Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 115/18
vom
12. Juni 2018
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:120618B2STR115.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. Juni 2018 gemäß § 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Anbringung von Verfahrensrügen wird zurückgewiesen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Dezember 2017 wird als unbegründet verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
1. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist bereits deshalb unzulässig, weil der Angeklagte seine Revision gemäß § 345 Abs. 2 StPO frist- und formgerecht zu Protokoll der Geschäftsstelle begründet hat (BGH, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 StR 196/14, insoweit nicht abgedruckt inNStZ 2015, 282 mwN). In solchen Fällen kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen nur ausnahmsweise bei besonderen Verfahrenslagen in Betracht , in denen dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (BGH, Beschluss vom 7. September 1993 – 5 StR 162/93, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 8; Beschluss vom 25. September 2007 – 1 StR 432/07, NStZ-RR 2008, 18). Eine solche Ausnahmesituation liegt nicht vor.
2
Der Angeklagte war nicht ohne sein Verschulden gehindert, die Verfahrensrüge innerhalb der Revisionsbegründungsfrist geltend zu machen. Insbesondere war ihm bekannt, dass sein im Revisionsverfahren noch vor Zustellung des Urteils bevollmächtigter Wahlverteidiger nicht ohne Kostenvorschuss tätig werden würde. Diese Voraussetzung für eine (weitere) Begründung der Revision hat er erst mehr als einen Monat nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist geschaffen.
3
2. Die umfassende Prüfung des angegriffenen Urteils auf die Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Schäfer Appl Eschelbach Grube Schmidt

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2018 - 2 StR 115/18

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2018 - 2 StR 115/18

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2018 - 2 StR 115/18 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Strafprozeßordnung - StPO | § 345 Revisionsbegründungsfrist


(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn d

Strafprozeßordnung - StPO | § 44 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristversäumung


War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1

Strafprozeßordnung - StPO | § 46 Zuständigkeit; Rechtsmittel


(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre. (2) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung. (3) Gegen die den Antrag verwerfende E

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2018 - 2 StR 115/18 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2018 - 2 StR 115/18 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2007 - 1 StR 432/07

bei uns veröffentlicht am 25.09.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 432/07 vom 25. September 2007 in der Strafsache gegen wegen Betruges Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2007 beschlossen : 1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vori

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Juli 2014 - 1 StR 196/14

bei uns veröffentlicht am 23.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 1 9 6 / 1 4 vom 23. Juli 2014 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2014 gemäß § 44, § 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Referenzen

(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre.

(2) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung.

(3) Gegen die den Antrag verwerfende Entscheidung ist sofortige Beschwerde zulässig.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 1 9 6 / 1 4
vom
23. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2014 gemäß § 44,
§ 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten S. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung von Verfahrensrügen wird verworfen. 2. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 6. November 2013, soweit es sie betrifft , aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen Steuerhinterziehung in 31 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten S. hat es der Steuerhinterziehung in 38 Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verhängt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte H. mit der näher ausgeführten Sachrüge. Der Angeklagte S. macht neben der ebenfalls näher ausgeführten Ver- letzung materiellen Rechts auch Verfahrensbeanstandungen geltend. Die Rechtsmittel haben auf die Sachrügen hin weitgehend Erfolg.
2
Der Angeklagte H. hat darüber hinaus sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils eingelegt.

I.


3
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte H. als Geschäftsführer der C. GmbH (nachfolgend: C. ) durch die Einbindung der Gesellschaft in ein europaweit tätiges sog. Umsatzsteuerkarussell im Zeitraum von Oktober 2009 bis April 2012 zugunsten der C. eine Verkürzung von Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von 8.105.555,09 Euro bewirkt. Die Gesellschaft war in ein im Wesentlichen von belgischen Hintermännern gesteuertes Umsatzsteuerkarussell regelmäßig als sog. Buffer in einer sich über mehrere Glieder erstreckenden Lieferkette von Soft- und Hardware-Artikeln eingebunden.
4
Der Angeklagte S. war als Mitarbeiter der D. , einer Hauptabnehmerin der C. in der dem Karussell zugrunde liegenden Lieferkette, tätig. Durch das Einstellen von Rechnungen der C. in die Buchhaltung der D. sowie der sich daran anschließenden Geltendmachung von Vorsteuer aus diesen Rechnungen bewirkte der Angeklagte S. für den Zeitraum zwischen März 2009 und April 2012 eine Hinterziehung von Umsatzsteuern zugunsten der D. in Höhe von 6.777.209,15 Euro.
5
Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht die beiden Beschwerdeführer jeweils wegen Steuerhinterziehung in der vorstehend genannten Anzahl von Fällen verurteilt. Dabei ist es ersichtlich jeweils von vollendeten Taten ausgegangen.

II.


6
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen bezüglich beider Angeklagter diese Schuldsprüche nicht. Das Landgericht hat weder ausdrücklich festgestellt, ob die in den einzelnen Tatzeiträumen zu Unrecht zugunsten der beiden Gesellschaften geltend gemachten Vorsteuern zu einer Steuervergütung (§ 168 Satz 2 AO) oder zu einer Zahllast (§ 168 Satz 1 AO) der Unternehmen geführt haben, noch lässt sich dies dem Gesamtzusammenhang des Urteils entnehmen. Von dem Vorliegen einer Steuervergütung oder einer Zahllast hängt aber ab, ob die Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) – hier von Umsatzsteuer – vollendet ist oder diese lediglich das Versuchsstadi- um erreicht hat.
7
1. Die gegen die vorgenannten Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung gerichteten Angriffe der Revisionen bleiben ohne Erfolg.
8
a) Soweit die Revision des Angeklagten S. die tatrichterlichen Feststellungen mit verschiedenen Verfahrensrügen angreift, sind diese Beanstandungen entgegen den gesetzlichen Vorgaben nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO erhoben worden und schon deshalb erfolglos.
9
aa) Das Urteil ist dem Verteidiger am 29. Januar 2014 zugestellt worden. Die Monatsfrist zur Begründung der Revision endete damit gemäß § 43 Abs. 1 StPO am Freitag, dem 28. Februar 2014. Der Verfahrensrügen enthaltende Schriftsatz des Verteidigers ging aber erst am 3. März 2014 ein; die in dem Schriftsatz in Bezug genommenen Anlagen sogar erst am 7. März 2014.
10
bb) Dem mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 25. Juni 2014 gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – nach der Auslegung (§ 300 StPO) des Senats – in die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist mit dem Ziel, Verfahrensrügen nachzuholen, war nicht zu entsprechen.
11
Dabei kann der Senat offenlassen, ob der Antrag überhaupt zulässig erhoben ist. Er erhält entgegen § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 StPO keine Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses (zu diesem Erfordernis BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2013 – 1 StR 412/13; vom 27. Januar 2014 – 4 StR 376/13). Insbesondere wird nicht vorgetragen, zu welchem Zeitpunkt der Angeklagte Kenntnis von dem Wegfall des Hindernisses erlangt hat. Darauf kommt es aber für den Beginn der Wochenfrist aus § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO an (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2013 – 1 StR 412/13).
12
Der Antrag ist jedenfalls unbegründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt bei einer – wie hier durch die Revisionsbegründung des Verteidigers vom 13. November 2013 – bereits form- und fristgerecht begründeten Revision eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht (BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2012 – 1 StR 301/12, NStZ-RR 2012, 316; vom 25. September 2012 – 1 StR 361/12, wistra 2013, 34) und ausnahmsweise lediglich dann in Betracht, wenn der Beschwerdeführer unverschuldet durch äußere Umstände oder unvorhersehbare Zufälle daran gehindert war, eine Ver- fahrensrüge rechtzeitig formgerecht zu begründen (BGH, Beschluss vom 18. Juni 2008 – 2 StR 485/07, NStZ 2008, 705, 706 Rn. 4 mwN). Eine Ausnahme greift zudem in besonderen Prozesssituationen ein, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2007 – 1 StR 301/12, NStZ-RR 2012, 316 mwN). Eine solche Ausnahmesituation wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Dem rechtzeitigen Erheben von Verfahrensrügen stand lediglich ein fehlerhaftes Verständnis der Berechnung der Monatsfrist nach Maßgabe von § 43 Abs. 1 StPO entgegen.
13
cc) Im Übrigen entsprächen die verspätet erhobenen Verfahrensrügen sämtlich nicht den Anforderungen aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Darauf hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 3. Juni 2014 hingewiesen. Insoweit ergänzend bemerkt der Senat, dass bei den als Verstöße gegen „§ 244Abs. 2, 267 Abs. 3, Abs. 4, 261 StPO“ (RB vom 3. März 2014 S. 8-16) überschriebenen Verfahrensbeanstandungen bereits die Angriffsrichtung der Rüge nicht ausreichend zu erkennen ist. Soweit allein die Verletzung von § 244 Abs. 2 StPO mit dem Vorbringen, der Geschäftsführer der D. und der Verkaufsleiter hätten zu den „vorbenannten Fragen … geladen und gehört werden müssen“, gerügt wird, fehlt es an den erforderlichen bestimmten Beweis- behauptungen. Entsprechendes gilt auch für die übrigen Verfahrensrügen, mit denen (auch) jeweils die Verletzung der Aufklärungspflicht geltend gemacht wird.
14
b) Wie in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend aufgezeigt wird, beschränken sich die Beanstandungen der Revision des Angeklagten H. auf den in der Revision unbeachtlichen Versuch, eine eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Tatgerichts zu setzen und urteilsfremdes Geschehen zum Gegenstand des Rechtsmittels zu machen. Revisible Rechtsfehler in der Beweiswürdigung werden nicht aufgezeigt.
15
c) Gleiches gilt für die Revision des Angeklagten S. , soweit er sich mit der Sachrüge gegen die Feststellungen und die Beweiswürdigung des Landgerichts wendet.
16
2. Den bislang getroffenen Feststellungen lässt sich aber weder für den Angeklagten H. noch für den Angeklagten S. entnehmen , ob es sich bei den verfahrensgegenständlichen Taten um vollendete oder lediglich um versuchte Hinterziehungen der Umsatzsteuer handelt.
17
§ 370 Abs. 1 AO ist nicht lediglich ein Erklärungs-, sondern auch ein Erfolgsdelikt. Vollendung tritt erst ein, wenn der Täter durch seine Tathandlung Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat (BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 318/12, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Vollendung 3 mwN). Liegt wie hier bei allen verfahrensgegenständlichen Taten beider revidierender Angeklagter eine Voranmeldung der Umsatzsteuer zugrunde, tritt für die Fälle der Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder der Steuervergütung der tatbestandliche Verkürzungserfolg erst aufgrund der gemäß § 168 Satz 2 AO erforderlichen Zustimmung der Finanzbehörde ein. In den Konstellationen des § 168 Satz 1 AO ist die Steuerhinterziehung dagegen bereits mit der (unrichtigen) Anmeldung vollendet (BGH aaO; siehe auch BGH, Beschluss vom 5. Februar 2014 – 1 StR 422/13, NStZ 2014, 335, 336).
18
Das Landgericht hat sich sowohl bezüglich der Steuerhinterziehung zugunsten der C. (Angeklagter H. ) als auch bezüglich derjenigen zugunsten der D. (Angeklagter S. ) auf die tabellarische Erfassung der sich in den relevanten Veranlagungszeiträumen ergebenden Verkürzungsbeträge beschränkt (UA S. 68/69 und UA S. 82/83). Daraus allein lässt sich aber nach dem Vorstehenden nicht ableiten, ob bereits mit den jeweiligen Voranmeldungen ein Verkürzungserfolg eingetreten ist oder nicht. Der Senat vermag auch dem Gesamtzusammenhang des Urteils keine entsprechenden Anhaltspunkte zu entnehmen. Zu möglichen Zustimmungserklärungen der zuständigen Finanzbehörden verhält sich das Urteil in Bezug auf die beiden begünstigten Unternehmen nicht.
19
Angesichts der damit nach den bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossenen Möglichkeit, dass es sich bei sämtlichen verfahrensgegenständlichen Konstellationen lediglich um Versuchstaten handelt, hebt der Senat das Urteil auf, soweit es die Angeklagten H. und S. betrifft. Die Sache war daher im Umfang der Aufhebung zurückzuverweisen.
20
3. Da die getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei sind (oben II.1.), bleiben diese aufrechterhalten. Das gilt auch bezüglich der für die Strafzumessung bedeutsamen Feststellungen über die Höhe der hinsichtlich der sog. missing trader dem Fiskus entstandenen Steuerschäden. Ergänzende, den bisher getroffenen nicht widersprechende Feststellungen zu den Voraussetzungen von § 168 Satz 1 oder Satz 2 AO sind möglich und erforderlich.

III.


21
Aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen war die Aufhebung nicht gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten De. zu erstrecken. Dieser hat die ihm vorgeworfenen Steuerhinterziehungen zugunsten eines anderen Unternehmens begangen. Es handelt sich damit um andere Taten, als diejenigen, wegen derer die Beschwerdeführer verurteilt worden sind.

IV.


22
Die sofortige Beschwerde (§ 464 Abs. 3 StPO) des Angeklagten H. gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils ist gegenstandslos, weil der Senat das angefochtene Urteil auch insoweit aufgehoben und an ein anderes Tatgericht zurückverwiesen hat.
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschriftsleistung gehindert. Rothfuß Rothfuß Jäger Cirener Radtke

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 432/07
vom
25. September 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2007 beschlossen
:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung weiterer
Verfahrensrügen wird zurückgewiesen (§ 46 StPO).
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 10. Januar 2007 wird als unbegründet
verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten, die der Verteidiger, Rechtsanwalt S. - dem das Urteil rechtswirksam zugestellt worden ist - innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO mit Verfahrensrügen und der Sachrüge begründet hat. Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat der Angeklagte persönlich beim Rechtspfleger des Amtsgerichts München die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Anbringung weiterer Verfahrensrügen mit der Begründung beantragt, er wolle umfangreiche Rügen, die zwei Leitz-Ordner füllten, erheben.
2
1. Eine Wiedereinsetzung zur Anbringung von Verfahrensrügen kommt nicht in Betracht, da die Revision des Angeklagten frist- und formgerecht mit Verfahrensrügen und der - auch vom Angeklagten selbst erhobenen - Sachrüge begründet worden ist (BGHSt 1, 44). Nur bei besonderen Verfahrenslagen, in denen dies zur Wahrung des Anspruchs des Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint, kommen Ausnahmen von diesem Grundsatz in Betracht. Ein solcher Fall liegt bei dem von zwei Verteidigern vertretenen Angeklagten nicht vor. Der Angeklagte hat selbst vorgetragen, dass ihn die Rechtspfleger über die richtige Art der Revisionsbegründung belehrt und ihn darauf hingewiesen hätten, dass die Verfahrensrügen wohl nicht wirksam seien. Erst danach hätten sie es abgelehnt, die zahlreichen Rügen des Angeklagten zu protokollieren. Dies war sachgerecht, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sollen die Revisionsgerichte vor einer Überlastung durch unsachgemäßes Vorbringen Rechtsunkundiger bewahrt werden. Auch soll vermieden werden, dass Revisionen rechtsunkundiger Angeklagter schon von vornherein an Formfehlern oder sonstigen Mängeln scheitern (BVerfGE 64, 135, 152).
3
2. Die vom Verteidiger, Rechtsanwalt S. , erhobenen Verfahrensrügen sind teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet. Zu den zwei Befangenheitsrügen und dem Vorwurf, die Vorsitzende der Strafkammer habe vor der Vernehmung des Zeugen C. eigene Ermittlungen angestellt und die Verteidigung nicht über die Ergebnisse informiert und ihr als Organ der Rechtspflege Vernehmungsprotokolle und Aktenbestandteile vorenthalten, ist den Urteilsgründen folgendes zu entnehmen: „Von seiner Aussage und der Übergabe der Unterlagen ließ er sich letztlich auch durch Aktionen des Verteidigers des Angeklagten, Rechtsanwalt Co. , der sein Erscheinen zu verhindern versuchte , nicht abhalten. Der Zeuge berichtete, dass Rechtsanwalt Co. ihn telefonisch kontaktiert habe und ihn aufgefordert habe , nicht nach Deutschland zu kommen oder sich zunächst mit Co. zu treffen. Daraufhin habe er sich bemüht, Kontakt mit der Zeugin D. zu bekommen. Dies sei ihm über den Zivilanwalt K. der Zeugin D. gelungen. Der daraufhin geladene Zeuge K. bestätigte diesen Kontakt. Er berichtete, dass C. gefragt habe, wo Frau D. sei. Auf die Mitteilung, dass sich Frau D. in der Justizvollzugsanstalt Aichach befinde, habe C. zum Ausdruck gebracht, dass er sich wegen der Anrufe des Rechtsanwalts Co. bedroht fühle. Rechtsanwalt Co. wirkte nach der Aussage des Zeugen K. auch auf ihn ein. Bei drei Telefonaten - am 23.05., 24.05. und 02.06.2006 - habe Co. sich als Rechtsanwalt des C. ausgegeben und größte Schwierigkeiten für die Zeugin D. angedroht, falls C. gegen den Angeklagten aussage. Es werde „zappenduster“, wenn C. erst einmal aussage. Auch gäbe es keine Unterlagen in der Türkei, die den Angeklagten belasten würden. Dieses Vorgehen des Verteidigers Co. steht aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeugen K. , C. und D. fest“.
4
Das befremdliche Verhalten des Verteidigers, Rechtsanwalt Co. , das auf eine unlautere Beeinflussung von Zeugen gerichtet war, machte die Vorgehensweise der Vorsitzenden unumgänglich.
5
3. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben.
Nack Wahl Boetticher Kolz Elf