Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Okt. 2019 - 2 StR 101/18

bei uns veröffentlicht am08.10.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 101/18
vom
8. Oktober 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u. a.
hier: Anhörungsrüge
ECLI:DE:BGH:2019:081019B2STR101.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Oktober 2019 beschlossen:
Die Anhörungsrüge des Verurteilten vom 9. September 2019 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

1
1. Der Senat hat die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. März 2017 mit Beschluss vom 20. August 2019 als unbegründet verworfen. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit der Anhörungsrüge vom 9. September 2019, die er mit Schriftsatz vom 30. September 2019 vertieft begründet hat. Er beanstandet, der Senat habe seinen Antrag entsprechend § 237 StPO auf Verbindung mit dem Revisionsverfahren gegen einen vormaligen Mitangeklagten bzw. Einstellung des Verfahrens wegen einer unzureichenden Anklageschrift nicht übergehen dürfen. Ferner habe der Senat seiner Begründungspflicht nicht genügt, gegen den Gleichheitssatz verstoßen sowie eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung im Revisionsverfahren nicht unberücksichtigt lassen dürfen.
2
2. Der zulässige Rechtsbehelf hat keinen Erfolg. Der Senat hat bei seiner Entscheidung weder Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch hat er zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen.
3
a) Der Senat war weder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich gehalten , den Verurteilten vor der abschließenden Entscheidung auf seine Rechtsauffassung zu den prozessualen Fragen einer möglichen Verfahrensverbindung bzw. der Wirksamkeit der Anklageschrift hinzuweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2016 – 3 StR 17/15, juris Rn. 5; BeckOK StPO/Wiedner, 34. Ed., § 356a Rn. 26).
4
b) Aus dem Umstand, dass der Senat die Verwerfung der Revision nicht begründet hat, kann nicht auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs geschlossen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2018 – 1 StR 461/17, juris Rn. 8 mwN). Die Vorschrift des § 349 Abs. 2 StPO sieht keine Begründung des die Revision verwerfenden Beschlusses vor (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2014 – 1 StR 82/14, juris Rn. 7 mwN; BVerfG, Beschluss vom 23. August 2005 – 2 BvR 1066/05, NJW 2006, 136; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11, wistra 2014, 434 Rn. 13 ff. mwN). Das gilt auch dann, wenn in einer Gegenerklärung zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts die Sachrüge weiter ausgeführt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2014 – 1 StR 82/14, juris Rn. 8 mwN). Die für die Zurückweisung des Rechtsmittels maßgeblichen Gründe ergeben sich mit ausreichender Klarheit aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und insbesondere der ausführlichen und umfassenden Antragsschrift des Generalbundesanwalts.
5
c) Soweit der Verurteilte eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung im Revisionsverfahren beanstandet, wird damit keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dargetan. Der Senat hat sich mit dieser Frage ebenfalls im Rahmen der Sachbehandlung befasst. Der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrens sowie die von den beiden Verurteilten und den vier revidierenden Nebenbeteiligten mit den Revisionen erhobenen zahlreichen Beanstandungen ha- ben eine umfängliche Vorbereitung der Senatsberatung erforderlich gemacht. Der Senat hat das Revisionsverfahren daher nicht verzögert, sondern stets gefördert.
6
2. Angesichts dieser Sachlage war für die Anordnung eines Vollstreckungsaufschubs kein Raum.
7
3. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2014 – 1 StR 82/14, juris Rn. 9).
Franke Krehl Eschelbach Grube Schmidt

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 465 Kostentragungspflicht des Verurteilten


(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im

Strafprozeßordnung - StPO | § 237 Verbindung mehrerer Strafsachen


Das Gericht kann im Falle eines Zusammenhangs zwischen mehreren bei ihm anhängigen Strafsachen ihre Verbindung zum Zwecke gleichzeitiger Verhandlung anordnen, auch wenn dieser Zusammenhang nicht der in § 3 bezeichnete ist.

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BGH 3 StR 17/15

bei uns veröffentlicht am 28.06.2016

Tenor Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen den Senatsbeschluss vom 26. November 2015 wird verworfen. Der Verurt

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Mai 2014 - 1 StR 82/14

bei uns veröffentlicht am 05.05.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 8 2 / 1 4 vom 5. Mai 2014 in der Strafsache gegen wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. hier: Anhörungsrüge Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs

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Das Gericht kann im Falle eines Zusammenhangs zwischen mehreren bei ihm anhängigen Strafsachen ihre Verbindung zum Zwecke gleichzeitiger Verhandlung anordnen, auch wenn dieser Zusammenhang nicht der in § 3 bezeichnete ist.

Tenor

Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen den Senatsbeschluss vom 26. November 2015 wird verworfen.

Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsbehelfs zu tragen.

Gründe

1

Der Senat hat mit Beschluss vom 26. November 2015 auf die Revision des Verurteilten das Urteil des Landgerichts Koblenz, soweit es ihn betrifft, in zehn Fällen - in einem Fall unter Aufrechterhaltung der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen mit Ausnahme derjenigen zum Vermögensnachteil - sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben, die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen und die weitergehende Revision verworfen. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner An-hörungsrüge (§ 356a StPO). Er beanstandet, dass der Senat vor der Entscheidung keinen Hinweis auf seine dem Senatsbeschluss zugrunde gelegte Rechtsauffassung erteilt habe, wonach die für die Erfüllung des Untreuetatbestandes erforderliche Vermögensbetreuungspflicht aus der Stellung des Verurteilten als Mitglied des Aufsichtsrats folge. Mit dieser rechtlichen Subsumtion hätten er und seine Verteidiger sich nach dem Senatsbeschluss erstmals konfrontiert gesehen.

2

Die zulässige Gehörsrüge ist unbegründet.

3

Soweit der Senat die weitergehende Revision des Verurteilten auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts und ohne vorherigen Hinweis auf seine Rechtsauffassung verworfen hat, entspricht dieses Vorgehen nach § 349 Abs. 2 StPO der üblichen Beratungs- und Entscheidungspraxis der Strafsenate des Bundesgerichtshofs. Dem Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist dadurch Rechnung getragen worden, dass der Senatsbeschluss auf den begründeten Antrag der Staatsanwaltschaft ergangen ist und der Verurteilte mit der Zustellung des Antrags Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat. Um bei diesem Verfahrensstand nach § 349 Abs. 2 StPO entscheiden zu können, muss sich das Revisionsgericht nur im Ergebnis, nicht aber auch in allen Teilen der Begründung dem Antrag der Staatsanwaltschaft anschließen. In diesen Fällen ist es auch verfassungsrechtlich nicht geboten, die Entscheidung des Revisionsgerichts zu begründen, wenngleich eine Begründung sinnvoll ist und - wie vorliegend vom Senat praktiziert - der ständigen Übung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs entspricht (vgl. zu alledem BVerfG, Beschlüsse vom 21. Januar 2002 - 2 BvR 1225/01, NStZ 2002, 487, 488 f.; vom 30. Juni 2014 - 2 BvR 792/11, NJW 2014, 2563, 2564).

4

Der Senat war auch weder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich gehalten, den Verurteilten vor seiner Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen. Die auf die Besonderheiten der Tatsacheninstanz zugeschnittene Vorschrift des § 265 StPO gilt im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht und steht lediglich einer den Schuldspruch abändernden Entscheidung des Revisionsgerichts entgegen, wenn der Angeklagte im Hinblick auf die von der Auffassung des Tatgerichts im Ergebnis abweichende rechtliche Beurteilung durch das Revisionsgericht noch keine Möglichkeit der Verteidigung hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 - 3 StR 95/12, juris Rn. 8; KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 265 Rn. 1; LR/Franke, 26. Aufl., § 354 Rn. 20 f.). So lag der Fall indes nicht; der Senat hat eine Änderung des Schuldspruchs nicht vorgenommen.

5

Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht im Übrigen grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung. Der Verfahrensbeteiligte muss grundsätzlich, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, alle vertretbaren Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (BVerfG, Beschlüsse vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188, 190; vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133, 144 f.). Nach diesen Maßstäben lag eine Überraschungsentscheidung nicht vor, da die mit der Anhörungsrüge angegriffene Rechtsauffassung des Senats bereits in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 6. Dezember 2001 - 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 201 f.) - was auch die Anhörungsrüge der Sache nach einräumt - angelegt war. Auch wurde dem Verurteilten schon deshalb kein Sachvortrag abgeschnitten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188, 190), weil für die materiellrechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin allein die Urteilsurkunde maßgeblich war.

6

Schließlich hat der Senat bei seiner Entscheidung weder Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch zu berücksichtigendes Vorbringen übergangen.

Becker                        Schäfer                        Mayer

               Gericke                        Spaniol

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

7
Eine weitere Begründungspflicht für letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidungen besteht nicht (vgl. BVerfG NJW 2006, 136; StraFo 2007, 463).

(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.

(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.

7
Eine weitere Begründungspflicht für letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidungen besteht nicht (vgl. BVerfG NJW 2006, 136; StraFo 2007, 463).