Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2019 - 3 StR 317/19

bei uns veröffentlicht am20.08.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 317/19
vom
20. August 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen zu 1. und 2.: Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
zu 3. und 4.: Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
zu 5.: Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2019:200819B3STR317.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am 20. August 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 3. April 2019, soweit es ihn betrifft , mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Auf die Revisionen der Angeklagten T. und C. wird das vorbezeichnete Urteil im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin ergänzt, dass diese Angeklagten hinsichtlich der sie betreffenden Beträge als Gesamtschuldner haften.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten T. und C. sowie die Revisionen der Angeklagten d. und K. werden verworfen.
Jeder dieser Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten T. und d. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen, den Angeklagten L. wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen und den Angeklagten K. - unter Freisprechung im Übrigen - wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen sowie die Angeklagte C. wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem hat es neben der Einziehung eines sichergestellten Geldbetrages die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 60.000 € hinsichtlich des Angeklagten d. , von 25.000 € hinsichtlich des Angeklagten T. , von 1.000 € hinsichtlich des Angeklagten L. und von 3.000 € hinsichtlich der Angeklagten C. angeordnet. Die vomAngeklagten L. auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Verfahrensrüge Erfolg. Die jeweils auf die Sachrüge - und hinsichtlich der Angeklagten C. auf eine nicht ausgeführte Verfahrensrüge - gestützten Revisionen der Angeklagten T. , d. , C. und K. führen lediglich zur Anordnung der Gesamtschuldnerschaft in Bezug auf die Einziehung von Wertersatz bei den Angeklagten T. und C. . Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts mietete der Angeklagte d. von der Angeklagten C. im Jahr 2017 eine Scheune, um darin auf Dauer und in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen Amphetamin herzustellen. Nachdem er den Angeklagten T. angelernt hatte, stellte dieser ab derletzten Januar- oder ersten Februarwoche 2018 bis zum 24. April 2018 elf Mal Am- phetaminzubereitungen her. Hierbei half ihm jeweils der Angeklagte L. . Der Angeklagte d. kontrollierte alle zwei bis drei Tage die Produktion, brachte Grundstoffe für die Herstellung, holte die Amphetaminzubereitungen auf dem Hof ab, transportierte sie zum gewinnbringenden Weiterverkauf an Abnehmer in die Niederlande und leitete Zahlungen von den Hinterleuten weiter. Der Angeklagte K. lieferte in sechs Fällen weitere für die Produktion benötigte Chemikalien aus Polen, wobei er die Verwendung der gelieferten Stoffe zur Drogenherstellung für möglich hielt. Anders als die anderen Angeklagten war er an einer gemeinsamen Abrede im Zusammenhang mit der Amphetaminherstellung nicht beteiligt.
3
2. Der Angeklagte L. rügt mit seiner Revision erfolgreich die Zuständigkeit der erkennenden allgemeinen Strafkammer im Zusammenhang mit einer Verfahrenstrennung.
4
a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
5
Die zur großen Strafkammer erhobene und vor dieser eröffnete Anklage legte dem am 13. März 1997 geborenen Angeklagten L. zur Last, in elf Fällen von Ende Januar/Anfang Februar 2018 bis zum 24. April 2018 bandenmäßig mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben. Am letzten, dem zehnten, Hauptverhandlungstag trat die Strafkammer erneut in die Beweisaufnahme ein und wies darauf hin, dass der Angeklagte L. bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres am 13. März 2018 Heranwachsender gewesen und daher beabsichtigt sei, das Verfahren gegen ihn für den Zeitraum Anfang 2018 bis einschließlich 13. März 2018 abzutrennen und insoweit an die Jugendkammer zu verweisen. Nachdem die Beteiligten hierzu keine Stellungnahme abgegeben hatten, ging die Strafkammer entspre- chend vor, beschloss die Abtrennung des Verfahrens gemäß § 4 Abs. 1 StPO sowie die Verweisung an die Jugendkammer gemäß § 270 Abs. 1 StPO, § 108 Abs. 3 Satz 1 JGG und führte zur Begründung im Wesentlichen lediglich aus, der Angeklagte L. sei "bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres am 13. März 2018 Heranwachsender" gewesen, "so dass für bis zu diesem Zeitpunkt begangene Taten die Jugendkammer zuständig ist".
6
b) Die Rüge ist zulässig und begründet.
7
aa) Die Verfahrensrüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
8
Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts steht der Zulässigkeit nicht entgegen, dass in der Revisionsbegründung bei der Darstellung des Verfahrensganges im Zusammenhang mit dem von der Abtrennung betroffenen Tatzeitraum ein unrichtiges Datum ("Anfang 2018 bis einschließlich 13. März 2019" statt 13. März 2018) mitgeteilt wird. Aus dem Zusammenhang der Revisionsbegründung ergibt sich ohne Weiteres, dass es sich insofern um ein evidentes Schreibversehen handelt.
9
Da der Senat die Anklageschrift von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen hat, führt es ebenso wenig zur Unzulässigkeit der Rüge, dass im Rahmen des Tatvorwurfs nicht mitgeteilt wird, dass dem Angeklagten elf tatmehrheitliche Fälle des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt worden sind.
10
Schließlich erfordert die Erhebung der Rüge mangels Anwendbarkeit des § 6a StPO nicht, dass der Angeklagte in dem Verfahren vor der Strafkammer einen Einwand gegen die Zuständigkeit des Erwachsenengerichts erhoben hat (s. BGH, Urteil vom 23. Mai 2002 - 3 StR 58/02, BGHSt 47, 311, 313).
11
bb) Das Landgericht hat seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen (§ 338 Nr. 4 StPO), da die teilweise Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten L. wegen Ermessensmissbrauchs rechtsfehlerhaft war und daher ausnahmsweise die Zuständigkeit des Erwachsenengerichts für die verbleibenden Taten nicht begründen konnte.
12
(1) Die Strafkammer war vor der Verfahrenstrennung gemäß §§ 107, 33 JGG für die Verhandlung sowie Entscheidung der gesamten Sache nicht zuständig. Da ein Teil der dem Angeklagten L. zur Last gelegten Taten einen Zeitraum betraf, in dem er das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, war nach § 41 Abs. 1 Nr. 3, § 108 Abs. 1 JGG zur Entscheidung über die durch die Staatsanwaltschaft einheitlich erhobene Anklage eine Jugendkammer berufen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 17. August 2010 - 4 StR 347/10, StraFo 2010, 466; vom 12. November 1993 - 2 StR 594/93, StV 1994, 173 Rn. 13 mwN). An eine solche hätte daher die Strafkammer, die den Vorrang der Jugendkammer von Amts wegen zu beachten hat (s. BGH, Urteil vom 23. Mai 2002 - 3 StR 58/02, BGHSt 47, 311, 313 f.), das Verfahren insgesamt verweisen müssen.
13
(2) Der Beschluss, mit dem die Strafkammer einen Teil der allein den Angeklagten L. betreffenden Taten abgetrennt hatte, ist rechtsfehlerhaft ergangen.
14
(a) Die Verbindung oder Trennung von Verfahren gemäß § 4 StPO ist dem Ermessen des Tatgerichts überlassen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2010 - 3 StR 24/10, BGHR StPO § 338 Nr. 5 Verteidiger 8 Rn. 9; BVerfG, Beschluss vom 9. August 2007 - 2 BvR 1277/07, BVerfGK 12, 33, 34 mwN). Dies gilt grundsätzlich auch in Verfahren, in denen einem Angeklagten verschiedene Straftaten zur Last gelegt werden, die er teils als Jugendlicher oder Heranwachsender , teils als Erwachsener begangen haben soll. Die auf Fälle gleichzeitiger Aburteilung beschränkte Vorschrift des § 32 JGG ändert daran nichts (vgl. BGH, Urteile vom 2. Oktober 1973 - 1 StR 217/73, MDR 1974, 54, 55; vom 31. Oktober 1989 - 1 StR 501/89, BGHSt 36, 294, 296; s. auch BT-Drucks. I/4437 S. 7; zur Einstellung nach § 154 StPO BGH, Beschlüsse vom 20. April 2005 - 3 StR 106/05, NStZ 2005, 650; vom 3. Mai 1991 - 3 StR 483/90, BGHR StPO § 338 Nr. 4 Jugendgericht 1).
15
Die Verfahrenstrennung kann auf eine entsprechende Verfahrensrüge hin nur auf Ermessensmissbrauch geprüft werden (s. BGH, Urteile vom 11. August 2016 - 1 StR 196/16, wistra 2017, 108, 109; vom 6. August 2013 - 1 StR 201/13, NStZ-RR 2013, 352, 353; vom 5. Februar 1963 - 1 StR 265/62, BGHSt 18, 238, 239; BVerfG, Beschluss vom 12. August 2002 - 2 BvR 932/02, StraFo 2002, 390, 391), also darauf, ob von dem Ermessen in einer dem Gesetzeszweck nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 1972 - NotZ 1/72, BGHZ 59, 274, 279). Ein solcher Ermessensmissbrauch kommt beispielsweise im Fall gezielter Umgehung jugendgerichtlicher Zuständigkeit zur Vermeidung der Anwendung von Jugendrecht (vgl. entsprechend zu § 154 Abs. 2 StPO BGH, Beschlüsse vom 20. April 2005 - 3 StR 106/05, NStZ 2005, 650; vom 28. November 1995 - 5 StR 588/95, NStZ 1996, 244, 245) oder in Fällen in Betracht, in denen das Gericht bei seiner Entscheidung die Bedeutung und Tragweite von Grundrechten des Beschuldig- ten nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt hat, wie etwa die Rechte auf ein rechtsstaatliches, faires Verfahren und auf zügigen Abschluss des Strafverfahrens sowie das Übermaßverbot (BVerfG, Beschluss vom 9. August 2007 - 2 BvR 1277/07, BVerfGK 12, 33, 34 mwN).
16
(b) Ein Ermessensmissbrauch ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalles vorliegend deshalb anzunehmen, weil davon auszugehen ist, dass die Strafkammer die Abtrennung einzelner Taten ausschließlich vorgenommen hat, um ihre Zuständigkeit herbeizuführen, und keine sonstigen Belange erkennbar bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat.
17
Ein anderer Grund für die Verfahrenstrennung, als nach weitestgehend durchgeführter Hauptverhandlung die eigene, zuvor infolge der einheitlichen Anklageschrift nicht bestehende Zuständigkeit zu begründen, ist weder ersichtlich , noch ergibt er sich aus der knappen Beschlussbegründung (zur Frage, inwieweit eine Entscheidung über die Abtrennung im Allgemeinen mit einer Begründung versehen werden sollte vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 1999 - 3 StR 385/99, NStZ 2000, 211; BVerfG, Beschluss vom 12. August 2002 - 2 BvR 932/02, StraFo 2002, 390, 391). Dort ist lediglich angeführt, dass für die vor der Vollendung des 21. Lebensjahres begangenen Taten die Jugendkammer zuständig ist. In der späteren Urteilsbegründung wird in Ergänzung dessen pauschal angemerkt, es hätten sich hinsichtlich der abgeurteilten Taten "während der Hauptverhandlung keine Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines Jugendgerichts nach §§ 33, 107, 32 JGG" ergeben.
18
Die Strafkammer hat eine statt der bloß teilweisen Abtrennung ebenso in Betracht kommende Verweisung des gesamten jedenfalls den Angeklagten L. betreffenden Verfahrens an die Jugendkammer nach § 270 Abs. 1 Satz 1, § 209a Nr. 2 Buchst. a StPO, §§ 107, 33 Abs. 1 JGG nicht erkennbar erwogen. Dies hätte angesichts der konkreten Sachlage indes nahegelegen, da es sich um eine zusammenhängende Tatserie innerhalb eines Zeitraums von rund drei Monaten handelte und der Angeklagte L. die Mehrzahl der Taten im Alter von zwanzig Jahren begangen haben soll. Ferner hat die Strafkammer die mit der Verfahrenstrennung einhergehende Rechtsfolge nicht in den Blick genommen, dass durch die getrennte Aburteilung die Möglichkeit entfällt , für sämtliche Taten einheitlich über die Anwendung von Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2015 - 4 StR 59/15, NStZ 2016, 101 mwN; zur wünschenswerten und zweckmäßigen Verbindung BGH, Urteil vom 31. Oktober 1989 - 1 StR 501/89, BGHSt 36, 294, 296 mwN). Auch wenn sich dieAnwendung des Jugendstrafrechts auf den bei Beginn der Taten bereits zwanzig Jahre und zehn Monate alten Angeklagten L. nicht aufdrängt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20. April 2005 - 3 StR 106/05, NStZ 2005, 650), liegt sie aufgrund der weiteren Umstände nicht völlig fern. Schließlich sind mögliche Belastungen des Angeklagten durch die Verfahrenstrennung und die etwaige Durchführung zweier Hauptverhandlungen wegen eng zusammenhängender Taten nicht erwogen.
19
(3) Die ermessensmissbräuchliche Abtrennung führt in der gegebenen Konstellation dazu, dass die Strafkammer ihre Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat; denn diese wäre ohne die fehlerhafte Abtrennung nicht gegeben.
20
cc) Das Urteil ist auf die begründete Rüge einer Verletzung der Zuständigkeitsregeln in Bezug auf den Beschwerdeführer mit den insoweit zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben (§ 338 Nr. 4, § 353 StPO).
21
Eine Zurückverweisung der zur Entscheidung des Senats gestellten Taten an die Jugendkammer nach § 355 StPO scheidet aus, weil die hiesigen Taten ausschließlich im Erwachsenenalter begangen wurden und daher für diese gesondert eine Zuständigkeit der Jugendkammer nicht besteht. Eine einheitliche Entscheidung über sämtliche mit der Anklageschrift erhobenen Vorwürfe ist dem Senat verwehrt, der lediglich über diejenigen Taten zu befinden hat, die Gegenstand des Urteils sind. Das abgetrennte Verfahren ist infolge des Abtrennungs - und Verweisungsbeschlusses unabhängig von dessen Rechtsmängeln bei der funktional zuständigen Jugendkammer anhängig geworden (vgl. zur "Transportwirkung" fehlerhafter Beschlüsse BGH, Beschluss vom 19. Februar 2009 - 3 StR 439/08, BGHR StPO § 270 Abs. 3 Wirkung 3 Rn. 10; Urteil vom 22. April 1999 - 4 StR 19/99, BGHSt 45, 58, 60 ff. mwN).
22
Die nach der Zurückverweisung mit der Sache im Umfang der bisherigen Verurteilung befasste große Strafkammer wird vor diesem Hintergrund vorrangig zu prüfen haben, ob eine Verweisung an die mit den übrigen Taten befasste Jugendkammer in Betracht kommt. Alternativ wird sie ins Auge fassen können, ob in nicht ermessensmissbräuchlicher Weise eine gesonderte Verhandlung vor der Jugendkammer einerseits und der Strafkammer andererseits zu vertreten ist. Sofern der Abgabe ein bereits rechtskräftiger Abschluss des Verfahrens vor der Jugendkammer entgegenstehen sollte und dieses Jugendstrafrecht angewendet hätte, wäre bei einer Strafzumessung durch einen Härteausgleich zu berücksichtigen, dass die Bildung einer Gesamtstrafe aus einer Jugendstrafe und einer Freiheitsstrafe des allgemeinen Strafrechts bei getrennter Aburteilung unzulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1989 - 4 StR 445/89, BGHSt 36, 270, 275).
23
3. Hinsichtlich der die Angeklagten T. und C. betreffenden Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen ist die gesamtschuldnerische Haftung auszusprechen (§§ 421 ff. BGB), um das mehrfache Einziehen der rechtswidrig erlangten Beträge zu verhindern. Da beide Angeklagten von dem Angeklagten d. das von den Hinterleuten auf den Weg gebrachteGeld erhielten und mithin auch er faktische Verfügungsgewalt darüber hatte, haften sie insoweit mit diesem als Gesamtschuldner. Der Angeklagte T. , der von dem überlassenen Geld 10.000 € an den Angeklagten L. weitergab,haftet zudem in entsprechender Höhe auch mit diesem gesamtschuldnerisch.
24
4. Angesichts des geringen Erfolgs der Revisionen der Angeklagten T. und C. ist es nicht unbillig, auch sie mit den gesamten Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
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Die Zuständigkeit besonderer Strafkammern nach den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes (§ 74 Abs. 2, §§ 74a, 74c des Gerichtsverfassungsgesetzes) prüft das Gericht bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens von Amts wegen. Danach darf es seine Un

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Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 41 Sachliche Zuständigkeit der Jugendkammer


(1) Die Jugendkammer ist als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges zuständig in Sachen, 1. die nach den allgemeinen Vorschriften einschließlich der Regelung des § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit des Schwurgerichts gehören,2

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden.

(2) Zuständig für den Beschluß ist das Gericht höherer Ordnung, wenn die übrigen Gerichte zu seinem Bezirk gehören. Fehlt ein solches Gericht, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.

(1) Hält ein Gericht nach Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so verweist es die Sache durch Beschluß an das zuständige Gericht; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Ebenso ist zu verfahren, wenn das Gericht einen rechtzeitig geltend gemachten Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält.

(2) In dem Beschluß bezeichnet das Gericht den Angeklagten und die Tat gemäß § 200 Abs. 1 Satz 1.

(3) Der Beschluß hat die Wirkung eines das Hauptverfahren eröffnenden Beschlusses. Seine Anfechtbarkeit bestimmt sich nach § 210.

(4) Ist der Verweisungsbeschluß von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht ergangen, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Bekanntmachung des Beschlusses zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, an das die Sache verwiesen worden ist.

(1) Die Vorschriften über die Zuständigkeit der Jugendgerichte (§§ 39 bis 42) gelten auch bei Verfehlungen Heranwachsender.

(2) Der Jugendrichter ist für Verfehlungen Heranwachsender auch zuständig, wenn die Anwendung des allgemeinen Strafrechts zu erwarten ist und nach § 25 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Strafrichter zu entscheiden hätte.

(3) Ist wegen der rechtswidrigen Tat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so gilt § 24 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Ist im Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung (§ 106 Absatz 3, 4, 7) zu erwarten, so ist die Jugendkammer zuständig. Der Beschluss einer verminderten Besetzung in der Hauptverhandlung (§ 33b) ist nicht zulässig, wenn die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, deren Vorbehalt oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Die Zuständigkeit besonderer Strafkammern nach den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes (§ 74 Abs. 2, §§ 74a, 74c des Gerichtsverfassungsgesetzes) prüft das Gericht bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens von Amts wegen. Danach darf es seine Unzuständigkeit nur auf Einwand des Angeklagten beachten. Der Angeklagte kann den Einwand nur bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache in der Hauptverhandlung geltend machen.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

Von den Vorschriften über die Jugendgerichtsverfassung gelten die §§ 33 bis 34 Abs. 1 und §§ 35 bis 38 für Heranwachsende entsprechend.

(1) Über Verfehlungen Jugendlicher entscheiden die Jugendgerichte.

(2) Jugendgerichte sind der Strafrichter als Jugendrichter, das Schöffengericht (Jugendschöffengericht) und die Strafkammer (Jugendkammer).

(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu regeln, daß ein Richter bei einem Amtsgericht zum Jugendrichter für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte (Bezirksjugendrichter) bestellt und daß bei einem Amtsgericht ein gemeinsames Jugendschöffengericht für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte eingerichtet wird. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Die Jugendkammer ist als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges zuständig in Sachen,

1.
die nach den allgemeinen Vorschriften einschließlich der Regelung des § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit des Schwurgerichts gehören,
2.
die sie nach Vorlage durch das Jugendschöffengericht wegen ihres besonderen Umfangs übernimmt (§ 40 Abs. 2),
3.
die nach § 103 gegen Jugendliche und Erwachsene verbunden sind, wenn für die Erwachsenen nach allgemeinen Vorschriften eine große Strafkammer zuständig wäre,
4.
bei denen die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verletzten der Straftat, die als Zeugen in Betracht kommen, Anklage bei der Jugendkammer erhebt und
5.
bei denen dem Beschuldigten eine Tat der in § 7 Abs. 2 bezeichneten Art vorgeworfen wird und eine höhere Strafe als fünf Jahre Jugendstrafe oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist.

(2) Die Jugendkammer ist außerdem zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile des Jugendrichters und des Jugendschöffengerichts. Sie trifft auch die in § 73 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Entscheidungen.

(1) Die Vorschriften über die Zuständigkeit der Jugendgerichte (§§ 39 bis 42) gelten auch bei Verfehlungen Heranwachsender.

(2) Der Jugendrichter ist für Verfehlungen Heranwachsender auch zuständig, wenn die Anwendung des allgemeinen Strafrechts zu erwarten ist und nach § 25 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Strafrichter zu entscheiden hätte.

(3) Ist wegen der rechtswidrigen Tat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so gilt § 24 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Ist im Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung (§ 106 Absatz 3, 4, 7) zu erwarten, so ist die Jugendkammer zuständig. Der Beschluss einer verminderten Besetzung in der Hauptverhandlung (§ 33b) ist nicht zulässig, wenn die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, deren Vorbehalt oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 347/10
vom
17. August 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 17. August 2010 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 16. Februar 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Verabredung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, dass nicht das Erwachsenen -, sondern das Jugendgericht zuständig gewesen wäre. Es liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 4 StPO vor.
3
a) Die Rüge ist zulässig. Ihr steht nicht entgegen, dass die Angeklagte in dem Verfahren vor der Strafkammer keinen Einwand gegen die Zuständigkeit des Erwachsenengerichts erhoben hat. Eine dem § 6 a StPO entsprechende Vorschrift sieht das Gesetz für das Verhältnis von Erwachsenen- und Jugendgericht nicht vor (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2002 – 2 StR 344/02, BGHR StPO § 338 Nr. 4 Jugendgericht 3; BGH, Urteil vom 23. Mai 2002 – 3 StR 58/02, BGHSt 47, 311, 313 m.w.N.).
4
b) Die Rüge ist auch begründet. Die – zunächst auch gegen drei erwachsene Mitangeklagte geführte – Hauptverhandlung fand vor der VI. Strafkammer des Landgerichts Essen statt, der keine Zuständigkeiten als Jugendkammer zugewiesen waren. Die am 20. Januar 1985 geborene Angeklagte hat die erste festgestellte Kurierfahrt im November 2005 unternommen, war mithin bei dieser Tat Heranwachsende. Aus diesem Grund wäre für die Verhandlung und Entscheidung der Sache gemäß §§ 107, 108 Abs. 1, 33 JGG das Jugendgericht zuständig gewesen. Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck Cierniak Franke

(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden.

(2) Zuständig für den Beschluß ist das Gericht höherer Ordnung, wenn die übrigen Gerichte zu seinem Bezirk gehören. Fehlt ein solches Gericht, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 24/10
vom
13. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 13. April 2010 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 26. Juni 2009 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 19 Fällen, versuchten Betrugs, Beihilfe zum Betrug in drei Fällen, davon in einem Falle in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung, Urkundenfälschung in fünf Fällen und Beihilfe zur Urkundenfälschung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es ein Notebook des Angeklagten eingezogen. Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Rüge vorschriftswidriger Abwesenheit eines notwendigen Verteidigers in der Hauptverhandlung Erfolg; auf die Sachrüge und auf die weiteren Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.

I.


2
Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht, dass ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit eines notwendigen Verteidigers stattgefunden hat (§ 338 Nr. 5 StPO).
3
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
4
Am 10. Oktober 2008 bestellte der Vorsitzende der Strafkammer die Rechtsanwälte A. und S. zu Verteidigern des Angeklagten. In der nachfolgenden Hauptverhandlung gegen den Angeklagten und den Mitangeklagten Ar. bestimmte das Landgericht für die Schlussvorträge der Verteidiger Fortsetzungstermin auf den 9. Juni 2009. In diesem Termin blieb sowohl Rechtsanwalt A. als auch Rechtsanwalt S. aus. Stattdessen erschien Rechtsanwalt Sch. und erklärte, er komme als "Vertreter" für den erkrankten Rechtsanwalt A. , könne aber nicht als Verteidiger des Angeklagten auftreten, da er mit dem Verfahrensstoff nicht vertraut sei. Auf Anregung des Verteidigers des Mitangeklagten beschloss das Landgericht hierauf die Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten und bestimmte insoweit Fortsetzungstermin auf den 22. Juni 2009. Der Hauptverhandlung gegen den Mitangeklagten gab es sodann mit dem Schlussvortrag des Verteidigers und der Verkündung des Urteils Fortgang.
5
2. Die Rüge hat Erfolg, denn während der Verhandlung und Entscheidung über die Verfahrenstrennung war entgegen § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO kein Verteidiger des Angeklagten anwesend.
6
a) Rechtsanwalt Sch. war nicht der Verteidiger des Angeklagten. Zum allgemeinen Vertreter von Rechtsanwalt A. war er weder amtlich (§ 53 Abs. 2 Satz 3 BRAO) noch - wie sich aus der eingeholten Erklärung von Rechtsanwalt A. zur Überzeugung des Senats ergibt - durch diesen selbst bestellt (§ 53 Abs. 2 Satz 1 oder 2 BRAO). Eine "Untervollmacht" für die Verteidigung des Angeklagten konnte Rechtsanwalt A. nicht erteilen, denn die Bestellung zum Verteidiger blieb auf seine Person beschränkt (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 142 Rdn. 15). Da Rechtsanwalt Sch. nach dem unwidersprochen gebliebenen Revisionsvorbringen die Übernahme der Verteidigung abgelehnt hat, konnte der Angeklagte ihn auch nicht ausdrücklich oder stillschweigend zum Verteidiger wählen (Meyer-Goßner aaO vor § 137 Rdn. 4).
7
b) Allerdings liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO nur vor, wenn die Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, während eines wesentlichen Teils der Hauptverhandlung abwesend war. Bei der Verhandlung und Entscheidung über die Verfahrenstrennung war dies indes der Fall, denn es ist nicht bereits denkgesetzlich ausgeschlossen, dass das Urteil gegen den Angeklagten auf der Abwesenheit eines Verteidigers während dieses Verfahrensabschnitts beruht (vgl. Meyer-Goßner aaO § 338 Rdn. 36; BGH NStZ 2006, 713).
8
aa) Werden Strafsachen gegen mehrere Angeklagte, die wegen eines sachlichen Zusammenhangs miteinander verbunden waren (§§ 2, 3 StPO), wieder getrennt, so führt dies zu einer grundlegenden Veränderung des prozessualen Verhältnisses der Angeklagten zueinander. Die Trennung kann den weiteren Gang der Untersuchung beeinflussen und die Verteidigung beschränken, denn ihre Wirkung erschöpft sich nicht allein darin, dass ein bisheriger Mitangeklagter die verfahrensrechtliche Stellung eines Zeugen erhält. Sie kann auch die Möglichkeiten des Gerichts und des Angeklagten beeinträchtigen, sich mit Abweichungen oder Übereinstimmungen in den wechselseitigen Einlassungen unmittelbar auseinanderzusetzen. Dem entspricht es, dass eine Verfahrenstrennung im Einzelfall die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO verletzen kann (Meyer-Goßner aaO § 2 Rdn. 14). Aus demselben Grund sind auch der Schlussvortrag des Verteidigers eines Mitangeklagten und dessen letztes Wort grundsätzlich wesentliche Teile der Hauptverhandlung (vgl. BGHSt 32, 270; BGH NStZ 1983, 34). Der denkbare Ausnahmefall, dass es an jeglichem Bezug der den Mitangeklagten (noch) angelasteten Taten zueinander fehlt, liegt hier nicht vor, denn dem Mitangeklagten lagen vier Fälle der Urkundenfälschung zur Last, zu denen dem Angeklagten Anstiftung vorgeworfen wurde (vgl. Taten 9, 13 und 14 der Urteilsgründe).
9
Die Verfahrenstrennung steht nach § 4 Abs. 1 StPO im Ermessen des Gerichts. Damit bleibt die Möglichkeit, dass der Angeklagte, wäre er verteidigt gewesen, der Verfahrenstrennung widersprochen und das Landgericht zu einer anderen Entscheidung bewogen hätte.
10
bb) Dass das Landgericht die Trennung auch außerhalb der Hauptverhandlung hätte beschließen können, führt zu keinem anderen Ergebnis, denn darin läge eine andere Gestaltung des Verfahrens mit eigenständigen prozessualen Regelungen zur Wahrung der Rechte der Verteidigung. So wäre eine dem Angeklagten gegen die Trennung abweichend von § 305 StPO eröffnete Beschwerde (Meyer-Goßner aaO Rdn. 13) nicht durch den unmittelbaren Fortgang der Hauptverhandlung gegen den Mitangeklagten gegenstandslos geworden. Hier hat das Landgericht den Weg der Entscheidung in der Hauptverhandlung gewählt; das Verfahren muss sich deshalb an den dafür geltenden Vorschriften messen lassen. Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichts- hofs anerkannt, dass die Nichtbeachtung der Vorschriften über die Öffentlichkeit bei Verfahrensvorgängen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung stattfinden können, nicht zum absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO führt. Solche Vorgänge sind jedoch vom Schutzbereich des Öffentlichkeitsgrundsatzes von vornherein nicht erfasst, so dass es bereits an einer Rechtsverletzung fehlt (BGH NStZ 2002, 106, 107; NJW 2003, 2761; 2004, 865, 867). Für den hier in Frage stehenden Verstoß gegen § 338 Nr. 5 StPO lassen sich daraus keine Schlüsse ziehen, denn das Recht des Angeklagten auf wirksame Verteidigung besteht auch bei einer Entscheidung außerhalb der Hauptverhandlung fort.

II.


11
Für die neue Hauptverhandlung geben die Urteilsgründe Anlass zu folgenden Hinweisen:
12
1. Geht der Haupttäter einen Vertrag ein und erfüllt er damit den Tatbestand des Betruges, so genügt die Anwesenheit an seiner Seite bei Vertragsschluss für sich allein noch nicht den Anforderungen, die nach § 27 Abs. 1 StGB an eine Beihilfe zu stellen sind. Soweit keine Garantenpflicht besteht, setzt auch die psychische Beihilfe ein aktives Handeln voraus; es muss den Haupttäter im Tatplan, im Tatentschluss oder im Tatausführungswillen bestärken und so dessen tatbestandsmäßiges Handeln erleichtern oder fördern (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 27 Rdn. 11, 14). Dies bedarf der konkreten Feststellung.
13
2. Erbringt ein Mittäter seinen mehrere Einzeldelikte umfassenden Tatbeitrag bereits im Vorfeld, so werden ihm die Einzeltaten eines anderen Mittäters als in gleichartiger Tateinheit begangen zugerechnet (Fischer aaO § 25 Rdn. 23 m. w. N.). Soweit der neue Tatrichter wiederum zu dem Ergebnis ge- langt, der Angeklagte habe auf sein Betreiben bestellte GmbH-Geschäftsführer jeweils zum Abschluss einer Mehrzahl betrügerischer Finanzierungsverträge veranlasst, wird deshalb zu prüfen sein, ob dies durch eine Handlung im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB geschah.
Becker von Lienen Sost-Scheible RiBGH Dr. Schäfer befindet sich Mayer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

Für mehrere Straftaten, die gleichzeitig abgeurteilt werden und auf die teils Jugendstrafrecht und teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, gilt einheitlich das Jugendstrafrecht, wenn das Schwergewicht bei den Straftaten liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wären. Ist dies nicht der Fall, so ist einheitlich das allgemeine Strafrecht anzuwenden.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 196/16
vom
11. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2016:110816U1STR196.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. August 2016, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt , Rechtsanwältin als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 18. November 2015 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Im Hinblick auf eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat es angeordnet, dass hiervon vier Monate als vollstreckt gelten. Im Übrigen hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er ein Verfahrenshindernis geltend macht und die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Im Zeitraum von Januar bis Mai 2010 brachte der Angeklagte insgesamt 5.400 Stangen unversteuerter Zigaretten von Polen nach Wuppertal, wo sie in der Lagerhalle des Zeugen M. und mit dessen Unterstützung aus- und umgeladen wurden. Die Zigaretten unterschiedlicher Marken waren auf insgesamt acht Transporte von 300, 600 bzw. 900 Stangen verteilt, die der Angeklagte selbst mit der Unterstützung weiterer von ihm hierfür entlohnter polnischer Fahrer durchführte. Die nach Deutschland verbrachten Zigaretten waren teilweise in durch Umbaumaßnahmen hierfür geschaffenen Hohlräumen unter den Sitzen von Kraftfahrzeugen versteckt, zum Teil in Teppichrollen verborgen. Um sie in Deutschland mit Gewinn verkaufen zu können, gab der Angeklagte für die unversteuerten Zigaretten nach deren Verbringen in das deutsche Steuergebiet keine Steuererklärung ab.
4
Indem er seiner gemäß § 23 TabStG bestehenden Pflicht, für die nach Deutschland verbrachten Zigaretten bei den Zollbehörden eine Steuererklärung abzugeben, vorsätzlich nicht nachkam (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO), verkürzte er im Rahmen der acht Taten deutsche Tabaksteuer im Gesamtumfang von mindestens 148.156 Euro.

II.


5
Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
6
1. Ein Verfahrenshindernis liegt unter keinem der nachfolgend erörterten Umstände vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird ein Verfahrenshindernis durch solche Umstände begründet, die es ausschließen, dass über einen Prozessgegenstand mit dem Ziel einer Sachentscheidung verhandelt werden darf (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 168 f. mwN; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Januar 2007 – 5 StR 305/06, BGHSt 51, 202, 205 Rn. 14). Diese müssen so schwer wiegen, dass von ihrem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens abhängig gemacht werden muss (BGH aaO, BGHSt 46, 159, 169 mwN). So verhält es sich vorliegend nicht.
7
a) Die rechtsstaatswidrige Verzögerung des Verfahrens im Umfang von insgesamt drei Jahren begründet kein Verfahrenshindernis.
8
aa) Ein durch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bewirkter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK ist in der Regel durch seine Feststellung und – gegebenenfalls – den Ausspruch, dass ein Teil der Strafe als vollstreckt anzusehen ist, zu kompensieren (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 146). Dagegen führt die Verletzung des Beschleunigungsgebots nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht zu einem Verfahrenshindernis (vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 169 mwN). Dies hat seinen Grund darin, dass die Tatsache und das Gewicht des Verstoßes nur in einer Gesamtabwägung und mit Blick auf die dem Verfahren zugrunde liegende Beschuldigung und das Maß des Verschuldens bestimmt werden können; diese Feststellung entzieht sich einer allein formellen Betrachtung (BGH aaO, BGHSt 46, 159, 169). Lediglich in ganz außergewöhnlichen Sonderfällen , wenn eine angemessene Berücksichtigung des Verstoßes im Rahmen einer Sachentscheidung bei umfassender Gesamtwürdigung nicht mehr in Betracht kommt, kann eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu einem Verfahrenshindernis führen (BGH aaO, BGHSt 46, 159, 171).
9
bb) Ein solcher außergewöhnlicher Sonderfall liegt hier nicht vor, zumal trotz einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von drei Jahren in einem Zeitraum von etwas mehr als fünf Jahren nach Verfahrenseinleitung ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist.
10
Die Verfahrenseinleitung wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung wurde dem Angeklagten am 10. Juni 2010 mitgeteilt. Unter dem Datum des 16. September 2013 schloss die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ab und erhob Anklage zum Landgericht Wuppertal. Am 31. März 2015 wurde das Hauptverfahren eröffnet und Termin zur Hauptverhandlung auf den 7. Juli 2015 mit Folgeterminen bestimmt. Wegen Verhinderung des Angeklagten erfolgte die Verlegung des Termins auf den 21. Oktober 2015 mit Folgeterminen (UA S. 14). Am 18. November 2015 wurde das erstinstanzliche Urteil gegen den Angeklagten verkündet. Wie auch das Landgericht in den Urteilsgründen (UA S. 20) festgestellt hat, wurde das Verfahren um insgesamt drei Jahre rechtsstaatswidrig verzögert. Zum einen hätten die Ermittlungen bereits Mitte des Jahres 2011 abgeschlossen und damit die Anklage zwei Jahre früher erhoben werden können. Zum anderen wurde auch der Beginn der Hauptverhandlung rechtsstaatswidrig um ein Jahr verzögert.
11
Ein Verfahrenshindernis ergibt sich hieraus – trotz der sich für den Angeklagten aus dem schwebenden Verfahren ergebenden Belastungen – nicht, zumal sich der Angeklagte wegen der diesbezüglichen Tatvorwürfe nicht in Untersuchungshaft befand und trotz der Verfahrensverzögerung in etwas mehr als fünf Jahren nach Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung ein Urteil erging. Vielmehr hatte das Landgericht eine Kompensationsentscheidung zu treffen, in der das Gewicht des Verstoßes in einer Gesamtabwägung und mit Blick auf die dem Verfahren zugrunde liegende Beschuldigung und das Maß des Verschul- dens zu bestimmen waren (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 146).
12
b) Die Abtrennung des Verfahrens und die gesonderte Aburteilung einer Betäubungsmittelstraftat begründete für die verfahrensgegenständlichen Steuerstraftaten ebenfalls kein Verfahrenshindernis.
13
Die Trennung verbundener Strafsachen ist gesetzlich zulässig und kann sogar noch nach Eröffnung des Hauptverfahrens angeordnet werden (§ 4 Abs. 1 StPO). Sie ist aus Zweckmäßigkeitserwägungen insbesondere dann zulässig , wenn nur eine der verbundenen Sachen entscheidungsreif ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1974 – 4 StR 385/74, MDR 1975, 23 bei Dallinger).
14
Bei der Entscheidung über die Abtrennung von Verfahrensteilen handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Selbst bei einer im gerichtlichen Verfahren erfolgten Trennung verbundener Strafsachen kann diese mit der Revision nur auf Ermessensmissbrauch hin überprüft werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. August 2013 – 1 StR 201/13, NStZ-RR 2013, 352). Ob sich bei einem – wie hier allein in Frage kommenden – Ermessensmissbrauch durch die Staatsanwaltschaft überhaupt ein Verfahrenshindernis ergeben kann, bedarf keiner Entscheidung. Denn ein solcher Missbrauch liegt hier nicht vor.
15
Insbesondere ergibt er sich auch nicht aus dem Umstand, dass wegen unterschiedlicher Tatvorwürfe eigenständige Ermittlungsverfahren geführt wurden. Zwar kann es zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung sinnvoll sein, das Verfahren wegen mehrerer Tatvorwürfe durch lediglich ein staatsanwaltschaftliches Dezernat führen zu lassen. Gerade bei Deliktsarten, bei denen – wiebei Wirtschafts- und Steuerstraftaten – juristisches Spezialwissen erforderlich ist, kann es indes zweckmäßig sein, diejenigen Ermittlungen, die sich auf solche Tatvorwürfe beziehen, in einem gesonderten Ermittlungsverfahren durch ein hierauf spezialisiertes Dezernat der Staatsanwaltschaft führen zu lassen. Die Organisationsentscheidung der Staatsanwaltschaft, die gegen den Angeklagten bestehenden Tatvorwürfe wegen Steuerstraftaten und diejenigen wegen des Betäubungsmitteldelikts nicht in einem einheitlichen Ermittlungsverfahren zu führen, ist daher weder ermessensmissbräuchlich, noch führt sie zu einem Verfahrenshindernis.
16
Wird bei Anklageerhebung zunächst nur ein Teil der Tatvorwürfe in die Anklageschrift aufgenommen, kann dies hinsichtlich der übrigen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung darstellen, für die dann – wie hier – bei späterer Aburteilung ein Ausgleich vorzunehmen ist. Andererseits besteht für die Staatsanwaltschaft regelmäßig keine Pflicht, mit der Anklage bezüglich ausermittelter Tatvorwürfe zuzuwarten, bis eine einheitliche Anklageerhebung für alle Tatvorwürfe möglich ist. Zwar kann ein einheitliches Hauptverfahren verfahrensökonomischer und für den Angeklagten weniger belastend sein. Allerdings ist auch insoweit der Beschleunigungsgrundsatz im Blick zu behalten. Letztlich besteht damit insoweit weitgehendes Ermessen der Ermittlungsbehörden. Gleichwohl eintretende rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen sind zu kompensieren.
17
c) Weder mit der Anklageerhebung hinsichtlich der Betäubungsmittelstraftat noch mit der späteren Aussetzung des Strafrestes der hierfür verhängten Freiheitsstrafe trat für die zu diesem Zeitpunkt noch nicht angeklagten Steuerstraftaten ein Verfahrenshindernis ein.
18
Ein solches könnte sich nur aus dem Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) ergeben. Eine Verletzung dieses Rechts ist hier indes nicht erkennbar. Solange ein Ermittlungsverfahren nicht förmlich eingestellt worden ist, muss der Beschuldigte damit rechnen, dass es fortgeführt wird. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn durch das Verhalten der Ermittlungsbehörden ein Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen wurde, dass das Verfahren nicht fortgeführt werde. Umstände, die einen solchen Vertrauenstatbestand begründen könnten, sind hier jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere wurde seitens der Ermittlungsbehörden weder dem Angeklagten noch seinem Verteidiger signalisiert, die Anklageerhebung wegen der Tatvorwürfe der Steuerhinterziehung vom Ausgang des Strafverfahrens wegen der dem Angeklagten zur Last liegenden Betäubungsmittelstraftat abhängig zu machen (UA S. 22).
19
Auch die Aussetzung des Restes einer teilweise vollstreckten Freiheitsstrafe zur Bewährung schafft kein berechtigtes Vertrauen in die Erwartung, dass nun eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB mit vor der zugrunde liegenden Verurteilung begangenen Taten nicht mehr erfolgen wird. Vielmehr ist der Umstand, dass sich der Täter nach Teilverbüßung der Strafe und Entlassung aus der Haft erneut dem Strafvollzug stellen muss, bei der Zumessung der nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe zu berücksichtigen. Diesem Erfordernis ist das Landgericht hier nachgekommen, indem es den Umstand eines an sich unerwünschten „Drehtüreffekts“ ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt hat (UA S. 19).
20
2. Sofern in dem Vorbringen des Beschwerdeführers eine Verfahrensrüge dahingehend enthalten sein sollte, das Landgericht habe die Dauer der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung unzutreffend bestimmt, wäre die- se Rüge unzulässig, weil sie den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht entspräche (zu den Darlegungsanforderungen vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., Art. 6 MRK Rn. 9g mit Nachweisen aus der Rspr.). Sie wäre bereits widersprüchlich, weil der Vortrag des Beschwerdeführers zum einen die Behauptung enthält, der Sachverhalt sei bereits bei der Festnahme des Angeklagten am 9. Juli 2010 den Ermittlungsbehörden umfassend bekannt gewesen (RB S. 4), andererseits aber davon ausgeht, der Sachverhalt habe erst am letzten Verhandlungstag geklärt werden können, als der Zeuge M. seine den Angeklagten belastenden Aussagen änderte (RB S. 8).
21
3. Die Nachprüfung der Verurteilung des Angeklagten deckt keinen sachlich -rechtlichen Mangel des Urteils zum Nachteil des Angeklagten auf.
22
a) Die rechtsfehlerfrei auf der Grundlage des Geständnisses des Angeklagten und weiterer Beweismittel getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch.
23
b) Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
24
aa) Die Bestimmung des Umfangs der hinterzogenen Tabaksteuer weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Denn das Landgericht hat der Berechnung der entstandenen und verkürzten Tabaksteuer jeweils den günstigsten in Betracht kommenden Kleinverkaufspreis zugrunde gelegt. Zwar hat es dabei rechtsfehlerhaft den Regelsteuersatz und nicht den hier jeweils höheren Mindeststeuersatz angesetzt. Dies beschwert den Angeklagten jedoch nicht.
25
bb) Auch im Übrigen ist die Strafzumessung des Landgerichts rechtsfehlerfrei. Die bestimmenden Strafzumessungsgründe hat das Landgericht erkennbar berücksichtigt. Einen minder schweren Fall des § 370 Abs. 1 AO, dessen Annahme der Beschwerdeführer im angefochtenen Urteil vermisst, sieht das Gesetz nicht vor.
26
cc) Die nachträgliche Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe entspricht § 55 StGB. Die verfahrensgegenständlichen Steuerstraftaten beging der Angeklagte vor seiner Verurteilung durch das Landgericht Wuppertal am 2. Februar 2011 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Diese Strafe war weder vollständig vollstreckt noch verjährt oder erlassen. Vielmehr war die Restfreiheitsstrafe noch zur Bewährung ausgesetzt.
27
c) Schließlich hält die Höhe der Kompensation für die festgestellte rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung rechtlicher Nachprüfung stand. Das Landgericht hat nach dem sog. Vollstreckungsmodell (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124) zur Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung angeordnet, dass vier Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Dies hält sich im Rahmen des dem Tatrichter eingeräumten Bewertungsspielraums und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
28
aa) Der Tatrichter hat Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 146). Der sachlich-rechtlich zu fordernde Erörterungsbedarf darf aber mit Rücksicht auf die vielen denkbaren Verfahrensvorgänge, die für die Entscheidung eine Rolle spielen können, nicht überspannt werden. Es reicht deshalb aus, wenn das Revisionsgericht anhand der Ausführungen im Urteil im Sinne einer Schlüssigkeitsprüfung nachvollziehen kann, ob die festgestellten Umstände die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verzögerung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK tragen und sich die Kompensationsentscheidung innerhalb des dem Tatrichter insoweit eingeräumten Bewertungsspielraums hält (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2015 – 4 StR 21/15 Rn. 15, NStZ 2015, 540; Urteile vom 12. Februar 2014 – 2 StR 308/13 Rn. 30, NStZ 2014, 599 und vom 23. Oktober 2013 – 2 StR 392/13 Rn. 9, NStZ-RR 2014, 21).
29
bb) Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Kompensationsentscheidung des Landgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere hat es alle sich für den Angeklagten aus der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ergebenden Belastungen in seinen Wertungsakt einbezogen. Dabei hat das Landgericht nicht nur in den Blick genommen, dass die Gesamtfreiheitsstrafe ohne die Verfahrensverzögerung an einem Stück hätte vollstreckt werden können, sondern auch, dass der Angeklagte den Vorteil der ihm gemäß § 57 Abs. 2 StGB bereits zum Halbstrafenzeitpunkt gewährten Aussetzung des Strafrests zur Bewährung nachträglich wieder verloren hat (UA S. 21).
Graf Jäger Radtke Mosbacher Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 201/13
vom
6. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. August
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 14. Januar 2013 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen versuchten Diebstahls und wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision, die keinen Erfolg hat.

I.


2
1. Zu den Taten hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
3
a) Der vielfach und auch einschlägig vorgeahndete Angeklagte plante einen Einbruch in ein Antiquitätengeschäft und in die darüber liegende Wohnung des Inhabers B. . Hierzu gewann der Angeklagte als führendes Mitglied einer auf Wohnungseinbruchsdiebstähle und Raubüberfälle spezialisierten Gruppe den gesondert Verfolgten, den 29 Jahre alten G. , der kurz zuvor zu der Gruppe gestoßen war, als Mittäter. Sie planten, den Einbruch zu einer Zeit auszuführen, da B. schlafen würde; für den Fall, dass B. sie bemerkte, sollte G. den Widerstand durch körperliche Gewalt brechen, weswegen er sich mit Wissen des Angeklagten u.a. mit Pfefferspray ausrüstete.
4
In Umsetzung des Plans begaben sich beide zum Anwesen des Geschädigten B. . Gegen 1.30 Uhr des 5. Dezember 2011 hebelte G. eine mit einer Eisenkette gesicherte Hintereingangstür auf, so dass er und der Angeklagte über eine Treppe in das erste Obergeschoss in die Wohnräume schleichen konnten, wo sie Bargeld vermuteten. Als der durch die Geräusche aufgewachte 71 Jahre alte B. seine Schlafzimmertüre öffnete, sprühteihm G. in Absprache mit dem Angeklagten sofort Pfefferspray in die Augen und schlug ihm seine 25 Zentimeter lange, mit großen Batterien gefüllte Stabtaschenlampe mehrfach auf den Kopf und den Oberkörper. B. musste gegenüber dem körperlich weit überlegenen G. zwar zurückweichen, wehrte sich aber dennoch, wobei es ihm mehrfach gelang, Möbelstücke zwischen sich und den G. zu schieben. Dieser räumte die Hindernisse aus dem Weg und schlug weiter so heftig mit der Taschenlampe auf den Geschädigten ein, dass diese zerbrach. Dabei wurde G. von dem nachrückenden Angeklagten, der wegen der beengten räumlichen Verhältnisse keine tatkräftige Unterstützung leisten konnte, u.a. durch die Zurufe: „Mach ihn nieder, mach ihn alle“ angefeu- ert. Wie der Angeklagte wusste, empfand G. wegen dessen führender Stellung in der Gruppe die Anfeuerungen wie einen Befehl. Schließlich erkannte der Angeklagte, dass sich der Tatplan wegen der anhaltenden Gegenwehr nicht mehr durchführen ließ, und befahl den Rückzug. Dabei ließen sie den nachhaltig - u.a. durch eine schwere Gehirnerschütterung - verletzten B. zurück.
5
b) Nachdem der Angeklagte für einen Einbruch in ein anderes Antiquitätengeschäft den kurz zuvor zu der Gruppe gestoßenen K. als Mittäter gewonnen hatte, begab er sich in dessen Begleitung am späten Abend des 14. März 2012 zu der in Aussicht genommenen Örtlichkeit. Wenige Stunden später, am 15. März 2012 gegen 2.10 Uhr, versuchten er und sein Mittäter mit Montiereisen die stabile Tür zum Geschäft aufzubrechen. Als sie die von einem Anwohner verständigten Streifenwagen der Polizei bemerkten, ergriffen sie die Flucht, konnten jedoch kurz darauf getrennt voneinander im Umfeld des Geschäfts festgenommen werden.
6
c) Als der Angeklagte erfuhr, dass der ihm bekannte Pfarrer aus W. über das Wochenende des 24. und 25. März 2012 an einer Skifreizeit teilnimmt, beschloss er, dies für einen Einbruch in das Pfarrhaus auszunutzen. Er wusste, dass sich dort Wertgegenstände befanden; außerdem hoffte er auf Bargeld. Gemeinsam mit G. drang er zwischen dem 24. März um 14.00 Uhr und dem 25. März um 8.00 Uhr in das Pfarrhaus ein. G. hatte ein Kellerfenster eingeschlagen, war hineingeklettert und hatte den Angeklagten durch ein Fenster im Erdgeschoss eingelassen. Sie durchsuchten die Räumlichkeiten und entwendeten diverse Gegenstände, so u.a. eine Opferbüchse der Caritas mit 300 Euro, einen Fernseher, Bekleidung, eine Motorsäge und eine Geldkassette. Sie versuchten ergebnislos, mit einer Flex einen Tresor zu öffnen, was ihnen nicht gelang. Außerdem tranken sie im Keller gefundene alkoholische Getränke.
7
2. Das Landgericht hat die Tat zu 1.a. der Urteilsgründe als (fehlgeschlagenen ) versuchten besonders schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gewertet und hierfür - ausgehend vom gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB - eine Ein- zelfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verhängt. Für die Tat zu 1.b. hat es einen (fehlgeschlagenen) versuchten Diebstahl unter Verwirklichung des Regelbeispiels nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB angenommen, den gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB zugrunde gelegt und auf eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren erkannt. Für die als Wohnungseinbruchsdiebstahl gewertete Tat zu 1.c. ist es vom Strafrahmen des § 244 Abs. 1 StGB ausgegangen und hat eine Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verhängt.

II.


8
1. Die Verfahrensrügen führen nicht zu einem Erfolg des Rechtsmittels.
9
a) Die Rüge, am 29. November 2012 habe ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des notwendigen Verteidigers stattgefunden, ist unzulässig, da sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht entspricht. Es wird zwar mitgeteilt, dass eine Verfahrensabtrennung erfolgt sei, nicht aber, ob die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ausgesetzt oder fortgesetzt worden ist. Damit lässt der Vortrag offen, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 6. Februar 1980 - 2 StR 729/79, BGHSt 29, 203; vom 30. August 2012 - 4 StR 108/12). Denn im Falle einer erfolgten Aussetzung bedeutete dies den Abbruch der Verhandlung mit der Folge, dass später eine völlig neue, selbständige Hauptverhandlung stattfinden muss (vgl. hierzu Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 229 Rn. 39; zur Fortsetzung vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2010 - 3 StR 24/10, BGHR StPO § 338 Nr. 5 Verteidiger 8). Der unvollständige Vortrag kann auch nicht durch den angesichts der umfassenden und zulässigen Sachrüge an sich möglichen Rückgriff auf die Urteilsgründe (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 27. Juli 2012 - 1 StR 68/12, StraFo 2012, 411) ergänzt werden, da diese den Beginn der Hauptverhandlung nicht ausweisen.
10
Die Rüge wäre aber auch unbegründet, weil - was der Senat der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft entnommen hat - tatsächlich nach Aussetzung der Hauptverhandlung am 29. November 2012 die erneute Hauptverhandlung gegen den Angeklagten erst am 11. Januar 2013 begonnen hat, mithin der behauptete Verfahrensverstoß vom 29. November 2012 nicht in der mit dem Urteil abgeschlossenen Hauptverhandlung stattgefunden haben und deswegen nicht die Rüge des § 338 Nr. 5 StPO begründen kann.
11
b) Die Rüge der vorschriftswidrigen Besetzung nach § 338 Nr. 1 StPO ist präkludiert und damit unzulässig. Die Revision trägt zwar vor, die Verteidigung habe den Besetzungseinwand in der Hauptverhandlung vor Verlesung der Anklage gerügt. Das Protokoll weist jedoch einen mündlich erhobenen und begründeten Einwand - wie es bei Geltendmachung in der Hauptverhandlung erforderlich ist (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 222b Rn. 5) - erst nach der Vernehmung des Angeklagten zur Sache aus. Die vom Revisionsführer zitierte Protokollstelle belegt diesen im Hinblick auf § 222b StPO verspäteten Zeitpunkt des Einwands. Zum Vorliegen eines anderen Ausnahmegrundes für die Rügepräklusion nach § 338 Nr. 1 Halbsatz 2 StPO ist nichts vorgetragen (zur diesbezüglichen Vortragspflicht vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1990 - 5 StR 268/89, NJW 1990, 3219, 3220). Deswegen kann dahinstehen, ob die Besetzungsrüge überhaupt noch unter dem gleichen rechtlichen Aspekt wie der in der Hauptverhandlung geltend gemachte Besetzungseinwand verfolgt wird. Der Revisionsvortrag lässt zudem auch kein Geschehen erkennen, das als willkürliche Entziehung des gesetzlichen Richters durch die Anberaumung eines außerordentlichen anstatt des belegten ordentlichen Sitzungstages zu werten ist (vgl.
zum Prüfungsmaßstab BGH, Beschlüsse vom 7. Juni 2005 - 2 StR 21/05, BGHSt 50, 132, 137; vom 3. Juli 2012 - 4 StR 66/12, NStZ-RR 2012, 319).
12
c) Der Senat kann offen lassen, ob im Hinblick auf den fehlenden Vortrag zu dienstlichen Stellungnahmen gemäß § 26 Abs. 3 StPO die Verfahrensrüge gemäß § 338 Nr. 3 StPO betreffend das Ablehnungsgesuch gegen die mitwirkenden Schöffen zulässig erhoben ist; die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Die Bescheidung des Ablehnungsgesuchs lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Zutreffend ist darauf abgestellt worden, dass für Schöffen keine anderen Maßgaben für die Unvoreingenommenheit gelten als bei Berufsrichtern, auch wenn es sich um schwierige Beweissituationen handelt (BGH, Urteil vom 17. Juli 1996 - 5 StR 121/96, BGHSt 42, 191, 193 f.) und mithin eine Vorbefassung mit dem Sachverhalt durch Verurteilung eines Mittäters für sich genommen keinen Ablehnungsgrund darstellt (BGH, Beschluss vom 9. März 2000 - 4 StR 513/99).
13
d) Die Rüge eines „Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 StPO“ versagt ebenfalls.
14
Dieser Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
15
Gegen den Angeklagten und G. war am 3. August 2012 Anklage erhoben worden. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 28. August 2012 das Hauptverfahren eröffnet, die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und die gegen beide Angeklagte bestehenden Haftbefehle in Vollzug belassen. Zugleich hat es das Verfahren gegen den Angeklagten abgetrennt. Hiergegen hat der Angeklagte Beschwerde eingelegt, worauf das Oberlandesgericht Karlsruhe die Verfahren wieder verbunden hat. Hierzu hat es ausgeführt , dass die Trennung der Verfahren nicht zweckmäßig sei. Daraufhin hat das Landgericht Termin zur Hauptverhandlung für den 29. und 30. November, 6. und 7. Dezember 2012 anberaumt. In der Hauptverhandlung vom 29. No- vember 2012 war der Verteidiger des Angeklagten krankheitsbedingt verhindert, daraufhin ist das Verfahren gegen den Angeklagten erneut abgetrennt worden. G. , der, nach 38 Tagen Untersuchungshaft und Unterbrechung derselben wegen Strafvollstreckung in anderer Sache, seit dem 29. September 2012 wieder Untersuchungshaft verbüßt, ist am 29. November 2012 verurteilt worden. Das Verfahren gegen den Angeklagten hat am 11. und 14. Januar 2013 stattgefunden.
16
Die Revision macht geltend, dass die erneute Abtrennung „ermessens- missbräuchlich gegen § 2 Abs. 2 StPO“ verstoßen habe. Denn der Beschluss des Oberlandesgerichts sei verbindlich gewesen und habe das Ermessen des Gerichts auf Null reduziert. Auch die „kurzweilige Erkrankung“ des Verteidigers ändere daran nichts, es hätte noch an den anberaumten Tagen 6. und 7. Dezember 2012 gemeinsam verhandelt werden können. Bei einer ermessensfehlerfreien Entscheidung wäre keine Verfahrensabtrennung erfolgt und die Verteidigung hätte die Möglichkeit gehabt, auf das Beweismittel G. einzugehen und seine Angaben zu widerlegen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das Gericht dann zu einer anderen Beurteilung gekommen wäre.
17
Die Rüge ermessensmissbräuchlicher Verfahrenstrennung ist nicht zulässig erhoben, da nicht vorgetragen ist, was dem Landgericht bei der Abtrennung zur Dauer der krankheitsbedingten Verhinderung des Verteidigers des Angeklagten bekannt war. Dies wäre aber erforderlich, um die Ausübung des Ermessens auf Missbrauch zu überprüfen. Dies gilt auch für die Frage, ob und wann das im Zusammenhang mit einer anderen Rüge vorgetragene Attest dem Gericht vorgelegen hat. Die Rüge wäre darüber hinaus jedenfalls unbegründet.
18
Auch wenn Verbindung und Trennung von Verfahren grundsätzlich dem Ermessen des Tatrichters überlassen sind, kann ein Beschwerdeführer im Revisionsverfahren mit der Verfahrensrüge geltend machen, dass der Tatrichter das ihm zustehende Ermessen missbraucht hat (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. August 2002 - 2 BvR 932/02, StV 2002, 578; vom 9. August 2007 - 2 BvR 1277/07; BGH, Urteil vom 5. Februar 1963 - 1 StR 265/62, BGHSt 18, 238, 239; Fischer in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 4 Rn. 15). Ob die Trennung hingegen zweckmäßig war, hat das Revisionsgericht anders als das Beschwerdegericht nicht zu überprüfen (BGH, Beschlüsse vom 18. Januar 1996 - 4 StR 718/95; vom 15. Februar 2001 - 3 StR 546/00, BGHR StPO § 4 Verbindung 16; Fischer aaO).
19
Ein Fall des Ermessensmissbrauchs ist nicht erkennbar. Angesichts des neu hinzugetretenen Umstands, dass gegen den Angeklagten am 29. November 2012 nicht verhandelt werden konnte, aber das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen jedenfalls für den Mitangeklagten G. zu beachten war, dieser bereits seit mehr als drei Monaten Untersuchungshaft verbüßte und nicht ersichtlich ist, was dem Landgericht zur Dauer der Verhinderung des Verteidigers bekannt war - das im Zusammenhang mit einer anderen Rüge vorgetragene Attest datiert auf den 19. März 2013, kann mithin dem Landgericht nicht vorgelegen haben -, bietet die Abtrennung zur gesonderten Verhandlung keine Anhaltspunkte für unzulässige Erwägungen bei der Ermessensausübung. Insbesondere für ein willkürliches oder grob missbräuchliches, Bedeutung und Tragweite des Rechts des Beschwerdeführers auf ein rechtsstaatliches, faires Strafverfahren verkennendes Vorgehen des Landgerichts ist nichts ersichtlich. Auch die Revision trägt solches nicht vor. Soweit sie der Ansicht ist, das Landgericht sei auch bei dieser Sachlage an die Entscheidung des Beschwerdesenats gebunden gewesen, verkennt sie die tatrichterliche Verantwortung für die zügige Durchführung der Strafverfahren insbesondere in Haftsachen, welche stets dem aktuellen Sachstand entsprechend wahrzunehmen ist.
20
Auch wenn man die Rüge im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Sachrüge als Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1963 - 1 StR 265/62, BGHSt 18, 238; Beschluss vom 13. April 2010 - 3 StR 24/10, BGHR StPO § 338 Nr. 5 Verteidiger
8) auslegte, scheiterte diese schon am mangelnden Vortrag einer bestimmten Beweistatsache und eines bestimmten für den Angeklagten günstigen Beweisergebnisses (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2008 - 5 StR 412/08, NStZ 2009, 468; Beschluss vom 23. Mai 2012 - 1 StR 208/12).
21
2. Das angefochtene Urteil hält auch materiell-rechtlicher Prüfung stand.
22
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei in allen drei Fällen einer der Täter, lässt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen, insbesondere liegen die von der Revision gerügten Mängel bei der Beweiswürdigung nicht vor.
23
a) Entgegen den Ausführungen der Verteidigung hat das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung für die Taten zu I.1.a. und c. der Urteilsgründe nicht allein auf die Angaben des Mittäters G. abgestellt. Vielmehr hat es für die Tat zu I.1.c. (Einbruch im Pfarrhaus) dessen Angaben durch eine dem Angeklagten zugeordnete DNA-Spur an der Öffnung einer von den Tätern geöffneten Sektflasche bestätigt gesehen. Den von der Revision beanstandeten Schluss, dass diese Spur anlässlich der Tat aufgetragen worden sei, gründet das Landgericht rechtsfehlerfrei auf die zeugenschaftlichen Angaben des geschädigten Pfarrers, er kenne den Angeklagten schon lange, da dieser ihn häufig angebettelt habe. Er habe aber niemals mit ihm Sekt getrunken und auch keine geöffnete Sektflasche in der Wohnung zurückgelassen. Die alternative Möglichkeit der Auftragung der DNA-Spur außerhalb der Tat hat das Land- gericht auf dieser Tatsachengrundlage nachvollziehbar und hinreichend sicher ausgeschlossen.
24
Die Belastung des Angeklagten durch G. hinsichtlich der Tat zu I.1.a. (Geschädigter B. ) hat das Landgericht durch außerhalb von dessen Aussage liegende Indizien bestätigt gesehen. Als solche hat es den durch DNASpuren im Pfarrhaus belegten Umstand gewertet, dass G. und der Angeklagte Einbrüche miteinander begangen haben. Zudem hat es aber auch auf die als belastbar erachteten Angaben des Geschädigten B. gegründeten Feststellungen, dass der Angeklagte das Geschäft zuvor ausgekundschaftet habe und der anfeuernde Täter fließend die deutsche Sprache spreche (was auf den Angeklagten zutreffe), abgestellt. Dabei hat es dem Umstand, dass die Angaben des Geschädigten B. aufgrund dessen Ermordung nach seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung gegen G. über Vernehmungsbeamte eingeführt worden sind, durch eine besonders kritische Prüfung unter Zugrundelegung zutreffender rechtlicher Vorgaben ausreichend Rechnung getragen.
25
Auch wenn das Landgericht damit die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten nicht allein von den Angaben des Mittäters G. abhängig gemacht hat, so hat es dennoch die für die Richtigkeit von dessen Angaben sprechenden Gesichtspunkte unter ausdrücklicher Berücksichtigung eines möglichen Motivs zur Falschaussage, um sich selbst zu entlasten oder eine Strafmilderung zu erlangen, umfassend geprüft, gewürdigt und dies im Urteil nachvollziehbar deutlich gemacht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 1991 - 3 StR 112/91, BGHR StPO § 261 Mitangeklagte 2; vom 15. November 1991 - 2 StR 499/91, BtMG § 29 Beweiswürdigung 7; vom 9. November 1999 - 5 StR 552/99, StV 2000, 243, 244; vom 22. Januar 2002 - 5 StR 549/01, StV 2002, 467; vom 17. Januar 2002 - 3 StR 417/01, NStZ-RR 2002, 146, 147). Dabei hat es auch den im Hinblick auf Art. 6 Abs. 3 lit. d MRK - die belastenden Angaben waren nur mittelbar über zwei Vernehmungspersonen in die Hauptverhandlung eingeführt worden - erhöhten Anforderungen an die Sorgfältigkeit und Vollständigkeit der vorzunehmenden Gesamtwürdigung genügt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Juli 2004 - 5 StR 71/04, BGH NStZ 2004, 691, 692; vom 17. März 2009 - 4 StR 662/08, NStZ-RR 2009, 212; vom 22. September 2011 - 2 StR 263/11, NStZ-RR 2012, 52). Zwar ist der Revision zuzugeben, dass das Landgericht nicht mehr ausdrücklich erwogen hat, inwieweit aus der Berufung des G. auf das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO Schlüsse zugunsten des Angeklagten gezogen werden könnten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 25. November 2008 - 5 StR 491/08, StV 2009, 174). Angesichts der durch Tatsachen belegten Urteilsausführungen, dass G. „große Angst vor Repressalien des Angeklagten“ gehabt habe, kann der Senat aber aus- schließen, dass es diesen speziellen Aspekt aus dem Blick verloren haben könnte. Im Übrigen kann er angesichts der vom Landgericht herangezogenen, die Angaben bestätigenden Indizien und der durch andere Umstände ausgelösten , ohnehin besonders kritischen Auseinandersetzung mit dieser Aussage auch ausschließen, dass das Landgericht bei ausdrücklicher Berücksichtigung dieses Umstands zu einer anderen Bewertung gekommen wäre.
26
Soweit die Revision geltend machen will, die Einvernahme der Vernehmungspersonen als Zeugen vom Hörensagen sei darauf beschränkt gewesen zu fragen, ob G. und B. bei ihren polizeilichen Angaben geblieben seien, steht dies im Widerspruch zu den Urteilsgründen, wonach die Vernehmungsbeamten weitergehende Angaben zum Aussageverhalten beider gemacht haben. An diese vom Tatgericht getroffenen Feststellungen zur Aussage der in der Hauptverhandlung gehörten Zeugen ist der Senat bei der Urteilsüberprüfung im Rahmen der Sachrüge gebunden.
27
b) Zur Beweiswürdigung für die Tat zu I.1.b. der Urteilsgründe (versuchter Einbruch in das Antiquitätengeschäft) macht die Revision geltend, dass das Landgericht von der Tatsachengrundlage - der Angeklagte wurde wie K. in unmittelbarer Tatortnähe kurz nach der Tat gefasst, er führte rote Montiereisen mit, wobei sich rote Lackantragungen an der beschädigten Tür fanden, der Mittäter K. bestätigte, den Angeklagten am Abend der Tat zu dem Antiquitätengeschäft gefahren zu haben und der Angeklagte und K. wurden drei Monate nach dieser Tat nach einem gemeinsamen Einbruch auf frischer Tat ertappt - nicht auf die Täterschaft des Angeklagten hätte schließen dürfen, da insoweit erhebliche Restzweifel verblieben seien. Dies geht fehl. Eine mathematische, jede Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ausschließende, von niemandem mehr anzweifelbare Gewissheit bei der Bildung der Überzeugung von der Schuld des Angeklagten ist nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteile vom 26. Mai 1993 - 3 StR 156/93, BGHR StPO § 261 Einlassung 5; vom 26. Juni 2008 - 3 StR 159/08, NStZ-RR 2008, 350). Die Schluss- folgerung des Landgerichts ist verstandesmäßig einsehbar und beruht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Dies genügt.
Raum Wahl Jäger
Cirener Radtke

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Über Verfehlungen Jugendlicher entscheiden die Jugendgerichte.

(2) Jugendgerichte sind der Strafrichter als Jugendrichter, das Schöffengericht (Jugendschöffengericht) und die Strafkammer (Jugendkammer).

(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu regeln, daß ein Richter bei einem Amtsgericht zum Jugendrichter für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte (Bezirksjugendrichter) bestellt und daß bei einem Amtsgericht ein gemeinsames Jugendschöffengericht für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte eingerichtet wird. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

Von den Vorschriften über die Jugendgerichtsverfassung gelten die §§ 33 bis 34 Abs. 1 und §§ 35 bis 38 für Heranwachsende entsprechend.

Für mehrere Straftaten, die gleichzeitig abgeurteilt werden und auf die teils Jugendstrafrecht und teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, gilt einheitlich das Jugendstrafrecht, wenn das Schwergewicht bei den Straftaten liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wären. Ist dies nicht der Fall, so ist einheitlich das allgemeine Strafrecht anzuwenden.

Von den Vorschriften über die Jugendgerichtsverfassung gelten die §§ 33 bis 34 Abs. 1 und §§ 35 bis 38 für Heranwachsende entsprechend.

(1) Über Verfehlungen Jugendlicher entscheiden die Jugendgerichte.

(2) Jugendgerichte sind der Strafrichter als Jugendrichter, das Schöffengericht (Jugendschöffengericht) und die Strafkammer (Jugendkammer).

(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu regeln, daß ein Richter bei einem Amtsgericht zum Jugendrichter für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte (Bezirksjugendrichter) bestellt und daß bei einem Amtsgericht ein gemeinsames Jugendschöffengericht für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte eingerichtet wird. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR59/15
vom
18. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. Juni 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 1. September 2014 im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen und versuchten schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
3
a) Die allgemeine Strafkammer hat nicht erkennbar bedacht, dass der Angeklagte die in den Fällen II. 9 und 11 der Urteilsgründe abgeurteilten versuchten schweren Bandendiebstähle im Alter von 19 bzw. 20 Jahren und damit als Heranwachsender (§§ 1, 105 JGG) begangen hatte. Das Landgericht hätte deshalb prüfen müssen, ob der Angeklagte zur Zeit dieser Taten nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, sodass an sich Jugendstrafrecht anzuwenden wäre.
4
b) Auch die für die übrigen Taten verhängten Einzelstrafen können nicht bestehen bleiben. Zwar ergeben die Feststellungen zu den weiteren vollendeten oder versuchten schweren Bandendiebstählen, dass der Angeklagte bei Begehung dieser Taten das 21. Lebensjahr vollendet hatte. Sollte die nun entscheidende Jugendkammer in den Fällen II. 9 und 11 der Urteilsgründe zur Anwendung von Jugendstrafrecht gelangen, so würde die Verurteilung teils zu Jugend- teils zu Erwachsenenstrafe gegen § 32 i.V.m. § 105 Abs. 1 JGG verstoßen. Danach ist es nicht statthaft, bei gleichzeitiger Aburteilung von Taten, auf die teils Jugendstrafrecht, teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, sowohl auf Jugendstrafe als auch auf Erwachsenenstrafe zu erkennen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 1979 – 1 StR 298/79, BGHSt 29, 67; Beschluss vom 7. Oktober 1997 – 4 StR 389/97, BGHR JGG § 32 Schwergewicht 4); vielmehr ist entsprechend dem Schwergewicht der Taten entweder nur nach Jugendstrafrecht oder nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen.
5
Welches Recht einheitlich auf mehrere in verschiedenen Altersstufen begangene Taten anzuwenden ist, richtet sich danach, wo deren Schwergewicht liegt. Dies hat der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden (BGH, Urteile vom 8. Januar 1986 – 3 StR 457/85, NStZ 1986, 219, vom 22. Juni 1988 – 3 StR 93/88, BGHR JGG § 32 Schwergewicht 1, vom 31. August 1999 – 1 StR 268/99 und vom 18. Juni 2009 – 3 StR 171/09; Beschluss vom 7. Dezember 1999 – 1 StR 570/99). Lässt sich nicht eindeutig erkennen , dass das Schwergewicht bei den vom Angeklagten als Heranwachsender begangenen und nach Jugendstrafrecht zu beurteilenden Straftaten liegt, so ist für alle Taten allgemeines Strafrecht anzuwenden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 1997 – 4 StR 389/97, BGHR JGG § 32 Schwergewicht 4 mwN, vom 7. Dezember 1999 – 1 StR 570/99 und vom 27. Mai 2008 – 4 StR 178/08, NStZ-RR 2008, 324). Werden – wie hier – entsprechende Überlegungen deshalb nicht angestellt, weil der Tatrichter übersehen hat, dass die Anwendbarkeit des Jugendgerichtsgesetzes überhaupt im Raum steht, können nicht eigene Erwägungen des Revisionsgerichts an deren Stelle treten (BGH, Beschluss vom 18. März 1996 – 1 StR 113/96, NStZ-RR 1996, 250).
6
2. Das angefochtene Urteil ist daher im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) aufzuheben und in diesem Umfang an die zuständige Jugendkammer zurückzuverweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 1996, aaO S. 251).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Mutzbauer Bender

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

Wird ein Urteil aufgehoben, weil das Gericht des vorangehenden Rechtszuges sich mit Unrecht für zuständig erachtet hat, so verweist das Revisionsgericht gleichzeitig die Sache an das zuständige Gericht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 439/08
vom
19. Februar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Februar 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 7. Juli 2008 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht - Schwurgericht - hat den Angeklagten wegen "gefährlicher Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen, wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Körperverletzung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung materiellen Rechts rügt.
2
Die Revision ist im Wesentlichen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 26. September 2008 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der näheren Erörterung bedarf nur die Verfahrensrüge, das Landgericht habe zu Unrecht seine Zuständigkeit angenommen (§ 338 Nr. 4 StPO).
3
I. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde: Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten die verfahrensgegenständlichen Straftaten in zwei getrennten Anklageschriften zum Amtsgericht Gifhorn - Straf- richter - zur Last gelegt. Der Strafrichter eröffnete in beiden Sachen das Hauptverfahren und bestimmte einen einheitlichen Verhandlungstermin. Am Ende der Hauptverhandlung vom 7. Februar 2008 erließ er gegen den Angeklagten Haftbefehl wegen des dringenden Verdachts der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen sowie der Körperverletzung und verwies das Verfahren an das Schöffengericht. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Gifhorn für das Jahr 2008 war - wie der Senat freibeweislich ermittelt hat - der Strafrichter zugleich der Vorsitzende des einzigen für allgemeine Strafsachen zuständigen Schöffengerichts. Am 13. Februar 2008 hob der Strafrichter den Verweisungsbeschluss an das Schöffengericht wieder auf und legte die Sache durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Landgericht Hildesheim - Schwurgericht - gemäß § 225 a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 StPO zur Übernahme vor, weil jedenfalls in einem der Fälle der hinreichende Verdacht des versuchten Totschlags bestehe. Wiederholte Schläge mit einer Bierflasche auf den Kopf des Opfers seien objektiv geeignet, dessen Tod herbeizuführen; es sei nicht auszuschließen , dass der einschlägig vorbestrafte Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt habe. Eine Beschwerde gegen diesen Vorlagebeschluss verwarf das Landgericht mit der Begründung als unzulässig, der Strafrichter sei zur Vorlage berechtigt gewesen, weil er den Verweisungsbeschluss an das Schöffengericht zu Recht wieder aufgehoben habe. Dieser sei offensichtlich gesetzeswidrig gewesen, weil die Verweisung vor dem Hintergrund eines im Raum stehenden Vorwurfs des versuchten Totschlags vorgenommen worden und für die Verhandlung über diesen Vorwurf das Schwurgericht ausschließlich zuständig sei. Mit Beschluss vom 1. April 2008 übernahm das Landgericht gemäß § 225 a Abs. 1 Satz 2 StPO das Verfahren.
4
II. Die Rüge ist im Ergebnis unbegründet.
5
Bejaht ein Gericht höherer Ordnung fehlerhaft seine Zuständigkeit, so bleibt die Beanstandung der sachlichen Unzuständigkeit im Revisionsverfahren (§ 338 Nr. 4 StPO) im Hinblick auf die Vorschrift des § 269 StPO regelmäßig ohne Erfolg (Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 338 Rdn. 32 m. w. N.). Dieser Norm liegt der Gedanke zugrunde, dass die weitergehende sachliche Zuständigkeit des Gerichts höherer Ordnung die dahinter zurückbleibende des Gerichts niedrigerer Ordnung mit einschließt; durch die Verhandlung vor einem an sich unzuständigen höheren Gericht wird der Angeklagte grundsätzlich nicht benachteiligt (st. Rspr.; vgl. BGHSt 43, 53, 55 m. w. N.). Dieser Grundsatz erfährt allerdings eine Einschränkung dahin, dass in Fällen, in denen die unzutreffende Annahme der Zuständigkeit auf sachfremden oder anderen offensichtlich nicht haltbaren Erwägungen beruht, wenn also objektive Willkür vorliegt und dadurch der Anspruch des Angeklagten auf seinen gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt wird, die sachliche Unzuständigkeit des Gerichts höherer Ordnung gleichwohl zur Urteilsaufhebung führt (BGHSt aaO). Dies gilt auch dann, wenn das höherrangige Gericht nicht aufgrund einer Verweisung durch ein Gericht niedrigerer Ordnung (§ 270 StPO), sondern durch eine grundsätzlich unanfechtbare (§ 225 a Abs. 3 Satz 3, § 210 Abs. 1 StPO) und nach § 336 Satz 2 StPO im Revisionsverfahren regelmäßig nicht überprüfbare Übernahmeentscheidung nach § 225 a Abs. 1 Satz 2 StPO (vgl. Meyer-Goßner aaO § 225 a Rdn. 25) mit der Sache befasst wird. Denn in Fällen der objektiv willkürlichen Entziehung des gesetzlichen Richters erfordert die verfassungskonforme Ausgestaltung des Strafverfahrens eine einschränkende Auslegung des § 336 Satz 2 StPO dahin, dass solche Verstöße zumindest revisionsrechtlich überprüfbar sind, weil sonst eine fachgerichtliche Kontrolle überhaupt nicht durchgeführt werden könnte (Frisch in SK-StPO § 336 Rdn. 20 m. w. N.).
6
Hier hat die Schwurgerichtskammer des Landgerichts die Sache jedenfalls nicht in objektiv willkürlicher Weise übernommen; die Verhandlung vor diesem Spruchkörper stellt daher keinen zur Aufhebung des Urteils gemäß § 338 Nr. 4 StPO führenden Rechtsfehler dar.
7
1. Durch die Vorlage des Strafrichters nach § 225 a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 StPO ist das Schwurgericht zur Entscheidung über die beantragte Übernahme zuständig geworden (vgl. Schlüchter in SK-StPO § 225 a Rdn. 19 f.).
8
a) Allerdings war der Strafrichter für die Vorlegung der Sache an das Schwurgericht nicht mehr zuständig; denn er hatte mit Beschluss vom 7. Februar 2008 das Verfahren gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 StPO an das Schöffengericht verwiesen, wodurch die Sache dort rechtshängig wurde.
9
Der Verweisungsbeschluss war zwar rechtsfehlerhaft, weil nach Eröffnung des Hauptverfahrens eine Verweisung durch den Strafrichter an das Schöffengericht nicht in Betracht kommt, wenn er im konkreten Fall eine höhere Strafe als zwei Jahre Freiheitsstrafe (vgl. § 25 Nr. 2 GVG) für angemessen erachtet. Der Strafrichter hat nach Zulassung der Anklage die volle Strafgewalt des § 24 Abs. 2 GVG (BGHSt 16, 148; 42, 205, 213; BayObLG NStZ 1985, 470), so dass es sich in diesen Fällen bei dem Schöffengericht im Verhältnis zum Strafrichter nicht um ein Gericht höherer Ordnung im Sinne des § 270 Abs. 1 Satz 1 StPO handelt.
10
Dies ändert indes nichts daran, dass das Verfahren - unabhängig davon, ob die Verweisung für das Schöffengericht trotz ihrer Fehlerhaftigkeit bindend und daher eine Rückgabe an den Strafrichter ausgeschlossen war (vgl. MeyerGoßner aaO § 270 Rdn. 19 f.) - schon aufgrund der mit dem Verweisungsbeschluss verbundenen "Transportwirkung" unmittelbar mit dessen Erlass beim Schöffengericht rechtshängig wurde (BGHSt 45, 58; Meyer-Goßner aaO § 270 Rdn. 18). Das Schöffengericht - und nicht mehr der Strafrichter - war damit für alle folgenden verfahrensrechtlichen Entscheidungen - also insbesondere auch für eine Vorlegung nach § 225 a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 StPO - zuständig (vgl. Meyer-Goßner aaO § 270 Rdn. 21).
11
b) Die Unzuständigkeit des Strafrichters für die Vorlage der Sache an das Landgericht führte jedoch nicht zur Nichtigkeit des Vorlegungsbeschlusses. Dieser machte das Verfahren daher dort anhängig.
12
Zwar hält es die wohl noch herrschende Meinung (vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner aaO Einl. Rdn. 105) grundsätzlich für möglich, dass eine gerichtliche Entscheidung an derart schwerwiegenden Mängeln leidet, dass sie nicht nur rechtlich fehlerhaft, sondern nichtig und damit unwirksam und unbeachtlich ist. Aber auch nach dieser Auffassung kann dies nur in seltenen Ausnahmefällen dann in Betracht kommen, wenn die Anerkennung einer auch nur vorläufigen Gültigkeit wegen des Ausmaßes und des Gewichts der Fehlerhaftigkeit für die Rechtsgemeinschaft geradezu unerträglich wäre, weil die Entscheidung ihrerseits dem Geist der Strafprozessordnung und wesentlichen Prinzipien der rechtsstaatlichen Ordnung krass widerspricht, und wenn eine derart schwerwiegende Fehlerhaftigkeit offenkundig ist (BGHSt 10, 278, 281; 29, 351, 352 f.; vgl. Meyer-Goßner aaO Einl. Rdn. 105; Kühne in LR, 26. Aufl. Einl. Rdn. 114 ff.; Eb. Schmidt, Lehrkommentar zur StPO Bd. I, 2. Aufl. Rdn. 251 ff.; jew. m. w. N.). Das folgt aus den Erfordernissen der Rechtssicherheit und der ihr dienenden Autorität gerichtlicher Entscheidungen sowie aus der Gesamtstruktur des Strafverfahrens mit seinem zur Korrektur fehlerhafter Entscheidungen bestimmten Rechtsmittelsystem. Denn die Annahme rechtlicher Unbeachtlichkeit einer richterlichen Entscheidung führt dazu, dass jedermann sich in jeder Verfahrensla- ge, auch nach Rechtskraft der Entscheidung, auf deren Unwirksamkeit berufen kann, und zwar auch außerhalb der Ordnung, die das Strafverfahrensrecht mit den ihm eigenen Kontrollmechanismen darstellt (BGHSt 29, 351, 352 f. m. w. N.).
13
Jedenfalls die Bewertung gerichtlicher Zwischenentscheidungen als nichtig scheidet danach wegen der nicht hinnehmbaren Folgen, die dies für die Rechtssicherheit im Verfahren und für die geordnete Rechtspflege begründen würde, generell aus (BGHSt 29, 351, 355; 45, 58, 61 f.; Meyer-Goßner aaO Rdn. 105 b; Felsch NStZ 1996, 163, 165). Bei dem Vorlegungsbeschluss des Strafrichters handelte es sich um eine solche Zwischenentscheidung; seine Bewertung als nichtig kommt daher von vornherein nicht in Betracht. Er litt zudem nicht an einem derart unerträglichen Rechtsfehler, dass er nach den oben genannten Grundsätzen unwirksam gewesen wäre; dies zeigt etwa die Regelung des § 338 Nr. 4 StPO, nach der selbst ein durch ein unzuständiges Gericht erlassenes Urteil allenfalls anfechtbar, nicht aber unbeachtlich ist (vgl. dazu BGHSt 29, 351, 354 f. zu § 338 Nr. 2 StPO).
14
Eine Unwirksamkeit des Vorlegungsbeschlusses liegt auch nicht in dem Sinne vor, dass er den gewünschten Erfolg - die Zuständigkeit des Landgerichts zur Prüfung der Übernahmevoraussetzungen - nicht herbeigeführt hätte. Eine solche Rechtsfolge wird von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes etwa für Verbindungsbeschlüsse, die nicht durch das gemäß § 4 Abs. 2 StPO zuständige Gericht erlassen wurden, angenommen, weil eine die sachliche Zuständigkeit verändernde Verbindung nur durch das zuständige Gericht höherer Ordnung bzw. das gemeinschaftliche obere Gericht herbeigeführt werden kann (BGH NStZ 1996, 47; 2000, 435, 436; 2005, 464; kritisch dazu Felsch NStZ 1996, 163 ff.). Diese Grundsätze sind auf die vorliegende Fallkonstellation aber schon deshalb nicht übertragbar, weil durch den Vorlegungsbeschluss - anders als durch einen Verbindungsbeschluss - die Rechtshängigkeit des Verfahrens und die sachliche Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts unberührt bleiben. Diese können vielmehr erst durch den Übernahmebeschluss des Gerichts höherer Ordnung verändert werden, das seine sachliche Zuständigkeit eigenständig zu prüfen hat (Schlüchter in SK-StPO aaO § 225 a Rdn. 19 f.; 30). Werden die Akten - wie hier - zudem im Wege des vorgesehenen, justizförmigen Verfahrens durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft vorgelegt, besteht für den Angeklagten auch nicht die Gefahr, wegen derselben Tat zweimal zur Rechenschaft gezogen zu werden (zu diesem Kriterium vgl. Felsch NStZ 1996, 163, 164).
15
2. Die nach alledem zur Prüfung der Übernahme berufene Schwurgerichtskammer beim Landgericht hat in der Sache rechtsfehlerfrei ihre Zuständigkeit für das weitere Verfahren angenommen: Nach den konkreten Umständen des Falles - Angriff durch Schläge mit Bierflaschen auf den Kopf seiner Opfer , einschlägige Vorstrafe des Angeklagten - war die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts bezüglich eines die Zuständigkeit des Schwurgerichts gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 5, § 74 d GVG begründenden versuchten Tötungsdeliktes jedenfalls vertretbar.
16
Allerdings hat das Landgericht verkannt, dass der Strafrichter für die Aufhebung seines Verweisungsbeschlusses an das Schöffengericht und für die Vorlage des Verfahrens an das Landgericht nicht mehr zuständig war. Dieser sich in dem Übernahmebeschluss fortsetzende Verfahrensfehler begründet jedoch nicht die für eine erfolgreiche Zuständigkeitsrüge nach § 338 Nr. 4 StPO erforderliche objektive Willkür der Übernahmeentscheidung: Jedenfalls dann, wenn - wie hier - der Strafrichter und der für den Vorlagebeschluss - die Entscheidung ergeht in der außerhalb der Hauptverhandlung vorgesehenen Beset- zung (Schlüchter in SK-StPO aaO § 225 a Rdn. 12) - zuständige Vorsitzende des Schöffengerichts personenidentisch sind, ist die Vorgehensweise des Landgerichts, das die Sache nicht zur Vorlage durch das zuständige Schöffengericht an dieses abgegeben hat, zwar formal rechtsfehlerhaft, objektiv aber nicht völlig sachfremd oder offensichtlich unhaltbar. Denn die fehlerhafte Vorlage der Sache durch den Amtsrichter beruhte lediglich auf dessen unzutreffender rechtlicher Beurteilung des Weges, auf dem er den ihm als Strafrichter unterlaufenen Rechtsfehler der Verweisung der Sache an das Schöffengericht korrigieren konnte. Da er mit dem Vorsitzenden des zuständigen Schöffengerichts personenidentisch war, hätte er in dieser Funktion die Sache dem Landgericht gemäß § 225 a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 StPO vorlegen und damit dasselbe Ergebnis erreichen können. Vor diesem Hintergrund ist eine objektive Willkürlichkeit des Verfahrens nicht gegeben.
Becker Miebach von Lienen Sost-Scheible Schäfer

(1) Hält ein Gericht nach Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so verweist es die Sache durch Beschluß an das zuständige Gericht; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Ebenso ist zu verfahren, wenn das Gericht einen rechtzeitig geltend gemachten Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält.

(2) In dem Beschluß bezeichnet das Gericht den Angeklagten und die Tat gemäß § 200 Abs. 1 Satz 1.

(3) Der Beschluß hat die Wirkung eines das Hauptverfahren eröffnenden Beschlusses. Seine Anfechtbarkeit bestimmt sich nach § 210.

(4) Ist der Verweisungsbeschluß von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht ergangen, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Bekanntmachung des Beschlusses zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, an das die Sache verwiesen worden ist.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.