Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juni 2015 - 4 StR 196/15

bei uns veröffentlicht am17.06.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR196/15
vom
17. Juni 2015
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Juni 2015 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 26. Januar 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Der Unterbringungsanordnung liegen als von der Antragsschrift erfasste Anlasstaten eine räuberische Erpressung in Tateinheit mit Sachbeschädigung , ein vollendeter und ein versuchter Wohnungseinbruchdiebstahl sowie ein vollendeter und vier versuchte Diebstähle - jeweils im besonders schweren Fall - zugrunde, die der Beschuldigte zwischen dem 3. April und dem 11. Juni 2014 begangen hat. Opfer der räuberischen Erpressung war die Schwägerin des damals in einer Obdachlosenunterkunft wohnenden Beschuldigten, der diese - um „Geld zum Bestreiten seines Lebensunterhalts“ zu erlangen - mittels einer konkludenten Drohung zur Herausgabe von 30 € veranlasste. Den vollendeten Wohnungseinbruchdiebstahl beging er in Ausführung eines zuvor mit einem Mittäter gefassten Tatplans; bei dem versuchten Wohnungseinbruchdiebstahl ließ er nach dem Einschlagen der Glasscheibe einer Außentür von der weiteren Tatbegehung ab, nachdem er von einer „weiblichen Person ge- stört“ worden war. Bei den weiteren vollendeten und versuchten Diebstählen handelte es sich um einen versuchten Einbruchdiebstahl in ein Mehrfamilienhaus sowie - teilweise ebenfalls nur versuchte - Diebstähle aus Handtaschen, die der Beschuldigte „im allgemeinen Gedränge“ beim Einsteigen in eine Stadt- bahn bzw. auf Rolltreppen im Hauptbahnhof und in einem Kaufhaus sowie vor einem Modegeschäft beging. Bei all diesen Taten handelte der Beschuldigte mit dem Willen, sich durch die wiederholte Begehung gleichgelagerter Diebstähle eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen. Ferner stellte das Landgericht einen von der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellten versuchten Wohnungseinbruchdiebstahl vom 24. März 2014 fest, der daran scheiterte, dass es dem Beschuldigten nicht gelang, die Terrassentür aufzuhebeln.
3
Nach den weiteren Feststellungen der Strafkammer leidet der Beschuldigte nach einem im Jahr 1992 bei einem Verkehrsunfall erlittenen Schädelhirntrauma an einem schweren hirnorganischen Psychosyndrom, welches als organische Persönlichkeitsstörung mit im Vordergrund stehender Impulskontrollstörung das Eingangsmerkmal einer krankhaften seelischen Störung im Sinne des § 20 StGB erfülle. Aufgrund der im Vordergrund stehenden schweren Impulskontrollstörung sei eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit sicher feststellbar; „der Akzent“ sei- wie die Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung mitteilt und der Entscheidung zugrunde legt - aber nicht so sehr auf die Tatausführung, sondern auf die Tatentscheidung zu legen, die der Be- schuldigte in allen Fällen im Zustand nicht ausschließbar aufgehobener Steuerungsfähigkeit getroffen habe (UA S. 35).
4
2. Diese Feststellungen und Wertungen des Landgerichts sind nicht geeignet , die Anordnung der Maßregel des § 63 StGB zu rechtfertigen.
5
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus setzt unter anderem die positive Feststellung voraus, dass der Beschuldigte eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen hat. Hierfür muss vom Tatgericht im Einzelnen dargelegt werden, wie sich die festgestellte, einem Merkmal von §§ 20, 21 StGB unterfallende Erkrankung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden psychischen Zustand zurückzuführen sind (BGH, Beschlüsse vom 29. Mai 2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; vom 18. November 2013 - 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 75, 76 mwN). Insoweit ist insbesondere zu untersuchen, ob in der Person des Beschuldigten oder in seinen Taten letztlich nicht nur Eigenschaften und Verhaltensweisen hervortreten, die sich im Rahmen dessen halten, was bei schuldfähigen Menschen anzutreffen und übliche Ursache für strafbares Verhalten ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 1997 - 2 StR 53/97, NStZ 1997, 383; Beschlüsse vom 15. Juli 1997 - 4 StR 303/97, BGHR StGB § 63 Zustand 26; vom 19. Februar 2015 - 2 StR 420/14).
6
Dem werden die Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht. Es hat zwar eingehend dargelegt, dass der Beschuldigte an einem unter die Eingangsmerkmale des § 20 StGB fallenden krankhaften Zustand von einiger Dauer leidet. Die Strafkammer hat es aber versäumt, in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise zu erörtern, dass zwischen diesem Zustand und den abgeurteilten Taten ein symptomatischer Zusammenhang be- steht. Hierauf konnte jedenfalls angesichts der Besonderheiten des Falles nicht verzichtet werden. Denn die von dem Beschuldigten begangenen Taten dienten dem damals in einer Obdachlosenunterkunft wohnenden, seinen Lebensunter- halt von Sozialhilfe und „fortlaufender Begehung von Vermögensdelikten“ be- streitenden (UA S. 8 f.) Beschuldigten dazu, „Geld zum Bestreiten seines Le- bensunterhalts“ bzw. sich eine dauerhafte Einkommensquelle zu verschaffen. Belege dafür, dass den abgeurteilten Taten ein durchgreifender Mangel der Impulskontrolle zugrunde gelegen hat, finden sich in der landgerichtlichen Entscheidung nicht. Vielmehr spricht gegen die Annahme einer gestörten Impulskontrolle etwa bei der Tat 2 auch, dass diese nach gemeinsamer Planung mit einem Mittäter begangen wurde und Umstände nicht erkennbar sind, zu welchem Zeitpunkt und wodurch der Beschuldigte hierbei in einem die Steuerungsfähigkeit zumindest erheblich beeinträchtigenden Zustand einer gestörten Impulskontrolle geraten sein soll (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall auch BGH, Beschluss vom 19. Februar 2015 - 2 StR 420/14).
7
3. Ergänzend weist der Senat ferner auf Folgendes hin:
8
Maßgebend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit ist die „Begehung der Tat“ (§ 20 StGB), bei aktivem Tun mithin die Zeit, zu welcher der Täter ge- handelt hat (§ 8 Satz 1 StGB; vgl. auch Fischer, StGB, 62. Aufl., § 20 Rn. 2a mwN). Daher findet § 20 StGB jedenfalls dann keine Anwendung, wenn der Täter bei allen für die Verwirklichung des Tatbestands erforderlichen Handlungen - wenn auch vermindert - schuldfähig war (vgl. für Dauerdelikte auch BGH, Beschluss vom 15. Juni 2004 - 4 StR 176/04; Urteil vom 28. September 2011 - 1 StR 129/11, NStZ-RR 2012, 6, 7). Deshalb begegnet die Anwendung von § 20 StGB durch die Strafkammer Bedenken, wenn deren Ausführungen, wo- nach „der Akzent“ nicht so sehr auf die Tatausführung, sondern auf die Tatent- scheidung zu legen sei, die der Beschuldigte in allen Fällen im Zustand nicht ausschließbar aufgehobener Steuerungsfähigkeit getroffen habe, dahin zu verstehen sein sollten, dass bei der Tatausführung seine Steuerungsfähigkeit - wenn auch vermindert - vorhanden war.
9
Auch vermag die im Rahmen der Feststellungen zum Tatgeschehen allein mitgeteilte Erwägung, „die Fähigkeit des Beschuldigten, das Unrecht der Taten einzusehen …[sei] in nicht ausschließbarer Weise aufgehoben“ gewesen (UA S. 17), die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zu rechtfertigen. Denn diese darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Beschuldigte bei Begehung der Anlasstaten schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2015 - 2 StR 37/15 mwN; zur - nicht festgestellten - verminderten Einsichtsfähigkeit und § 63 StGB: BGH, Beschluss vom 20. November 2012 - 1 StR 504/12, NJW 2013, 246; siehe ferner - auch zum Verhältnis Einsichts-/Steuerungsvermögen - Beschluss vom 2. August 2012 - 3 StR 259/12; sowie Urteil vom 18. Januar 2006 - 2 StR 394/05, BGHR StGB § 20 Steuerungsfähigkeit 2).
Sost-Scheible Franke Mutzbauer
Bender Quentin

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Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 8 Zeit der Tat


Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. Wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend.

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Referenzen

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 139/12
vom
29. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 29. Mai 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 13. Oktober 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung in sieben Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, sowie des versuchten Diebstahls freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach Überzeugung der sachverständig beratenen Strafkammer befand sich der Angeklagte aufgrund einer chronifizierten und zur Tatzeit akuten schizophrenen Psychose bei Begehung der Körperverletzungsdelikte und des in zwei Fällen tateinheitlich begangenen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in einem Zustand, in dem sowohl seine Einsichts- als auch seine Steue- rungsfähigkeit auf motivationaler Ebene vollständig aufgehoben waren (§ 20 StGB), während er sich bei Begehung des versuchten Diebstahls in einem Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit befand, wobei eine völlige Aufhebung nicht ausgeschlossen werden konnte. Infolge seines Zustandes und des dadurch bedingten Wahnerlebens seien auch in Zukunft erhebliche Straftaten , auch im Bereich von Gewalttaten, zu erwarten. Eine psychiatrische Behandlung des Angeklagten könne nur unter den geschützten Bedingungen des Maßregelvollzuges erfolgen.
3
2. Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt.
4
Das Landgericht hat bereits nicht hinreichend dargelegt, dass der Angeklagte bei Begehung der Anlasstaten sicher schuldunfähig bzw. erheblich vermindert schuldfähig war. Dabei ist noch nicht ausschlaggebend, dass die Strafkammer bei Begehung der Körperverletzungsdelikte und des tateinheitlich begangenen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte einen Ausschluss der Einsichts- und der Steuerungsfähigkeit angenommen hat (BGHR StGB § 63 Schuldfähigkeit 1; Fischer StGB 59. Aufl. § 21 Rn. 5; vgl. aber auch BGH NStZRR 2006, 167, 168). Es fehlt jedenfalls an einer tatsächlichen Grundlage für die Annahme eines jeweils akuten Schubs der Erkrankung und insbesondere auch eines spezifischen Zusammenhangs zwischen der Erkrankung und den einzelnen Taten.
5
Allein die Diagnose einer schizophrenen Psychose führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten Beeinträchtigung bzw. Aufhebung der Schuldfähigkeit (vgl. BGH, NStZ-RR 2008, 39). Erforderlich ist vielmehr stets die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH, StraFo 2004, 390 mwN). Die Strafkammer schließt sich insoweit der Beurteilung des Sachverständigen an, ohne dessen dafür wesentlichen Anknüpfungs - und Befundtatsachen im Urteil so wiederzugeben, wie es zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - 5 StR 123/10 mwN). Soweit der Sachverständige und ihm folgend die Kammer darauf abgestellt haben, der Angeklagte habe aufgrund eines zum jeweiligen Tatzeitpunkt bestehenden "Wahnerlebens" (UA S. 18) bzw. er habe auf eine "subjektiv empfundene, gegebenenfalls auch wahnhaft wahrgenommene, Provokation hin" sein Verhalten nicht mehr "steuern" können, bzw. projiziere seine eigenen Aggressionen "in (vermeintlich) feindselige Handlungsformen anderer Personen" (UA S. 19), wird dies in den Urteilsgründen nicht belegt. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergeben sich insoweit keine hinreichenden Anhaltpunkte. Die festgestellten Taten des Angeklagten richteten sich gegen seine vormalige Freundin, die ihm eine gewünschte Aussprache verweigerte, gegen einen Passanten , der ihr beistehen wollte, gegen zwei Schüler, die zuvor Steinchen gegen das Auto des Angeklagten geworfen bzw. ihm Zigarettenrauch ins Gesicht geblasen hatten, sowie gegen zwei Polizeibeamte, die in zwei Fällen hinzu kamen und den Angeklagten festnehmen wollten. Lediglich im Fall des versuchten Diebstahls lassen die Feststellungen erkennen, dass der Angeklagte offenkundig davon ausging, dass er ein Fahrzeug, das nicht erkennbar gebraucht werde, mitnehmen dürfe; auch dies weist entgegen der Annahme der Kammer aber nicht auf eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit hin.
6
3. Die Sache bedarf daher insgesamt der neuen Verhandlung und Entscheidung. Der Senat war durch den Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, nicht gehindert, auch den Freispruch aufzuheben (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. BGH StraFo 2011, 55 mwN).
Fischer Berger Krehl Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 594/13
vom
18. November 2013
in dem Straf- und Sicherungsverfahren
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. November 2013 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten und Beschuldigten gegen das Urteil
des Landgerichts Freiburg vom 4. Juli 2013 wird als unbegründet
verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten und Beschuldigten (nachfolgend: Beschuldigter) von den ihm im Strafverfahren vorgeworfenen Taten freigesprochen. Wegen dieser Taten und derjenigen, wegen derer das Sicherungsverfahren gegen ihn betrieben wird, hat es allerdings gemäß § 63 StGB seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Den Vollzug der Maßregel hat es zur Bewährung ausgesetzt.
2
Der Unterbringung liegt die Begehung von insgesamt 14 rechtswidrigen Taten durch den Beschuldigten zugrunde. Bei diesen handelt es sich überwiegend um Beleidigungen und Bedrohungen (hier vor allem Drohungen mit der Tötung der Bedrohten) sowie in einem Fall (II.3. der Urteilsgründe) um eine vorsätzliche Körperverletzung und in einem weiteren Fall (II.9. der Urteilsgründe) um den Versuch einer gefährlichen Körperverletzung. Die Taten richteten sich in der Mehrzahl gegen Personen aus der Nachbarschaft des Beschuldigten.
3
Gegen das Urteil wendet sich die Revision des Beschuldigten, mit der er die näher ausgeführte Sachrüge erhebt.

II.


4
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg. Das Tatgericht hat im Ergebnis ohne Rechtsfehler die Voraussetzungen der Maßregel gemäß § 63 StGB angenommen.
5
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf lediglich angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die unterzubringende Person bei Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Begehung der Taten auf diesem Zustand beruht (BGH, Beschlüsse vom 26. September 2012 - 4 StR 348/12; vom 20. November 2012 - 1 StR 504/12, NJW 2013, 246; vom 6. März 2013 - 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304). Dabei muss vom Tatgericht im Einzelnen dargelegt werden, wie sich die festgestellte , einem Merkmal von §§ 20, 21 StGB unterfallende Erkrankung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden psychischen Zustand zurückzuführen sind (BGH jeweils aaO, siehe auch BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307).
6
a) Der Bestand des Urteils wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das sachverständig beratene Landgericht als Eingangsmerkmale gemäß §§ 20, 21 StGB entweder eine auf einer wahnhaften Störung (ICD-10: F22.0) oder einer paranoiden Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.0) beruhende „andere schwere seelische Abartigkeit“ oder eine durcheine paranoide Schizophrenie (ICD-10: F20.0) bedingte „krankhafte seelische Störung“ angenommen hat. Zwar bedarf es grundsätzlich schon im Hinblick auf den symptomatischen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und den Anlasstaten sowie deren Bedeutung im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose der Feststellung, welche Ursachen bei dem Beschuldigten zu welchem von §§ 20, 21 StGB erfassten Zustand geführt haben (siehe nur van Gemmeren in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 63 Rn. 37 und 45; siehe auch BGH, Beschluss vom 5. Februar 2003 - 2 StR 1/03, NStZ-RR 2003, 168). Ausnahmsweise kann jedoch auf eine zweifelsfreie Aufklärung verzichtet werden, wenn mehrere Störungen in Betracht kommen, die aber jeweils die Schuldfähigkeit des Täters sicher beeinträchtigen (vgl. BGH aaO). Allerdings muss der Tatrichter bei einer solchen Konstellation im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose jede der die Schuldfähigkeit beeinträchtigenden Ursachen auf ihre Bedeutung für die Beurteilung der zukünftigen Gefährlichkeit des Täters hin gesondert untersuchen (BGH aaO; siehe auch van Gemmeren aaO Rn. 45).
7
Beidem ist das Tatgericht noch gerecht geworden. Aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils lässt sich entnehmen, dass die bei dem Beschuldigten vorliegende dauerhafte Erkrankung durch wahnhafte Fehlinterpretationen des Verhaltens Dritter, vor allem solcher aus seiner Nachbarschaft, ihm gegenüber geprägt ist (UA S. 18 und 21). Nach den getroffenen Feststellungen und den Ausführungen des Tatgerichts im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose bezieht der Beschuldigte an sich völlig neutrale Geschehnisse auf sich und fühlt sich aufgrund der krankheitsbedingten Fehleinordnung in seiner Person angegriffen (UA S. 21). Sein eigenes beleidigendes, Gewalttätigkeiten androhendes und in Einzelfällen auch tatsächlich gewalttätiges Verhalten bewertet er - wiederum krankheitsbedingt - als normale und angemessene Gegenreaktion auf das Verhalten insbesondere seiner Nachbarn, aber auch seiner Umwelt insgesamt (UA S. 18 und 21, 23). In Bezug auf dieses Krankheitsbild hat das Tatgericht auf der Grundlage rechtsfehlerfreier Feststellungen dargelegt, dass dieses entweder dem Eingangsmerkmal einer krankhaften seelischen Störung oder einer schweren seelischen Abartigkeit zuzuordnen und aufgrund der Erkrankung die Schuldfähigkeit des Beschuldigten zumindest erheblich beeinträchtigt ist. Eine weitere Aufklärung der Grunderkrankung, die möglicherweise eine sichere Zuweisung zu einem der beiden genannten Merkmale gemäß §§ 20, 21 StGB ermöglicht hätte, ist dem Tatgericht (auch) wegen der fehlenden Bereitschaft des Beschuldigten, sich für die Erstellung eines Gutachtens gesondert explorieren zu lassen, nicht möglich gewesen.
8
Das Urteil zeigt - wenn auch sehr knapp - trotz der fehlenden eindeutigen Klassifizierung der beschriebenen chronifizierten Grunderkrankung einen symptomatischen Zusammenhang zwischen dieser und der Begehung der Anlasstaten auf. Sämtliche Anlasstaten seien auf die wahnhafte Fehlinterpretation der Verhaltensweisen seiner Umwelt sowie die völlig situationsunangemessene Reaktion des Beschuldigten als Beharren auf seinen vermeintlichen Rechten zurückzuführen (UA S. 20 f.). Das Tatgericht trägt im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose dem Erfordernis Rechnung, angesichts der nicht eindeutigen Zuordnung des Krankheitszustandes des Beschuldigten die möglichen Ursachen der feststehenden Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit gesondert auf ihre Bedeutung für die zukünftige Gefährlichkeit zu untersuchen. Insoweit stellt es im Ergebnis ohne Rechtsfehler im Hinblick auf sämtliche in Betracht kommenden Einordnungen des Krankheitsbildes des Beschuldigten darauf ab, dass er we- gen der wahnbedingten Fehlwahrnehmung der Verhaltensweisen von Personen in seiner Umgebung deren Verhalten stets auf sich bezieht, von einem Angriff auf seine Rechte ausgeht und sich gegen die entsprechenden Personen mit Bedrohungen und - wegen der zugleich vorhandenen aggressiv-impulsiven Reaktionen - mit erheblichen Körperverletzungen „zur Wehr setzen“ wird.
9
b) Das Urteil bedarf auch nicht deshalb der Aufhebung, weil das Tatgericht festgestellt hat, aufgrund seines Zustandes sei bei dem Beschuldigten die Fähigkeit, das Unrecht seiner Taten einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, sicher erheblich vermindert gewesen, nicht ausschließbar sei dieser sogar unfähig gewesen, das Tatunrecht einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (UA S. 11). Zwar kann im Grundsatz weder bei § 20 noch bei § 21 StGB offen bleiben, ob die jeweilige Anwendung auf der Aufhebung oder der erheblichen Beeinträchtigung der Einsichts- oder der Steuerungsfähigkeit beruht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. September 1986 - 4 StR 470/86, BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1; vom 6. März 2013 - 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304; LK-StGB/Schöch, 12. Aufl., § 20 Rn. 80; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 21 Rn. 5 mwN; zu einem Ausnahmefall kumulativen Fehlens von Einsichts- und Steuerungsfähigkeit BGH, Urteil vom 18. Januar 2006 - 2 StR 394/05, NStZ-RR 2006, 167 f.). Es lässt sich hier jedoch wiederum dem Gesamtzusammenhang des Urteils unter Berücksichtigung der Erwägungen zur Gefährlichkeitsprognose noch entnehmen, dass das Tatgericht von einer sicher feststehenden erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit und von einer nicht ausschließbaren Aufhebung der Einsichtsfähigkeit im Zeitpunkt der Begehung der Anlasstaten ausgegangen ist (UA S. 18). Das Landgericht hat sich auf der Grundlage einer eigenständigen Überprüfung insoweit der Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen, angesichts des durch die Wahnvorstellungen hervorgerufenen Realitätsverlustes sei eine Aufhebung des Realitätsbezuges nicht auszuschließen. Sollte ein solcher trotz der Wahnvorstellungen noch erhalten geblieben sein, bestehe sicher wegen der die Krankheit begleitenden psychotischen oder psychosenahen Handlungsantriebe eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit. In der Gesamtschau lassen sich damit die für die Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB notwendigen Feststellungen über die Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten entnehmen.
10
2. Im Ergebnis tragen die vom Tatgericht getroffenen Feststellungen auch die weiteren Anordnungsvoraussetzungen des § 63 StGB, insbesondere die zukünftige Gefährlichkeit.
11
a) Soweit die Revision sich gegen die die Feststellungen zur Gefährlichkeitsprognose tragende Beweiswürdigung richtet, zeigt sie aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 22. Oktober 2013 genannten zutreffenden Gründen keinen revisiblen Rechtsfehler auf. Auch die Ausführungen in dem Schriftsatz des Verteidigers vom 8. November 2013 weisen keinen auf die lediglich erhobene Sachrüge hin zu berücksichtigenden Rechtsfehler aus.
12
b) Den Darlegungsanforderungen an die Gefährlichkeitsprognose wird ebenfalls genügt.
13
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf wegen der Schwere des mit ihr verbundenen Eingriffs lediglich angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Dafür ist zwar nicht erforderlich, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind. Die zu erwartenden Taten müssen aber schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen und daher grundsätzlich zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2008 - 2 StR 161/08 und vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; vom 6. März 2013 - 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 jeweils mwN; siehe auch BGH, Urteil vom 2. März 2011 - 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241). Erreichen die Anlasstaten ihrem Gewicht nach nicht einmal diesen Bereich, ist eine Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB nicht völlig ausgeschlossen; das Tatgericht muss in solchen Fällen allerdings die erforderliche Gefährlichkeitsprognose besonders sorgfältig darlegen (BGH, Urteil vom 2. März 2011 - 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 6. März 2013 - 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 f.). Dazu ist regelmäßig eine besonders eingehende Würdigung der Person des bzw. der Beschuldigten, vor allem der Krankheitsgeschichte sowie der Anlasstaten, notwendig (BGH aaO).
14
Das Tatgericht hat den vorgenannten Maßstab berücksichtigt und im Ergebnis ohne Rechtsfehler näher dargelegt, warum nicht nur die mit höherer Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Körperverletzungsdelikte, sondern auch die Bedrohungen, die in der Vergangenheit stets Todesdrohungen zum Inhalt gehabt haben, eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Rechtsfriedens besorgen lassen. Zutreffend wird darauf verwiesen, dass die massiven Bedrohungen mit näher beschriebenen Tötungsarten nicht lediglich irreal seien, wie sich u.a. aus dem Einsatz gefährlicher Gegenstände wenigstens bei einer Anlasstat ableiten lässt.
15
Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose hinreichend das Ausbleiben weiterer Anlasstaten seit der Entlassung des Beschuldigten aus der vorläufigen Unterbringung im Oktober 2011 berücksichtigt. Da nach der Überzeugung der Kammer dieser Umstand im Wesentlichen auf der bis März 2013 fortlaufend erfolgten ambulanten psychiatrischen Behandlung mit entsprechender, die Symptomatik dämpfender Medikation beruht, die zukünftig nicht ohne weiteres sicher gestellt werden kann, konnte sie ohne Rechtsfehler von der Gefahr zukünftiger erheblicher Straftaten des Beschuldigten ausgehen.
16
c) Der Gesamtzusammenhang des Urteils belegt auch die Verhältnismäßigkeit der Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus.
17
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet bei der Anordnung (und der Vollstreckung) der Unterbringung gemäß § 63 StGB, dass die Freiheit der Person nur beschränkt werden darf, soweit dies im öffentlichen Interesse unerlässlich ist (BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 - 2 BvR 789/13; BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 - 2 StR 220/13). Dementsprechend darf die Unterbringung nicht angeordnet werden, wenn die wegen ihrer unbestimmten Dauer sehr belastende Maßnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden Taten stehen würde (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2007 - 5 StR 215/07, NStZ-RR 2007, 300, 301; BGH aaO). Bei der gebotenen Abwägung zwischen den Sicherungsbelangen der Allgemeinheit und dem Freiheitsanspruch des Betroffenen ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Oktober 1985 - 2 BvR 1150/80 u.a., BVerfGE 70, 297, 313). Zu erwägen sind nicht nur der Zustand des Beschuldigten und die von ihm ausgehende Gefahr, sondern auch sein früheres Verhalten, seine aktuellen Lebensumstände, die ihn konkret treffenden Wirkungen einer Unterbringung nach § 63 StGB sowie die Möglichkeiten, ggf. durch andere Maßnahmen auf ihn einzuwirken (BGH aaO).
18
Vorliegend hat sich das Tatgericht zwar auf die Bewertung beschränkt, die Unterbringung des Beschuldigten stehe nicht außer Verhältnis zu den von ihm zukünftig zu erwartenden Straftaten. Allerdings hat es sich, teils im Rahmen der Feststellungen zur Schuldfähigkeit, teils im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose , mit den im vorstehenden Absatz genannten Umständen befasst. Dabei hat das Landgericht jedenfalls im Zusammenhang mit den Darlegungen zur Aussetzung des Vollzugs der Unterbringung auch die Möglichkeiten der Einwirkungen auf den Beschuldigten erörtert.
Wahl Rothfuß Cirener
Radtke Mosbacher

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 4 2 0 / 1 4
vom
19. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Februar 2015 gemäß §§ 349
Abs. 2 und 4, 44 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 28. Mai 2014 gewährt. 2. Damit ist der Beschluss des Landgerichts Köln vom 13. August 2014, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos. 3. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 5. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes , besonders schwerer räuberischer Erpressung, Raubes, Raubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung sowie wegen räuberischer Erpressung zu ei- ner Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und zugleich die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Nach der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision hat die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
1. Das Landgericht ist sachverständig beraten davon ausgegangen, dass der Angeklagte - ausgehend von einer in früher Kindheit aufgetretenen Epilepsieerkrankung - an einer organischen Persönlichkeitsstörung leide, die eine krankhafte seelische Störung i.S.d. § 21 StGB darstelle und die sich bei der Begehung aller Taten ausgewirkt habe.
4
Dabei hat es zunächst darauf hingewiesen, dass bei dem Angeklagten verschiedene Störungen nebeneinander bestünden. Zum einen gebe es die Epilepsieerkrankung mit Krampfanfällen, aber auch Wahrnehmungsstörungen. Daneben bestünde eine organische Persönlichkeitsstörung, die sich vor allem in Impulsverlust, emotionalen Schüben sowie kognitiven Störungen äußere. Zudem seien psychotische Phänomene, die sich im Rahmen der Untersuchungshaft verstärkt hätten, und dissoziative Krampfanfälle festzustellen. Gestützt auf die Angaben des Sachverständigen ist das Landgericht davon ausgegangen , dass der Angeklagte aufgrund der epileptischen Anfälle immer stärker werdende Angstgefühle entwickelt habe, die sich zusammen mit epilepsiebedingten Wahrnehmungsstörungen wie Lichtblitzen sowie psychogenen Krampf- anfällen stark auf die Entwicklung des Angeklagten ausgewirkt hätten. Eine emotionale Reifung sei kaum erfolgt. Infolgedessen habe der Angeklagte kaum die Fähigkeit entwickelt, sich Impulsen, die häufig aus emotionalen Schüben resultierten, zu widersetzen. Es liege eine deutliche Störung hemmender Faktoren vor, die sich auch bei Begehung der festgestellten Taten ausgewirkt habe. Der Angeklagte habe insoweit - wofür auch die Begehungsweise der Taten spräche - im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit gehandelt. So sei der Angeklagte von einem einmal gefassten Tatentschluss nicht mehr abzubringen ; dies zeige sich exemplarisch im Fall 3, bei dem der Angeklagte trotz Anwesenheit von fünf Jugendlichen und trotz des Versuchs seines Begleiters, ihn von der Tat abzuhalten, die Tatbegehung unbeirrt fortgesetzt habe. Die Steuerungsfähigkeit sei aber nach den sachverständigen Erläuterungen nicht aufgehoben gewesen. Der Angeklagte habe bei sämtlichen Taten, die zudem eine gewisse Planung voraussetzten, zielgerichtet gehandelt. Auch die gute körperliche Verfassung des Angeklagten, seine Koordinationsfähigkeit sowie sein sonstiges Verhalten gegenüber den Geschädigten sprächen eindeutig gegen eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit.
5
Die festgestellte Erkrankung des Angeklagten, die von länger dauernder Art sei und bei alltäglichen Ereignissen eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auslösen könne, habe sich auch in den Anlasstaten symptomatisch niedergeschlagen. Bedingt durch die organische Persönlichkeitsstörung sei die Fähigkeit des Angeklagten, sich seinen Impulsen zu widersetzen, erheblich vermindert gewesen.
6
Eine Gesamtwürdigung der Person des Angeklagten und der von ihm begangenen Taten ergebe, dass von ihm in Folge seiner Erkrankung auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten in Form von Raubdelikten mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Aufgrund der Störung der Impulskontrolle habe der Angeklagte - wie auch der Sachverständige ausgeführt habe - kaum die Fähigkeit , Gefühlen und Impulsen zu widerstehen. Dabei sei es ungünstig einzuschätzen , dass es bei dem Angeklagten regelmäßig zu starken Stimmungsschwankungen komme und er plötzlich die Idee zur Begehung eines Raubes habe und er einen solchen in dem in den hiesigen Taten zu Tage getretenen Muster willkürlich und jederzeit begehen könne. Es sei möglich, dass der Angeklagte sich bewusst dazu entschließe, eine entsprechende Tat zu begehen; genauso sei es aber denkbar, dass es ganz spontan zum Tatentschluss komme oder psychotische Wahrnehmungen Einfluss auf den Tatentschluss haben könnten.
7
2. Diese Feststellungen und Wertungen des Landgerichts sind nicht geeignet , die Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB zu rechtfertigen. Diese setzt die positive Feststellung voraus, dass der Angeklagte eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen hat. Insoweit ist insbesondere zu untersuchen, ob in der Person des Angeklagten letztlich nicht nur Eigenschaften und Verhaltensweisen hervortreten, die sich im Rahmen dessen halten, was bei schuldfähigen Menschen anzutreffen und übliche Ursache für strafbares Verhalten ist (vgl. Senatsurteil vom 2. April 1997 - 2 StR 53/97, NStZ 1997, 383; BGH, Beschluss vom 15. Juli 1997 - 4 StR 303/97, BGHR StGB § 63 Zustand 26).
8
Die Strafkammer hat zwar eingehend dargelegt, dass der Angeklagte an einem unter die Eingangsmerkmale des § 21 StGB fallenden krankhaften Zustand von einiger Dauer leidet. Sie hat es aber versäumt, in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise zu erörtern, dass zwischen diesem Zustand und den abgeurteilten Taten ein symptomatischer Zusammenhang besteht. Die von dem Angeklagten begangenen Taten - je nach der Ausgestaltung ein Raub oder eine räuberische Erpressung von Jugendlichen, denen der Angeklagte unter Drohungen, allein oder mit einem Dritten, ihre Handys wegnimmt - sind im Grundsatz "jugendtypische" Delikte junger Heranwachsender, bei denen auch im Falle einer organischen Persönlichkeitsstörung, die hier allein als ein ein Eingangsmerkmal erfüllender Zustand in Betracht kommt, die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit nicht unbedingt auf der Hand liegt. Sie sind nicht von einem einheitlichen Begehungsmuster geprägt , werden zum Teil allein (Fälle 3 und 4) oder mit einem Dritten begangen (Fälle 1, 2 und 5). Einigen Taten liegt ein mit einem anderen gefasster Tatentschluss zugrunde, andere Taten begeht der Angeklagte offenbar spontan und allein.
9
Dass der Angeklagte bei all diesen unterschiedlich ausgestalteten Taten sämtlich in seiner Steuerungsfähigkeit in erheblichem Maße eingeschränkt gewesen sein soll, ist den Ausführungen der Strafkammer nicht nachvollziehbar zu entnehmen. Das Landgericht ist nicht davon ausgegangen, dass der Angeklagte dauerhaft in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt ist, sondern hat seiner Entscheidung die Einschätzung zugrunde gelegt, dass er lediglich situativ in einen solchen Zustand geraten kann. Das kann nach der sachverständigen Einschätzung etwa der Fall sein, wenn der Angeklagte sich aufkommenden Impulsen, die häufig aus emotionalen Schüben resultierten, nicht hinreichend widersetzen kann. Belege dafür, dass den abgeurteilten Taten ein so verstandener durchgreifender Mangel der Impulskontrolle zugrunde gelegen hat, finden sich in der landgerichtlichen Entscheidung nicht. Emotionale Schübe, die zu nicht kontrollierbaren Impulsen geführt hätten, sind nicht festgestellt, andere Anhaltspunkte für eine gestörte Impulskontrolle wie etwa die vom Sachverständigen erwähnten Stimmungsschwankungen sind nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich. Dass der Angeklagte seine Tatbegehung im Fall 3 "unbeirrt" fortsetzte und im Fall 4 - nachdem er auf das Smartphone des Zeugen "fixiert" war - seinem Impuls, dieses an sich zu bringen, immer weiter nachging, sind insoweit keine Umstände, die ohne Weiteres auf ein Verhalten schließen lassen , das von einer erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit geprägt sein muss. Gegen die Annahme einer gestörten Impulskontrolle lässt sich im Übrigen anführen, dass die Taten 1 und 2 nach gemeinsamer Planung mit einem Mittäter begangen worden sind und Umstände nicht erkennbar sind, zu welchem Zeitpunkt und wodurch der Angeklagte nach der wohl nicht im Zustand des § 21 StGB durchgeführten Tatplanung in einem die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigenden Zustand einer gestörten Impulskontrolle geraten sein soll. Dafür, dass diese jedenfalls im Fall 2 nicht krankheitsbedingt gestört war, spricht zudem, dass er selbst seinen Mittäter von der Fortsetzung des Raubvorhabens abbrachte, woraus deutlich wird, dass er zur Kontrollierung von Verhalten durchaus in der Lage ist.
10
Nach alledem lässt sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen die Annahme nicht rechtfertigen, der Angeklagte habe aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung bei sämtlichen Taten jeweils im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit gehandelt. Dies entzieht der Anordnung nach § 63 StGB die Grundlage. Der Senat hebt deshalb den Maßregelausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf. Der neue Tatrichter wird sich, nahe liegender Weise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen, umfassend erneut mit der Erkrankung des Angeklagten und seinen Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit auseinander zu setzen haben. Der Senat schließt aus, dass sich dabei Feststellungen ergeben könnten, die zu einer Schuldunfähigkeit des Angeklagten führen könnten, und lässt den Schuldspruch bestehen.

II.

11
Auch der Strafausspruch ist nicht frei von Rechtsfehlern.

12
Das Landgericht hat den Fällen 3 bis 5 - worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift hingewiesen hat - einen unzutreffenden Strafrahmen von drei Monaten bis sieben Jahre und sechs Monaten Freiheitsstrafe zugrunde gelegt. Die Einzelstrafen in diesen Fällen wären dagegen dem gemäß §§ 21, 49 StGB gemilderten Strafrahmen des § 249 StGB, ein Monat bis drei Jahre neun Monate Freiheitsstrafe, zu entnehmen gewesen. Dabei handelt es sich ersichtlich nicht um einen bloßen Schreibfehler. Da der Senat nicht ausschließen kann, dass bei Zugrundelegung des zutreffenden Strafrahmens niedrigere Einzelstrafen verhängt worden wären, hebt er die Strafen in diesen Fällen auf. Dies entzieht der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage. Der Senat hebt auch die verbleibenden Einzelstrafen in den Fällen 1 und 2 auf, um dem zur Entscheidung berufenen Tatrichter auf der Grundlage der zur Schuldfähigkeit des Angeklagten gewonnenen Erkenntnisse Gelegenheit zu einer insgesamt in sich stimmigen Rechtsfolgenentscheidung zu geben. Appl Krehl Eschelbach Ott Zeng

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 4 2 0 / 1 4
vom
19. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Februar 2015 gemäß §§ 349
Abs. 2 und 4, 44 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 28. Mai 2014 gewährt. 2. Damit ist der Beschluss des Landgerichts Köln vom 13. August 2014, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos. 3. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 5. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes , besonders schwerer räuberischer Erpressung, Raubes, Raubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung sowie wegen räuberischer Erpressung zu ei- ner Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und zugleich die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Nach der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision hat die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
1. Das Landgericht ist sachverständig beraten davon ausgegangen, dass der Angeklagte - ausgehend von einer in früher Kindheit aufgetretenen Epilepsieerkrankung - an einer organischen Persönlichkeitsstörung leide, die eine krankhafte seelische Störung i.S.d. § 21 StGB darstelle und die sich bei der Begehung aller Taten ausgewirkt habe.
4
Dabei hat es zunächst darauf hingewiesen, dass bei dem Angeklagten verschiedene Störungen nebeneinander bestünden. Zum einen gebe es die Epilepsieerkrankung mit Krampfanfällen, aber auch Wahrnehmungsstörungen. Daneben bestünde eine organische Persönlichkeitsstörung, die sich vor allem in Impulsverlust, emotionalen Schüben sowie kognitiven Störungen äußere. Zudem seien psychotische Phänomene, die sich im Rahmen der Untersuchungshaft verstärkt hätten, und dissoziative Krampfanfälle festzustellen. Gestützt auf die Angaben des Sachverständigen ist das Landgericht davon ausgegangen , dass der Angeklagte aufgrund der epileptischen Anfälle immer stärker werdende Angstgefühle entwickelt habe, die sich zusammen mit epilepsiebedingten Wahrnehmungsstörungen wie Lichtblitzen sowie psychogenen Krampf- anfällen stark auf die Entwicklung des Angeklagten ausgewirkt hätten. Eine emotionale Reifung sei kaum erfolgt. Infolgedessen habe der Angeklagte kaum die Fähigkeit entwickelt, sich Impulsen, die häufig aus emotionalen Schüben resultierten, zu widersetzen. Es liege eine deutliche Störung hemmender Faktoren vor, die sich auch bei Begehung der festgestellten Taten ausgewirkt habe. Der Angeklagte habe insoweit - wofür auch die Begehungsweise der Taten spräche - im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit gehandelt. So sei der Angeklagte von einem einmal gefassten Tatentschluss nicht mehr abzubringen ; dies zeige sich exemplarisch im Fall 3, bei dem der Angeklagte trotz Anwesenheit von fünf Jugendlichen und trotz des Versuchs seines Begleiters, ihn von der Tat abzuhalten, die Tatbegehung unbeirrt fortgesetzt habe. Die Steuerungsfähigkeit sei aber nach den sachverständigen Erläuterungen nicht aufgehoben gewesen. Der Angeklagte habe bei sämtlichen Taten, die zudem eine gewisse Planung voraussetzten, zielgerichtet gehandelt. Auch die gute körperliche Verfassung des Angeklagten, seine Koordinationsfähigkeit sowie sein sonstiges Verhalten gegenüber den Geschädigten sprächen eindeutig gegen eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit.
5
Die festgestellte Erkrankung des Angeklagten, die von länger dauernder Art sei und bei alltäglichen Ereignissen eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auslösen könne, habe sich auch in den Anlasstaten symptomatisch niedergeschlagen. Bedingt durch die organische Persönlichkeitsstörung sei die Fähigkeit des Angeklagten, sich seinen Impulsen zu widersetzen, erheblich vermindert gewesen.
6
Eine Gesamtwürdigung der Person des Angeklagten und der von ihm begangenen Taten ergebe, dass von ihm in Folge seiner Erkrankung auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten in Form von Raubdelikten mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Aufgrund der Störung der Impulskontrolle habe der Angeklagte - wie auch der Sachverständige ausgeführt habe - kaum die Fähigkeit , Gefühlen und Impulsen zu widerstehen. Dabei sei es ungünstig einzuschätzen , dass es bei dem Angeklagten regelmäßig zu starken Stimmungsschwankungen komme und er plötzlich die Idee zur Begehung eines Raubes habe und er einen solchen in dem in den hiesigen Taten zu Tage getretenen Muster willkürlich und jederzeit begehen könne. Es sei möglich, dass der Angeklagte sich bewusst dazu entschließe, eine entsprechende Tat zu begehen; genauso sei es aber denkbar, dass es ganz spontan zum Tatentschluss komme oder psychotische Wahrnehmungen Einfluss auf den Tatentschluss haben könnten.
7
2. Diese Feststellungen und Wertungen des Landgerichts sind nicht geeignet , die Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB zu rechtfertigen. Diese setzt die positive Feststellung voraus, dass der Angeklagte eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen hat. Insoweit ist insbesondere zu untersuchen, ob in der Person des Angeklagten letztlich nicht nur Eigenschaften und Verhaltensweisen hervortreten, die sich im Rahmen dessen halten, was bei schuldfähigen Menschen anzutreffen und übliche Ursache für strafbares Verhalten ist (vgl. Senatsurteil vom 2. April 1997 - 2 StR 53/97, NStZ 1997, 383; BGH, Beschluss vom 15. Juli 1997 - 4 StR 303/97, BGHR StGB § 63 Zustand 26).
8
Die Strafkammer hat zwar eingehend dargelegt, dass der Angeklagte an einem unter die Eingangsmerkmale des § 21 StGB fallenden krankhaften Zustand von einiger Dauer leidet. Sie hat es aber versäumt, in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise zu erörtern, dass zwischen diesem Zustand und den abgeurteilten Taten ein symptomatischer Zusammenhang besteht. Die von dem Angeklagten begangenen Taten - je nach der Ausgestaltung ein Raub oder eine räuberische Erpressung von Jugendlichen, denen der Angeklagte unter Drohungen, allein oder mit einem Dritten, ihre Handys wegnimmt - sind im Grundsatz "jugendtypische" Delikte junger Heranwachsender, bei denen auch im Falle einer organischen Persönlichkeitsstörung, die hier allein als ein ein Eingangsmerkmal erfüllender Zustand in Betracht kommt, die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit nicht unbedingt auf der Hand liegt. Sie sind nicht von einem einheitlichen Begehungsmuster geprägt , werden zum Teil allein (Fälle 3 und 4) oder mit einem Dritten begangen (Fälle 1, 2 und 5). Einigen Taten liegt ein mit einem anderen gefasster Tatentschluss zugrunde, andere Taten begeht der Angeklagte offenbar spontan und allein.
9
Dass der Angeklagte bei all diesen unterschiedlich ausgestalteten Taten sämtlich in seiner Steuerungsfähigkeit in erheblichem Maße eingeschränkt gewesen sein soll, ist den Ausführungen der Strafkammer nicht nachvollziehbar zu entnehmen. Das Landgericht ist nicht davon ausgegangen, dass der Angeklagte dauerhaft in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt ist, sondern hat seiner Entscheidung die Einschätzung zugrunde gelegt, dass er lediglich situativ in einen solchen Zustand geraten kann. Das kann nach der sachverständigen Einschätzung etwa der Fall sein, wenn der Angeklagte sich aufkommenden Impulsen, die häufig aus emotionalen Schüben resultierten, nicht hinreichend widersetzen kann. Belege dafür, dass den abgeurteilten Taten ein so verstandener durchgreifender Mangel der Impulskontrolle zugrunde gelegen hat, finden sich in der landgerichtlichen Entscheidung nicht. Emotionale Schübe, die zu nicht kontrollierbaren Impulsen geführt hätten, sind nicht festgestellt, andere Anhaltspunkte für eine gestörte Impulskontrolle wie etwa die vom Sachverständigen erwähnten Stimmungsschwankungen sind nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich. Dass der Angeklagte seine Tatbegehung im Fall 3 "unbeirrt" fortsetzte und im Fall 4 - nachdem er auf das Smartphone des Zeugen "fixiert" war - seinem Impuls, dieses an sich zu bringen, immer weiter nachging, sind insoweit keine Umstände, die ohne Weiteres auf ein Verhalten schließen lassen , das von einer erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit geprägt sein muss. Gegen die Annahme einer gestörten Impulskontrolle lässt sich im Übrigen anführen, dass die Taten 1 und 2 nach gemeinsamer Planung mit einem Mittäter begangen worden sind und Umstände nicht erkennbar sind, zu welchem Zeitpunkt und wodurch der Angeklagte nach der wohl nicht im Zustand des § 21 StGB durchgeführten Tatplanung in einem die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigenden Zustand einer gestörten Impulskontrolle geraten sein soll. Dafür, dass diese jedenfalls im Fall 2 nicht krankheitsbedingt gestört war, spricht zudem, dass er selbst seinen Mittäter von der Fortsetzung des Raubvorhabens abbrachte, woraus deutlich wird, dass er zur Kontrollierung von Verhalten durchaus in der Lage ist.
10
Nach alledem lässt sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen die Annahme nicht rechtfertigen, der Angeklagte habe aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung bei sämtlichen Taten jeweils im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit gehandelt. Dies entzieht der Anordnung nach § 63 StGB die Grundlage. Der Senat hebt deshalb den Maßregelausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf. Der neue Tatrichter wird sich, nahe liegender Weise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen, umfassend erneut mit der Erkrankung des Angeklagten und seinen Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit auseinander zu setzen haben. Der Senat schließt aus, dass sich dabei Feststellungen ergeben könnten, die zu einer Schuldunfähigkeit des Angeklagten führen könnten, und lässt den Schuldspruch bestehen.

II.

11
Auch der Strafausspruch ist nicht frei von Rechtsfehlern.

12
Das Landgericht hat den Fällen 3 bis 5 - worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift hingewiesen hat - einen unzutreffenden Strafrahmen von drei Monaten bis sieben Jahre und sechs Monaten Freiheitsstrafe zugrunde gelegt. Die Einzelstrafen in diesen Fällen wären dagegen dem gemäß §§ 21, 49 StGB gemilderten Strafrahmen des § 249 StGB, ein Monat bis drei Jahre neun Monate Freiheitsstrafe, zu entnehmen gewesen. Dabei handelt es sich ersichtlich nicht um einen bloßen Schreibfehler. Da der Senat nicht ausschließen kann, dass bei Zugrundelegung des zutreffenden Strafrahmens niedrigere Einzelstrafen verhängt worden wären, hebt er die Strafen in diesen Fällen auf. Dies entzieht der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage. Der Senat hebt auch die verbleibenden Einzelstrafen in den Fällen 1 und 2 auf, um dem zur Entscheidung berufenen Tatrichter auf der Grundlage der zur Schuldfähigkeit des Angeklagten gewonnenen Erkenntnisse Gelegenheit zu einer insgesamt in sich stimmigen Rechtsfolgenentscheidung zu geben. Appl Krehl Eschelbach Ott Zeng

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. Wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 129/11
vom
28. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Besitzes einer Kriegswaffe u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
21. September 2011, in der Sitzung am 28. September 2011, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 25. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten von den in der Anklage der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg näher bezeichneten Vorwürfen, eine Vielzahl von Schusswaffen, wesentliche Teile von Schusswaffen, Munition, Kriegswaffenmunition sowie Explosionsstoffe und Zündmittel besessen zu haben, wegen Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB freigesprochen und eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB wegen fehlender Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit abgelehnt.
2
Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft im Wesentlichen gegen die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts.

II.


3
1. Der 1953 geborene Angeklagte, welcher nach seiner Schulausbildung gerne Büchsenmacher geworden wäre, was aber an den finanziellen Verhältnissen seiner Familie scheiterte, beging nach einer wegen der Verbüßung von Freiheitsstrafe abgebrochenen Dachdeckerlehre von 1967 an eine Vielzahl unterschiedlicher Straftaten und wurde zuletzt in den Jahren 1998 und 1999 wegen verschiedener Waffendelikte zu Freiheitsstrafen von einem Jahr vier Monaten bzw. einem Jahr sechs Monaten verurteilt, welche er jeweils verbüßte. Die Vollstreckung der letzten Freiheitsstrafe endete am 16. März 2001. Dazwischen war er immer wieder und auch bis heute als Dachdecker berufstätig.
4
Im Jahr 1998 wurde bei ihm ein Hauttumor festgestellt, welcher folgenlos entfernt wurde. Außer einer Hörminderung wurden sonstige gesundheitliche Einschränkungen bis zur Festnahme in der vorliegenden Sache am 9. Juli 2009 nicht festgestellt.
5
2. Zu den dem Angeklagten zur Last gelegten Taten hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
6
In der Zeit nach seiner Entlassung nach Verbüßung der letzten Freiheitsstrafe am 16. März 2001 bis zu seiner Festnahme am 9. Juli 2009 kaufte der als Waffennarr bekannte Angeklagte zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten auf Antiquitätenausstellungen und Waffenbörsen im Ausland unterschiedliche Waffen, Waffenteile und Munition sowie Explosionsstoffe und http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=100&g=StGB&p=63 - 5 - Zündmittel und verbrachte sie nach Deutschland, obwohl er wusste, dass das Verbringen und der Besitz solcher Gegenstände in Deutschland ohne entsprechende Erlaubnis, über die er nicht verfügte, verboten ist.
7
Die erworbenen Gegenstände, darunter funktionstüchtige Pistolen und Revolver, neugefertigte Läufe für Selbstladepistolen und eine Maschinenpistole , Griffstücke unterschiedlicher Art, Patronen für Pistolen und Maschinenpistolen , Sprengschnüre und Sprengzünder sowie eine als Kriegswaffenmunition einzuordnende Leuchtspurmunitionspatrone lagerte der Angeklagte, wie auch bereits bei den genannten Vortaten, teilweise museumsartig (UA S. 56) und ohne weitere Schutzvorrichtungen in seiner Wohnung.
8
Der Angeklagte äußerte hierzu, er wisse, dass es für ihn verboten sei, diese Waffen zu besitzen. Jedoch sei der Waffenbesitz sein verfassungsmäßiges Recht, für das er eintreten und kämpfen werde. Wenn ihm die Gerichte sein Recht nicht geben würden, werde er „inein Land umziehen, wo man mir das mir zustehende Recht auch gibt. Ein Verbot würde ich nicht akzeptieren“ (UA S. 58).
9
3. Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen, da er nach Überzeugung der Strafkammer wegen Vorliegens einer wahnhaften Störung ohne Schuld i.S.d. § 20 StGB handelte. Weil das Landgericht sich nicht in der Lage sah, in der Hauptverhandlung den konkreten Verlauf der angenommenen Krankheit des Angeklagten aufzuklären, ging es davon aus, dass die wahnhafte Störung bereits schon beim Erwerb der ersten Waffen bzw. Waffenteile und auch in dem gesamten Zeitraum zwischen 2001 und 2009 vorlag.
10
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hat das Landgericht abgelehnt, weil der http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=100&g=StGB&p=63 [Link] http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=200&ge=BGH&d=2001/01/10&az=2STR50000 [Link] http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=300&z=BGHSt&b=46&s=257 [Link] http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=300&z=BGHSt&b=46&s=257&i=259 - 6 - Angeklagte zwar als notorischer Rechtsbrecher anzusehen sei, aber als solcher mangels Eingriffs in die Rechte Dritter keine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle.

III.


11
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft ist das freisprechende Urteil aufzuheben.
12
Dabei kann dahinstehen, ob die Staatsanwaltschaft, wenn auch nicht ausdrücklich ausgesprochen, die Revision auf die Frage der Nichtanordnung der Unterbringung beschränken wollte. Eine etwaige Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist vorliegend unwirksam, weil die Feststellungen des Landgerichts keine tragfähige Grundlage für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bieten. Sie ermöglichen dem Revisionsgericht deshalb auch nicht die isolierte Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 63 StGB für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2001 - 2 StR 500/00, BGHSt 46, 257, 259).
13
Das Urteil leidet an durchgreifenden Darstellungsmängeln. Zunächst wird ausgeführt, dass der Angeklagte durchaus weiß, dass der Besitz von Waffen in der Bundesrepublik Deutschland ohne besondere Genehmigung verboten ist, weshalb er zum Ankauf der Waffen und Waffenteile jeweils auf Waffenmessen ins Ausland fuhr. Das Landgericht hat weiter festgestellt, dass der Angeklagte der Auffassung ist, dieses Verbot gelte aus verfassungsrechtlichen Gründen ihm gegenüber nicht. Auch wenn die Strafkammer weiter mitteilt, der Sachverständige sei zum Schluss gekommen, der Angeklagte unterliege insoweit einer wahnhaften Störung, weshalb der Tatrichter der Überzeugung sei, dass die Vo- raussetzungen des § 20 StGB vorliegen, vermag der Senat aufgrund allein dieser Feststellungen nicht nachzuvollziehen, weshalb das vom Angeklagten ohne nähere Begründung behauptete Recht auf Waffenbesitz trotz der gleichzeitig vorhandenen Kenntnis des gesetzlichen Verbots seine Unfähigkeit begründet, das Unrecht seiner Handlungen einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. In diesem Zusammenhang hat das Landgericht auch nicht erörtert, dass der Angeklagte durchaus sieht, dass die Gerichte ihm sein Recht nicht geben könnten, weshalb er dann in ein anderes Land umziehen wolle, wo ihm das Recht zusteht, Waffen zu besitzen. Auch war ihm offensichtlich genau bewusst, dass der Besitz von Sprengkabeln und Sprengzündern auf Grund von deren Gefährlichkeit und Bestimmung nicht erlaubt war und er deswegen durch die Polizei „womöglichÄrger bekommen“ hätte (UA S. 57), was darauf hindeuten könnte, dass er jedenfalls insoweit das Unrecht seiner Tat einsieht. Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Angeklagte über viele Jahre seine Besuche auf ausländischen Waffenmessen etc. plante und durchführte, gerade weil er wusste, dass solche Käufe und der daraus folgende Besitz von Waffen im Inland verboten sind. Auch hielt er es für möglich, dass er seine Auffassung vor Gericht nicht durchsetzen würde, und plante für diesen Fall seine Auswanderung. Angesichts dieser Umstände waren entsprechende Erörterungen im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 StGB keinesfalls entbehrlich.
14
Unabhängig davon ist auch nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte während des gesamten möglichen Tatzeitraums an der angenommenen wahnhaften Störung litt und dass er bei keinem seiner zahlreichen Waffenkäufe und dem sich anschließenden Besitz nicht in der Lage war, das Unrecht seiner Taten einzusehen. Erstreckt sich das Handeln eines Täters, wie hier der jahrelange Ankauf und die sich daran anschließende Ausübung der http://www.juris.de/jportal/portal/t/1nub/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE008702307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 8 - tatsächlichen Gewalt über die sichergestellten Waffen, Waffenteile und Munition über einen längeren Zeitraum, findet § 20 StGB nur dann Anwendung, wenn der die Schuldunfähigkeit begründende Zustand während des gesamten Tatzeitraums gegeben ist (BGH, Beschluss vom 15. Juni 2004 - 4 StR 176/04). Bei nur teilweiser Schuldunfähigkeit ist umgekehrt die Verantwortlichkeit des Täters für die Taten gegeben, bei denen die wahnhafte Störung noch nicht den Grad erreicht hatte, dass er das gesetzliche Verbot des unerlaubten Waffenbesitzes nicht mehr erkennen konnte.
15
Das Landgericht hat sich insoweit auf die Feststellung beschränkt, in der Hauptverhandlung habe der konkrete Krankheitsverlauf nicht aufgeklärt werden können. Weshalb solche Feststellungen unmöglich gewesen seien, wird nicht näher ausgeführt, obwohl es gerade angesichts der Einlassungen des Angeklagten und der festgestellten Umstände seiner Käufe dafür Anlass gegeben hätte. So weist das vom Angeklagten eingeräumte Verhalten durchaus planvolle Überlegungen auf, indem er schilderte, weshalb und wie er seine Waffenkäufe im Ausland durchführte, um die Verbote in Deutschland zu umgehen. Hinzu kommt, dass offenbar bei den beiden Vorverurteilungen der Jahre 1998 und 1999 keine Anzeichen für eine wahnhafte Störung festzustellen waren, so dass nicht unbedingt etwas dafür spricht, dass der Angeklagte bereits unmittelbar im Anschluss an den Vollzug der letzten Freiheitsstrafe schon die bejahte wahnhafte Störung aufgewiesen hätte.

IV.


16
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
17
http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=100&g=StGB&p=63 - 9 - 1. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB setzt die Prognose voraus, dass vom Täter infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Insoweit hat die Strafkammer festgestellt, dass eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades vorliegt, dass der Angeklagte auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Diese Feststellung findet ihre zusätzliche Begründung darin, dass der Angeklagte offensichtlich der festen Überzeugung ist, er habe das Recht dazu, Waffen zu besitzen (UA S. 57 f.), und deswegen auch in Zukunft kaum davon absehen wird, sich erneut den Besitz von Waffen zu verschaffen.
18
2. a) Hinsichtlich der weiteren Prognose einer Gefährlichkeit für die Allgemeinheit kann neben anderen Merkmalen auch Art und Schutzgut der erwarteten Straftaten nicht außer Acht bleiben. Hinsichtlich der Vorschriften des Waffengesetzes sind dies die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (§ 1 Abs. 1 WaffG), also die sicherheitsrechtlichen Interessen des Staates und seiner Bürger (vgl. MüKo-StGB/Heinrich, § 1 WaffG Rn. 2). Insoweit ist jeder verbotene Besitz von Waffen ein Sicherheitsrisiko, insbesondere dann, wenn die Waffen nicht so aufbewahrt werden, dass ein Zugriff Dritter darauf ausgeschlossen ist. In diesem Fall kommt es dann nicht mehr allein auf eine mögliche geringere Gefährlichkeit des Besitzers an, weil er eine zufällige Änderung der Gefahrenlage nicht mehr beherrschen kann. Dies gilt gerade auch für den Angeklagten, welcher die Waffen in seiner Wohnung museumsartig gelagert hatte, so dass jeder Besucher oder auch Einbrecher bei dem als „Waffennarr“ bekannten Angeklagten ungehindert hätten zugreifen können.
19
b) Zur berücksichtigen wird auch sein, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen 20 % der Betroffenen, welche unter einer wahnhaften Störung leiden, im Laufe der Zeit schizophren und damit für ihre Umwelt ungleich gefährlicher werden (UA S. 68). Die insoweit fehlende Auseinandersetzung hiermit und mit der Frage, inwieweit man beim Angeklagten mit einer solchen Entwicklung rechnen muss, wird vom neuen Tatrichter zu beantworten sein, soweit sich die Entscheidung über die Anordnung einer Unterbringung gemäß § 63 StGB erneut stellt.
20
3. Keinen Einfluss kann vorliegend der Umstand haben, dass der Angeklagte seit mehr als zehn Jahren nicht mehr verurteilt wurde (UA S. 69), nachdem das Landgericht festgestellt hat, dass er jedenfalls einen erheblichen Teil dieses Zeitraums unerlaubt Waffen in den Geltungsbereich des Waffengesetzes verbracht und hier besessen hat. Nack Wahl Graf Jäger Sander

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR37/15
vom
26. März 2015
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 26. März 2015 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 6. November 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Beschuldigten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach Überzeugung der sachverständig beratenen Strafkammer befand sich der Beschuldigte aufgrund eines zur Tatzeit akuten Schubs einer paranoiden Schizophrenie bei Begehung der verfahrensgegenständlichen gefährlichen Körperverletzung in einem Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB). Die angehörte Sachverständige habe während mehrerer mehrstündiger Explo- rationsgespräche „ausgeprägte Symptome der paranoiden Schizophrenie ausmachen können. […] Obgleich der Beschuldigte in den Explorationsgesprächen um ein kooperatives Verhalten bemüht gewesen sei und keine pathologischen Bewusstseinsstörungen aufgetreten seien, sei er sehr starr im Denken gewesen. Er habe einige Phrasen oft wiederholt und sich sowohl bei der Schilderung seines Werdegangs als auch des Tatgeschehens in Details verloren […]“. Von den in der Vergangenheit immer wieder dokumentierten Wahnvorstellungen und Halluzinationen sei „zumindest eine auch am Tattag für den Beschuldigten von Bedeutung für sein Handeln“ gewesen. Die Diagnose sei nicht in Zweifel zu ziehen, auch wenn „sich im Rahmen der Explorationsgespräche keine Wahn- vorstellungen oder Halluzinationen eruieren ließen“. Es sei nicht fernliegend, dass der Beschuldigte „die Äußerung von Wahnvorstellungen bewusst oder unbewusst in den Explorationsgesprächen vermieden habe, um nach außen hin den insgesamt erstrebten Eindruck aufrechtzuerhalten, er komme gut allein zu recht“.
3
2. Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt.
4
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defektes schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2015 - 4 StR 514/14 und vom 8. April 2003 - 3 StR 79/03, NStZ-RR 2003, 232).
5
Das landgerichtliche Urteil enthält hierzu keine ausreichenden Feststellungen. Soweit das Landgericht im Anschluss an die Sachverständige davon ausgegangen ist, dass sich der Beschuldigte zur Tatzeit in einem akuten Schub einer paranoiden Schizophrenie befunden habe, werden die diese Bewertung tragenden Anknüpfungs- und Befundtatsachen nicht in ausreichendem Umfang wiedergegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2013 - 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142 mwN). Ob und inwieweit der Beschuldigte konkret aufgrund Wahnerlebens handelte, bleibt letztlich offen. Auch die vom Landgericht geteilten sachverständigen Wertungen, der Beschuldigte, der sich in der Hauptverhandlung nicht eingelassen hat, habe sich bei Schilderung des Tatge- schehens in Details verloren und habe „die Äußerung von Wahnvorstellungen bewusst oder unbewusst in den Explorationsgesprächen vermieden […], um nach außen hin den insgesamt erstrebten Eindruck aufrechtzuerhalten, er komme gut allein zu recht“, sind nicht geeignet, das Vorhandensein eines akuten Schubs einer paranoiden Schizophrenie zur Tatzeit zu belegen.
6
Allein die Diagnose einer (paranoiden) Schizophrenie führt für sich genommen zudem nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten Beeinträchtigung bzw. Aufhebung der Schuldfähigkeit (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 13. August 2013 - 2 StR 128/13, NStZ-RR 2013, 368, 369 und vom 29. Mai 2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307 mwN). Erforderlich ist stets die konkretisierende Darlegung , in welcher Weise sich die festgestellte Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146 mwN).
7
Die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten als Grundlage für die Anordnung nach § 63 StGB bedarf daher insgesamt neuer Prüfung durch den Tatrichter.
8
3. Sollte gemäß § 416 Abs. 2 StPO das Sicherungsverfahren in das Strafverfahren überzuleiten sein (zur Möglichkeit einer Überleitung nach Zu- rückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht vgl. Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 416 Rn. 5 mwN), wird auf § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO hingewiesen.
Richter am BGH Dr. Appl Krehl Eschelbach ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Krehl
Ott Zeng

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 504/12
vom
20. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. November 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 9. Juli 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Vollzug der Unterbringung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
2
Sein Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte mehrere Taten der vorsätzlichen Sachbeschädigung begangen und einmal den Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verwirklicht hat.
4
Zur Schuldfähigkeit des Angeklagten hat das Landgericht ausgeführt:
5
"Der Angeklagte leidet unter einer chronifizierten Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, welche derzeit zwar remittiert ist, zum Tatzeitpunkt aber floride war. Aufgrund dessen war er in seiner Einsichtsfähigkeit mit Sicherheit eingeschränkt, eine vollständige Aufhebung seiner Einsichtsfähigkeit kann aufgrund dessen Erkrankung nicht ausgeschlossen werden" (UA S. 5).
6
Beim Angeklagten sei auch schon eine Negativsymptomatik, wie Verwahrlosung und soziale Rückzugstendenzen, festzustellen. Des Weiteren lägen auch paranoide Erlebnisweisen vor in Form von Beeinträchtigungs- und Verfolgungsgedanken mit dem subjektiven Gefühl, bedroht zu werden (UA S. 10).

II.

7
Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt.
8
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2012 - 4 StR 348/12 mwN).
9
Es ist dabei stets im Einzelnen darzulegen, wie sich die Erkrankung in der konkreten Tatsituation auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf sie zurückzuführen sind (BGH aaO mwN).
10
Die Urteilsausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht der Auffassung ist, bereits mit der Feststellung einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit seien die Voraussetzungen des § 21 StGB erfüllt und damit auch die Grundlage für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB gegeben. Dies trifft indes nicht zu.
11
Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung , wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2012 - 1 StR 332/12 mwN).
12
Der Täter, der trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist - sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war - voll schuldfähig.
13
In einem solchen Fall ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zulässig.
14
Allein auf die Feststellung einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit kann eine Unterbringung nach § 63 StGB deshalb nicht gestützt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2005 - 3 StR 3/05 mwN).
15
Im vorliegenden Fall lässt sich den Urteilsgründen in ihrer Gesamtheit nicht hinreichend deutlich entnehmen, dass dem Angeklagten bei der Begehung der Tat die Unrechtseinsicht vollständig gefehlt hat. Der Tatrichter hat schon nicht im Einzelnen dargelegt, wie sich die Erkrankung des Angeklagten in der konkreten Tatsituation auf seine Einsichtsfähigkeit ausgewirkt hat. Hin- sichtlich des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte hat er vielmehr festgestellt , dass der Angeklagte die Beamten als Amtsträger erkannt hat und sich auch des Umstandes bewusst war, dass diese im Begriff waren, eine rechtmäßige Amtshandlung vorzunehmen (UA S. 5).
16
Bei der Gefährlichkeitsprognose stellt der Tatrichter u.a. darauf ab, dass beim Angeklagten nicht die erforderlichen Hemmungsmechanismen vorlägen und er nicht in der Lage sei, inneren Regungen entsprechende Hemmungen in adäquater Weise entgegenzusetzen (UA S. 13). Diese Überlegungen könnten eher auf eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit hindeuten.
17
Der Senat kann daher nicht mit Sicherheit ausschließen, dass die Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht.
18
Von der Aufhebung nicht betroffen sind jedoch die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, die deshalb bestehen bleiben. Denn die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung weist keinen Rechtsfehler auf. Insoweit war die Revision zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

III.

19
Aufzuheben war allerdings auch der Freispruch.
20
Der Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht der Aufhebung des Freispruchs nicht entgegen. Wird die Anordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB auf eine Revision des Angeklagten hin aufgehoben , hindert das Schlechterstellungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO den neuen Tatrichter nicht daran, an Stelle einer Unterbringung nunmehr eine Strafe zu verhängen (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dadurch soll vermieden werden, dass die erfolgreiche Revision eines Angeklagten gegen die alleinige Anord- nung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus dazu führt, dass eine Tat, die wegen angenommener Schuldfähigkeit gemäß § 20 StGB nicht zu einer Bestrafung geführt hat, ohne strafrechtliche Sanktion bleibt, wenn sich in der neuen Hauptverhandlung herausstellt, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldfähig war (BT-Drucks. 16/1344, S. 17). Dieses gesetzgeberische Ziel kann nur erreicht werden, wenn das Revisionsgericht in diesen Fällen nicht nur die auf rechtsfehlerhaften Feststellungen zur Schuldfähigkeit beruhende Maßregelanordnung, sondern auch den hierauf gestützten Freispruch aufhebt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2012 - 4 StR 348/12 mwN).

IV.

21
Der neue Tatrichter wird, wenn er erneut zur Erörterung der Voraussetzungen des § 63 StGB gelangt, Gelegenheit haben näher darzulegen, weshalb konkret eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Begehung erheblicher - über Belästigungen hinausgehender - rechtswidriger Taten besteht.
22
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit kann auch die etwaige Bestellung eines Betreuers berücksichtigt werden (vgl. hierzu die Rechtsprechungshinweise bei Fischer, StGB, 59. Aufl. 2012, Rn. 23b zu § 63).
23
Es darf allerdings nicht - wie im angefochtenen Urteil - zu Lasten des Angeklagten in die Gesamtwürdigung einbezogen werden, dass der Angeklagte sich für eine andere Person ausgibt und hier auch nicht die geringste Übernahme von Verantwortung für seine Taten zeigt (UA S. 15). Denn zum einen liegt ein zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten vor. Zum anderen ist eine solche Überlegung jedenfalls dann rechtsfehlerhaft, wenn das Landgericht zuvor (UA S. 6) zugunsten des Angeklagten unterstellt hat, dass er krank- heitsbedingt meint, jemand anderes zu sein. Dann darf ihm dies nicht angelastet werden. Nack Rothfuß Jäger Sander Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 259/12
vom
2. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
2. August 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 16. März 2012
a) im Schuldspruch dahin klargestellt, dass der Angeklagte wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung, schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchter schwerer räuberischer Erpressung und wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen verurteilt ist und
b) im Fall II. 1 der Urteilsgründe sowie
c) im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit- tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen, versuchter schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, und wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen zur Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Da der Angeklagte - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - im Fall II. 3. a der Urteilsgründe eine versuchte und im Fall II. 3. c der Urteilsgründe eine vollendete Tat nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB begangen hat, hat der Senat den Schuldspruch dahin klargestellt, dass der Angeklagte insoweit der versuchten bzw. vollendeten besonders schweren räuberischen Erpressung schuldig ist; denn die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat erfordert eine Kennzeichnung der begangenen Qualifikation (BGH, Beschlüsse vom 3. September 2009 - 3 StR 297/09, NStZ 2010, 101; vom 12. Juni 2012 - 3 StR 186/12).
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2. Der Schuldspruch im Fall II. 1 der Urteilsgründe hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.
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Nach den Feststellungen warf der stark alkoholisierte Angeklagte eine geöffnete volle Bierflasche nach einem Paketzusteller der DHL. Zwar gelang es dem Geschädigten, mit einer Abwehrbewegung zu verhindern, dass die Flasche ihn am Kopf traf. Jedoch zerbrach sie an seinem linken Unterarm und verursachte dort mehrere Schnittwunden, die genäht werden mussten. Wegen einer maximalen Blutalkoholkonzentration von 2,71 ‰ hat das Landgericht, gestützt auf das Gutachten eines rechtsmedizinischen Sachverständigen, dem es sich angeschlossen hat, insoweit ohne nähere Ausführungen eine erhebliche Verminderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht ausgeschlossen.
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a) Eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat, während die Schuld des Angeklagten nicht gemindert wird, wenn er ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen hat. Die Voraussetzungen des § 21 StGB sind in den Fällen der verminderten Einsichtsfähigkeit nur dann zu bejahen, wenn die Einsicht gefehlt hat und dies dem Täter vorzuwerfen ist. Fehlt dem Täter aus einem in § 20 StGB genannten Grund die Einsicht, ohne dass ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann, ist auch bei verminderter Einsichtsfähigkeit nicht § 21 StGB, sondern § 20 StGB anwendbar, so dass in diesen Fällen ein Schuldspruch ausscheidet (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 21. November 2007 - 2 StR 548/07, NStZ-RR 2008, 106; Urteil vom 1. Juni 1989 - 4 StR 222/89, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 5 jeweils mwN).
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b) Danach kann der Schuldspruch - da das Urteil insoweit jegliche Erörterung vermissen lässt und das Landgericht jedenfalls auch auf die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten abgestellt hat - keinen Bestand haben; denn es bleibt die Möglichkeit offen, dass der Angeklagte die Tat in schuldunfähigem Zustand begangen hat. Es bedarf hier somit keiner näheren Betrachtung, ob die gleichzeitige Annahme von fehlender Einsichts- und Steuerungsfähigkeit im Rahmen der Prüfung der §§ 20, 21 StGB stets rechtsfehlerhaft ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, NStZ 1995, 226 mwN).
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3. Die Ablehnung der Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt begegnet ebenfalls durchgreifenden Bedenken.
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Die Jugendkammer hat ihre Entscheidung pauschal damit begründet, dass eine chronische körperliche Abhängigkeit von Alkohol oder eine eingewurzelte intensive Neigung, Alkohol im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht bestehe ; zudem sei es nicht zu Entzugserscheinungen in der Untersuchungshaft gekommen.
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Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht bei der Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen einen unzutreffenden Maßstab angelegt hat. Das Fehlen von Entzugserscheinungen ist für das Vorliegen eines Hangs im Sinne des § 64 StGB nur begrenzt aussagefähig. Die beim Absetzen von Rauschmitteln auftretenden Entzugserscheinungen kennzeichnen eine physische Abhängigkeit. Diesen Grad der Neigung zum Rauschmittelkonsum muss der Täter für die Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt aber nicht erreicht haben (BGH, Beschluss vom 27. März 2008 - 3 StR 38/08, StV 2008, 405 f.).
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4. Der Wegfall des Schuldspruchs im Fall II. 1 der Urteilsgründe entzieht der verhängten Jugendstrafe die Grundlage. Der Senat weist insoweit im Übrigen darauf hin, dass sich deren Höhe nach § 18 Abs. 2 JGG vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten bemisst. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 3 StR 15/12, NStZ-RR 2012, 186, 187 mwN).
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5. Das neue Tatgericht wird daneben auch über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt neu zu verhandeln und zu entscheiden haben. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch den Tatrichter auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362). Im Falle der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird § 5 Abs. 3 JGG zu beachten sein.
Becker Pfister Hubert
RiBGH Mayer befindet sich Spaniol im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.