Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Mai 2019 - 3 StR 86/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 3. Mai 2019 gemäß § 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 6. Dezember 2017 wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen, Verbreitung kinderpornographischer Schriften, Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Schriften, Betruges in acht Fällen sowie Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat das Urteil mit Beschluss vom 14. Juni 2018 (3 StR 180/18) - unter Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften und wegen Besitzes kinderpor- nographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Schriften verurteilt worden war (Fälle II. 3. und II. 4. der Gründe des Ersturteils), sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
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- Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten - über den bereits in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen, Betruges in acht Fällen sowie Urkundenfälschung hinaus - der Verbreitung kinderpornographischer Schriften schuldig gesprochen und auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und fünf Monaten erkannt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Jedoch besteht Anlass zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Schuldspruchänderung.
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- 1. Das Landgericht hat - erneut (vgl. Fall II. 3. des Ersturteils) - festgestellt , dass (jedenfalls) zwischen dem 25. und dem 31. August 2013 auf zwei Notebooks des Angeklagten 614 Video- und Bilddateien mit kinderpornographischem Inhalt in zum Herunterladen über das Filesharing-Programm "eMule" freigegebenen Ordnern gespeichert waren, sodass die Dateien mit Wissen und Wollen des Angeklagten anderen Nutzern dieser Internettauschbörse zur Verfügung standen. Zu weiteren 314 Video- und Bilddateien mit kinder- und jugendpornographischem Inhalt, die nach den Feststellungen des teilaufgehobenen Urteils (vgl. Fall II. 4. des Ersturteils) bei der Wohnungsdurchsuchung am 28. September 2015 auf denselben Notebooks gesichert wurden, verhält sich das angefochtene Urteil nicht mehr. Allerdings ergibt sich aus der Beweiswürdigung die Überzeugung der Jugendkammer, dass zum Durchsuchungszeitpunkt die abgeurteilten 614 Dateien, auf die andere Nutzer hatten zugreifen können, nach wie vor auf den beiden Rechnern "vorhanden waren" (UA S. 21 f.).
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- Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, es habe nur noch über den Fall II. 3. des Ersturteils zu entscheiden (s. UA S. 11). Gemäß dem teilaufhebenden Beschluss des Senats vom 14. Juni 2018 sei nicht davon auszugehen , dass die Verbreitung und der Besitz kinderpornographischer Schriften in Tatmehrheit zueinander stünden; vielmehr werde die Tathandlungsvariante des Besitzes durch diejenige der Verbreitung "konkurrenzrechtlich verdrängt" (UA S. 24).
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- 2. Die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils hat keinen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben.
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- a) Allerdings belegen die Urteilsgründe neben der Strafbarkeit des Angeklagten wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB in der bis zum 26. Januar 2015 gültigen Fassung) eine hiermit idealkonkurrierende (§ 52 StGB) Strafbarkeit wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 3 Alternative 2 StGB nF i.V.m. § 2 Abs. 2 StGB). Die Jugendkammer hat sich, wenngleich die 614 Video- und Bilddateien mit kinderpornographischem Inhalt auf den beiden Notebooks des Angeklagten ununterbrochen bis zum 28. September 2015 gespeichert waren, nicht davon überzeugt, dass sie über den 31. August 2013 hinaus anderen Internetnutzern zugänglich waren. Infolgedessen verdrängt die Verbreitung hier den Besitz nicht, weil dieser das öffentliche Zugänglichmachen überdauerte; vielmehr verwirklichte der Angeklagte die beiden Tathandlungsvarianten tateinheitlich (s. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 14. Juni 2018 - 3 StR 180/18, juris Rn. 13, 15).
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- Der Senat hat den Schuldspruch dementsprechend umgestellt. Die Vorschrift des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO hindert die Schuldspruchverschärfung nicht (s. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 3 StR 224/13, StV 2014, 617, 618; KK-Gericke, StPO, 8. Aufl., § 358 Rn. 18 mwN).
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- b) Da der Besitz der 614 Dateien mit kinderpornographischem Inhalt über den 31. August 2013 hinaus bis zur Wohnungsdurchsuchung andauerte, ist es unschädlich, dass das angefochtene Urteil nicht mitteilt, ob die Bewährungsstrafe von zehn Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Haßfurt vom 28. Oktober 2013 mittlerweile erlassen oder anderweitig erledigt ist. Denn eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung mit dieser Strafe und eine damit einhergehende Zäsurwirkung der Vorverurteilung kommen schon deswegen nicht in Betracht , weil die materielle Beendigung der gegenständlichen Tat - wie dargelegt - auf den 28. September 2015 fiel und damit erst nach der Vorverurteilung eintrat (s. BGH, Urteile vom 11. Februar 1999 - 4 StR 594/98, NJW 1999, 1344, 1346; vom 2. Dezember 2003 - 1 StR 102/03, NJW 2004, 865, 867; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 55 Rn. 7 mwN).
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- c) Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht angenommen hat, es habe - trotz der Teilaufhebung der Verurteilung im Fall II. 4. des Ersturteils - keine Feststellungen mehr zu einem etwaigen Besitz von weiteren 314 Video- und Bilddateien mit kinder- und jugendpornographischem Inhalt am 28. September 2015 zu treffen. Hätte sich die Jugendkammer hiervon überzeugt , läge insoweit ein weiterer in Tateinheit begangener Gesetzesverstoß (§ 184b Abs. 3 Alternative 2, § 184c Abs. 3 Alternative 2 StGB nF) vor (s. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 14. Juni 2018 - 3 StR 180/18, juris Rn. 13, 16). Eine entsprechende Schuldspruchänderung scheidet freilich aus.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
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einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat: - a)
sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren (Kind), - b)
die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder - c)
die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes,
- 2.
es unternimmt, einer anderen Person einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen, - 3.
einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herstellt oder - 4.
einen kinderpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder der Nummer 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.
(2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.
(3) Wer es unternimmt, einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.
(4) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 Nummer 1 strafbar.
(5) Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung von Folgendem dienen:
- 1.
staatlichen Aufgaben, - 2.
Aufgaben, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben, oder - 3.
dienstlichen oder beruflichen Pflichten.
(6) Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 und Satz 2 gilt nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wenn
- 1.
die Handlung sich auf einen kinderpornographischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist, und - 2.
die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(7) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder Absatz 3 bezieht, werden eingezogen. § 74a ist anzuwenden.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.
(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.
(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.
(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.
(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.
(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.