Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2019 - 2 StR 512/19

bei uns veröffentlicht am18.12.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 512/19
vom
18. Dezember 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u. a.
ECLI:DE:BGH:2019:181219B2STR512.19.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 18. Dezember 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 18. Juli 2019 im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 1 und 4 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben; die Feststellungen bleiben bestehen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung, wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und mit versuchter Körperverletzung, wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln sowie wegen Betruges zu drei Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verur- teilt und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
2
Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Strafzumessung in den Fällen 1 und 4 der Urteilsgründe erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Die Einzelstrafen in diesen Fällen können keinen Bestand haben.
4
a) Das Landgericht hat nicht beachtet, dass das Verbot der Doppelverwertung gemäß § 50 StGB nur für die Strafrahmenbestimmung gilt.
5
aa) Zu Fall 1 der Urteilsgründe nimmt die Strafkammer einen minder schweren Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB an, wobei „ausdrücklich das Vorliegen der verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB und der Umstand, dass die Tat im Versuchsstadium nach §§ 22, 23 Abs. 1 StGB stecken geblie- ben ist, zur Bejahung eines minder schweren Falles heranzuziehen war“. Eine weitere Milderung „nach § 21, § 23 Abs. 2, 46, 49 StGB“ komme im Hinblick auf § 50 StGB nicht mehr in Betracht, da diese Milderungsgründe bereits ver- braucht seien „und auch im Rahmen der weiteren Strafzumessung im engeren Sinne keine Berücksichtigung mehr finden“ könnten.
6
Dies ist insoweit rechtsfehlerhaft, als für die konkrete Strafzumessung eine Gesamtbetrachtung aller Umstände geboten ist, darunter auch diejenigen, die eine Strafrahmenmilderung bewirkt haben; diese sind mit verringertem Gewicht in die Gesamtwürdigung einzustellen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2014 – 3 StR 452/13; Senat, Beschluss vom 9. Dezember 1992 – 2 StR 535/92 Rn. 5 f.; MüKo-StGB/Maier, 3. Aufl., § 50 Rn. 13, 14; Schönke/Schröder/Kinzig, StGB, 30. Aufl., § 50 Rn. 4 mwN; SSW/Eschelbach, StGB, 4. Aufl., § 50 Rn. 17). Wenn in einzelnen Entscheidungen darauf hingewiesen wird, der vertypte Milderungsgrund "als solcher" dürfe bei der Strafzumessung im engeren Sinne nicht berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 27. Juli 1987 – 3 StR 308/87; Senat, Urteil vom 6. September 1989 – 2 StR 353/89, NJW 1989, 3230), so ist damit nicht gemeint, dass ein bestimmter Milderungsgrund verbraucht sei, sondern lediglich klargestellt, dass das abstraktrechtliche Wertungsergebnis als solches, das die gesetzliche Grundlage für die Strafrahmenmilderung bietet, selbst keinen strafzumessungserheblichen Umstand darstellt. Hingegen ist die Tatsache, dass der Angeklagte nur vermindert schuldfähig war, für die Bewertung der relevanten Strafzumessungstatsachen regelmäßig von wesentlicher Bedeutung und wirkt dann bei der Strafzumessung in engerem Sinne strafmildernd (Senat, Beschluss vom 9. Dezember 1992 – 2 StR 535/92 Rn. 6).
7
bb) Gleiches gilt für die Strafzumessung zu Fall 4 der Urteilsgründe. Die Strafkammer hat einen besonders schweren Fall im Sinne des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB trotz des Umstands, dass der Angeklagte bei der Tat ein Messer bei sich führte, mit der Erwägung verneint, dass der Angeklagte im Zustand verminderter Schuldfähigkeit handelte. Ob die Verneinung eines besonders schweren Falles unter Berufung auf einen vertypten Milderungsgrund die Anwendung des § 50 StGB ohne weiteres nach sich zieht, weil – wie die Strafkammer meint – der gesetzlich vorgesehene Milderungsgrund bereits „ver- braucht“ sei, bedarf keiner Entscheidung (vgl. Senat, Beschluss vom 11. September 2003 – 2 StR 230/03, NStZ 2004, 200, 201; Sobota, HRRS 2015, 339 jeweils mwN). Die konkrete Strafzumessung, bei der zugunsten des Angeklagten lediglich berücksichtigt wurde, dass die Widerstandshandlung von vergleichsweise geringer Intensität war, lässt besorgen, dass die Strafkammer (wiederum in Verkennung der Reichweite des § 50 StGB) Umstände, die eine Strafrahmenmilderung bewirkt haben, außer Betracht gelassen hat.
8
b) Die Einzelstrafaussprüche in den Fällen 1 und 4 der Urteilsgründe können auch deswegen keinen Bestand haben, weil die Urteilsgründe nicht erkennen lassen, dass sich das Landgericht des Umstands bewusst war, dass in Fällen, in denen aufgrund besonderer Umstände – etwa verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB – sowohl eine Strafrahmenverschiebung als auch die Annahme eines minder schweren Falls möglich ist, zwei unterschiedliche Strafrahmen zur Wahl stehen, von denen einer für den Angeklagten günstiger sein kann (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 1987 – 3 StR 341/87, StV 1988, 385; MüKo-StGB/Maier, aaO, § 50 Rn. 15). Zwar ist das Tatgericht nicht verpflichtet , den jeweils für den Angeklagten günstigeren Strafrahmen zugrunde zu legen. Welchen Strafrahmen es wählt, unterliegt seiner pflichtgemäßen Entscheidung auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller für die Wertung von Tat und Täter in Betracht kommenden Umstände, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juni 2015 – 5 StR 201/15; Urteile vom 3. Mai 1966 – 5 StR 173/66, BGHSt 21, 57, 59; vom 19. Januar 1982 – 1 StR 734/81, NStZ 1982, 200; Schönke/Schröder/Kinzig, aaO § 50 Rn. 2 mwN). Die Urteilsgründe müssen aber belegen, dass das Gericht die unterschiedlichen Möglichkeiten erkannt und geprüft hat (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung , 6. Aufl., Rn. 933, 1113 mwN). Ist – wie hier in Fall 4 der Urteilsgründe – ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falls gegeben, bedarf es einer Gesamtabwägung aller unter dem Aspekt des gerechten Schuldausgleichs erheblichen Umstände zur Prüfung, ob es beim Strafrahmen des besonders schweren Falles bleibt, ob der Normalrahmen oder – bei vertypten Milderungsgründen – der nach § 49 StGB gemilderte Rahmen des besonders schweren Falles Anwendung finden soll (Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO Rn. 1143 f. mwN).
9
2. Der Wegfall der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Vom Rechtsfehler nicht betroffen sind die auch ansonsten rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen; sie können bestehen bleiben. Der Wegfall zweier Einzelstrafen lässt auch die Unterbringungsentscheidung unberührt.
10
3. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, bei einer neu zu bildenden Gesamtstrafe eine mögliche Zäsurwirkung der Verurteilung des Angeklagten durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Aachen vom 20. November 2018 in den Blick zu nehmen (die Taten der Fälle 3, 4 und 5 der Urteilsgründe sind vor dem 20. November 2018 begangen), dessen Vollstreckungsstand das angefochtene Urteil allerdings nicht mitteilt. Er wird dabei gegebenenfalls das verfahrensrechtliche Verbot der reformatio in peius aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu beachten haben, das zur Folge hat, dass dem Angeklagten ein durch die fehlerhafte Anwendung des § 55 StGB etwa erlangter Vorteil nicht mehr genommen werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2016 – 4 StR 73/16, NStZRR 2016, 275, 276 mwN; vom 14. September 2016 – 5 StR 315/16).
Franke Eschelbach Meyberg Grube Schmidt

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Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

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(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

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Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

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Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 4 5 2 / 1 3
vom
4. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer Brandstiftung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Februar 2014 einstimmig beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Hildesheim vom 28. August 2013 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349
Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Zur Strafzumessung durch das Landgericht bemerkt der Senat ergänzend
:
Das Landgericht hat ausgeführt, soweit der vertypte Srafmilderungsgrund
nach § 21 StGB die Annahme eines minder schweren Falles hätte
rechtfertigen können, hätte er gemäß § 50 StGB bei der weiteren
Strafzumessung nicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Damit hat es
verkannt, dass das Verbot der Doppelverwertung gemäß § 50 StGB nur
ist hingegen eine Gesamtbetrachtung aller Umstände geboten, darunter
auch derjenigen, die eine Strafrahmenmilderung bewirkt haben; diese
sind mit ihrem verbleibenden Gewicht in die Gesamtwürdigung einzustellen
(st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. Dezember 1992
- 2 StR 535/92, BGHR StGB § 50 Strafhöhenbemessung 5). Mit Blick
auf die weiteren Strafzumessungserwägungen sowie die Höhe der
Strafen, auf die das Landgericht erkannt hat, ist jedoch auszuschließen,
dass der Strafausspruch auf diesem Rechtsfehler beruht.
Becker Hubert Schäfer
Gericke Spaniol

(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.

(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR201/15
vom
4. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juni 2015 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Januar 2015 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 15. Mai 2015 bemerkt der Senat: Das Tatgericht ist zwar bei der Strafrahmenwahl verpflichtet, in einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob es den nach § 49 StGB gemilderten Regelstrafrahmen oder denjenigen eines minder schweren Falls anwendet (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 1987 – 3 StR 341/87, BGHR StGB vor § 1 minder schwerer Fall Strafrahmenwahl 4). Es ist indes nicht verpflichtet, den jeweils für den Angeklagten günstigeren Strafrahmen zugrunde zu legen; es unterliegt vielmehr seiner pflichtgemäßen Entscheidung, welchen Strafrahmen es wählt (vgl. BGH, Urteile vom 3. Mai 1966 – 5 StR 173/66, BGHSt 21, 57, 59; vom 19. Januar 1982 – 1 StR 734/81, NStZ 1982, 200; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 50 Rn. 2; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung , 5. Aufl., Rn. 933; aA Theune in LK-StGB, 12. Aufl., § 50 Rn. 15 f.; Horn/Wolters, SK-StGB, 8. Aufl., § 50 Rn. 5; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 50 Rn. 5). Der Zweifelssatz findet insofern keine Anwendung.
Sander Schneider Dölp König Feilcke

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 73/16
vom
8. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:080616B4STR73.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 8. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 4. September 2015, soweit es die Angeklagte betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Gelsenkirchen – Strafrichter – zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und fahrlässiger Körperverletzung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revi- sion der Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Strafausspruchs ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Gesamtstrafenentscheidung des Landgerichts hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Strafkammer dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 zu Unrecht Zäsurwirkung beigemessen hat.
3
a) Wurde die neu abzuurteilende Tat zwischen zwei Vorverurteilungen begangen, die untereinander nach der Regelung des § 55 StGB gesamtstrafenfähig sind, darf aus der Strafe für die neu abgeurteilte Tat und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden. Der letzten Vorverurteilung kommt, da die Taten aus beiden Vorverurteilungen bereits in dem früheren Erkenntnis hätten geahndet werden können, gesamtstrafenrechtlich keine eigenständige Bedeutung zu (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2013 – 4 StR 356/13, NStZ-RR 2014, 74). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unabhängig davon, ob eine nachträgliche Gesamtstrafe tatsächlich gebildet wurde (vgl. Beschlüsse vom 17. November 2015 – 4 StR 276/15, StraFo 2016, 82; vom 7. Mai 2013 – 4 StR 111/13, wistra 2013, 354; Urteil vom 12. August 1998 – 3 StR 537/97, BGHSt 44, 179, 180 f.; Beschluss vom 22. Juli 1997 – 1 StR 340/97, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 13) oder im Verfahren nach § 460 StPO noch nachgeholt werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Juli 2009 – 5 StR 269/09; vom 17. Juli 2007 – 4 StR 266/07, NStZ-RR 2007, 369 f.; vom 7. Dezember 1983 – 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 193).
4
b) Bei der im angefochtenen Urteil vorgenommenen Gesamtstrafenbildung hat die Strafkammer übersehen, dass in dem Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen Az. 16 a Ds–40 Js 2487/12–262/12, in dem die Angeklagte zu der zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde, am 23. Januar 2014 ein Berufungsurteil des Landgerichts Essen erging, in welchem zumindest über die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung entschieden wurde. Nach dieser Berufungsentscheidung, die zu einem Teil der Straffrage ergangen ist, bestimmt sich nach der gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB der Zeitpunkt der dieser Vorverurteilung zukommenden Zäsurwirkung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. November 2015 – 4 StR 407/15, NStZ-RR 2016, 75 [LS]; vom 30. Juni 1960 – 2 StR 147/60, BGHSt 15, 66, 69 ff.). Da die im einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 mit einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten geahndete Tat am 14. Januar 2014, mithin vor dem Berufungsurteil des Landgerichts Essen vom 23. Januar 2014 begangen wurde, sind beide Vorverurteilungen der Angeklagten untereinander gesamtstrafenfähig. Demgegenüber wurde die im angefochtenen Urteil abgeurteilte Tat erst am 5. April 2014 und damit nach dem Berufungsurteil des Landgerichts Essen verübt, so dass eine nachträgliche Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Vorverurteilung durch das Amtsgericht Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 nicht in Betracht kommt.
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2. Die im angefochtenen Urteil verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten kann gleichfalls nicht bestehen bleiben. Das bei alleiniger Revision des Angeklagten zu beachtende verfahrensrechtliche Verbot der reformatio in peius aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO hat im Falle der fehlerhaften nachträglichen Gesamtstrafenbildung zur Folge, dass dem Angeklagten ein durch die fehlerhafte Anwendung des § 55 StGB erlangter Vorteil nicht mehr genommen werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 1995 – 2 StR 584/95, StV 1996, 265 [LS]; vom 11. Februar 1988 – 4 StR 516/87, BGHSt 35, 208, 212; Urteil vom 3. November 1955 – 3 StR 369/55, BGHSt 8, 203). Das Verschlech- terungsverbot führt hier dazu, dass die Einzelstrafe für die im angefochtenen Urteil neu abgeurteilte Tat und die zwingend nach § 460 StPO zu bildende Gesamtstrafe aus den Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 sowie dem Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen Az. 16 a Ds– 40 Js 2487/12–262/12 zusammen die Dauer von 17 Monaten (Summe der Gesamtstrafen von elf Monaten aus dem angefochtenen Urteil und von sechs Monaten aus dem vorbezeichneten Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen) nicht übersteigen dürfen. Da die Höhe der nunmehr im Verfahren nach § 460 StPO noch festzusetzenden nachträglichen Gesamtstrafe aus den sich aus den Vorverurteilungen ergebenden (Einzel-)Strafen offen ist, hebt der Senat, um jede Schlechterstellung der Angeklagten auszuschließen, den Einzelstrafausspruch mit auf. Der neue Tatrichter wird – zweckmäßigerweise nach Durchführung des Verfahrens zur nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO – unter Beachtung des Verbots der reformatio in peius eine neue Einzelstrafe zu bestimmen haben.
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Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass die Angeklagte bei Begehung der neuerlichen Tat in drei – nicht wie von der Strafkammer angenommen in vier – Verfahren unter Bewährung stand, können bestehen bleiben. Neu getroffene ergänzende Feststellungen dürfen den bisherigen nicht widersprechen.
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3. Da sich das weitere Verfahren nur noch gegen eine Erwachsene richtet und die Strafgewalt des Strafrichters ausreicht, macht der Senat von seinem Ermessen Gebrauch (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 1994 – 4 StR 75/94, BGHR StPO § 354 Abs. 3 Zuständigkeit 1 mwN) und verweist die Sache an den Strafrichter des Amtsgerichts Gelsenkirchen zurück, der nach § 462a Abs. 3 Satz 1 StPO auch für die nach § 460 StPO vorzunehmende Gesamtstrafenbildung zuständig ist.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 315/16
vom
14. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:140916B5STR315.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. September 2016 beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 4. März 2016 im Ausspruch über die Gesamtstrafen mit der Maßgabe nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben , dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafen nach den §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten des Rechtsmittels, zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes, Diebstahls in zwei Fällen, Betruges in drei Fällen sowie wegen Körperverletzung unter Einbeziehung der im Urteil des Amtsgerichts Weißwasser vom 25. März 2014 verhängten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es ihn wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung (ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe) und wegen Diebstahls (sieben Monate Freiheitsstrafe) unter Einbeziehung der im Urteil des Amtsgerichts Görlitz vom 15. Juli 2015 verhängten Einzelstrafen (vier bzw. zehn Monate Freiheitsstrafe) zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
2
Der Ausspruch über die Gesamtstrafen kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat zu Unrecht aus den verhängten Einzelstrafen für die Taten vom 3. April 2014 (Raub in Tateinheit mit Körperverletzung) und vom 20. Mai 2014 (Diebstahl) sowie aus den beiden Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Görlitz vom 15. Juli 2015 eine Gesamtstrafe gebildet; denn diese beiden Taten sind vor Erlass des Urteils des Amtsgerichts Weißwasser vom 25. März 2014 begangen worden und hätten daher schon zur Bildung der ersten Gesamtstrafe herangezogen werden müssen.
3
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine niedrigere zweite Gesamtstrafe erkannt hätte. Er weist jedoch darauf hin, dass das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) einer höheren ersten Gesamtstrafe nicht grundsätzlich entgegensteht; die Summe der beiden Gesamtstrafen von vier Jahren und sechs Monaten darf jedoch nicht überschritten werden.
Sander Schneider Berger
Bellay Feilcke