Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2015 - 1 StR 573/14

bei uns veröffentlicht am14.01.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR573/14
vom
14. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2015 beschlossen
:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung
der Revision gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 26. Mai 2014 wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 45
Abs. 1 Satz 1 StPO wird als unzulässig verworfen.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten mit Urteil vom 26. Mai 2014 wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Urteilsverkündung fand in Anwesenheit des Angeklagten statt. Gegen dieses Urteil hat die Pflichtverteidigerin des Angeklagten fristgerecht Revision eingelegt. Das Urteil wurde ihr am 7. Juli 2014 zugestellt. Nachdem bis zum Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO keine Rechtsmittelbegründung eingegangen war, verwarf das Landgericht die Revision durch Beschluss vom 12. August 2014 gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig. Dieser Beschluss wurde der Pflichtverteidigerin am 21. August 2014 zugestellt.
2
Mit Schreiben seines neuen Wahlverteidigers vom 9. September 2014, eingegangen bei dem Landgericht am selben Tag, hat der Angeklagte die Revision begründet und beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Fristversäumung des Antrags auf Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Abgabe einer Revisionsbegründung und eines Revisionsantrags sowie bezüglich der Versäumung der Frist zur Abgabe einer Revisionsbegründung und eines Revisionsantrags zu gewähren.
3
Er trägt vor, weder er noch der unterzeichnende Rechtsanwalt hätten Kenntnis von dem Verwerfungsbeschluss gehabt. Der unterzeichnende Rechtsanwalt habe von diesem Beschluss erst durch eine Akteneinsicht in der 36. Kalenderwoche erfahren. In dieser Woche habe auch er selbst den Verwerfungsbeschluss in der Justizvollzugsanstalt erhalten. Da seine Pflichtverteidigerin für ihn bereits Revision eingelegt hatte, habe er davon ausgehen dürfen, dass sie auch einen Revisionsantrag stellt und zumindest die allgemeine Sachrüge erhebt. Das Versäumnis der Pflichtverteidigerin könne ihm nicht zugerechnet werden.
4
Die Vollzugsgeschäftsstelle der Justizvollzugsanstalt München hat auf Anfrage eines Vertreters des Generalbundesanwalts im November 2014 mitgeteilt , dass der Verwerfungsbeschluss dort nicht zur Aushändigung an den Angeklagten eingegangen, diesem also offensichtlich persönlich zugesandt worden sei. Auf Befragen habe der Angeklagte erklärt, er habe den Beschluss am 12. September 2014 oder am 13. September 2014 erhalten.

II.


5
Beide Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind unzulässig.
6
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist unzulässig.
7
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO); innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen. Die hierzu erforderlichen Angaben sind ebenso wie ihre Glaubhaftmachung Zulässigkeitsvoraussetzungen (BGH, Beschlüsse vom 24. Juli 2012 - 1 StR 341/12; und vom 7. Juni 2013 - 1 StR 232/13; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., 2014, § 45 Rn. 5 mwN). Bereits an dieser Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt es.
8
Darüber hinaus hat der Angeklagte auch weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden gehindert war, die versäumte Rechtsmittelfrist einzuhalten (§ 44 Abs. 1 StPO).
9
a) Der Antrag enthält keine Angaben dazu, zu welchem Zeitpunkt das Hindernis im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO tatsächlich weggefallen ist. Entscheidend für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte und nicht der Verteidiger Kenntnis von dem Verwerfungsbeschluss erlangt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 4 StR 320/12, NStZ 2013, 474; und vom 3. Dezember 2013 - 1 StR 412/13). Die Angabe eines längeren Zeitraums, hier sogar von einer Woche, genügt diesem Erfordernis nicht.
10
Zudem ist der Vortrag, wann dem Angeklagten die Versäumung der Rechtsmittelfrist bekannt geworden ist, in sich widersprüchlich.
11
Aus der vom Generalbundesanwalt eingeholten Auskunft der Vollzugsgeschäftsstelle ergibt sich, dass der Angeklagte im November 2014 behauptet hat, den Verwerfungsbeschluss erst am 12. oder 13. September 2014 erhalten zu haben. Über seinen Verteidiger hat er allerdings am 9. September 2014 vortragen lassen, den Beschluss bereits in der 36. Kalenderwoche bekommen zu haben. Die 36. Kalenderwoche ist die Woche von Montag, dem 1. September, bis Sonntag, dem 7. September 2014.
12
Der Vortrag schließt zudem nicht aus, dass der Angeklagte den Beschluss bereits am 1. September 2014 erhalten hat. In diesem Fall hätte das am 9. September 2014 eingegangene Gesuch um Wiedereinsetzung die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO nicht gewahrt. Diese Zweifel an der Fristeinhaltung gehen zu Lasten des Antragstellers (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 45 Rn. 3).
13
b) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist bleibt auch deshalb ohne Erfolg, weil der Angeklagte weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten (§ 44 Abs. 1 StPO). Sein Vortrag lässt offen, ob er seine Pflichtverteidigerin überhaupt mit der Begründung des Rechtsmittels beauftragt hatte; ein solcher Auftrag ist auch nicht durch anwaltliche Versicherung der Pflichtverteidigerin glaubhaft gemacht. Auch wurde nicht näher dargelegt und ebenfalls nicht anwaltlich versichert, weshalb die Pflichtverteidigerin tatsächlich die Revisionsbegründung trotz eventuellen Auftrags unterlassen hat.
14
c) Soweit der Angeklagte nun mit Schreiben vom 21. Dezember 2014 erstmals vorträgt, er habe seine Pflichtverteidigerin auch mit der Revisionsbegründung beauftragt, ändert dies im Ergebnis an der Unzulässigkeit des Antrags nichts.
15
2. Auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO ist unzulässig. Der Umstand, dass der Wahlverteidiger in seinem Gesuch vom 9. September 2014 ausdrücklich auch einen solchen Wiedereinsetzungsantrag gestellt hat, belegt, dass dem Angeklagten die Versäumung der Frist für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags bekannt war; zumindest aber hat er eine solche Fristversäumung bei Antragstellung am 9. September 2014 ernsthaft in Betracht gezogen. Dennoch legt der Antrag keine Umstände dar, aus denen sich ein unverschuldetes Fristversäumnis ergibt.
Rothfuß Cirener Radtke
Mosbacher Fischer

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(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 341/12
vom
24. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juli 2012 gemäß §§ 46,
349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 25. April 2012 wird als unzulässig verworfen. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
1. Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig.
2
Der Antragsteller muss darlegen, welche Frist er versäumt und was ihn an der Fristwahrung gehindert hat. Die hierzu erforderlichen Angaben sind ebenso wie ihre Glaubhaftmachung Zulässigkeitsvoraussetzungen (vgl. BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 2, 6 und 7; BGH, Beschluss vom 1. September 2009 - 1 StR 412/09). Diesen Anforderungen wird der Antrag des Angeklagten nicht gerecht.
3
Zwar trägt er vor, er habe noch am „Tag der Urteilsverkündung“, mithin am 25. April 2012 und damit rechtzeitig, seinen Verteidiger mit einem an die- sem Tag „zur Post in der JVA“ gegebenen Schreiben mit der Einlegung der Re- vision beauftragt. Dieses Schreiben habe den Verteidiger aus für ihn nicht nachvollziehbaren Gründen erst am 4. Mai 2012 erreicht. Insoweit versäumt der Angeklagte aber, Zeit und Umstände der Absendung näher zu bezeichnen (vgl. hierzu BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 3 und 8). Da ohne diese Angaben nicht zuverlässig beurteilt werden kann, ob ihn ein Verschulden oder Mitverschulden an der geltend gemachten Verzögerung der Postzustellung trifft, führt bereits dieser Mangel zur Unzulässigkeit des Antrags.
4
Im Übrigen aber ist der Vortrag nicht glaubhaft gemacht. Einziges Mittel zur Glaubhaftmachung ist der erst am 3. Juli 2012 vorgelegte Brief des Angeklagten an seinen Verteidiger. Dem auf den 25. April 2012 datierten Schreiben ist zu entnehmen, der Angeklagte „habe derweil dem Landgericht mitgeteilt … in Revision gehen“ zu möchten. Tatsächlich befindet sich bei den Sachakten die Revisionseinlegung des Angeklagten, die bei dem Landgericht am 4. Mai 2012 eingegangen, indes mit dem Ausstellungsdatum 2. Mai 2012 versehen ist und damit eine Woche nach der behaupteten Beauftragung datiert. Will der Angeklagte die Beauftragung seines Verteidigers mit der Revisionseinlegung aber erst nach der eigenhändigen Revisionseinlegung vorgenommen haben, ist es danach nicht wahrscheinlich, dass das Beauftragungsschreiben schon am 25. April 2012 verfasst und abgesandt worden ist. Mit einer Beauftragung des Verteidigers nach der eigenhändigen Revisionseinlegung am 2. Mai 2012 ließe sich im Übrigen ohne weiteres der behauptete Poststempel des Beauftragungsschreibens vom 3. Mai 2012 in Einklang bringen. Dass der Angeklagte bereits vor dem 2. Mai 2012 dem Gericht in einem weiteren Schreiben seinen Anfechtungswillen mitgeteilt hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
5
Auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Angeklagte am 2. Mai 2012, also noch innerhalb der Frist Revision eingelegt hat, sein Rechtsmittel aber erst am 4. Mai 2012 und damit nicht mehr fristgerecht bei Gericht eingegangen ist, ist ihm keine Wiedereinsetzung zu gewähren. Bei Aufgabe zur Post am letzten Tag der Frist durfte der Angeklagte schon nicht damit rechnen, dass seine Rechtsmittelschrift noch an diesem Tag bei Gericht eingeht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2008 - 2 StR 366/08, bei Cierniak/Zimmermann NStZ-RR 2011, 97, 100 Nr. 13: zur Aufgabe am Tag vor Fristablauf). Zumindest die übliche Postlaufzeit von einem Werktag hätte er einkalkulieren müssen (vgl. hierzu BVerfG NJW 1992, 1952).
6
2. Die Revision des Angeklagten ist als unzulässig zu verwerfen (§ 349 Abs. 1 StPO), da die Revisionseinlegung nicht innerhalb der Frist des § 341 Abs. 1 StPO und damit verspätet eingelegt worden ist.
7
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Nack Rothfuß Hebenstreit Sander Cirener

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 232/13
vom
7. Juni 2013
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juni 2013 beschlossen:
Die Anträge des Angeklagten auf Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23. Juli 2012 sowie auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung des Antrags auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 2. November 2012 und der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den die Revision verwerfenden Beschluss des Landgerichts München I vom 2. November 2012 werden auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe:



I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten durch ein in seiner Anwesenheit verkündetes Urteil vom 23. Juli 2012 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Verteidiger des Angeklagten mit einem am Folgetag eingegangen Schriftsatz Revision eingelegt. Eine Rechtsmittelbegründung enthält dieser Schriftsatz nicht.
2
Dem Angeklagten ist eine Ausfertigung des Urteils durch Postzustellungsurkunde am 4. September 2012 zugestellt worden (Bl. 1504 der Sachakten ). Da innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO keine Revisionsbegründung bei dem Landgericht München I eingegangen war, hat dieses mit Beschluss vom 2. November 2012 die Revision des Angeklagten gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen.
3
Mit einem am 22. November 2012 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz hat die jetzige Verteidigerin des Angeklagten Wiedereinsetzung in die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist eingelegt sowie „höchstvor- sorglich“ Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Verwerfungsbeschluss beantragt und die Revision mit der allgemeinen Sachrüge begründet (Bl. 1511 und 1512 der Sachakten). Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs wird in dem genannten Schriftsatz ausgeführt, der Angeklagte habe seinen (bisherigen) Verteidiger mit der rechtzeitigen Einlegung und Begründung der Revision beauftragt. Von dem Ausbleiben einer rechtzeitigen Revisionsbegründung habe er erst durch den Verwerfungsbeschluss des Landgerichts erfahren.
4
Durch einen weiteren, am 13. Dezember 2012 eingegangenen Schriftsatz hat die Verteidigerin Wiedereinsetzung in die Frist zur Anbringung des Antrags auf Entscheidung des Revisionsgerichts begehrt (Bl. 1514a der Sachakten ). Insoweit wird ebenfalls geltend gemacht, der Angeklagte habe sich darauf verlassen dürfen, dass der entsprechend mandatierte (bisherige) Verteidiger rechtzeitig auch ein Rechtsmittel gegen den Verwerfungsbeschluss einlegen werde. Der Angeklagte und sie selbst hätten erst durch die Einsichtnahme in die Akten von der Versäumung der Wochenfrist zur Anbringung des Antrags auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO Kenntnis erlangt.

II.


5
Die gestellten Anträge erweisen sich sämtlich als unzulässig.
6
1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - hier in die Versäumung der Frist des § 345 Abs. 1 StPO zur Begründung der Revision - ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden gehindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist nach den gesetzlichen Vorgaben binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO). Er muss daher als Zulässigkeitsvoraussetzung auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses enthalten (BGH, Beschlüsse vom 4. August 2010 - 2 StR 365/10 und vom 5. August 2010 - 3 StR 269/10, NStZ-RR 2010, 378 f.; siehe auch Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. 2013, § 45 Rn. 5 mwN).
7
Bereits daran fehlt es in Bezug auf den Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist. Der entsprechende Schriftsatz teilt lediglich mit, dass der Angeklagte erst durch den Verwerfungsbeschluss des Landgerichts von der Fristversäumung erfahren habe, enthält aber keine Angaben darüber, wann der Angeklagte Kenntnis von diesem Beschluss erlangt hat.
8
An der Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs ändert der am 6. Juni 2013 bei dem Bundesgerichtshof eingegangene Schriftsatz der Verteidigerin vom 4. Juni 2013, der Gegenstand der Beratung des Senats war, nichts. Zwar enthält dieser die Mitteilung der Kenntniserlangung des Angeklagten von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist am 13. November 2012 durch Zustellung des landgerichtlichen Verwerfungsbeschlusses. Diese Mitteilung ist jedoch verspätet. Die gesetzlich geforderten Angaben im Wiedereinsetzungsgesuch über die versäumte Frist, den Hinderungsgrund und über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses sind Zulässigkeitsvoraussetzungen, die innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO vorgebracht werden müssen (Meyer-Goßner, aaO, § 45 Rn. 5 mwN). Soweit in dem genannten Schriftsatz ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu sehen sein sollte (vgl. § 300 StPO), wäre auch ein solcher Antrag unzulässig. Er enthielte wiederum keine Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des entsprechenden Hindernisses.
9
Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 7. Mai 2013 zutreffend ausgeführt hat, mangelt es dem Wiedereinsetzungsgesuch hinsichtlich der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist im Übrigen auch an der gesetzlich vorgeschriebenen Glaubhaftmachung (§ 45 Abs. 2 Satz 1 StPO) sämtlicher für die Entscheidung über die Zulässigkeit und Begründetheit des Gesuchs bedeutsamer Tatsachen.
10
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung des Antrags auf Entscheidung des Revisionsgerichts ist ebenfalls unzulässig. Er enthält nicht die gesetzlich geforderte Angabe über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses. Soweit ein Hinweis auf die Kenntniserlangung aufgrund der Einsichtnahme in die Akten erfolgt, wird dieser Zeitpunkt nicht mitgeteilt. Auch der am 6. Juni 2013 eingegangene Schriftsatz enthält entsprechende Angaben nicht. Im Übrigen würde eine Mittei- lung zu diesem Zeitpunkt aus den zu II.1. genannten Gründen an der Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs nichts ändern.
11
3. Der am 22. November 2012 bei dem Landgericht eingegangene Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts ist unzulässig. Er ist nicht innerhalb der Wochenfrist des § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO gestellt worden. Die Frist begann mit der Zustellung des Verwerfungsbeschlusses an den Angeklagten am 13. November 2012 (Bl. 1507 der Sachakten) und endete damit gemäß § 43 Abs. 1 StPO mit Ablauf des 20. November 2012.

III.


12
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1, § 473 Abs. 1 StPO.
Wahl Rothfuß Jäger Cirener Radtke

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 320/12
vom
29. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zum versuchten Totschlag u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 29. Januar 2013 gemäß § 46
Abs. 1, § 346 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Der Antrag der Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 13. März 2012 wird als unzulässig verworfen. 2. Der Antrag der Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Anstiftung zum versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt. Mit Beschluss vom 20. Juni 2012 hat das Landgericht die Revision gemäß § 346 Abs. 1, § 345 StPO als unzulässig verworfen, da die Angeklagte die Revisionsanträge nicht fristgerecht angebracht habe. Gegen diesen dem Pflichtverteidiger am 26. Juni 2012 zugestellten Verwerfungsbeschluss hat die Angeklagte mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 3. Juli 2012, beim Landgericht am selben Tag eingegan- gen, „Beschwerde“ eingelegt; eine Begründung enthielt der Schriftsatz nicht. Mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 18. Juli 2012, beim Landgericht am 20. Juli 2012 eingegangen, hat die Angeklagte unter Bezugnahme auf die „Beschwer- de“ beantragt, den Beschluss vom 20. Juni 2012 aufzuheben. Ferner hat sie unter Beifügung einer Kopie der Revisionsbegründung vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat der Verteidiger vorgetragen, er habe die Revision mit Schriftsatz vom 24. Mai 2012 begründet und den Schriftsatz am 25. Mai 2012 bei der „Deutschen Bundespost“ aufgegeben , so dass dieser fristgerecht beim Landgericht hätte eingehen müssen; dies scheine offensichtlich nicht geschehen zu sein oder aber der Schriftsatz sei in der Poststelle des Landgerichts untergegangen oder aber fehlgeleitet worden.
2
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumnis der Revisionsbegründungsfrist sowie das gemäß § 300 StPO als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO auszulegende Rechtsmittel der „Beschwerde“ vom 3. Juli 2012 bleiben ohne Erfolg.
3
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision ist unzulässig. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO); innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 45 Rn. 5 mwN).
4
An dieser Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt es hier. Der Antrag enthält keine Angaben dazu, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand , weggefallen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. April 2003 – 3 StR 30/03, BeckRS 2003, 04641, und vom 13. September 2005 – 4 StR 399/05, NStZ 2006, 54, 55; Meyer-Goßner, aaO). Entscheidend für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch die Angeklagte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. April 1992 – 2 StR 114/92 und vom 13. September 2005, aaO). Wann der Angeklagten die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist bekannt geworden ist, wird ungeachtet des erheblichen Zeitablaufs nicht vorgetragen. Jedenfalls in den Fällen, in denen wie hier die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nach Aktenlage nicht offensichtlich ist, gehört zur formgerechten Anbringung des Wiedereinsetzungsantrags, dass die Antragstellerin mitteilt, wann das Hindernis , das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 1991 – 1 StR 737/90, BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 7 mwN, vom 5. August 2010 – 3 StR 269/10, NStZ-RR 2010, 378 mN, und vom 8. Dezember 2011 – 4 StR 430/11, NStZ 2012, 276, 277 mwN). Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger ein eigenes Verschulden geltend macht, das der Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 365/10).
5
2. Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO gegen den Verwerfungsbeschluss vom 20. Juni 2012 ist zulässig, jedoch unbegründet, weil die Revision nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO begründet wurde.
6
Nachdem das Urteil dem Pflichtverteidiger am 2. Mai 2012 zugestellt worden war (§ 145a Abs. 1 StPO), endete die Revisionsbegründungsfrist mit Ablauf des 4. Juni 2012 (§ 345 Abs. 1 Satz 2, § 43 Abs. 1, 2 StPO). Die Revisionsbegründung ging am 20. Juli 2012 und damit verspätet beim Landgericht ein. Da der Schriftsatz des Pflichtverteidigers vom 14. März 2012, mit dem Revision gegen das Urteil eingelegt wurde, keine Ausführungen dazu enthielt, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Revisionsanträge), hat das Landgericht die Revision zu Recht als unzulässig verworfen.
7
Damit verbleibt es bei dem Beschluss des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 20. Juni 2012. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass die Revision, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 18. Oktober 2012 zutreffend ausgeführt hat, auch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO wäre.
Mutzbauer Cierniak Bender
Quentin Reiter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 412/13
vom
3. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Dezember 2013 gemäß
§§ 46, 346 Abs. 2, 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Der Beschluss des Landgerichts München I vom 29. August 2013, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen wurde, wird aufgehoben. 2. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist wird als unzulässig verworfen. 3. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23. Januar 2013 wird als unzulässig verworfen. 4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten mit Urteil vom 23. Januar 2013 wegen verschiedener Delikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Die Urteilsverkündung fand in Anwesenheit des Angeklagten statt.
2
Mit am 13. August 2013 beim Landgericht eingegangenem Schreiben legte der Angeklagte Revision ein und beantragte "Wiederaufnahme". In einem weiteren Schreiben vom 19. August 2013 begehrte er ebenfalls sinngemäß Wiedereinsetzung. Durch Beschluss vom 29. August 2013 hat das Landgericht gemäß § 346 Abs. 1 StPO die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen , da sie nicht innerhalb der gesetzlichen Wochenfrist eingelegt worden sei.
3
Dieser Beschluss wurde dem Angeklagten am 5. September 2013 zugestellt. Mit am 10. September 2013 eingegangenem Schreiben vom 9. September 2013 wendet er sich gegen diesen Beschluss.

II.

4
Das als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 StPO) zu wertende Schreiben vom 9. September 2013 hat im Ergebnis keinen Erfolg. Zwar ist der Beschluss des Landgerichts vom 29. August 2013 aufzuheben , doch war die Revision vom Senat als unzulässig zu verwerfen (§ 349 Abs. 1 StPO).
5
1. Der zulässige Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts führt zur Aufhebung des Beschlusses, mit dem das Landgericht die Revision als unzulässig verworfen hat. Für diese Entscheidung war das Landgericht nicht zuständig.
6
Seine Befugnis zur Verwerfung der Revision ist auf diejenigen Fälle beschränkt , in denen der Beschwerdeführer die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebenen Formen und Fristen nicht gewahrt hat (§ 346 Abs. 1 StPO).
7
Kann sich die Unzulässigkeit der Revision aus einem anderen Grund ergeben , so hat allein das Revisionsgericht zu entscheiden, das sich nach § 349 Abs. 1 StPO umfassend mit dem Gesamtkomplex der Zulässigkeit befassen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2013 - 1 StR 369/13).
8
Gemäß § 46 Abs. 1 StPO ist das Revisionsgericht zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag berufen. Das Landgericht war wegen der als Wiedereinsetzungsantrag zu wertenden Schreiben vom 13. und 19. August 2013 für eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht mehr zuständig (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2012 - 3 StR 461/12).
9
2. Der Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist ist unzulässig. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO); innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Juni 2013 - 1 StR 232/13). Bereits an dieser Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt es hier, so dass es auf die unterlassene Glaubhaftmachung nicht ankommt. Der Antrag enthält keine Angaben dazu, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist.
10
Entscheidend für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Angeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2013 - 4 StR 320/12). Wann dem Angeklagten die Versäumung der Frist bekannt geworden ist, wird hier ungeachtet des erheblichen Zeitablaufs nicht vorgetragen. Dem Schreiben des Angeklagten vom 19. August 2013 lässt sich inhaltlich entnehmen , dass er ohnehin spätestens im Februar 2013 wusste, dass sein Verteidiger keine Revision eingelegt hat.
11
3. Die Revision ist vom Senat als unzulässig zu verwerfen (§ 349 Abs. 1 StPO), weil sie nicht innerhalb der Wochenfrist (§ 341 Abs. 1, § 43 StPO) eingelegt worden ist. Raum Wahl Rothfuß Jäger Cirener

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.