Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Sept. 2016 - 3 StR 283/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:060916B3STR283.16.0
bei uns veröffentlicht am06.09.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 283/16
vom
6. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:060916B3STR283.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 6. September 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 26. April 2016 im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 1 bis 24 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, Erpressung in zwei Fällen, versuchter Erpressung, Diebstahls, unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 20 Fällen und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die in allgemeiner Form erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
In den Fällen 1 bis 24 der Urteilsgründe können die verhängten Einzelstrafen keinen Bestand haben, weil die Strafkammer in all diesen Fällen zu Unrecht straferschwerend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte bei Tatbegehung noch unter laufender Bewährung gestanden habe. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde er zuletzt am 31. März 2010 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit lief bis zum 30. März 2013; die Strafe wurde aber erst mit Wirkung vom 25. August 2014 erlassen.
3
Die Taten in den Fällen 1 bis 24 der Urteilsgründe beging der Angeklagte in der Zeit von Dezember 2013 bis zum 5. Februar 2014, also nach Ablauf der Bewährungszeit; lediglich der Beschluss über den Erlass der Strafe stand noch aus. In diesen Fällen erweist es sich als rechtsfehlerhaft, einem Angeklagten zur Last zu legen, er habe die neuen Taten während einer laufenden Bewährungsfrist begangen (BGH, Beschluss vom 3. September 1991 - 4 StR 346/91, juris Rn. 5; Urteil vom 28. September 2011 - 2 StR 93/11, juris Rn. 24).
4
Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler, denn der Senat kann nicht ausschließen, dass die unzutreffende Annahme eines Bewährungsbruchs sich bei der Zumessung der Einzelstrafen zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Die Aufhebung der 24 (von 26) Einzelstrafen - unter ihnen die Einsatzstrafe - bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Die zum Strafausspruch bislang getroffenen Feststellungen werden von dem Rechtsfehler indes nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben.
5
Die vom Landgericht angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist von der teilweisen Aufhebung des Strafausspruchs ebenfalls nicht betroffen. Dies entspricht dem Prinzip der Zweispurigkeit von Strafe und Maßregel: Zwischen diesen Rechtsfolgen besteht grundsätzlich keine Wechselwirkung; sie sollen unabhängig voneinander bemessen bzw. verhängt werden. Etwas anderes kann nur gelten, wenn sich den Urteilsgründen oder der Strafhöhe im Einzelfall entnehmen lässt, dass die Strafe und die Anordnung einer Maßregel (oder ihre Nichtanordnung) sich gegenseitig beeinflusst haben (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 365). Dies ist hier indes nicht der Fall.
Schäfer Gericke Spaniol Tiemann Berg

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

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3. Im Ergebnis ohne Erfolg beanstandet schließlich die Revision, dass das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung zu seinen Lasten ein Bewährungsversagen berücksichtigt hat. Zwar hat das Landgericht diesen Umstand rechtsfehlerhaft in der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten gewertet. Die Bewährungszeit der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Weimar vom 23. Mai 2002 endete bereits am 15. September 2007 und damit vor den von dem Angeklagten B. in der Zeit vom 12. März bis 25. April 2008 begange- nen Taten. Bei dieser Sachlage erweist sich die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte B. habe „sich als Bewährungsversager präsentiert“ (UA S. 193), als rechtsfehlerhaft, da eine „laufende Bewährung“ zu den Tatzeitpunkten trotz des noch ausstehenden Beschlusses über den Erlass der Strafe nicht mehr bestand (vgl. BGH StV 1991, 557). Der Senat kann jedoch ausschließen, dass sich diese Annahme des Landgerichts bei der Bemessung der Strafen im Ergebnis für ihn nachteilig ausgewirkt hat, da das Landgericht rechtsfehlerhaft zu seinen Gunsten das Erleiden von Untersuchungshaft bis zur Urteilsverkündung berücksichtigt hat (UA S. 192). Der Vollzug von Untersuchungshaft stellt bei Fehlen überdurchschnittlicher Belastungen des Täters aber keinen Nachteil für den Angeklagten dar, da die Untersuchungshaft nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (vgl. BGH NStZ 2006, 620, 621). Überdurchschnittlich belastende Umstände hat das Landgericht jedoch nicht dargetan.