Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Juli 2018 - 2 StR 467/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 11. Juli 2018 gemäß § 46 Abs. 1 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge in zwei tateinheitlichen Fällen, besonders schweren Raubes und schwerer Körperverletzung sowie wegen Freiheitsberaubung von mehr als einer Woche in Tateinheit mit falscher Verdächtigung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Der Senat hat die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten mit Beschluss vom heutigen Tag verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Auch die Nebenklägerin hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Revision eingelegt. Die Revisionsrechtfertigung, mit der sie ohne nähere Begründung die Verletzung materiellen Rechts rügt, ist erst am 23. August 2017 und damit nach der mit Ablauf des 11. August 2017 endenden Monatsfrist zur Begründung des Rechtsmittels eingegangen. Das Landgericht hat das Rechtsmittel mit Beschluss vom 30. August 2017 als unzulässig verworfen (§ 346 Abs. 1 StPO).
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- Die Nebenklägerin hat daraufhin mit Schreiben vom 11. September 2017 beantragt, ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung des Rechtsmittels zu gewähren.
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- Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig (§ 46 Abs. 1 StPO). Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: „DerAntrag der Nebenklägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig, da er nicht den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO entspricht.
a) Im Unterschied zum Angeklagten ist einem Nebenkläger nach ständiger Rechtsprechung das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten , der nach Versäumung der Frist zur Revisionsbegründung Wiedereinsetzung beantragt, nach dem allgemeinen Verfahrensgrundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Für die Frage, ob der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt für Verschulden seines Kanzleipersonals haftet, kommt es darauf an, ob dieses sorgfältig ausgewählt und überwacht wird und ob eine zur Verhinderung von Fristüberschreitungen taugliche Büroorganisation vorhanden ist (BGH, Beschluss vom 28. April 2016 - 4 StR 474/15; BGH, Beschluss vom 17. März 2010 - 2 StR 27/10; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 44, Rn. 19 f.; KK-Maul, StPO, 7. Aufl., § 44, Rn. 34 f., jeweils m.w.N.). Deshalb erfordert die Begründung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht nur eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung aller zwischen dem Beginn und Ende der versäumten Frist liegenden Umstände, die für die Frage bedeutsam sind, wie und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zur Versäumnis ge- kommen ist (BGH, Beschluss vom 28. April 2016 - 4 StR 474/15; BGH, Beschluss vom 3. April 1987 - 2 StR 109/87, BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 1). Vorzutragen sind ferner diejenigen Tatsachen, die ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Verschulden des Bevollmächtigten ausschließen. Dies betrifft insbesondere die organisatorischen Vorkehrungen, durch die im Rahmen der Arbeitsabläufe in der Kanzlei sichergestellt werden soll, dass ein fristgebundener Schriftsatz nicht nur rechtzeitig fertiggestellt , sondern auch innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht (BGH, Beschluss vom 28. April 2016 - 4 StR 474/15).
b) Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Nebenklägerin genügt diesen Anforderungen nicht, da er ein eigenes Verschulden des Bevollmächtigten nicht auszuschließen vermag. Zwar darf ein Rechtsanwalt in einfach gelagerten Fällen die Feststellung des Fristbeginns und die Berechnung einer Frist gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büroangestellten überlassen (BGH, Beschluss vom 28. April 2016 - 4 StR 474/15 m.w.N.). Durch eine geeignete Büroorganisation muss jedoch sichergestellt sein, dass nur solche Kanzleibeschäftigte Rechtsmittelfristen in den Handakten vermerken bzw. im Fristenkalender notieren, die diesen Ausbildungsanforderungen gerecht und insoweit sorgfältig überwacht werden. Der Vortrag des Vertreters der Nebenklägerin verhält sich hierzu nicht. Weder wird eine generelle Büroorganisation vorgetragen - die Darlegungen beschränken sich insoweit auf die Abläufe im konkreten Einzelfall - noch dargelegt, ob die in Frage kommenden Kanzleimitarbeiterinnen gut ausgebildet waren und wie deren sorgfältige Überwachung erfolgt ist. Der Vortrag, dass nicht nachvollzogen werden kann, welche der Mitarbeiterinnen der Kanzlei das Empfangsbekenntnis scheinbar nicht richtig gelesen hat, lässt vielmehr auf ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten schließen.“
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- Diesen Ausführungen tritt der Senat bei.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.
(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.
(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.
(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.