Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2017 - 2 StR 129/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. Juni 2017 gemäß § 46 StPO beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 20. April 2016 wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach Urteilsverkündung wurde dem Angeklagten eine Rechtsmittelbelehrung erteilt, die sich auch zur Frist für die Revisionsbegründung äußerte.
- 2
- Der Angeklagte legte durch Schriftsätze der beiden Verteidiger B. und P. Revision ein. Das Urteil wurde Rechtsanwalt B. am 2. August 2016 und Rechtsanwalt P. am 8. September 2016 zugestellt.
- 3
- Da eine Revisionsbegründung bisher nicht eingegangen war, hat das Landgericht mit Beschluss vom 31. Oktober 2016, der Rechtsanwalt P. am 8. November 2016 zugestellt wurde, die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen. Mit einem am 15. November 2016 eingegangenen Schriftsatz hat dieser für den Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und das Rechtsmittel begründet. Dazu hat er vorgetragen und anwaltlich versichert, das Protokoll der Hauptverhandlung sei ihm nicht zugestellt worden. Habe keiner der verschiedenen Verteidiger in der Tatsacheninstanz durchgehend an der Hauptverhandlung teilgenommen, sei dem Angeklagten – schonvon Amts wegen – nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn auch nur einem seiner Verteidiger das Hauptverhandlungsprotokoll nicht zugestellt worden sei. Jedenfalls treffe den Angeklagten kein Verschulden an der Fristversäumung. Dieser habe sich mehrfach bei ihm, Rechtsanwalt P. , nach den Fristen erkundigt. Der Angeklagte habe auf seine Erklärung vertrauen dürfen, die Revisionsbegründungsfrist beginne erst nach Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls an ihn.
II.
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- Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig.
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- 1. Dies folgt zwar nicht bereits daraus, dass der Revisionsverwerfungsbeschluss des Landgerichts gemäß § 346 Abs. 1 StPO vom Angeklagten nicht gesondert angegriffen wurde, denn Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann auch unabhängig von einem solchen Revisionsverwerfungsbeschluss beantragt werden und die Wiedereinsetzung führt dann gegebenenfalls zur Durchbrechung der Rechtskraft (vgl. RG, Beschluss vom 4. Juli 1919 – IV T.B. 44/19, RGSt 53, 286, 288 f.; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1972 – 1 StR 267/72, BGHSt 25, 89, 91). Jedoch leidet der Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten an Mängeln im Tatsachenvortrag und dessen Glaubhaftmachung im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO.
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- 2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Wiedereinsetzungsgrund machen. Die erforderlichen Angaben sind, ebenso wie ihre Glaubhaftmachung, Voraussetzung der Zulässigkeit des Antrags (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145 f.). Ein Wiedereinsetzungsantrag muss daher unter konkreter Behauptung von Tatsachen so vollständig begründet werden, dass ihm die unverschuldete Verhinderung des Antragstellers entnommen werden kann (vgl. LR/Graalmann-Scherer, StPO, 27. Aufl., § 45 Rn. 13). Daran fehlt es hier.
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- a) Aus einem Formfehler bei der Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls an einen von mehreren Verteidigern ergibt sich kein Wiedereinsetzungsgrund. Es gibt nur ein Rechtsmittel des Angeklagten, dessen Revisionsbegründungsfrist im vorliegenden Fall bereits mit der ersten Urteilszustellung, hier derjenigen an Rechtsanwalt B. am 2. August 2016, beginnt und deshalb am 2. September 2016 endete. Durch eine am 5. September 2016 angeordnete und am 8. September 2016 bewirkte Urteilszustellung an Rechtsanwalt P. wurde die dann bereits abgelaufene Revisionsbegründungsfrist nicht wieder neu eröffnet, denn für erst nach Fristablauf bewirkte Doppelzustellungen gilt § 37 Abs. 2 StPO nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1968 – 1 StR 77/68, BGHSt 22, 221, 223). Auf die Zustellungen an Rechtsanwalt P. kommt es daher nicht an.
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- b) Ein anwaltliches Verschulden bei der Versäumung der Frist hat sich der Angeklagte nicht zurechnen zu lassen. Jedoch ergibt sich aus dem Vorbringen kein Sachverhalt, bei dessen Vorliegen der Angeklagte ohne eigenes Verschulden an der Wahrnehmung der Frist gehindert war. Er kannte aufgrund der Rechtsmittelbelehrungen die Revisionsbegründungsfrist. Welche Abreden er mit Rechtsanwalt B. zur Durchführung des Revisionsverfahrens getroffen hat, der ebenfalls für ihn Revision eingelegt hat, ist nicht dargetan. Auch die Gespräche mit Rechtsanwalt P. , aus denen sich ein schutzwürdiges Vertrauen des Angeklagten auf dessen Auskünfte ergeben soll, sind nicht näher mitgeteilt worden. Ob der Angeklagte sich vor Fristablauf oder etwa erst nach dem Revisionsverwerfungsbeschluss „mehrfach“ bei Rechtsanwalt P. „nach den einzuhaltenden Fristen und deren Beginn bzw. Ablauf erkundigt“ hat, ist dem Antragsvorbringen nicht zu entnehmen. Es ist im Übrigen auch – ungeachtet des Antrags des Generalbundesanwalts, den Wiedereinsetzungs- antrag zu verwerfen – im nachgereichten Schriftsatz vom 17. Mai 2017 nicht erläutert worden. Dass der Angeklagte tatsächlich auf die unzutreffende Behauptung von Rechtsanwalt P. vertraut hat, die Frist zur Revisionsbegründung werde erst nach ordnungsgemäßer Zustellung des Hauptverhand- lungsprotokolls an ihn in Lauf gesetzt, hat der Angeklagte nicht behauptet. Er hat nur die Meinung geäußert, er habe darauf vertrauen dürfen. Das genügt nicht. Appl Eschelbach Zeng Grube Schmidt
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(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.
(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.
(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.
(1) Für das Verfahren bei Zustellungen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(2) Wird die für einen Beteiligten bestimmte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt, so richtet sich die Berechnung einer Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung.
(3) Ist einem Prozessbeteiligten gemäß § 187 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes eine Übersetzung des Urteils zur Verfügung zu stellen, so ist das Urteil zusammen mit der Übersetzung zuzustellen. Die Zustellung an die übrigen Prozessbeteiligten erfolgt in diesen Fällen gleichzeitig mit der Zustellung nach Satz 1.