Bundesgerichtshof Beschluss, 26. März 2015 - 2 StR 37/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Beschuldigten hat mit der Sachrüge Erfolg.
- 2
- 1. Nach Überzeugung der sachverständig beratenen Strafkammer befand sich der Beschuldigte aufgrund eines zur Tatzeit akuten Schubs einer paranoiden Schizophrenie bei Begehung der verfahrensgegenständlichen gefährlichen Körperverletzung in einem Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB). Die angehörte Sachverständige habe während mehrerer mehrstündiger Explo- rationsgespräche „ausgeprägte Symptome der paranoiden Schizophrenie ausmachen können. […] Obgleich der Beschuldigte in den Explorationsgesprächen um ein kooperatives Verhalten bemüht gewesen sei und keine pathologischen Bewusstseinsstörungen aufgetreten seien, sei er sehr starr im Denken gewesen. Er habe einige Phrasen oft wiederholt und sich sowohl bei der Schilderung seines Werdegangs als auch des Tatgeschehens in Details verloren […]“. Von den in der Vergangenheit immer wieder dokumentierten Wahnvorstellungen und Halluzinationen sei „zumindest eine auch am Tattag für den Beschuldigten von Bedeutung für sein Handeln“ gewesen. Die Diagnose sei nicht in Zweifel zu ziehen, auch wenn „sich im Rahmen der Explorationsgespräche keine Wahn- vorstellungen oder Halluzinationen eruieren ließen“. Es sei nicht fernliegend, dass der Beschuldigte „die Äußerung von Wahnvorstellungen bewusst oder unbewusst in den Explorationsgesprächen vermieden habe, um nach außen hin den insgesamt erstrebten Eindruck aufrechtzuerhalten, er komme gut allein zu recht“.
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- 2. Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt.
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- Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defektes schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2015 - 4 StR 514/14 und vom 8. April 2003 - 3 StR 79/03, NStZ-RR 2003, 232).
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- Das landgerichtliche Urteil enthält hierzu keine ausreichenden Feststellungen. Soweit das Landgericht im Anschluss an die Sachverständige davon ausgegangen ist, dass sich der Beschuldigte zur Tatzeit in einem akuten Schub einer paranoiden Schizophrenie befunden habe, werden die diese Bewertung tragenden Anknüpfungs- und Befundtatsachen nicht in ausreichendem Umfang wiedergegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2013 - 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142 mwN). Ob und inwieweit der Beschuldigte konkret aufgrund Wahnerlebens handelte, bleibt letztlich offen. Auch die vom Landgericht geteilten sachverständigen Wertungen, der Beschuldigte, der sich in der Hauptverhandlung nicht eingelassen hat, habe sich bei Schilderung des Tatge- schehens in Details verloren und habe „die Äußerung von Wahnvorstellungen bewusst oder unbewusst in den Explorationsgesprächen vermieden […], um nach außen hin den insgesamt erstrebten Eindruck aufrechtzuerhalten, er komme gut allein zu recht“, sind nicht geeignet, das Vorhandensein eines akuten Schubs einer paranoiden Schizophrenie zur Tatzeit zu belegen.
- 6
- Allein die Diagnose einer (paranoiden) Schizophrenie führt für sich genommen zudem nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten Beeinträchtigung bzw. Aufhebung der Schuldfähigkeit (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 13. August 2013 - 2 StR 128/13, NStZ-RR 2013, 368, 369 und vom 29. Mai 2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307 mwN). Erforderlich ist stets die konkretisierende Darlegung , in welcher Weise sich die festgestellte Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146 mwN).
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- Die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten als Grundlage für die Anordnung nach § 63 StGB bedarf daher insgesamt neuer Prüfung durch den Tatrichter.
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- 3. Sollte gemäß § 416 Abs. 2 StPO das Sicherungsverfahren in das Strafverfahren überzuleiten sein (zur Möglichkeit einer Überleitung nach Zu- rückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht vgl. Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 416 Rn. 5 mwN), wird auf § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO hingewiesen.
Ott Zeng
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Annotations
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Ergibt sich im Sicherungsverfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens die Schuldfähigkeit des Beschuldigten und ist das Gericht für das Strafverfahren nicht zuständig, so spricht es durch Beschluß seine Unzuständigkeit aus und verweist die Sache an das zuständige Gericht. § 270 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.
(2) Ergibt sich im Sicherungsverfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens die Schuldfähigkeit des Beschuldigten und ist das Gericht auch für das Strafverfahren zuständig, so ist der Beschuldigte auf die veränderte Rechtslage hinzuweisen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung zu geben. Behauptet er, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen. Ist auf Grund des § 415 in Abwesenheit des Beschuldigten verhandelt worden, so sind diejenigen Teile der Hauptverhandlung zu wiederholen, bei denen der Beschuldigte nicht zugegen war.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn sich im Sicherungsverfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens ergibt, daß der Beschuldigte verhandlungsfähig ist und das Sicherungsverfahren wegen seiner Verhandlungsunfähigkeit durchgeführt wird.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.