BGH 3 StR 17/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:280616B3STR17.15.0
bei uns veröffentlicht am28.06.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

Tenor

Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen den Senatsbeschluss vom 26. November 2015 wird verworfen.

Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsbehelfs zu tragen.

Gründe

1

Der Senat hat mit Beschluss vom 26. November 2015 auf die Revision des Verurteilten das Urteil des Landgerichts Koblenz, soweit es ihn betrifft, in zehn Fällen - in einem Fall unter Aufrechterhaltung der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen mit Ausnahme derjenigen zum Vermögensnachteil - sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben, die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen und die weitergehende Revision verworfen. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner An-hörungsrüge (§ 356a StPO). Er beanstandet, dass der Senat vor der Entscheidung keinen Hinweis auf seine dem Senatsbeschluss zugrunde gelegte Rechtsauffassung erteilt habe, wonach die für die Erfüllung des Untreuetatbestandes erforderliche Vermögensbetreuungspflicht aus der Stellung des Verurteilten als Mitglied des Aufsichtsrats folge. Mit dieser rechtlichen Subsumtion hätten er und seine Verteidiger sich nach dem Senatsbeschluss erstmals konfrontiert gesehen.

2

Die zulässige Gehörsrüge ist unbegründet.

3

Soweit der Senat die weitergehende Revision des Verurteilten auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts und ohne vorherigen Hinweis auf seine Rechtsauffassung verworfen hat, entspricht dieses Vorgehen nach § 349 Abs. 2 StPO der üblichen Beratungs- und Entscheidungspraxis der Strafsenate des Bundesgerichtshofs. Dem Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist dadurch Rechnung getragen worden, dass der Senatsbeschluss auf den begründeten Antrag der Staatsanwaltschaft ergangen ist und der Verurteilte mit der Zustellung des Antrags Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat. Um bei diesem Verfahrensstand nach § 349 Abs. 2 StPO entscheiden zu können, muss sich das Revisionsgericht nur im Ergebnis, nicht aber auch in allen Teilen der Begründung dem Antrag der Staatsanwaltschaft anschließen. In diesen Fällen ist es auch verfassungsrechtlich nicht geboten, die Entscheidung des Revisionsgerichts zu begründen, wenngleich eine Begründung sinnvoll ist und - wie vorliegend vom Senat praktiziert - der ständigen Übung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs entspricht (vgl. zu alledem BVerfG, Beschlüsse vom 21. Januar 2002 - 2 BvR 1225/01, NStZ 2002, 487, 488 f.; vom 30. Juni 2014 - 2 BvR 792/11, NJW 2014, 2563, 2564).

4

Der Senat war auch weder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich gehalten, den Verurteilten vor seiner Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen. Die auf die Besonderheiten der Tatsacheninstanz zugeschnittene Vorschrift des § 265 StPO gilt im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht und steht lediglich einer den Schuldspruch abändernden Entscheidung des Revisionsgerichts entgegen, wenn der Angeklagte im Hinblick auf die von der Auffassung des Tatgerichts im Ergebnis abweichende rechtliche Beurteilung durch das Revisionsgericht noch keine Möglichkeit der Verteidigung hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 - 3 StR 95/12, juris Rn. 8; KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 265 Rn. 1; LR/Franke, 26. Aufl., § 354 Rn. 20 f.). So lag der Fall indes nicht; der Senat hat eine Änderung des Schuldspruchs nicht vorgenommen.

5

Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht im Übrigen grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung. Der Verfahrensbeteiligte muss grundsätzlich, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, alle vertretbaren Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (BVerfG, Beschlüsse vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188, 190; vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133, 144 f.). Nach diesen Maßstäben lag eine Überraschungsentscheidung nicht vor, da die mit der Anhörungsrüge angegriffene Rechtsauffassung des Senats bereits in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 6. Dezember 2001 - 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 201 f.) - was auch die Anhörungsrüge der Sache nach einräumt - angelegt war. Auch wurde dem Verurteilten schon deshalb kein Sachvortrag abgeschnitten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188, 190), weil für die materiellrechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin allein die Urteilsurkunde maßgeblich war.

6

Schließlich hat der Senat bei seiner Entscheidung weder Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch zu berücksichtigendes Vorbringen übergangen.

Becker                        Schäfer                        Mayer

               Gericke                        Spaniol

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Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Verwerfung einer strafprozessualen Revision durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO und rügt, dass die Entscheidung ohne Durchführung einer Revisionshauptverhandlung ergangen sei und keine Begründung aufweise. Hierdurch sieht er sein Recht auf öffentliche Verhandlung, sein Recht, sich selbst zu verteidigen, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör, seinen Anspruch auf prozessuale Waffengleichheit und die Pflicht zur Begründung gerichtlicher Entscheidungen verletzt (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG, Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG). Als Maßstab für die Auslegung und Anwendung des Grundgesetzes sei insoweit Artikel 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte heranzuziehen.

2

Eine öffentliche Verhandlung sei nach Art. 6 EMRK nur dann entbehrlich, wenn sich eine Instanz allein mit hochtechnischen oder rein rechtlichen Fragen beschäftige oder wenn eine Möglichkeit bestehe, durch einen Antrag die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung zu erreichen. Dabei seien Fragen der Subsumtion nicht als Rechtsfragen in diesem Sinne, sondern als Sachverhaltsfragen anzusehen.

3

Das Recht, sich selbst zu verteidigen, sei dadurch verletzt, dass ein Angeklagter nur indirekt, nämlich über seinen Verteidiger, in der Revisionsbegründung vortragen könne. Nach Art. 6 EMRK habe aber auch ein Gericht zweiter Instanz bei der Beurteilung der Schuldfrage den Angeklagten persönlich zu befragen, wenn dieser sich bestreitend verteidige. Der Beschwerdeführer hätte daher als Ausgleich für seine strukturelle Unterlegenheit gegenüber der Staatsanwaltschaft und zur Wahrung seines Rechts, sich selbst zu verteidigen, in einer Revisionshauptverhandlung angehört werden müssen.

4

Das Gebot der prozessualen Waffengleichheit sei als Chancengleichheit zu verstehen. Hiergegen werde verstoßen, da praktisch jede Revision der Staatsanwaltschaft zu einer Hauptverhandlung in der Revisionsinstanz führe, dies bei Revisionen des Angeklagten dagegen einen Ausnahmefall darstelle.

5

Nur in Kenntnis der Gründe, die das Revisionsgericht zur Verwerfung der Revision bewogen haben, könne der Angeklagte eine sinnvolle Entscheidung darüber treffen, ob er eine Anhörungsrüge oder eine Verfassungsbeschwerde erheben oder aber die Verwerfung seiner Revision hinnehmen solle. Dies zeige, dass die Begründungspflicht in einem Sachzusammenhang mit der Gewährung rechtlichen Gehörs stehe. Ferner sei eine Begründungspflicht - auch in sämtlichen Revisionsverfahren - erforderlich zur Eigen- und Fremdkontrolle und setze das erkennende Gericht unter einen Plausibilitätsdruck.

II.

6

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie zum Teil mangels substantiierter Darlegung einer Grundrechtsverletzung unzulässig und im Übrigen unbegründet ist. Weder die Entscheidung im Beschlusswege ohne Revisionshauptverhandlung (1.) noch das Fehlen einer Begründung der Entscheidung (2.) ist aus verfassungsrechtlicher Sicht zu beanstanden. Hieran ändert auch der Vortrag des Beschwerdeführers zur konventionsrechtlichen Beurteilung nichts (3.).

7

1. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Bundesgerichtshof über die Revision des Beschwerdeführers nach § 349 Abs. 2 StPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat.

8

a) Art. 103 Abs. 1 GG begründet keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung; es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, in welcher Weise das rechtliche Gehör gewährt werden soll (vgl. BVerfGE 36, 85 <87>; 60, 175 <210 f.>; 89, 381 <391>; stRspr). Der Beschwerdeführer hatte in seiner Revisionsbegründung (§ 344 StPO) und in der Gegenerklärung zum Antrag des Generalbundesanwalts (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) Gelegenheit, sich umfassend zu äußern. Er trägt nicht substantiiert vor, dass er sein Revisionsvorbringen in schriftlicher Form nicht ausreichend habe deutlich machen können (vgl. BVerfGE 112, 185 <206>).

9

b) Es genügt den Anforderungen an ein faires Strafverfahren, dass im Revisionsverfahren der Verteidiger oder ein Rechtsanwalt für den Angeklagten Stellung nimmt. Eine mündliche Verhandlung muss nicht zu dem Zweck durchgeführt werden, damit sich ein Angeklagter unabhängig von seinem Verteidiger äußern kann (vgl. BVerfGE 54, 100 <116 f.>; 64, 135 <151 ff.>). Im Übrigen hat der Angeklagte nach § 345 Abs. 2 StPO die Möglichkeit, die Revision zu Protokoll der Geschäftsstelle zu begründen, auch zur Ergänzung der von seinem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt abgegebenen Revisionsbegründung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl. 2014, § 345 Rn. 9).

10

c) Die Durchführung einer Revisionshauptverhandlung ist auch nicht zur Herstellung prozessualer "Waffengleichheit" erforderlich.

11

aa) Das Recht auf ein faires Verfahren gewährleistet dem Beschuldigten einen Mindestbestand an aktiven verfahrensrechtlichen Befugnissen. Ihm muss die Möglichkeit eingeräumt sein, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfGE 64, 135 <145>; 65, 171 <174 f.>; 66, 313 <318>). Dies verlangt eine gewisse verfahrensrechtliche "Waffengleichheit" von Staatsanwaltschaft und Beschuldigtem im Strafprozess (vgl. BVerfGE 63, 45 <61>). Allerdings müssen verfahrensspezifische Unterschiede in der Rollenverteilung von Staatsanwaltschaft und Beschuldigtem nicht in jeder Beziehung ausgeglichen werden (vgl. BVerfGE 63, 45 <67>; 122, 248 <272>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a. -, NJW 2013, S: 1058 <1060>).

12

bb) Das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass die gesetzliche Regelung oder deren Anwendung durch die Revisionsgerichte vor diesem Hintergrund gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstößt. Es trifft zwar zu, dass Revisionen der Staatsanwaltschaft im Gegensatz zu solchen des Angeklagten im Allgemeinen nicht durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen werden (vgl. Gericke, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 349 Rn. 30). Der Beschwerdeführer zeigt jedoch nicht auf, inwieweit ihm die Entscheidung im Beschlusswege einen geringeren Grundrechtsschutz gewährt haben könnte als eine Entscheidung durch Urteil nach Durchführung einer Hauptverhandlung. Seinen Darlegungen kann auch nicht entnommen werden, dass die unterschiedliche Behandlung von Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft generell zu einer verminderten Rechtsschutzqualität bei Revisionen von Angeklagten führt (vgl. BVerfGE 112, 185 <204 f.>).

13

2. Dass der Bundesgerichtshof gemäß § 349 Abs. 2 StPO die Revision des Beschwerdeführers ohne Begründung verworfen hat, ist verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

14

a) Von Verfassungs wegen bedarf eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbare letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung regelmäßig keiner Begründung (vgl. BVerfGE 50, 287 <289 f.>, 65, 293 <295>; 81, 97 <106>; 86, 133 <146>; 94, 166 <210>; 104, 1 <7 f.>; 118, 212 <238>). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt dies auch für Beschlüsse nach § 349 Abs. 2 StPO. Der Revisionsführer kennt die Gründe des angegriffenen Urteils und den ebenfalls zu begründenden Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verwerfung der Revision nach § 349 Abs. 2 StPO. Er hat das Recht, dazu eine schriftliche Gegenerklärung einzureichen (§ 349 Abs. 3 StPO). Schließlich muss die Entscheidung des Revisionsgerichts einstimmig ergehen. Durch diese Verfahrensweise wird dem Anspruch des Revisionsführers auf rechtliches Gehör ausreichend Rechnung getragen (vgl. BVerfG, Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Zweiten Senats vom 22. Januar 1982 - 2 BvR 1506/81 -, NJW 1982, S. 925; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. April 1989 - 1 BvR 1415/86 -, juris, Rn. 12; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Januar 2002 - 2 BvR 1225/01 -, NStZ 2002, S. 487 <488 f.>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. August 2005 - 2 BvR 1066/05 -, NJW 2006, S. 136; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Juni 2007 - 2 BvR 746/07 -, juris, Rn. 22).

15

b) Eine Begründung des Beschlusses nach § 349 Abs. 2 StPO ist auch nicht deshalb erforderlich, weil sonst keine sinnvolle Entscheidung darüber getroffen werden könnte, ob eine Anhörungsrüge nach § 356a StPO oder eine Verfassungsbeschwerde erhoben werden soll.

16

aa) Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben (vgl. BVerfGE 51, 126 <129>; 54, 43 <46>; 86, 133 <146>; 87, 363 <392>; 96, 205 <216>). Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann nur dann festgestellt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl. BVerfGE 70, 288 <293>; 79, 51 <61>; 80, 269 <286>; 86, 133 <146>; 96, 205 <217>). Solche besonderen Umstände können auch bei einer nicht näher begründeten Entscheidung erkennbar sein.

17

bb) Zudem setzt eine Verwerfung der Revision durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO einen zu begründenden Antrag der Staatsanwaltschaft voraus, der dem Revisionsführer mit den Gründen mitzuteilen ist (§ 349 Abs. 3 StPO). Zwar muss sich das Revisionsgericht, um nach § 349 Abs. 2 StPO entscheiden zu können, dem Antrag der Staatsanwaltschaft nur im Ergebnis, nicht jedoch in allen Teilen der Begründung anschließen. Bei einer Abweichung von der Begründung der Staatsanwaltschaft ist es aber sinnvoll und entspricht allgemeiner Übung, in den Beschluss einen Zusatz zur eigenen Rechtsauffassung aufzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Oktober 2001 - 2 BvR 1620/01 -, NJW 2002, S. 814 <815>; BGH, Beschluss vom 20. Februar 2004 - 2 StR 116/03 -, NStZ 2004, S. 511). Ohne einen solchen Zusatz kann davon ausgegangen werden, dass sich das Revisionsgericht die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft zu Eigen gemacht hat (vgl. BVerfGK 5, 269 <285 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juni 2013 - 2 BvR 85/13 -, juris, Rn. 25).

18

3. Die Verwerfung der Revision des Beschwerdeführers nach § 349 Abs. 2 StPO widerspricht auch nicht den Gewährleistungen des Art. 6 EMRK. Die Europäische Menschenrechtskonvention steht zwar innerstaatlich im Rang eines Bundesgesetzes und damit unter dem Grundgesetz. Sie ist jedoch als Auslegungshilfe bei der Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes heranzuziehen. Dies gilt auch für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (vgl. BVerfGE 128, 326 <366 ff.>).

19

a) Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat - auch auf ausdrückliche Beanstandungen hin - Verwerfungen von Revisionen durch einen Beschluss, der keiner Begründung bedarf (§ 349 Abs. 2 StPO), als nicht konventionswidrig erachtet. Die Kommission sah es stets als ausreichend an, dass der Revisionsführer schriftlich über seinen Verteidiger vortragen und zum Revisionsverwerfungsantrag der Staatsanwaltschaft Stellung nehmen kann (vgl. EKMR, X. v. Germany, Entscheidung vom 14. Dezember 1961, Nr. 599/59, EKMR-E 8, 12 <19>; X. v. Germany, Entscheidung vom 17. Januar 1963, Nr. 1035/61, EKMR-E 10, 12 <17 f.>; X. v. Germany, Entscheidung vom 18. April 1964, Nr. 2136/64, EKMR-E 13, 116 <122>; X. v. Germany, Entscheidung vom 6. Februar 1968, Nr. 3139/67, EKMR-E 26, 77 <78 f.>). Ferner hielt es die Kommission für mit Art. 6 EMRK vereinbar, wenn das Revisionsgericht seine Entscheidung nicht näher begründet, sondern durch den Verweis auf § 349 Abs. 2 StPO hinreichend zum Ausdruck bringt, dass es die Revision für offensichtlich unbegründet erachtet und damit den Grund für seine Entscheidung angibt (EKMR, Salameh v. Germany, Entscheidung vom 15. Mai 1996, Nr. 28631/95).

20

b) Soweit ersichtlich, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu § 349 Abs. 2 StPO und dessen Anwendung durch die Fachgerichte bislang nicht ausdrücklich Stellung bezogen. Zwar liegen einer Vielzahl von Entscheidungen des Gerichtshofs Ausgangsverfahren zu Grunde, bei denen die Revision gegen eine strafrechtliche Verurteilung durch nicht begründeten Beschluss als offensichtlich unbegründet verworfen wurde. Dies allein lässt jedoch nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass diese Rechtspraxis gebilligt wird und mit Art. 6 EMRK vereinbar ist. Ungeachtet dessen ist ein Konventionsverstoß nicht erkennbar.

21

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann im Rechtsmittelverfahren unter bestimmten Voraussetzungen von dem sich aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ergebenden Grundsatz der öffentlichen mündlichen Verhandlung abgewichen werden. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung der nationalen Verfahrensordnung und der Rolle des Rechtsmittelgerichts darin vorzunehmen (vgl. EGMR, Kerojärvi v. Finland, Urteil vom 19. Juli 1995, Nr. 17506/90, § 40; Bulut v. Austria, Urteil vom 22. Februar 1996, Nr. 17358/90, § 40 f.; Hoppe v. Germany, Urteil vom 5. Dezember 2002, Nr. 28422/95, § 62 f.; Rippe v. Germany, Entscheidung vom 2. Februar 2006, Nr. 5398/03, juris, Rn. 49 f.; Dan v. Moldova, Urteil vom 5. Juli 2011, Nr. 8999/07, § 30).

22

(1) Als ein wesentliches Kriterium für die Entbehrlichkeit einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor Rechtsmittelgerichten betrachtet der Gerichtshof, ob in vorangegangener Instanz mündlich und öffentlich verhandelt wurde (vgl. EGMR, Axen v. Germany, Urteil vom 8. Dezember 1983, Nr. 8273/78, EGMR-E 2, 321 <326 f.>, § 28; Bulut v. Austria, Urteil vom 22. Februar 1996, Nr. 17358/90, § 41 f.; Hoppe v. Germany, Urteil vom 5. Dezember 2002, Nr. 28422/95, § 63 f.; Miller v. Sweden, Urteil vom 8. Februar 2005, Nr. 55853/00, § 30). Von gewichtiger Bedeutung ist auch, welche Konsequenzen dem Verfahrensbeteiligten durch die Entscheidung über sein Rechtsmittel drohen, insbesondere im Vergleich zur vorinstanzlichen Entscheidung. So wies der Gerichtshof in einem Urteil zur Verwerfung einer Revision ohne mündliche Verhandlung in Zivilsachen darauf hin, dass die Entscheidung nur dazu führe, dass das Berufungsurteil rechtskräftig werde, welches seinerseits auf einer mit Art. 6 EMRK konformen Verhandlung beruhe (vgl. EGMR, Axen v. Germany, Urteil vom 8. Dezember 1983, Nr. 8273/78, EGMR-E 2, 321 <326 f.>, § 28). Ist eine reformatio in peius nicht zu befürchten, so spricht dies gegen die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung (vgl. EGMR, Fejde v. Sweden, Urteil vom 29. Oktober 1991, Nr. 12631/87, § 33).

23

Weiter berücksichtigt der Gerichtshof, ob ausschließlich Rechtsfragen oder auch Sachverhaltsfragen Gegenstand der Prüfung durch das Rechtsmittelgericht sind (vgl. EGMR, Bulut v. Austria, Urteil vom 22. Februar 1996, Nr. 17358/90, § 41; Dan v. Moldova, Urteil vom 5. Juli 2011, Nr. 8999/07, § 30). Auch bei einer Kompetenz des Rechtsmittelgerichts zur Befassung mit Sachverhaltsfragen muss nach Auffassung des Gerichtshofs allerdings nicht zwingend eine öffentliche mündliche Hauptverhandlung durchgeführt werden (vgl. EGMR, Fejde v. Sweden, Urteil vom 29. Oktober 1991, Nr. 12631/87, § 33; Hoppe v. Germany, Urteil vom 5. Dezember 2002, Nr. 28422/95, § 63; Rippe v. Germany, Entscheidung vom 2. Februar 2006, Nr. 5398/03, juris, Rn. 49 ff.). Insoweit kommt es maßgeblich darauf an, ob sich die aufgeworfenen Fragen allein auf der Grundlage der Verfahrensakten angemessen entscheiden lassen (vgl. EGMR, Hoppe v. Germany, Urteil vom 5. Dezember 2002, Nr. 28422/95, § 64; Rippe v. Germany, Entscheidung vom 2. Februar 2006, Nr. 5398/03, juris, Rn. 49). Ebenfalls zu berücksichtigen sind die offensichtliche Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels (vgl. EGMR, Bulut v. Austria, Urteil vom 22. Februar 1996, Nr. 17358/90, § 42) sowie die Notwendigkeit, den Geschäftsanfall zu bewältigen und innerhalb angemessener Zeit zu entscheiden (vgl. EGMR, Hoppe v. Germany, Urteil vom 5. Dezember 2002, Nr. 28422/95, § 63; Rippe v. Germany, Entscheidung vom 2. Februar 2006, Nr. 5398/03, juris, Rn. 49). Der Gerichtshof respektiert dabei die unterschiedliche Ausgestaltung der Rechtsmittelzüge in den Vertragsstaaten, die entweder eine vorgelagerte Annahmeentscheidung voraussetzen, für die der Öffentlichkeitsgrundsatz ohnehin nicht gilt (vgl. EGMR, Monnell and Morris v. United Kingdom, Urteil vom 2. März 1987, Nr. 9562/81 und 9818/82, § 58), oder eine andere, vergleichbare Möglichkeit zur vereinfachten Erledigung aussichtsloser Rechtsmittel vorsehen (vgl. EGMR, Bulut v. Austria, Urteil vom 22. Februar 1996, Nr. 17358/90, § 42; Rippe v. Germany, Entscheidung vom 2. Februar 2006, Nr. 5398/03, juris, Rn. 52).

24

(2) Nach diesen Kriterien ist die den Revisionsgerichten eingeräumte Möglichkeit, im Verfahren nach § 349 Abs. 2 StPO auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten, mit Art. 6 EMRK vereinbar. Ohne Revisionshauptverhandlung war es dem Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung über die Revision des Beschwerdeführers nur möglich, das erstinstanzliche Urteil, das auf einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beruht, aufzuheben und zugunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden (§ 349 Abs. 4 StPO) oder aber das Urteil rechtskräftig werden zu lassen (§ 349 Abs. 2 StPO). Eine Verschlechterung der Situation des Beschwerdeführers gegenüber dem erstinstanzlichen Urteil hätte - ungeachtet des Verbots der reformatio in peius gemäß § 358 Abs. 2 StPO - zwingend eine Revisionshauptverhandlung vorausgesetzt. Des Weiteren ist die Revision auf die Prüfung von Rechtsfragen beschränkt, die sich regelmäßig nach Aktenlage entscheiden lassen. In der Revisionsinstanz ist eine Beweisaufnahme über Tatfragen nicht statthaft, das Revisionsgericht ist an die Feststellungen des Tatgerichts gebunden. Überdies dient § 349 Abs. 2 StPO der Schonung der Ressourcen der Justiz, damit sich diese zügig aussichtsreichen Rechtsmitteln zuwenden kann, und damit der Verwirklichung des durch Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Beschleunigungsgrundsatzes. Ein Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO kann nur bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Revision ergehen und setzt Einstimmigkeit voraus. Funktionell bildet der Beschluss damit ein Äquivalent zur Ablehnung einer (im deutschen Strafprozessrecht nicht vorgesehenen) Revisionszulassung.

25

bb) Art. 6 EMRK in der Auslegung des Gerichtshofs ist zwar eine grundsätzliche Pflicht zur angemessenen Begründung gerichtlicher Entscheidungen zu entnehmen. Allerdings hängt die Begründungspflicht von der Natur der Entscheidung ab und ist im Lichte der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Eine ausführliche Stellungnahme zu jedem Vorbringen der Beteiligten ist nicht notwendig. Ferner darf sich ein Rechtsmittelgericht, wenn es ein Rechtsmittel zurückweist, grundsätzlich darauf beschränken, sich die Begründung der angefochtenen Entscheidung zu eigen zu machen (vgl. EGMR (GK), García Ruiz v. Spain, Urteil vom 21. Januar 1999, Nr. 30544/96, NJW 1999, S. 2429 <2429>, § 26; vgl. auch EGMR, Axen v. Germany, Urteil vom 8. Dezember 1983, Nr. 8273/78, EGMR-E 2, 321 <328>, § 32). Bei nationalen übergeordneten Gerichten erachtet es der Gerichtshof zudem für mit der Konvention vereinbar, wenn solche Gerichte bei der Nichtannahme offensichtlich unbegründeter Beschwerden von einer ausführlichen Begründung der Entscheidung absehen und allein auf die Norm verweisen, die ein entsprechendes Vorgehen erlaubt (vgl. EGMR, Sawoniuk v. United Kingdom, Entscheidung vom 29. Mai 2001, Nr. 63716/00; Schumacher v. Germany, Entscheidung vom 26. Februar 2008, Nr. 14029/05, juris, Rn. 108).

26

Hiernach ist es mit Art. 6 EMRK vereinbar, dass der Bundesgerichtshof seine Entscheidung über die Revision des Beschwerdeführers nicht mit einer Begründung versehen hat. Bei der Verwerfung einer Revision nach § 349 Abs. 2 StPO durch einen Beschluss, der keine oder nur eine knappe Begründung enthält, ist zu berücksichtigen, dass das angefochtene Urteil selbst ausführlich zu begründen war und dass das Revisionsgericht sich das angefochtene Urteil zwar nicht zu eigen macht, mit der Verwerfung der Revision aber zum Ausdruck bringt, dass es den erhobenen Revisionsrügen standhält. Zudem ist die Antragsschrift der Staatsanwaltschaft zu begründen. Aus dieser ergibt sich regelmäßig, aus welchen Gründen die Revision verworfen wurde. Stützt das Revisionsgericht die Verwerfung der Revision dagegen auf andere Aspekte als die in der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft genannten, so versieht es seine Entscheidung insoweit mit einer Begründung.

27

4. Da die Verfassungsbeschwerde aus den genannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat, war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt M.entsprechend § 114 Satz 1 ZPO abzulehnen.

28

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

29

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

8
2. Die Änderung des Schuldspruchs durch den Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO dahin, dass die Angeklagten der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung im Ausland bzw.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
____________________
Vergibt der Vorstand einer Aktiengesellschaft aus deren Vermögen Zuwendungen
zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen oder Sport, genügt für die Annahme
einer Pflichtwidrigkeit im Sinne des Untreuetatbestandes des § 266 StGB
nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung; diese muß vielmehr gravierend
sein.
Ob eine Pflichtverletzung gravierend ist, bestimmt sich aufgrund einer Gesamtschau
insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Kriterien. Bedeutsam sind dabei: Fehlende
Nähe zum Unternehmensgegenstand, Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags
- und Vermögenslage, fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie Vorliegen
sachwidriger Motive, namentlich Verfolgung rein persönlicher Präferenzen.
Jedenfalls dann, wenn bei der Vergabe sämtliche dieser Kriterien erfüllt sind, liegt
eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB vor.
BGH, Urt. vom 6. Dezember 2001 - 1 StR 215/01 - LG Offenburg

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 215/01
vom
6. Dezember 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Untreue u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
4. Dezember 2001 in der Sitzung am 6. Dezember 2001, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten K.
- in der Verhandlung -,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten S. ,
Justizangestellte und
Justizangestellte
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 29. Dezember 2000 im Ausspruch über die Gesamtgeldstrafen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Untreue in zehn Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 150 DM verurteilt. Den Angeklagten S. hat es wegen Untreue in vier Fällen und wegen Anstiftung zur Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 200 DM verurteilt und ihn wegen eines weiteren Teilkomplexes freigesprochen. Gegen dieses Urteil richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Eine im Revisionsverfahren vorgenommene
Verfahrensbeschränkung führt zur Aufhebung der Gesamtgeldstrafen; im übrigen sind die Revisionen nicht begründet.

A.


Der Angeklagte K. war von 1973 bis Oktober 1998 Vorstandsvorsitzender der Südwestdeutschen Verkehrs AG (künftig: SWEG) mit Sitz in Lahr. Alleinaktionär der Gesellschaft ist das Land Baden-Württemberg. Das Tätigkeitsgebiet des Verkehrsunternehmens erstreckt sich von Lörrach über die Ortenau und das Rhein-Neckar-Gebiet bis nach Bad Mergentheim. Zur wirtschaftlichen Lage hat das Landgericht festgestellt:
Das Stammkapital betrug am 14. September 1971 5.081.000,00 DM. Im Dezember 1991 erfolgte eine Erhöhung auf 10.081.000,00 DM. 1992 und 1993 wies die SWEG ausweislich den Gewinn- und Verlustrechnungen jährliche Fehlbeträge von 10 bzw. 5,4 Mio. DM auf, 1994 wurde dann ein Jahresüberschuß von 253.000,00 DM erwirtschaftet, der 1995 auf 284.000,00 DM und 1996 auf 351.000,00 DM gesteigert werden konnte. 1992 betrug die ausgewiesene Bilanzsumme 166 Mio. DM, 1996 173 Mio. DM. Der nicht durch Eigenkapital gedeckte jährliche Bilanzverlust verringerte sich von 13,5 Mio. DM im Jahr 1992 über 8,6 Mio. DM auf rd. 4 Mio. DM zum Jahresende 1996.
Der Angeklagte S. war seit 1989 Wirtschaftsminister des Landes Baden-Württemberg, wechselte 1992 als Minister ins Verkehrsministerium und wurde ab 1996 nach der Vereinigung zweier Ministerien Umwelt- und Ver-
kehrsminister. In seiner Eigenschaft als Verkehrsminister wurde er turnusmäßig zum 1. Januar 1996 zum Aufsichtsratsvorsitzenden der SWEG gewählt. Von dem Ministeramt trat er im Oktober 1998 zurück und ist heute als Rechtsanwalt in Reutlingen tätig.
Der Angeklagte S. war seit November 1995 auch Präsident des Sportvereins SSV Reutlingen. Der Verein hatte seit 1993 finanzielle Probleme. Bereits in den 80er Jahren hatte der Angeklagte eine Vielzahl von Sponsoren aus dem Bereich der Wirtschaft dazu gebracht, dem Verein Darlehen oder Spenden zukommen zu lassen.

B.


I.


Zu dem Komplex II. 1a bis c (SSV Reutlingen) hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
1. Mitte des Jahres 1995 trat der Angeklagte S. an den Angeklagten K. als Vorstandsvorsitzenden der SWEG heran und forderte ihn zu einer Spende für den SSV Reutlingen auf. Zu dieser Zeit stand bereits fest, daß der Angeklagte S. in absehbarer Zeit turnusmäßig den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden bei der SWEG übernehmen würde. Der Angeklagte K. ließ daraufhin einen Betrag von 25.000 DM von der Hauptkasse der SWEG auf das Konto der Sekretariatskasse überweisen, die überwiegend für Barausgaben für die Mitglieder des Aufsichtsrats und ähnliche Aufwendungen
bestimmt war. Die Sekretariatskasse lief nicht über die Hauptbuchhaltung. Seine Sekretärin hob einen Betrag von 20.000 DM ab und der AngeklagteK. übergab dem Angeklagten S. das Geld, das - wie dieser wuûte - aus dem Vermögen der SWEG stammte, in einem neutralen Briefumschlag in einem Hotel in Reutlingen. Dem Angeklagten S. war bewuût, daû allein seine Aufforderung den Angeklagten K. zu der Spende veranlaûte, weil K. sich ihm als Verkehrsminister und künftigen Vorsitzenden des Aufsichtsrates gewogen zeigen und ihm einen Gefallen erweisen wollte. Der Angeklagte K. lieû zur Verbuchung des Betrages für die Hauptkasse einen Beleg mit dem Vermerk: “Zuwendung für Jugendarbeit des SSV Reutlingen” erstellen. Der Angeklagte S. hinterlegte die 20.000 DM in zwei Briefumschlägen in dem Hotel in Reutlingen, wo sie von einer Mitarbeiterin des Reutlinger Wochenblattes , dessen Anzeigenleiter für die Herausgabe der Stadionzeitung und Werbemaûnahmen verantwortlich war, abgeholt wurde. Die Briefe wurden in den Verlagsräumen in das Fach des SSV Reutlingen gelegt, wo sie von nicht näher festzustellenden Verantwortlichen des Vereins abgeholt wurden. Die weitere Verwendung der Gelder konnte nicht aufgeklärt werden; in den Geschäftsbüchern des Vereins erfolgte keine Verbuchung.
2. Im Januar 1996 war der Angeklagte S. zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats der SWEG gewählt worden. Er erbat vom Angeklagten K. eine weitere Zahlung von 15.000 DM für den Sportverein. Der Angeklagte K. wollte dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden wiederum einen Gefallen erweisen. Die Beschaffung des Betrages erfolgte erneut über das Konto der Sekretariatskasse. Der Angeklagte K. übergab das Geld in bar an den Angeklagten S. in einem Restaurant in Freudenstadt. Auf dem Beleg für die Buchhaltung war als Zweck auch diesmal die Jugendarbeit des SSV Reutlin-
gen vermerkt. Tatsächlich kam der Betrag dem Verein nur auf Umwegen zugute. Der Angeklagte S. schenkte den Betrag einem Gönner des Vereins , der dem Verein Darlehen in groûer Höhe gewährt hatte. Da dieser Förderer sein Engagement 1995 deutlich reduziert hatte, dienten die 15.000 DM dazu , den Mäzen dem Verein gegenüber wieder geneigter zu stimmen.
3. Im Juni 1997 trat der Angeklagte S. an den Angeklagten K. erneut wegen einer Spende von 10.000 DM heran, die auch diesmal vom Angeklagten K. aus der Hauptkasse über das Konto der Sekretariatskasse beschafft wurde. In einem weiteren Vermerk hielt er fest, daû 10.000 DM dem SSV Reutlingen für die Jugendarbeit zugewendet worden seien. Tatsächlich händigte der Angeklagte S. den Betrag einem weiteren Mäzen aus, um diesen dem Verein gegenüber wieder geneigter zu stimmen, da auf ein gewährtes Darlehen vom Verein keine Rückzahlungen geleistet worden waren. Die anderen Funktionäre des Vereins erfuhren von dieser Zahlung nichts, in der Buchhaltung des Vereins ist der Betrag als teilweise Kreditrückführung nicht enthalten.

II.


Den strafrechtlichen Vorwurf der Untreue leitet die Strafkammer hinsichtlich des Angeklagten K. daraus her, daû er seine Befugnisse als Vorstandsvorsitzender der SWEG miûbraucht habe. Er habe die Zahlungen an den SSV Reutlingen aus Mitteln der SWEG nur deshalb getätigt, um dem damaligen Verkehrsminister und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden einen Gefallen zu tun; deshalb sei die von ihm vertretene SWEG bei keiner Geldübergabe in Erscheinung getreten und die Empfänger der Gelder hätten von der
wahren Person des Spenders nichts erfahren. Dem Angeklagten stehe zwar aufgrund seiner Leitungsbefugnis als Vorstand einer Aktiengesellschaft für sein unternehmerisches Handeln ein Ermessensspielraum zu (§ 76 AktG). Dazu könnten auch Spenden der Aktiengesellschaft für wissenschaftliche, künstlerische oder sportliche Zwecke u.a. gehören. Dabei müûten immer die Interessen der Anteilseigner der Gesellschaft gewahrt sein. Dies sei aber nur der Fall, wenn die Zuwendungen einen betrieblichen Bezug hätten.
Der Angeklagte S. sei im Fall II. 1a der Anstiftung zur Untreue schuldig, weil er den Angeklagten K. zu der ersten Zahlung bestimmt habe. Dieser habe sich zu der Zahlung verleiten lassen, weil der seinerzeitige Verkehrsminister und Angeklagte S. als Vorsitzender des Aufsichtsrats vorgesehen und für das Verkehrsunternehmen SWEG von erheblicher Bedeutung gewesen sei. Nachdem der Angeklagte S. Aufsichtsratsvorsitzender geworden war und den Angeklagten K. zu zwei weiteren Zahlungen veranlaût habe, habe er gegen seine Aufsichtsratspflichten nach § 116 AktG verstoûen , indem er kollusiv mit dem Vorstandsvorsitzenden zum Nachteil der Gesellschaft zusammengewirkt habe.

III.


Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten, die Auffassung der Strafkammer , wonach Ausgaben der SWEG für unternehmensfremde Zwecke nur dann statthaft seien, wenn ihnen ein betrieblicher Bezug jedenfalls unter dem Aspekt von ”public relations” für das Unternehmen zukomme, werde dem Geschäftsführungsermessen des Vorstands nicht gerecht. Es sei selbstverständlich , daû eine Aktiengesellschaft unter Werbeaspekten auch hohe Ausgaben
für das Sponsoring von Sportlern oder Sportvereinen tätigen dürfe. Der Aspekt des Vorteils für das Unternehmen sei jedoch nicht allein maûgeblich. Eine Aktiengesellschaft dürfe auch “non-profit-Ausgabenº tätigen, und zwar auch dann, wenn sie nicht nach auûen in Erscheinung trete. Dabei dürften auch persönliche Präferenzen eine Rolle spielen.
Hiervon unabhängig habe jedenfalls die erste Zahlung von 20.000 DM zugunsten des SSV Reutlingen nicht zu einem Vermögensschaden bei der SWEG geführt, weil nach der festgestellten Gesamtsituation die “Landschaftspflegeº im politischen Bereich der Gesellschaft wirtschaftliche Vorteile bringen konnte, die die eingesetzten Mittel aufgewogen oder sogar weit übertroffen hätten.
Die Beanstandungen haben keinen Erfolg.

IV.


Soweit der Angeklagte K. aus dem Vermögen der SWEG Zuwendungen an den SSV Reutlingen getätigt hat, hat die Strafkammer seine Strafbarkeit nach dem Miûbrauchstatbestand des § 266 StGB beurteilt.
Als Vorstandsvorsitzender hatte der Angeklagte K. die Befugnis, über das Vermögen der SWEG zu verfügen. Zwar ist nicht ausdrücklich festgestellt, daû er im Auûenverhältnis alleinvertretungsbefugt war (vgl. § 78 Abs. 2 AktG). Das kann jedoch im Ergebnis dahingestellt bleiben. Die Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten K. im Sinne des Miûbrauchstatbestands und seine Vermögensfürsorgepflicht im Sinne des Treubruchtatbestandes stimmten
hier überein (vgl. BGH NJW 1984, 2539, 2540). Hat er bei im Auûenverhältnis wirksamen Verfügungen gegen seine Vermögensbetreuungspflicht verstoûen, so hätten die Maûnahmen auch einen Verstoû gegen seine Vermögensfürsorgepflicht im Sinne des Treubruchtatbestands dargestellt.
1. Die gesellschaftsrechtlichen internen Pflichten des Vorstands sind von §§ 76, 93 AktG umschrieben. Nach § 76 AktG hat der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten; gemäû § 93 AktG hat er dabei die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Weiter ins einzelne gehende Regelungen enthält das Aktiengesetz dagegen nicht. Satzungsrechtliche Konkretisierungen dieser Pflichten hat das Landgericht nicht festgestellt.

a) Der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zur Frage der Schadensersatzpflicht des Vorstandes gegenüber der Aktiengesellschaft dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte des Gesellschaftsunternehmens einen weiten Handlungsspielraum zugebilligt. Ohne ihn sei eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar (BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95 = BGHZ 135, 244, 253 ªARAG"; Henze NJW 1998, 3309, 3310).

b) Dieser weite Handlungsspielraum gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Vorstand als Ganzes oder einzelne seiner Mitglieder Zuwendungen leisten zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen und Sport.
In der aktienrechtlichen Diskussion ist es heute unumstritten, daû eine Beteiligung am Sozialleben durch mildtätige, politische, kulturelle oder an den Sport gerichtete Zuwendungen auch für Aktiengesellschaften im Rahmen ihrer
Geschäftstätigkeit gesellschaftsrechtlich grundsätzlich zulässig ist (nur beiläufig BGHZ 23, 150, 157; Hüffer, AktG 4. Aufl. § 76 Rdn. 14; Hopt in Groûkomm. AktG 4. Aufl. § 93 Rdn. 120; Mertens in Kölner Kommentar zum AktG 2. Aufl. § 76 Rdn. 32; Fleischer AG 2001, 171, 175; Mertens AG 2000, 157 ff. zur Beteiligung von Aktiengesellschaften an der Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft: ªErinnerung, Verantwortung und Zukunft"; Kind NZG 2000, 567 ff. zur Zulässigkeit von Parteispenden durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft ; H.P. Westermann ZIP 1990, 771 ff.; Vorderwülbecke BB 1989, 505 ff. jeweils m.w.N.). Die Erscheinungsformen dieser Unternehmensförderung werden generell nach dem jeweils primär verfolgten eigennützigen, steuerlichen oder altruistischen Zweck in drei groûe Gruppen eingeteilt.
aa) Beim klassischen Sponsoring werden Geld oder geldwerte Vorteile durch Unternehmen zur Förderung von Personen, Gruppen und/oder Organisationen in sportlichen, kulturellen, kirchlichen oder ähnlichen bedeutsamen gesellschaftspolitischen Bereichen vergeben, damit aber zugleich eigene unternehmensbezogene Ziele der Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit verfolgt. Häufig werden die gegenseitigen Leistungen von Sponsor und Gesponsortem vertraglich vereinbart (Bruhn-Mehlinger, Rechtliche Gestaltung des Sponsoring 2. Aufl. 1995 Bd I S. 3 ff.; Krome DB 1999, 2030).
bb) Dagegen erfolgt die Spendenvergabe an gemeinnützige Organisationen in der Regel ohne die Erwartung auf eine unmittelbare Gegenleistung. Die Gesellschaft kann die Aufwendung jedoch steuerlich absetzen (§ 10b EStG, § 9 KStG oder § 9 Nr. 5 GewStG).
cc) Beim Mäzenatentum erwartet der Mäzen regelmäûig keine Gegenleistung für seine Unterstützung; häufig verzichtet er auch darauf, über seine Förderung öffentlich zu sprechen.

c) Für die Beurteilung der gesellschaftsrechtlich zulässigen Förderaktivitäten eines Unternehmens kommt es nicht auf die Bezeichnung an. Maûgeblich ist, wie sich die Maûnahme aufgrund der gesamten Umstände, unter denen sie vorgenommen wurde, darstellt. Dabei werden insbesondere die Motive der betroffenen Personen oder Organisationen, der Umfang der Leistungen und der Gegenleistungen sowie die Bedingungen, unter denen sie erbracht wurden, eine Rolle spielen (vgl. Bruhn-Mehlinger aaO S. 7).
aa) Welche Geschäftsstrategien der Vorstand einer Aktiengesellschaft bei der Vergabe derartiger Leistungen einschlagen und welche Ziele er zur Förderung des Unternehmenszweckes anstreben darf, regelt das Aktiengesetz nicht im Detail.
Gewinnstreben und Freigebigkeit werden dabei aber nicht stets als sich widersprechende, sondern durchaus als komplementäre Ziele angesehen. Würden unentgeltliche Zuwendungen ausschlieûlich wegen ihrer direkt gewinnsteigernden Zielsetzung zugelassen, so käme der Vorstand nicht umhin, die eigennützige Motivation hinter jeder Fördertätigkeit herauszustellen, weil sich deren vielberufene Werbewirkung keineswegs immer in Mark und Pfennig beziffern und schon gar nicht bilanziell abbilden läût (Fleischer aaO S. 174).
Unternehmen nutzen deshalb heute die Förderung von Kultur- oder Sportveranstaltungen für Werbezwecke, ohne daû der wirtschaftliche Nutzen
im einzelnen genau bestimmt werden kann. Gerade das Sportsponsoring dient zu einem groûen Teil der Imagewerbung von Groûunternehmen (DaimlerBenz , BMW, Deutsche Post und ihr Engagement im Automobilsport; Deutsche Telekom und der Mannschaftsradsport). So erkennt der Bundesgerichtshof unter gesellschaftsrechtlichen Aspekten die Kompetenz des Vorstands des Sportartikelherstellers Adidas für das entgeltliche Sponsoring ausdrücklich an, aufgrund dessen die Gesellschaft durch den Abschluû von Lizenzverträgen mit Sportvereinen deren Namen und Logos verwerten darf, um dann einen Werbeeffekt für die eigenen Produkte zu erzielen (BGHZ 144, 290). Durch das Auftreten eines Unternehmens als Sponsor, etwa des Fuûballvereins ªBayer Leverkusenº, soll die Öffentlichkeitswirksamkeit gerade dieser Dauerverbindung genutzt werden. Auch solche Zuwendungen an Sportvereine, die nicht offen zu Werbezwecken eingesetzt werden, können als verdecktes Sponsoring den ªpublic relationsº dienen, wenn sie nach dem Grundsatz eingesetzt werden : ªTue Gutes und rede darüber" (vgl. Rittner, FS Gessler [1971] S. 139, 155; ähnlich Kind aaO S. 568).
Darüber hinaus kann und darf sich der Vorstand als Träger der Unternehmensfunktion nicht der Einsicht verschlieûen, daû die Aktiengesellschaft für ein dauerhaft erfolgreiches Wirtschaften auf den Rückhalt aller Bezugsgruppen angewiesen ist. Zwischen einem rein altruistischen und einem – langfristig – egoistischen Verhalten, das auf eine für den Erfolg des Unternehmens wesentliche Umweltstabilisierung – ªgood will-Verfestigung" – zielt, wird sich daher kaum je eine scharfe Unterscheidung treffen lassen. Es ist mit den Verhaltenspflichten des Vorstands als eines ordentlichen Geschäftsleiters daher durchaus vereinbar, daû er unentgeltliche Zuwendungen allein mit dem Ziel ausreicht, die soziale Akzeptanz der Aktiengesellschaft zu verbessern, sie als
ªgood corporate citizenº darzustellen und dadurch indirekt ihr wirtschaftliches Fortkommen zu verbessern (vgl. Westermann, ZIP 1990, 771, 774). § 93 Abs. 1 AktG gewährt dabei einen breiten Spielraum unternehmerischen Ermessens dafür, auf welche Art der Vorstand Loyalität für die Gesellschaft und deren gutes Ansehen zu gewinnen trachtet. Ebensowenig wie Werbemaûnahmen für einzelne Produkte unterliegt daher die Frage, welche Form der Imagewerbung für das Gesamtunternehmen als erfolgversprechend anzusehen ist, einer gerichtlichen Kontrolle (Fleischer aaO S. 175). Dem Vorstand ist damit in der Frage, welchen Aufwand er für soziale Zwecke treibt, auf welche Gewinne er aus ethischen Gründen verzichtet und für welche sozialen, politischen und kulturellen Zwecke er Mittel der Gesellschaft einsetzt, ein breiter Ermessensspielraum zuzuerkennen.
bb) Allerdings ergibt sich für die aus der Leitungsbefugnis abgeleitete Vorstandskompetenz zur Ausreichung von Unternehmensspenden kein unbegrenzter Freiraum; vielmehr sind seinem Ermessen äuûere Grenzen gesetzt. Zu erwarten ist, daû der Vorstand auch soziale Entscheidungen mit der Sorgfalt eines pflichtbewuûten Unternehmers trifft und Vermögensopfer mit der Sorgfalt eines Treuhänders erbringt, der über Geld verfügt, das ihm nicht gehört , sondern der juristischen Person. Insbesondere darf er privaten Präferenzen (ªpet charitiesº, vgl. Fleischer aaO S. 179) keinen unangemessenen Raum geben, er hat auch insofern sorgsam zu wirtschaften, und er muû seine Entscheidung jeweils in Abwägung der ihm obliegenden Verantwortung für den Unternehmenserfolg treffen (vgl. BGHZ 135, 244, 253).
cc) Die Abgrenzung, inwieweit im Einzelfall Unternehmensinteressen verfolgt oder ob mit dem Geld der Gesellschaft ausschlieûlich Privatbelange
gefördert werden, obliegt grundsätzlich der Beurteilung des Vorstands. Zwar darf er mit dem Geld der Gesellschaft auch seine eigene politische Überzeugung , private Liebhaberei für Kunst und Wissenschaft oder seine Begeisterung für eine bestimmte Sparte des Sports verfolgen. Hier gilt aber: Je loser die Verbindung zwischen dem Geförderten und dem Unternehmensgegenstand, desto enger ist der Handlungsspielraum des Vorstands und desto gröûer sind die Anforderungen an die interne Publizität. Bei unentgeltlichen, nicht erkennbar mit dem Unternehmensgegenstand zusammenhängenden Zuwendungen an Dritte muû sich der Vorstand an dem möglichen Nutzen orientieren, den ein solches Verhalten der sozialen Akzeptanz ± dem ªstanding" ± des Unternehmens in der allgemeinen oder auch nur in der interessierten Öffentlichkeit sowie dem Ansehen der Unternehmensleitung bei der Belegschaft und dergleichen bringt (Breuer [FAZ Nr. 273 vom 23. November 2000] spricht bei der finanziellen Förderung des Fuûballvereins Eintracht Frankfurt durch die Deutsche Bank vom ªVierklang der Interessen von Aktionären, Mitarbeitern, Kunden und Öffentlichkeit").
dd) Bestehen bei bedeutsameren Zuwendungen Zweifel, ob sie im Interesse des Unternehmens liegen, oder erfüllt das einzelne Vorstandsmitglied damit seine ganz persönlichen Vorlieben oder Interessen, so kann das betroffene Vorstandsmitglied die Entscheidung nicht allein treffen, auch wenn es nach der internen Geschäftsverteilung für die Vergabe von Fördermitteln zuständig wäre (vgl. Hopt aaO § 93 Rdn. 132 ff.). Darüber hinaus ist der Vorstand ± als Kehrseite seines Ermessensspielraums ± gegenüber den anderen Gesellschaftsorganen zur Offenheit verpflichtet, um ihnen Kontroll- und Rügemöglichkeiten zu eröffnen für den Fall, daû ihrer Meinung nach Mittel der Gesellschaft ausschlieûlich für andere als durch den Gesellschaftsgegenstand vor-
gegebene Zwecke verwendet werden (vgl. Westermann aaO S. 776; Mertens FS Goerdeler [1987] S. 349, 358). Dies folgt auch aus dem sich aus § 77 AktG ergebenden Prinzip der Gesamtverantwortung des Vorstandes für die Geschäftsleitung und der nicht delegierbaren Pflicht des Gesamtorgans zur Selbstkontrolle (Hüffer aaO § 77 Rdn. 15, 18).
ee) Hinsichtlich des Spendenvolumens gilt das Gebot der Angemessenheit : Die korporative Freigebigkeit muû sich insgesamt im Rahmen dessen halten, was nach Gröûenordnung und finanzieller Situation des Unternehmens als angemessen angesehen werden kann (vgl. nur Mertens AG 2000 S. 157, 162 Fn. 28). Dafür bieten der Zuschnitt und die Ertragslage der Aktiengesellschaft wichtige Anhaltspunkte. Besondere Beurteilungsschwierigkeiten ergeben sich schlieûlich bei einer angespannten Finanzlage. So wie es in Krisenzeiten nicht tunlich sein kann, den Werbeetat drastisch zu kürzen, wird man vom Vorstand in Verlustjahren weder ökonomisch noch juristisch verlangen können, auf Unternehmensspenden gänzlich zu verzichten. Allerdings ist bei dauerhafter oder längerfristiger Ertragsschwäche eine sorgfältige Prüfung der Spendenpraxis unter dem Gesichtspunkt des Unternehmensinteresses erforderlich.
2. Vergibt der Vorstand aus dem Vermögen einer Aktiengesellschaft Zuwendungen zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen oder Sport, genügt für die Annahme einer Pflichtwidrigkeit im Sinne des Untreuetatbestandes des § 266 StGB nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung; diese muû vielmehr gravierend sein.
Ob eine Pflichtverletzung gravierend ist, bestimmt sich aufgrund einer Gesamtschau insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Kriterien. Bedeutsam sind dabei: Fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand, Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage, fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie Vorliegen sachwidriger Motive, namentlich Verfolgung rein persönlicher Präferenzen.
Jedenfalls dann, wenn bei der Vergabe sämtliche dieser Kriterien erfüllt sind, liegt eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB vor.
3. Nach diesen Maûstäben hat der Angeklagte K. mit den Verfügungen im Komplex II. 1a bis c zu Lasten des Vermögens der SWEG seine Befugnisse als Vorstandsvorsitzender in gravierender Weise miûbraucht. Die Zuwendungen waren pflichtwidrig i. S. des § 266 StGB, weil der Angeklagte K. mit der Ausreichung der Zahlungen die Grenzen seines Ermessens nach den oben genannten Kriterien überschritten hat.

a) Es handelte sich um unentgeltliche, nicht erkennbar mit dem Unternehmensgegenstand zusammenhängende Zuwendungen an Dritte. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Zahlungen jedenfalls kein offenes oder verdecktes Sportsponsoring des SSV Reutlingen. Weder wurde eine vertragliche Vereinbarung oder sonstige Abrede über eine Gegenleistung getroffen , noch erbrachte der SSV Reutlingen tatsächlich eine Gegenleistung.
Da das altruistische Motiv der Sportförderung nur äuûerst mittelbar zum Tragen kam, waren die Zuwendungen bereits aus diesem Grund kaum geeignet , zumindest das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit oder bei
interessierten Sportkreisen zu stärken. Nach den festgestellten Umständen ist auch objektiv kein Bezug der Unternehmenstätigkeit der SWEG zum SSV Reutlingen erkennbar.

b) Die mit dem Unternehmensgegenstand nicht zusammenhängenden Zuwendungen waren angesichts der wirtschaftlichen Lage der SWEG sowohl dem Grunde nach als auch in der Höhe nicht angemessen. Das öffentliche Unternehmen erwirtschaftete zwar in den Jahren 1992 bis 1996 Überschüsse, jedoch muûte das Land Baden-Württemberg der SWEG auch in diesen Jahren zum Ausgleich des jährlichen Bilanzverlustes jeweils mehrere Millionen DM zuführen. Diese Spendenpraxis hat auch der Landesrechnungshof im Jahr 1998 beanstandet.

c) Ihrem eigentlichen Sinn nach dienten die Zuwendungen den privaten Interessen des Angeklagten S. , der Verantwortlichen des Vereins angeboten hatte, Gelder von potenten Gönnern zu besorgen. Er verfügte nach eigenem Belieben über die Beträge und verwendete sie ± ohne daû sie in der Buchhaltung des Vereins auftauchten ± zum Stopfen finanzieller Löcher im Fall II. 1a und zur Beeinflussung der Mäzene in den Fällen II. 1b und c. Die Beschaffung und die Verwendung der Zuwendungen gingen damit sogar über die Verfolgung privater Interessen hinaus, denn sie waren durchaus eigennützig, weil sie dazu dienten, die Stellung des Angeklagten S. im Verein und im örtlichen Umfeld als Beschaffer von dringend benötigten Hilfen und damit als möglichem Retter des Vereins zu unterstreichen.
Die Verfügung über das Vermögen des landeseigenen Unternehmens war auch nicht durch das von der Revision für den Fall II. 1a (Zahlung von
20.000 DM) herangezogene Motiv der ªLandschaftspflege im politischen Bereich" gerechtfertigt. Soweit die Revision vorträgt, die erste Spende von 20.000 DM habe dazu gedient, dem Unternehmen das ªWohlwollen des Ministers" zu erhalten, kann dieses ªMotiv" die Pflichtwidrigkeit nicht ausräumen. Der Senat hat nicht zu entscheiden, ob und inwieweit sich ein landeseigenes Unternehmen durch Spenden zugunsten von politischen Parteien oder Politikern überhaupt an der ªpolitischen Landschaftspflege" beteiligen darf. Auf die Beurteilung der Zuwendung bei der Prüfung der Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB kann dieses Motiv hier jedenfalls keinen Einfluû haben. Es gehört zu den ureigenen Aufgaben des Verkehrsministers, selbst wenn er noch nicht Mitglied des Aufsichtsrats ist, die wirtschaftlichen Interessen der SWEG als öffentlichem Verkehrsunternehmen zu wahren. Für ªpolitische Landschaftspflege" gegenüber dem Minister war deshalb kein Raum.

d) Obwohl es offenkundig war, daû die Zuwendungen privaten Zwecken des Angeklagten S. dienten, hat der Angeklagte K. die Angelegenheit lediglich allein entschieden.

e) Die Zuwendungen wurden verschleiert. Sie wurden nicht in einer Art unternehmensintern offengelegt, die eine Kontrolle durch die Gesellschaftsorgane ermöglicht hätte. Die Auszahlung erfolgte nicht auf dem üblichen Weg über die Hauptbuchhaltung, um einen Erklärungsbedarf gar nicht erst aufkommen zu lassen, und auf dem Beleg über die Auszahlung wurde die Verwendung unzutreffend angegeben.
4. Durch die Vermögensverfügung des Angeklagten K. ist der SWEG auch ein Schaden entstanden. Sowohl das Fehlen objektiver Gesichtspunkte
für die Annahme einer der Formen des Sponsoring, erst recht aber die Umstände der Beschaffung und der Verwendung der 45.000 DM schlieûen es aus, daû die Zuwendungen einen ideellen Wert in sich trugen, der für das Unternehmen einen auch nur annähernd gleichwertigen Vermögensvorteil erbracht hat. Der Senat schlieût aus, daû sich aus der Sicht des durchschnittlichen, informierten Betrachters der ªgood willº des Unternehmens verbessert hat. Eher legen die Umstände nahe, daû zu der eingetretenen Vermögensminderung zusätzlich eine vorhersehbare Ansehensminderung eingetreten ist.
5. Bei dieser Sachlage ist auch die Annahme des Landgerichts tragfähig , dem Angeklagten K. sei die Pflichtwidrigkeit seines Handelns und der dadurch bei der SWEG entstandene Schaden bewuût gewesen.

a) Dies belegen die Einlassungen des Angeklagten K. . Er hat eingeräumt , daû es im Kern nicht um eine im Interesse der SWEG vereinbarte offene oder verdeckte Unterstützung des SSV Reutlingen ging, sondern um die Erfüllung privater Interessen des Angeklagten S. . Er hat angegeben, er habe die Zuwendungen allein deshalb veranlaût, weil er dem Vorsitzenden dieses Vereins, der auch Verkehrsminister und aufgrund dieser Position Aufsichtsratsvorsitzender der SWEG wurde, einen persönlichen Gefallen erweisen wollte, damit dieser seine dem Verein gegebenen Zusagen einhalten konnte, Gelder zur Unterstützung bei Mäzenen zu besorgen. Diese Einlassungen rechtfertigen den Schluû, der Angeklagte K. habe gewuût, daû der AngeklagteS. nur deshalb die SWEG eingeschaltet hatte, weil keiner der von ihm sonst angesprochenen potentiellen Mäzene sein Privatvermögen angreifen wollte und er annahm, der Angeklagte K. werde ihm die Bitte nicht abschlagen, die benötigten Gelder aus dem Vermögen der Gesellschaft zu nehmen. Der Ange-
klagte K. stand in einem beruflichen Abhängigkeitsverhältnis zum Angeklagten S. . Als Verkehrsminister und designiertes, später gewähltes Aufsichtsratsmitglied hatte er aufgrund seiner Organstellung und seiner daraus herzuleitenden Kontrollbefugnisse, einschlieûlich der Berufung, der Verlängerung und der Entlassung von Vorstandsmitgliedern, wesentlichen Einfluû auf das Unternehmen.

b) Dies wird auch dadurch belegt, daû der Angeklagte K. die Angelegenheit nicht dem Gesamtvorstand zur Entscheidung vorgelegt oder den Aufsichtsrat angerufen hat. Der Angeklagte K. wuûte, daû er von den übrigen Mitgliedern des Vorstands keine Genehmigung dafür erhalten hätte, zur Erfüllung der privaten Interessen des Angeklagten S. Zuwendungen aus dem Vermögen des Unternehmens auszureichen.
Deshalb wies der Angeklagte K. seine Sekretärin an, die einzelnen Beträge aus der Hauptkasse der SWEG auf das Konto der Sekretariatskasse zu transferieren, um dann nach Barabhebung das Geld in Briefumschlägen an den AngeklagtenS. zu dessen freier Verfügung weiterzugeben. Mit diesem Umweg über die Sekretariatskasse und den unzutreffenden Belegen ªZuwendung für Jugendarbeit des SSV Reutlingen" sorgte er dafür, daû die Vorgänge nicht über die Hauptbuchhaltung liefen und es keinen Erklärungsbedarf gab. Die Vorgänge wurden auch erst durch eine Prüfung des Landesrechnungshofs Baden-Württemberg im Oktober 1997 aufgedeckt. Insbesondere die persönlichen Interessenverflechtungen und die Art und Weise der Geldtransfers erlauben den Schluû, daû es gerade nicht um Werbemaûnahmen oder um Sponsoring ging, sondern um die heimliche Beschaffung von Geldern bei der
SWEG, die möglichst unentdeckt durch die Bücher der Zuwendungsgeberin gehen sollten.

V.


Auch die Verurteilung des Angeklagten S. im Komplex II. 1a bis c (SSV Reutlingen) ist rechtlich nicht zu beanstanden.
1. Der Angeklagte S. hatte noch keine Vermögensbetreuungspflicht für die Gesellschaft, als er den Angeklagten K. im Juni 1995 allein aufgrund seiner Stellung als Minister und zukünftiges Aufsichtsratsmitglied dazu bestimmte, die erste Zahlung in Höhe von 20.000 DM aus dem Vermögen der SWEG an ihn auszubezahlen. Zutreffend hat die Strafkammer den Angeklagten S. im Fall II. 1a deshalb wegen Anstiftung zur Untreue des Angeklagten K. nach §§ 266, 26 StGB verurteilt.
2. Soweit der Angeklagte S. in den Fällen II. 1b und c (zweite und dritte Spende an den SSV Reutlingen) als Aufsichtsratsmitglied der SWEG das Vorstandsmitglied K. veranlaûte, aus dem Vermögen der Gesellschaft Zuwendungen an ihn auszureichen, beurteilt die Kammer seine Strafbarkeit zutreffend nach dem Treubruchtatbestand des § 266 StGB.

a) Als Aufsichtsratsvorsitzender hatte der Angeklagte S. zwar nicht die Rechtsmacht, in der geschehenen Weise über das Vermögen der SWEG zu verfügen. Eine Strafbarkeit aus dem Miûbrauchstatbestand scheidet daher aus. Jedoch verletzte er die aus seiner Stellung als Aufsichtsratsvorsit-
zender folgende Vermögensfürsorgepflicht, indem er den Angeklagten K. zu Untreuehandlungen gegenüber der Gesellschaft bestimmte.
Nach § 111 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen. Nach § 116 AktG gilt für die Sorgfaltspflicht und die Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder § 93 AktG über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder sinngemäû.
Dem Aufsichtsrat obliegt gegenüber der Aktiengesellschaft eine Vermögensfürsorgepflicht (BGH wistra 1999, 418 lfd. Nr. 2; BGHSt 9, 203, 217 zu § 81a GmbHG aF; Tiedemann in FS für Tröndle [1989] S. 319, 327, Schmid in Müller-Gugenberger/Bieneck Wirtschaftsstrafrecht 3. Aufl. § 31 Rdn. 75, 97; vgl. auch Lenckner-Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 266 Rdn. 35a, Schünemann in LK 11. Aufl. § 266 Rdn. 60). Den Umfang dieser Pflichten regelt das Aktiengesetz in § 116 AktG durch einen Verweis auf die sinngemäûe Anwendung der Vorschriften über die Sorgfalt der Vorstandsmitglieder (§ 93 AktG).
Im gegebenen Fall kann dahinstehen, ob die gesellschaftsrechtliche Treupflicht des Aufsichtsrates zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesellschaft bei einer Betätigung auûerhalb der Geschäftssphäre der Gesellschaft und bei Rechtsgeschäften mit ihr nur in einem beschränkten Umfang gilt, weil in Rechnung gestellt werden muû, daû die Tätigkeit dort eine typische Nebentätigkeit ist, so daû Interessenkollisionen mit anderen Tätigkeiten des Aufsichtsratsmitglieds absehbar sind und mitunter zwangsläufig eintreten (Hüffer aaO § 116 Rdn. 1, Tiedemann aaO S. 319, 320, Fleck in FS für Heinsius [1991] S. 89, 90). Denn das Verhalten des Angeklagten S. berührt den eigent-
lichen Aufgabenbereich und die Hauptpflicht des Aufsichtsrates, die gemäû § 111 Abs. 1 AktG in der Überwachung der Geschäftsführung besteht. Grundsätzlich wird danach vom Aufsichtsrat verlangt, fehlerhaftes oder gesellschaftsschädigendes Verhalten des Vorstandes abzuwenden. Die Verpflichtung bezieht sich nicht nur auf abgeschlossene Geschäftsvorgänge, sondern auch auf laufende Geschäfte und Maûnahmen (Henze, Aktienrecht 4. Aufl. Rdn. 620). Zwar mag auch in diesem Zusammenhang nicht eindeutig feststehen, welche Einzelmaûnahmen zu ergreifen sind, ob der Aufsichtsrat etwa Anzeige erstatten muû, wenn er ein strafbares Verhalten des Vorstandes feststellt. Aus der Überwachungspflicht des Aufsichtsrates ergibt sich jedoch notwendig die Pflicht, den Vorstand nicht von sich aus zu Handlungen zu veranlassen, die er aufgrund seiner Überwachungspflicht gerade abwenden müûte (BGH NJW 1980, 1629). Eine Verletzung dieser Pflicht stellt damit den Verstoû gegen eine spezifische Treupflicht im Sinne von § 266 StGB dar (vgl. dazu zuletzt nur BGH wistra 2001 , 304, 305).

b) Der Angeklagte S. verletzte diese Pflicht, als er an das Vorstandsmitglied K. herantrat und ihn vor dem Hintergrund seiner Einwirkungsmöglichkeiten als Aufsichtsratsvorsitzender zu ªSpenden" aus dem Vermögen der SWEG an den SSV Reutlingen aufforderte. Er veranlaûte damit Untreuehandlungen des Vorstands (dazu oben B IV.), die der Angeklagte S. aufgrund seiner Überwachungspflicht als Aufsichtsrat hätte verhindern müssen.
3. Der SWEG entstand durch das vom Angeklagten S. veranlaûte pflichtwidrige Verhalten des Angeklagten K. bei der ersten Zuwendung
an den SSV Reutlingen und durch das eigene pflichtwidrige Verhalten des Angeklagten S. bei der zweiten und dritten Zuwendung auch ein Schaden.
4. Auch der Schluû der Kammer, der Angeklagte S. habe seine Vermögensfürsorgepflicht vorsätzlich verletzt, ist nicht zu beanstanden. Nach ihren Feststellungen war dem Angeklagten bewuût, daû die Leistungen des Vorstands K. keinerlei Bezug zur Geschäftstätigkeit der SWEG hatten und dieser die Zahlungen ausschlieûlich in seinem, des Angeklagten S. , Interesse vornahm. Auch wurde die Übergabe der beträchtlichen Beträge bar und ohne Quittungen abgewickelt, so daû der Geldfluû nicht mehr nachvol lziehbar war. Diese Umstände belegen rechtsfehlerfrei die Annahme, daû der Angeklagte sich der Pflichtwidrigkeit auch seiner eigenen Handlung bewuût war.
5. Der Angeklagte S. erfüllte bei der zweiten und dritten Zuwendung an den SSV Reutlingen durch sein eigenes Handeln sämtliche Tatbestandsmerkmale der Untreue in der Treubruchsalternative und ist bereits deshalb insoweit Täter (Tiedemann aaO S. 322, 325; vgl. auch BGHSt 38, 315, 317). Weil daher eine Zurechnung von Tatbeiträgen des Angeklagten K. nach § 25 Abs. 2 StGB nicht erforderlich ist, kann die Frage dahinstehen, ob sich die Tat des Angeklagten S. im Verhältnis zu der des Angeklagten K. als Mit- oder Nebentäterschaft darstellt. Zwar verwirklichte die Aufforderung des Angeklagten S. daneben in beiden Fällen zugleich den Tatbestand einer Anstiftung des Angeklagten K. zu einer Untreue in der Miûbrauchsalternative. Da aber insoweit jeweils eine Tat i. S. d. § 52 StGB vorliegt, geht diese Anstiftung nach ständiger Rechtsprechung in der Verurteilung wegen täterschaftlichen Handelns auf, das die schwerere Tat darstellt (vgl. BGH
NStZ 2000, 421; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. vor § 25 Rdn. 12).

C.


Die Tatkomplexe II. 4. bis 6. betreffen ausschlieûlich Verfügungen des Angeklagten K. über das Vermögen der SWEG, mit denen er private Zwecke verfolgte.

I.


Das Landgericht hat hierzu folgendes festgestellt:
1. Auf Veranlassung des Angeklagten wurden am 20. Mai 1996 aus Mitteln der SWEG 899,36 DM überwiesen, um die Kosten für die Miete eines Kleinbusses mit Chauffeur zu begleichen, den der Angeklagte bei einem Aufenthalt in Rostock Ende April 1996 zusammen mit seiner Ehefrau und zwei befreundeten Familien ausschlieûlich privat genutzt hatte.
2. Der Angeklagte lieû sämtliche Aufwendungen seiner Sekretärin bei einem privaten Erholungsaufenthalt im Juni 1996 auf Norderney, insgesamt 6.308,50 DM, aus Mitteln der SWEG zahlen.
3. Kosten in Höhe von 892,10 DM für eine Reparatur am privaten Pkw seiner Sekretärin lieû der Angeklagte am 11. November 1996 aus Mitteln der SWEG überweisen.

II.


Die Kammer hat auch in diesen drei Verfügungen des Angeklagten K. ohne Rechtsfehler ein pflichtwidriges Verhalten im Sinne des § 266 StGB gesehen. Sie hat überzeugend dargelegt, weshalb sie den Einlassungen des Angeklagten nicht gefolgt ist, die Kosten für das Mietfahrzeug auf der Reise nach Rostock seien betrieblich veranlaût gewesen. Ebenso ist eine betriebliche Veranlassung für die Übernahme der Kosten des Erholungsurlaubs der Sekretärin und der Reparaturkosten für ihr Fahrzeug selbst dann nicht ersichtlich, wenn die Stellung des Angeklagten K. als Vorstandsvorsitzender berücksichtigt wird.

D.


Die nach der Verfahrenseinstellung verbleibenden Einzelgeldstrafen weisen keinen Rechtsfehler auf.
Auch im Komplex SSV Reutlingen kann die gegen den Angeklagten S. verhängte Einzelstrafe im Fall II.1a (Anstiftung zur Untreue) bestehen bleiben. Zwar hätte das Landgericht den Strafrahmen des § 266 Abs. 1 StGB gemäû § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB mildern müssen. Das Treueverhältnis nach § 266 Abs. 1 StGB ist ein strafbegründendes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB (BGH StV 1995, 73 m.w.N.). Dieses Merkmal fehlte beim Angeklagten S. , der zum Zeitpunkt dieser Tat noch nicht Aufsichtsratsvorsitzender war und damit nicht Täter einer Untreue sein konnte. Aufgrund der besonderen Umstände der Tat durfte die verhängte Strafe jedoch nicht niedriger ausfallen. Der Angeklagte stand zwar zu der ge-
schädigten Gesellschaft nicht in einem spezifischen Treuverhältnis gemäû § 266 StGB, bei der Strafzumessung war jedoch zu berücksichtigen, daû er aufgrund seiner Stellung als Minister dem landeseigenen Unternehmen in besonderer Weise verpflichtet war.
Wegen des Wegfalls von Einzelstrafen aufgrund der Verfahrensbeschränkung ist die Gesamtgeldstrafe aufzuheben. Der Senat hat davon abgesehen , die Gesamtgeldstrafe selbst festzusetzen. Getroffene Feststellungen können bestehen bleiben; ergänzende Feststellungen sind möglich.
Nack Boetticher Schluckebier Kolz Hebenstreit