Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juni 2016 - 2 StR 70/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:090616B2STR70.16.0
bei uns veröffentlicht am09.06.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 70/16
vom
9. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:090616B2STR70.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 25. September 2015 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) in den Fällen 1 bis 16 und 23 der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 29 der Urteilsgründe und
c) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Nötigung in 29 Fällen, davon in 12 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen die Verurteilung richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Der Generalbundeanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 26. Februar 2016 u.a. ausgeführt: "1. Hinsichtlich der Taten zum Nachteil der Zeugen H. und S. (Fälle 1 bis 16 der Urteilsgründe) könnte Verfolgungsverjährung eingetreten sein. Die richterliche Durchsuchungsanordnung vom 25. März 2014 (SA Bd. I Bl. 130) bezog sich nur auf die Taten zum Nachteil des Nebenklägers K. und konnte daher keine Verjährungsunterbrechung hinsichtlich der Taten zum Nachteil dieser Zeugen herbeiführen. Die Existenz dieser weiteren Geschädigten gelangte erst durch den - nach Akteneinsicht übersandten - Schriftsatz des Verteidigers vom 7. Oktober 2014 (SA Bd. II Bl. 292 ff.) zur Kenntnis der Ermittlungsbehörden. Eine Unterbrechungshandlung hinsichtlich dieser Taten liegt aber in der Anordnung der sachbearbeitenden Staatsanwältin vom 30. Januar 2015 (SA Bd. II Bl. 339), dem Verteidiger erneut Akteneinsicht zu gewähren, denn aus den Umständen wird klar ersichtlich, dass die dem Verteidiger gewährte Akteneinsicht zur Information des Beschuldigten über Existenz, Inhalt und Umfang des Ermittlungsverfahrens dienen sollte und auch tatsächlich gedient hat (vgl. BGH NStZ 2008, 214). Der Verfügung der sachbearbeitenden Staatsanwältin vom 10. Oktober 2014 (SA Bd. II Bl. 296), die durch die Akteneinsicht zur Kenntnis des Verteidigers gebracht wurde, war dabei eindeutig zu entnehmen, dass sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft nunmehr auch auf die zum Nachteil der weiteren Geschädigten begangenen Straftaten erstreckte. Da sich die Wirkung der im Katalog des § 78c Abs. 1 Satz 1 StGB vorgesehenen Unterbrechungshandlungen jeweils auf die einzelne Tat im prozessualen Sinn bezieht, stünde der Umstand, dass dem Angeklagten bereits die Einleitung des Ermittlungsverfahrens zum Nachteil des Nebenklägers bekannt gegeben worden war, einer Unterbrechungswirkung dieser Übersendungsverfügung nach § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nicht entgegen.
Den Urteilsfeststellungen lässt sich aber nicht eindeutig entnehmen , ob die relevanten Taten jeweils vor dem 31. Januar 2010 begangen wurden, die Verfolgungsverjährung zum Zeitpunkt der ersten in Betracht kommenden Unterbrechungshandlung also bereits eingetreten war. Für die Taten zum Nachteil des Zeugen H. (Fälle 1 bis 12 der Urteilsgründe) werden jeweils Tatzeiten zwischen April 2009 und dem 15. Mai 2013 genannt, für die Taten zum Nachteil des Zeugen S. (Fälle 13 bis 16 der Urteilsgründe) Tatzeiten zwischen April 2009 und dem Ende des Jahres 2011 (soweit diese Jahreszahl bei den Feststellungen zu Fall 13 der Urteilsgründe, UA S. 9, fehlt, liegt ein offensichtliches Schreibversehen vor, wie ein Vergleich mit den Feststellungen zu den weiteren Fällen dieser Serie zeigt). Auch unter ergänzender Berücksichtigung der weiteren Erwägungen der Strafkammer zur zeitlichen Eingrenzung der Taten (UA S. 17 f.) lässt sich keine eindeutige Zuordnung der abgeurteilten Taten zum verjährten oder nicht verjährten Zeitraum vornehmen. Es ist aber nicht auszuschließen , dass bei einer erneuten Hauptverhandlung insoweit ergänzende Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung in diesen Fällen zulassen. 2. Die Feststellungen zu den Fällen 18 bis 23 der Urteilsgründe (UA S. 12) tragen lediglich die Verurteilung wegen fünf und nicht wegen sechs Taten; es werden nämlich eine Tat im Jahr 2009 und jeweils zwei Taten in den Jahren 2010 und 2011 aufgeführt. Zu der weiteren Tat (die sich laut zugelassener Anklageschrift im Zeitraum Januar bis August 2012 ereignet haben soll, vgl. SA Bd. III Bl. 434) fehlen jegliche näheren Feststellungen. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lassen sich keine ausreichenden Feststellungen ergänzen; […] Auch insoweit ist aber nicht auszuschließen, dass die erforderlichen Feststellungen bei einer erneuten Hauptverhandlung nachgeholt werden können. 3. Die Aufhebung der Schuldsprüche zu den erwähnten Taten entzieht den Einzelstrafen in diesen Fällen und damit dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Unabhängig hiervon bestehen gegen die Strafzumessung in den Fällen 1 bis 16 und 29 der Urteilsgründe rechtliche Bedenken. Die Strafkammer, die rechtsfehlerfrei in allen Fällen von einer Verwirklichung des Regelbeispiels nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen ist, hat den Strafrahmen des § 240 Abs. 4 Satz 1 StGB angewendet, den sie
wegen eines Täter-Opfer-Ausgleichs in Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat. Bei der Erörterung, ob Umstände vorliegen , welche die Indizwirkung des Regelbeispiels entfallen lassen könnten, hat die Strafkammer indes den vertypten Strafmilderungsgrund des § 46a StGB unberücksichtigt gelassen. Das ist rechtsfehlerhaft, denn das Vorliegen derartiger vertypter Strafmilderungsgründe kann nach ständiger Rechtsprechung bei der Strafrahmenwahl Anlass geben, jedenfalls im Zusammenhang mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen (wenn diese hierfür allein nicht ausreichen) trotz Vorliegen eines Regelbeispiels einen besonders schweren Fall zu verneinen und die Strafe dem Regelstrafrahmen zu entnehmen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Juli 2000 - 4 StR 271/00 - m.w.N., insoweit in NStZ 2000, 592 u.a. nicht abgedruckt). Es ist nicht völlig auszuschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts zur Anwendung des Regelstrafrahmens des § 240 Abs. 1 StGB und im Ergebnis zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre. In den Fällen 17 bis 28 der Urteilsgründe kann sich der Rechtsfehler im Ergebnis dagegen nicht ausgewirkt haben. Zwar hat die Strafkammer auch in diesen Fällen den nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 240 Abs. 4 Satz 1 StGB angewendet (UA S. 20). Dieser entspricht indes dem nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB, der nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB anzuwenden gewesen wäre. […]“
3
Dem tritt der Senat bei. Soweit die Strafkammer von einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Monat ausgegangen ist und die Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 EGStGB unberücksichtigt gelassen hat (vgl. Senat, Urteil vom 17. März 2015 - 2 StR 379/14, BGHR EGStGB Art. 12 Abs. 1 Geldstrafe 1), schließt der Senat aus, dass der Strafausspruch hierauf beruht, da die Verhängung einer Geldstrafe offensichtlich ferngelegen hat. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafgesetzbuch - StGB | § 240 Nötigung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die

Strafgesetzbuch - StGB | § 78c Unterbrechung


(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch 1. die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,2. jede richterliche Vernehmung des B

Strafgesetzbuch - StGB | § 46a Täter-Opfer-Ausgleich, Schadenswiedergutmachung


Hat der Täter 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder2. in einem Fall, in welchem die

Strafgesetzbuch - StGB | § 182 Sexueller Mißbrauch von Jugendlichen


(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage 1. sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder2. diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorz

Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch - StGBEG | Art 12 Geldstrafdrohungen


(1) Droht das Gesetz neben Freiheitsstrafe ohne besonderes Mindestmaß wahlweise keine Geldstrafe an, so tritt neben die Freiheitsstrafe die wahlweise Androhung der Geldstrafe. Dies gilt auch, wenn die Androhung des besonderen Mindestmaßes der Freihei

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch

1.
die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,
2.
jede richterliche Vernehmung des Beschuldigten oder deren Anordnung,
3.
jede Beauftragung eines Sachverständigen durch den Richter oder Staatsanwalt, wenn vorher der Beschuldigte vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist,
4.
jede richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
5.
den Haftbefehl, den Unterbringungsbefehl, den Vorführungsbefehl und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
6.
die Erhebung der öffentlichen Klage,
7.
die Eröffnung des Hauptverfahrens,
8.
jede Anberaumung einer Hauptverhandlung,
9.
den Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung,
10.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens oder im Verfahren gegen Abwesende zur Ermittlung des Aufenthalts des Angeschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen ergeht,
11.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten ergeht, oder
12.
jedes richterliche Ersuchen, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen.
Im Sicherungsverfahren und im selbständigen Verfahren wird die Verjährung durch die dem Satz 1 entsprechenden Handlungen zur Durchführung des Sicherungsverfahrens oder des selbständigen Verfahrens unterbrochen.

(2) Die Verjährung ist bei einer schriftlichen Anordnung oder Entscheidung in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die Anordnung oder Entscheidung abgefasst wird. Ist das Dokument nicht alsbald nach der Abfassung in den Geschäftsgang gelangt, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem es tatsächlich in den Geschäftsgang gegeben worden ist.

(3) Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Die Verfolgung ist jedoch spätestens verjährt, wenn seit dem in § 78a bezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist und, wenn die Verjährungsfrist nach besonderen Gesetzen kürzer ist als drei Jahre, mindestens drei Jahre verstrichen sind. § 78b bleibt unberührt.

(4) Die Unterbrechung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht.

(5) Wird ein Gesetz, das bei der Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert und verkürzt sich hierdurch die Frist der Verjährung, so bleiben Unterbrechungshandlungen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts vorgenommen worden sind, wirksam, auch wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung die Verfolgung nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen wäre.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 271/00
vom
13. Juli 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 13. Juli 2000 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 5. April 2000 in den Aussprüchen über die die Verurteilung wegen Untreue (Fälle II 1 bis 3 der Urteilsgründe ) betreffenden Einzelstrafen und die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen Untreue in drei Fällen und (vorsätzlichen) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; ferner hat es Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet und einen gegen den Angeklagten ergangenen Bußgeldbescheid der Stadt Ulm gemäß § 86 Abs. 1 OWiG aufgehoben. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und
die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Die Revisionsbegründung läßt ungeachtet des vorletzten Satzes auf RB 21 nicht zweifelsfrei erkennen, ob die Revision auf den Strafausspruch beschränkt sein soll. Das vom Senat deshalb als unbeschränkt behandelte Rechtsmittel (vgl. Kuckein in KK/StPO 4. Aufl. § 344 Rdn. 3 m.N.) hat zum Strafausspruch teilweise Erfolg. Im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 26. Juni 2000, denen gegenüber auch die weiteren Ausführungen im Schriftsatz des Verteidigers vom 29. Juni 2000 nicht durchgreifen. Der mit den auf die Verletzung der §§ 244 Abs. 2 und 261 StPO gestützten Verfahrensrügen geltend gemachte Widerspruch zwischen den - was die Revision nicht mitteilt: auf Anregung der Verteidigung (SA Bl. IV, Bl. 847) - verlesenen polizeilichen Aussagen des Zeugen W. und deren Behandlung im Urteil besteht nicht. Anders verhielte es sich, wenn der Zeuge gesehen hätte, daß der Angeklagte nicht angeschnallt war, bevor es zu dem Unfall kam. Daß das Landgericht aus den Aussagen nicht den von der Revision gewünschten Schluß gezogen hat, deckt einen Rechtsfehler nicht auf, zumal es seine Überzeugung, daß der Angeklagte im Unfallzeitpunkt angeschnallt war, auf weitere objektive Umstände gestützt hat. Im übrigen hat das Landgericht die "Selbstmordversion" des Angeklagten mit einer Vielzahl anderer Gründe widerlegt, die auch von der Revision nicht angegriffen werden. 2. Dagegen können die in den Fällen II 1 bis 3 der Urteilsgründe jeweils wegen Untreue verhängten Einzelfreiheitsstrafen nicht bestehenbleiben.

a) Das Landgericht hat in diesen Fällen jeweils das Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des § 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB als erfüllt angesehen und die Einzelstrafen (acht Monate, zehn Monate und ein Jahr drei Monate) dem gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB entnommen. Dies weist für sich genommen keinen Rechtsfehler auf. Insbesondere teilt der Senat nicht die auf Stimmen in der Literatur gestützte Auffassung der Revision, die durch das 6. StRG eingeführte Verweisung in § 266 Abs. 2 StGB auf § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB laufe letztlich auf eine Verletzung des Doppelverwertungsverbots hinaus, weil die Stellung als Amtsträger in der Regel überhaupt erst die in § 266 Abs. 1 StGB vorausgesetzte Täterqualifikation (kraft "behördlichen Auftrags" ) begründe (so Schünemann in LK-StGB 11. Aufl. § 266 Rdn. 176; krit. auch Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 266 Rdn. 31; Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 266 Rdn. 22). Für eine korrigierende Auslegung, die im Ergebnis die das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB betreffende Verweisung in § 266 Abs. 2 StGB leerlaufen ließe, sieht der Senat keinen Anlaß. Dahingestellt bleiben kann, ob die Verletzung der die Täterschaft wegen Untreue begründenden Vermögensfürsorgepflicht kraft "behördlichen Auftrags” in der Regel oder gar stets den Mißbrauch der Befugnisse oder der Stellung "als Amtsträger" (§ 11 Nr. 2 StGB) als tauglichem Täter voraussetzt. Jedenfalls bleibt es – wie § 28 StGB ausweist – dem Gesetzgeber unter Beachtung des Willkürverbots unbenommen, im Rahmen seines Gestaltungsspielraums besondere persönliche Merkmale sowohl zur Strafbegründung als auch zur Strafschärfung heranzuziehen. Deshalb hätte die “Amtsträger-Untreue” gegenüber dem “Jedermann -Delikt” des § 266 Abs. 1 StGB auch als selbständiger qualifizierter Tatbestand ausgestaltet werden können. Daß der Gesetzgeber statt dessen den Weg über die Regelbeispielstechnik für besonders schwere Fälle gewählt
hat, macht die gesetzliche Regelung weder widersprüchlich noch aus sonstigen Gründen unbeachtlich.
b) Zur Aufhebung der in den Fällen II 1 bis 3 wegen Untreue verhängten Einzelstrafen führt indes, daß das Landgericht § 46 a StGB nicht berücksichtigt hat. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte "aufgrund eines Erbverzichtsvertrags ... von seinen Eltern Geld erhalten, was ihn in die Lage versetzte , bis auf einen Restbetrag von rund 7.000 DM den zum Nachteil des Landes Baden-Württemberg entstandenen Schaden wiedergutzumachen" (UA 11). Dies hat das Landgericht dem Angeklagten auch ausdrücklich strafmildernd zugute gehalten (UA 20). Auf die Vorschrift des § 46 a StGB ist es dagegen nicht eingegangen, obwohl hierzu Anlaß bestand. Nach der hier allein in Betracht zu ziehenden Nr. 2 der Vorschrift bildet die Schadenswiedergutmachung, die vom Täter "erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht" erfordert und zu einer Entschädigung des Opfers "ganz oder zum überwiegenden Teil" geführt hat, einen fakultativen "vertypten" Strafmilderungsgrund. Zwar genügt dafür die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein nicht. Vielmehr müssen die Bestrebungen Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein (st.Rspr.; BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 1, 5, jew.m.w.N.). Daß diese Voraussetzungen von dem Angeklagten erfüllt sind, liegt angesichts der von ihm zur Schadenswiedergutmachung geleisteten Zahlung in Höhe von ca. 100.000 DM und des hierfür von ihm erklärten Erbverzichts nahe. Daß das Opfer im vorliegenden Fall eine juristische Person, nämlich das Land BadenWürttemberg , war, steht der Anwendung des § 46 a StGB nicht entgegen (BGHR aaO Wiedergutmachung 4). Auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruhen die Einzelstrafaussprüche in den Fällen II 1 bis 3 auch; denn der Senat kann nicht ausschließen, daß das
Landgericht bei Beachtung des § 46 a StGB auf niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte.
c) Die dem Strafrahmen für minderschwere Fälle des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 2. Halbsatz i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a und b StGB im Fall II 4 der Urteilsgründe entnommene Einzelstrafe von einem Jahr und sieben Monaten Freiheitsstrafe weist für sich keinen Rechtsfehler auf; sie wird auch von der Aufhebung der übrigen Einzelstrafen nicht berührt und bleibt deshalb bestehen.
d) Die Aufhebung der wegen Untreue verhängten Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. 3. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß das Vorliegen "vertypter" Strafmilderungsgründe bei der Strafrahmenwahl Anlaß geben kann, jedenfalls im Zusammenwirken mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen (wenn diese hierfür allein nicht ausreichen) trotz Vorliegens eines Regelbeispiels einen besonders schweren Fall zu verneinen und die Strafe dem Regelstrafrahmen zu entnehmen (std. Rspr.; BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Strafrahmenwahl 1 ff.; Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 43 b m.N.). Meyer-Goßner Maatz Kuckein

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird eine Person über achtzehn Jahren bestraft, die eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.

(3) Eine Person über einundzwanzig Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch mißbraucht, daß sie

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
und dabei die ihr gegenüber fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 3 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(6) In den Fällen der Absätze 1 bis 3 kann das Gericht von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens der Person, gegen die sich die Tat richtet, das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Droht das Gesetz neben Freiheitsstrafe ohne besonderes Mindestmaß wahlweise keine Geldstrafe an, so tritt neben die Freiheitsstrafe die wahlweise Androhung der Geldstrafe. Dies gilt auch, wenn die Androhung des besonderen Mindestmaßes der Freiheitsstrafe nach Artikel 11 entfällt.

(2) An die Stelle einer neben Freiheitsstrafe wahlweise angedrohten Geldstrafe von unbeschränkter Höhe oder mit einem besonderen Höchstmaß oder mit einem Höchstmaß, das in dem Mehrfachen, Einfachen oder Bruchteil eines bestimmten Betrages besteht, tritt Geldstrafe mit dem gesetzlichen Höchstmaß (§ 40 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 des Strafgesetzbuches), soweit Absatz 4 nichts anderes bestimmt.

(3) Ist Geldstrafe neben Freiheitsstrafe vorgeschrieben oder zugelassen, so entfällt diese Androhung.

(4) Droht das Gesetz Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten an, so beträgt das Höchstmaß einer wahlweise angedrohten Geldstrafe einhundertachtzig Tagessätze. Dies gilt auch, wenn sich die wahlweise Androhung der Geldstrafe aus Absatz 1 ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 3 7 9 / 1 4
vom
17. März 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Berichtigter Leitsatz
BGHR: ja
BGHSt: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Wird durch Anwendung eines vertypten Strafmilderungsgrundes die Untergrenze des
Strafrahmens einer Strafnorm, die nur Freiheitsstrafe mit erhöhter Mindeststrafe androht
, auf das gesetzliche Mindestmaß abgesenkt, ist wahlweise auch Geldstrafe bis
zu 360 Tagessätzen möglich.
BGH, Urteil vom 17. März 2015 - 2 StR 379/14 - LG Erfurt
Hinweis:
Aufgrund der Berichtigung des Leitsatzes erfolgt Neuverteilung
ECLI:DE:BGH:2015:170315U2STR379.14.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 4. März 2015 in der Sitzung am 17. März 2015, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, der Richter am Bundesgerichtshof Zeng,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt aus in der Verhandlung als Verteidiger des Angeklagten T. , Rechtsanwalt aus in der Verhandlung als Verteidiger der Angeklagten L., Rechtsanwalt aus in der Verhandlung als Verteidiger des Angeklagten M. , Justizangestellte in der Verhandlung, Justizhauptsekretärin bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 6. Juni 2014 werden verworfen. Die Angeklagten L. und M. haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten T. , L. und M. hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten M. und T. jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung sowie die Angeklagte L. wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln verurteilt , den Angeklagten T. unter Einbeziehung einer Strafe aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung, den Angeklagten M. unter Einbeziehung einer Strafe aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, die Angeklagte L. zu einer Gesamtgeldstrafe von einhundertneunzig Tagessätzen zu je 30 Euro. Auslieferungshaft, die der Angeklagte T. in R. erlitten hatte, hat das Landgericht im Verhältnis von zwei zu eins auf die gegen ihn verhängte Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet. Gegen dieses Urteil richten sich - jeweils mit der Sachrüge - die zuungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft sowie die Revisionen der Angeklagten L. und M. . Die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

I.

2
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts schlug der Angeklagte M. am 1. Dezember 2012 dem Angeklagten T. vor, einen "Dealer" in seiner Wohnung zu überfallen und dessen Drogen und Geld wegzunehmen. Der Angeklagte M. erläuterte, es sei die einfachste Art zu erreichen, dass das Opfer die Wohnungstür öffne, wenn ein Mädchen vor der Tür stehe. Daher zogen sie die Angeklagte L. hinzu und weihten sie in den Plan ein. Die Angeklagte L. klingelte an der Wohnungstür des Nebenklägers, während sich die Angeklagten T. und M. daneben verborgen hielten. Der Nebenkläger öffnete die Tür und sah zuerst nur die Angeklagte L. , die sogleich einige Schritte zurücktrat, um den Angeklagten T. und M. Platz zu machen. Diese stürmten auf den Nebenkläger zu und drängten ihn in die Wohnung zurück. Es kam zu einem Handgemenge. Dann nahm der Angeklagte T. den Nebenkläger in den Schwitzkasten und fragte: "Du Dealer, wo Geld?". Der Angeklagte M. trat den Nebenkläger. Dieser erklärte, dass er Polizeibeamter sei, worauf er zwei Faustschläge erhielt. Er erläuterte, in der Küche hänge seine Jacke über einem Stuhl, in der sich sein Ausweis befinde. Einer der Täter holte aus der Jackentasche eine Mappe herbei, in der sich eine Bank- und Kreditkarte sowie Bargeld befanden; ferner entnahm er einer anderen Jacke den Polizeiausweis des Nebenklägers. Nach einem Wortwechsel der Angeklagten rief der Angeklagte T. den anderen Angeklagten zu: "Kein Messer!". Der Nebenkläger erwiderte in Todesangst "Ihr seid doch verrückt, ich bin Polizeibeamter, das ist die Sache doch nicht wert!". Darauf erklärte der Angeklagte T. : "Du bist der Verkehrte" und entließ den Nebenkläger aus dem Schwitzkasten. Die Angeklagten gaben ihren Tatplan auf und liefen davon. Bank- und Kreditkarte sowie Bargeld des Nebenklägers ließen sie im Flur der Wohnung zurück (Fall II.1. der Urteilsgründe

).

3
b) Bei einer Durchsuchung der Wohnung der Angeklagten L. am 8. November 2013 war sie im Besitz von 0,14 g Haschisch, 1,14 g Marihuana, 0,57 g Amphetamin und 0,29 g Cannabis (Fall II.2. der Urteilsgründe).
4
2. Das Landgericht hat die Tat der Angeklagten T. und M. vom 1. Dezember 2012 als gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StGB und die Handlung der Angeklagten L. als Beihilfe dazu bewertet.
5
Vom Versuch des Raubes seien die Angeklagten T. und M. strafbefreiend zurückgetreten. Auf die Verwechslung des Nebenklägers mit einem Drogenhändler komme es nicht an. Die Wegnahme des Geldes sei den Tätern nach ihrer Vorstellung weiter möglich gewesen. Die Erkenntnis, dass es sich bei dem Opfer um einen Polizisten handele, habe nicht dazu geführt, dass Freiwilligkeit beim Rücktritt vom Versuch des Raubes ausgeschlossen gewesen sei. Zwar könne dadurch die Angst der Angeklagten vor Strafverfolgung vergrößert worden sein. Das Absehen von der Vollendung der Wegnahme des Geldes habe eher auf einer moralischen Wirkung beruht.
6
Die weitere Tat der Angeklagten L. vom 8. November 2013 hat die Strafkammer als Besitz von Betäubungsmitteln abgeurteilt.

II.

7
Ein Verfahrenshindernis liegt nicht vor. Entgegen der Annahme der Revision des Angeklagten M. spricht nichts für das Fehlen der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts im Sinne von § 24 Abs. 1 GVG. Angesichts der Vorstrafen der Angeklagten T. und M. und der Notwendigkeit einer Gesamtstrafenbildung lag die Prognose der Verhängung einer Strafe, die den Strafbann des Amtsgerichts gemäß § 24 Abs. 2 GVG überschreitet (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GVG), nicht außerhalb des Vertretbaren.

III.

8
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
9
a) Die Rüge, das Landgericht sei zu Unrecht von einem freiwilligen Rücktritt der Angeklagten vom Raubversuch im Fall II.1. der Urteilsgründe ausgegangen , geht fehl.
10
aa) Das Landgericht hat zutreffend dargelegt, dass der Irrtum der Haupttäter T. und M. bei der Annahme, dass sie einen Drogenhändler überfielen , während der Nebenkläger in Wahrheit ein Polizeibeamter war, rechtlich unerheblich ist. Der Raubversuch war unbeendet (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 f.). Die Täter konnten ihren Plan, dem Opfer Geld wegzunehmen, auch nach Erkennen des Irrtums weiter durchführen, sahen aber freiwillig davon ab.
11
Nur wenn die Täter durch einen unvorhergesehenen Umstand psychisch daran gehindert gewesen wären weiter zu handeln, hätte keine Freiwilligkeit vorgelegen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1994 - 1 StR 19/94, NStZ 1994, 428, 429). Eine solche Lage bestand nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts nicht. Entscheidend ist auch nicht, wie der Beweg- grund für den Rücktritt sittlich zu bewerten ist, sondern nur, ob es sich für den Täter um ein zwingendes Hindernis für einen freien Willensentschluss gehandelt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Januar 1988 - 2 StR 665/87, BGHSt 35, 184, 186). Das war hier nicht der Fall.
12
Beim unbeendeten Versuch beschränkt sich der Entschluss, die weitere Tatausführung aufzugeben, auf die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale. Auf außertatbestandliche Beweggründe kommt es nicht an (BGH aaO, BGHSt 39, 221, 230). Daher ändert die Einlassung des Angeklagten T. , er sei mit der Tatbegehung "nur einverstanden gewesen, weil es sich um einen Drogendealer handeln sollte" und er habe sich auf den Tatplan nur eingelassen, weil er "etwas gegen diese Personen habe", nichts an der Möglichkeit des späteren Rücktritts vom Raubversuch.
13
bb) Für die Angeklagte L. als Gehilfin gilt ebenfalls § 24 Abs. 2 StGB. Auch sie konnte mit strafbefreiender Wirkung von der Teilnahme am Raubversuch durch einvernehmliches Nichtweiterhandeln zurücktreten.
14
b) Die Entscheidung über die Anrechnung der in R. erlittenen Auslieferungshaft des Angeklagten T. im Verhältnis von zwei zu eins, weil er nach seiner Darstellung "in einem verliesartigen Keller" untergebracht gewesen und vom Anstaltspersonal besonders streng behandelt worden sei, ist entgegen der Annahme der Revision sachlich-rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat der Einlassung des Angeklagten T. unter anderem wegen erkennbarer Betroffenheit insoweit Glauben geschenkt. Dass keine weiteren Maßnahmen zur Sachaufklärung ergriffen wurden, ist aufgrund der alleine erhobenen Sachrüge nicht zu beanstanden.
15
c) Die Revision der Staatsanwaltschaft greift nach der Begründung des Rechtsmittels die Verurteilung der Angeklagten L. im Fall II.2. nicht an. Inso- weit ist das Rechtsmittel beschränkt. Es umfasst aber ihre Verurteilung zu einer Einzelgeldstrafe von 180 Tagessätzen wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und die Bildung einer Gesamtgeldstrafe von 190 Tagessätzen. Auch insoweit liegt jedoch kein Rechtsfehler zugunsten der Angeklagten L. vor.
16
aa) Allerdings benennt das Gesetz sowohl bei dem Normalstrafrahmen gemäß § 224 Abs. 1 StGB als auch bei dem gemäß §§ 27 Abs. 2 Satz 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen jeweils nur Freiheitsstrafe als Strafart, nicht die Möglichkeit der Verhängung von Geldstrafe. Gleichwohl stand dem Tatgericht gemäß Art. 12 Abs. 1 EGStGB die weitere Strafart zur Verfügung (vgl. SK/Horn/Wolters, StGB, 122. Lfg. 2010, § 47 Rn. 3). Auf § 47 Abs. 2 StGB kommt es hier nicht an.
17
Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung des Art. 12 Abs. 1 EGStGB erreichen , dass neben der Androhung einer Freiheitsstrafe ohne besonderes Mindestmaß stets die wahlweise Androhung von Geldstrafe tritt. Dadurch wird die Möglichkeit eröffnet, in allen diesen Fällen auch Geldstrafen zu verhängen, ohne auf § 47 Abs. 2 StGB zurückgreifen zu müssen (BT-Drucks. 7/550 S. 204). Art. 12 Abs. 1 EGStGB kommt deshalb immer dann zur Anwendung, wenn ein Fall vorliegt, in dem das Gesetz keine erhöhte Mindeststrafe vorsieht. Nur für Fälle der Anwendbarkeit eines Strafrahmens mit erhöhtem Mindestmaß bleibt alleine § 47 Abs. 2 StGB maßgeblich (vgl. Horn NStZ 1990, 270, 271).
18
bb) Entscheidend ist hiernach, ob Art. 12 Abs. 1 EGStGB auch anzuwenden ist, wenn zwar der Normalstrafrahmen des anzuwendenden Straftatbestands eine erhöhte Mindeststrafe vorsieht, dieser Strafrahmen im Einzelfall aber durch einen vertypten Milderungsgrund so abgesenkt wird, dass er im Ergebnis bei der gesetzlichen Mindeststrafe beginnt. Im vorliegenden Fall wird der Strafrahmen des § 224 Abs. 1 - 1. Alt. - StGB, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht, gemäß §§ 27 Abs. 2 Satz 2, 49 Abs. 1 StGB auf Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu sieben Jahren und sechs Monaten abgesenkt, wonach die Strafuntergrenze dem gesetzlichen Mindestmaß im Sinne von § 38 Abs. 2 StGB entspricht.
19
Der Senat neigt zu der Ansicht, dass für die Frage, ob eine Strafandrohung ohne erhöhtes Mindestmaß vorliegt, ebenso wie bei § 47 Abs. 2 StGB (vgl. dazu Fischer, StGB, 62. Aufl., § 47 Rn. 12) stets der im konkreten Fall anzuwendende Strafrahmen maßgeblich ist (s.a. Horn aaO). Er bejaht diese Frage jedenfalls für den Fall, dass ein vertypter Milderungsgrund eingreift, der zwingend zur Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB führt und danach kein erhöhtes Mindestmaß mehr aufweist. Ob dasselbe auch für einen fakultativen Milderungsgrund oder einen Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle gilt, muss hier nicht entschieden werden. Die Strafkammer hat das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne von § 224 Abs. 1 - 2. Alt. - rechtsfehlerfrei verneint.
20
Die Annahme, dass es auf den im Einzelfall anwendbaren Strafrahmen ankommt, entspricht dem Prüfungsweg. Der Tatrichter hat bei der Rechtsfolgenentscheidung zuerst über den Strafrahmen, dann über Strafart und Strafhöhe zu entscheiden. Im Anschluss an die Strafrahmenwahl steht fest, ob im konkreten Fall ein Strafrahmen gilt, der eine erhöhte Mindeststrafe vorsieht oder nicht. Entspricht sodann die Untergrenze des anzuwendenden Strafrahmens dem gesetzlichen Mindestmaß im Sinne von § 38 Abs. 2 StGB, so ist nach Wortlaut und Zweck des Art. 12 Abs. 1 EGStGB die Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe anstelle von Freiheitsstrafe eröffnet. Das Tatgericht hat dann eine Auswahl zu treffen, ohne dass dabei allerdings ein Vorrang von Geldstrafe vor kurzer Freiheitsstrafe gilt, wie er in § 47 Abs. 2 StGB vorgesehen ist (SK/Horn/Wolters aaO § 47 Rn. 7c), oder von Freiheitsstrafe, die nach dem Straftatbestand alleine zur Anwendung kommen soll, vor Geldstrafe, die Art. 12 Abs. 1 EGStGB alternativ zur Verfügung stellt. Die Entscheidung über die Strafart liegt vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Wählt er in dieser Konstellation eine Geldstrafe, so besteht das Höchstmaß dieser Strafe gemäß § 40 Abs. 1 StGB aus 360 Tagessätzen, nicht aus 179 Tagessätzen, wie es nach § 47 Abs. 2 Satz 2 StGB der Fall wäre.
21
cc) Mit der Verhängung einer Einzelgeldstrafe von 180 Tagessätzen wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung gegen die Angeklagte L. hat das Landgericht daher nicht gegen die Bezeichnung der Strafart in § 224 StGB als Freiheitsstrafe verstoßen.
22
Einer näheren Begründung der Auswahl einer anderen Strafart im Urteil des Landgerichts bedurfte es nicht. § 267 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 StPO, der in Fällen des § 47 Abs. 2 StGB nur für die Abweichung von der Regel der Verhängung einer Geldstrafe anstelle einer kurzen Freiheitsstrafe eine Begründung verlangt, greift auch bei der Anwendung von Art. 12 Abs. 1 EGStGB nicht ein, der kein Regel- und Ausnahmeverhältnis der Strafarten vorsieht.
23
2. Die Revisionen der Angeklagten M. und L. sind unbegründet. Das gilt auch für die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte L. habe hinsichtlich der gefährlichen Körperverletzung mit Gehilfenvorsatz gehandelt. Dafür genügt eine Vorstellung von der Haupttat, die im Vorstellungsbild des Gehilfen nur in ihren wesentlichen Grundzügen konkretisiert sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 1996 - 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 137 f.). Die Strafkammer hat jedenfalls der Sache nach angenommen, dass die Angeklagte L. mit der Möglichkeit einer Verletzung des Opfers des gewaltsamen hinterlistigen Überfalls der beiden Haupttäter, den sie unterstützt hat, gerechnet und diesen billigend in Kauf genommen hat. Damit ist der Gehilfenvorsatz hinreichend belegt. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

(1) Droht das Gesetz neben Freiheitsstrafe ohne besonderes Mindestmaß wahlweise keine Geldstrafe an, so tritt neben die Freiheitsstrafe die wahlweise Androhung der Geldstrafe. Dies gilt auch, wenn die Androhung des besonderen Mindestmaßes der Freiheitsstrafe nach Artikel 11 entfällt.

(2) An die Stelle einer neben Freiheitsstrafe wahlweise angedrohten Geldstrafe von unbeschränkter Höhe oder mit einem besonderen Höchstmaß oder mit einem Höchstmaß, das in dem Mehrfachen, Einfachen oder Bruchteil eines bestimmten Betrages besteht, tritt Geldstrafe mit dem gesetzlichen Höchstmaß (§ 40 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 des Strafgesetzbuches), soweit Absatz 4 nichts anderes bestimmt.

(3) Ist Geldstrafe neben Freiheitsstrafe vorgeschrieben oder zugelassen, so entfällt diese Androhung.

(4) Droht das Gesetz Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten an, so beträgt das Höchstmaß einer wahlweise angedrohten Geldstrafe einhundertachtzig Tagessätze. Dies gilt auch, wenn sich die wahlweise Androhung der Geldstrafe aus Absatz 1 ergibt.