Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Dez. 2015 - 3 StR 416/15

ECLI: ECLI:DE:BGH:2015:081215B3STR416.15.0
published on 08/12/2015 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Dez. 2015 - 3 StR 416/15
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 416/15
vom
8. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:081215B3STR416.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 7. April 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten am 10. Januar 2014 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat mit Beschluss vom 20. August 2014 (3 StR 315/14) das Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, weil das Landgericht bei der Bemessung der Strafen zu Lasten des Angeklagten weitere nicht abgeurteilte Straftaten zum Nachteil des Geschädigten berücksichtigt hatte, die nicht ausreichend bestimmt festgestellt waren.
2
Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten in allen Fällen zu denselben Einzelstrafen sowie zu derselben Gesamtfreiheitsstrafe wie im ersten Rechtszug verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten.
3
Die Strafzumessung hält sachlichrechtlicher Nachprüfung erneut nicht stand.
4
1. Wird ein Urteil auf ein Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten im Strafausspruch aufgehoben und vermag der neue Tatrichter Feststellungen nicht zu treffen, die im ersten Rechtszug als bestimmende Zumessungstatsachen strafschärfend herangezogen worden waren, hält er aber dennoch eine gleich hohe Strafe für erforderlich, so hat er nach ständiger Rechtsprechung seine Entscheidung eingehend zu begründen; denn die ursprüngliche Bewertung der Tat und die Strafzumessung in der aufgehobenen Entscheidung sind zwar kein Maßstab für die neue Bemessung der Strafe, jedoch hat der Angeklagte einen Anspruch darauf zu erfahren, warum er trotz des Wegfalls eines Strafschärfungsgrundes nun gleich hoch bestraft wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. November 2012 - 3 StR 439/12, StV 2013, 758, 759; vom 28. April 2015 - 3 StR 92/15, NStZ-RR 2015, 207 jeweils mwN).
5
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat keine Begründung für die Verhängung gleich hoher Strafen gegeben, obwohl es weitere, nicht angeklagte Missbrauchstaten des Angeklagten zum Nachteil des Geschädigten in die Strafzumessung nicht eingestellt hat. Hinzu kommt, dass es im Gegensatz zum Tatrichter des ersten Verfahrens keine - einschlägige - Vorverurteilung mehr feststellen konnte. Außerdem lagen die zwischen 2004 und 2007 begangenen Straftaten nunmehr um noch ein Jahr länger zurück.
6
Etwas anderes ergibt sich vor diesem Hintergrund auch nicht daraus, dass das Landgericht nunmehr - zumindest im Ausgangspunkt (s. aber unten 2.) - die zutreffenden gesetzlichen Strafrahmen zugrunde gelegt und noch belastende Folgen der Taten für den Geschädigten festgestellt hat. Denn hierauf hat die Strafkammer die Bemessung gleich hoher Einzelstrafen sowie derselben Gesamtstrafe nicht gestützt. Dem Senat ist es verwehrt, in eigener Bemessung der Strafzumessungstatsachen zu beurteilen, ob diese Umstände geeignet gewesen wären, die weggefallenen strafschärfenden Gesichtspunkte zu kompensieren und daher den unveränderten Strafausspruch zu rechtfertigen.
7
2. Es kommt hinzu, dass sich die Strafrahmenbestimmung des Landgerichts teilweise als nicht rechtsfehlerfrei erweist.
8
Die Strafkammer hat in den Fällen IV. 2, 5 und 6 der Urteilsgründe der Bemessung der Strafe den Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB zugrunde gelegt. Eine Prüfung, ob ein minder schwerer Fall nach § 176a Abs. 4 Halbsatz 2 vorliegt, hat es jeweils versäumt. Diese Prüfung war angesichts der bisherigen Unbestraftheit des Angeklagten hier nicht entbehrlich. Dies gilt insbesondere im Fall IV. 2 der Urteilsgründe, wo im Hinblick darauf, dass der schwere sexuelle Missbrauch eines Kindes nur versucht worden war, der gesetzlich vertypte Milderungsgrund nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorlag (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober 2011 - 2 StR 218/11, NStZ 2012, 271, 272; vom 8. Juli 2014 - 3 StR 287/14, juris Rn. 13).
9
3. Darüber hinaus unterliegt die Strafzumessung einer weiteren Beanstandung. Denn die Begründung, mit der das Landgericht der über seinen Verteidiger abgegebenen Erklärung des Angeklagten, dass ihm leid tue, was damals passiert sei, eine strafmildernde Bedeutung abgesprochen hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat ausgeführt, dass dem Angeklagten im Hinblick auf diese Erklärung weder ein Geständnis noch Reue zugutegehalten werden könnten. Insbesondere weil der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens gestanden habe, könne auch nicht "unterstellt werden", dass er die Taten mit dieser Erklärung habe einräumen wollen noch dass er diesbezügliche Reue zum Ausdruck gebracht habe. Damit hat die Strafkammer - ungeachtet ihrer Beteuerung, das Nichtvorliegen eines Geständnisses "selbstverständlich" nicht zu seinen Lasten verwertet zu haben - das Schweigen des Angeklagten zur Sache zu seinem Nachteil verwendet. Denn sie hat wegen des mangelnden Geständnisses des Angeklagten seiner Erklärung des Bedauerns über die Vorfälle keine strafmildernde Bedeutung zugemessen.
10
4. Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler ist das angefochtene Urteil insgesamt aufzuheben; die Strafe ist neu zuzumessen. Für die neue Verhandlung weist der Senat nochmals darauf hin, dass sexuelle Handlungen, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind, den Qualifikationstatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB begründen. Dass der Angeklagte versucht hat, bei dem Tatopfer den Analverkehr auszuüben , darf ihm daher mit Blick auf § 46 Abs. 3 StGB nicht strafschärfend angelastet werden, wenn insoweit keine besonderen Folgen für das Opfer - etwa deutliche Schmerzen - konkret festgestellt sind.
11
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Alternative 2 StPO Gebrauch und verweist die Sache an eine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zurück.
Becker Hubert Mayer Gericke Spaniol
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um
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Tenor 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 7. Dezember 2015 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Ent
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.