Bundesgerichtshof Urteil, 09. Dez. 2009 - 5 StR 459/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Es verbleibt bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
- 1
- Wegen einer schon 2004 gemeinsam mit der bisherigen Mitangeklagten begangenen Tatserie betrügerischer Arbeitsvermittlung war der Angeklagte B. vom Landgericht Potsdam am 22. August 2008 wegen Betruges in 29 Fällen verurteilt worden. Der Schuldspruch ist nach dem Beschluss des Senats vom 26. März 2009 – 5 StR 74/09 – rechtskräftig. Der Strafausspruch – drei Jahre Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung zweier anderweitig rechtskräftig verhängter Strafen – hatte hingegen keinen Bestand. Der Senat hatte den gesamten Rechtsfolgenausspruch gegen diesen Angeklagten wegen mehrfach unzulänglich begründeter nachträglicher Gesamtstrafbildung und unzureichender Reaktion auf rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aufgehoben. Nunmehr hat das Landgericht gegen den Angeklagten unter Reduzierung der 29 Einzelfreiheitsstrafen um jeweils einen Monat auf je sieben Monate ohne Einbeziehung weiterer Strafen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten erkannt, hat die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt und wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung von einem Jahr und drei Monaten Dauer zwei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe für vollstreckt erklärt. Die gegen die erneute Gesamtstrafbildung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte – vom Generalbundesanwalt vertretene – Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
- 2
- Die Beschwerdeführerin beanstandet zutreffend, dass das Landgericht , das die andere vormals einbezogene, indes schon vor dem ersten Urteil erledigte Geldstrafe zu Recht nicht mehr in die Gesamtstrafe einbezogen hat, auch mit der am 14. März 2006 gegen den Angeklagten unter anderem wegen Meineides verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten keine nachträgliche Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB gebildet hat. Der Erlass jener Strafe im Mai 2009 hinderte dies entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht. Er erfolgte nämlich nach dem ersten Urteil in dieser Sache. Dieser Zeitpunkt ist für die Frage der Erledigung im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB allein maßgeblich. Anders als das Landgericht meint, soll der Angeklagte hierdurch in weitestgehend möglicher Weise so gestellt werden, wie er bei einheitlicher Aburteilung sämtlicher zuvor begangener Straftaten zum Zeitpunkt der ersten zäsurbegründenden Verurteilung gestanden hätte. Dabei soll nicht nur, worauf das Landgericht allein abstellen möchte, eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Angeklagten vermieden werden, sondern er soll hierdurch auch nicht bevorzugt werden. Dies gebietet nach verbindlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die vorliegende Fallkonstellation (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Fehler 2; BGH NStZ 1982, 377 m.w.N.) die Einbeziehung einer nach dem maßgeblichen ersten Urteil erlassenen Bewährungsstrafe.
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- In dieser Sache ist nunmehr wiederholt im Revisionsrechtszug die Anwendung der überaus kompliziert ausgestalteten Regeln über die nachträgliche Gesamtstrafbildung zu beanstanden. Die Regeln sind schwer zu durchschauen, darzustellen und zu befolgen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 17. Juli 2000 – 5 StR 280/00). Auch grundlegend abweichende Anwendungssysteme (vgl. Wilhelm NStZ 2008, 425) sind ihrerseits überaus kompliziert. Vor diesem Hintergrund und angesichts der festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hält es der Senat zur unbedingt gebotenen Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerung für unerlässlich, eine eigene abschließende Rechtsfolgenentscheidung zu treffen. Nach den besonderen Gegebenheiten des Falles erscheint letztlich auch nurmehr eine bestimmte Sanktionierung allein angemessen (§ 354 Abs. 1 StPO analog).
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- Dies ist auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei bestimmten Einzelstrafen , des großen zeitlichen Abstands zur Tatbegehung, bei welcher der Angeklagte B. unbestraft war, und des Umstands des bereits eingetretenen Ablaufs der Bewährungszeit für die einzubeziehende Strafe (Erlassreife) bei der maßgeblichen ersten Verurteilung, dem, wie im genannten ersten Beschluss des Senats in dieser Sache (m.w.N.) hervorgehoben, besondere gesamtstrafmindernde Wirkung zukommt, – auch unter Berücksichtigung der gegen die Mitangeklagte verhängten Bewährungsstrafe – eine zur Bewährung auszusetzende Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Da der Angeklagte ein solches Ergebnis letztlich maßgeblich infolge der eingetretenen Verfahrensverzögerung erreicht, kommt dabei allerdings eine besondere weitere Kompensation für die nunmehr rechtsfehlerfrei festgestellte rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht in Betracht; nichts anderes könnte auch für eine etwa mögliche Anrechnung von Bewährungsleistungen in der einbezogenen Sache gelten.
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- Die nach der Durchentscheidung ausstehenden Bewährungsfolgeentscheidungen (§ 268a StPO) obliegen dem Landgericht. Die Kostenentscheidung , die, wie im angefochtenen Urteil tenoriert, dem erreichten Teilerfolg der Revision des Angeklagten gegen das erste Urteil Rechnung trägt und den Erfolg der neuen staatsanwaltlichen Revision dem Angeklagten über die ihm auferlegten Verfahrenskosten anlastet, ergibt sich aus den Grundsätzen von BGHSt 19, 226.
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(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Wird in dem Urteil die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt, so trifft das Gericht die in den §§ 56a bis 56d und 59a des Strafgesetzbuches bezeichneten Entscheidungen durch Beschluß; dieser ist mit dem Urteil zu verkünden.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn in dem Urteil eine Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt oder neben der Strafe Führungsaufsicht angeordnet wird und das Gericht Entscheidungen nach den §§ 68a bis 68c des Strafgesetzbuches trifft.
(3) Der Vorsitzende belehrt den Angeklagten über die Bedeutung der Aussetzung der Strafe oder Maßregel zur Bewährung, der Verwarnung mit Strafvorbehalt oder der Führungsaufsicht, über die Dauer der Bewährungszeit oder der Führungsaufsicht, über die Auflagen und Weisungen sowie über die Möglichkeit des Widerrufs der Aussetzung oder der Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 56f Abs. 1, §§ 59b, 67g Abs. 1 des Strafgesetzbuches). Erteilt das Gericht dem Angeklagten Weisungen nach § 68b Abs. 1 des Strafgesetzbuches, so belehrt der Vorsitzende ihn auch über die Möglichkeit einer Bestrafung nach § 145a des Strafgesetzbuches. Die Belehrung ist in der Regel im Anschluß an die Verkündung des Beschlusses nach den Absätzen 1 oder 2 zu erteilen. Wird die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung ausgesetzt, so kann der Vorsitzende von der Belehrung über die Möglichkeit des Widerrufs der Aussetzung absehen.