend ist die Annahme, dass nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO nur solche Daten verwendet werden dürfen, die nicht unter ein Verwertungsverbot aus § 100 c StPO fallen (dazu oben 1. b). Die Vorschrift des § 100 c Abs. 5 Satz 3 StPO normiert ein Verwertungsverbot für Erkenntnisse aus Äußerungen, die dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Daraus ergibt sich indes kein umfassendes Verwertungsverbot für alle aus einer Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse, sondern nur für diejenigen, die durch eine Kernbereichsverletzung erzielt wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 29; Wolter aaO § 100 c Rdn. 71). Dass kernbereichsrelevante Gesprächsteile in dem Urteil gegen sie verwertet worden seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht. Dies ergibt sich auch nicht aus dem angefochtenen Urteil, das die verwerteten Passagen zitiert; diese lassen Kernbereichsverletzungen nicht erkennen.
71
aa) Nach der hier über § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO heranzuziehenden gesetzlichen Regelung in § 100 c StPO kommt eine Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus einer Wohnraumüberwachungsmaßnahme nur in Betracht, wenn gegen das Beweiserhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO verstoßen wurde (Nack aaO § 100 d Rdn. 28; Wolter aaO § 100 c Rdn. 73; vgl. auch BVerfGE 109, 279, 331). Ob ein solches Verwertungsverbot vorliegt, hat das erkennende Gericht zu prüfen, dessen Entscheidung wiederum der revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegt (Nack aaO § 100 c Rdn. 41).
72
Das Erhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO (und des inhaltsgleichen § 29 Abs. 3 POG RhPf nF) knüpft an die Anordnung der Maßnahme an. Diese darf nur ergehen, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. Sie erfordert somit eine negative Kernbereichsprognose durch das anordnende Gericht, für die - wie bei anderen Prognoseentscheidungen auch - ein Beurteilungsspielraum besteht (Nack aaO § 100 c Rdn. 25). Ein Verwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen das Erhebungsverbot besteht demnach nur dann, wenn das Gericht diesen Beurteilungsspielraum klar erkennbar und damit rechtsfehlerhaft überschritten hat (Wolter aaO § 100 c Rdn. 73).
73
Eine in diesem Sinne rechtsfehlerhafte Anordnung der Wohnraumüberwachung zeigen die Beschwerdeführer weder auf, noch ist sie ersichtlich. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus der Aufzählung von Gesprächen, hinsichtlich derer eine Kernbereichsrelevanz lediglich pauschal durch schlagwortartige Bezeichnungen ("Beten", "Heirat", "Tod des Vaters" etc.) behauptet wird. Das Oberlandesgericht hat zudem auch insoweit auf der Grundlage einer Rekonstruktion der tatsächlichen Verhältnisse zum Anordnungszeitpunkt das Vorliegen einer negativen Kernbereichsprognose geprüft und bejaht. Die Beschwerdeführer legen erneut nicht dar, dass diese Entscheidung Rechtsfehler enthält. Es haben sich auch nach revisionsrechtlicher Prüfung keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die Sachlage anders als vom Oberlandesgericht angenommen dargestellt hat, so dass eine vertiefte freibeweisliche Prüfung (vgl. BGHSt 16, 164, 166 f.) nicht veranlasst war. Der Senat neigt ohnehin der Ansicht zu, dass in Abkehr von bisheriger Rechtsprechung tatsächliche Feststellungen , die der Tatrichter freibeweislich trifft, in der Revisionsinstanz ebenso wie seine Überzeugungsbildung auf strengbeweislicher Grundlage nur auf Rechtsfehler in der Beweiswürdigung zu überprüfen sind; dies bedarf hier aus den dargelegten Gründen aber keiner näheren Erörterung.
74
bb) Die Rüge wendet sich der Sache nach gegen den Vollzug der Maßnahme. Durch die unzureichenden Handlungsanweisungen des Polizeipräsidiums sei es zu einer Vielzahl von Kernbereichsverletzungen gekommen, so dass die Maßnahme insgesamt unzulässig gewesen sei. Auch insoweit hat die Verfahrensbeanstandung keinen Erfolg.
75
Im Ansatz ist allerdings zutreffend, dass das Bundesverfassungsgericht nicht allein auf die richterliche Anordnung abgestellt, sondern ein umfassendes Verwertungsverbot für den Fall als erforderlich angesehen hat, dass die Behörden in Überschreitung der Ermächtigung die Wohnraumüberwachung durchführen , obwohl eine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass mit ihr absolut geschützte , dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnende Gespräche erfasst werden (BVerfGE 109, 279, 331). Dementsprechend ist auch das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass ein nicht am Kernbereichs- schutz ausgerichteter Vollzug zur Unverwertbarkeit der Erkenntnisse aus der gesamten Maßnahme führen könnte.
76
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer genügte die tatsächliche Durchführung der Wohnraumüberwachung jedoch grundsätzlich den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift: In technischer und personeller Hinsicht war ein möglichst schonender Maßnahmevollzug bereits dadurch gewährleistet, dass in jedem Einzelfall durch den diensthabenden Polizeibeamten unter Zuhilfenahme des stets anwesenden Dolmetschers entschieden wurde, ob die Aufzeichnung gestartet wurde und wie lange sie andauerte. Soweit die generellen Handlungsanweisungen nach Ansicht des Oberlandesgerichts rechtlich bedenklich waren, hat es die Erkenntnisse entweder nicht verwertet (Selbstgespräche des Angeklagten K. ) oder - im Hinblick auf die den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genügende Handlungsanweisung, dass eine Abschaltung nur bei "wesentlicher" Verletzung des Kernbereichs über "zweifelsfrei längere Zeit" zu erfolgen habe - die Gespräche einer eingehenden Prüfung unterzogen, die eine Erfassung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte nicht ergab. Diese Handlungsanweisung galt entgegen der insoweit zumindest missverständlichen Darstellung der Beschwerdeführer ohnehin nur für den ersten Abschnitt der Maßnahme bis zum 4. November 2004. Ab diesem Zeitpunkt wurde sie durch eine den Kernbereichsschutz noch verstärkende Anordnung ersetzt. Eine bewusste oder planmäßige Überschreitung der Ermächtigung zur Wohnraumüberwachung durch die Polizeibehörden ergibt sich danach nicht. Diese waren vielmehr mit hohem personellem und technischem Aufwand bemüht, die verfassungsgerichtlichen Vorgaben umzusetzen.
77
Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, es sei ein zu enger Maßstab an den Kernbereich privater Lebensgestaltung angelegt worden, verschweigen sie in diesem Zusammenhang, dass sich das Oberlandesgericht bereits in der Hauptverhandlung auf den Vortrag einer Vielzahl von angeblichen Kernbereichsverletzungen damit auseinandergesetzt hat, dass die aufgenommenen Gebete in gefahrrelevante Gespräche über die Rechtfertigung von terroristischen Anschlägen oder die Verherrlichung des "Märtyrertods" eingebettet waren und deshalb nicht höchstpersönliche Gefühle oder Gedanken und damit den Kernbereich berührten. Auch die weiteren von den Revisionen schlagwortartig genannten Themen "Heirat" und "Familie" betrafen nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts Gespräche, die sich vorrangig auf die Erlangung eines gesicherten Aufenthaltsstatus in Europa bezogen oder im Zusammenhang mit dem geplanten Versicherungsbetrug standen, der wegen der dadurch möglichen finanziellen Versorgung der Familie eine Voraussetzung für den von dem Angeklagten Y. A. angestrebten "Märtyrertod" war. Die Beurteilung, dass mit der Aufzeichnung solcher Gespräche nicht in den Kernbereich eingegriffen wurde, ist - wie bereits vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegt - rechtsfehlerfrei.
78
Nach alledem ist für einen den Kernbereichsschutz von vornherein außer Acht lassenden Maßnahmevollzug, der allein zur Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung führen könnte, nichts ersichtlich. Vielmehr verbleibt es - soweit es zu Kernbereichsverletzungen gekommen sein sollte - bei dem aus § 100 c Abs. 5 Satz 3 StPO resultierenden Verwertungsverbot in Bezug auf solche einzelnen Gespräche.
79
Angesichts dessen kann offen bleiben, ob der Vortrag der Revisionen zu einzelnen Kernbereichsverletzungen den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Da eine Verwertung der entsprechenden Gesprächspassagen nicht konkret behauptet wird und sich aus dem angefochtenen Urteil auch nicht ergibt, ist die Rüge insoweit jedenfalls unbegründet.
80
e) Auch soweit die Beschwerdeführer darüber hinaus in Bezug auf die Gespräche, an denen die Angeklagten Y. und I. A. bzw. ihr Bruder A. A. beteiligt waren, ein Verwertungsverbot nach § 52 StPO bzw. gemäß § 100 c Abs. 6, § 52 StPO geltend machen, bleiben ihre Beanstandungen ohne Erfolg.
81
Rechtlich verfehlt ist die Auffassung der Revisionen, § 100 c Abs. 6 StPO komme jedenfalls für die aufgrund der präventiv-polizeilichen Ermächtigungsgrundlage des § 29 Abs. 1 POG RhPf aF gewonnenen Erkenntnisse nicht zur Anwendung, weil sich die Vorschrift nur auf strafprozessuale Wohnraumüberwachungsmaßnahmen beziehe. Wie bereits dargelegt (dazu 1. b) sind mit der Formulierung in § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO, dass nur "verwertbare" Daten aus einer nach anderen Gesetzen durchgeführten Maßnahme im Strafverfahren verwendet werden dürfen, die Verwertungsverbote des § 100 c StPO angesprochen. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche eines nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, der infolgedessen die Entscheidung, ob er von seinem Recht Gebrauch machen möchte, nicht mehr treffen kann, richtet sich die Verwertbarkeit daher stets nach der Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO. Dies folgt bei Erkenntnissen aus einer polizeilichen Maßnahme aus der Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO; bei solchen aus einer strafprozessualen Maßnahme gilt § 100 c Abs. 6 StPO entweder unmittelbar oder - wenn wie hier mit dem Angeklagten I. A. ein zunächst Unverdächtiger betroffen ist - über die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO. Für eine isolierte Anwen- dung des § 52 StPO ist daneben kein Raum (vgl. BGHSt 40, 211; BGH NStZ 1999, 416).
82
Danach gilt für die Angeklagten Y. und I. A. § 100 c Abs. 6 Satz 3 StPO mit der Folge, dass ihre im Rahmen der aufgezeichneten Gespräche abgegebenen Äußerungen unbeschränkt verwertbar sind (vgl. § 160 a Abs. 4 StPO). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kommt es für die Frage der Verwertbarkeit nicht darauf an, ob bereits im Zeitpunkt der Gesprächsaufzeichnungen ein Tatverdacht bezüglich einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 2 StPO gegen den Angeklagten I. A. bestand. Denn es handelt sich bei der verfassungskonformen Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO (vgl. BVerfG NJW 2007, 2753) um eine Verwertungsregelung , so dass allein auf den Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil abzustellen ist, in welchem angesichts der Anklageerhebung und des Eröffnungsbeschlusses des Oberlandesgerichts jedenfalls ein hinreichender Tatverdacht gegeben war, dass der Angeklagte I. A. sich der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig gemacht hatte. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn für Gespräche mit Zeugnisverweigerungsberechtigten ein Beweiserhebungsverbot gälte; ein solches hat indes auch das Bundesverfassungsgericht nicht gefordert (vgl. BVerfGE 109, 279, 331 ff.).
83
Der Verwertung steht auch die von den Beschwerdeführern zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unverwertbarkeit von Erkenntnissen aus beschlagnahmefreien Urkunden im Sinne des § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO (BGH NStZ 2001, 604, 606) nicht entgegen. Dort resultierte die Unverwertbarkeit der Erkenntnisse, die erst einen Tatverdacht hätten begründen können, aus dem Umstand, dass bereits die Beweiserhebung unzulässig war (BGH aaO). Die Regelungen des § 100 c Abs. 6 StPO haben indes lediglich ein Ver- wertungsverbot im Hinblick auf im Übrigen - so auch hier - zulässig erlangte Beweismittel zum Gegenstand.
84
Auch die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführer, die von dem Oberlandesgericht vorgenommene Abwägung zur Verwertung der Äußerungen des nicht tatverdächtigen Bruders der Angeklagten, A. A. , nach § 100 c Abs. 6 Satz 2 StPO sei rechtsfehlerhaft, greifen nicht durch. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts.
85
3. Die Beschwerdeführer rügen weiter die Verwertung der Erkenntnisse aus den auf strafprozessualer Grundlage ergangenen Anordnungen der Wohnraumüberwachung. Diese hätten nicht ergehen dürfen, weil sie sich auf unverwertbare Erkenntnisse aus der zuvor angeordneten Maßnahme nach § 29 POG RhPf aF gestützt hätten.
86
Da die Erkenntnisse aus der polizeilichen Wohnraumüberwachung indes verwendbar waren (vgl. oben 2. b) bb), konnten sie auch im Zeitpunkt der ersten strafprozessualen Anordnung zur Begründung des Tatverdachts verwendet werden (vgl. § 100 f Abs. 2 StPO aF).
87
Hinsichtlich der Verwertbarkeit der Erkenntnisse gelten die Ausführungen zu 1. d) und e) entsprechend, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
88
II. Rundumüberwachung
89
Die Beschwerdeführer rügen die Verwertung von Erkenntnissen aus weiteren geheimen Ermittlungsmaßnahmen und machen in diesem Zusammen- hang geltend, dass diese - kumulativ zu der angeordneten Wohnraumüberwachung - zu einer unzulässigen Rundumüberwachung geführt hätten, aus der sich wiederum die Unverwertbarkeit auch der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung ergebe.
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Den Revisionsbegründungen sowie der Gegenerklärung des Generalbundesanwalts vom 15. Oktober 2008, der die Beschwerdeführer insoweit zugestimmt haben, lässt sich folgender Verfahrenssachverhalt entnehmen:
91
Die Wohnraumüberwachung dauerte - wie dargelegt - vom 24. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 und damit über einen Zeitraum von etwa fünf Monaten. Die Dauer der aufgezeichneten Gespräche betrug hingegen nur einen Bruchteil; sie machte im Verhältnis zur Gesamtdauer der Maßnahme lediglich 8,4 % aus. Die Zeiten, in denen die Polizeibehörden das gesprochene Wort in der Wohnung des Angeklagten K. nicht nur nicht aufzeichneten sondern auch nicht abhörten, sind nicht dokumentiert. Aus technischen Gründen war es nicht möglich, bei abgeschalteter Aufzeichnung auch das Mithören nachweisbar zu unterbrechen, was zunächst nur durch ein Abdrehen der Lautstärke, später auch durch ein Betätigen der "Stopp-Taste" an den eingesetzten Rekordern zu erreichen war.
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Darüber hinaus wurden folgende Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt:
93
Vom 9. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 wurde auf Anordnung des Landgerichts (Beschluss vom 14. Juli 2004) beziehungsweise des Amtsgerichts M. (Beschluss vom 12. Oktober 2004) der Eingang des Hauses videoüberwacht , in dem sich die Wohnung des Angeklagten K. befand. Mit Beschluss vom 21. September 2004 genehmigte das Amtsgericht M. darüber hinaus die Videoüberwachung eines Telefonladens, den die Angeklagten K. und Y. A. gelegentlich aufsuchten. Die Maßnahme war auf die Dauer von zwei Monaten befristet. Für das Wochenende vom 22. bis 24. Oktober 2004 ordnete das Polizeipräsidium zudem die Anbringung eines GPSSenders an zwei von dem Angeklagten Y. A. genutzten Fahrzeugen an. Diese Maßnahmen beruhten auf polizeirechtlicher Grundlage (§ 28 POG RhPf).
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Am 8. November 2004 ordnete der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof auf Antrag des Generalbundesanwalts die Herausgabe der Verbindungsdaten von insgesamt sechs am 9. Oktober 2004 aus fünf verschiedenen öffentlichen Telefonzellen in Mü. geführten Gesprächen an. Der Generalbundesanwalt verfügte am 10. November 2004 die Anordnung einer planmäßig angelegten Beobachtung des Angeklagten Y. A. für die Dauer von einem Monat. Mit Beschluss des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 9. Dezember 2004 wurde diese Observation um drei Monate verlängert ; sie dauerte bis zur vorläufigen Festnahme des Angeklagten fort. Mit Beschlüssen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 12. November 2004 wurde sodann die Telefonüberwachung der von den Angeklagten K. und Y. A. genutzten Mobiltelefone, die Beschlagnahme aller an sie gerichteten Postsendungen und die langfristige Observation des Angeklagten K. angeordnet. Diese Maßnahmen dauerten jeweils bis zur vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. an. Mit Beschlüssen vom 12. November 2004 wurde bezüglich dieser beiden Angeklagten auch der Einsatz eines sogenannten IMSI-Catchers verfügt, zu dem es im Ermittlungsverfahren indes nicht kam.
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Die Beschwerdeführer haben in der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht der Verwertung der Erkenntnisse aus diesen Ermittlungsmaßnah- men widersprochen, mit Ausnahme der Erkenntnisse aus der GPSÜberwachung , der Videoüberwachung des Telefonladens und der Observation des Angeklagten Y. A. . In diesen Widersprüchen haben sie nicht geltend gemacht, dass es sich wegen der Kumulation der Maßnahmen um eine unzulässige Rundumüberwachung gehandelt habe.
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1. Soweit die Beschwerdeführer meinen, die Erkenntnisse aus den strafprozessualen Maßnahmen hätten nicht verwertet werden dürfen, weil deren Anordnung auf den unverwertbaren Erkenntnissen aus der Wohnraumüberwachung beruhe, ist die Rüge unbegründet. Wie dargelegt konnten die aus der Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 POG RhPf aF resultierenden Gesprächsaufzeichnungen im Zeitpunkt der Anordnung der strafprozessualen Maßnahmen gemäß § 100 f Abs. 2 StPO aF verwendet werden (dazu oben I. 3.).
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2. Die Rüge, es habe eine unzulässige Rundumüberwachung vorgelegen , ist ungeachtet der in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgezeigten Bedenken gegen ihre Zulässigkeit jedenfalls unbegründet.
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Es ist vorliegend durch die zeitgleiche Durchführung mehrerer Überwachungsmaßnahmen nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen, zeitlichen und räumlichen Rundumüberwachung (vgl. BVerfGE 65, 1, 42 f.; 109, 279, 323) gekommen. Bezüglich des Angeklagten I. A. liegt dies bereits deshalb auf der Hand, weil gegen ihn keinerlei Überwachungsmaßnahmen angeordnet worden sind. Er war von solchen nur reflexartig betroffen, etwa wenn er sich in der überwachten Wohnung des Angeklagten K. aufhielt. In den Zeiträumen, in denen er keinen Kontakt zu den Angeklagten K. und Y. A. hatte, fand eine Überwachung seiner Person nicht statt.
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Aber auch gegenüber den Angeklagten K. und Y. A. liegt eine derart intensive Überwachung, die im Hinblick auf den daraus resultierenden sog. additiven Grundrechtseingriff (vgl. BVerfGE 112, 304, 320) Bedenken an ihrer verfassungsmäßigen Rechtmäßigkeit aufkommen lassen könnte, nicht vor.
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Die Wohnraumüberwachung wurde zwar über einen längeren Zeitraum durchgeführt und war engmaschig strukturiert. Dies war indes - wie das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat - zunächst im Hinblick auf die komplexe präventiv-polizeiliche Gefahrenlage und im weiteren Verlauf zur Aufklärung der Vereinigungsdelikte nach §§ 129 a, 129 b StGB, dabei insbesondere zur Aufdeckung von Planungs- und Verbindungsstrukturen erforderlich. Bei der konkreten Durchführung der Wohnraumüberwachung achteten die durchführenden Beamten zudem auf einen möglichst schonenden Maßnahmevollzug (dazu oben I. 2. d), was sich nicht zuletzt auch an der im Verhältnis zum Zeitraum der Gesamtmaßnahme geringen Dauer der Gesprächsaufzeichnungen zeigt. Dass die Überwachung in Form jedenfalls des Mithörens über die gesamten Monate "rund um die Uhr" erfolgt sei, ist eine nicht belegte Mutmaßung der Revisionen. Aus den vom Oberlandesgericht erlangten Erkenntnissen über die Durchführung der Maßnahme ergibt sich vielmehr, dass der diensthabende Beamte bei der Wahrnehmung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte die "Stopp-Taste" zu drücken hatte - mithin auch das Mithören beendete - und nur bei veränderter Personenkonstellation in der Wohnung durch gelegentliches "Hereinhören" überprüfte, ob die Gespräche sich verfahrensrelevanten, nicht dem Kernbereich zugehörenden Materien zuwandten. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere der Videoüberwachung des Hauseingangs keine die Eingriffsintensität steigernde Wirkung zu. Sie diente im Gegenteil vorrangig dazu , den in der Wohnung verkehrenden Personenkreis zu überprüfen. Dadurch wurde überhaupt erst eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf mögliche Kernbereichsverletzungen ermöglicht, und es konnte so im Ergebnis die Intensität der - wesentlich grundrechtsrelevanteren - Abhörmaßnahme verringert werden.
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Die daneben auf polizeirechtlicher Grundlage angeordnete Überwachung eines Telefonladens dauerte entgegen dem von den Beschwerdeführern erweckten Eindruck nicht die gesamte Zeit an, sie lief vielmehr aus, als im November 2004 mehrere Maßnahmen auf strafprozessualer Basis angeordnet wurden. Die Überwachung von Fahrzeugen des Angeklagten Y. A. mittels eines GPS-Senders dauerte nur drei Tage und war im Zeitpunkt der strafprozessualen Maßnahmen bereits beendet. Auch insoweit kann also keine Rede von einer Rundumüberwachung sein.
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Im Ergebnis traten zu der Wohnraumüberwachung also kumulativ die im Wesentlichen durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs angeordneten Maßnahmen der Telefonüberwachung von zwei Mobilfunkanschlüssen der Angeklagten K. und Y. A. , ihre längerfristige Observation und die Beschlagnahme der an sie gerichteten Postsendungen hinzu. Auch bei einer Gesamtschau dieser Überwachungsmaßnahmen ergibt sich eine unzulässige Rundumüberwachung, mit der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil eines Betroffenen erstellt werden könnte, nicht. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch bei einer Bündelung mehrerer heimlicher Überwachungsmaßnahmen durch die vorhandenen verfahrensrechtlichen Sicherungen, an die mit Rücksicht auf das der Kumulation der Grundrechtseingriffe innewohnende Gefährdungspotential allerdings besondere Anforderungen zu stellen sind, grundsätzlich ausgeschlossen (BVerfGE 112, 304, 319 f.; aA Puschke, Die kumulative Anordnung von Informationsbeschaffungs- maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung S. 79 ff., der eine kumulative Überwachung als andersartigen Eingriff begreift, für den es einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage bedürfe).
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Die genannten verfahrensrechtlichen Sicherungen bestehen namentlich in dem Richtervorbehalt, aber auch in Eingriffsschwellen, die besonders schwerwiegend beeinträchtigende Überwachungsmaßnahmen vom Vorliegen besonders schwerer Straftaten oder bestimmten qualifizierten Verdachtsgraden abhängig machen, sowie in sog. Subsidiaritätsklauseln, die den Eingriff nur dann erlauben, wenn anderweitig die Aufklärung erheblich erschwert würde. Sie stellen letztlich Ausprägungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar. Bei der gleichwohl noch erforderlichen Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne beurteilt sich die Frage der Zulässigkeit einer Überwachungsmaßnahme auch danach, ob gegebenenfalls mehrere, in die Grundrechte des Betroffenen eingreifende Maßnahmen durchgeführt werden (vgl. BVerfGE aaO S. 321; BGHSt 46, 266, 277). Die besonderen vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Anforderungen an das Verfahren sind - soweit vorliegend maßgeblich - erfüllt, wenn sichergestellt ist, dass die für die Beantragung oder Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen primär zuständige Staatsanwaltschaft über alle den Grundrechtsträger betreffenden Ermittlungseingriffe informiert ist (vgl. BVerfGE aaO S. 320).
104
So verhält es sich hier. Der Generalbundesanwalt war - ebenso wie der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof - über sämtliche Überwachungsmaßnahmen informiert. Dies gilt auch für die - nicht vom Ermittlungsrichter angeordnete - Wohnraumüberwachung und die sie begleitende Videoüberwachung des Hauseingangs. In sämtlichen Anordnungsbeschlüssen wurde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insbesondere dadurch Genüge getan, dass der Richtervorbehalt gewahrt blieb, die an die Schwere der Straftat anknüpfenden Eingriffsvoraussetzungen sowie die Subsidiaritätsklauseln in den die Maßnahmen rechtfertigenden Vorschriften (§ 100 a Satz 1, § 100 c Abs. 1 Satz 1, § 163 f Abs. 2 Satz 1 StPO aF) beachtet wurden. Dass die Entscheidungen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof oder des Landgerichts Ka. insoweit rechtsfehlerhaft gewesen seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht; dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Anordnung der Ermittlungsmaßnahmen stand auch darüber hinaus zur Schwere des Tatvorwurfs und zum Grad des sich aus den vorangegangenen Ermittlungen ergebenden Verdachts nicht außer Verhältnis. Dies belegen neben den in diesem Verfahren ausgeurteilten Taten insbesondere die im November 2004 gewonnenen Verdachtsmomente , nach denen sich der Angeklagte K. zu dieser Zeit zumindest mit der Vermittlung von 48 Gramm hochangereichertem Uran befasste, das - wie er den Angeklagten Y. und I. A. in einem Gespräch erläuterte - für den Bau einer Bombe verwendet werden konnte.
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Soweit die Beschwerdeführer schließlich zum Beleg ihrer Gegenauffassung eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zitieren (JZ 2000, 993, 994), befasst sich diese mit einem Fall der sog. Rundumüberwachung nicht.
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III. Weitere Verfahrensrügen
107
Daneben rügen die Revisionen die Verfahrensweise, in der das Oberlandesgericht 141 der überwachten und aufgezeichneten Wohnraumgespräche in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Das angeordnete Selbstleseverfahren beschränke die Öffentlichkeit unzulässig und verstoße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Beanstandet wird weiterhin, das Oberlandesgericht habe die Inhalte der Wohnraumüberwachung im Urteil lückenhaft und selektiv darge- stellt und insoweit den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht erschöpfend seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegt. Gerügt wird ferner die Ablehnung einer Reihe von Beweisanträgen, mit denen die Ladung und Vernehmung syrischer Zeugen beantragt worden war. Die Zeugen - neben Bekannten des Angeklagten K. auch dessen Eltern, Schwester und Bruder - waren im Wesentlichen dazu benannt, den Aufenthalt des Angeklagten K. in seinem Heimatort D. in Syrien in der Zeit von Mitte Oktober 2001 bis Ende April/Anfang Mai 2002 zu bestätigen und so dessen durch die Wohnraumüberwachung ermittelte Darstellung zu erschüttern, er habe sich in diesem Zeitraum als Kämpfer der Al Qaida in Pakistan und Afghanistan aufgehalten. Das Oberlandesgericht hat die Vernehmung der Zeugen unter Aufklärungsgesichtspunkten nicht für erforderlich gehalten und deshalb diese Anträge jeweils nach § 244 Abs. 5 StPO abgelehnt. In gleicher Weise ist das Gericht mit Anträgen verfahren, in denen die Zeugenvernehmung des in US-Gewahrsam im Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba befindlichen Ramzi Binalshibh sowie die des ebenfalls in amerikanischem Gewahrsam befindlichen Zayn Husayn alias "Abu Zubaydah" begehrt worden war.
108
Diese Rügen bleiben aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen sämtlich ohne Erfolg.

109
C. Die Sachrügen
110
I. Beweiswürdigung
111
Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts hält den Maßstäben revisionsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. BGH NJW 2005, 2322, 2326) stand. Die Rechtsmittel zeigen auch mit ihren Einzelausführungen insoweit keinen Rechtsfehler auf, sondern legen - teilweise unter Mitteilung aus dem Urteil nicht ersichtlicher Tatsachen - allein ihre eigene Beweiswürdigung dar.
112
II. § 129 b StGB
113
1. Revision des Angeklagten K.
114
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten K. rechtsfehlerfrei wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) verurteilt.
115
a) Die Wertung des Oberlandesgerichts, die Organisation Al Qaida sei als ausländische terroristische Vereinigung im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB anzusehen, hält auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen im Ergebnis sachlichrechtlicher Prüfung stand.
116
aa) Als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB ist nach bisher in der Rechtsprechung gebräuchlicher Definition der auf eine gewisse Dauer angelegte , freiwillige organisatorische Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (BGHSt 28, 147; 31, 202, 204 f.; 31, 239 f.; 45, 26, 35; BGH NJW 2005, 1668; 2006, 1603; BGHR StGB § 129 Vereinigung 3 m. w. N.). Diese Kriterien liegen nach den Feststellungen für die Al Qaida im Tatzeitraum insbesondere auch mit Blick auf die erforderliche Struktur und Art der Willensbildung der Organisation vor. Hierzu gilt:
117
(1) Für eine Vereinigung in diesem Sinne konstitutiv ist das Bestehen eines Mindestmaßes an fester Organisation mit einer gegenseitigen Verpflichtung der Mitglieder (BGHSt 31, 202, 205; BGH NStZ 1982, 68). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts lagen diese Voraussetzungen für die Zeit bis Herbst 2001 zweifelsfrei vor; denn die Al Qaida war durch eine gefestigte Organisation geprägt, in deren Rahmen die Mitglieder mit verteilten Rollen und im Wege einer koordinierten Aufgabenverteilung zu einem gemeinsamen Zweck zusammenwirkten. Die strukturellen Voraussetzungen einer Vereinigung sind jedoch auch für den Tatzeitraum zu bejahen. Die Feststellungen belegen, dass der seit Herbst 2001 anhaltende Verfolgungsdruck weder auf der Führungsebene noch in den nachgeordneten Bereichen zu einer Zerschlagung der Organisation , sondern lediglich zu einer entsprechenden Anpassung der Strukturen geführt und die hierarchisch gegliederte Kernorganisation der Al Qaida in kommunikativer und operativer Hinsicht einen bedeutenden Rest an Handlungsfähigkeit bewahrt hat, der den erneuten Aufbau festerer Strukturen erlaubt und hierauf auch angelegt ist. Eine solche - möglicherweise nur vorübergehende und taktisch bedingte - Lockerung der Organisationsstruktur führt indes nicht dazu, dass die Gruppierung für diese Phase ihrer Existenz die Eigenschaft als Vereinigung verliert. Insoweit gilt Ähnliches wie für das Fortbestehen der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, das grundsätzlich auch für solche (Zwischen-)Phasen in Betracht kommt, in denen das Mitglied - gegebenenfalls bedingt durch die äußeren Umstände - keine aktiven Tätigkeiten entfaltet (vgl. BGHSt 29, 288, 294; 46, 349, 355 ff.). Hier kommt hinzu, dass nach wie vor ein nach Art, Inhalt und Intensität enges Beziehungsgeflecht der Mitglieder bestand , das auch in der Zeit nach Herbst 2001 die Planung und Ausführung zentral gesteuerter Attentate ermöglichte.
118
(2) Voraussetzung für eine Vereinigung ist daneben die subjektive Einbindung der Beteiligten in die Ziele der Organisation und in deren Willensbildung unter Zurückstellung individueller Einzelmeinungen. Dabei ist die Art und Weise der Willensbildung gleichgültig, solange sie ihrerseits von dem Willen der Mitglieder der Vereinigung getragen wird. Die für alle Mitglieder verbindlichen Regeln über die Willensbildung können etwa dem Demokratieprinzip entsprechen oder auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam aufgebaut sein (BGHSt 31, 239, 240; 45, 26, 35). Die Annahme einer Vereinigung scheidet indes aus, wenn die Mitglieder einer Gruppierung sich nur jeweils für sich der autoritären Führung einer Person unterwerfen, ohne dass diese vom Gruppenwillen abgeleitet wird (BGH NJW 1992, 1518; StV 1999, 424, 425).
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Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist auch dieses voluntative Element der Vereinigung hinreichend belegt. Nach der ursprünglichen Struktur der Al Qaida in Afghanistan stand an der Spitze der Organisation ein Führungskreis , dem Usama Bin Laden, Aiman Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter verschiedener "Fachausschüsse" angehörten. Die Willensbildung war demnach hierarchisch strukturiert, ohne dass sich allerdings die Mitglieder der Organisation einseitig einer nicht vom Gruppenwillen getragenen Führungsperson unterwarfen. Im Tatzeitraum teilten die Mitglieder der Al Qaida weiterhin die gemeinsame politisch-ideologische Grundhaltung des gewaltbereiten extremistischen Islamismus. Die Gruppierung verfügte nach wie vor mit dem "Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" bis zur Zerstörung der USA und ihrer Verbündeten über eine über den bloßen Zweckzusammenhang der Vereinigung hinausreichende , von allen Mitgliedern getragene Zielsetzung. Der fortwährende, vom Willen der Mitglieder der Al Qaida getragene Führungsanspruch von Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri wird etwa durch deren per Internet oder Massenmedien veröffentlichte Video- und Audiobotschaften manifestiert.
120
bb) Der Senat ist aus diesen Gründen nicht gehalten zu entscheiden, ob dem Oberlandesgericht darin zugestimmt werden kann, dass im Hinblick auf die Gemeinsame Maßnahme des Rates der Europäischen Union vom 21. Dezember 1998 (ABl. EG 1998 Nr. L 351 S. 1) und den Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. EG 2002 Nr. L 164 S. 3) der bisher gebräuchliche Vereinigungsbegriff zu modifizieren ist und die Anforderungen insbesondere an die organisatorischen und voluntativen Voraussetzungen herabzusetzen sind. In der Literatur wird eine derartige "europarechtsfreundliche" Interpretation des Vereinigungsbegriffs teilweise vertreten (Krauß in LK 12. Aufl. § 129 a Rdn. 26; Kress JA 2005, 220, 223 ff.; v. Heintschel-Heinegg in FS für Schroeder S. 799; krit. Rudolphi/Stein in SKStGB § 129 Rdn. 6 b). Auch der Senat hat eine derartige Neubestimmung zunächst grundsätzlich in den Blick genommen, ohne sich indes im Einzelnen hierzu zu verhalten (BGH NJW 2006, 1603); zuletzt hat er jedoch insbesondere für die kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB vor dem Hintergrund des abgestuften Systems der Strafbarkeit von Tatvollendung, Versuch und Vorbereitungshandlung , der erforderlichen Abgrenzbarkeit der Vereinigung von einer Bande oder nur mittäterschaftlichen Zusammenschlüssen sowie der prozessualen Folgewirkungen Bedenken geäußert (BGHR StGB § 129 Vereinigung 3). Diese Vorbehalte gegen eine erweiternde Auslegung des Vereinigungsbegriffs werden bei Berücksichtigung des Strafzwecks der Vereinigungsdelikte noch verstärkt: Die §§ 129 ff. StGB sollen die erhöhte kriminelle Intensität erfassen, die in der Gründung oder Fortführung einer fest gefügten, auf die Begehung von Straftaten angelegten Organisation ihren Ausdruck findet und die kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte Gefährlichkeit in sich birgt. Diese Eigendynamik führt typischerweise dazu, dass dem einzelnen Beteiligten die Begehung von Straftaten erleichtert und bei ihm das Gefühl der persönlichen Verantwortlichkeit zurückgedrängt wird. Der Strafgrund der in diesem Sinne verstandenen spezifischen vereinigungsbezogenen Gefährlichkeit der Organisation geriete jedoch aus dem Blick, wenn Abstriche an den bisherigen Voraussetzungen hinsichtlich der Struktur der Vereinigung sowie der Willensbildung und -unterordnung ihrer Mitglieder zugelassen würden; denn nur eine ausreichend enge Verbindung der Mitglieder sowie ein entsprechender Gruppenwille schaffen die spezifischen Gefahren einer für die Vereinigung typischen, vom Willen des Einzelnen losgelösten Eigendynamik. All diese Gesichtspunkte sind gleichermaßen bei der Auslegung des Begriffs der terroristischen Vereinigung nach §§ 129 a, 129 b StGB von Bedeutung; im Übrigen spricht auch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und -klarheit dagegen, ein wortgleiches Tatbestandsmerkmal in einem Qualifikationstatbestand anders auszulegen als in der Grundnorm (aA Krauß aaO § 129 a Rdn. 26 aE).
121
Der Senat hält deshalb an seinen Bedenken gegen die vom Oberlandesgericht vorgenommene Begriffsbestimmung fest. Er ist entgegen der Auffassung der Revision allerdings nicht gehindert, auf der Basis der Feststellungen des Oberlandesgerichts eine von dessen Rechtsansicht abweichende Auffassung zu vertreten und seiner rechtlichen Bewertung den herkömmlichen Vereinigungsbegriff zugrunde zu legen.
122
b) Der Angeklagte K. hat sich an der Al Qaida als Mitglied beteiligt.
123
Die mitgliedschaftliche Beteiligung erfordert, dass der Täter sich unter Eingliederung in die Organisation deren Willen unterordnet und eine Tätigkeit zur Förderung der Ziele der Organisation entfaltet. Notwendig ist eine auf Dauer oder zumindest längere Zeit angelegte Teilnahme am "Verbandsleben" (BGHSt 18, 296, 299 f.; BGH NStZ 1993, 37, 38).
124
Nach den Feststellungen schloss der Angeklagte K. sich der Al Qaida während eines Aufenthalts in einem von dieser betriebenem Ausbildungslager in Afghanistan an. Er begab sich aufgrund des Verfolgungsdrucks nach dem Herbst 2001 absprachegemäß zurück nach Deutschland und nahm hier Rekrutierungs - und Beschaffungsmaßnahmen für die Vereinigung vor. Dass das Oberlandesgericht während dieser Zeit keinen Kontakt des Angeklagten zur Führungsebene der Al Qaida festgestellt hat, steht vor dem Hintergrund dieser gewichtigen, fortdauernden, im Einverständnis mit der Führungsebene entfalteten und auf eine aktive Beteiligung an der Organisation gerichteten Tätigkeiten der Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung nicht entgegen (vgl. BGHSt 46, 349, 356 f.). Hinzu kommt, dass der Aufenthalt des Angeklagten in Deutschland nicht auf Dauer angelegt war. Vielmehr wollte er sich zurück in ein "Jihadland" begeben und sich dort erneut den kämpfenden Verbänden der Al Qaida anschließen. Aus alldem ergibt sich, dass die Mitgliedschaft des Angeklagten in der Al Qaida zu keinem Zeitpunkt beendet war; vielmehr bestand sie während des Tatzeitraums unvermindert fort. Die Leistung des Treueids auf Usama Bin Laden durch den Angeklagten war entgegen dem Vorbringen der Revision zum Erwerb der Mitgliedschaft nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht konstitutiv.
125
2. Revision des Angeklagten Y. A.
126
a) Für den Angeklagten Y. A. belegen die Feststellungen des Urteils dagegen nicht, dass dieser sich an der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida als Mitglied beteiligt hat; denn es fehlt an einer ausreichenden, von einem übereinstimmenden Willen der Organisation und des Angeklagten getragenen Eingliederung in die Vereinigung.
127
Das Oberlandesgericht hat im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung die mitgliedschaftliche Beteiligung dieses Angeklagten an Al Qaida zum einen daran angeknüpft, dass er sich mit hohem Zeitaufwand und als Hauptakteur der Umsetzung der Versicherungsbetrügereien gewidmet habe. Zum anderen habe er finanzielle Mittel beschaffen wollen, die seine eigene Teilnahme und diejenige des Angeklagten K. am bewaffneten Jihad auf Seiten der Al Qaida ermöglichen sollten. Damit hat das Oberlandesgericht bei seiner Beurteilung wesentliche Kriterien, die für die Mitgliedschaft in einer Vereinigung maßgeblich sind, außer Acht gelassen. Im Einzelnen:
128
Die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, bedarf regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter nie an einem Ort befunden hat, an dem Vereinigungsstrukturen bestehen, und seine Verbindung zu der Vereinigung ausschließlich in dem Kontakt zu einem in Deutschland befindlichen Mitglied der Organisation besteht. Denn die Beteiligung als Mitglied setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Die Begehungsform der mitgliedschaftlichen Beteiligung kommt im Unterschied zu den Tathandlungen des Werbens für die oder des Unterstützens der Vereinigung nur in Betracht , wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert (Krauß aaO § 129 Rdn. 110). Zwar ist hierfür eine organisierte Teilnahme am Leben der Vereinigung nicht erforderlich, weshalb es etwa einer förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft mit etwa listenmäßiger Erfassung, Zahlung von Mitgliedsbeiträgen oder gar Ausstellung eines Mitgliedsausweises nicht bedarf (BGHSt 18, 296, 299 f.; 29, 114, 121; Rebmann NStZ 1989, 97, 100 Fn. 27). Notwendig ist allerdings, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Hierfür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied (BGHSt 18, 296, 300; 29, 114, 123; BGH NStZ 1993, 37, 38; Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 129 Rdn. 13). Auch ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern (Krauß aaO § 129 Rdn. 105). Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (BGH NStZ 1993, 37, 38).
129
Danach liegen die Voraussetzungen für eine Beteiligung des Angeklagten Y. A. als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida nicht vor. Der Angeklagte war nicht in der erforderlichen Weise in die Organisationsstrukturen der Al Qaida eingebunden. Er war zu keinem Zeitpunkt etwa in Afghanistan, Pakistan oder dem Irak und hatte keine Verbindung zu den Führungspersonen oder den sich dort aufhaltenden Mitgliedern der Organisation. Es ist nicht festgestellt, dass außer seiner einzigen Kontaktperson , dem sich mit ihm in Deutschland befindenden Angeklagten K. , irgendein sonstiges Mitglied der Al Qaida überhaupt Kenntnis von ihm hatte. Unter diesen Umständen kann bereits von einer mit einer Teilnahme am Verbandsleben verbundenen Stellung des Angeklagten Y. A.
innerhalb der Vereinigung, wie sie für eine Beteiligung als Mitglied konstitutiv ist, keine Rede sein.
130
Eine willentliche Übereinstimmung zwischen der Vereinigung und dem Angeklagten bezüglich seiner Einbindung in die Organisation ist aus den dargelegten Gründen ebenfalls nicht feststellbar. Die Mitgliedschaft des Angeklagten lässt sich insoweit auch nicht mit der festgestellten Übung der Al Qaida begründen , im Tatzeitraum Mitglieder u. a. in europäische Länder mit dem Auftrag zu senden, dort für die Vereinigung rekrutierend tätig zu werden und den zuvor zum Erwerb der Mitgliedschaft üblichen Treueid auf Usama Bin Laden durch eine einseitige Erklärung der Loyalität durch die rekrutierte Person sowie deren Tätigkeit für die Organisation zu ersetzen. Die auf diese Weise angeworbenen Anhänger mögen zwar durch ihr - wie auch immer im Einzelfall geartetes - Eintreten für die Ziele der Al Qaida dieser als Unterstützer im untechnischen Sinne nützlich und willkommen sein; sie sind indes nicht ohne Weiteres, sondern nur dann als Mitglieder der Organisation im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB anzusehen , wenn die oben dargelegten Voraussetzungen gegeben sind. Der Angeklagte konnte deshalb nicht allein dadurch zum Mitglied der Al Qaida werden, dass er einen besonderen Einsatz zeigte sowie seinen Willen zu einer dauerhaften Beteiligung an der Organisation durch den Wunsch manifestierte, nach Erlangung der zur Versorgung seiner Familie erforderlichen wirtschaftlichen Mittel am Jihad im Irak teilzunehmen, selbst wenn dies das Einverständnis seiner einzigen Kontaktperson der Al Qaida, des Angeklagten K. , fand.
131
Ob dies möglicherweise anders zu beurteilen wäre, wenn der Angeklagte K. von der Al Qaida den Auftrag und gleichsam die Vollmacht erhalten hätte , allein und ohne Rücksprache mit der Organisation neue Mitglieder im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in die Vereinigung aufzunehmen, hat der Senat nicht zu entscheiden. Denn weder ein derartiger Auftrag durch die Al Qaida noch eine solch weitgehende Befugnis des Angeklagten K. ist durch die Feststellungen belegt. Der Senat kann den - freilich nicht an allen Stellen vollständig übereinstimmenden - Feststellungen im Ergebnis lediglich entnehmen, dass K. sich nach Deutschland begab, um hier für die Al Qaida "autonom terroristische Operationen zu planen und hierfür geeignetes Personal heranzuziehen" (UA S. 22) bzw. "zu arbeiten" (UA S. 27, 221). Aus diesen Formulierungen kann die spezielle Beauftragung zur Rekrutierung und Aufnahme echter Vereinigungsmitglieder nicht abgeleitet werden. Zudem lassen die Feststellungen zur Stellung des Angeklagten K. innerhalb der Al Qaida lediglich erkennen, dass er in der Hierarchie noch unterhalb der "Emire" stand. Hieraus ist zu schließen, dass es sich bei ihm trotz seiner persönlichen Bekanntschaft mit Usama Bin Laden lediglich um ein gewöhnliches Mitglied der Organisation handelte, das nicht in herausgehobener Position tätig war. Die Annahme, dass ein derartiges "normales" Mitglied die weitreichende Befugnis hatte, aufgrund eigener Entscheidung neue Mitglieder in die Organisation aufzunehmen, wird von den Feststellungen auch bei Berücksichtigung von deren Gesamtzusammenhang nicht getragen. Diese belegen vielmehr lediglich, dass der Angeklagte K. vorgab, die Möglichkeit zu haben, Interessenten durch die Abgabe einer Empfehlung den Zugang zu einer kämpfenden Organisation an einem "Jihadschauplatz" im Ausland zu erleichtern (UA S. 42, 294).
132
Gegen eine darüber hinausgehende Bevollmächtigung des Angeklagten K. spricht im Übrigen auch der Vergleich zur festgestellten Praxis der Gewinnung von Vereinigungsmitgliedern in der Zeit vor Herbst 2001. Damals reichte noch nicht einmal das Durchlaufen einer "normalen" Ausbildung in einem Lager in Afghanistan aus. Die Mitglieder der Al Qaida wurden vielmehr unter denjenigen Personen ausgesucht, die sich als besonders qualifiziert erwiesen und deshalb eine Spezialausbildung erhalten hatten. Hieraus folgt, dass die Al Qaida ihrerseits an die "Kandidaten" gewisse Anforderungen stellte, die diese erfüllen mussten, um Mitglied der Vereinigung werden zu können. Nach den Feststellungen ist nicht zu erkennen, dass diese Anforderungen aufgegeben wurden, als aufgrund des Verfolgungsdrucks eine "Reorganisation durch Dezentralisierung" erfolgte. In dieser Phase sollten zwar u. a. in Europa neue Kämpfer für den Jihad angeworben werden; es ist jedoch nichts dafür ersichtlich , dass die Al Qaida zu dieser Zeit jeden in einem europäischen Land befindlichen Interessenten ohne weitere Überprüfung wahllos als Mitglied im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in ihre Organisation aufnehmen wollte.
133
b) Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte Y. A. allerdings wegen Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar gemacht (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB).
134
Nach ständiger Rechtsprechung unterstützt eine terroristische Vereinigung , wer, ohne selbst Mitglied der Organisation zu sein, deren Tätigkeit und terroristische Bestrebungen direkt oder über eines ihrer Mitglieder fördert. Dabei kann sich die Förderung richten auf die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt, auf die Erleichterung einzelner von ihr geplanter Straftaten, aber auch allgemein auf die Erhöhung ihrer Aktionsmöglichkeiten oder die Stärkung ihrer kriminellen Zielsetzung. Nicht erforderlich ist, dass der Organisation durch die Tathandlung ein messbarer Nutzen entsteht. Vielmehr genügt es, wenn die Förderungshandlung an sich wirksam ist und der Organisation irgendeinen Vorteil bringt; ob dieser Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ih rer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (BGHSt 51, 345, 348 f.).
135
Ein tatbestandliches Unterstützen liegt demgegenüber nicht vor, wenn die Handlung der Vereinigung von vornherein nicht nützlich war und sein konnte (vgl. BGH bei Schmidt MDR 1981, 91; Krauß aaO § 129 Rdn. 133). Es scheidet darüber hinaus auch dann aus, wenn die unterstützende Handlung sich der Sache nach als Werben für die Vereinigung darstellt. Wirbt der Täter um Mitglieder oder Unterstützer der terroristischen Vereinigung, kommt seine Strafbarkeit - nur - nach § 129 a Abs. 5 Satz 2 StGB in Betracht; wirbt er lediglich für die Ideologie oder Ziele der Vereinigung, bleibt er grundsätzlich straflos (BGHSt 51, 345). Die hieraus folgende Privilegierung des Werbens für eine Vereinigung ist durch die entsprechende Änderung der §§ 129, 129 a StGB durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. August 2002 (BGBl I 3390) sowie das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2836) bedingt und auf diese Tathandlung beschränkt ; sie führt insbesondere nicht dazu, dass für die sonstigen Erscheinungsformen möglicher Unterstützungshandlungen vergleichbare Einschränkungen gelten etwa mit der Folge, dass die Anforderungen an den notwendigen Vorteil der Unterstützungshandlung für die Vereinigung generell zu erhöhen wären.
136
Nach alldem ist als tatbestandliche Unterstützung jedes Tätigwerden anzusehen , das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung unmittelbar fördert, die Realisierung der von der Vereinigung geplanten Straftaten - wenn auch nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung der Vereinigung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr wesenseigene Gefährlichkeit festigt (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 139; Miebach/Schäfer in MünchKomm-StGB § 129 Rdn. 83), solange diese Tätigkeit sich nicht als Werben für eine Vereinigung darstellt. Aufgrund des aus der besonderen Tatbestandsstruktur der Vereinigungsdelikte folgenden Verhältnisses der einzelnen Tathandlungen zueinander umfasst das Unterstützen einer Vereinigung daher auch Sachverhaltsgestaltungen , die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten wären (BGHSt 51, 345, 350 f.). Da als Effekt des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt , regelmäßig bereits hierin ein ausreichender Nutzen für die Vereinigung zu sehen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Täter ein Mitglied der Vereinigung bei der Erfüllung einer Aufgabe unterstützt, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist. Denn die Mitwirkung an der Erfüllung eines Auftrags, den die Vereinigung selbst einem Mitglied erteilt hat, erweist sich nicht nur allein für das betroffene Mitglied als im hier relevanten Sinne vorteilhaft; der ausreichende , nicht notwendigerweise spezifizierte Nutzen wirkt sich in einem solchen Fall vielmehr auch auf die Organisation als solche in vergleichbarer Weise aus wie in den Fällen, in denen die Mitglieder in ihrem Entschluss gestärkt werden, die Straftaten zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder ihrer Tätigkeit entsprechen (BGHSt 32, 243, 244). Eines noch weiter gehenden Vorteils für die Vereinigung bedarf es deshalb in diesen Fallgestaltungen nicht.
137
In derartigen Fällen wird die gleichzeitig verwirklichte Beihilfe des Täters zur mitgliedschaftlichen Beteiligung des Dritten an der Vereinigung durch das täterschaftliche Unterstützen der Vereinigung verdrängt. Ob daneben Fallge- staltungen denkbar sind, in denen sich die Tathandlung lediglich als Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, nicht aber als Unterstützen der Vereinigung darstellt, kann hier offen bleiben.
138
Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte Y. A. die terroristische Vereinigung Al Qaida unterstützt. Der Angeklagte hat sich in maßgebender Funktion an den Versicherungsbetrügereien beteiligt, die u. a. dazu dienten, finanzielle Mittel für die Al Qaida zu erschließen. Durch diese Tätigkeit hat er die entsprechenden Bemühungen des Al Qaida-Mitglieds K. unterstützt, die für diesen wiederum Teil seiner mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Organisation waren. Die Förderung der Betätigungen des Angeklagten K. wirkte sich für diesen auch vorteilhaft aus; denn er wurde zum einen in dem Entschluss gestärkt, Straftaten zu begehen, die dem Fortbestand der terroristischen Vereinigung dienten und musste zum anderen darüber hinaus die Tätigkeiten, die der Angeklagte Y. A. entfaltete, nicht selbst vornehmen oder eine andere Person hierfür gewinnen. Die Beschaffungsbemühungen des Angeklagten K. dienten gerade der Erfüllung der allgemeinen Order, mit der er von der Al Qaida für seine in Deutschland zu verbringende Zeit betraut worden war. Damit wurden auch die Bestrebungen der Vereinigung insgesamt ausreichend gefördert. Der Vollendung der Tat steht nach alldem insbesondere nicht entgegen, dass es hier letztlich in keinem Fall zu einer Auszahlung der Versicherungssumme an die Beteiligten und demnach auch nicht zu einer Weiterleitung eines Teils des Erlöses an die Organisation kam.
139
3. Revision des Angeklagten I. A.
140
Die Verurteilung des Angeklagten I. A. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
141
Die Tatbeiträge des Angeklagten I. A. stellen inhaltlich ebenso wie diejenigen des Angeklagten Y. A. eine Beihilfe zur Beteiligung des Angeklagten K. als Mitglied an der Al Qaida dar; denn mit ihnen förderte der Angeklagte I. A. die Bemühungen des Angeklagten K. , seinen ihm von der Al Qaida erteilten Auftrag zu erfüllen. Sie bewirkten somit im Ergebnis ebenfalls für die Vereinigung als solche einen ausreichenden Effekt.
142
Soweit der Senat in seiner Haftprüfungsentscheidung vom 19. Mai 2005 (BGHR StGB § 129 a Abs. 5 Unterstützen 1) Bedenken dagegen geäußert hat, dass die Tatbeiträge des Angeklagten als vollendetes Unterstützen zu werten seien, beruhte dies auf der dem damaligen Ermittlungsstand, wonach sich die Tätigkeit des Angeklagten auf die Zusage beschränkte, von der in der Zukunft zu erwartenden Beute einen Teil an die Vereinigung abzugeben. Der Senat ist im Revisionsverfahren auf der Basis der Feststellungen des tatgerichtlichen Urteils nicht gehalten zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen für ein Unterstützen der Vereinigung allein die Zusage eines Nichtmitglieds ausreicht, eine Handlung vorzunehmen, die sich auf die Organisation irgendwie vorteilhaft auswirken kann (vgl. hierzu auch BGHR StGB § 129 a Abs. 3 Unterstützen 4); denn nach diesen Feststellungen war die Tätigkeit des Angeklagten nicht auf die Abgabe einer derartigen Zusage beschränkt. Der Angeklagte wirkte vielmehr an den Versicherungsbetrügereien insgesamt mit, indem er selbstständig recherchierte und an Besprechungen in allgemein beratender Funktion teilnahm. Zudem war er damit einverstanden, als Bezugsberechtigter für die Versicherungssummen aufzutreten. Mit seiner diesbezüglichen Zusage leistete er somit einen erheblichen Beitrag für die Durchführung der einzelnen Betrugsstraftaten. Die Tätigkeiten des Angeklagten begründeten deshalb - wenn sie auch hinter denjenigen des Angeklagten Y. A. zurückblieben - jedenfalls bei einer Gesamtschau einen hinreichenden Vorteil für die Vereinigung im oben näher dargestellten Sinn.
143
144
Die Verurteilung der Angeklagten wegen versuchten "bandenmäßigen" Betrugs in 28 Fällen hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis nicht in vollem Umfang stand und bedarf hinsichtlich aller Angeklagter teilweise der Abänderung. Entgegen der Würdigung des Oberlandesgerichts tritt in den hier vorliegenden Fällen betrügerischer Eingehung von Lebensversicherungsverträgen der Schaden bei den getäuschten Versicherungsunternehmen nicht erst mit Auszahlung der jeweiligen Versicherungsleistung, sondern bereits mit Abschluss der Versicherungsverträge ein. Damit ist der Betrug in neun Fällen vollendet , in den übrigen Fällen jeweils durch die Beantragung von Versicherungsverträgen versucht worden. Die Beanstandung der Revisionen, es habe sich wegen der geplanten, in ferner Zukunft liegenden Vortäuschung des Todes bei den Anträgen auf Vertragsabschluss jeweils nur um straflose Vorbereitungshandlungen gehandelt, geht daher fehl.
145
An den Betrugstaten der Angeklagten Y. A. und K. beteiligte sich der Angeklagte I. A. erst nach dem 21. September 2004. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts können ihm die vorher begangenen Betrugshandlungen der beiden Mitangeklagten nicht über die Rechtsfigur der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden. Damit erfüllen auch erst die nach diesem Zeitpunkt verwirklichten Taten das Regelbeispiel des bandenmäßigen Betrugs.
146
Dazu im Einzelnen:
147
1. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts gelang es dem Angeklagten Y. A. in neun Fällen (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30 und 33), Versicherungsunternehmen durch falsche Angaben jeweils zum Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages zu veranlassen und damit die Deckung des Todesfallrisikos zu übernehmen. Bereits mit dem Vertragsschluss war unter den gegebenen - in der Praxis selten vorkommenden, zumindest selten nachweisbaren, hier allerdings ausdrücklich festgestellten - Umständen der Vermögensbestand der Versicherungsunternehmen gemindert und damit der Versicherungsbetrug vollendet.
148
a) Der Angeklagte täuschte bei der Antragstellung jeweils in mehrfacher Hinsicht über innere und äußere Tatsachen. So verneinte er ab Fall 3 stets wahrheitswidrig eine Vorerkrankung und in den meisten Fällen (mit Ausnahme der Fälle 1, 2, 13, 18, 19, 25 und 26) die Fragen nach anderen bestehenden oder beantragten Lebensversicherungsverträgen.
149
Insbesondere täuschte der Angeklagte in allen Fällen konkludent darüber , einerseits zukünftig dauerhaft nach den Vertragsbedingungen die Versicherungsprämien zahlen zu wollen und zu können sowie andererseits bereit zu sein, den beantragten Versicherungsschutz seinem Zweck entsprechend allein zur Abdeckung des zukünftigen Risikos eines ungewissen Schadenseintritts zu nutzen (zur Absicht der rechtswidrigen Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen als tauglicher Gegenstand einer Täuschung vgl. Lindenau, Die Betrugsstrafbarkeit des Versicherungsnehmers aus strafrechtlicher und kriminologischer Sicht S. 164).
150
Über die innere Tatsache, sich nicht vertragstreu verhalten zu wollen, ist eine konkludente Täuschung möglich. Die Vertragspartner dürfen ein Minimum an Redlichkeit im Rechtsverkehr, das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen (vgl. Cramer/Perron in Schönke/Schröder aaO § 263 Rdn. 14/15). Deshalb ist die Erwartung, dass keine vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht, unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Willensbekundungen. Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird (BGHSt 51, 165, 171).
151
Da die Manipulation des Vertragsgegenstandes eines Lebensversicherungsvertrags in der Form der Vortäuschung des Versicherungsfalles - ähnlich wie diejenige einer Sportwette (vgl. dazu BGHSt aaO S. 172) - zwangsläufig erst nach Vertragsschluss stattfinden kann, bezieht sich die konkludente Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits durchgeführte, sondern auf eine beabsichtigte Manipulation. Für die Täuschung kommt es dabei nicht darauf an, inwieweit die geplanten Beeinflussungen bereits ins Werk gesetzt sind.
152
Diese Täuschung ist tatbestandsmäßig im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB. Sie war unentbehrlich, um zu dem nach dem Tatplan notwendigen Zwischenziel , dem Abschluss des Versicherungsvertrags, zu gelangen. Dass es danach noch einer weiteren Täuschung (über den Eintritt des Versicherungsfalls) bedurfte , um das eigentliche Endziel der Auszahlung der Versicherungssumme zu erreichen, ist demgegenüber für die Täuschungshandlung rechtlich ohne Belang.
153
b) Den Vorstellungen des Angeklagten entsprechend ist bei den Versicherungsunternehmen aufgrund der Täuschung jeweils eine entsprechende Fehlvorstellung über die Leistungsbereitschaft sowie die Vertragstreue des Angeklagten und damit über den Umfang des zu übernehmenden Risikos eingetreten. Dieser Irrtum war (mit)ursächlich für den jeweiligen Vertragsabschluss durch den Versicherer.
154
c) Mit dem Vertragsabschluss ist bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen ein Vermögensschaden eingetreten.
155
aa) Der Vermögensschaden beim Betrug ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch einen Vermögensvergleich mit wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln (BGHSt 45, 1, 4; BGH NStZ 1996, 191; 1997, 32, 33).
156
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug), wie er hier in Rede steht, ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen. Ob ein Vermögensschaden eingetreten ist, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der Vermögenslage vor und nach diesem Zeitpunkt. Zu vergleichen sind demnach die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen (BGHSt 16, 220, 221; 45, 1, 4). Bleibt der Anspruch auf die Leistung des Täuschenden in seinem Wert hinter der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurück, so ist dieser geschädigt (BGHSt 16 aaO).
157
Für die Beurteilung des Vermögenswertes von Leistung und Gegenleistung kommt es weder auf den von den Vertragsparteien vereinbarten Preis an (BGHSt 16, 220, 224) noch darauf, wie hoch der Verfügende subjektiv ihren Wert taxiert (BGHSt 16, 321, 325). Entscheidend für den Vermögenswert von Leistung und Gegenleistung ist vielmehr das vernünftige Urteil eines objektiven Dritten (BGHSt 16, 220, 222; 16, 321, 326; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 70 m. w. N.).
158
bb) Daran gemessen ist ein solcher Schaden bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen hier zu bejahen. Mit dem Vertragsabschluss war es mit der Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme im Todesfall belastet. Dem stand die Verbindlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber, an den Versicherer bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit die Prämien zu zahlen. Die Prämie ist der Preis, den der Versicherungsnehmer dafür zu entrichten hat, dass der Versicherer bei Eintritt des Versicherungsfalls die Versicherungssumme leistet. Sie muss in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem Versicherungsschutz stehen (vgl. hierzu Lindenau aaO S. 217 f.). Der Versicherer kalkuliert die Versicherungsprämien unter Berücksichtigung seiner allgemeinen Kosten (u. a. Abschlussprovision, Betriebskosten) auf der Basis von sog. Sterbetafeln, die eine aus der Erfahrung der Vergangenheit gewonnene wahrscheinliche Lebenszeit des Versicherten ausdrücken. Hinzu kommen ggf. Zuschläge für besondere Risiken. In die Prämienkalkulation geht die voraussichtliche Lebensdauer des Versicherten ebenso ein wie die Anzahl der Prämien, die - vorbehaltlich eines vorzeitigen Todes - bis zum Ablauf der Versicherungszeit zu zahlen sind. Im Normalfall besteht zwischen Leistung und Gegenleistung ein Äquivalent.
159
Hier stellte die Prämie indessen keinen entsprechenden Ausgleich für die mit dem Vertrag eingegangenen Verpflichtungen dar; denn der Angeklagte war von vornherein entschlossen, den Versicherungsfall zu fingieren, und hatte in Form der Verabredungen zuerst mit dem Mitangeklagten K. , später auch mit dem Mitangeklagten I. A. , bereits mit konkreten Vorbereitungen begonnen. Der jeweilige Versicherer war daher mit Abschluss des Vertra- ges rein wirtschaftlich gesehen nicht - wie von ihm angenommen - nur mit einer aufschiebend bedingten Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme für den Fall belastet, dass sich das - nach allgemeinen Maßstäben bewertete - Risiko des Todeseintritts während der Vertragslaufzeit verwirklichen sollte. Vielmehr war seine Inanspruchnahme aufgrund der von den Angeklagten beabsichtigten Manipulation des Vertragsgegenstandes sicher zu erwarten. Der entsprechenden Forderung hätte er sich nur durch den Beleg der Unredlichkeit des Versicherungsnehmers, etwa durch den Nachweis der Unrichtigkeit der ägyptischen Todesbescheinigung, entziehen können. Damit war die Leistungswahrscheinlichkeit gegenüber dem vertraglich vereinbarten Einstandsrisiko signifikant erhöht.
160
Bei dem Vergleich der wechselseitigen Ansprüche von Versicherer und Versicherungsnehmer bleibt außer Betracht, dass der Versicherer, sofern er Kenntnis von den tatsächlichen Hintergründen des Vertragsschlusses erlangen würde, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 BGB; vgl. § 22 VVG) oder sich in anderen Konstellationen, etwa gemäß § 74 Abs. 2 VVG, auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen könnte; denn diese Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, soll dem getäuschten Versicherer gerade verborgen bleiben (vgl. RGSt 48, 186, 189; BGH StV 1985, 368 m. w. N.; Fischer aaO § 263 Rdn. 103 m. w. N.).
161
Dafür, dass bereits mit dem Vertragsabschluss beim Versicherer ein Vermögensschaden eingetreten ist, spricht nicht zuletzt auch die zivilrechtliche Betrachtung. Insoweit ist anerkannt, dass der Versicherer gegenüber dem täuschenden Versicherungsnehmer nicht nur die Möglichkeit der Anfechtung des Vertrages hat. Daneben kommt vielmehr auch eine Schadensersatzhaftung des Versicherungsnehmers aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB) in Betracht mit der Folge, dass der getäuschte Versicherer gemäß § 249 BGB die Rückgängigmachung des Vertrages verlangen kann (vgl. BGH NJW 1998, 302, 303). Insoweit besteht die Möglichkeit, dass allein durch die mit dem Vertragsabschluss eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen ein Vermögensschaden begründet wird, wenn der Wert der Gegenleistung hinter dem Wert der Verpflichtungen zurückbleibt (vgl. BGH aaO S. 304).
162
Nach alldem ist in den Fällen, in denen es zum Abschluss des Lebensversicherungsvertrags kam, beim Versicherer ein Schaden entstanden, so dass insoweit jeweils ein vollendeter Eingehungsbetrug vorliegt. Die dem Tatplan entsprechende spätere Auszahlung der Versicherungssummen hätte lediglich zu einer Schadensvertiefung geführt und den Eingehungs- zum Erfüllungsbetrug werden lassen. Auch insoweit ist es für die rechtliche Bewertung ohne Belang , dass hierzu und damit zum Eintritt des endgültigen Verlustes des Versicherers noch eine weitere erfolgreiche Täuschung über den Eintritt des Versicherungsfalls erforderlich gewesen wäre.
163
Zweifel daran, dass der jeweilige Versicherer bereits mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages in seinem Vermögen geschädigt war, bestehen auch nicht deswegen, weil sich die Bestimmung der Schadenshöhe als problematisch erweist. Insoweit könnte sich eine Berechnung nach bilanziellen Maßstäben (so BGH StV 2009, 242) etwa deswegen als schwierig darstellen, weil es für die Bewertung der Verpflichtung aus einem täuschungsbedingt abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag keine anerkannten Richtgrößen gibt. Diese Schwierigkeiten lassen indes den Schaden nicht entfallen. Sie führen lediglich dazu, dass der Tatrichter grundsätzlich unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege der Schätzung Mindestfeststellungen zu treffen hat (vgl.
BGH aaO S. 243). Hierzu wird er sich erforderlichenfalls der Hilfe von Sachverständigen aus den Gebieten der Versicherungsmathematik bzw. der Versicherungsökonomie und/oder des Bilanzwesens bedienen. Unter den hier gegebenen Umständen (vgl. unten VI.) war dies indes nicht geboten.
164
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit bisheriger Rechtsprechung zum Eingehungsbetrug.
165
So hat bereits das Reichsgericht (RGSt 48, 186) einen Vermögensschaden des Feuerversicherers in dem bloßen Abschluss eines Versicherungsvertrages gesehen, auf den die Versicherungsnehmer unter Angabe eines unzutreffend hohen Versicherungswerts in der Absicht angetragen hatten, die versicherten Sachen alsbald in Brand zu setzen und dadurch in den Besitz der Versicherungssumme u. a. auch für Gegenstände zu kommen, die gar nicht vorhanden waren. Es hat dabei ausgeführt, dass der Prämienanspruch, den die Gesellschaft erhielt, nur den Ausgleich bildete "für die gegenüber einem vertragstreuen Vertragsgegner übernommene Verpflichtung zur Gefahrtragung. Dieser Anspruch verlor an Wert und büßte ihn im wesentlichen ein bei den Angeklagten , die überhaupt nicht die Absicht hatten, ihr Verhalten dem Vertrage gemäß einzurichten, … sondern im Gegenteil entschlossen waren, mit Hilfe des Scheines eines Vertrags die Gesellschaft zu einer vermögensrechtlichen Aufwendung , der Zahlung der Brandentschädigung, zu veranlassen." Die Vermögensminderung (damals bezeichnet als Vermögensgefährdung) sah das Reichsgericht darin, dass sich die Versicherungsgesellschaft täuschungsbedingt vertraglich verpflichtete, "eine weit größere Gefahr (vermögensrechtlichen Inhalts) zu tragen, als sie dem in der Prämie ausgedrückten, demgemäß auch vereinbarten gewöhnlichen Verlaufe der Dinge entsprach, und die Möglichkeit einer die Gesellschaft treffenden tatsächlichen Einbuße an ihrem Vermögen war bei der von den Angeklagten in Aussicht genommenen alsbaldigen Brandstiftung unmittelbar gegeben" (RGSt 48, 186, 190).
166
Auch der Bundesgerichtshof hat den Betrug schon als vollendet angesehen mit dem Vertragsschluss über die Lieferung von Feinkohle, bei dem der Angeklagte von Anfang an beabsichtigt hatte, lediglich minderwertigen Kohlenschlamm zu liefern (BGH NJW 1953, 836). Er hat ausgeführt, dass beim Eingehungsbetrug eine "Vermögensgefährdung" schon darin bestehen kann, dass der Geschädigte überhaupt in vertragliche Beziehungen zu einem böswilligen Vertragspartner getreten ist, der von vornherein darauf ausging, den Vertragspartner unter planmäßiger Ausnutzung eines beim Vertragsschluss durch Vorspiegelung von Tatsachen erregten Irrtums zur späteren Entgegennahme einer vertragswidrigen Leistung zu veranlassen.
167
Einen vollendeten Eingehungsbetrug hat der Bundesgerichtshof zuletzt auch in dem betrügerisch veranlassten Eingehen eines Risikogeschäfts gesehen , das mit einer nicht mehr vertragsimmanenten Verlustgefahr verbunden ist (BGH NJW 2009, 2390). Er hat dabei ausgeführt, der mit der Vermögensverfügung unmittelbar eingetretene Vermögensschaden sei durch das Verlustrisiko im Zeitpunkt der Vermögensverfügung bestimmt.
168
d) Entgegen der Ansicht der Revisionen steht auch das Erfordernis der Stoffgleichheit einer Strafbarkeit des Angeklagten nicht entgegen. Der rechtswidrige Vermögensvorteil, den der Täter für sich oder einen Dritten erlangen will, muss die Kehrseite des Schadens sein. Unmittelbare Folge des Vertragsabschlusses war für den Angeklagten die Verbesserung seiner Vermögenssituation. Diese bestand darin, dass der getäuschte Lebensversicherer die Deckung des Risikos zu nicht äquivalenten Konditionen übernahm und dem Ange- klagten die Möglichkeit eröffnete, diese Risikodeckung zur Fingierung des Todesfalles auszunutzen.
169
2. Dementsprechend setzte der Angeklagte Y. A. in 19 weiteren Fällen (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) zur Begehung eines Eingehungsbetrugs unmittelbar an, indem er mit täuschenden Angaben in den Anträgen die Versicherungsunternehmen jeweils zum Abschluss entsprechender Verträge zu veranlassen suchte. Mit der Einreichung des Antrags nahm er diejenige Täuschungshandlung vor, die nach seiner Vorstellung dazu ausreichte, denjenigen Irrtum hervorzurufen, der den Getäuschten zu der schädigenden Vermögensverfügung bestimmen und damit den Schaden herbeiführen sollte (vgl. BGHSt 37, 294, 296).
170
Die Einwände der Revisionen, die Angeklagten hätten noch nicht unmittelbar zur Tatbegehung angesetzt, sondern seien lediglich im Stadium der straflosen Vorbereitungshandlungen verblieben, haben deshalb im Ergebnis keinen Erfolg. Sie sind lediglich im Ausgangspunkt insoweit berechtigt, als die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts, in allen Fällen habe ein versuchter Erfüllungsbetrug vorgelegen, rechtlich nicht haltbar ist.
171
Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, sobald der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn er bereits eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt bzw. ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Auch eine frühere, vorgelagerte Handlung kann bereits die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar einmündet oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang steht. Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen jedoch stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles. Hierbei können etwa die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium Bedeutung gewinnen (BGHR StGB § 22 Ansetzen 30 m. w. N.).
172
Hier fehlt es für den vom Oberlandesgericht angenommenen Erfüllungsbetrug an einem unmittelbaren Ansetzen zur Tat im Sinne des § 22 StGB, da zunächst noch wesentliche Zwischenschritte erfolgreich hätten zurückgelegt werden müssen, bevor es möglich gewesen wäre, die Versicherungen zur Leistung auf den Todesfall in Anspruch zu nehmen. Denn bevor nicht der Tod des Angeklagten Y. A. in Ägypten fingiert und die entsprechend gefälschten Unterlagen beschafft waren, wäre es nicht möglich gewesen, die Versicherer durch deren Vorlage auf Auszahlung der Versicherungssummen in Anspruch zu nehmen.
173
3. An den 28 Taten des vollendeten bzw. versuchten Betrugs des Angeklagten Y. A. beteiligte sich der Angeklagte K. als Mittäter.
174
Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen; es kann auch eine solche im Vorbereitungsstadium des unmittelbar tatbestandsmäßigen Handelns genügen. Der Mittäter muss nur einen Beitrag leisten, der die Tat fördert und er muss die Tat als eigene wollen. Die Annahme von Mittäterschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in wertender Betrachtung der festgestellten Tatsachen zu prüfen. Dafür sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zu ihr maßgeb- lich (BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26 m. w. N.). Danach hat das Oberlandesgericht den Angeklagten K. zutreffend als Mittäter angesehen. Er nahm zwar selbst keine Täuschungshandlung vor, war aber der Ideengeber und beteiligte sich intensiv an der Planung der Taten, sorgte nach den Vertragsabschlüssen für die Bezahlung der Prämien und sollte nach dem Tatplan bei der Geltendmachung der Versicherungsleistungen mitwirken. An der Tat hatte er selbst ein großes Interesse.
175
4. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts beteiligte sich der Angeklagte I. A. , nachdem er am 21. September 2004 von den beiden Mitangeklagten in das Betrugsvorhaben eingeweiht worden war, an den nach diesem Tag begangenen Taten (fünf Fälle des vollendeten und 18 Fälle des versuchten Betrugs). Die Würdigung des Oberlandesgerichts, der Angeklagte sei dabei Mittäter gewesen, hält rechtlicher Überprüfung nach den oben dargelegten Grundsätzen noch stand. Zwar nahm auch er nicht selbst Täuschungshandlungen vor, zudem sollte er persönlich von der erwarteten Beute nicht profitieren. Gleichwohl hatte er insoweit ein eigenes Interesse an der Tat, als er wusste, dass mit einem Teil der Beute seine Familie (Mutter und Geschwister ) unterstützt werden sollten. Hinzu kommt, dass er im Endstadium des Betrugsvorhabens als Begünstigter der Lebensversicherungsverträge die entscheidende Tatherrschaft haben sollte und seine Mitwirkung deshalb notwendige Bedingung für das Tatvorhaben war.
176
Für die vor dem 21. September 2004 begangenen Taten ist indes ein strafbares Handeln des Angeklagten I. A. nicht belegt. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts und des Generalbundesanwalts können ihm die Tatbeiträge der Mitangeklagten auch nicht nach den Grundsätzen der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden. Eine solche liegt bei demjenigen vor, der in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen tatbestandsmäßigen Handelns in das tatbestandliche Geschehen eingreift. Die Zurechnung bereits verwirklichter Tatumstände ist aber nur dann möglich, wenn der Hinzutretende selbst einen für die Tatbestandsverwirklichung ursächlichen Beitrag leistet. Kann der Hinzutretende die weitere Tatausführung dagegen nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs schon alles getan ist und das Tun des Eintretenden auf den weiteren Ablauf des Geschehens ohne jeden Einfluss bleibt, kommt mittäterschaftliche Mitwirkung trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH NStZ 1984, 548; 1998, 565). So liegt es hier. Der Angeklagte billigte nach seinem Hinzukommen zwar die Tatausführung durch die Mitangeklagten, erklärte sich bereit, in einem späteren Stadium der Tat durch eigene Tatbeiträge zur endgültigen Beutesicherung beizutragen , und beteiligte sich mit Vorschlägen an der weiteren Tatausführung. Er leistete aber für diese ersten fünf Taten selbst keinen Tatbeitrag mehr. Bei zwei Fällen (Fälle 1 und 4) waren die Versicherungsverträge schon abgeschlossen, in zwei Fällen (Fälle 2 und 3) sind die Versicherungsverträge später abgeschlossen worden, im Fall 4 hat die Versicherung den Vertragsabschluss am 4. Oktober 2004 abgelehnt. In keinem Fall ist ein Tätigwerden des Angeklagten, das auf den weiteren Ablauf Einfluss gehabt hätte, festgestellt. Insoweit ist ohne Bedeutung, dass auf alle vier abgeschlossenen Versicherungsverträge Prämienzahlungen auch nach dem 21. September 2004 erfolgten. Dies entsprach zwar dem inzwischen von allen drei Angeklagten gefassten Tatplan, indes lag darin nur ein Aufrechterhalten der durch die frühere Täuschung erreichten Fehlvorstellung des jeweiligen Versicherers über eine korrekte Vertragsabwicklung und keine weitere tatbestandsrelevante Täuschungshandlung.
177
Der Senat kann daher offenlassen, ob angesichts der Fallbesonderheiten - zur Vertiefung des Schadens durch Inanspruchnahme der Lebensversicherungen nach einem fingierten Todesfall sollte der Angeklagte ganz erhebliche Tatbeiträge leisten - eine sukzessive Mittäterschaft im Rahmen des Betrugstatbestands zwischen Vollendung und Beendigung hier in Frage kommen könnte (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 5; BGH, Beschl. vom 2. Juli 2009 - 3 StR 131/09).
178
5. Mit der Zustimmung des Angeklagten I. A. zu dem Tatplan und mit dessen erklärter Bereitschaft, sich im weiteren Verlauf der Tat an der Geltendmachung der Ansprüche auf Auszahlung der Versicherungssummen zu beteiligen und die Beute auszukehren, haben sich die Angeklagten zu einer Bande verbunden, um in der Folgezeit - jedenfalls in der in Aussicht genommenen kurzen, im einzelnen aber noch nicht genau bestimmten Zeitspanne - weitere Betrugstaten zu begehen. Damit liegt bei den nach dem 21. September 2004 begangenen Taten (ab Fall 6) jeweils das Regelbeispiel bandenmäßiger Begehung für die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB vor.
179
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts fehlt dieses Merkmal bei den ersten fünf Taten. Der Angeklagte I. A. war an diesen Taten nicht beteiligt, die für eine Bande erforderliche Bandenabrede zum Tatzeitpunkt noch nicht getroffen. Die Mitangeklagten handelten deshalb lediglich als Mittäter (vgl. BGH, Beschl. vom 17. März 2009 - 4 StR 607/08).
180
IV. Konkurrenzen
181
Das Verhältnis zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung und den Betrugstaten hat das Oberlandesgericht im Grundsatz zutreffend beurteilt.
182
1. Der Angeklagte K. hat die neun Taten des Betrugs (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) jeweils in Verfolgung der Ziele der Al Qaida begangen. Sie stehen deshalb mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an der ausländischen terroristischen Vereinigung jeweils in Tateinheit. Zugleich werden sie, da das Verbrechen nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB gegenüber den Betrugstaten das schwerere Delikt ist, von diesem zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verklammert (vgl. BGHSt 29, 288, 291; BGHR StGB § 129 Konkurrenzen 1; § 129 a Konkurrenzen

4).


183
2. Bei dem Angeklagten Y. A. stellen sich die neun Taten des Betrugs (Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) im Ergebnis als Teile einer einheitlichen Unterstützungshandlung für die ausländische terroristische Vereinigung dar.
184
Im Ausgangspunkt besteht allerdings bei einer Mehrzahl von Unterstützungshandlungen zwischen diesen jeweils Tatmehrheit. Hierin liegt der Unterschied zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, bei der mehrere Einzelakte zu einem tatbestandlichen Verhaltenstypus im Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 193). Eine tatbestandliche Handlungseinheit zwischen mehreren Unterstützungshandlun- gen kommt nur in Betracht, wenn es um ein und denselben Unterstützungserfolg geht und die einzelnen Akte einen engen räumlichen, zeitlichen und bezugmäßigen Handlungszusammenhang aufweisen (vgl. Krauß aaO m. w. N.). So liegt es hier. Sämtliche Handlungen bezogen sich auf das einheitliche, übergeordnete Ziel der Unterstützung. Die Bemühungen dienten stets nach demselben Tatschema dem Zweck, aus der gesamten erstrebten Betrugsbeute die ausländische terroristische Vereinigung Al Qaida in Form einer Geldzuwendung zu stärken. Die Handlungen standen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang. Zum Teil beantragte der Angeklagte an einem Tag bei demselben Versicherer den Abschluss mehrerer Versicherungsverträge oder stellte Anträge bei mehreren Versicherern.
185
Die somit einheitliche Unterstützungshandlung verbindet nach den unter vorstehend 1. für die mitgliedschaftliche Beteiligung dargestellten Grundsätzen, die im Hinblick auf den am jeweiligen Strafrahmen zu messenden Unrechtsgehalt des § 129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB einerseits und des § 263 Abs. 1 bzw. Abs. 3 Satz 1 StGB andererseits für diese Konstellation entsprechend gelten , die einzelnen vollendeten bzw. versuchten Betrugstaten ebenfalls zur Tateinheit.
186
3. Bei dem Angeklagten I. A. stellen sich die fünf Taten des Betrugs (Fälle 6, 16, 22, 30, 33) und die 18 Taten des versuchten Betrugs (Fälle 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32) im Ergebnis ebenfalls als Teile einer einheitlichen Unterstützungshandlung für die ausländische terroristische Vereinigung dar.
187
Als Mittäter muss sich der Angeklagte die im Rahmen des gemeinsamen Tatplans mit seiner Billigung erbrachten Tathandlungen seiner Mittäter - und damit alle 23 vom Mitangeklagten Y. A. seit seinem Hinzutre- ten und der Bildung der Bande begangenen Täuschungshandlungen - zurechnen lassen. Die Frage des rechtlichen Zusammentreffens ist jedoch bei einer Tatserie für jeden einzelnen Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des Tatbeitrags jedes Tatbeteiligten (BGH StV 2002, 73). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts hat der Angeklagte seinen Tatbeitrag insgesamt durch die Bereitschaft zur Geltendmachung der Versicherungsleistungen sowie durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum Verfahrensablauf der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art erbracht. Beiträge , die auf einzelne Betrugstaten konkretisiert waren, sind nicht festgestellt. In diesem Fall werden ihm die Einzeltaten des Mitangeklagten als in gleichartiger Tateinheit begangen zugerechnet (vgl. Fischer aaO § 25 Rdn. 23 m. w. N.). Diese Tatbeiträge zum Betrug stellen gleichzeitig die Unterstützungshandlung des Angeklagten dar. Dementsprechend liegt - wie das Oberlandesgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat - auch nur eine Tat des Unterstützens einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor.
188
V. Schuldspruchänderung
189
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch weitergehende Feststellungen zur Beteiligung des Angeklagten Y. A. an der Al Qaida getroffen werden können. Er hat deshalb den Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig ist. Außerdem hat er die durch die abweichende rechtliche Beurteilung der Betrugstaten notwendigen Änderungen der Schuldsprüche vorgenommen. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn die Angeklagten hätten sich dagegen hier nicht anders als geschehen verteidigen können.
190
VI. Strafausspruch
191
1. Bei dem Angeklagten K. bleibt der Strafausspruch von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Oberlandesgericht hat die Strafe aus dem Strafrahmen des § 129 a Abs. 1 StGB (ein Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe ) entnommen. Der Senat schließt aus, dass es bei zutreffender rechtlicher Beurteilung der Betrugstaten auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Zwar können die Fälle 1 bis 5 nicht mehr als bandenmäßig begangen und damit regelmäßig als besonders schwere Fälle des Betrugs bzw. des versuchten Betrugs beurteilt werden. Indes sind neun der Taten als vollendet anzusehen, was deren Gewicht für die Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten erhöht. Der Bestand der Strafe ist auch nicht deshalb gefährdet, weil die (potentiellen) Vermögensschäden der Versicherer durch die (versuchten) Eingehungsbetrugstaten , die der Schuldspruchänderung durch den Senat zugrunde liegen, wesentlich hinter den Beträgen zurückbleiben, die der Angeklagte letztlich nach gelungener Vortäuschung des Versicherungsfalles für sich und die Mittäter erlangen wollte. Das Oberlandesgericht ist insgesamt nur von Versuchsfällen ausgegangen und hat demgemäß einen Schadenseintritt verneint. Dass es die Höhe der beabsichtigten Bereicherung durch Zahlung der Versicherungssummen im Sinne einer Beuteerwartung strafschärfend berücksichtigt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden und stellt auch auf der Grundlage der vom Senat ausgeurteilten (versuchten) Eingehungsbetrugstaten einen maßgeblichen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar. Demgegenüber hat aber auch bereits das Oberlandesgericht ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass der Eintritt dieses letztendlich ins Auge gefassten Schadens noch sehr weit entfernt war und noch weiterer Zwischenschritte bedurft hätte.
192
2. Die Strafe für den Angeklagten Y. A. kann hingegen nicht bestehen bleiben. Durch die Änderung des Schuldspruchs hat sich der die Strafe bestimmende Strafrahmen in seiner Untergrenze von einem Jahr auf sechs Monate Freiheitsstrafe abgesenkt. Zwar hat sich das Oberlandesgericht daran nicht orientiert; auch ist die Obergrenze des Strafrahmens mit zehn Jahren gleichgeblieben. Dennoch kann der Senat - schon wegen der Nähe der verhängten Strafe zu derjenigen für den wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung verurteilten Mitangeklagten K. - nicht ausschließen, dass die Strafe milder ausgefallen wäre, wenn das Oberlandesgericht den Angeklagten zutreffend nur wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen hätte.
193
Über den Strafausspruch muss deshalb erneut durch den Tatrichter entschieden werden. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von der rechtsfehlerhaften Einordnung des Tatbeitrags des Angeklagten nicht berührt sind. Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen dürfen.
194
Damit wird die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung gegenstandslos (Meyer-Goßner aaO § 464 Rdn. 20).
195
3. Bei dem Angeklagten I. A. bleibt der Strafausspruch von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das Oberlandesgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) entnommen. Der Senat kann auch hier ausschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Beurteilung auf eine geringere Strafe erkannt hätte. Zwar sind die ersten fünf Betrugstaten im Schuldspruch entfallen; indes wird der Schuldumfang davon bestimmt, dass der Angeklagte bereit war, auch hinsichtlich der ohne seine Mitwirkung begangenen Betrugstaten die letztendlich erwartete Beute durch die Geltendmachung und Vereinnahmung der Versicherungsleistungen zu sichern.
196
VII. Kostenbeschwerde
197
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung wird als unbegründet verworfen, da diese dem Gesetz entspricht.
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 58/08
vom
27. Mai 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Betrugs u.a.
zu 2.: Beihilfe zum Betrug u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 27. Mai 2008 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 12. September 2007 1. in den Schuldsprüchen dahin abgeändert, dass
a) der Angeklagte B. des Betruges, der Nötigung und des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis,
b) der Angeklagte S. der Beihilfe zum Betrug und der Nötigung schuldig sind, 2. in den Strafaussprüchen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Betrug und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Einzelstrafe: drei Jahre Freiheitsstrafe) unter Einbeziehung rechtskräftig verhängter Einzelfreiheitsstrafen zu einer Gesamtstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt, neben der eine weitere rechtskräftige Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten bestehen blieb; außerdem hat es eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von fünf Jahren angeordnet. Den Angeklagten S. hat es wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Betrug (Einzelstrafe: zwei Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe ) unter Einbeziehung einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Die Verfahrensrügen sind nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO); die Sachrügen führen zur Änderung der Schuldsprüche und zur Aufhebung der erkannten Einzelstrafen sowie der Gesamtfreiheitsstrafen.
2
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bot der Zeuge Se. dem Angeklagten B. einen Mercedes-Vito-Transporter, den Freunde von ihm mittels eines gefundenen Fahrzeugschlüssels gestohlen hatten , zum "Kauf" an. Der Angeklagte B. ging zum Schein auf das Angebot ein und bot für den Transporter, der einen Wert von etwa 20.000 € hatte, 500 € an. Tatsächlich hatte er vor, sich das Fahrzeug zu verschaffen, ohne etwas dafür zu bezahlen. In diesen Plan weihte er den Angeklagten S. und einen unbekannten Dritten ein. Gemeinsam holten die Drei den Zeugen Se. am späten Abend ab und fuhren mit ihm im Fahrzeug des Angeklagten S. zum Abstellort des Transporters. Der Angeklagte B. ließ sich die Fahrzeugschlüssel aushändigen und erklärte dem Zeugen wahrheitswidrig, dieser werde das Geld erhalten, sobald der Transporter in L. , wohin sie nun alle fahren würden, an den Endabnehmer verkauft worden sei. Er fuhr mit dem Transporter voran, wobei er nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis war. Der Angeklagte S. folgte ihm zunächst mit seinem Fahrzeug, auf dessen Rücksitz der Zeuge Se. und der unbekannte Dritte saßen. Sodann bog er absprachegemäß in ein Waldstück und hielt dort an. Der unbekannte Dritte forderte den Zeugen mehrfach auf auszusteigen. Dieser widersetzte sich zunächst unter Hinweis auf die ausstehende Bezahlung. Erst als der Dritte ihm - entsprechend dem gemeinsamen Tatplan - einen waffenartigen Gegenstand, den er zum Schein laut durchgeladen hatte, an den Kopf hielt, stieg der Zeuge Se. aus und "verzichtete endgültig auf die 500 € und den Transporter" [UA 9].
3
2. Diese Feststellungen tragen weder die Verurteilung der Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung noch die des Angeklagten S. wegen täterschaftlich begangenen Betruges.
4
a) Zutreffend hat das Landgericht allerdings den Angeklagten B. des Betruges schuldig befunden. Dieser Angeklagte täuschte den Zeugen Se. über seine Zahlungswilligkeit und erreichte damit, dass der Zeuge ihm den Besitz an dem Transporter überließ. Damit hat er den Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB erfüllt. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Freunde des Zeugen, für die dieser das Fahrzeug absetzen wollte, den Besitz daran durch Diebstahl erlangt hatten, denn auch der durch einen Diebstahl erlangte rechtswidrige Besitz gehört zu dem von § 263 StGB geschützten Vermögen (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 263 Rdn. 64 m.w.N.). Der Angeklagte B. hat den rechtswidrigen Vermögensvorteil, der in dem Besitz des Transporters bestand, in dem Moment erlangt, als er das Fahrzeug an dem Abstellort übernahm und der Zeuge Se. jede Einwirkungsmöglichkeit verlor.
5
Für eine Verurteilung des Angeklagten S. wegen mittäterschaftlich begangenen Betruges reichen die getroffenen Feststellungen dagegen nicht aus. Der Angeklagte S. spielte bei dem Betrug nur eine untergeordnete Rolle. Er unterstützte den Angeklagten B. bei der Tatbegehung lediglich dadurch, dass er die Beteiligten in Kenntnis des Tatplans zum Übergabeort fuhr. Sämtliche Täuschungshandlungen hat allein der Angeklagte B. ausgeführt ; nur er hatte ein Interesse an der Durchführung der Tat, denn es ging ihm darum, "sich den Transporter kostenlos zu verschaffen" [UA 7]. Ein eigenes Tatinteresse des Angeklagten S. bestand nach den Feststellungen nicht. Er hat sich daher lediglich der Beihilfe zum Betrug, §§ 263 Abs. 1, 27 StGB, schuldig gemacht.
6
b) Die Verurteilung der Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung hält rechtlicher Prüfung ebenfalls nicht stand. Zwar ist der Zeuge Se. durch die Bedrohung mit dem waffenartigen Gegenstand nicht nur dazu genötigt worden, das Fahrzeug des Angeklagten S. zu verlassen, sondern auch endgültig auf das Fahrzeug und die vereinbarte Zahlung von 500 € zu verzichten; ein Vermögensschaden wurde ihm dadurch aber nicht zugefügt. Der Vermögensnachteil auf Seiten des Zeugen, der in dem Besitzverlust des Transporters ohne entsprechende Gegenleistung bestand, ist bereits durch den vorangegangenen Betrug eingetreten. Die nach Beendigung des Betruges erfolgte Bedrohung diente allenfalls der Sicherung des vom Angeklagten B. bereits erlangten Vermögensvorteils (vgl. BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögensschaden 2; Eser in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 253 Rdn. 37; zu den Sonderfällen unmittelbar anschließender Gewaltanwendung nach fehlge- schlagener Täuschung bzw. vor Beendigung des Betruges vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Versuch 1 m.w.N.; BGH NStZ 2002, 33).
7
Der endgültige Verzicht auf die versprochene Gegenleistung, zu dem der Zeuge genötigt wurde, trägt die Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung ebenfalls nicht. Zwar kann eine Erpressung auch dadurch begangen werden, dass der Täter das Tatopfer durch Drohung oder Gewalt dazu veranlasst , auf die Geltendmachung einer Forderung zu verzichten. Der von dem Tatbestand vorausgesetzte Vermögensschaden tritt in diesen Fällen aber nur ein, wenn eine Forderung besteht und auch werthaltig ist. Hier stand dem Zeugen Se. jedoch kein Anspruch auf Zahlung gegen den Angeklagten B. zu.
8
c) Die insoweit getroffenen Feststellungen ergeben allerdings, dass sich die Angeklagten der gemeinschaftlich begangenen Nötigung, §§ 240, 25 Abs. 2 StGB, schuldig gemacht haben. Entsprechend dem vom Angeklagten B. entwickelten Tatplan hat auch der Angeklagte S. daran mitgewirkt, den Zeugen Se. durch Drohung mit einem empfindlichen Übel dazu zu veranlassen , sich mit dem Besitzverlust endgültig abzufinden. Dieser Tatbestand steht in Tatmehrheit mit dem Betrug bzw. der Beihilfe zum Betrug (vgl. Eser aaO § 253 Rdn. 37) sowie zu dem vom Angeklagten B. begangenen Fahren ohne Fahrerlaubnis.
9
3. Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich die Angeklagten gegen die geänderten Schuldvorwürfe anders als geschehen hätten verteidigen können, zumal in der Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung der Nötigungsvorwurf mit enthalten ist. Die Änderung der Schuldsprüche zieht die Aufhebung der Einzelstrafen sowie der Aussprüche über die Gesamtstrafen nach sich. Der Maßregelausspruch bezüglich des Angeklagten B. wird davon nicht betroffen und kann bestehen bleiben.
10
4. Der neu entscheidende Tatrichter wird zu prüfen haben, ob zwischen Anklageerhebung und Urteil eine der Justiz anzulastende Verfahrensverzögerung eingetreten ist, die einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK darstellt und eine Kompensation erfordert, welche im Wege des Vollstreckungsmodells (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 = NJW 2008, 860 f.) vorzunehmen wäre.
Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 194/09
vom
10. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. November 2009 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 14. Oktober 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit er in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe verurteilt worden ist;
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in zwei Fällen und wegen Betruges unter Einbeziehung einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, wobei ein Jahr und sechs Monate als vollstreckt gelten. Die in der einbezogenen Vorverurteilung ausgesprochene Nebenfolge wurde aufrechterhalten. Das Verfahren hinsichtlich des Falles 257 der Anklage wurde eingestellt und der Angeklagte im Übrigen freigesprochen.
2
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg, so dass es auf die von der Revision hinsichtlich der Fälle II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe erhobenen Verfahrensrügen nicht ankommt. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

A.


3
Die Schuldsprüche wegen Untreue in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe haben keinen Bestand, da das Landgericht insoweit den Schaden nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat.

I.


4
Das Landgericht hat zu diesen Taten Folgendes festgestellt:
5
1. Der Zeuge J. beabsichtigte, ein aus dem neunzehnten Jahrhundert stammendes Gebäudeensemble im H. , bekannt unter der Bezeichnung "Weiße Stadt am Meer", in Anknüpfung an dessen glanzvolle Historie zu einem exklusiven Ferienobjekt zu entwickeln. Zu diesem Zweck gründete er am 4. Juni 1996 die E. E. s-C. H. GmbH (fortan E. ), deren Gesellschafter und Geschäftsführer er war. Der Angeklagte, der bereits seit Anfang 1996 in die Akquisition der Grundstücksflächen in H. eingebunden war und im besonderen Maße das Vertrauen des Zeugen J. besaß, war neben dem Zeugen D. vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 1997 weiterer Geschäftsführer der E.
und in der Folgezeit Generalbevollmächtigter der Gesellschaft. Der Zeuge J. legte besonderen Wert darauf, dass das international renommierte Büro des New Yorker Architekten S. die architektonische Gestaltung des 26 Einzelgebäude umfassenden Komplexes in A. -H. übernahm. Dieser Wunsch des Zeugen J. war dem Angeklagten bekannt. Er wusste ferner, dass J. die Anweisung erteilt hatte, alle Planungsleistungen direkt durch die E. zu vergeben und die Auswahl und Kontrolle nicht einem Generalunternehmer , z. B. einem Architekten, im Wege eines Generalplanervertrages zu überlassen. Dem Angeklagten gelang es jedoch unter Ausnutzung der ihm vom Zeugen J. zugestandenen Entscheidungsfreiheit gemeinsam mit dem Seniorpartner des Architektenbüros K. aus D. , dem gesondert verfolgten Ka. , die planerische Rekonstruktion der historischen Gebäude in H. fast ausschließlich von dem Architektenbüro K. durchführen zu lassen, obwohl der Zeuge J. , was der Angeklagte ebenfalls wusste, allenfalls bereit war, dieses Büro an dem Projekt als "Korrespondenzarchitekt" zu beteiligen. Spätestens am 17. September 1996 trafen der Angeklagte und der anderweitig verfolgte Ka. außerdem die Vereinbarung, dass der Angeklagte von jedem Auftrag, der im Rahmen des Projektes "Heiligendamm" an K. vergeben werden würde, einen Anteil von 5 % als "Provision" erhalten sollte.
6
2. Am 14. Februar 1997 schlossen die E. , vertreten durch den Angeklagten und den Zeugen D. , und K. , vertreten durch den anderweitig verfolgten Ka. , einen "Vertrag zur Beauftragung von Architektenleistungen für die Gebäude G. … zum Umbau und Erweiterungs-Neubau des H. ". Vertragsgegenstand war die Erbringung der erforderlichen Grundleistungen der Leistungsphasen I bis VII gemäß § 15 HOAI in der damals geltenden Fassung sowie als eigenständige Leistungsphase VIII gemäß § 15 HOAI die künstlerische Oberbauleitung bezogen auf 17 Gebäude in H. zu einem Pauschalfestpreis von 9.125.000 DM zuzüglich Nebenkosten in Höhe von 8 % und Umsatzsteuer. Weiterhin wurde festgelegt, dass die Leistungen der Leistungsphase I gemäß § 15 HOAI als bereits bezahlt angesehen werden. Die zu erbringenden Grundleistungen wurden in dem Vertrag mit insgesamt 73 % des ermittelten Honorars bewertet, wobei auf die Leistungsphasen I bis IV 33 % und auf die Leistungsphase V 34 % des Pauschalhonorars (=100 %) entfielen. In einer ergänzenden Vereinbarung vom 14. März 1997 wurde der Leistungsumfang der zu erbringenden Architektenleistungen unter Mitwirkung des Angeklagten auf der Seite der E. auf insgesamt 97 % der Grundleistungen der Leistungsphasen I bis IX gemäß § 15 HOAI erhöht. Zudem wurden Fachingenieurleistungen, nämlich die Tragwerksplanung bei Gebäuden gemäß §§ 64, 65 HOAI, die Planung der technischen Ausrüstung gemäß §§ 73, 74 HOAI und die Planung der Freianlagen gemäß §§ 15, 16 HOAI, an K. vergeben. Es wurde ein Pauschalfestpreis von 23.954.369 DM zuzüglich 8 % Nebenkosten und Umsatzsteuer, d. h. insgesamt 29.751.326,29 DM brutto, vereinbart. In diesen Vertrag wurden zudem zusätzliche Gebäude des sog. "D. " als Bauabschnitt V aufgenommen, obwohl es dazu bereits im Vertrag vom 14. Februar 1997 eine Vereinbarung mit einem Honorarvolumen von 7.420.000 DM gab. Am 30. Mai bzw. 3. Juni 1997 vereinbarten die E. und K. , erneut unter Mitwirkung des Angeklagten, einen "2. Nachtrag zum Architektenvertrag Nr. 1 und Nr. 4 vom 14.02.1997 zur Beauftragung von Leistungen im Fachbereich Bauphysik zur Genehmigungs- und Ausführungsplanung Grandhotel Rest Altbauten" zu einem Pauschalfestpreis in Höhe von 220.000 DM zuzüglich Nebenkosten und Umsatzsteuer.
7
Auf die Abschlagsrechnungen von K. , die lediglich pauschal gestellt wurden und keine Leistungsnachweise enthielten, ordnete der Angeklagte bis Ende Oktober 1997 die Überweisung von insgesamt 4.734.411,40 DM an K. eigenhändig an und veranlasste durch seine wiederholten und nachdrücklichen Versicherungen gegenüber dem Gesellschafter J. , die von K. in Rechnung gestellten Leistungen seien vollständig erbracht, die Überweisung weiterer Beträge in Höhe von mindestens 3.500.000 DM an K. bis zum 23. Februar 1998 (Fall II. 1.).
8
3. Am 14. März 1997 schlossen die E. , vertreten durch den Angeklagten und den Zeugen D. , und K. , vertreten durch den anderweitig verfolgten Ka. , den "Generalplanervertrag zur Beauftragung von sämtlichen Architekten - und Ingenieurleistungen F. …" zu einem Pauschalfestpreis in Höhe von 1.800.000 DM zuzüglich Nebenkosten und Umsatzsteuer. Für das Projekt "F. " erhielt der Angeklagte von K. bis zum 15. Juni 1998 eine Provisionszahlung in Höhe von 18.027,61 DM netto. Diesen Betrag nahm das Landgericht als Vermögensschaden an. Aus den weiteren Urteilsgründen ergibt sich, dass die Kammer – ausgehend von der Prämisse, dass K. das vollständige Honorar für die Leistungsphasen I bis IV gemäß § 15 HOAI verdient hatte –, für das Projekt "F. " keine sicheren Feststellungen treffen konnte, die eine Überzahlung von K. ergaben (Fall II. 2.).

II.


9
Im Fall II. 1. der Urteilsgründe hat das Landgericht die pflichtwidrige Handlung i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB in den angeordneten bzw. veranlassten Zahlungen gesehen. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Jedoch begegnen die Ausführungen zu dem dem Angeklagten zurechenbaren Vermögensnachteil durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unter Nachteil jede durch die Tathandlung verursachte Vermögenseinbuße zu verstehen. Die Vermögensminderung ist nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung festzustellen, also auf Grund eines Vergleichs des Vermögensstands vor und nach der treuwidrigen Handlung. Ein Nachteil liegt daher nicht vor, wenn und soweit durch die Tathandlung zugleich ein den Verlust aufwiegender Vermögenszuwachs begründet wurde (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 15, 342, 343 f.; BGH NStZ 2004, 205, 206).
11
2. Im Ansatz zutreffend hat das Landgericht zur Ermittlung des Vermögensnachteils im Sinne des Untreuetatbestandes den von dem Angeklagten an K. geleisteten bzw. veranlassten Zahlungen in Höhe von insgesamt 8.234.411,40 DM die von K. erbrachten Leistungen und die dadurch verdienten und abrechenbaren Honorare gegenübergestellt. Ob die Strafkammer insoweit den zutreffenden Berechnungsansatz gewählt hat, wird aus den Urteilsgründen indessen nicht ersichtlich; diese erweisen sich daher als lückenhaft.
12
a) Als Bewertungsgrundlage der als erbracht angesehenen Leistungen hat das Landgericht ausschließlich das am 14. Februar 1997 vertraglich vereinbarte Pauschalhonorar von 9.125.000 DM unter Berücksichtigung der vereinbarten Nebenkostenpauschale, des Sicherheitseinbehalts sowie der Umsatzsteuer herangezogen. Zudem hat es von dem verdienten Honorar hinsichtlich der Leistungsphasen II und III einen Betrag in Höhe von 855.000 DM in Abzug gebracht, da die diesem Betrag korrespondierenden Leistungen von dem Architekturbüro S. erbracht worden seien. Bei der Bestimmung der Höhe des Honorars ist die Kammer der Methode der Einzelbewertung des Sachverständigen nicht gefolgt. Sie hat vielmehr die für den Angeklagten günstigere Wertungsmethode zugrunde gelegt, wonach bei Erteilung von Baugenehmigungen das ge- samte Honorar bis zur Leistungsphase IV gemäß § 15 HOAI verdient sei. Zudem hat sie 50 % der Architektenleistungen zur Ausführungsplanung (Leistungsphase V gemäß § 15 HOAI) als erbracht angesehen. Danach belaufe sich das verdiente Architektenhonorar auf einen Betrag von 4.038.052,50 DM brutto und der konkrete Vermögensschaden der E. angesichts der erfolgten Zahlungen auf 4.196.358,90 DM. Fachingenieurleistungen und den höheren Pauschalfestpreis gemäß Vertrag vom 14. März 1997 hat das Landgericht hingegen nicht berücksichtigt; diese Vereinbarung habe in eklatanter Weise gegen die Anweisung des Zeugen J. verstoßen, einen Generalplanervertrag gerade nicht abzuschließen. Tatsächlich lägen auch keine abrechenbaren Ingenieurleistungen vor. Der Sachverständige habe insoweit keine K. zurechenbaren Leistungen feststellen können, ebenso wenig solche, die den Leistungsbereichen der Generalplanerverträge zugeordnet werden könnten.
13
b) Diese Prüfung zum Umfang des Untreueschadens ist unvollständig, weil sie die zwingende Regelung über die Mindestsätze nach der HOAI außer Betracht lässt.
14
Zwar ist es grundsätzlich zulässig, für alle in der HOAI geregelten Architekten - und/oder Ingenieurleistungen ein Pauschalhonorar zu vereinbaren, mit dem alle vereinbarten Leistungen eines Auftrags – der sich auch auf mehrere Objekte beziehen kann – abgegolten sind und das genaue Honorarabrechnungssystem unterlaufen wird. Unterschreitet allerdings das Pauschalhonorar bei zutreffender Berechnung die Mindestsätze nach der HOAI, ohne dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 HOAI vorliegen, so ist die Pauschalhonorarvereinbarung unwirksam mit der Folge, dass gemäß § 4 Abs. 4 HOAI die Mindestsätze als vereinbart gelten (Vygen in Korbion/Mantscheff/Vygen HOAI 6. Aufl. § 4 Rdn. 49 ff.). Das Honorar richtet sich gemäß § 4 Abs. 1 HOAI nach der schriftlichen Vereinbarung "im Rahmen der durch diese Verordnung festgesetzten Mindest- und Höchstsätze", wobei die schriftliche Honorarvereinbarung bei Auftragserteilung getroffen werden muss (Vygen aaO § 4 Rdn. 37). Nur innerhalb der von der HOAI aufgestellten Grenzen sind die Parteien frei, über das Honorar zu bestimmen (Vygen aaO § 4 Rdn. 2). Ein Verstoß gegen den Mindestpreischarakter der HOAI liegt aber nicht schon dann vor, wenn die Parteien einen der Parameter für die Honorarabrechnung verändert haben. Vielmehr kommt es darauf an, ob die gesamte vertragliche Vereinbarung zu einem Honorar unterhalb des richtigen, nach den Faktoren der HOAI ermittelten Mindestsatzes führt (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2004 – VII ZR 16/03, NJWRR 2005, 669; Koeble in Locher/Koeble/Frik HOAI 9. Aufl. § 4 Rdn. 11, 77 f.). Ob somit ein Verstoß gegen den Mindestpreischarakter vorliegt und der nach der HOAI berechnete Mindestsatz verlangt werden kann, hängt nicht von der Vereinbarung einzelner Faktoren ab, sondern davon, wie sich das Gesamtergebnis nach der Honorarvereinbarung zu dem Gesamtergebnis einer richtigen fiktiven Berechnung nach der HOAI verhält (Koeble aaO § 4 Rdn. 78).
15
Gemessen daran kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, ob das zugrunde gelegte Pauschalhonorar bei einem Gesamtvergleich zu einem niedrigeren Honorar als nach den Mindestsätzen der HOAI geführt hätte. In Bezug auf die Architektenleistungen durfte das Landgericht den im Vertrag vom 14. Februar 1997 vereinbarten Pauschalfestpreis bei der Ermittlung des Schadens nur dann zugrunde legen, wenn dieser nicht den Betrag unterschritt, der sich aus einer insgesamt richtigen fiktiven Berechnung nach den Mindestsätzen der HOAI ergab. Eine solche Gegenüberstellung hat das Landgericht nicht vorgenommen. Die pauschalen Angaben des Zeugen Z. , dass aus seiner kaufmännischen Sicht ein deutlich geringeres Architektenhonorar, auch un- ter Zugrundelegung des Rahmens der HOAI, angemessen gewesen wäre (UA 85), sind insoweit nicht ausreichend.
16
c) Das Landgericht hätte ferner weitere Erwägungen zur Gültigkeit der zugrunde gelegten Pauschalhonorarvereinbarung anstellen müssen.
17
Im Hinblick auf die in § 4 Abs. 1 HOAI vorgeschriebene Gleichzeitigkeit von Abschluss des Architekten- oder Ingenieurvertrages und der schriftlichen Honorarvereinbarung hätte es der Prüfung bedurft, ob und mit welchem Inhalt der Architektenvertrag im Zeitpunkt der Unterzeichnung der schriftlichen Honorarvereinbarung bereits wirksam abgeschlossen war. Denn eine spätere Änderung der Honorarvereinbarung ist – jedenfalls bis zur Beendigung der Architektentätigkeit – nicht zulässig. Erfolgt somit die schriftliche Honorarvereinbarung nicht bei Auftragserteilung, ist sie unwirksam, so dass die Regelung des § 4 Abs. 4 HOAI eingreift und die jeweiligen Mindestsätze als vereinbart gelten (Vygen aaO § 4 Rdn. 24 f.; Koeble aaO § 4 Rdn. 34 ff.). Demgegenüber ist eine spätere – also nach Auftragserteilung erfolgte – Honorarvereinbarung immer dann möglich und damit wirksam, wenn sich nach Auftragserteilung das Leistungsziel in irgendeiner Form nach Art oder Umfang ändert (Vygen aaO § 4 Rdn. 33). Im Vertrag vom 14. Februar 1997 wurde festgelegt, dass die Leistungen der Leistungsphase I als bereits bezahlt anzusehen sind, weshalb schon vor Vertragsabschluss am 14. Februar 1997 ein anderes, möglicherweise mündliches oder durch konkludentes Verhalten zustande gekommenes Vertragsverhältnis bestanden haben könnte. Bei einer Änderung des Leistungsziels wären aber in Bezug auf das Gleichzeitigkeitserfordernis sowohl die Honorarvereinbarung vom 14. Februar 1997 als auch diejenige vom 14. März 1997 rechtswirksam, wobei hinsichtlich des Vertrages vom 14. März 1997 unklar bleibt, wie sich die Pauschale zwischen Architekten- und Ingenieurleistungen aufteilt. Das Landgericht legt seiner Berechnung des abrechenbaren Architektenhonorars das vereinbarte Pauschalhonorar in Höhe von 9.125.000 DM zugrunde und stellt insoweit nicht fest, ob und wenn ja in welcher Höhe sich durch den 1. und/oder 2. Nachtrag des Architektenvertrages vom 14. Februar 1997 der Pauschalfestpreis erhöht hat.
18
Auch ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Kammer bezogen auf die Leistungsphasen I bis IV zwischen den Architekten- und Ingenieurleistungen differenziert, da insgesamt – also auch hinsichtlich der Fachingenieurleistungen – Baugenehmigungen erteilt wurden, wie sich aus der Aussage des Zeugen M. ergibt (UA 83).
19
d) Die Schadensermittlung beruht hier auf dem vom Landgericht gewählten fehlerhaften Berechnungsansatz. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts waren die durch K. für das Projekt H. erbrachten Leistungen für den Auftraggeber E. nicht wertlos.
20
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass bei Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ein Vermögensnachteil zu verneinen ist, in Betracht kommen, wenn eine zwar objektiv gleichwertige Gegenleistung unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse und Verhältnisse des Geschädigten sowie der von ihm verfolgten Zwecke subjektiv wertlos ist, wobei auf den Standpunkt eines objektiven Betrachters abzustellen ist (vgl. nur BGHSt 16, 321, 325 f.). Die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen rechtfertigen eine solche Ausnahme jedoch nicht.
21
bb) Das Landgericht hat gerade nicht festgestellt, dass die Gegenleistung von K. für die E. nicht zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck verwendbar war und sie diese auch nicht in anderer zumutbarer Weise verwenden konnte. Dass entgegen den Vorstellungen des Zeugen J. kein Stararchitekt die Planungsleistungen erbracht hat, sondern die Architekten des Büros K. , bietet für sich genommen keinen Anhalt für die Annahme der Wertlosigkeit der von K. erbrachten Gegenleistung. Zwar ist der gesondert verfolgte Ka. tatsächlich gelernter Maurer und kein Architekt, jedoch lag der wesentliche Teil der Leistungserbringung in der Hand ausgebildeter Architekten. Dies gilt etwa für den Zeugen P. , Diplom-Ingenieur und Architekt, der als Projektleiter für den Bereich "Grandhotel" und "Logierhäuser" zuständig war (UA 86 f.). Auch der gesondert verfolgte Ho. , ebenfalls Diplom-Ingenieur und Architekt, war unter anderem für die technische Bearbeitung zuständig, während sich der Zuständigkeitsbereich des anderweitig verfolgten Ka. lediglich auf die Auftragsbeschaffung und die Vertragsverhandlungen erstreckte (UA 16, 114 f.). Die erbrachten Leistungen der Architekten von K. waren auch keineswegs wertlos , denn auf der Grundlage der von K. eingereichten Bauanträge erhielt E. für die vertragsgegenständlichen Bauvorhaben Baugenehmigungen (UA

37).


III.


22
Auch im Fall II. 2. hätte das Landgericht die Mindestsätze der HOAI berücksichtigen müssen. Bezogen auf das Projekt "F. " hat es die Untreuehandlung in der Vereinbarung einer dem Angeklagten zufließenden Provision gesehen. Ein daraus entstehender Nachteil i.S.d. § 266 StGB für den Geschäftsherrn , hier die E. , kommt aber nur in Betracht, wenn der Zuwendende bereit gewesen wäre, seine Leistung auch zu einem um die Kick-Back-Zahlung reduzierten Entgelt zu erbringen. Der Schaden liegt dann darin, dass der Treupflichtige die konkrete und sichere Möglichkeit eines günstigeren Abschlusses nicht für seinen Geschäftsherrn realisiert hat (vgl. BGHSt 31, 232; Dierlamm in Münchener Kommentar § 266 Rdn. 231 m.w.N.). Zwar hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Provisions- oder Schmiergeldzahlungen in der Regel einen Nachteil im Sinne des § 266 StGB angenommen. Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass jedenfalls mindestens der Betrag, den der Vertragspartner für Schmiergelder aufwendet, auch in Form eines Preisnachlasses dem Geschäftsherrn des Empfängers hätte gewährt werden können (BGHSt 50, 299, 314; BGH, Beschluss vom 11. November 2004 – 5 StR 299/03, jeweils m.w.N.). Dies würde hier aber bereits dann ausscheiden , wenn schon der ausgehandelte Pauschalpreis die Mindestsätze der HOAI unterschritt oder deren Mindestsätzen jedenfalls entsprach.

B.


23
Die Verurteilung wegen Betruges im Fall II. 3. der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung stand. Insoweit wird auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 2. Juni 2009 verwiesen.

C.


24
Der Senat bemerkt jedoch ergänzend:
25
Im Vertrag vom 14. Februar 1997 zwischen E. und K. betreffend das Projekt "G. " war unter "§ 9 Ausführung/Ausführungsfristen" vereinbart worden, dass K. als einziger Vertragspartner des Bauherrn sämtliche Verpflichtungen dieses Vertrages als eigene Vertragsleistung schuldet. Es han- delte sich daher im Verhältnis zwischen E. als Bauherr und K. als Auftragnehmer auch hinsichtlich der von dem Architekten S. (als Subunternehmer der K. ) erbrachten planerischen Leistungen um Vertragsleistungen des Büros K. und demzufolge hinsichtlich der 855.000 DM entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts um eine Abschlagszahlung für eine erbrachte Leistung von K. für das Projekt "G. ". Insoweit ist auch die Behandlung der für den Architekten S. gedachten 855.000 DM im Rahmen der Ermittlung des Schadens zu Fall II. 1. der Urteilsgründe (UA 135 f.) fehlerhaft. Der Betrag ist nicht vom verdienten und abrechenbaren Architektenhonorar abzuziehen, da es sich um eine Abschlagszahlung für eine erbrachte Leistung von K. handelte. RiBGH Athing ist infolge Urlaubs gehindert zu unterschreiben. Tepperwien Maatz Tepperwien Franke Mutzbauer
5 StR 254/03

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 27. August 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. August 2003

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 27. Januar 2003 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Voll- streckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die mit der Sachrüge Erfolg hat.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts entwickelte der Angeklagte eine Comic-Reihe, die sogenannten Donky-Figuren. Nachdem die Produktion weiterer Comic-Serien mit den Donky-Figuren wegen finanzieller Schwierigkeiten gefährdet war, initiierte der Angeklagte im Jahr 1996 die Gründung der D M GmbH & Co. Filmproduktion-Beteiligungs KG (D F KG). Der Angeklagte war hieran als Gesellschafter der Komplementär-GmbH beteiligt. Mit dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, dem früheren Mitangeklagten H , vereinbarte der Angeklagte am 14. Oktober 1997,
daß er für die Vermittlung von Kommanditisten eine Provision in Höhe von zehn Prozent der eingezahlten Beteiligungen erhalten sollte.
Anfang 1998 kam der Angeklagte in Kontakt mit dem Investor C , der zugleich die D C AG vertrat. C selbst und die D C AG zahlten im März 1998 insgesamt drei Millionen DM ein. Am 8. April 1998 unterzeichnete der Angeklagte einen Überweisungsauftrag über 300.000 DM vom Firmenkonto der D F KG auf sein Privatkonto, wobei er als Verwendungszweck „Provision“ angab. Zu Verfügungen über das Konto der D F KG war der Angeklagte nur berechtigt im Falle unaufschiebbarer Zahlungsverpflichtungen, die bei einer Abwesenheit des Geschäftsführers H erfüllt werden mußten. Die auf dem Konto des Angeklagten gutgeschriebene Überweisung hat das Landgericht als Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB angesehen.

II.


Die Verurteilung wegen Untreue hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die bislang getroffenen Feststellungen des Landgerichts vermögen die Annahme eines Vermögensnachteils im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB nicht zu tragen.
1. Eine Strafbarkeit wegen Untreue setzt gemäß § 266 Abs. 1 StGB die Zufügung eines Nachteils voraus. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unter Nachteil jede durch die Tathandlung verursachte Vermögenseinbuße zu verstehen. Die Vermögensminderung ist nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung – aufgrund eines Vergleichs des Vermögensstands vor und nach der treuwidrigen Handlung – festzustellen. Ein Nachteil liegt deshalb nicht vor, wenn durch die Tathandlung selbst zugleich ein den Verlust aufwiegender Vermögenszuwachs begründet wird (BGHSt 15, 342, 343 f.; BGH NJW 1975, 1234, 1235; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 14). Ein entsprechender Vorteil, der einen Nachteil entfallen lassen kann, tritt bei-
spielsweise ein, soweit das betreute Vermögen von einer Verbindlichkeit in gleicher Höhe befreit wird. Dies gilt selbst dann, wenn die Verbindlichkeit schwer zu beweisen wäre (BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 46).
2. Das Landgericht hätte deshalb prüfen müssen, ob ein Nachteil hier etwa deshalb ausgeschlossen war, weil dem durch die Überweisung bewirkten Vermögensabfluß ein in selber Höhe eingetretener Vorteil gegenüberstand. Hier könnte die D F KG einen Vorteil deshalb erlangt haben , weil eine gegenüber dem Angeklagten bestehende Provisionsverpflichtung erloschen ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat sich der Angeklagte nämlich mit Vereinbarung vom 14. Oktober 1997 einen Provisionsanspruch von der D F KG einräumen lassen, der mit dem Eingang der eingeworbenen Beteiligungsgelder auf dem Geschäftskonto des Unternehmens entstanden und im Zweifel (§ 271 Abs. 1 BGB) damit auch sofort fällig geworden ist. Mit der Überweisung wäre deshalb eine fällige Forderung des Angeklagten erfüllt worden.
Ein Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB kann deshalb nur dann eingetreten sein, wenn entweder die Provisionsabrede von vornherein unwirksam war oder jedenfalls für die Akquisition der Einlagen von C und der D C AG aufgehoben bzw. wenigstens ausgesetzt wurde. Hierfür bestanden vorliegend Anhaltspunkte, weil nach den Urteilsgründen der Angeklagte selbst sich zunächst gegenüber dem Geschäftsführer H auf einen ihm vom Zeugen He abgetretenen Provisionsanspruch bezog. Dies tat er, obwohl er mit dem Geschäftsführer H die Provisionsvereinbarung getroffen hatte. Auch wenn der Angeklagte sich später ausdrücklich auf die Provisionsvereinbarung berufen hat, kann aus diesem Verhalten möglicherweise ein Indiz dafür hergeleitet werden, daß die Provisionsabrede keinen ausreichenden rechtlichen Grund für die eigenmächtige Überweisung dargestellt und der Angeklagte dies auch erkannt hat. Damit hätte sich das Landgericht ausdrücklich auseinandersetzen müssen. Das Revisionsgericht ist nicht in der Lage, ohne eine derartige Erörterung die
Voraussetzungen für einen Vermögensnachteil in eigener Wertung dem Gesamtzusammenhang des Urteils zu entnehmen.
3. Der neue Tatrichter wird bei der Prüfung, ob ein Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB gegeben ist, folgendes zu beachten haben:

a) Soweit die Provisionsvereinbarung nicht etwa sogar nachträglich fingiert wurde, wird zu erörtern sein, ob sie wirksam zustande gekommen ist. Insbesondere wenn entsprechende Beteiligungen bereits konkret absehbar waren, ein besonderer Akquisitionsaufwand mithin also nicht mehr erforderlich war, kann eine entsprechende Vereinbarung wegen Kollusion zwischen dem Angeklagten und dem Geschäftsführer H nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam sein. Dies gilt insbesondere im Falle einer gesteigerten wirtschaftlichen Abhängigkeit des Geschäftsführers H vom Angeklagten, sofern eine solche Abhängigkeit dazu mißbraucht wurde, die Anleger zu schädigen (vgl. BGH NJW 1989, 26).

b) Ein Anspruch aus der Vereinbarung kann aber auch im Hinblick auf das gesellschaftsrechtliche Schädigungsverbot ausgeschlossen sein, das verdeckte Gewinnausschüttungen an einzelne Gesellschafter verbietet (BGHZ 65, 15, 18 ff.). Eine solche Ausschüttung ist gegeben, wenn ein Gesellschafter die Geschäftsführung veranlaßt, an ihn vermögenswerte Sondervorteile auszureichen, denen keine adäquate Leistung gegenübersteht. Ob im Einzelfall ein normales Austauschgeschäft oder eine verdeckte Ausschüttung von Gesellschaftsvermögen gegeben ist, richtet sich danach, ob ein gewissenhaft handelnder Geschäftsführer das Geschäft unter sonst gleichen Bedingungen auch mit einem Nichtgesellschafter abgeschlossen hätte, ob die Leistung also durch betriebliche Gründe gerechtfertigt war (BGH GmbHR 1996, 111, 112; BGH LM Nr. 3 zu § 30 GmbHG). Im vorliegenden Fall wird anhand der üblichen Provisionsregelung für vergleichbare Einlagegeschäfte deshalb festzustellen sein, ob und ggf. inwieweit sich der vereinbarte Provisionssatz von zehn Prozent im Rahmen des Marktüblichen be-
wegte. Dabei ist hier aber auch zu berücksichtigen, daß der Angeklagte dem Zeugen He eine Beteiligung an dem Unternehmen eingeräumt hat, das mit dem Merchandising der Donky-Figuren befaßt ist. Der insoweit vom Angeklagten aufgewandte Vermögenswert schmälert seinen Gewinn aus dem Provisionsgeschäft und ist deshalb in Abzug zu bringen.

c) Selbst wenn die vereinbarte Provision an sich geschuldet sein sollte, ist weiter zu prüfen, ob für die Anlage des Zeugen C sowie der D C AG der Provisionsanspruch nicht durch einen Verzicht (§ 397 Abs. 1 BGB) erloschen ist. Zwar sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an die Annahme eines konkludent erklärten Verzichts grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (BGH NJW 1996, 588; 1994, 379, 380). Hier könnte jedoch für einen Verzicht sprechen, daß das Geld möglichst ungeschmälert der Filmproduktion zugute kommen sollte. Hätte deshalb der Angeklagte unter Einbeziehung des Geschäftsführers eine konkrete Verwendung der Gelder – auch betragsmäßig – den Investoren zugesagt , dann könnte möglicherweise darin aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände zugleich ein Verzicht zugunsten der Gesellschaft gesehen werden.

d) Ließe sich ein (endgültiger) Verzicht nicht nachweisen, könnten dennoch hier solche besonderen Umstände gegeben sein, die für den Angeklagten als Gesellschafter die Pflicht begründet hätten, seinen Anspruch vorübergehend nicht geltend zu machen. Eine nur in besonderen Ausnahmefällen anzunehmende entsprechende Aussetzung der Fälligstellung des An-
spruchs setzt freilich voraus, daß anderenfalls eine bedrohliche Liquiditätskrise entstünde und ein erhebliches Zuwarten im Blick auf die Verhältnisse des Gesellschafters und der Gesellschaft zumutbar wäre (Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 13 Rdn. 47 m.w.N.).
Basdorf Häger Raum Brause Schaal
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
________________________
Der Tatbestand der Vorteilsannahme (hier in der Fassung vor der Änderung durch
das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997) unterliegt einer Einschränkung
des Anwendungsbereichs für diejenigen Fälle, in denen es die hochschulrechtlich
verankerte Dienstaufgabe des Amtsträgers ist, sog. Drittmittel für Lehre
und Forschung – und damit zugleich auch Vorteile im Sinne des Tatbestandes –
einzuwerben. Dem Schutzgut des § 331 Abs. 1 StGB (Vertrauen in die Sachgerechtigkeit
und „Nicht-Käuflichkeit“ der Entscheidung) wird auf diesem Felde schon dadurch
angemessen Rechnung getragen, daß das im Hochschulrecht vorgeschriebene
Verfahren für die Mitteleinwerbung (Anzeige und Genehmigung) eingehalten
wird.
BGH, Urteil vom 23. Mai 2002 - 1 StR 372/01 - LG Heidelberg

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 372/01
vom
23. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vorteilsannahme
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung am
15. Mai 2002 in der Sitzung vom 23.Mai 2002, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte in Person,
Rechtsanwalt und Rechtsanwältin
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I.1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft , soweit diese zu Gunsten des Angeklagten wirkt, wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 28. März 2001 aufgehoben
a) im Falle II. 6. a) der Urteilsgründe (Verurteilung wegen Untreue; Überweisungsauftrag vom 28. September 1990); insoweit wird der Angeklagte freigesprochen; die ausscheidbaren Verfahrenskosten und die dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen;
b) in den Fällen II. 6. b), c), d), e) und f) der Urteilsgründe, soweit der Angeklagte wegen tateinheitlich begangener Untreue verurteilt worden ist;
c) im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache, soweit sie noch nicht erledigt ist, zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
II. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil, soweit sie zu Ungunsten des Angeklagten eingelegt ist, wird verworfen. Die dadurch dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in sechs Fällen, davon in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit Vorteilsannahme, zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen von je 1.000 DM verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft beanstandet die Verletzung sachlichen Rechts und erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten auch wegen Bestechlichkeit anstelle derjenigen wegen Vorteilsannahme. Ihr zu Ungunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel ist unbegründet. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung von Verfahrensrecht und von sachlichem Recht; sie hat Erfolg, soweit der Angeklagte auch wegen Untreue verurteilt worden ist und führt deshalb in einem Falle zum Freispruch, im übrigen zum Wegfall der tateinheitlichen Verur-
teilung wegen Untreue sowie zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs.

A.

Der Verurteilung des Angeklagten liegt zugrunde, daß er als Ärztlicher Direktor einer Klinikabteilung von einer Firma für medizintechnische Produkte, die seine Abteilung belieferte, umsatzabhängige Zuwendungen gutgebracht bekam und deren Auszahlung in sechs Teilbeträgen auf das Konto eines auf seine Initiative gegründeten Fördervereins für seine Abteilung veranlaßte. Die Mittel wurden unter Umgehung der Universitätsverwaltung für Zwecke der Wissenschaft und Forschung sowie zur Gerätebeschaffung und -wartung verwandt. Das Landgericht sieht in den Zuwendungen umsatzbezogene Rückvergütungen , die dem Klinikum als Kostenträger zugestanden hätten. Die Zuwendungen an den Angeklagten seien als Gegenleistung für dessen Beschaffungsentscheidungen zu werten, die er jedoch nicht pflichtwidrig getroffen habe.

I.

Der Angeklagte ist ordentlicher Professor an der Universität Heidelberg und Ärztlicher Direktor der Abteilung Herzchirurgie des Universitätsklinikums. Er hat die damit verbundenen Aufgaben in Forschung und Lehre zu erfüllen; im Rahmen seiner Abteilung ist er auch für die Krankenversorgung verantwortlich. Ihm obliegen die Organisation der Dienstpläne, die Entscheidung über den Einsatz der Geräte und Einrichtungen der Herzchirurgie sowie die Bewirtschaftung der zugewiesenen Haushalts- und Betriebsmittel. Zu seinen Dienstaufgaben gehört weiter die Einwerbung sogenannter Drittmittel für die Forschung.
Die Medizintechnikfirma M. GmbH belieferte das Universitätsklinikum Heidelberg mit medizintechnischen Produkten, vor allem Herzklappen, Herzschrittmachern und Defibrillatoren. Innerhalb der Herzchirurgie trug der Angeklagte aufgrund seiner Stellung die Verantwortung für die Auswahl und den Einsatz der dort implantierten Herzklappen und Herzschrittmacher. Deren eigentliche Bestellung sowie der Abschluû entsprechender Rahmenverträge mit den Lieferanten oblag der Materialverwaltung der Universität, die auf der Grundlage der Vorgaben der medizinischen Abteilungen die bestmöglichen Konditionen mit den Lieferanten auszuhandeln hatte. Im Jahr 1988 vereinbarte der Angeklagte mit Mitarbeitern der Firma M. GmbH, daû diese ihm in der Folgezeit "Boni" in Höhe von fünf Prozent auf den getätigten Umsatz gewähre und auf einem bei dem Unternehmen geführten "Bonus-Konto" gutbringe. Die aufgelaufenen "Boni" sollten ihm sodann zur Verfügung stehen. Durch die Annahme dieser Zuwendungen wollte sich der Angeklagte nicht selbst bereichern. Er war allein darauf bedacht, für seine Forschungsvorhaben eine zusätzliche Geldquelle zu erschlieûen. Da er Effizienz und Umfang der Förderung dieser Vorhaben aufgrund seiner bisherigen Erfahrung mit der Verwendung seines offiziellen Forschungsbudgets und des bei der Universitätsverwaltung für ihn geführten Drittmittelkontos gefährdet sah, falls die Zuwendungen an die Universitätsverwaltung gelangt wären, gründete er einen Verein "Freunde und Förderer der Herzchirurgie Heidelberg" , dessen erster Vorsitzender er war und dem ganz überwiegend Mitarbeiter von ihm angehörten. In der Zeit zwischen September 1990 und August 1992 veranlaûte er aufgrund der mit der Firma M. GmbH getroffenen Vereinbarung insgesamt sechs Zahlungen dieser Medizintechnikfirma - die von dem dort geführten "Bonus-Konto" erfolgten - in Höhe von insgesamt ca. 162.000 DM zugunsten dieses Vereines. Entsprechend dem Vereinszweck wurden mit
dessen Mitteln - von denen die durch die Firma M. gezahlten Zuwendungen sich im Zeitraum von Juni 1990 bis August 1992 auf etwa 43 Prozent beliefen - Mitarbeitern der Herzchirurgie Auslagen für Kongreûreisen ersetzt, die Beschaffung und Wartung von büro- und medizintechnischen Geräten finanziert , Probanden in verschiedenen Studien bezahlt sowie Aushilfslöhne für geringfügig Beschäftige finanziert, die in unterschiedlichen Forschungsprojekten tätig waren. Im einzelnen kam es zu folgenden Zahlungen: - am 28. September 1990 wurden bis dahin aufgelaufene "Boni" in Höhe von ca. 70.000 DM an den Förderverein überwiesen, - am 16. Mai 1991 ca. 30.000 DM, - am 4. Juli 1991 folgte eine Überweisung in Höhe von etwa 2.900 DM, - am 11. Mai 1992 eine Überweisung in Höhe von ca. 48.000 DM, - am 13. Juli 1992 eine solche in Höhe von 4.700 DM und - am 19. August 1992 eine Überweisung von etwa 6.000 DM.
Zum Teil erhielt die Firma M. GmbH Spendenquittungen. Der Angeklagte bedankte sich für die Unterstützung seiner Forschungsvorhaben. Neben diesen der Aburteilung zugrundeliegenden Zahlungen beglich die FirmaM. vor dem in Rede stehenden Zeitraum Rechnungen für die Beschaffung medizinischen Geräts für die Abteilung des Angeklagten in Höhe von etwa 44.000 DM sowie für die Beschaffung einer EDV-Anlage für die Herzchirurgie in Höhe von ca. 53.000 DM. Zudem übermittelte sie zum Jubiläum der Herzchirurgie einen Scheck in Höhe von 5.000 DM. Nach dem Tatzeitraum kam es zu weiteren Zuwendungen der Firma M. an die Herzchirurgie Hei-
delberg, allerdings bei geänderter Förderpraxis. Die Firma übernahm Rechnungen für medizinische Geräte: im Januar 1993 für die Anschaffung einer EDV-Anlage im Wert von 75.000 DM; im Oktober 1993 für die Beschaffung eines Fluoreszenzphotometers in Höhe von ca. 48.000 DM, im November 1993 für die Beschaffung eines Zellseperators im Wert von etwa 10.000 DM, und in der zweiten Jahreshälfte 1993 stellte die Firma M. für die Reparatur eines Elektronenmikroskops 48.000 DM bereit. Diese Zahlungen liegen der Aburteilung nicht zugrunde. Insoweit hat die Strafkammer das Verfahren nach § 154 StPO eingestellt. Mit ihren Zuwendungen verfolgte die Firma M. GmbH das Ziel, ihre Umsätze zu steigern und zu sichern. Für die "entscheidungsrelevanten Mitarbeiter" ihrer Kunden wurden deshalb die sogenannten Bonuskonten verwaltet. Die Finanzabteilung der Firma bestand darauf, die Gelder - mochte auch der Begünstigte über die nähere Verwendung bestimmen - der Forschung und in diesem Zusammenhang entweder der Universität selbst oder einer ihr zugehörigen Institution zukommen zu lassen. Die „Bonusgutschrift“ hätte deshalb auch einem Drittmittelkonto des Angeklagten bei der Universität zugeführt werden können. Der Angeklagte entschied sich indessen dafür, den Förderverein zu gründen und die Geldzahlungen der Firma M. über diesen abzuwickeln. Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung u.a. dahin eingelassen , die Umgehung der Universitätsverwaltung sei "ohne Hintergedanken" erfolgt , um die Gelder effizient und unproblematisch einsetzen zu können. Die von ihm praktizierte Form der Kooperation sei üblich gewesen. Die Einwerbung von Drittmitteln sei seitens der Politik nachhaltig gefordert und angesichts der unzureichenden Förderung durch das Land essentiell gewesen. Soweit der
Angeklagte geltend gemacht hat, eine Bonusvereinbarung habe er mit der M. GmbH nicht getroffen gehabt, die Zuwendungen seien als Kostenerstattung für die Cardiomyoplastie-Forschung gedacht gewesen, hat das Landgericht seine Einlassung als widerlegt erachtet.

II.

Das Landgericht hat den Tatbestand der Untreue als erfüllt angesehen. Der Angeklagte habe eine Vermögensbetreuungspflicht für die Universität und seinen Dienstherrn gehabt. Die günstige Bewirtschaftung der Kosten seiner Abteilung sei wesentlicher Teil seines Pflichtenkreises. Der Universität sei ein Vermögensnachteil entstanden, weil er eine kostengünstigere Beschaffung durch die Vereinnahmung der Zuwendungen für den Förderverein vereitelt habe. Bei den Boni handele es sich um umsatzbezogene Rückvergütungen, die dem Klinikum als Kostenträger zugestanden hätten. Der Angeklagte habe zudem die Mittel der Verfügungs- und Entscheidungsmöglichkeit der Universitätsverwaltung entzogen und irreparabel in die Haushaltshoheit der Universität eingegriffen. Überdies sei der Tatbestand der Vorteilsannahme in seiner bis zum 19. August 1997 geltenden Fassung gegeben. Daû die Zuwendungen an den Förderverein erfolgt seien, sei unerheblich. Sie seien jedenfalls wirtschaftlich auch dem Angeklagten zugute gekommen und hätten für ihn selbst eine Besserstellung zur Folge gehabt. Dabei stellt das Landgericht auch auf die Rechtsprechung ab, derzufolge bei kleinen Vereinen als Zuwendungsempfängern sich solche Leistungen auch auf das einzelne Mitglied auswirken und deshalb ein eigenes, persönliches Interesse des Mitgliedes daran bestehe (Bezugnahme auf BGHSt 33, 336, 340; 35, 128, 135). Überdies habe der Angeklagte den
Förderverein gerade deshalb gegründet, um unabhängig von den Vorgaben des Drittmittelrechts über die Gelder verfügen zu können. Eine teleologische Einengung des Vorteilsbegriffs im Blick auf die grundrechtlich in Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GG verbürgte Forschungsfreiheit und wegen der hier erfolgten Verwendung der Zahlungen zur Finanzierung der Forschung komme nicht in Betracht. Diesen Belangen könne durch das geltende Drittmittelrecht bereits ausreichend Rechnung getragen werden. Die Zuwendungen seien auch für die Diensthandlungen des Angeklagten erfolgt, nämlich für seine Mitwirkung bei der Auswahl der zu beziehenden medizintechnischen Produkte. Durch die prozentuale Verknüpfung mit dem Umsatz sei zugleich eine hinreichende Konkretisierung zwischen Vorteil und Diensthandlung gegeben. Eine Verurteilung des Angeklagten wegen Bestechlichkeit hat die Strafkammer indessen abgelehnt. Sie vermochte nicht festzustellen, daû der Angeklagte sich hinsichtlich der Auswahl der in seiner Abteilung verwendeten medizintechnischen Implantate gegenüber der Firma M. GmbH bereit gezeigt hätte, sich durch die Zuwendungen beeinflussen zu lassen. Daû der Angeklagte bei der Behandlung der Zuwendungen eine Untreue begangen habe, sei für die vom Tatbestand der Bestechlichkeit geforderte Pflichtwidrigkeit auûer Betracht zu lassen. Die hier erforderliche Pflichtwidrigkeit müsse sich gerade auf diejenige Dienstpflicht beziehen, für die die Zuwendung erbracht worden sei. Die Strafkammer ist weiter davon ausgegangen, daû die bei der ersten vom Angeklagten veranlaûten Zahlung tateinheitlich mit der Untreue verwirklichte Vorteilsannahme der absoluten Verjährung unterfällt. Deshalb hat sie lediglich bei den folgenden Zahlungen den Angeklagten jeweils wegen Untreue in Tateinheit mit Vorteilsannahme für schuldig erachtet.

B.

Zur Revision des Angeklagten: Die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die im Urteil getroffenen Feststellungen ergeben, daû der Angeklagte keine ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB verletzt hat. Das Landgericht hat Inhalt und Reichweite der Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten unzutreffend bestimmt und in diesem Zusammenhang die Zuwendungen rechtlich fehlerhaft eingeordnet; diese erweisen sich nicht als Rückvergütungen auf Kaufpreise, sondern standen nach dem rechtserheblichen Wollen der an der zugrundeliegenden Absprache Beteiligten dem Angeklagten zu. Schon dies führt zur Aufhebung sowohl des Schuldspruchs als auch des Strafausspruchs und zum Freispruch des Angeklagten im Falle II. 6. a) der Urteilsgründe. Darüber hinaus leiden die Ausführungen des Landgerichts zum Vermögensnachteil und zur subjektiven Tatseite der Untreue ± auch auf der Grundlage der Annahme einer Treupflichtverletzung ± unter Erörterungsmängeln, die ebenso die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Untreue geboten hätten. Die Würdigung des Verhaltens des Angeklagten als Vorteilsannahme begegnet hingegen im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Jedoch ist der für die Strafzumessung erhebliche Schuldumfang insoweit aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht hinreichend sicher bestimmbar.

I.

Der Schuldspruch wegen Untreue (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) kann keinen Bestand haben. 1. Aus den Urteilsgründen ergibt sich, daû der Angeklagte eine Vermögensbetreuungspflicht nicht verletzt hat. Die Strafkammer geht zwar zutreffend davon aus, daû dem Angeklagten als ordentlichem Hochschulprofessor und Ärztlichem Direktor einer Abteilung des Universitätsklinikums an sich eine solche Vermögensbetreuungspflicht oblag. Bei genauer Bestimmung des damit verbundenen Pflichtenkreises und richtiger Einordnung des Rechtscharakters der Zuwendungen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zeigt sich aber, daû gerade die in Rede stehenden Verfügungen des Angeklagten nicht seiner Treuepflicht im Sinne des Tatbestandes unterfielen. Aus den Urteilsgründen ergibt sich ohne weiteres, daû die Zuwendungen nach dem Willen der an der zugrunde liegenden Vereinbarung Beteiligten nicht der Universität, sondern dem Angeklagten zugedacht waren, auch wenn sie mit einer Verwendungsauflage versehen waren. Sie hatten den Charakter einer Provision oder personengebundenen Spende. Die Feststellungen bieten zudem keinen Anhalt dafür, daû der Angeklagte treuwidrig zu Lasten der Universität Einfluû auf die Gestaltung der Preise genommen hätte, namentlich die Vereinbarung überhöhter Preise bewirkt oder die Möglichkeit zur Erzielung günstigerer Preise vereitelt hätte.
a) Der Treubruchtatbestand setzt voraus, daû die verletzte Pflicht innerhalb der vom Treugeber verliehenen Herrschaftsmacht anzusiedeln ist, über das fremde Vermögen zu verfügen und es zu betreuen (Identität der zu betreuenden und der geschädigten Vermögensinteressen; vgl. Schünemann in LK 11. Aufl. § 266 Rdn. 101). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist
anerkannt, daû Beziehungen, die sich insgesamt als Treueverhältnis im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB darstellen, Verpflichtungen enthalten können, deren Einhaltung nicht vom Untreuetatbestand geschützt ist. Maûgebend für die Bestimmung der Vermögensbetreuungspflicht sind Inhalt und Umfang der sog. Treuabrede, wie sie sich aus dem zugrunde liegenden rechtlichen Verhältnis, den getroffenen Vereinbarungen und deren Auslegung ergibt. So hat etwa ein im Auûenverhältnis Vertretungsberechtigter ebenso wie ein interner Entscheidungsträger mit bestimmendem Einfluû auf Vergabeentscheidungen und Auftragserteilungen im Rahmen seiner Obliegenheiten selbstverständlich auf günstige Vertragsabschlüsse für den Treugeber hinzuwirken. Hingegen ist die Pflicht, persönliche Provisionen oder gar Schmiergelder an den Geschäftsherren herauszugeben (§ 667 BGB) grundsätzlich keine spezifische Treuepflicht. Sie unterscheidet sich nicht von sonstigen Herausgabe- und Erstattungspflichten (dazu BGH NStZ 1986, 361; wistra 1991, 138; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 19, 35, 40). Anders kann es sich allenfalls dann verhalten, wenn ein Anspruch, auch ein Provisionsanspruch, dem Treugeber selbst zusteht, die Forderung aber treuwidrig vom Treunehmer vereinnahmt wird (BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 40). Entsprechendes gilt nach Auffassung des Senats auch für Beamte (siehe auch OVG Koblenz DVBl 2001, 752; BayVGH ZBR 1992, 29; zu unbefugt von einem Beamten angenommenen Vorteilen vgl. weiter BGHSt 30, 46, 48). Verstöût ein Beamter gegen seine allgemeine beamtenrechtliche Treuepflicht, so begründet das nicht ohne weiteres eine vermögensbezogene Treuwidrigkeit im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB.
b) Eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten im Zusammenhang mit dem Aushandeln und Vereinbaren der Kaufpreise für die medizintechnischen Produkte hat das Landgericht nicht festgestellt. Das begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Nach dem im Urteil mitgeteilten Aufga-
ben- und Pflichtenkreis des Angeklagten hatte dieser als Ärztlicher Direktor die zugewiesenen Haushalts- und Betriebsmittel zu bewirtschaften und damit die sächlichen und personellen Mittel seiner Abteilung zweckentsprechend einzusetzen. Insoweit unterlag er sicher einer Vermögensbetreuungspflicht. Schon hinsichtlich des Abschlusses von Kaufverträgen über die Beschaffung von medizintechnischen Produkten versteht sich die Annahme einer Treupflicht nicht von selbst. Denn dies war Sache der Materialverwaltung der Universität, die auch die Preise auszuhandeln hatte. Soweit der Angeklagte hieran mittelbar beteiligt war, weil er die zu beschaffenden Produkte auswählte, kam ihm allerdings ein bestimmender Einfluû auf die Auftragsvergabe zu. Das rechtfertigt es, ihn auch insoweit für verpflichtet zu erachten, die Vermögensinteressen der Universität wahrzunehmen (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 19). Der Angeklagte hätte also insoweit treuwidrig gehandelt, wenn er mittelbar dazu beigetragen hätte, überhöhte Preise zu akzeptieren, oder wenn er die Materialverwaltung der Universität nicht in den Stand gesetzt hätte, noch günstigere Preise auszuhandeln, obgleich seines Wissens die Firma M. GmbH zu deren Gewährung bereit gewesen wäre. Das war aber nicht der Fall: Die Urteilsgründe ergeben in ihrem Zusammenhang, daû hier gerade keine überhöhten Preise vereinbart wurden, um die in Rede stehenden Zuwendungen zu speisen (sog. kick-back-Fall), und daû die Preise auch ohne die Zuwendungen nicht noch niedriger ausgefallen wären (vgl. dazu BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 19). Das Landgericht ist zwar der Ansicht, der Angeklagte habe eine kostengünstigere Beschaffung durch Vereinnahmung der Zuwendungen für den Förderverein vereitelt. Damit meint es aber, daû sich die Einnahme der Zuwendungen durch die Universität im Ergebnis kostenreduzierend ausgewirkt hätte. Von der Erzielbarkeit günstigerer Preise geht auch die Strafkammer nicht aus. Nach der in der Beweiswürdigung wiedergegebenen, vom Landgericht als
glaubhaft erachteten Aussage des Zeugen S. von der Materialverwaltung der Universität war es diesem nicht möglich gewesen, eine umsatzabhängige Rückvergütung zu erreichen. Ihm war mitgeteilt worden, die der Universität Heidelberg angebotenen Preise seien bereits günstiger als die Listenpreise (UA S. 37, 38). Firmenintern wurden die Zuwendungen bei der M. GmbH dem Budget der jeweiligen Abteilung weiterbelastet, was sich letztlich zu Lasten der Provisionen der Mitarbeiter der Abteilung auswirkte (UA S. 16 oben). Auch das verdeutlicht, daû die Zahlungen nicht zu einer Verteuerung der Produkte führten.
c) Die Vereinnahmung der Zuwendungen durch den Angeklagten für den Förderverein und deren Nichtabführung an die Universität unterfiel nicht der qualifizierten Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten. Diese Zahlungen sollten nicht der Universität selbst als Vertragspartner der Firma M. GmbH zukommen; die Universität sollte insoweit nicht Berechtigte sein. Die Zuwendungen waren vielmehr von der M. GmbH dem Angeklagten persönlich zugedacht, wiewohl mit der generellen Zweckbestimmung, sie "für die Universität oder eine ihr zugehörige Institution" zu verwenden. Es handelt sich der Sache nach um eine Provision für den eigentlichen Entscheidungsträger bei der Vergabe von Aufträgen oder eine personengebundene Spende, nicht aber ± wie das Landgericht meint - um eine Rückerstattung auf den Kaufpreis, die dem Vertragspartner, der Universität zugestanden hätte. Das Landgericht beurteilt die Zahlungen als umsatzbezogene Rückvergütungen , bezeichnet sie als "kostenreduzierenden Faktor", der zu den Erträgen der Universität gehöre. Dabei stützt es sich auf die Umsatzabhängigkeit, aber auch auf die Bezeichnung der gutgebrachten Beträge als "Boni". Das erweist sich als nicht tragfähig. Im Gegenteil: Anerkannten zivilrechtlichen Ausle-
gungsgrundsätzen folgend ergibt sich aus den Urteilsgründen zwingend, daû die Zuwendungen nach dem rechtserheblichen Wollen der an der Absprache insoweit Beteiligten in die Herrschaftsmacht des Angeklagten als Begünstigtem fallen sollten (vgl. zur Auslegung von Willenserklärungen, auch unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens und der Interessenlage der Beteiligten: § 133 BGB; MünchKomm/Mayer-Maly/Busche 4. Aufl. § 133 Rdn. 8, 46, 48, 56). "Zuwendungsempfänger" (UA S. 15) der Zahlungen von sogenannten "Bonuskonten" sollten nach dem Willen der Verantwortlichen der Firma M. GmbH die maûgeblichen, für die Beschaffungsentscheidungen intern verantwortlichen Chefärzte sein. Unter deren Namen wurden die sogenannten "Bonuskonten" bei M. geführt. Diesen sollten die Beträge "als Begünstigten zur Verfügung stehen" (UA S. 15 unten). Mit ihnen - nicht mit der die Vertragsverhandlungen führenden Materialverwaltung der Universität - wurden die entsprechenden Vereinbarungen getroffen (UA S. 15). Dafür, daû der Angeklagte bei der „Bonus“-Vereinbarung sowie bei der Veranlassung und Inempfangnahme der Zuwendungen als Vertreter der Universität und nicht im eigenen Namen handeln wollte, fehlt jeglicher Anhalt. Dazu wäre er im Auûenverhältnis ± wie sich aus der im Urteil beschriebenen Aufgabenverteilung ergibt ± auch nicht berufen gewesen. Zwar kam die Auszahlung der Beträge auf ein privates Konto des Angeklagten nicht in Betracht, weil diese "der Forschung und in diesem Zusammenhang entweder der Universität selbst oder einer der Universität zugehörigen Institution" zukommen sollten. Der "Begünstigte" - also der Angeklagte - sollte aber "über die nähere Verwendung bestimmen" und „über das Geld verfügen“ können (UA S. 22 unten). Schon dies belegt, daû hier keine Rückvergütungsansprüche des Vertragspartners begründet werden sollten, sondern eine Absprache über eine - wenn auch umsatzabhängige und mit einer allgemeinen Verwendungsmaûgabe versehene - Provision oder Spende in
Rede stand, die dem Angeklagten selbst ("Begünstigter") zugedacht war. Dem entspricht, daû es ± wie bereits erwähnt - dem Zeugen S. von der Materialverwaltung der Universität bei seinen Preisverhandlungen mit M. nicht möglich war, eine umsatzabhängige Rückvergütung zu erreichen (UA S. 37). Auch für die rechtliche Einordnung der Zuwendungen ist ± unter den Gesichtspunkten der Interessenlage und des Gesamtverhaltens - nicht ohne Bedeutung, daû diese firmenintern bei der M. GmbH dem Budget der jeweiligen Firmenabteilung weiterbelastet wurden, was sich letztlich zu Lasten der Provisionen der Mitarbeiter der Abteilung auswirkte (UA S. 16 oben). Der Sache nach wurden mithin intern (für die Mitarbeiter) vorgesehene Provisionen gleichsam nach auûen verschoben und als - wenn auch in allgemeiner Weise verwendungsgebundene - Provision an Externe ausgekehrt. All dies belegt, daû der Angeklagte nicht etwa Forderungen seines Dienstherrn treuwidrig vereinnahmt hat; die Zuwendungen hatten den Charakter einer personengebundenen Provision oder Spende und wurden damit nicht von seiner qualifizierten Vermögensbetreuungspflicht erfaût. Das Verhalten des Angeklagten mag insoweit unter dem Gesichtspunkt eines Verstoûes gegen seine dienst- und beamtenrechtlichen Pflichten an anderer Stelle zu würdigen sein (vgl. § 73 Sätze 2 und 3, § 74 Satz 2 LBG BW, jeweils in Verbindung mit § 61 Abs. 1 Satz 1 UG BW); Untreue ist es nicht. 2. Der Schuldspruch wegen Untreue kann dessen ungeachtet auch im Blick auf das Erfordernis eines Vermögensnachteils nicht bestehen bleiben. § 266 Abs. 1 StGB schützt als ein Vermögensdelikt nur das Vermögen des Geschäftsherrn oder Treugebers als ganzes, nicht seine Dispositionsbefugnis. Ob ein Vermögensnachteil eingetreten ist, muû grundsätzlich durch einen Ver-
gleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft werden (BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 39 m.w.Nachw.; vgl. auch Schünemann in LK aaO Rdn. 137 f., 148, 149). Deshalb hätte differenziert erörtert werden müssen, daû der Angeklagte die Zuwendungen in seinem dienstlichen Aufgabenfeld verwandt hat und diese möglicherweise auch der Universität - jedenfalls teilweise - zugute gekommen sind. Eine solche kompensatorische Betrachtung setzt zwar grundsätzlich voraus, daû die ungetreue Verfügung Vermögenseinbuûe und Kompensation zugleich hervorbringt. Eine Ausnahme von diesem Gleichzeitigkeitserfordernis kann indessen dann angebracht sein, wenn - bei wirtschaftlicher Betrachtung - nach einem vernünftigen Gesamtplan mehrere Verfügungen erforderlich sind, um den ausgleichenden Erfolg zu erreichen (vgl. Schünemann in LK aaO Rdn. 137) und eine konkrete, schadensgleiche Gefährdung des zu betreuenden Vermögens ausscheidet. 3. Schlieûlich wird die Würdigung des Landgerichts zur subjektiven Tatseite der Untreue den Anforderungen nicht in jeder Hinsicht gerecht. Wegen der grundsätzlichen Weite des Untreuetatbestandes in der Treubruchalternative sind an die Annahme von Vorsatz nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs strenge Anforderungen zu stellen, wenn nur bedingter Vorsatz in Frage steht und der Täter nicht eigennützig gehandelt hat (vgl. BGH NJW 1975, 1234, 1236; NJW 1983, 461; 1984, 800, 801; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 38; Schünemann in LK aaO Rdn. 151). Der Täter muû sich nicht nur der Pflichtwidrigkeit seines Tuns, sondern auch und gerade des dadurch bewirkten Nachteils für das zu betreuende Vermögen bewuût sein (BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 38 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen ). Die hierzu vom Landgericht angestellten Erwägungen hätten im Blick darauf, daû der Angeklagte sich nicht selbst bereichern wollte, sondern allein
darauf bedacht war, für seine Forschungsvorhaben eine zusätzliche Geldquelle zu erschlieûen (UA S. 19), alle insoweit bedeutsamen Umstände einbeziehen müssen, die sich aus dem Urteil ergeben (vgl. dazu UA S. 9, 17/18, 19, 68/69). Der Senat weist in diesem Zusammenhang nur darauf hin, daû der Stand von Diskussion und Erkenntnis über erlaubte und nicht erlaubte Abwicklungswege im Tatzeitraum ebenso zu bedenken gewesen wäre wie der Beweggrund des Angeklagten, die Effizienz der Förderung zu sichern. Für seine innere Haltung zur Wahrnehmung seiner Aufgaben ist schlieûlich nicht völlig unbedeutend, daû er ein auf seinen Namen eingerichtetes Drittmittelkonto mit Beträgen in namhafter Höhe aus seiner Privatliquidation speiste.

II.

Die Würdigung des Handelns des Angeklagten als Vorteilsannahme (§ 331 Abs. 1 aF) begegnet hingegen im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insbesondere hat das Landgericht die vom Tatbestand vorausgesetzte Beziehung zwischen Vorteil und Diensthandlung zu Recht bejaht. Allerdings muû der Tatbestand (§ 331 Abs. 1 StGB) im Blick auf die hochschulrechtlich verankerte Dienstaufgabe eines Hochschullehrers zur Einwerbung von Drittmitteln einschränkend ausgelegt werden, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Regelt wie hier das Landeshochschulrecht (§ 8 Abs. 2, § 119 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 5 UG BW idF. vom 30. Oktober 1987, GVBl S. 545) und damit eine spezielle gesetzliche Vorschrift die Einwerbung von zweckbestimmten Mitteln durch einen Amtsträger, die sich i.S.d. § 331 Abs. 1 StGB als Vorteil darstellen und bei denen ein Beziehungsverhältnis zu einer Dienst-
handlung besteht, so ist das durch den Straftatbestand geschützte Rechtsgut, das Vertrauen in die Sachgerechtigkeit und ¹Nicht-Käuflichkeitª dienstlichen Handelns, dann nicht in dem vom Gesetzgeber vorausgesetzten Maûe strafrechtlich schutzbedürftig, wenn das in jenem Gesetz vorgesehene Verfahren eingehalten, namentlich die Annahme der Mittel angezeigt und genehmigt wird. Auf diese Weise wird die Durchschaubarkeit (Transparenz) des Vorganges hinreichend sichergestellt, den Kontroll- und Aufsichtsorganen eine Überwachung ermöglicht und so der Notwendigkeit des Schutzes vor dem Anschein der ¹Käuflichkeitª von Entscheidungen des Amtsträgers angemessen Rechnung getragen. Zudem werden Strafrecht und Hochschulrecht so auf der Tatbestandsebene in einen systematischen Einklang gebracht und ein Wertungsbruch vermieden. Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte das hochschulrechtlich vorgeschriebene Verfahren zur Behandlung von Drittmitteln jedoch nicht eingehalten. Deshalb hat seine Verurteilung wegen Vorteilsannahme im Ergebnis Bestand. Der Schuldumfang muû indessen neu festgestellt werden, weil das Landgericht das Ausmaû des tatbestandsmäûigen Vorteils des Angeklagten verkannt hat. Der Strafausspruch unterliegt daher auch aus diesem Grunde der Aufhebung. 1. Das Landgericht hat mit Recht die zur Tatzeit geltende Fassung des Tatbestandes angewandt, die voraussetzt, daû ein Vorteil für den Täter selbst in Rede steht und dieser "als Gegenleistung für eine Diensthandlung" gefordert oder angenommen wird (anders nunmehr § 331 Abs. 1 StGB idF des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption vom 13. August 1997, BGBl I S. 2036, der zufolge Begünstigter auch ein "Dritter" sein kann und der Vorteil "für die Dienstausübung" gefordert, versprochen oder angenommen worden sein muû).
Rechtlich zutreffend hat es den Angeklagten aufgrund seiner Stellung auch als Amtsträger im Sinne des Tatbestandes behandelt. 2. Im Ergebnis hat die Strafkammer überdies die Annahme eines Vorteils durch den Angeklagten rechtsfehlerfrei bejaht. Unter einem Vorteil im Sinne der alten Fassung des Tatbestandes ist jede Leistung zu verstehen, auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert. Dazu muûte die Leistung für den Amtsträger selbst eine solche Besserstellung zur Folge haben, wobei eine immaterielle Verbesserung der Lage genügen kann. Soweit gerade im Blick auf eine berufliche Stellung ein solcher Vorteil immaterieller Art in Betracht zu ziehen ist, muû dieser allerdings einen objektiv meûbaren Inhalt haben und den Amtsträger in irgendeiner Weise tatsächlich besser stellen (vgl. dazu nur BGH NJW 1985, 2654, 2656; BGHSt 31, 264, 279 f.; 35, 128, 133 f.). Ob dazu schon die bloûe "Befriedigung des Ehrgeizes" oder die Erhaltung oder Verbesserung von "Karrierechancen" genügen kann, wie dies vereinzelt vertreten wird (vgl. nur Jescheck in LK 11. Aufl. § 331 Rdn. 9 m.w.Nachw.), kann hier dahingestellt bleiben, weil das Landgericht darauf nicht abgehoben hat und sich solches auch aus den Feststellungen nicht ergibt. Es erscheint dem Senat zudem eher fernliegend. Ansehensmehrung und Steigerung der wissenschaftlichen Reputation des Angeklagten hier als Vorteil im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB begreifen zu wollen, hieûe ihm letztlich anzulasten, daû er seine forschungs- und klinikbezogenen Aufgaben möglichst gut zu erfüllen versuchte; eine solche Betrachtung würde den Bereich der objektiven Meûbarkeit oder Darstellbarkeit eines Vorteils verlassen und ins Unbestimmte abgleiten.
Das Landgericht knüpft bei der Bemessung des Vorteils daran an, daû der Angeklagte als Vorsitzender des Fördervereins maûgeblichen Einfluû auf die weitere Verwendung der Gelder nehmen konnte. Es orientiert sich dabei an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Fällen bestimmungsgemäûer Weitergabe von Vorteilen durch Mitglieder von Personenvereinigungen, in denen ein persönlicher Vorteil auch dann gegeben sein kann, wenn er dem Begünstigten nur mittelbar zugute kommt. Wann diese Voraussetzung bei Mitgliedern einer Personenvereinigung im Hinblick auf Zuwendungen an diese vorliegt, ist nach der zitierten Rechtsprechung eine Frage des Einzelfalles, zu deren Beurteilung insbesondere das persönliche Interesse des jeweiligen Mitgliedes an dem der Vereinigung gewährten Vorteil von Bedeutung sein kann (BGHSt 33, 336, 340; 35, 128, 135). Diese Rechtsprechung betrifft politische Parteien und Sportvereine. Sie ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht ohne weiteres übertragbar. Der Förderverein hat hier nicht als solcher Bedingungen für seine Vereinsmitglieder oder Vereinsverantwortlichen geschaffen, die vermittelt über den Vereinszweck letztlich eine Besserstellung des Angeklagten innerhalb des Vereins bewirkten. Der Verein war lediglich eine Art Durchlaufstation für Geldzuwendungen um - von vornherein geplant - die Arbeits- und Forschungsbedingungen des Angeklagten und die seiner Abteilung zu verbessern. Deshalb läût der Senat offen, ob auf die Erlangung der Verfügungsbefugnis abgestellt werden konnte. Er hebt auf den dem Angeklagten selbst mittelbar zugute gekommenen Vorteil, auf die letztlich bewirkte Verbesserung seiner Arbeits- und Forschungsbedingungen ab. Denn nur das kann unter den besonderen Umständen des Falles für die Bemessung des Unrechtsgehalts und die Strafzumessung bestimmend sein. Hinsichtlich dieses Vorteils hat das Landgericht indessen nur ganz allgemeine Feststellungen getroffen. Nutzte der Angeklagte die Mittel, um Ausla-
gen für Kongreûreisen von Mitarbeitern der Herzchirurgie zu ersetzen, büround medizintechnische Geräte zu beschaffen und warten zu lassen, Probanden in verschiedenen Studien zu bezahlen sowie Aushilfslöhne für geringfügig Beschäftigte zu finanzieren, die in unterschiedlichen Forschungsprojekten tätig waren, so ergibt sich, daû jedenfalls "dem Grunde nach" eine objektiv meûbare Verbesserung seiner persönlichen Wirkungsmöglichkeiten eintrat. Daû darin ein Vorteil im Sinne des Tatbestandes liegt, hat auch die Revision in der Hauptverhandlung nicht mehr in Abrede gestellt. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen läût sich allerdings das Maû der mittelbaren Vorteile, die dem Angeklagten selbst zugute kamen, nicht genauer bestimmen und auch nicht mit den unmittelbaren Vorteilen anderer abgleichen, die mit dem Mitteleinsatz verbunden waren. Dessen bedarf es aber, um den Schuldumfang genügend zu umgrenzen und auf dieser Grundlage gegebenenfalls eine Strafe für die im Kern ersichtlich ganz überwiegend fremdnützige Vorteilsannahme tragfähig zumessen zu können. Die Sache muû deshalb auch aus diesem Grunde neu verhandelt und entschieden werden. 3. Das vom Tatbestand vorausgesetzte, auch als Unrechtsvereinbarung charakterisierte Beziehungsverhältnis zwischen Vorteil und Diensthandlung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei dargetan. Die hochschulrechtlich verankerte Dienstaufgabe des Angeklagten, zur Förderung von Forschung und Lehre Drittmittel einzuwerben, gebietet auf diesem Felde allerdings eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der Strafvorschrift. Nur so lassen sich auf der Tatbestandsebene die in Rede stehenden gesetzlichen Regelungen in einen systematischen Einklang bringen. Voraussetzung für eine solche Einschränkung des Tatbestandes der Vorteilsannahme ist aber, daû es sich bei den einzuwerbenden Drittmitteln nicht nur der Sache nach um Fördermittel für For-
schung und Lehre handelt, sondern daû diese auch dem im Drittmittelrecht vorgeschriebenen Verfahren unterworfen werden (Anzeige und Genehmigung). Das war hier nicht geschehen.
a) Wesentlich für die Annahme eines Beziehungsverhältnisses ist nach der zur Tatzeit geltenden engeren Fassung des Tatbestandes die - ausdrücklich oder konkludent getroffene - Vereinbarung, in der Amtsträger und Vorteilsgeber sich über die Gewährung eines Vorteils an den Empfänger als Gegenleistung für eine von ihm vorzunehmende oder vorgenommene Diensthandlung einig werden. Dabei dürfen die Anforderungen an die Bestimmtheit der zu entgeltenden Diensthandlung nicht überspannt werden. Es reicht aus, wenn Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer sich bei der Gewährung und Annahme des Vorteils für ein künftiges dienstliches Verhalten über die Art der vergüteten Dienste einig sind, auch wenn sie keine genauen Vorstellungen davon haben, wann, bei welcher Gelegenheit und in welcher Weise der Amtsträger die Vereinbarung einlösen will. Die einvernehmlich ins Auge gefaûten Diensthandlungen brauchen daher ihrem sachlichen Gehalt nach nur in groben Umrissen erkennbar und festgelegt zu sein. Einem Schuldspruch wegen Vorteilsannahme nach der alten Fassung des Tatbestandes wird indessen der Boden entzogen, wenn Zuwendungen an den Amtsträger, denen keine konkrete Unrechtsvereinbarung (Gegenleistung für eine bestimmte Diensthandlung) zugrunde liegt, nur mit Rücksicht auf die Dienststellung des Empfängers, aus Anlaû oder bei Gelegenheit einer Amtshandlung oder lediglich deshalb erfolgten, um das allgemeine Wohlwollen des Amtsträgers zu erlangen (vgl. nur BGHSt 32, 290, 291; BGH NStZ 1984, 24; 1994, 277, BGH, Beschl. v. 28. April 1994 - 1 StR 173/94). Liegt es aber so wie eingangs dargelegt, besteht das vom Tatbestand geforderte Beziehungsverhältnis (sogenannte Unrechtsvereinbarung).
Das hat die Strafkammer hier auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung angenommen.
b) Dieses ¹unrechteª Beziehungsverhältnis entfällt nicht schon deshalb, weil die als Gegenleistung gewährten Vorteile für Wissenschaft und Forschung verwendet werden. Eine solche Betrachtung, die der Revision vorschwebt und die für das Feld der Wissenschaft und Forschung zu einem einschränkenden Verständnis des Tatbestandes führen soll, hält zwar auch der Senat im Grundsatz für geboten. Es gilt, Wertungsbrüche zu vermeiden, die sonst durch die hochschulrechtlichen Regelungen ausgelöst werden können, welche die Annahme von Drittmitteln zur Forschungsfinanzierung vorsehen (vgl. § 25 HRRG, § 59 Abs. 2 UG BW idF vom 30. Oktober 1987, GVBl S. 545) und deren Einwerbung nach den Urteilsfeststellungen auch als Dienstaufgabe des Angeklagten angesehen wurde (UA S. 7). Die aus systematischen Gründen und im Interesse der Einheit der Rechtsordnung deshalb vorzunehmende Einschränkung des Anwendungsbereichs setzt aber nicht nur voraus, daû Fördermittel von Produktlieferanten eingeworben werden, die dem sachlichen Gehalt nach eben Drittmittel sind und der Förderung von Forschung und Lehre dienen. Erforderlich ist weiter im Interesse des Schutzgutes der Strafvorschrift (Vertrauen in die Sachgerechtigkeit der Entscheidungen) die Offenlegung, die Anzeige der Mitteleinwerbung und ihre Genehmigung in dem hochschulrechtlich dafür vorgesehenen Verfahren. aa) Die Notwendigkeit der genannten einschränkenden Auslegung für diesen Bereich ergibt sich aus folgendem: Das baden-württembergische Universitätsgesetz sah und sieht ± wie entsprechende Gesetze anderer Länder auch - vor, daû für die Forschung und die Lehre Zuwendungen Dritter angenommen werden dürfen. Dies setzt indessen die Einhaltung bestimmter Regu-
larien voraus, insbesondere die vorherige Anzeige beim Verwaltungsrat der Universität (vgl. § 8 Abs. 2, § 59 Abs. 2, § 119 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 5 UG BW in der zur Tatzeit geltenden Fassung). Solche Fördermittel Dritter sind, auch wenn sie nicht dem hochschulrechtlichen Verfahren gemäû behandelt werden, der Sache nach auch bei zweckgerechter Verwendung zugleich in der Regel materielle Vorteile. An der Bewertung der Zuwendung als Vorteil und als Gegenleistung im Rahmen des tatbestandlichen Beziehungsverhältnisses im Sinne herkömmlichen Verständnisses vermag sich durch den Einsatz der Mittel für Wissenschaft und Forschung nichts zu ändern. Da dort, wo Produktlieferanten Forschung und Lehre durch Zuwendungen fördern oft die Höhe der Förderung auch von Umfang und Intensität der geschäftlichen Beziehung zum Zuwendungsempfänger abhängt, bis hin zu Umsatzorientierung oder gar zur Umsatzabhängigkeit , kann sich für den Hochschullehrer, der dienstlich zur Einwerbung solcher Mittel angehalten ist, ein Spannungsfeld zum strafbewehrten Verbot der Vorteilsannahme ergeben. Straftatbestand und die hochschulrechtlich verankerte Aufgabe der Drittmitteleinwerbung sind deshalb in einen Einklang zu bringen, der dem Gedanken der Rechtssicherheit und dem Schutzgut der Strafvorschrift angemessen Rechnung trägt. bb) Der Wertungsgleichklang zwischen hochschulrechtlicher Aufgabenstellung und der Strafvorschrift über die Vorteilsannahme ist auf der Tatbestandsebene , nicht auf der Rechtfertigungsebene zu suchen. § 331 Abs. 3 StGB sieht zwar eine Rechtfertigung des Vorteilsnehmers durch die Genehmigung des Vorteilsversprechens oder der Vorteilsannahme vor (zur Bewertung dieser Vorschrift als Rechtfertigungsgrund vgl. nur Jescheck in LK 11. Aufl. § 331 Rdn. 16; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 331 Rdn. 32, jew. m.w.Nachw.). Die Rechtfertigungsbestimmung greift indes dann nicht, wenn die eingeworbenen Mittel gefordert worden sind. Der Senat hält es deshalb für vor-
zugswürdig, bei der Auslegung des vom Tatbestand vorausgesetzten Beziehungsverhältnisses zwischen Vorteil und Diensthandlung zu berücksichtigen, daû dieses Beziehungsverhältnis auch durch eine vom Dienstherrn an sich erwünschte und grundsätzlich genehmigungsfähige Einwerbung von Drittmitteln beeinfluût und mit geprägt wird. Im Vordergrund steht nach Maûgabe der spezifischen gesetzgeberischen Wertung für diesen Bereich dann nicht, daû die Fördermittel ¹als Gegenleistungª für eine Diensthandlung (oder, nach neuem Recht, ¹für die Dienstausübungª) gewährt werden, sondern daû sie zur Förderung von Forschung und Lehre eingeworben, angenommen und eingesetzt werden. cc) Allerdings erfordert dies, daû das für die Einwerbung solcher Drittmittel hochschulrechtlich vorgeschriebene Verfahren eingehalten und nicht umgangen wird. Der Schutz des Rechtsguts, dem der Straftatbestand der Vorteilsannahme zu dienen bestimmt ist, gebietet das Anzeigen und Genehmigenlassen des Vorteils. Das Vertrauen der Allgemeinheit in die "NichtKäuflichkeit" von dienstlichen Handlungen und in die Sachlichkeit der Entscheidungen der Amtsträger, kurz: in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes (vgl. zur Beschreibung des Rechtsguts BGHSt 15, 88, 96 f.; 30, 46, 48; vgl. weiter Jescheck in LK aaO vor § 331 Rdn. 17;Tröndle/Fischer aaO § 331 Rdn. 3 m.w.Nachw.) ist gerade im Bereich der von Amtsträgern ausgeübten medizinischen Forschung und wahrgenommenen klinischen Versorgung in besonderer Weise schutzbedürftig, weil sich - wie der vorliegende Fall verdeutlicht - hier die Verantwortung für Auswahl und Beschaffung medizintechnischer Produkte und von Medikamenten einerseits sowie die Verantwortung für die Einwerbung von Forschungsmitteln Dritter andererseits personell oft nicht trennen lassen wird (sog. Trennungsprinzip). Gerade hier soll auch der Patient, der sich in eine Universitätsklinik oder in eine sonst von einem Amtsträger geleitete Kli-
nik begibt, das Vertrauen haben können, daû die Auswahl eines etwa zu implantierenden medizintechnischen Produkts allein nach medizinischen Kriterien , allenfalls bei gleicher Eignung auch unter weiteren aufgabengerechten Gesichtspunkten erfolgt. Es liegt darüber hinaus auch im Interesse der jeweiligen Verantwortungsträger, ihre Unbefangenheit bei der jeweiligen Entscheidung zu schützen und die abstrakte Gefahr einer unbewuûten Beeinflussung der Auswahlentscheidung durch etwaige hohe, gar direkt umsatzabhängige Gewährung von Forschungsmitteln durch bestimmte Produktlieferanten unter Vernachlässigung medizinischer Gesichtspunkte zu minimieren. Das kann nach Lage der Dinge nur durch ein gröûtmögliches Maû an Durchschaubarkeit (Transparenz) und durch die Gewährleistung von Kontrollmöglichkeiten sichergestellt werden. Eine solche Kontrolle wird durch Dokumentation und institutionalisierte Befassung von Aufsichtsinstanzen, namentlich über Anzeige- und Genehmigungspflicht erreicht. Damit wird einem Interessenkonflikt von vornherein entgegengewirkt. Bei dieser Gesetzesauslegung im Sinne der Einheit der Rechtsordnung wird derjenige Forscher, der Drittmittel einwirbt und damit wie hochschulrechtlich und beamtenrechtlich vorgegeben verfährt, kaum je Gefahr laufen, in den Verdacht der Vorteilsannahme zu geraten. Verläûliche Richtschnur werden ihm auch in einem nicht-juristischen Sinne die allgemeinen Regeln der Lauterkeit und Offenheit bieten. Im übrigen wird es - gerade auch nach der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Bestechungsdelikte im Jahr 1997 - aus fürsorglichen , aber auch aufsichtlichen Erwägungen Sache der Universitätsverwaltungen und der Kultusverwaltungen sein, ihre Drittmittel einwerbenden Hochschullehrer zu beraten und in geeigneten Fällen auch von der Verwaltung der Mittel durch die Universität abzusehen (vgl. § 59 Abs. 2 Satz 4 UG BW).
dd) Das von der Revision vorgeschlagene Verständnis des Beziehungsverhältnisses zwischen Diensthandlung und Vorteil als Gegenleistung für gesetzlich besonders geregelte Bereiche wie die Forschungsförderung, das nicht auf einer Offenlegung in einem bestimmten, dafür eigens vorgesehenen Verfahren besteht, hätte demgegenüber im Blick auf die in Rede stehenden Rechtsgüter nicht hinnehmbare Nachteile. Es brächte erhebliche Unsicherheiten für die Beteiligten mit sich. Zudem würde es tendenziell die Entwicklung einer Art Drittelmittel-Schattenwirtschaft fördern, weil die Einwerbung und Verwendung solcher Zuwendungen an der Universitätsverwaltung vorbei und ohne Offenlegung dann nicht tatbestandsmäûig im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB wäre. Das liefe - wie der Senat bereits hervorgehoben hat - dem Schutzanliegen des Tatbestandes gerade in dem hier in Rede stehenden besonders schutzwürdigen Bereich zuwider. Es ginge weiter mit einer entsprechenden Einschränkung für den Tatbestand der Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 StGB) einher. Das könnte dazu führen, daû bei nicht angezeigter und genehmigter Einwerbung von Zuwendungen und deren sachlicher Verwendung für Wissenschaft und Forschung selbst eine daran geknüpfte pflichtwidrige Diensthandlung nicht nach § 332 Abs. 1 StGB strafbar wäre. 3. Die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen hat die Strafkammer ersichtlich rechtsfehlerfrei festgestellt. Das gilt auch für den Vorsatz hinsichtlich des Vorteils, bei dem es sich nicht um ein normatives, sondern ein tatsächliches Merkmal handelt. Der wenigstens bedingte Vorsatz ergibt sich noch genügend aus den festgestellten Umständen. Die Umsatzabhängigkeit der Zuwendungen und die Umgehung der Universitätsverwaltung sind insoweit hinreichend tragfähige Beweisanzeichen.

III.

Danach unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung, soweit der Angeklagte wegen Untreue verurteilt worden ist; in einem dieser Fälle (Fall II. 6. a) der Urteilsgründe) ist er freizusprechen. In den verbleibenden fünf Fällen entfällt die Verurteilung wegen Untreue, während der Schuldspruch wegen (bis dahin tateinheitlicher) Vorteilsannahme bestehen bleiben kann. Die Rechtsfolgenfrage bedarf deswegen ebenfalls der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Soweit es danach auf die von der Revision des Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen überhaupt noch ankommen kann, bleiben diese aus den Erwägungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 14. November 2001 (Seite 8 ff.) erfolglos. Der neue Tatrichter wird den mittelbaren Vorteil, der dem Angeklagten selbst zugute kam, genauer zu bestimmen und ihn auch mit den unmittelbaren Vorteilen anderer ± etwa der Universität - abzugleichen haben, die mit dem Mitteleinsatz verbunden waren. Für die Rechtsfolgenentscheidung könnte sich erweisen, daû das verwirklichte Unrecht hier am unteren Rande des überhaupt Strafwürdigen liegt. Im Verbund mit der langen Dauer des Verfahrens und den justitiell zu verantwortenden Verzögerungen (vgl. UA S. 102) wird ein Ahndungsbedürfnis dann möglicherweise nicht mehr bestehen und eine Sachbehandlung nach § 153 StPO in Betracht zu ziehen sein.

C.

Zur Revision der Staatsanwaltschaft: Die Beschwerdeführerin meint, der Angeklagte habe sich neben der Untreue nicht nur der Vorteilsannahme, sondern in den in Rede stehenden fünf Fällen der Bestechlichkeit schuldig gemacht. Sie erstrebt eine Änderung des Schuldspruchs durch das Revisionsgericht und eine Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Das Rechtsmittel ist unbegründet. Die angegriffene Würdigung des Landgerichts ist rechtsfehlerfrei. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, die vom Tatbestand der Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 StGB) geforderte Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung könne sich hier auch aus der Untreue des Angeklagten ergeben, geht am Wortlaut der Strafvorschrift vorbei. Danach können tatbestandsmäûig nur Vorteile sein, die als Gegenleistung "dafür" gefordert, versprochen oder angenommen werden, daû eine (bestimmte) Diensthandlung vorgenommen wird und der Amtsträger "dadurch" seine Dienstpflichten verletzt oder verletzen würde. Diese sprachliche Verknüpfung erhellt, daû sich die Vorteilsannahme wie auch die Pflichtverletzung jeweils auf eine bestimmte Diensthandlung beziehen müssen, die bewirkt werden soll ("Gegenleistung dafür"). Die pflichtwidrige Handlung im Sinne des § 332 StGB kann mithin nicht schon in dem Annehmen , Fordern oder Sichversprechenlassen des Vorteils selbst bestehen. Ebensowenig macht die Annahme oder das Fordern des Vorteils die Handlung, auf die sie sich beziehen, schon zu einer pflichtwidrigen. Deshalb ist jeweils die Feststellung notwendig, daû der Vorteil die Gegenleistung für eine schon an
sich pflichtwidrige Handlung war oder sein sollte (vgl. nur BGHSt 15, 239, 241/242). Nach den Urteilsfeststellungen war allein die Mitwirkung des Angeklagten an den Auswahlentscheidungen für bestimmte medizintechnische Produkte die ins Auge gefaûte Diensthandlung. Das Landgericht hat nicht festzustellen vermocht, daû der Angeklagte sich bereit gezeigt habe, sich durch die Gewährung der Vorteile bei seinen Auswahlentscheidungen beeinflussen zu lassen. Die dafür von der Strafkammer angeführten Umstände sind ohne weiteres tragfähig (UA S. 84/85). Die Beweggründe des Zuwendenden waren in diesem Zusammenhang unerheblich. Da das Landgericht den Tatbestand der Bestechlichkeit insoweit zutreffend ausgelegt und angewandt hat, kommt es nicht mehr darauf an, daû die Beanstandung der Staatsanwaltschaft auch auf dem Boden ihrer Rechtsauffassung ins Leere geht, weil der Angeklagte durch das Annehmen des tatbestandsmäûigen Vorteils eine Vermögensbetreuungspflicht nicht verletzt und den Tatbestand der Untreue nicht erfüllt hat.
Die auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin vorzunehmende Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Rechtsfehler, die den Angeklagten beschweren (vgl. § 301 StPO), führt zu demselben Ergebnis wie die auf das Rechtsmittel des Angeklagten hin veranlaûte (siehe oben unter B.). Schäfer Nack Wahl Schluckebier Kolz

(1) Rückstellungen sind für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden. Ferner sind Rückstellungen zu bilden für

1.
im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von drei Monaten, oder für Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden,
2.
Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden.

(2) Für andere als die in Absatz 1 bezeichneten Zwecke dürfen Rückstellungen nicht gebildet werden. Rückstellungen dürfen nur aufgelöst werden, soweit der Grund hierfür entfallen ist.

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. Dem Angebot auf Abschluss eines Sportwettenvertrages ist
in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen,
dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht
vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert ist (im Anschluss
an BGHSt 29, 165).
2. Zur Schadensfeststellung beim Sportwettenbetrug.
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 15. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 28. November und 15. Dezember 2006, an der teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B. ,
Rechtsanwalt C.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en A. S. ,
Rechtsanwalt H.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en M. S. ,
Rechtsanwalt H. ,
Rechtsanwalt D.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en R. H. ,
Rechtsanwältin Ko.
als Verteidigerin für den Angeklagten D. M. ,
Rechtsanwalt St.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en F. S. ,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 15. Dezember 2006 für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. November 2005 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: A. S. wegen Betruges in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten, M. S. wegen Betruges und wegen Beihilfe zum Betrug in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, R. H. (unter Freisprechung im Übrigen) wegen Beihilfe zum Betrug in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten, D. M. (unter Freisprechung im Übrigen) wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie F. S. wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Soweit Freiheitsstrafen unter zwei Jahren verhängt worden sind, hat das Landgericht deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die mit der Sachrüge und teilweise mit Verfahrensrügen geführten Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Der Angeklagte A. S. , ein jüngerer Bruder der Angeklagten M. und F. S. , beschäftigte sich seit vielen Jahren intensiv mit Sportwetten. Seit 2000 riskierte und gewann er jährlich sechsstellige Beträge. Aufgrund seines großen Insiderwissens im Sportbereich verfügte er vielfach über einen Wissensvorsprung gegenüber den Buchmachern und konnte deshalb erhebliche Gewinne erzielen. Die hohen Wetterfolge führten dazu, dass die in Berlin ortsansässigen Buchmacher seine Wettmöglichkeiten erheblich beschränkten und seinen Einsatz limitierten. Im Jahr 2003 konnte A. S. höhere Einsätze praktisch nur noch bei der von der Deutschen Klassenlotterie Berlin (DKLB) unter dem Namen „Oddset“ betriebenen Sportwette plazieren; die dabei vorgegebenen festen Quoten empfand er als „die schlechtesten Wettquoten in ganz Europa“. Sein Wettverhalten wurde zusätzlich dadurch reglementiert, dass er Kombinationswetten spielen musste. Dabei kann der Wettende nicht mehr auf ein Sportereignis allein wetten, sondern muss das Ergebnis verschiedener Sportereignisse, vornehmlich Fußballspiele, vorhersagen.
4
Bis Frühjahr 2004 hatte A. S. bei Oddset insgesamt Spielverluste in Höhe von 300.000 bis 500.000 Euro erlitten. Zu dieser Zeit entschloss er sich, seine Gewinnchancen durch Einflussnahme auf das Spielgeschehen mittels Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern entscheidend zu erhöhen, um so den bei Oddset verlorenen Betrag zurückzugewinnen. Selbstverständlich hielt er diese Manipulationen vor dem jeweiligen Wettanbieter geheim, schon um von diesem nicht von der Spielteilnahme ausgeschlossen zu werden. In Ausführung seines Plans kam es zu zehn einzelnen Taten, wobei die Wetten jeweils zu festen Gewinnquoten abgeschlossen wurden.
5
Der Angeklagte A. S. gewann dabei, teilweise unter Mithilfe seiner Brüder, die angeklagten Schiedsrichter H. und M. sowie den gesondert verfolgten Fußballspieler K. und andere Fußballspieler gegen Zahlung oder das Versprechen von erheblichen Geldbeträgen (zwischen 3.000 und 50.000 Euro) dazu, dass diese den Ausgang von Fußballspielen durch falsche Schiedsrichterentscheidungen oder unsportliche Spielzurückhaltung manipulieren. In einem Fall half R. H. , seinen Kollegen M. für eine Manipulation zu gewinnen. Betroffen waren Fußballspiele in der Regionalliga, in der Zweiten Bundesliga und im DFB-Pokal. Teilweise gelangen die von A. S. geplanten Manipulationen nicht, teilweise hatten die kombiniert gewetteten Spiele nicht den von ihm erhofften Ausgang. In vier Fällen (Fälle 2, 6, 7 und 11 der Urteilsgründe) gewann A. S. ganz erhebliche Geldbeträge (zwischen 300.000 und 870.000 Euro), in den übrigen Fällen verlor er seine Einsätze. Im Fall 10 der Urteilsgründe setzte auch M. S. Beträge in eigenem Interesse. Nach den Feststellungen des Landgerichts lag der bei den Wettanbietern in allen zehn Fällen insgesamt verursachte Vermögensschaden bei knapp 2 Mio. Euro (Gewinn abzüglich der jeweiligen Einsätze), in Fällen erfolgloser Wetten nahm das Landgericht darüber hinaus eine schadensgleiche Vermögensgefährdung von insgesamt etwa 1 Mio. Euro an.
6
Das Landgericht hat jeweils einen vollendeten Betrug durch A. S. (im Fall 10 auch durch M. S. ) aufgrund einer konkludenten Täuschung der Angestellten der Wettannahmestellen bei Abgabe der Wettscheine angenommen. Aufgrund dieser Täuschung sei das Personal der Wettannahmestellen dem Irrtum erlegen, es läge bei dem jeweils vorgelegten Spielschein nicht der Ablehnungsgrund einer unlauteren Einflussnahme des Wettenden auf ein wettgegenständliches Spiel vor. Der hierdurch bedingte Abschluss des Wettvertrages habe unmittelbar zu einer schadensgleichen Vermögensgefährdung bei dem jeweiligen Wettanbieter in Höhe des möglichen Wettgewinns abzüglich des Einsatzes geführt.

II.


7
Die Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.
8
1. Die Verfahrensrügen, in denen jeweils die Behandlung von Wettbedingungen als Verstoß gegen § 244 Abs. 2, Abs. 3 oder § 261 StPO beanstandet wird, zeigen – unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der jeweiligen Verfahrensbeanstandungen (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) – keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Revisionen sind die Teilnahmebedingungen der DKLB für Oddset-Wetten und die Bedingungen der übrigen Wettanbieter für die rechtliche Lösung des Falls unerheblich:
9
a) Allgemeine Geschäftsbedingungen, die bei Vertragsschluss wirksam einbezogen werden, könnten im vorliegenden Fall allenfalls dann beachtlich sein, wenn sie zum Vorteil manipulierender Wettkunden vom geltenden Recht abweichen würden, also etwa – was überaus fernliegend ist und von den Revisionen auch nicht behauptet wird – ausnahmsweise eine Manipulation des Wettgegenstandes erlauben oder eine diesbezügliche Überprüfung des Wettkunden bzw. der Wetten auf Manipulation ausschließen würden.
10
b) Im Übrigen ergibt sich schon aus dem (allgemein) geltenden Zivilrecht , dass bei einer Wette auf den Ausgang eines zukünftigen Sportereignisses eine vorsätzliche Manipulation des Wettereignisses vertragswidrig ist. Schon hiernach ist selbstverständlich, dass kein Wettanbieter Wetten auf Sportereignisse entgegennehmen muss oder zur Auszahlung des Wettbetrages verpflichtet ist, wenn der Wettende das Wettrisiko durch eine Manipulation des Sportereignisses zu seinen Gunsten erheblich verschiebt. Die Teilnahmebedingungen haben aus diesem Grund auch keinen entscheidenden Einfluss auf die Feststellung des Erklärungsinhalts im Rahmen des Wettvertragsschlusses. Denn dass der Wettanbieter bei einer Manipulation des Sportereignisses nicht an den Wettvertrag gebunden bleibt, ergibt sich schon aus der gravierenden Verletzung vertraglicher Nebenpflichten durch den Wettenden. Ob die Teilnahmebedingungen der DKLB nach den jeweiligen Taten geändert wurden oder nicht, ist entgegen der Auffassung einzelner Revisionen rechtlich unerheblich, weil es allein auf die Umstände zur Tatzeit ankommt.
11
Es ergibt sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hier auch – anders als etwa im Fall der Fehlbuchung (dazu näher BGHSt 39, 392; 46, 196) – kein Ansatzpunkt zum Verständnis der Erklärungen bei Wettabschluss. Bei einer arglistigen Manipulation der Vertragsgrundlage bedarf es keiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen, um eine entsprechende Prüfungspflicht bzw. ein Ablehnungs- oder Anfechtungsrecht des Wettanbieters zu statuieren. Dies ergibt sich bereits aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Anders als einige Revisionen meinen, bestimmen oder begrenzen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch nicht Prüfungsrecht und Prüfungspflicht desjenigen, der den Wettschein für den Wettanbieter entgegennimmt. Für den Erklärungsinhalt und die Überprüfungspflicht wichtig können Allgemeine Geschäftsbedingungen allerdings dann sein, wenn es nicht um die aktive Manipulation des Vertragsgegenstandes, sondern um das Ausnutzen von Fehlern wie etwa bei einer Fehlbuchung geht (vgl. BGHSt 46,

196).


12
Auf Allgemeine Geschäftsbedingungen kommt es vorliegend auch deshalb nicht entscheidend an, weil weder die Feststellungen des Landgerichts noch der Revisionsvortrag eine wirksame Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen belegen (vgl. §§ 305, 305a BGB).
13
c) Dies gilt unabhängig davon, ob es um Wettabschlüsse mit deutschen oder mit ausländischen Wettanbietern über deutsche Sportwettenvermittler geht. In allen diesen Fällen bestimmt sich die Rechtslage nach dem dargestellten deutschen Recht (Art. 28 und Art. 29 EGBGB; vgl. auch Heldrich in Palandt, BGB 66. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 19; Martiny in MünchKomm-BGB 4. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 376).
14
2. Auch die Sachrügen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
15
a) Das Landgericht hat die Taten im Ergebnis zutreffend als zehn Fälle des Betruges zum Nachteil der jeweiligen Wettanbieter angesehen.
16
Der Angeklagte A. S. (im Fall 10 auch M. S. ) hat bei Abgabe der Wettscheine konkludent erklärt, nicht an einer Manipulation des Wettgegenstandes beteiligt zu sein, und hat hierdurch den Mitarbeiter der Annahmestelle getäuscht, so dass dieser irrtumsbedingt die jeweiligen Wettverträge abschloss, wodurch den Wettanbietern täuschungsbedingt ein Schaden entstanden ist.
17
aa) Der 3. Strafsenat hat bereits entschieden, dass ein Wettteilnehmer , der den Gegenstand des Wettvertrages zu seinen Gunsten beeinflusst, einen Betrug begeht, wenn er diesen Umstand bei Abschluss des Wettvertrages verschweigt (BGHSt 29, 165, 167 – „Pferdewetten“): Dem Vertragsangebot könne die stillschweigende Erklärung entnommen werden, der Wetter selbst habe die Geschäftsgrundlage der Wette nicht durch eine rechtswidrige Manipulation verändert; in dem Verschweigen der Manipulation liege eine Täuschung durch schlüssiges Handeln (BGHSt 29, 165, 167 f.). Der Senat sieht entgegen der Bundesanwaltschaft keinen Anlass, von dieser in der Literatur vielfach geteilten Auffassung (vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 263 Rdn. 18; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 263 Rdn. 16e; Hefendehl in MünchKomm-StGB § 263 Rdn. 113; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 263 Rdn. 9; Kindhäuser in NK-StGB 2. Aufl. § 263 Rdn. 133; Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 71; Valerius SpuRt 2005, 90, 92; Weber in Pfister [Hrsg.], Rechtsprobleme der Sportwette [1989] S. 39, 62; a. A. etwa Schlösser NStZ 2005, 423, 425 f.; jeweils m.w.N.) im Ergebnis abzurücken.
18
Gegen die Auffassung, beim Abschluss einer Sportwette erkläre der Wetter zugleich die Nichtmanipulation des sportlichen Ereignisses, wird – im Anschluss an BGHSt 16, 120 („Spätwette“, m. abl. Anm. Bockelmann NJW 1961, 1934) – geltend gemacht, die Annahme einer solchen Erklärung liefe auf eine „willkürliche Konstruktion“ hinaus (vgl. Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung [2001] S. 164 f.; Weber aaO S. 57 f.; Schlösser aaO S. 425 f.; Schild ZfWG 2006, 213, 215 ff.); damit werde zudem in unzulässiger Weise ein lediglich gemäß § 13 StGB strafbares Unterlassen in ein aktives Tun umgedeutet (vgl. Schlösser aaO S. 426; Schild aaO S. 216). Gegen diese auch von der Bundesanwaltschaft erhobenen Einwände spricht folgendes:
19
(1) In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, dass außer durch ausdrückliche Erklärung, namentlich durch bewusst unwahre Behauptungen , eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB auch konkludent erfolgen kann, nämlich durch irreführendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist. Davon ist auszugehen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt (BGHSt 47, 1, 3; vgl. auch Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 12; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 22; jeweils m.w.N.).
20
Der Erklärungswert eines Verhaltens ergibt sich demnach nicht nur aus demjenigen, was ausdrücklich zum Gegenstand der Kommunikation gemacht wird, sondern auch aus den Gesamtumständen der konkreten Situation (vgl. Vogel in Gedächtnisschrift für Rolf Keller [2003] S. 313, 315). Dieser unausgesprochene Kommunikationsinhalt wird wesentlich durch den dem Erklärenden bekannten Empfängerhorizont und damit durch die ersichtlichen Erwartungen der Beteiligten bestimmt (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 12). Derartige tatsächliche Erwartungen werden ganz wesentlich auch durch die Anschauungen der jeweiligen Verkehrskreise und die in der Situation relevanten rechtlichen Normen geprägt (vgl. auch Hefendehl aaO § 263 Rdn. 88; Tiedemann aaO § 263 Rdn. 30). In aller Regel muss der Inhalt konkludenter Kommunikation deshalb auch unter Bezugnahme auf die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmt werden, von denen ersichtlich die Erwartungen der Kommunikationspartner geprägt sind. Bei der Ermittlung des Erklärungswertes eines konkreten Verhaltens sind daher sowohl faktische als auch normative Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 14/15; Vogel aaO S. 316).
21
Entscheidende Kriterien für die Auslegung eines rechtsgeschäftlich bedeutsamen Verhaltens sind neben der konkreten Situation der jeweilige Geschäftstyp und die dabei typische Pflichten- und Risikoverteilung zwischen den Partnern (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 22; Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 14/15). Liegen keine Besonderheiten vor, kann der Tatrichter regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation schließen. Ein derartiger Schluss des Tatrichters von den Gesamtumständen eines Geschehens, die auch von normativen Erwartungen geprägt sind, auf einen bestimmten Kommunikationsinhalt führt nicht zur „Fiktion“ einer Erklärung.
22
Für eine Vielzahl von Fallgruppen hat die Rechtsprechung anhand des jeweiligen Geschäftstyps und der dabei üblichen Pflichten- und Risikoverteilung den jeweils typischen Inhalt konkludenter Kommunikation herausgearbeitet (vgl. näher Tiedemann aaO § 263 Rdn. 31 ff.; Hefendehl aaO § 263 Rdn. 93 ff.; Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 13 ff.; je m.w.N.). Erklärungsinhalt kann danach auch sein, dass etwas nicht geschehen ist (sog. „Negativtatsache“ ), etwa ein Angebot ohne vorherige Preisabsprache zwischen den Bietern zustande kam (vgl. BGHSt 47, 83, 87). Eine konkludente Erklärung derartiger Negativtatsachen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn es um erhebliche vorsätzliche Manipulationen des Vertragsgegenstandes geht, auf den sich das kommunikative Verhalten bezieht (vgl. RGSt 20, 144: Überstreichen schwammbefallener Hausteile; RGSt 59, 299, 305 f.: Überdecken schlechter Ware; RGSt 29, 369, 370; 59, 311, 312; BGH MDR 1969, 497 f.: Verfälschen von Lebensmitteln; BGHSt 8, 289: Zurückbehalten des Hauptgewinnloses einer Lotterie; BGH NJW 1988, 150: Erschleichen einer Prädikatsbezeichnung für Wein; BGHSt 38, 186; 47, 83: unzulässige vorherige Preisabsprache; vgl. zur konkludenten Täuschung bei Manipulation auch Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug [1999] S. 87). Zwar reicht die allgemeine Erwartung, der andere werde sich redlich verhalten, für die Annahme entsprechender konkludenter Erklärungen nicht aus. Abgesehen davon , dass die Vertragspartner aber ein Minimum an Redlichkeit im Rechtsverkehr , das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen dürfen (vgl. Cramer /Perron aaO § 263 Rdn. 14/15), ist die Erwartung, dass keine vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht, unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Erklärungen. Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird.
23
Bei der Sportwette, einer Unterform des wesentlich durch Zufall bestimmten Glücksspiels (vgl. BGH NStZ 2003, 372, 373; Hofmann/Mosbacher NStZ 2006, 249, 251 m.w.N.), ist Gegenstand des Vertrages das in der Zukunft stattfindende und von den Sportwettenteilnehmern nicht beeinflussbare (vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand [1994] S. 471) Sportereignis. Auf diesen Vertragsgegenstand nimmt jede der Parteien bei Abgabe und Annahme des Wettscheins Bezug. Beim Abschluss einer Sportwette erklärt demnach regelmäßig jeder der Beteiligten konkludent, dass das wettgegenständliche Risiko nicht durch eine von ihm veranlasste, dem Vertragspartner unbekannte Manipulation des Sportereignisses zu seinen Gunsten verändert wird (BGHSt 29, 165). Denn dies erwartet nicht nur der Wettanbieter vom Wettenden, sondern auch umgekehrt der Wettende vom Wettanbieter.
24
Weil sich eine Sportwette zwangsläufig auf ein in der Zukunft stattfindendes Ereignis bezieht, kann sich die Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits endgültig durchgeführte, sondern nur auf eine beabsichtigte Manipulation beziehen. Eine Täuschung ist jedenfalls dann anzunehmen , wenn zu dem konkreten Plan der Manipulation des zukünftigen Sportereignisses die konkrete Einflussnahme tritt, etwa wie hier durch die vorherigen Abreden mit Teilnehmern an dem Sportereignis, die ihre Manipulationsbereitschaft zugesagt haben. Nur in einem solchen Fall wird der Wettende auch – wie hier – erhebliche Beträge auf einen eher unwahrscheinlichen (und dafür zu hohen Gewinnquoten angebotenen) Spielausgang setzen. Wer erhebliche Beträge zu hoher Quote auf einen unwahrscheinlichen Spielausgang setzt und in Manipulationen des Spielgeschehens verstrickt ist, hat diese regelmäßig bereits zuvor schon so hinreichend konkret ins Werk gesetzt, dass es bei normalem Lauf der Dinge allein von ihm abhängt, ob es zu der unlauteren Beeinflussung des Spielverlaufs kommt. Dass dies bei A. S. jeweils der Fall war, ist den Feststellungen des Landgerichts zu den Wettvertragsabschlüssen insgesamt mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen.
25
Dieser Begründung steht die Entscheidung des Senats in BGHSt 16, 120 („Spätwette“) nicht entgegen. Dort ging es nicht um eine Manipulation des Vertragsgegenstandes, sondern um ein überlegenes Wissen des Wettenden , das aus allgemein zugänglichen Informationsquellen stammte. Ob der Wettende bei Abschluss einer Wette auf ein zukünftiges Ereignis auch konkludent erklärt, dieses sei noch nicht eingetreten, so dass er davon nichts wisse, bedarf hier deshalb keiner Entscheidung. Dagegen mag sprechen, dass das Einholen allgemein zugänglicher Informationen über den Wettgegenstand typischerweise in das Risiko jedes Vertragspartners fällt. Berechtigterweise erwartet der Vertragspartner einer Sportwette jedenfalls, dass der andere Teil nicht über Sonderwissen verfügt, das aus einer verwerflichen Manipulation des Wettgegenstandes resultiert (vgl. aber auch Habersack in MünchKomm-BGB 4. Aufl. § 762 Rdn. 19).
26
(2) Entgegen einer in der Literatur verbreiteten Meinung (vgl. Schlösser aaO S. 426; Schild aaO S. 216) handelt es sich bei der Täuschung der jeweiligen Wettbüro-Mitarbeiter um eine konkludente Täuschung durch aktives Tun und nicht um eine Täuschung durch Unterlassen.
27
Die Grenze zwischen einer aktiven konkludenten Täuschung und einer Täuschung durch Unterlassen bestimmt sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Erklärungswert des aktiven Verhaltens. Deshalb darf der Tatrichter grundsätzlich nicht an ein Unterlassen, sondern muss an das aktive Tun – also insbesondere den jeweiligen Vertragsschluss – anknüpfen (missverständlich deshalb BGHSt 29, 165, 167, soweit dort auf ein „Verschweigen“ abgestellt wird), wenn in der Erklärung bereits die Täuschungshandlung zu sehen ist. In diesen Fällen liegt der relevante Handlungsschwerpunkt in einem positiven Tun, weil der Täter inzident die Essentialia zusichert, die – wie oben dargestellt – zur unverzichtbaren Grundlage des Geschäfts zählen. Deshalb ist im vorliegenden Fall ein aktives Verhalten, nämlich der Abschluss des Wettvertrages, die strafbarkeitsbegründende Täuschungshandlung , weil ihm der Erklärungswert zukommt, nicht auf Manipulationen des Vertragsgegenstandes hingewirkt zu haben. Da bereits ein Betrug durch aktives Tun vorliegt, kann dahinstehen, ob hier auch ein Betrug durch Unterlassen der Aufklärung über die Spielmanipulation (vgl. zu einer möglichen Aufklärungspflicht Henssler aaO S. 471; Habersack aaO § 762 Rdn. 19) oder später (vgl. etwa in Fall 7 der Urteilsgründe das Gespräch mit den Vertretern des Wettveranstalters) gegeben ist (vgl. allgemein zu den Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen einer Täuschung durch Tun und durch Unterlassen Tiedemann aaO § 263 Rdn. 29 m.w.N.; Schlösser aaO S. 426).
28
bb) Durch die konkludente Täuschung über die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes ist bei den jeweiligen Mitarbeitern der Wettanbieter auch ein entsprechender Irrtum erregt worden (vgl. BGHSt 29, 165, 168). Die Mitarbeiter der Wettanbieter gingen – jedenfalls in Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins (hierzu näher Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 35 m.w.N.) – jeweils davon aus, dass das wettgegenständliche Risiko nicht durch Manipulation des Sportereignisses zu Ungunsten ihres Unternehmens ganz erheblich verändert wird. Ansonsten hätten sie die jeweiligen Wettangebote zu der angebotenen Quote zurückgewiesen. Gerade weil die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes beim Abschluss einer Sportwette mit festen Quoten für die Vertragspartner von entscheidender Bedeutung für die Einschätzung des Wettrisikos ist, verbinden Wettender und Wettanbieter mit ihren rechtsgeschäftlichen Erklärungen regelmäßig die Vorstellung, dass der Wettgegenstand nicht manipuliert wird (vgl. auch BGHSt 24, 386, 389). Hierüber irren sie aber infolge des Verhaltens des anderen Teils. Dieser Irrtum führte auch zu einer Vermögensverfügung, nämlich zum Vertragsabschluss mit dem jeweiligen Wettanbieter.
29
cc) Bei den jeweiligen Wettveranstaltern ist durch diese täuschungsbedingte Vermögensverfügung auch ein Schaden entstanden.
30
(1) In allen Fällen liegt bereits mit Abschluss der jeweiligen Wettverträge ein vollendeter Betrug vor.
31
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug) ergibt der Vergleich der Vermögenslage vor und nach Abschluss des Vertrages , ob ein Vermögensschaden eingetreten ist. Zu vergleichen sind die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen. Wenn der Wert des Anspruchs auf die Leistung des Täuschenden hinter dem Wert der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurückbleibt, ist der Getäuschte geschädigt (vgl. BGHSt 16, 220, 221; BGH NStZ 1991, 488). Entscheidend ist für die Tatbestandserfüllung beim (Eingehungs-)Betrug nämlich, dass der Verfügende aus dem Bestand seines Vermögens aufgrund der Täuschung mehr weggibt, als er zurückerhält (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 64 m.w.N.). Diese für übliche Austauschgeschäfte entwickelte Rechtsprechung bedarf der Anpassung an die Besonderheiten der hier gegenständlichen Sportwetten , bei denen zur Eingehung der vertraglichen Verpflichtungen der Aus- tausch von Einsatz und Wettschein (einer Inhaberschuldverschreibung, vgl. Sprau in Palandt aaO § 793 Rdn. 5) hinzukommt:
32
Bei Sportwetten mit festen Quoten (sog. Oddset-Wetten) stellt die aufgrund eines bestimmten Risikos ermittelte Quote gleichsam den „Verkaufspreis“ der Wettchance dar; die Quote bestimmt, mit welchem Faktor der Einsatz im Gewinnfall multipliziert wird. Weil die von A. S. geplante und ins Werk gesetzte Manipulation der Fußballspiele das Wettrisiko ganz erheblich zu seinen Gunsten verschoben hatte, entsprachen die bei dem Vertragsschluss vom Wettanbieter vorgegebenen Quoten nicht mehr dem Risiko, das jeder Wettanbieter seiner eigenen kaufmännischen Kalkulation zugrunde gelegt hatte. Eine derart erheblich höhere Chance auf den Wettgewinn ist aber wesentlich mehr wert, als A. S. hierfür jeweils in Ausnutzung der erfolgten Täuschung gezahlt hat. Für seinen jeweiligen Einsatz hätte er bei realistischer Einschätzung des Wettrisikos unter Berücksichtigung der verabredeten Manipulation nur die Chance auf einen erheblich geringeren Gewinn erkaufen können. Diese „Quotendifferenz“ stellt bereits bei jedem Wettvertragsabschluss einen nicht unerheblichen Vermögensschaden dar. Dieser ähnelt infolge des für Wetten typischen Zusammenhangs zwischen Wettchance und realisiertem Wettrisiko der vom Landgericht angenommenen schadensgleichen Vermögensgefährdung (gegen deren Annahme indes durchgreifende Bedenken bestehen, vgl. unten [3]) und stellt wirtschaftlich bereits einen erheblichen Teil des beabsichtigten Wettgewinns dar. Dass Wetten für erkannt manipulierte Spiele nicht angeboten werden, ist insoweit ohne Bedeutung. Maßgeblich ist allein, dass der Wettanbieter täuschungsbedingt aus seinem Vermögen eine Gewinnchance einräumt, die (unter Berücksichtigung der Preisbildung des Wettanbieters) gemessen am Wetteinsatz zu hoch ist. Mithin verschafft sich der Täuschende eine höhere Gewinnchance , als der Wettanbieter ihm für diesen Preis bei richtiger Risikoeinschätzung „verkaufen“ würde.
33
Ein derartiger Quotenschaden muss nicht beziffert werden. Es reicht aus, wenn die insoweit relevanten Risikofaktoren gesehen und bewertet werden. Realisiert sich der vom Wettenden infolge seiner Manipulation erstrebte Gewinn nicht, verbleibt es vielmehr bei dem mit erfolgreicher Täuschung bereits erzielten Quotenschaden, so ist dem wegen der geringeren Auswirkungen der Tat im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen.
34
(2) In denjenigen Fällen, in denen es zur Auszahlung von Wettgewinnen auf manipulierte Spiele kam (Fälle 2, 6, 7, 11), ist das mit dem Eingehungsbetrug verbundene erhöhte Verlustrisiko in einen endgültigen Vermögensverlust der jeweiligen Wettanbieter in Höhe der Differenz zwischen Wetteinsatz und Wettgewinn umgeschlagen (vgl. zur Schadensberechnung näher Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 73; Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 71 m.w.N.); der so erzielte Vermögensvorteil war insbesondere das Endziel des mit Hilfe von Manipulationen Wettenden. Weil sich Sportwettenverträge auf ein in der Zukunft stattfindendes Ereignis beziehen, stellt der Quotenschaden das notwendige Durchgangsstadium und damit einen erheblichen Teil des beabsichtigten endgültigen Schadens bei dem Wettanbieter dar.
35
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Kutzner JZ 2006 S. 712, 717; Schild aaO S. 219) liegt der betrugsrelevante Vermögensschaden in diesen Fällen nicht in der – kaum feststellbaren – Differenz zwischen der auf Grund des „normalen Wettverhaltens“ prognostizierten Gesamtgewinnausschüttung und der nach Manipulation tatsächlich auszuschüttenden Gesamtgewinnsumme. Diese mögliche Vermögenseinbuße stünde zudem in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der vom Wettenden beabsichtigten Vermögensmehrung, so dass insoweit Bedenken hinsichtlich der Stoffgleichheit der erstrebten Bereicherung bestünden. Ausreichend und allein maßgeblich ist, dass der jeweilige Wettanbieter täuschungsbedingt den Wettgewinn auszahlt, auf den der Wettende wegen der Spielmanipulation keinen Anspruch hat, und in dieser Höhe sein Vermögen mindert; gerade diese Bereicherung erstrebt auch der Wettende. Die Ersparnis anderweitig zu erwartender Gewinnausschüttungen durch den Wettanbieter infolge der Manipulation ist allenfalls mittelbar relevant (vgl. auch BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 54).
36
Für die Schadensfeststellung kommt es entgegen der Auffassung einiger Revisionen auch nicht darauf an, ob sich die von A. S. ins Werk gesetzten Manipulationen kausal im Spielergebnis oder wenigstens entscheidend im Spielverlauf niedergeschlagen haben. Es reicht vielmehr aus, dass der jeweilige Wettanbieter täuschungsbedingt Wettverträge abgeschlossen hat, die er bei Kenntnis der beabsichtigten Manipulationen nicht abgeschlossen hätte. Denn nicht der Erfolg der Manipulation ist Tatbestandsmerkmal des § 263 StGB, sondern allein die täuschungsbedingte Vermögensschädigung. Im Übrigen ist für die Risikoverschiebung die Zusage der Manipulation durch einen Mannschaftsspieler oder gar einen Schiedsrichter – anders als von einigen Verteidigern in der Revisionshauptverhandlung vorgetragen – regelmäßig von erheblicher Bedeutung.
37
(3) In denjenigen Fällen, in denen die Manipulationen keinen oder keinen vollständigen Wetterfolg einbrachten, hat das Landgericht allerdings den Schaden nicht gemäß den vorstehenden Grundsätzen bestimmt. Abgesehen davon sind auch die rechtlichen Erwägungen des Landgerichts nicht tragfähig , soweit es bereits beim Abschluss der Wettverträge eine schadensgleiche Vermögensgefährdung der jeweiligen Wettanbieter in Höhe des möglichen Wettgewinns (abzüglich des Einsatzes) angenommen hat.
38
Zwar kann auch schon die bloße konkrete Gefährdung einen Vermögensschaden i. S. von § 263 StGB darstellen. Diese Gefährdung muss aber nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage bedeuten. Die täuschungsbedingte Gefahr des endgültigen Verlustes eines Vermögensbestandteils muss zum Zeitpunkt der Verfügung so groß sein, dass sie schon jetzt eine Minderung des Ge- samtvermögens zur Folge hat (vgl. BGHSt 34, 394, 395; BGH NStZ 2004, 264). Eine derartige konkrete Gefährdung, die bereits einem Schaden entspricht , kann nur dann anerkannt werden, wenn der Betrogene ernstlich mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen hat (BGHSt 21, 112, 113). Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt, wenn der Eintritt wirtschaftlicher Nachteile nicht einmal überwiegend wahrscheinlich ist, sondern von zukünftigen Ereignissen abhängt, die sich einer Einflussnahme trotz der Manipulation immer noch in ganz wesentlichem Umfang entziehen.
39
Durch den Abschluss der Wettverträge ist es über den oben dargestellten Quotenschaden hinaus erst zu einer abstrakten Gefährdung der Vermögen der jeweiligen Wettanbieter in Höhe des durch die Wettquote bestimmten Auszahlungsbetrages abzüglich des Einsatzes gekommen. Ein Erfolg der Manipulationen war nach den Feststellungen des Landgerichts nicht einmal überwiegend wahrscheinlich, sondern schlug in vielen Fällen trotz beträchtlicher Eingriffe in das Spielgeschehen fehl, insbesondere auch, weil die kombinierten Spiele teilweise einen anderen Ausgang nahmen; dies macht deutlich, dass die Manipulation des Spielgeschehens nur die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Spielausgangs um einen gewissen – regelmäßig freilich, wie ausgeführt, erheblichen – Grad erhöhen konnte (vgl. dazu Kutzner aaO S. 717; Mosbacher NJW 2006, 3529, 3530).
40
b) Die Feststellungen des Landgerichts belegen ohne Weiteres die abgeurteilten Beihilfehandlungen der Angeklagten M. und F. S. sowie R. H. und D. M. .
41
aa) Die Betrugstaten des Haupttäters A. S. waren in dem von ihm beabsichtigten und von den Teilnehmern erkannten Umfang frühestens mit der Auszahlung des zu Unrecht beanspruchten Wettgewinns beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt förderten alle Handlungen, die unmittelbar der Manipulation des wettgegenständlichen Spielereignisses dienten oder durch die Spieler bzw. Schiedsrichter zur Manipulation des Spielgeschehens angehal- ten oder dabei bestärkt wurden, den beabsichtigten unrechtmäßigen Wettgewinn von A. S. . Aufgrund der Eigenart der Sportwette, die ein in der Zukunft liegendes Sportereignis betrifft, ist eine derartige Beihilfe zum Wettbetrug mittels Manipulation des Wettereignisses nicht nur durch deren vorherige Zusage, sondern auch nach Wettvertragsabschluss möglich. Dass die jeweiligen Teilnehmer insoweit vorsätzlich gehandelt haben, ergibt sich nach den Feststellungen des Landgerichts aus der Kenntnis vom beabsichtigten bzw. erfolgten Abschluss der Sportwetten; nur der Wettvertragsabschluss gab den Spielmanipulationen aus Sicht der Beteiligten hier einen nachvollziehbaren wirtschaftlichen Sinn.
42
bb) Der Angeklagte H. hat auch im Fall 8 der Urteilsgründe eine Beihilfe zum Wettbetrug A. S. begangen. Entgegen der Auffassung der Revision zu diesem Fall belegen die Feststellungen des Landgerichts hinreichend, dass H. in diesem Fall dem Haupttäter A. S. konkret bei seinem Betrug geholfen hat, indem er ihn bei der Anwerbung des Angeklagten M. für eine Spielmanipulation unterstützte. Soweit das Landgericht bei der rechtlichen Würdigung der Taten und im Rahmen der Strafzumessung – ersichtlich versehentlich – nicht zwischen dem Fall 8 der Urteilsgründe und den Einflussnahmen H. s als Schiedsrichter auf dem Spielfeld differenziert hat (vgl. UA S. 47, 53), ist dies im Ergebnis unschädlich: Das Unrecht H. s wiegt in Fall 8 nicht minder schwer als in den Fällen einer Manipulation auf dem Spielfeld. H. hat in diesem Fall sogar ganz erheblich dazu beigetragen, einen weiteren zur Unparteilichkeit verpflichteten Schiedsrichter in kriminelle Machenschaften zu verstricken.
43
cc) Im Fall 10 tragen die Feststellungen des Landgerichts auch die Annahme einer Beihilfe F. S. s zum gemeinschaftlich von A. und M. S. begangenen Betrug. F. S. hat danach R. H. ausdrücklich zur Manipulation des Fußballspiels in dem von seinem Bruder A. S. gewünschten Sinne ermutigt. Er hat aufgrund der Gesamtumstände des Geschehens auch ersichtlich in der Kenntnis gehandelt, dass auf dieses manipulierte Spiel Sportwetten abgeschlossen sind oder werden und dass sein Handeln den beabsichtigten Eintritt des Wetterfolges fördert.
44
c) Dass im Fall 10 der Urteilsgründe nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen M. S. die Sportwetten in Italien abgeschlossen hat, hindert eine Bestrafung der in diesem Fall Beteiligten nach deutschem Recht nicht:
45
Eine als Betrug nach § 263 StGB strafbare Haupttat M. S. s ist noch hinreichend durch Feststellungen belegt. Wie sich aus den gleichsam „vor die Klammer“ gezogenen Feststellungen des Landgerichts ergibt, gab der Angeklagte M. S. die Wettscheine auch in diesem Fall in den Geschäftsräumen des Wettanbieters ab und erklärte damit zugleich konkludent, nicht an einer Manipulation des wettgenständlichen Sportereignisses beteiligt zu sein. Aus dem einschlägigen italienischen Recht ergibt sich weder zum Erklärungswert seines Verhaltens noch in anderer Hinsicht ein relevanter Unterschied zum deutschen Recht; insbesondere besteht auch dort die Möglichkeit , sich bei einer bewussten Täuschung ohne weiteres vom Vertrag zu lösen (vgl. Art. 1427 ff. Codice Civile).
46
Für die Tat von M. S. im Fall 10 der Urteilsgründe gilt nach § 3 StGB das deutsche Strafrecht, weil die Tat (auch) im Inland begangen worden ist. Weil M. S. nach den (insoweit tragfähigen) Feststellungen des Landgerichts in diesem Fall als Mittäter des Angeklagten A. S. gehandelt hat, und ihm deshalb aufgrund des gemeinsamen Tatplans das Handeln A. S. s in Deutschland und auch der Ort dieses Handelns zuzurechnen ist, ist Tatort im Sinne von § 9 StGB auch für M. S. Deutschland (vgl. BGHSt 39, 88, 91; Tröndle/Fischer aaO § 9 Rdn. 3). Für die Teilnehmer ergibt sich ein Tatort im Bundesgebiet in diesem Fall jedenfalls aus § 9 Abs. 2 StGB. Zudem ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass auch A. S. in diesem Fall – was angesichts der von ihm versprochenen Bestechungssumme von 50.000 Euro mehr als nahe liegt – auf das ma- nipulierte Spiel gewettet hat; das Landgericht konnte lediglich keine Feststellungen dazu treffen, wo und in welcher Höhe dies geschehen ist.
47
d) Auch die weiteren Einwände der Revisionen gegen den Schuldspruch tragen nicht:
48
Soweit unter Hinweis auf nicht im Urteil wiedergegebene Allgemeine Geschäftsbedingungen vorgetragen wird, beim Wettvertragsschluss könnte keine reale Person getäuscht werden, weil der Vertragsschluss letztlich nur elektronisch erfolge, widerspricht dies den (nicht angegriffenen) Feststellungen des Landgerichts. Danach hat stets ein Mitarbeiter des Wettbüros die Wettscheine entgegengenommen, nach Prüfung weitergeleitet und insbesondere den Wetteinsatz vereinnahmt.
49
Der Einwand der Revision, ausländischen Wettanbietern könne in Hinblick auf §§ 762, 763 BGB wegen der Rechtswidrigkeit ungenehmigter ausländischer Wetten kein Schaden entstehen, verfängt nicht. Zwar findet auf Sportwetten § 763 Satz 2 i.V.m. § 762 BGB grundsätzlich Anwendung (vgl. BGH NJW 1999, 54). Unabhängig von der Frage, ob im EU-Ausland genehmigte Sportwetten auch im Bundesgebiet ohne zusätzliche Genehmigung zulässig vermittelt werden dürfen oder nicht (vgl. hierzu OLG München NJW 2006, 3588; Mosbacher NJW 2006, 3529), ist hier jedenfalls aus wirtschaftlicher Sicht eine Schädigung der ausländischen Wettanbieter eingetreten (vgl. auch Weber aaO S. 67; Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 91; RGSt 68, 379, 380).
50
Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Dies gilt namentlich hinsichtlich des Angeklagten M. . Die Feststellungen des Landgerichts zu seiner Tatbeteiligung beruhen auf einer tragfähigen Grundlage, nämlich auf seinem Eingeständnis, von A. S. die festgestellten Zahlungen erhalten zu haben, sowie im Übri- gen auf den vom Landgericht als glaubhaft angesehenen Angaben der geständigen Angeklagten A. S. und R. H. .
51
e) Die Rechtsfolgenaussprüche können bestehen bleiben.
52
aa) Auch wenn das Landgericht in demjenigen Teil der Fälle, in denen die Manipulationen nicht zu dem gewünschten Spielergebnis geführt haben oder die Kombinationswetten aus anderen Gründen keinen Erfolg hatten, der Strafzumessung einen zu großen Schadensumfang zugrunde gelegt hat, kann der Senat ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei einer zutreffenden rechtlichen Bewertung niedrigere Einzelstrafen und niedrigere Gesamtstrafen verhängt hätte: Zum einen ist ein Gefährdungsschaden für die Strafzumessung ohnehin nicht mit dem darüber hinaus erstrebten endgültigen Schaden gleichzusetzen (vgl. BGH wistra 1999, 185, 187). Zum zweiten ähnelt der vom Landgericht nicht ausdrücklich bezifferte Quotenschaden dem angenommenen Gefährdungsschaden und stellt jedenfalls einen erheblichen Teil hiervon dar; die Wettanbieter hätten bei nicht täuschungsbedingter Fehleinschätzung des Wettrisikos für die gezahlten Einsätze allenfalls wesentlich geringere Wettchancen eingeräumt. Schließlich war ohnehin strafschärfend zu berücksichtigen, dass sich der Vorsatz über den durch Eingehung der Wetten bereits vollendeten Schadenseintritt hinaus auf eine ganz erhebliche Gewinnsumme bezog und damit das vom Vorsatz umfasste Handlungsziel den als „Durchgangsschaden“ erfassten Quotenschaden des Wettanbieters jeweils ganz erheblich überstieg (vgl. auch BGHSt 43, 270, 276; BGH NStZ 2000, 38, 39).
53
bb) Auch im Übrigen hält die Strafzumessung im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand: Das Landgericht hat zwar verkannt, dass es sich bei § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erste Alt. StGB nicht um einen Qualifikationstatbestand des gewerbsmäßigen Betruges, sondern um eine Strafzumessungsregel handelt, die grundsätzlich eine Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Gesichtspunkte erfordert (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 2 Besonders schwerer Fall 1) und insbesondere auch deshalb ausscheiden kann, weil die Voraussetzungen eines vertypten Strafmilderungsgrunds (hier etwa §§ 21, 27 StGB) vorliegen (BGH wistra 2003, 297). Bei den wegen Beihilfe zum Betrug verurteilten Angeklagten hat das Landgericht auch nicht bedacht, dass die Teilnahmehandlung als solche als besonders schwerer Fall zu werten sein muss (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 105 m.w.N.) und das täterbezogene Merkmal der Gewerbsmäßigkeit nur demjenigen Tatbeteiligten angelastet werden kann, der dieses Merkmal selbst aufweist (vgl. Eser in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 243 Rdn. 47 m.w.N.). Der Senat kann jedoch ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass sich diese Fehler bei der Strafzumessung ausgewirkt haben.
54
(1) Bei A. S. war ein Absehen von der Regelwirkung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erste Alt. StGB nach den Gesamtumständen der mit hoher krimineller Energie ins Werk gesetzten Betrügereien, bei denen es jeweils um ganz erhebliche Summen ging, auch unter Berücksichtigung von § 21 StGB offensichtlich nicht veranlasst. Dem Senat erscheint es im Übrigen angesichts des jahrelangen professionellen Agierens von A. S. auf dem Sportwettenmarkt, seines kompliziert angelegten Wett- und Manipulationssystems und des damit verbundenen erheblichen organisatorischen Aufwands ohnehin eher fernliegend, dass bei diesem Angeklagten die Steuerungsfähigkeit bei der Begehung sämtlicher Taten wegen „Spielsucht“ erheblich eingeschränkt gewesen sein soll (vgl. zu den Anforderungen BGHSt 49, 365, 369 f. m.w.N.). Die vom Landgericht angenommene Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB beschwert den Angeklagten jedoch nicht. In den Fällen 2, 6, 7 und 11 liegen zudem zusätzlich – auch bei den Teilnehmern, die angesichts der Kenntnis von den Gesamtumständen und angesichts der Höhe der gezahlten Bestechungsgelder insoweit zumindest mit bedingtem Vorsatz handelten – die Voraussetzungen eines besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 erste Alt. StGB vor.
55
(2) Bei den Angeklagten H. und M. hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass auch diese Angeklagten selbst gewerbsmäßig gehandelt haben. Sie wollten sich durch die Zusammenarbeit mit A. S. eine auf Dauer angelegte Einnahmequelle von einigem Umfang erschließen. Bei diesen Angeklagten liegt aufgrund der besonders pflichtwidrigen Ausnutzung ihrer Stellung als unparteiische Schiedsrichter im Übrigen auch die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB auf der Hand.
56
(3) Eigenes gewerbsmäßiges Handeln hat das Landgericht auch für M. S. festgestellt. Es kann dahinstehen, ob diese Wertung tatsächlich ausreichend belegt ist. Der Senat kann angesichts der Vielzahl erschwerender Gesichtspunkte jedenfalls ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei den Angeklagten M. und F. S. bei bloßer Anwendung von § 263 Abs. 1 StGB auf noch niedrigere Einzel- und Gesamtstrafen erkannt hätte. Das Landgericht hat sich bei der Bemessung der ohnehin maßvollen Strafen ersichtlich nicht am oberen Ende des – abgesehen von Fall 10 für M. S. – gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB verschobenen Strafrahmens des § 263 Abs. 3 StGB orientiert.
57
(4) Die verhängten Einzelstrafen und die verhängte Gesamtstrafe sind darüber hinaus auch aus folgenden Gründen angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO: Es geht bei den durch die Angeklagten unterstützen Betrügereien von A. S. ganz überwiegend um erhebliche Summen und insgesamt um Beträge von mehreren Millionen Euro. Die Spielmanipulationen haben nicht nur die jeweiligen Wettanbieter geschädigt, sondern – wie die Angeklagten wussten – einer Vielzahl Unbeteiligter ganz erhebliche Schäden zugefügt: Die jeweiligen Fußballmannschaften und alle zahlenden Zuschauer wurden um ein faires Spiel gebracht. Die infolge von Manipulationen unterlegenen Mannschaften und ihre Trainer mussten erhebliche wirtschaftliche Schäden gewärtigen, die sich etwa im Fall des Ausscheidens des Hamburger SV aus dem DFB-Pokal auch durch die Entlas- sung des damaligen Trainers realisiert haben. Die massive Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern zum Zweck der Spielmanipulation hat zudem dem gesamten professionellen Fußballsport einen ganz erheblichen Rufschaden zugefügt, indem das Vertrauen von Millionen sportbegeisterter Zuschauer in die Fairness des Fußballsports und in die Unparteilichkeit der Schiedsrichter massiv enttäuscht wurde. Im Übrigen sind auch viele redliche Wettkunden, die auf ein anderes Ergebnis gesetzt hatten, im Falle gelungener Spielmanipulationen um ihre Gewinnchancen gebracht worden. Diese offenkundigen erschwerenden Gesichtspunkte hat das Landgericht im Rahmen seiner Strafzumessung nicht einmal umfassend ausdrücklich bedacht.
58
(5) Bei F. S. ist die Gesamtstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe auch deshalb angemessen, weil das Landgericht zugunsten dieses Angeklagten einen nicht gerechtfertigten Härteausgleich vorgenommen hat. Die Strafkammer hat sich hierfür auf eine am 25. Oktober 2004 erfolgte Verurteilung zu einer bereits vollstreckten Geldstrafe bezogen und mit Rücksicht auf die fehlende Gesamtstrafenfähigkeit einen Härteausgleich in Höhe von einem Monat Freiheitsstrafe gewährt. Unbeachtet blieb dabei, dass zu diesem Zeitpunkt die Tat Nr. 10 der Urteilsgründe noch nicht begangen worden war. Wegen der Erledigung der Geldstrafe entfiel mithin lediglich die Zäsurwirkung der Verurteilung vom 25. Oktober 2005. Daher hat sich der Angeklagte durch die Erledigung der Geldstrafe die Verhängung zweier – notwendig in der Summe gegenüber der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe höherer – Freiheitsstrafen erspart, mithin keinen Nachteil, sondern einen Vorteil erlangt. Deshalb war kein Härteausgleich gerechtfertigt (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 4).
59
3. Der Senat weist abschließend darauf hin, dass die missverständliche Entscheidung des Landgerichts im Adhäsionsverfahren nicht bedeutet, dass die Adhäsionskläger ihr Ziel nicht anderweitig weiter verfolgen könnten (§ 406 Abs. 3 Satz 3 StPO). Daher wäre lediglich ein Absehen von einer Ent- scheidung, nicht etwa, wie zu weitgehend erfolgt, eine Antragsabweisung zu tenorieren gewesen (vgl. BGHR StPO § 406 Teilentscheidung 1).
Basdorf Häger Gerhardt Raum Jäger
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Schadensberechnung bei täuschungsbedingt gewährtem Darlehen.
BGH, Beschluss vom 13. April 2012 – 5 StR 442/11
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 13. April 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. April 2012

beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten W. , Ü. , B. und G. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. Juli 2010 mit den zugehörigen Feststellungen nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit diese Angeklagten verurteilt worden sind; aufrecht erhalten bleiben jedoch die Feststellungen zu den äußeren Umständen der Kreditgewährungen, zu den Beziehungen der Beteiligten untereinander sowie zur inneren Tatseite beim Angeklagten G. ; insoweit werden die Revisionen als unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten W. und Ü. wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 15 bzw. 14 Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren bzw. zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten B. hat es wegen Betrugs in vier Fällen schuldig gesprochen und mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten belegt, wobei die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen den Angeklagten G. hat das Landgericht wegen Beihilfe zum Betrug in elf Fällen eine – gleichfalls zur Bewährung ausgesetzte – Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt. Daneben hat es als Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bei den Angeklagten zwei bis sechs Monate auf die ausgeurteilten Freiheitsstrafen als vollstreckt angerechnet. Die Revisionen der Angeklagten haben in dem sich aus dem Beschlusstenor ergebenden Umfang mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensrüge , mit der die ordnungsgemäße Durchführung des Selbstleseverfahrens III beanstandet wird, kommt es mithin nicht mehr an. Im Übrigen sind die Verfahrensrügen im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Die Angeklagten W. und Ü. entwickelten zusammen mit dem bereits verstorbenen O. den Plan, bei Immobilienverkäufen einen wesentlich höheren Betrag als tatsächlich vereinbart als Kaufpreis auszuweisen , der dann von der LBS als der kreditgewährenden Bank – gegebenenfalls mit Abschlägen bis zu 30 % – finanziert wurde, wobei Ausfallbürgschaften der Bremer Landesbank beigebracht wurden, soweit die Kreditsumme die Beleihungsgrenze überstieg. Den Plan setzten sie in den 15 Verurteilungsfällen auch um. Auf diese Art sollten auf dem stagnierenden Berliner Wohnungsmarkt Immobilien auch an Personen ohne Eigenkapital oder an Bezieher geringerer Einkommen veräußert werden. Zum Teil wurden aus der im Vergleich zum tatsächlich vereinbarten Kaufpreis überschießenden Kreditsumme auch Altschulden der Kunden abgelöst.
4
Der Angeklagte B. warb in vier Fällen als freiberuflich tätiger Kreditvermittler die Kunden. Der Angeklagte G. nahm als Notar in elf Fällen die Beurkundungen vor. Er teilte der finanzierenden LBS dann mit, dass ihm gegenüber das (tatsächlich nicht vorhandene) Eigenkapital nachgewiesen sei. Tatsächlich lag ihm zu diesem Zeitpunkt lediglich ein von der Verkäuferseite ausgestellter (gedeckter) Scheck vor, den er bei Auszahlungsreife des Kaufpreises an den Aussteller zurückgab. Die Darlehen zum Kauf der Immo- bilien, für die Grundschulden zugunsten der LBS eingetragen wurden, konnten von den Erwerbern teilweise nicht zurückgeführt werden.
5
2. Das Landgericht geht ersichtlich von einem Eingehungsbetrug aus, den Ü. , W. und O. als Bande begangen hätten. Täuschungsbedingt sei die LBS bei der Kreditgewährung ein höheres Wagnis eingegangen. Den Schaden berechnet das Landgericht aus der Differenz der Kreditsumme zum tatsächlichen Verkehrswert der Grundstücke, wobei es – zugunsten der Angeklagten – den Verkehrswert mit dem tatsächlich be- zahlten Kaufpreis gleichsetzt. Gestellte Bürgschaften hat es hiervon in Abzug gebracht. Auf dieser Grundlage hat das Landgericht einen Gesamtschaden in Höhe von über 170.000 Euro festgestellt.

II.


6
Die Schadensberechnung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Schuldsprüche.
7
1. Unter Beachtung des – nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ergangenen – Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 2011 (NJW 2012, 907 ff.) bedarf es im Falle der Annahme eines Eingehungsbetrugs einer ausreichenden Beschreibung und Bezifferung der täuschungsbedingten Vermögensschäden. Da speziell beim Eingehungsbetrug die Schadenshöhe entscheidend von der Wahrscheinlichkeit und vom Risiko eines zukünftigen Verlusts abhängt, setzt die Bestimmung eines Mindestschadens voraus, dass die Verlustwahrscheinlichkeit tragfähig eingeschätzt wird (BVerfG aaO, 915 ff.). Hierbei können die banküblichen Bewertungsansätze für Wertberichtigungen Anwendung finden (vgl. § 253 Abs. 4; § 340f HGB). Denn ist aufgrund der fehlenden Bonität des Schuldners und nicht ausreichender Sicherheiten konkret erkennbar, dass mit einem teilweisen Forderungsausfall zu rechnen ist, müssen entsprechende bilanzielle Korrekturen vorgenommen werden, die ihrerseits – ungeachtet der praktischen Schwierigkeiten ihrer Ermittlung – auch im Rahmen der Schadensberechnung zugrunde gelegt werden können (vgl. auch BVerfGE 126, 170, 226 ff.).
8
2. Diesen Maßstäben wird das landgerichtliche Urteil nicht gerecht, wenn es die Schadensbezifferung allein auf die Differenz zwischen Kredithöhe und tatsächlichem Kaufpreis (als von ihm angenommenen maximalen Verkehrswert) stützt. Wie die Strafkammer im Ansatz richtig erkannt hat, ist die Darlehensgewährung ein Risikogeschäft. Der im Sinne des § 263 StGB relevante Vermögensschaden liegt deshalb bei diesen Fallgestaltungen immer in der Bewertung des täuschungsbedingten Risikoungleichgewichts (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 – 5 StR 508/02, StV 2003, 446; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 174 f.). Für dessen Berechnung ist maßgeblich, ob und in welchem Umfang die das Darlehen ausreichende Bank ein höheres Ausfallrisiko trifft, als es bestanden hätte, wenn die risikobestimmenden Faktoren zutreffend gewesen wären. Dann verschiebt sich zu ihren Lasten der synallagmatische Zusammenhang. So hätte die kreditgewährende Bank in Kenntnis dieser Umstände die von ihr verlangte Gegenleistung, die Zinshöhe des Darlehens, entsprechend angepasst oder weitergehende Sicherheiten verlangt. Nur in diesem Zusammenhang sind die bestellten Sicherheiten hier von Bedeutung. Deshalb hat die Rechtsprechung schon immer einen Vermögensschaden dann verneint, wenn der Rückzahlungsanspruch aufgrund der Vermögenslage des Darlehensnehmers oder sonstiger Umstände, die den Gläubiger vor einem Verlust seines Geldes schützen, wirtschaftlich gesichert ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Mai 2009 – 3 StR 475/08, wistra 2009, 350; vom 12. Juni 2001 – 4 StR 402/00, StV 2002, 133).
9
Die Schadensfeststellung hätte deshalb – naheliegend mit sachverständiger Beratung – bei einem solchen Sachverhalt in einem Vergleich und einer bilanziellen Bewertung der von der Bank zugrunde gelegten Vertragsgestaltung – im Gegensatz zu der tatsächlich durchgeführten – bestehen müssen. Die Verlustwahrscheinlichkeiten dürfen allerdings nicht so diffus sein oder sich in so geringen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich ungewiss bleibt (vgl. BVerfGE 126, 170, 229; BVerfG NJW 2012, 907, 916). Im Rahmen der wirtschaftlichen Bewertung des täuschungsbedingt veränderten Kreditrisikos kann auch dem Umstand Gewicht zukommen, dass die LBS als kreditgewährende Bank der Ermittlung der Verkehrswerte der einzelnen Grundstücke wohl keinen wesentlichen Stellenwert beigemessen hat, weil sie die Beleihungsgrenze nur im Wege von prozentualen Abschlägen bestimmt hat, deren Höhe ersichtlich im Belieben des jeweiligen Kreditsachbearbeiters gestanden hat.

III.


10
Dieser Mangel führt zur Aufhebung des Schuldspruchs in sämtlichen Fällen, weil der Senat in keinem Fall mit letzter Sicherheit auszuschließen vermag, dass sich gar kein ansatzfähiger Vermögensschaden ergibt. Bestehen bleiben können jedoch – wobei insoweit ergänzende, den bisher getroffenen nicht widersprechende Feststellungen zulässig sind – die Feststellungen zu den äußeren Umständen der Kreditgewährungen wie auch zu den Beziehungen der Beteiligten untereinander, weil sie von dem zur Aufhebung führenden Rechtsfehler nicht berührt sind. Gleichfalls aufrechterhalten werden die Feststellungen zur subjektiven Tatseite beim Angeklagten G. . Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht aus dem Umstand, dass er von Verkäuferseite eingereichte Schecks entgegengenommen hat – dieer später zurückgeschickt hat –, rechtsfehlerfrei auf den Gehilfenvorsatz dieses Angeklagten geschlossen. Die hierzu vorgebrachten Einwände der Revision sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
11
Für das neue tatrichterliche Verfahren weist der Senat – sollte es erneut zu Schuldsprüchen kommen – im Hinblick auf die vom Landgericht festgestellte Verfahrensverzögerung auf Folgendes hin:
12
Bei der Bemessung der Höhe der im Wege der Anrechnung auf die vollstreckte Strafe vorzunehmenden Kompensation sind in einer einzelfallbezogenen Abwägung der Umfang der staatlicherseits zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der Strafverfolgungsorgane sowie die konkreten Auswirkungen auf die Angeklagten zu würdigen. Auf die Höhe der verwirkten Strafe kommt es dabei grundsätzlich nicht an (BGH, Beschluss vom 30. September 2010 – 5 StR 259/10, wistra 2011, 22; Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135, 138). Es ist deshalb grundsätzlich bedenklich, die Kompensation mit einem Sechstel der verhängten Strafe zu begründen. Im neuen tatgerichtlichen Verfahren wird in diesem Zusammenhang zudem weiter aufzuklären sein, warum die Verfahrensakten erst knapp 15 Monate nach Urteilsverkündung beim Generalbundesanwalt eingegangen sind.
Basdorf Raum Schaal Schneider Bellay

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unrichtige Gestaltung des Programms, durch Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, durch unbefugte Verwendung von Daten oder sonst durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf beeinflußt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 263 Abs. 2 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Wer eine Straftat nach Absatz 1 vorbereitet, indem er

1.
Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt oder einem anderen überlässt oder
2.
Passwörter oder sonstige Sicherungscodes, die zur Begehung einer solchen Tat geeignet sind, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt oder einem anderen überlässt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) In den Fällen des Absatzes 3 gilt § 149 Abs. 2 und 3 entsprechend.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
§§ 263 a, 266 b StGB
1. Der berechtigte Inhaber einer Scheckkarte, der unter Verwendung
der Karte und der PIN-Nummer an einem Geldautomaten Bargeld
abhebt, ohne zum Ausgleich des erlangten Betrages willens oder
in der Lage zu sein, macht sich nicht nach § 263 a StGB strafbar.
2. § 266 b StGB erfaßt auch die mißbräuchliche Verwendung einer
Scheckkarte als Codekarte zur Abhebung an Geldautomaten
durch den berechtigten Karteninhaber; dies gilt jedoch nicht bei
Abhebungen an Automaten des Kreditinstituts, das die Karte
selbst ausgegeben hat.
BGH, Beschl. vom 21. November 2001 - 2 StR 260/01 - Landgericht
Kassel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 260/01
vom
21. November 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 21. November 2001 gemäû § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 6. Juni 2000
a) in den Fällen II.4., 10. und 12. aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben jedoch aufrechterhalten,
b) hinsichtlich der übrigen Fälle im Schuldspruch dahin geändert und klargestellt, daû die Angeklagte der Urkundenfälschung (II.2.), des Betruges in 10 Fällen (Fälle II.3., 6., 7., 9., 11., 18. bis 22.), davon in 5 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung (Fälle II.3., 6., 7., 18., 20.) und in einem dieser Fälle in weiterer Tateinheit mit Miûbrauch von Scheck- und Kreditkarten (Fälle II.13. bis 16.) schuldig ist,
c) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II.1., 3., 5., 8. und 13. bis 17. sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben jedoch aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


I.

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen, Gebrauchmachens einer falschen Urkunde in acht Fällen , davon in Tateinheit mit Betrug in fünf (tatsächlich sechs) Fällen, Betrugs in sechs Fällen, Computerbetrugs in zwei Fällen und Miûbrauchs von Scheckund Kreditkarten in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat in dem aus dem Beschluûtenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

II.

Die Angeklagte verschaffte sich Ende 1999 einen gefälschten Personalausweis und eröffnete unter Täuschung über ihre Identität bei vier Kreditinstituten jeweils ein Konto, wobei sie beabsichtigte, die Konten insbesondere unter Verwendung der erlangten Kreditkarten, ec-cards und Schecks zu überziehen, ohne die Salden auszugleichen, um sich oder ihrem Freund einen Vermögensvorteil zu verschaffen. In der Folgezeit hob sie zumeist unter Einsatz der Karten in mehreren Fällen, u. a. auch an Geldautomaten Geld ab, löste Euroschecks über die Garantiesumme ein und verwendete eine der ec-cards in Geschäften zur Bezahlung im Lastschriftverfahren, wodurch ein Schaden von insgesamt ca. DM 23.000,-- entstand. Zudem erhielt sie unter Täuschung über ihre Identität und Rückzahlungswilligkeit von einer Bank einen Kredit über DM 20.000,--, der ihr in bar ausgezahlt wurde.

III.

1. Das Urteil des Landgerichts hält in den Fällen II.10. und 12. rechtlicher Überprüfung nicht stand. In diesen Fällen hat die Angeklagte jeweils unter Verwendung der zuvor durch Täuschung von der Postbank erlangten ec-card und PIN-Nummer an Geldautomaten - von im Urteil nicht näher bezeichneten Kreditinstituten - Bargeld abgehoben. Das Landgericht hat die Angeklagte insoweit wegen Computerbetrugs gemäû § 263 a StGB jeweils in Tatmehrheit zu dem bereits bei der Erlangung der ec-card begangenen Betrugs (Fall II.4.) verurteilt. Dies begegnet in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden Bedenken:
a) Der Einsatz der ec-card an den Geldautomaten zur Bargeldbeschaffung durch die Angeklagte erfüllt bei der gegebenen Sachlage die Voraussetzungen des § 263 a StGB nicht. Der hier allein in Betracht kommende Fall der unbefugten Verwendung von Daten (§ 263 a Abs. 1 3. Alt. StGB) liegt nicht vor. Von § 263 a Abs. 1 3. Alt. StGB erfaût werden nach allgemeiner Ansicht Abhebungen an einem Geldautomaten durch einen Nichtberechtigten, der eine gefälschte, manipulierte oder mittels verbotener Eigenmacht erlangte Karte verwendet (vgl. BGHSt 38, 120, 121; OLG Stuttgart NJW 1988, 981, 982; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 263 a Rdn. 11 m.w.N.; Tröndle /Fischer, StGB 50. Aufl. § 263 a Rdn. 8 a). Nichtberechtigt in diesem Sinne war die Angeklagte jedoch nicht. Sie hat die ec-card von der Postbank zur Verwendung erhalten. Berechtigter Karteninhaber ist aber auch derjenige, der die Überlassung der Karte unter Täuschung über seine Identität vom Kartenaussteller erlangt hat (BGHR StGB § 266 b
Abs. 1 Konkurrenzen 2; BGH wistra 1993, 183, 184; Tröndle/Fischer aaO § 263 a Rdn. 8 a; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 266 b Rdn.

7).


Der Miûbrauch einer ec-card oder einer Kreditkarte durch einen berechtigten Karteninhaber, der - wie hier – Geld am Bankomaten in der Absicht abhebt , einen ihm damit gewährten Kredit nicht zurückzuzahlen, ist hingegen nicht nach § 263 a StGB strafbar. Denn der berechtigte Karteninhaber handelt nicht “unbefugt” im Sinne von § 263 a Abs. 1 3. Alt. StGB.
Die Auslegung des Merkmals der “unbefugten” Datenverwendung ist allerdings nicht unstreitig (vgl. zum Streitstand Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 a Rdn. 41 f. m.w.N.). Nach der gesetzgeberischen Intention ist der Anwendungsbereich dieser Tatbestandsalternative durch die Struktur- und Wertgleichheit mit dem Betrugstatbestand bestimmt. Mit § 263 a StGB sollte die Strafbarkeitslücke geschlossen werden, die dadurch entstanden war, daû der Tatbestand des Betrugs menschliche Entscheidungsprozesse voraussetzt, die bei dem Einsatz von EDV-Anlagen fehlen. Eine Ausdehnung der Strafbarkeit darüberhinaus war nicht beabsichtigt (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität [2. WiKG], BTDrucks. 10/318 S. 19; Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 10/5058 S. 30). Dem entspricht eine betrugsnahe oder betrugsspezifische Auslegung, wie sie auch von der überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung vertreten wird (so schon BGHSt 38, 120 f.; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1998, 137; Cramer aaO Rdn. 11, 19; Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 263 a Rdn. 13; Günther in SK-StGB § 263 a Rdn. 18; Tröndle/Fischer aaO § 263 a Rdn. 8; Bernsau, Der Scheck- und Kreditkartenmiûbrauch durch
den berechtigten Karteninhaber S. 167 f.,174). Danach ist nur eine solche Verwendung von Daten "unbefugtº, die täuschungsäquivalent ist. Ob allerdings eine Betrugsäquivalenz für die Abhebung von Geld am Geldautomaten mit der Abhebung am Schalter gegeben ist, ist ebenfalls streitig (bejahend Lackner /Kühl aaO § 263 a Rdn. 14; Tiedemann aaO Rdn. 51; Tröndle/Fischer aaO § 263 a Rdn. 8 a; ablehnend Günther aaO § 263 a Rdn. 19; Zielinski, Anmerkung zu BGHSt 38, 120 in CR 1992, 221 f. - jeweils m.w.N. -). Bejaht wird eine Betrugsäquivalenz insbesondere mit der Begründung, daû in beiden Fällen von einer schlüssigen Miterklärung auszugehen sei, daû das Konto gedeckt oder ein gewährter Kredit zurückgezahlt werde. Dabei wird aber zur Begründung der Täuschungsqualität der Abhebung am Geldautomaten auf einen fiktiven Bankangestellten abgestellt, der die Interessen der Bank umfassend wahrzunehmen hat. Zu Recht wird demgegenüber darauf hingewiesen, daû eine Vergleichbarkeit nur mit einem Schalterangestellten angenommen werden kann, der sich mit den Fragen befaût, die auch der Computer prüft (Altenhain JZ 1997, 752, 758). Der Computer prüft aber nicht die Bonität des berechtigten Karteninhabers, sondern lediglich, ob sich dieser im Rahmen des Verfügungsrahmens bewegt.
Für die hier vertretene Auffassung spricht zudem, daû der Gesetzgeber durch das 2. WiKG vom 15. Mai 1986 zugleich mit § 263 a StGB auch § 266 b StGB eingeführt hat. Diese Vorschrift stellt ein auf den berechtigten Karteninhaber beschränktes Sonderdelikt dar (BTDrucks. 10/5058 S. 32), das die vertragswidrige Bargeldbeschaffung mit einer gegenüber §§ 263, 263 a StGB geringeren Strafe bedroht. § 266 b StGB geht daher auch als lex specialis dem nach der bisherigen Rechtsprechung beim Einsatz einer ec-card als Scheck-
karte im eigentlichen Sinne verwirklichten § 263 StGB (vgl. BGHSt 24, 386, 388) vor (BGH NStZ 1987, 120; Tröndle/Fischer aaO § 266 b Rdn. 9). Erfaûte man den Miûbrauch der Scheckkarte als Codekarte am Gel dautomaten durch ihren berechtigten Inhaber als Computerbetrug nach § 263 a StGB, führte dies zu erheblichen Wertungswidersprüchen im Hinblick auf die unterschiedlichen Strafrahmen von § 263 a und § 266 b StGB und die fehlende Versuchsstrafbarkeit bei § 266 b StGB.
b) Der miûbräuchliche Einsatz der Scheckkarte zur Barabhebung an Geldautomaten ist bei Benutzung eines Automaten eines dritten Kreditinstituts nach § 266 b StGB strafbar (OLG Stuttgart NJW 1988, 981, 982; BayObLGSt 1997, 75, 77; Lenckner/Perron aaO § 266 b Rdn. 8; Maurach/Schroeder/ Maiwald, Strafrecht BT 8. Aufl. § 45 IV Rdn. 74; Kindhäuser in NK-StGB § 263 a Rdn. 46; aA Gribbohm in LK 11. Aufl. § 266 b Rdn. 10, 11). Allerdings hatte der Gesetzgeber bei der Schaffung dieses Tatbestands den Fall vor Augen, daû der Scheckkarteninhaber unter Verwendung der Karte und unter Ausnutzung der damit verbundenen Garantiefunktion Waren kauft und Dienstleistungen in Anspruch nimmt, obwohl er weiû, daû das Kreditinstitut seine Rechnungen zu bezahlen hat, er aber zur Erstattung der Auslagen nicht in der Lage sein wird (BTDrucks. 10/5058 S. 32). Im Wirtschaftsleben wird der Euroscheck über diese Zwecke hinaus aber auch vielfach zur Bargeldbeschaffung , etwa durch Bareinlösungen bei anderen Kreditinstituten verwendet. Auch diese keineswegs zweckwidrige Verwendung von Euroschecks (vgl. BGHZ 122, 156 f.) wird vom Tatbestand des § 266 b StGB erfaût, wenn der Scheckkarteninhaber zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist.
Die Verwendung der ec-card zur Barabhebung am Geldautomaten einer Drittbank ist damit vergleichbar. Allerdings wird in diesen Fällen die Karte nicht in ihrer eigentlichen Funktion als Scheckkarte eingesetzt, sondern lediglich als Codekarte (quasi als ªSchlüsselº) zur Abhebung am Automaten verwendet. Dementsprechend folgt auch eine Zahlungsverpflichtung der kartenausgebenden Bank gegenüber der Drittbank nicht aus der Garantiefunktion der ec-card. Eine Gleichbehandlung mit der Bareinlösung eines ec-Schecks bei einem anderen als dem bezogenen Kreditinstitut ist aber deshalb gerechtfertigt, weil auch in diesen Fällen das kartenausgebende Institut im Sinne von § 266 b StGB zu einer Zahlung ªveranlaûtº wird. Die Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Instituts ergibt sich dabei derzeit aus den ªVereinbarungen für das Deutsche ec-Geldautomatensystemº vom 1. Juli 1993, ªden Richtlinien für das Deutsche ec-Geldautomatensystemº und den ªBedingungen für den ecServiceº. Danach zieht das automatenbetreibende Institut den von seinem Geldautomaten ausgezahlten Betrag per Lastschrift bei dem kartenausgebenden Institut ein, wobei eine Rückgabe der Lastschrift wegen Widerspruchs, fehlender Deckung oder aus anderen Gründen im Sinne des Abkommens über den Lastschriftverkehr nicht möglich ist (Göûmann in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrecht 2. Aufl. § 54 Rdn. 1, 16). Damit erlangt das auszahlende Institut durch eine Handlung des Scheckkarteninhabers einen Anspruch gegenüber dem kartenausgebenden Institut, der dem aus einem Garantievertrag jedenfalls vergleichbar ist. Daû ein Garantievertrag im technischen Sinne erforderlich ist, läût sich weder dem Gesetzestext noch dem Gesetzeszweck entnehmen (vgl. auch Baier ZRP 2001, 454 f.).
c) Hingegen werden von § 266 b StGB vertragswidrige Bargeldabhebungen des Berechtigten an einem Geldautomaten des Kreditinstituts, das die
Karte selbst ausgegeben hat, nicht erfaût (BayObLGSt 1997, 75, 77; Lenckner /Perron aaO Rdn. 8; Zielinski aaO S. 227). Denn der Tatbestand des § 266 b StGB setzt ein Drei-Partner-System voraus, in dem der Aussteller der Karte dem Dritten, dessen Leistungen der Inhaber der Karte in Anspruch nimmt, Erfüllung (jedenfalls im weiteren Sinne) garantiert (BGHSt 38, 281, 282 ff. zur Kundenkarte; BayObLGSt 1997, 75, 77). Selbst wenn der Wortlaut der Vorschrift eine Auslegung des Merkmals ªzur Zahlung veranlassenº im Sinne einer bloû tatsächlichen Verursachung einer Zahlung nicht zwingend ausschlieût (so aber BGHSt 38, 281, 282; anders Ranft NStZ 1993, 185 f.; Otto JZ 1992, 1139 f.), spricht jedenfalls die Gesetzgebungsgeschichte gegen eine solche Auslegung und damit gegen die Einbeziehung des Zwei-Partner-Systems in den § 266 b StGB. Zwar wird im Bericht des Rechtsausschusses zu § 266 b StGB neben dem Drei-Partner-System auch das Zwei-Partner-System zumindest erläuternd erwähnt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte aber § 266 b StGB - wie ausgeführt - die Fälle erfassen , in denen der Täter die Karte gebraucht, obwohl er weiû, daû das Kreditinstitut seine Rechnungen zu bezahlen hat (BTDrucks. 10/5058 S. 32). Dies ist im Zwei-Personen-Verhältnis jedoch nicht der Fall, weil dabei keine Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Instituts entsteht. Die Karte wird insoweit nicht in ihrer Garantiefunktion (auch nicht im weiteren Sinne) verwendet. Daû der Gesetzgeber gerade auf die durch die Handlung des Karteninhabers begründete Zahlungsverpflichtung abgestellt hat, lassen die Ausführungen zum Begriff der Scheckkarte erkennen. Mit der Formulierung ªdie ihm durch die Überlassung einer Scheckkarte ... eingeräumte Möglichkeit, den Aussteller zu einer Zahlung zu veranlassenº sollte gerade auf die Garantiefunktion Bezug genommen werden (BTDrucks. 10/5058 S. 32).
Eine Ausweitung auf Auszahlungen im Zwei-Partner-System ist auch vom Zweck der Vorschrift, den der Gesetzgeber in dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Zahlungsverkehrs sieht (vgl. BTDrucks. 10/5058 S. 32), nicht gedeckt (BGHSt 38, 281, 284). Denn bei Abhebungen am Geldautomaten (oder am Schalter) der Hausbank wird die Karte lediglich zur technischen Erleichterung des Auszahlungsvorgangs verwendet, ohne daû eine Zahlungsverpflichtung des Instituts entsteht. Vielmehr hat es das kartenausstellende Kreditinstitut selbst in der Hand, die Bonität ihres Kunden durch geeignete technische Kontrollmaûnahmen zu überprüfen und eine Auszahlung des Geldes bei Benutzung seines Geldautomaten zu verweigern (Zielinski aaO S. 228). Dies führt allerdings dazu, daû der bloûe vertragswidrige Einsatz der Karten an eigenen Geldautomaten des kartenausgebenden Kreditinstituts in vielen Fällen - da auch eine Bestrafung nach §§ 242, 246 StGB nicht in Betracht kommt, weil das Kreditinstitut das Eigentum an den Geldscheinen an den berechtigten Kontoinhaber übertragen will (vgl. BGHSt 35, 152, 162 f.) - straflos bleiben wird. Abgesehen davon, daû in Fällen wie dem vorliegenden aber schon eine Strafbarkeit wegen Betrugs bei der Erlangung der ec-card zu bejahen ist, wobei die Abhebungen am Geldautomaten jedenfalls zu einer Vertiefung des Betrugsschadens führen, muû es dem Gesetzgeber überlassen bleiben , etwaige Strafbarkeitslücken zu füllen. 2. Da im Urteil die Kreditinstitute nicht festgestellt worden sind, deren Geldautomaten die Angeklagte benutzt hat, bedarf es zur Beurteilung einer Strafbarkeit nach § 266 b StGB weiterer Aufklärung. Die Aufhebung des Urteils in den Fällen II.10. und 12. - wobei die lediglich ergänzungsbedürftigen Feststellungen aufrechterhalten bleiben können - führt auch zur Aufhebung der
- rechtlich an sich nicht zu beanstandenden - Verurteilung im Fall II. 4. der Urteilsgründe. Insoweit hat die Angeklagte unter Vorlage des gefälschten Personalausweises und Täuschung über ihre Zahlungswilligkeit bei der Postbank die Eröffnung eines Kontos sowie die Übergabe von Schecks und einer Kreditkarte erreicht. Zudem hat sie - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt - auch die in den Fällen II.10. und 12. eingesetzte ec-card erlangt. Sie ist daher vom Landgericht zu Recht wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt worden. Der Betrug war mit der Aushändigung der Schecks und der ec-card sowie der Kreditkarte an die zahlungsunwillige Angeklagte vollendet, da dadurch eine konkrete Vermögensgefährdung eingetreten ist (vgl. BGHSt 33, 244, 246; BGHR StGB § 266 b Abs. 1 Konkurrenzen 2; BGH bei Dallinger MDR 1953, 21; zur Kreditkarte BGH wistra 1993, 183, 184). Die Frage, welcher Vermögensschaden durch diesen Betrug eingetreten ist und wie das Verhältnis eines etwa bei den Abhebungen begangenen Scheckkartenmiûbrauchs zu dem vorangegangen Betrug zu beurteilen ist, steht jedoch im untrennbaren Zusammenhang mit den Fällen 10. und 12.. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
a) Sollte der neue Tatrichter aufgrund der zulässigen ergänzenden Feststellungen dazu kommen, daû die Angeklagte in den Fällen II.10. und 12. (oder zumindest in einem dieser Fälle) an einem Geldautomaten eines dritten Kreditinstituts Geld abgehoben und sich somit nach § 266 b StGB strafbar gemacht hat, bestünde zwischen dem Betrug bei der Erlangung der Scheckkarte (Fall II.4.) und dem Miûbrauch der Karte durch deren Einsatz Tateinheit (vgl. BGHR StGB § 266 b Abs. 1 Konkurrenzen 2; Tröndle/Fischer aaO § 266 b
Rdn. 9; offengelassen BGH wistra 1993, 183, 184; aA Tatmehrheit: Lackner/ Kühl aaO § 266 b Rdn. 9; Bernsau aaO S. 133). Ein Zurücktreten des § 266 b StGB als mitbestrafte Nachtat (so Lenckner/Perron aaO Rdn. 14) scheidet bei dieser Fallgestaltung aus, da § 266 b StGB über das Vermögen hinaus auch die Funktionsfähigkeit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs schützt; dieser wird jedoch erst mit der miûbräuchlichen Benutzung der Scheckkarte tangiert (BGH wistra 1993, 183, 184). Die gegebenenfalls mehrfachen Vergehen des § 266 b StGB durch den Einsatz der Karte werden durch die jeweils vorliegende Tateinheit mit der bei der Erlangung der Karte begangenen Betrugstat ebenfalls zur Tateinheit verklammert.
b) Sollte der Tatrichter aufgrund der ergänzenden Feststellungen dazu kommen, daû die Angeklagte in den Fällen II.10. und 12. an Geldautomaten der Postbank abgehoben hat, wäre in der Auszahlung des Geldes lediglich die Beendigung des bereits mit der Kontoeröffnung und Erlangung der ec-card vollendeten Betrugs zu sehen. Der dadurch bereits eingetretene Schaden wäre bei einer späteren Auszahlung des Geldes durch die Postbank lediglich vertieft worden. Mehrere Handlungen während eines Gesamtablaufs, die ebenso wie die erste Täuschung nur auf die Herbeiführung des vom Täter von vornherein ins Auge gefaûten endgültigen Erfüllungsschadens gerichtet sind, haben rechtlich keine selbständige Bedeutung, so daû insoweit nur von einer Betrugstat auszugehen ist (Lackner in LK 10. Aufl. § 263 Rdn. 292; vgl. auch BGHR StGB § 263 Abs. 1 Konkurrenzen 9 zum Verhältnis Eingehungs- Erfüllungsbetrug). 3. Hinsichtlich der übrigen Fälle war der Schuldspruch wie aus dem Tenor ersichtlich zu ändern.
a) Das Verschaffen eines falschen amtlichen Ausweises gemäû § 276 StGB im Fall II.1. stellt hier keine rechtlich selbständige Tat dar. Vielmehr tritt
es hinter der Urkundenfälschung durch Gebrauchmachen von dem Ausweis - u.a. im Fall II.2. - als subsidiär zurück (BGHR StGB § 276 Konkurrenzen 1), so daû der Schuldspruch insoweit entfällt.
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehen die abgeurteilten Fälle II.3., 5., 8. und 13. bis 17. nicht in Tatmehrheit zueinander. Die Angeklagte hat sich vielmehr des Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen und mit Miûbrauch von Scheck- und Kreditkarten in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen schuldig gemacht. aa) Im Fall II.3. hat die Angeklagte unter Vorlage des gefälschten Personalausweises und Täuschung über ihre Zahlungswilligkeit bei der Sparda-Bank ein Konto eröffnet und die Einräumung eines Überziehungskredits erlangt. Sie ist insoweit vom Landgericht wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt worden. Da sie bei der Kontoeröffnung vergessen hatte, auch Schecks und eine ec-card zu beantragen, suchte sie etwa zwei Wochen später erneut die Sparda-Bank auf. Dabei legte sie gefälschte Gehaltsabrechnungen vor und erhielt eine ec-card und Euroschecks ausgehändigt (Fall II.5.). Die Auffassung der Kammer, die damit verwirklichte Urkundenfälschung stehe zu Fall II.3. in Tatmehrheit, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Vielmehr ist hinsichtlich der abgeurteilten Fälle II.3. und 5. Tateinheit gegeben, weil die Angeklagte schon bei der Kontoeröffnung beabsichtigt hatte, eine eccard und Euroschecks zu erlangen, um damit Abhebungen tätigen zu können. Die beiden Urkundenfälschungen in den Fällen II.3. und 5. werden daher durch die vorliegende einheitliche Betrugstat, die bereits mit der Täuschung bei der Kontoeröffnung begonnen hat, zu Tateinheit verklammert (vgl. BGHR StGB § 266 b Abs. 1 Konkurrenzen 2).
bb) Auch im Fall II.8. ist ein - gegenüber dem bereits mit der Kontoeröffnung und Inempfangnahme der ec-card und Schecks begangenen - als selbständig zu bewertender Betrug nicht gegeben. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich, daû die Angeklagte in diesem Fall von dem bei der Sparda-Bank eröffneten Konto am Schalter einer Filiale der SpardaBank die Auszahlung von DM 4.400,-- erreicht hat. Danach lag in der Auszahlung aber lediglich die Beendigung des bereits mit der Täuschung bei der Kontoeröffnung begonnen Betrugs. Dabei kann offenbleiben, ob der Betrug schon durch die Einräumung eines Überziehungskredits vollendet war (ablehnend BGH StV 1989, 199 f. zur Kundenkarte; offengelassen BGHSt 15, 24, 26). Denn jedenfalls lag mit der - von der Angeklagten von vornherein beabsichtigten - Aushändigung der Schecks und der ec-card an die zahlungsunwillige Angeklagte ein vollendeter Betrug vor, da dadurch eine konkrete Vermögensgefährdung eingetreten ist (BGHSt 33, 244, 246; BGHR StGB § 266 b Abs. 1 Konkurrenzen 2; BGH bei Dallinger MDR 1953, 21; zur Kreditkarte BGH wistra 1993, 183, 184), der durch die spätere Auszahlung des Geldes bei der Filiale der Sparda-Bank lediglich vertieft worden ist. cc) In den Fällen II.13. bis 16. hat das Landgericht die Angeklagte zu Recht wegen Miûbrauchs von Scheck- und Kreditkarten gemäû § 266 b StGB verurteilt. Sie hat insoweit jeweils bei Drittbanken die im Fall II.5. erlangten Euroschecks der Sparda-Bank unter Verwendung der ec-card über die Garantiesumme von DM 400,-- eingelöst, wobei sie von Anfang an vor hatte, die anfallenden Belastungen auf ihrem Konto nicht auszugleichen. Für die Strafbarkeit nach § 266 b StGB kommt es dabei nicht darauf an, ob die Angeklagte durch die Einlösung der Schecks den ihr bei der Kontoeröffnung gewährten Überzie-
hungskredit überschritten hat. Die Vorschrift zielt vielmehr gerade auch auf diejenigen Fälle ab, in denen der dem Karteninhaber vertraglich vorgegebene Rahmen nicht überschritten wird, er diesen Rahmen aber nicht ausschöpfen darf, weil er zur Ausgleichung der aufgelaufenen Schuldsalden am Fälligkeitstermin nicht in der Lage sein wird (Ranft JuS 1988, 673, 678). Die Annahme von Tatmehrheit in den Fällen II.13. bis 16. ist hingegen rechtlich zu beanstanden, da die Angeklagte bereits die Aushändigung der Scheckkarte durch eine Betrugstat erlangt hatte. Zwischen der Betrugstat bei Erlangung der Karte und dem Miûbrauch der Karte durch deren Einsatz besteht jedoch Tateinheit (s.o. III. 3)b)aa)). Steht aber danach bei der hier gegebenen Sachlage jeder Miûbrauch der Scheckkarte in Tateinheit mit der bei ihrer Erlangung begangenen Betrugstat, so verklammert der Betrug auch die mehrfachen Vergehen nach § 266 b StGB in den Fällen II.13. bis 16. zu Tateinheit. dd) Hingegen kommt eine Verurteilung nach § 266 b StGB im Fall II.17. nicht in Betracht. Denn hier hat sich die Angeklagte unter Vorlage von zwei im Fall II.5. erlangten Euroschecks und der ec-card DM 800,-- von der SpardaBank , also dem kartenausgebenden Kreditinstitut selbst, auszahlen lassen. Der vorgelegte Scheck ist insoweit lediglich als Bankscheck anzusehen, mit dem die Angeklagte eine Auszahlung vom eigenen Konto begehrt und für den die Garantiefunktion der Scheckkarte keine Rolle spielt. Auch insoweit kommt dem bei der Auszahlung verwirklichten Betrug gegenüber der Sparda-Bank keine selbständige Bedeutung zu. Er stellt sich als eine Tat mit Fall II.3./5. dar, da die Angeklagte bereits bei der Kontoeröffnung beabsichtigt hat, dieses durch Abhebungen zu überziehen, ohne den Saldo
auszugleichen. Die Abhebung ist daher lediglich als Beendigung des Betrugs anzusehen (vgl. auch BGHR StGB § 266 b Abs. 1 Konkurrenzen 2).
c) Hingegen ist die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begangenen Betrugs in den Fällen II.18. bis 22. rechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit hat die Angeklagte die ec-card im Lastschriftverfahren (sog. POZ-System: Point of sale ohne Zahlungsgarantie) eingesetzt. Dabei übernimmt die kartenausgebende Bank keine Garantie für die Zahlung. Vielmehr erteilt der Karteninhaber durch seine Unterschrift lediglich eine Einzugsermächtigung, so daû der Geschäftspartner das Risiko der Nichteinlösung trägt (BGHSt 46, 146, 148, 150). Der Schaden ist daher in diesen Fällen nicht bei der kartenausgebenden Bank, sondern bei dem jeweiligen Geschäftspartner, also einem Dritten eingetreten, so daû eine rechtlich selbständige Tat mit gesondert strafwürdigem Unrecht vorliegt. Die Angeklagte hat sich demnach in den Fällen II.9., 11., 19., 21. und 22. des Betruges, in den Fällen II.6., 7., 18. und 20. des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung, im Fall II.2. der Urkundenfälschung und in den Fällen II.3., 5., 8. und 13. bis 17. e i n e s Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung (in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen) und mit Miûbrauch von Scheck- und Kreditkarten (in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen) schuldig gemacht. § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, da auszuschlieûen ist, daû sich die geständige Angeklagte gegen den Tatvorwurf anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der in den Fällen II.1., 3., 5., 8. sowie 13. bis 17. verhängten Einzelstrafen. Da die Aufhebung
der Strafaussprüche lediglich durch die Veränderung der Konkurrenzverhältnisse bedingt ist, können die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten bleiben. Der Senat schlieût aus, daû die Höhe der übrigen Einzelstrafen in den Fällen II.2., 6., 7., 9., 11. sowie 18. bis 22. von den Rechtsfehlern beeinfluût ist. Jähnke Detter Bode Otten Elf

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unrichtige Gestaltung des Programms, durch Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, durch unbefugte Verwendung von Daten oder sonst durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf beeinflußt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 263 Abs. 2 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Wer eine Straftat nach Absatz 1 vorbereitet, indem er

1.
Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt oder einem anderen überlässt oder
2.
Passwörter oder sonstige Sicherungscodes, die zur Begehung einer solchen Tat geeignet sind, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt oder einem anderen überlässt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) In den Fällen des Absatzes 3 gilt § 149 Abs. 2 und 3 entsprechend.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
§§ 263 a, 266 b StGB
1. Der berechtigte Inhaber einer Scheckkarte, der unter Verwendung
der Karte und der PIN-Nummer an einem Geldautomaten Bargeld
abhebt, ohne zum Ausgleich des erlangten Betrages willens oder
in der Lage zu sein, macht sich nicht nach § 263 a StGB strafbar.
2. § 266 b StGB erfaßt auch die mißbräuchliche Verwendung einer
Scheckkarte als Codekarte zur Abhebung an Geldautomaten
durch den berechtigten Karteninhaber; dies gilt jedoch nicht bei
Abhebungen an Automaten des Kreditinstituts, das die Karte
selbst ausgegeben hat.
BGH, Beschl. vom 21. November 2001 - 2 StR 260/01 - Landgericht
Kassel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 260/01
vom
21. November 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 21. November 2001 gemäû § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 6. Juni 2000
a) in den Fällen II.4., 10. und 12. aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben jedoch aufrechterhalten,
b) hinsichtlich der übrigen Fälle im Schuldspruch dahin geändert und klargestellt, daû die Angeklagte der Urkundenfälschung (II.2.), des Betruges in 10 Fällen (Fälle II.3., 6., 7., 9., 11., 18. bis 22.), davon in 5 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung (Fälle II.3., 6., 7., 18., 20.) und in einem dieser Fälle in weiterer Tateinheit mit Miûbrauch von Scheck- und Kreditkarten (Fälle II.13. bis 16.) schuldig ist,
c) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II.1., 3., 5., 8. und 13. bis 17. sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben jedoch aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


I.

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen, Gebrauchmachens einer falschen Urkunde in acht Fällen , davon in Tateinheit mit Betrug in fünf (tatsächlich sechs) Fällen, Betrugs in sechs Fällen, Computerbetrugs in zwei Fällen und Miûbrauchs von Scheckund Kreditkarten in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat in dem aus dem Beschluûtenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

II.

Die Angeklagte verschaffte sich Ende 1999 einen gefälschten Personalausweis und eröffnete unter Täuschung über ihre Identität bei vier Kreditinstituten jeweils ein Konto, wobei sie beabsichtigte, die Konten insbesondere unter Verwendung der erlangten Kreditkarten, ec-cards und Schecks zu überziehen, ohne die Salden auszugleichen, um sich oder ihrem Freund einen Vermögensvorteil zu verschaffen. In der Folgezeit hob sie zumeist unter Einsatz der Karten in mehreren Fällen, u. a. auch an Geldautomaten Geld ab, löste Euroschecks über die Garantiesumme ein und verwendete eine der ec-cards in Geschäften zur Bezahlung im Lastschriftverfahren, wodurch ein Schaden von insgesamt ca. DM 23.000,-- entstand. Zudem erhielt sie unter Täuschung über ihre Identität und Rückzahlungswilligkeit von einer Bank einen Kredit über DM 20.000,--, der ihr in bar ausgezahlt wurde.

III.

1. Das Urteil des Landgerichts hält in den Fällen II.10. und 12. rechtlicher Überprüfung nicht stand. In diesen Fällen hat die Angeklagte jeweils unter Verwendung der zuvor durch Täuschung von der Postbank erlangten ec-card und PIN-Nummer an Geldautomaten - von im Urteil nicht näher bezeichneten Kreditinstituten - Bargeld abgehoben. Das Landgericht hat die Angeklagte insoweit wegen Computerbetrugs gemäû § 263 a StGB jeweils in Tatmehrheit zu dem bereits bei der Erlangung der ec-card begangenen Betrugs (Fall II.4.) verurteilt. Dies begegnet in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden Bedenken:
a) Der Einsatz der ec-card an den Geldautomaten zur Bargeldbeschaffung durch die Angeklagte erfüllt bei der gegebenen Sachlage die Voraussetzungen des § 263 a StGB nicht. Der hier allein in Betracht kommende Fall der unbefugten Verwendung von Daten (§ 263 a Abs. 1 3. Alt. StGB) liegt nicht vor. Von § 263 a Abs. 1 3. Alt. StGB erfaût werden nach allgemeiner Ansicht Abhebungen an einem Geldautomaten durch einen Nichtberechtigten, der eine gefälschte, manipulierte oder mittels verbotener Eigenmacht erlangte Karte verwendet (vgl. BGHSt 38, 120, 121; OLG Stuttgart NJW 1988, 981, 982; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 263 a Rdn. 11 m.w.N.; Tröndle /Fischer, StGB 50. Aufl. § 263 a Rdn. 8 a). Nichtberechtigt in diesem Sinne war die Angeklagte jedoch nicht. Sie hat die ec-card von der Postbank zur Verwendung erhalten. Berechtigter Karteninhaber ist aber auch derjenige, der die Überlassung der Karte unter Täuschung über seine Identität vom Kartenaussteller erlangt hat (BGHR StGB § 266 b
Abs. 1 Konkurrenzen 2; BGH wistra 1993, 183, 184; Tröndle/Fischer aaO § 263 a Rdn. 8 a; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 266 b Rdn.

7).


Der Miûbrauch einer ec-card oder einer Kreditkarte durch einen berechtigten Karteninhaber, der - wie hier – Geld am Bankomaten in der Absicht abhebt , einen ihm damit gewährten Kredit nicht zurückzuzahlen, ist hingegen nicht nach § 263 a StGB strafbar. Denn der berechtigte Karteninhaber handelt nicht “unbefugt” im Sinne von § 263 a Abs. 1 3. Alt. StGB.
Die Auslegung des Merkmals der “unbefugten” Datenverwendung ist allerdings nicht unstreitig (vgl. zum Streitstand Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 a Rdn. 41 f. m.w.N.). Nach der gesetzgeberischen Intention ist der Anwendungsbereich dieser Tatbestandsalternative durch die Struktur- und Wertgleichheit mit dem Betrugstatbestand bestimmt. Mit § 263 a StGB sollte die Strafbarkeitslücke geschlossen werden, die dadurch entstanden war, daû der Tatbestand des Betrugs menschliche Entscheidungsprozesse voraussetzt, die bei dem Einsatz von EDV-Anlagen fehlen. Eine Ausdehnung der Strafbarkeit darüberhinaus war nicht beabsichtigt (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität [2. WiKG], BTDrucks. 10/318 S. 19; Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 10/5058 S. 30). Dem entspricht eine betrugsnahe oder betrugsspezifische Auslegung, wie sie auch von der überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung vertreten wird (so schon BGHSt 38, 120 f.; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1998, 137; Cramer aaO Rdn. 11, 19; Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 263 a Rdn. 13; Günther in SK-StGB § 263 a Rdn. 18; Tröndle/Fischer aaO § 263 a Rdn. 8; Bernsau, Der Scheck- und Kreditkartenmiûbrauch durch
den berechtigten Karteninhaber S. 167 f.,174). Danach ist nur eine solche Verwendung von Daten "unbefugtº, die täuschungsäquivalent ist. Ob allerdings eine Betrugsäquivalenz für die Abhebung von Geld am Geldautomaten mit der Abhebung am Schalter gegeben ist, ist ebenfalls streitig (bejahend Lackner /Kühl aaO § 263 a Rdn. 14; Tiedemann aaO Rdn. 51; Tröndle/Fischer aaO § 263 a Rdn. 8 a; ablehnend Günther aaO § 263 a Rdn. 19; Zielinski, Anmerkung zu BGHSt 38, 120 in CR 1992, 221 f. - jeweils m.w.N. -). Bejaht wird eine Betrugsäquivalenz insbesondere mit der Begründung, daû in beiden Fällen von einer schlüssigen Miterklärung auszugehen sei, daû das Konto gedeckt oder ein gewährter Kredit zurückgezahlt werde. Dabei wird aber zur Begründung der Täuschungsqualität der Abhebung am Geldautomaten auf einen fiktiven Bankangestellten abgestellt, der die Interessen der Bank umfassend wahrzunehmen hat. Zu Recht wird demgegenüber darauf hingewiesen, daû eine Vergleichbarkeit nur mit einem Schalterangestellten angenommen werden kann, der sich mit den Fragen befaût, die auch der Computer prüft (Altenhain JZ 1997, 752, 758). Der Computer prüft aber nicht die Bonität des berechtigten Karteninhabers, sondern lediglich, ob sich dieser im Rahmen des Verfügungsrahmens bewegt.
Für die hier vertretene Auffassung spricht zudem, daû der Gesetzgeber durch das 2. WiKG vom 15. Mai 1986 zugleich mit § 263 a StGB auch § 266 b StGB eingeführt hat. Diese Vorschrift stellt ein auf den berechtigten Karteninhaber beschränktes Sonderdelikt dar (BTDrucks. 10/5058 S. 32), das die vertragswidrige Bargeldbeschaffung mit einer gegenüber §§ 263, 263 a StGB geringeren Strafe bedroht. § 266 b StGB geht daher auch als lex specialis dem nach der bisherigen Rechtsprechung beim Einsatz einer ec-card als Scheck-
karte im eigentlichen Sinne verwirklichten § 263 StGB (vgl. BGHSt 24, 386, 388) vor (BGH NStZ 1987, 120; Tröndle/Fischer aaO § 266 b Rdn. 9). Erfaûte man den Miûbrauch der Scheckkarte als Codekarte am Gel dautomaten durch ihren berechtigten Inhaber als Computerbetrug nach § 263 a StGB, führte dies zu erheblichen Wertungswidersprüchen im Hinblick auf die unterschiedlichen Strafrahmen von § 263 a und § 266 b StGB und die fehlende Versuchsstrafbarkeit bei § 266 b StGB.
b) Der miûbräuchliche Einsatz der Scheckkarte zur Barabhebung an Geldautomaten ist bei Benutzung eines Automaten eines dritten Kreditinstituts nach § 266 b StGB strafbar (OLG Stuttgart NJW 1988, 981, 982; BayObLGSt 1997, 75, 77; Lenckner/Perron aaO § 266 b Rdn. 8; Maurach/Schroeder/ Maiwald, Strafrecht BT 8. Aufl. § 45 IV Rdn. 74; Kindhäuser in NK-StGB § 263 a Rdn. 46; aA Gribbohm in LK 11. Aufl. § 266 b Rdn. 10, 11). Allerdings hatte der Gesetzgeber bei der Schaffung dieses Tatbestands den Fall vor Augen, daû der Scheckkarteninhaber unter Verwendung der Karte und unter Ausnutzung der damit verbundenen Garantiefunktion Waren kauft und Dienstleistungen in Anspruch nimmt, obwohl er weiû, daû das Kreditinstitut seine Rechnungen zu bezahlen hat, er aber zur Erstattung der Auslagen nicht in der Lage sein wird (BTDrucks. 10/5058 S. 32). Im Wirtschaftsleben wird der Euroscheck über diese Zwecke hinaus aber auch vielfach zur Bargeldbeschaffung , etwa durch Bareinlösungen bei anderen Kreditinstituten verwendet. Auch diese keineswegs zweckwidrige Verwendung von Euroschecks (vgl. BGHZ 122, 156 f.) wird vom Tatbestand des § 266 b StGB erfaût, wenn der Scheckkarteninhaber zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist.
Die Verwendung der ec-card zur Barabhebung am Geldautomaten einer Drittbank ist damit vergleichbar. Allerdings wird in diesen Fällen die Karte nicht in ihrer eigentlichen Funktion als Scheckkarte eingesetzt, sondern lediglich als Codekarte (quasi als ªSchlüsselº) zur Abhebung am Automaten verwendet. Dementsprechend folgt auch eine Zahlungsverpflichtung der kartenausgebenden Bank gegenüber der Drittbank nicht aus der Garantiefunktion der ec-card. Eine Gleichbehandlung mit der Bareinlösung eines ec-Schecks bei einem anderen als dem bezogenen Kreditinstitut ist aber deshalb gerechtfertigt, weil auch in diesen Fällen das kartenausgebende Institut im Sinne von § 266 b StGB zu einer Zahlung ªveranlaûtº wird. Die Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Instituts ergibt sich dabei derzeit aus den ªVereinbarungen für das Deutsche ec-Geldautomatensystemº vom 1. Juli 1993, ªden Richtlinien für das Deutsche ec-Geldautomatensystemº und den ªBedingungen für den ecServiceº. Danach zieht das automatenbetreibende Institut den von seinem Geldautomaten ausgezahlten Betrag per Lastschrift bei dem kartenausgebenden Institut ein, wobei eine Rückgabe der Lastschrift wegen Widerspruchs, fehlender Deckung oder aus anderen Gründen im Sinne des Abkommens über den Lastschriftverkehr nicht möglich ist (Göûmann in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrecht 2. Aufl. § 54 Rdn. 1, 16). Damit erlangt das auszahlende Institut durch eine Handlung des Scheckkarteninhabers einen Anspruch gegenüber dem kartenausgebenden Institut, der dem aus einem Garantievertrag jedenfalls vergleichbar ist. Daû ein Garantievertrag im technischen Sinne erforderlich ist, läût sich weder dem Gesetzestext noch dem Gesetzeszweck entnehmen (vgl. auch Baier ZRP 2001, 454 f.).
c) Hingegen werden von § 266 b StGB vertragswidrige Bargeldabhebungen des Berechtigten an einem Geldautomaten des Kreditinstituts, das die
Karte selbst ausgegeben hat, nicht erfaût (BayObLGSt 1997, 75, 77; Lenckner /Perron aaO Rdn. 8; Zielinski aaO S. 227). Denn der Tatbestand des § 266 b StGB setzt ein Drei-Partner-System voraus, in dem der Aussteller der Karte dem Dritten, dessen Leistungen der Inhaber der Karte in Anspruch nimmt, Erfüllung (jedenfalls im weiteren Sinne) garantiert (BGHSt 38, 281, 282 ff. zur Kundenkarte; BayObLGSt 1997, 75, 77). Selbst wenn der Wortlaut der Vorschrift eine Auslegung des Merkmals ªzur Zahlung veranlassenº im Sinne einer bloû tatsächlichen Verursachung einer Zahlung nicht zwingend ausschlieût (so aber BGHSt 38, 281, 282; anders Ranft NStZ 1993, 185 f.; Otto JZ 1992, 1139 f.), spricht jedenfalls die Gesetzgebungsgeschichte gegen eine solche Auslegung und damit gegen die Einbeziehung des Zwei-Partner-Systems in den § 266 b StGB. Zwar wird im Bericht des Rechtsausschusses zu § 266 b StGB neben dem Drei-Partner-System auch das Zwei-Partner-System zumindest erläuternd erwähnt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte aber § 266 b StGB - wie ausgeführt - die Fälle erfassen , in denen der Täter die Karte gebraucht, obwohl er weiû, daû das Kreditinstitut seine Rechnungen zu bezahlen hat (BTDrucks. 10/5058 S. 32). Dies ist im Zwei-Personen-Verhältnis jedoch nicht der Fall, weil dabei keine Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Instituts entsteht. Die Karte wird insoweit nicht in ihrer Garantiefunktion (auch nicht im weiteren Sinne) verwendet. Daû der Gesetzgeber gerade auf die durch die Handlung des Karteninhabers begründete Zahlungsverpflichtung abgestellt hat, lassen die Ausführungen zum Begriff der Scheckkarte erkennen. Mit der Formulierung ªdie ihm durch die Überlassung einer Scheckkarte ... eingeräumte Möglichkeit, den Aussteller zu einer Zahlung zu veranlassenº sollte gerade auf die Garantiefunktion Bezug genommen werden (BTDrucks. 10/5058 S. 32).
Eine Ausweitung auf Auszahlungen im Zwei-Partner-System ist auch vom Zweck der Vorschrift, den der Gesetzgeber in dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Zahlungsverkehrs sieht (vgl. BTDrucks. 10/5058 S. 32), nicht gedeckt (BGHSt 38, 281, 284). Denn bei Abhebungen am Geldautomaten (oder am Schalter) der Hausbank wird die Karte lediglich zur technischen Erleichterung des Auszahlungsvorgangs verwendet, ohne daû eine Zahlungsverpflichtung des Instituts entsteht. Vielmehr hat es das kartenausstellende Kreditinstitut selbst in der Hand, die Bonität ihres Kunden durch geeignete technische Kontrollmaûnahmen zu überprüfen und eine Auszahlung des Geldes bei Benutzung seines Geldautomaten zu verweigern (Zielinski aaO S. 228). Dies führt allerdings dazu, daû der bloûe vertragswidrige Einsatz der Karten an eigenen Geldautomaten des kartenausgebenden Kreditinstituts in vielen Fällen - da auch eine Bestrafung nach §§ 242, 246 StGB nicht in Betracht kommt, weil das Kreditinstitut das Eigentum an den Geldscheinen an den berechtigten Kontoinhaber übertragen will (vgl. BGHSt 35, 152, 162 f.) - straflos bleiben wird. Abgesehen davon, daû in Fällen wie dem vorliegenden aber schon eine Strafbarkeit wegen Betrugs bei der Erlangung der ec-card zu bejahen ist, wobei die Abhebungen am Geldautomaten jedenfalls zu einer Vertiefung des Betrugsschadens führen, muû es dem Gesetzgeber überlassen bleiben , etwaige Strafbarkeitslücken zu füllen. 2. Da im Urteil die Kreditinstitute nicht festgestellt worden sind, deren Geldautomaten die Angeklagte benutzt hat, bedarf es zur Beurteilung einer Strafbarkeit nach § 266 b StGB weiterer Aufklärung. Die Aufhebung des Urteils in den Fällen II.10. und 12. - wobei die lediglich ergänzungsbedürftigen Feststellungen aufrechterhalten bleiben können - führt auch zur Aufhebung der
- rechtlich an sich nicht zu beanstandenden - Verurteilung im Fall II. 4. der Urteilsgründe. Insoweit hat die Angeklagte unter Vorlage des gefälschten Personalausweises und Täuschung über ihre Zahlungswilligkeit bei der Postbank die Eröffnung eines Kontos sowie die Übergabe von Schecks und einer Kreditkarte erreicht. Zudem hat sie - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt - auch die in den Fällen II.10. und 12. eingesetzte ec-card erlangt. Sie ist daher vom Landgericht zu Recht wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt worden. Der Betrug war mit der Aushändigung der Schecks und der ec-card sowie der Kreditkarte an die zahlungsunwillige Angeklagte vollendet, da dadurch eine konkrete Vermögensgefährdung eingetreten ist (vgl. BGHSt 33, 244, 246; BGHR StGB § 266 b Abs. 1 Konkurrenzen 2; BGH bei Dallinger MDR 1953, 21; zur Kreditkarte BGH wistra 1993, 183, 184). Die Frage, welcher Vermögensschaden durch diesen Betrug eingetreten ist und wie das Verhältnis eines etwa bei den Abhebungen begangenen Scheckkartenmiûbrauchs zu dem vorangegangen Betrug zu beurteilen ist, steht jedoch im untrennbaren Zusammenhang mit den Fällen 10. und 12.. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
a) Sollte der neue Tatrichter aufgrund der zulässigen ergänzenden Feststellungen dazu kommen, daû die Angeklagte in den Fällen II.10. und 12. (oder zumindest in einem dieser Fälle) an einem Geldautomaten eines dritten Kreditinstituts Geld abgehoben und sich somit nach § 266 b StGB strafbar gemacht hat, bestünde zwischen dem Betrug bei der Erlangung der Scheckkarte (Fall II.4.) und dem Miûbrauch der Karte durch deren Einsatz Tateinheit (vgl. BGHR StGB § 266 b Abs. 1 Konkurrenzen 2; Tröndle/Fischer aaO § 266 b
Rdn. 9; offengelassen BGH wistra 1993, 183, 184; aA Tatmehrheit: Lackner/ Kühl aaO § 266 b Rdn. 9; Bernsau aaO S. 133). Ein Zurücktreten des § 266 b StGB als mitbestrafte Nachtat (so Lenckner/Perron aaO Rdn. 14) scheidet bei dieser Fallgestaltung aus, da § 266 b StGB über das Vermögen hinaus auch die Funktionsfähigkeit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs schützt; dieser wird jedoch erst mit der miûbräuchlichen Benutzung der Scheckkarte tangiert (BGH wistra 1993, 183, 184). Die gegebenenfalls mehrfachen Vergehen des § 266 b StGB durch den Einsatz der Karte werden durch die jeweils vorliegende Tateinheit mit der bei der Erlangung der Karte begangenen Betrugstat ebenfalls zur Tateinheit verklammert.
b) Sollte der Tatrichter aufgrund der ergänzenden Feststellungen dazu kommen, daû die Angeklagte in den Fällen II.10. und 12. an Geldautomaten der Postbank abgehoben hat, wäre in der Auszahlung des Geldes lediglich die Beendigung des bereits mit der Kontoeröffnung und Erlangung der ec-card vollendeten Betrugs zu sehen. Der dadurch bereits eingetretene Schaden wäre bei einer späteren Auszahlung des Geldes durch die Postbank lediglich vertieft worden. Mehrere Handlungen während eines Gesamtablaufs, die ebenso wie die erste Täuschung nur auf die Herbeiführung des vom Täter von vornherein ins Auge gefaûten endgültigen Erfüllungsschadens gerichtet sind, haben rechtlich keine selbständige Bedeutung, so daû insoweit nur von einer Betrugstat auszugehen ist (Lackner in LK 10. Aufl. § 263 Rdn. 292; vgl. auch BGHR StGB § 263 Abs. 1 Konkurrenzen 9 zum Verhältnis Eingehungs- Erfüllungsbetrug). 3. Hinsichtlich der übrigen Fälle war der Schuldspruch wie aus dem Tenor ersichtlich zu ändern.
a) Das Verschaffen eines falschen amtlichen Ausweises gemäû § 276 StGB im Fall II.1. stellt hier keine rechtlich selbständige Tat dar. Vielmehr tritt
es hinter der Urkundenfälschung durch Gebrauchmachen von dem Ausweis - u.a. im Fall II.2. - als subsidiär zurück (BGHR StGB § 276 Konkurrenzen 1), so daû der Schuldspruch insoweit entfällt.
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehen die abgeurteilten Fälle II.3., 5., 8. und 13. bis 17. nicht in Tatmehrheit zueinander. Die Angeklagte hat sich vielmehr des Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen und mit Miûbrauch von Scheck- und Kreditkarten in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen schuldig gemacht. aa) Im Fall II.3. hat die Angeklagte unter Vorlage des gefälschten Personalausweises und Täuschung über ihre Zahlungswilligkeit bei der Sparda-Bank ein Konto eröffnet und die Einräumung eines Überziehungskredits erlangt. Sie ist insoweit vom Landgericht wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt worden. Da sie bei der Kontoeröffnung vergessen hatte, auch Schecks und eine ec-card zu beantragen, suchte sie etwa zwei Wochen später erneut die Sparda-Bank auf. Dabei legte sie gefälschte Gehaltsabrechnungen vor und erhielt eine ec-card und Euroschecks ausgehändigt (Fall II.5.). Die Auffassung der Kammer, die damit verwirklichte Urkundenfälschung stehe zu Fall II.3. in Tatmehrheit, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Vielmehr ist hinsichtlich der abgeurteilten Fälle II.3. und 5. Tateinheit gegeben, weil die Angeklagte schon bei der Kontoeröffnung beabsichtigt hatte, eine eccard und Euroschecks zu erlangen, um damit Abhebungen tätigen zu können. Die beiden Urkundenfälschungen in den Fällen II.3. und 5. werden daher durch die vorliegende einheitliche Betrugstat, die bereits mit der Täuschung bei der Kontoeröffnung begonnen hat, zu Tateinheit verklammert (vgl. BGHR StGB § 266 b Abs. 1 Konkurrenzen 2).
bb) Auch im Fall II.8. ist ein - gegenüber dem bereits mit der Kontoeröffnung und Inempfangnahme der ec-card und Schecks begangenen - als selbständig zu bewertender Betrug nicht gegeben. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich, daû die Angeklagte in diesem Fall von dem bei der Sparda-Bank eröffneten Konto am Schalter einer Filiale der SpardaBank die Auszahlung von DM 4.400,-- erreicht hat. Danach lag in der Auszahlung aber lediglich die Beendigung des bereits mit der Täuschung bei der Kontoeröffnung begonnen Betrugs. Dabei kann offenbleiben, ob der Betrug schon durch die Einräumung eines Überziehungskredits vollendet war (ablehnend BGH StV 1989, 199 f. zur Kundenkarte; offengelassen BGHSt 15, 24, 26). Denn jedenfalls lag mit der - von der Angeklagten von vornherein beabsichtigten - Aushändigung der Schecks und der ec-card an die zahlungsunwillige Angeklagte ein vollendeter Betrug vor, da dadurch eine konkrete Vermögensgefährdung eingetreten ist (BGHSt 33, 244, 246; BGHR StGB § 266 b Abs. 1 Konkurrenzen 2; BGH bei Dallinger MDR 1953, 21; zur Kreditkarte BGH wistra 1993, 183, 184), der durch die spätere Auszahlung des Geldes bei der Filiale der Sparda-Bank lediglich vertieft worden ist. cc) In den Fällen II.13. bis 16. hat das Landgericht die Angeklagte zu Recht wegen Miûbrauchs von Scheck- und Kreditkarten gemäû § 266 b StGB verurteilt. Sie hat insoweit jeweils bei Drittbanken die im Fall II.5. erlangten Euroschecks der Sparda-Bank unter Verwendung der ec-card über die Garantiesumme von DM 400,-- eingelöst, wobei sie von Anfang an vor hatte, die anfallenden Belastungen auf ihrem Konto nicht auszugleichen. Für die Strafbarkeit nach § 266 b StGB kommt es dabei nicht darauf an, ob die Angeklagte durch die Einlösung der Schecks den ihr bei der Kontoeröffnung gewährten Überzie-
hungskredit überschritten hat. Die Vorschrift zielt vielmehr gerade auch auf diejenigen Fälle ab, in denen der dem Karteninhaber vertraglich vorgegebene Rahmen nicht überschritten wird, er diesen Rahmen aber nicht ausschöpfen darf, weil er zur Ausgleichung der aufgelaufenen Schuldsalden am Fälligkeitstermin nicht in der Lage sein wird (Ranft JuS 1988, 673, 678). Die Annahme von Tatmehrheit in den Fällen II.13. bis 16. ist hingegen rechtlich zu beanstanden, da die Angeklagte bereits die Aushändigung der Scheckkarte durch eine Betrugstat erlangt hatte. Zwischen der Betrugstat bei Erlangung der Karte und dem Miûbrauch der Karte durch deren Einsatz besteht jedoch Tateinheit (s.o. III. 3)b)aa)). Steht aber danach bei der hier gegebenen Sachlage jeder Miûbrauch der Scheckkarte in Tateinheit mit der bei ihrer Erlangung begangenen Betrugstat, so verklammert der Betrug auch die mehrfachen Vergehen nach § 266 b StGB in den Fällen II.13. bis 16. zu Tateinheit. dd) Hingegen kommt eine Verurteilung nach § 266 b StGB im Fall II.17. nicht in Betracht. Denn hier hat sich die Angeklagte unter Vorlage von zwei im Fall II.5. erlangten Euroschecks und der ec-card DM 800,-- von der SpardaBank , also dem kartenausgebenden Kreditinstitut selbst, auszahlen lassen. Der vorgelegte Scheck ist insoweit lediglich als Bankscheck anzusehen, mit dem die Angeklagte eine Auszahlung vom eigenen Konto begehrt und für den die Garantiefunktion der Scheckkarte keine Rolle spielt. Auch insoweit kommt dem bei der Auszahlung verwirklichten Betrug gegenüber der Sparda-Bank keine selbständige Bedeutung zu. Er stellt sich als eine Tat mit Fall II.3./5. dar, da die Angeklagte bereits bei der Kontoeröffnung beabsichtigt hat, dieses durch Abhebungen zu überziehen, ohne den Saldo
auszugleichen. Die Abhebung ist daher lediglich als Beendigung des Betrugs anzusehen (vgl. auch BGHR StGB § 266 b Abs. 1 Konkurrenzen 2).
c) Hingegen ist die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begangenen Betrugs in den Fällen II.18. bis 22. rechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit hat die Angeklagte die ec-card im Lastschriftverfahren (sog. POZ-System: Point of sale ohne Zahlungsgarantie) eingesetzt. Dabei übernimmt die kartenausgebende Bank keine Garantie für die Zahlung. Vielmehr erteilt der Karteninhaber durch seine Unterschrift lediglich eine Einzugsermächtigung, so daû der Geschäftspartner das Risiko der Nichteinlösung trägt (BGHSt 46, 146, 148, 150). Der Schaden ist daher in diesen Fällen nicht bei der kartenausgebenden Bank, sondern bei dem jeweiligen Geschäftspartner, also einem Dritten eingetreten, so daû eine rechtlich selbständige Tat mit gesondert strafwürdigem Unrecht vorliegt. Die Angeklagte hat sich demnach in den Fällen II.9., 11., 19., 21. und 22. des Betruges, in den Fällen II.6., 7., 18. und 20. des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung, im Fall II.2. der Urkundenfälschung und in den Fällen II.3., 5., 8. und 13. bis 17. e i n e s Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung (in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen) und mit Miûbrauch von Scheck- und Kreditkarten (in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen) schuldig gemacht. § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, da auszuschlieûen ist, daû sich die geständige Angeklagte gegen den Tatvorwurf anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der in den Fällen II.1., 3., 5., 8. sowie 13. bis 17. verhängten Einzelstrafen. Da die Aufhebung
der Strafaussprüche lediglich durch die Veränderung der Konkurrenzverhältnisse bedingt ist, können die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten bleiben. Der Senat schlieût aus, daû die Höhe der übrigen Einzelstrafen in den Fällen II.2., 6., 7., 9., 11. sowie 18. bis 22. von den Rechtsfehlern beeinfluût ist. Jähnke Detter Bode Otten Elf

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unrichtige Gestaltung des Programms, durch Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, durch unbefugte Verwendung von Daten oder sonst durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf beeinflußt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 263 Abs. 2 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Wer eine Straftat nach Absatz 1 vorbereitet, indem er

1.
Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt oder einem anderen überlässt oder
2.
Passwörter oder sonstige Sicherungscodes, die zur Begehung einer solchen Tat geeignet sind, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt oder einem anderen überlässt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) In den Fällen des Absatzes 3 gilt § 149 Abs. 2 und 3 entsprechend.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.