Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Aug. 2008 - 3 StR 252/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine Revision hat mit einer Verfahrensrüge zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. a) Der Angeklagte schoss nach einem Streit mit einem Türsteher im Eingangsbereich einer Diskothek mit einer halbautomatischen Selbstladepistole der Marke Ceska, Kal. 9 mm, auf einen Glasschaukasten, der an einer Wand unweit des Eingangs der Diskothek angebracht war. Die Zeugin T. , die gerade im Begriff war, die Diskothek zu verlassen, erlitt durch "abgeprallte Pro- jektilteile oder zersplittertes, herumfliegendes Glas" eine blutende Verletzung an der Stirn. Einen weiteren Schuss, den kurz darauf der Mitangeklagte G. aus derselben Waffe in die Decke über dem Eingangsbereich der Diskothek abgab und der in ähnlicher Weise zu Verletzungen der Zeuginnen F. und S. führte, hat das Landgericht dem Angeklagten nicht zugerechnet.
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- Es hat festgestellt, dass sich der Angeklagte bei den durch den Schuss des Mitangeklagten verletzten Zeuginnen F. und S. entschuldigt und ihnen darüber hinaus jeweils 1.000 Euro Schmerzensgeld bezahlt habe. Bei der Zeugin T. , die durch seine Tathandlung geschädigt wurde, habe er sich lediglich entschuldigt.
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- Seiner Strafzumessung hat das Landgericht den Strafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt und bei Bemessung der Strafe u. a. die vom Angeklagten an die Zeuginnen F. und S. geleisteten Schmerzensgeldzahlungen mildernd berücksichtigt. Die Voraussetzungen des § 46 a Abs. 1 StGB und eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB hat es jedoch mit der Begründung verneint, der Angeklagte habe an die von ihm verletzte Zeugin T. kein Schmerzensgeld gezahlt und sich ihr gegenüber auch nicht um Wiedergutmachung bemüht.
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- b) Mit seiner auf § 261 StPO gestützten Verfahrensbeschwerde wendet sich der Angeklagte gegen die Ablehnung eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46 a Abs. 1 Nr. 1 StGB.
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- Die Rüge ist zulässig und begründet. Die Revision macht zu Recht geltend , dass in der Hauptverhandlung verlesene Urkunden unvollständig im Urteil gewürdigt worden sind (vgl. BGHR StPO § 261, Inbegriff der Verhandlung 15; BGH StV 1993, 459). Sie trägt zutreffend vor, dass ausweislich des gemäß § 249 Abs. 1 StPO verlesenen Schreibens des Instanzverteidigers vom 21. Januar 2008 der Angeklagte der Zeugin T. über seinen Verteidiger die Zahlung eines bereits hinterlegten Schmerzensgeldes in Höhe von 1.000 Euro angeboten hat.
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- Der nicht aufgelöste Widerspruch zwischen dem Inhalt dieses Schriftstücks und den Urteilsgründen entzieht der Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich gegenüber der Zeugin T. nicht um Wiedergutmachung bemüht, die Grundlage. Mit Blick auf zwei weitere, ebenfalls in der Hauptverhandlung verlesene Schreiben, die an die Zeugin F. gerichtet waren , ist vielmehr zu besorgen, dass der Strafkammer hinsichtlich der Adressatinnen der Wiedergutmachungsangebote bzw. hinsichtlich erfolgter Schmerzensgeldzahlungen ein Irrtum unterlaufen ist, mithin die Ablehnung eines TäterOpfer -Ausgleichs nach § 46 Abs. 1 Nr. 1 StGB auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruht.
- 8
- 2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt demgegenüber zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist insbesondere die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe durch seine Tat nicht nur die Tatmodalität des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt, sondern die Körperverletzung auch mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB herbeigeführt, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
von Lienen Sost-Scheible
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.
(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.