Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Apr. 2015 - 3 StR 92/15
BUNDESGERICHTSHOF
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hatte den Angeklagten im Dezember 2013 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das Urteil im Ausspruch über die Einzelstrafen in den "Fällen 1 bis 6 der Anklageschrift" sowie über die Gesamtstrafe aufgehoben, weil das Landgericht die Strafen für diese, nicht ausschließbar vor dem 1. April 2004 begangenen Taten nicht den (milderen) Strafrahmen der §§ 176, 176a StGB aF entnommen hatte (BGH, Beschluss vom 19. August 2014 - 3 StR 189/14, juris). Der Senat hat nicht auszuschließen vermocht, dass das Landgericht bei Zugrundelegung der zutreffenden Vorschriften mildere Strafen verhängt hätte. Die zugehörigen Feststellungen hat der Senat aufrechterhalten.
- 2
- Nunmehr ist das Landgericht von den Strafrahmen der §§ 176, 176a StGB aF ausgegangen und hat den Angeklagten in allen Fällen zu denselben Einzelstrafen sowie unter Einbeziehung der einzig rechtskräftigen Einzelstrafe zu derselben Gesamtfreiheitsstrafe wie im ersten Rechtszug verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten.
- 3
- Das Urteil hält sachlichrechtlicher Nachprüfung erneut nicht stand, so dass es auf die - allerdings nicht in zulässiger Form erhobenen - Verfahrensbeanstandungen nicht ankommt.
- 4
- Wird ein Urteil auf ein Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten aufgehoben und trifft der neue Tatrichter Feststellungen, welche die Tat in einem wesentlich milderen Licht erscheinen lassen, hält er aber dennoch eine gleich hohe Strafe für erforderlich, so hat er nach ständiger Rechtsprechung seine Entscheidung eingehend zu begründen; denn die ursprüngliche Bewertung der Tat und die Strafzumessung in der aufgehobenen Entscheidung sind zwar kein Maßstab für die neue Strafzumessung, jedoch hat der Angeklagte einen Anspruch darauf, zu erfahren, warum er für ein wesentlich geringeres Vergehen nun gleich hoch bestraft wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2012 - 3 StR 439/12, StV 2013, 758, 759 mwN). Gleiches gilt auch für den Fall, dass sich die mildere Beurteilung nicht aus im zweiten Verfahrensgang erstmals festgestellten schuldmildernden Umständen, sondern daraus ergibt, dass der Tatrichter nunmehr zutreffend den milderen Strafrahmen aus dem Tatzeitrecht (vgl. § 2 Abs. 3 StGB) zugrunde legt (SK-StGB/Horn, 35. Lfg., § 46 Rn. 96 b).
- 5
- Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe in den drei Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176a StGB) nicht gerecht. Hier hatte sich der Strafrahmen durch die Anwendung von Tatzeitrecht an der Untergrenze deutlich verringert (von zwei Jahren auf ein Jahr Freiheitsstrafe). Im ersten Verfahrensdurchgang hatte sich das Landgericht mit Einzelstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten bzw. drei Jahren Freiheitsstrafe eher am unteren Bereich des Strafrahmens orientiert. Auf diesen Umstand ist der neue Tatrichter nicht eingegangen, sondern hat lediglich dieselben für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände - teilweise wortgleich wie im Ersturteil - aufgezählt. Gleiches gilt für die beiden Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt. Hier hatte der erste Tatrichter mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten die Mindeststrafe des fehlerhaft angenommenen Strafrahmens verhängt, wohingegen der zutreffend anzuwendende Strafrahmen nunmehr auch die Möglichkeit von Geldstrafe eröffnet hat.
- 6
- Diese Einzelstrafen können daher keinen Bestand haben. Um eine einheitliche Strafbemessung zu ermöglichen, hat der Senat auch die Strafe im Fall 3 der Anklageschrift aufgehoben.
- 7
- Mit der Aufhebung des Urteils hat sich die - erst im Rahmen der Revisionsbegründung erhobene und damit wegen Verspätung (§ 464 Abs. 3 Satz 1 StPO) unzulässige - sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung erledigt.
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Annotations
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder - 3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.
(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.
(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder - 3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.
(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.
(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.
(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.
(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.
(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.
(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.
(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.
(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder - 3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.
(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.
(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.
(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind.
(2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt.
(3) Gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen ist sofortige Beschwerde zulässig; sie ist unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. Wird gegen das Urteil, soweit es die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen betrifft, sofortige Beschwerde und im übrigen Berufung oder Revision eingelegt, so ist das Berufungs- oder Revisionsgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befaßt ist, auch für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig.