Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Dez. 2005 - 4 StR 506/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Vergewaltigung und mit Körperverletzung sowie wegen einer weiteren Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat nur den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Formalrüge, mit der der Beschwerdeführer das Absehen von einer Vereidigung der Belastungszeugin T. beanstandet, ist unbegründet. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 27. Oktober 2005.
2. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der allgemeinen Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nur insoweit ergeben, als das Landgericht ihn im Fall II. 1 der Urteilsgründe - neben der rechtsfehlerfrei festgestellten Körperverletzung - auch wegen tateinheitlich begangener Nötigung (§ 240 StGB) verurteilt hat.
Nach den insoweit getroffenen Feststellungen ging der Angeklagte "unvermittelt massiv gegen sein Opfer vor", indem er der Frau von hinten die Beine wegzog, so dass sie zu Boden stürzte. Sodann warf er sich "blitzschnell auf sie und drückte ihr mit seinem auf die Halsvorderseite plazierten Ellenbogen die Luft ab, so dass sie heftig nach Atem rang". Auf ihr Schreien kam ihr "nur Sekunden später" die Zeugin H. zu Hilfe, die dem Angeklagten eine Pfefferspraydose warnend vorhielt. Darauf gab der Angeklagte "endgültig sein Vorhaben, sein Opfer weiter tätlich anzugreifen, auf".
Das Landgericht meint, der Angeklagte habe den Tatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) verwirklicht, indem er die Geschädigte "für wenige Augenblicke am Boden fixierte und somit in ihrer Bewegungsfreiheit kurzfristig lähmte". Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
§ 240 StGB ist als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Die Anwendung des Nötigungsmittels muss in kausalem Sinne zu dem vom Täter geforderten Verhalten des Opfers führen (BGHSt 37, 350, 353; BGHR StGB § 240 Abs. 1 Nötigungserfolg 3). Entscheidende Voraussetzung für die Annahme einer Nötigung ist deshalb, dass der Genötigte als Folge der tatbestandsmäßigen Handlung mit einem von ihm vom Täter geforderten Verhalten zumindest begonnen hat (vgl. BGHR aaO Nötigungserfolg 2). Hier fehlt es für die Annahme einer (auch nur versuchten) Nötigung an einem von dem Angeklagten mit seinem tätlichen
Übergriff erstrebten Verhalten der Geschädigten. Vielmehr hat die Strafkammer sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte über den tätlichen Angriff hinaus weitergehende - etwa, was hier besonders nahe lag, sexuelle - Ziele verfolgte. Bei dieser Sachlage ging die Einwirkung des Angeklagten auf die Geschädigte nicht über die mit der Körperverletzungshandlung verbundene Beeinträchtigung hinaus. Daran ändert nichts, dass der Angeklagte sein Opfer dabei kurzfristig "am Boden fixierte". Denn dies war lediglich unselbständiger Teil der vom Angeklagten gegen die Geschädigte ausgeübten Gewalt (vgl. Hruschka NJW 1996, 160, 162). Ein eigenständiger, vom Tatbestand des § 240 StGB erfasster Unrechtsgehalt lag darin nicht.
Die Verurteilung wegen Nötigung muss deshalb entfallen. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO.
3. Die Schuldspruchänderung im Fall II. 1 lässt im Ergebnis den Einzelstrafausspruch von einem Jahr Freiheitsstrafe unberührt. Allerdings hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten auch in diesem Fall die Verwirklichung mehrerer Tatbestände gewertet (UA 27). Doch erhält die Tat ihr Gewicht allein durch die Intensität des Übergriffs und den Umstand, dass der Angeklagte nur einen Tag später einen im Ansatz gleichartigen, allerdings erheblich schwerer wiegenden Überfall verübte. An diesem Schuldgehalt der Tat ändert die rechtliche Bewertung der Tat "nur" als Körperverletzung - und nicht auch als Nötigung - nichts. Unabhängig davon, ob danach der Einzelstrafausspruch im Fall II. 1 der Urteilsgründe überhaupt auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruhen kann (§ 337 Abs. 1 StPO), erachtet der Senat die Einzelstrafe jedenfalls als angemessen im Sinne der durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl I 2198, 2203) eingeführten Vorschrift des § 354 Abs. 1 a StPO
(vgl. Senatsurteil vom 30. August 2005 - 4 StR 295/05). Einer Aufhebung und Zurückverweisung an den Tatrichter bedarf es deshalb nicht.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.