Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juli 2017 - 2 ARs 188/15
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juli 2017 gemäß § 33a StPO beschlossen:
Gründe:
I.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat unter dem 28. April 2012- 1
- Anklage gegen die Beschwerdeführer vor dem Amtsgericht Leipzig wegen Bestechung ausländischer Amtsträger, Untreue und Steuerhinterziehung erhoben. Ihr Pressesprecher, Oberstaatsanwalt K. , hat in einem in der Fernsehsen- dung „Monitor“ am 22. Mai 2014 ausgestrahlten Bericht auf Frage eines Journa- listen geäußert, man warte auf eine Entscheidung des Amtsgerichts über die Eröffnung des Hauptverfahrens; man könne nur zuwarten, bis das Verfahren eröffnet und die Hauptverhandlung terminiert werde. In dem Fernsehbericht wurde zudem gezeigt, wie der Oberstaatsanwalt in den Räumen der General- staatsanwaltschaft Aktenordner, die unter anderem mit dem Aktenzeichen des Strafverfahrens gegen die Beschwerdeführer beschriftet waren, in Umzugskartons verpackte. Damit sollte die Aktenversendung an das Gericht nachgestellt werden. Die Beschwerdeführer haben bei dem Oberlandesgericht Dresden ei2 nen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, mit dem sie die Feststellung begehrt haben, dass die Äußerungen des Oberstaatsanwalts, die Erteilung einer Dreherlaubnis in den Räumen der Generalstaatsanwaltschaft und das Nachstellen der Aktenversendung rechtswidrig gewesen seien. Mit Beschluss vom 6. März 2015 hat das Oberlandesgericht Dresden
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- festgestellt, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht eröffnet sei. Zugleich hat es die Sache an das Verwaltungsgericht Dresden verwiesen. Dabei hat es sich der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen. Gegen diese Entscheidung des Oberlandesgerichts haben sich die Be4 schwerdeführer mit ihren vom Oberlandesgericht zugelassenen sofortigen Beschwerden gewandt. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die sofortigen Beschwerden
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- als unbegründet zu verwerfen. Er hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten sei gegeben. Der Senat hat die sofortigen Beschwerden mit dem angegriffenen Be6 schluss als unzulässig verworfen. Hiergegen richten sich die Anhörungsrügen der Beschwerdeführer.
II.
Die Anhörungsrügen sind gemäß § 33a StPO zulässig, aber im Ergeb7 nis unbegründet. 1. Zwar hat der Senat den Beschwerdeführern das rechtliche Gehör- 8
- nicht gewährt, indem er ihre Beschwerden als unzulässig verworfen und deshalb nicht zur Sache entschieden hat; denn diese sind nach Zulassung durch das Oberlandesgericht gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG statthaft (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Januar 2001 – 2 ARs 355/00, BGHSt 46, 261, 262), formund fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Die Frage der Unanwendbarkeit der subsidiären §§ 23 ff. EGGVG, auch mit Blick auf § 23 Abs. 3 EGGVG (vgl. Conrad, Der sogenannte Justizverwaltungsakt, 2011, S. 186 ff.), spielt insoweit keine Rolle. 2. Auf der Zurückweisung der sofortigen Beschwerden als unzulässig
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- beruht aber deren Verwerfung nicht, weil die Rechtsmittel unbegründet sind.
a) Die Frage, welcher Rechtsweg für die Überprüfung von Presseäuße10 rungen eines Staatsanwalts zu einem Strafverfahren gegeben ist, wurde vom Bundesgerichtshof bisher offen gelassen (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1994 – III ZR 15/93, NJW 1994, 1950, 1951). Sie wird in Rechtsprechung und Litera- tur unterschiedlich beantwortet. aa) Die Oberlandesgerichte sind – anders als das Oberlandesgericht
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- Dresden im vorliegenden Fall – überwiegend der Ansicht, dass darüber nach Maßgabe der §§ 23 ff. EGGVG zu entscheiden sei (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 4. Dezember 2003 – 2 VAs 23/03, NJOZ 2005, 3115; OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. Juni 2001 – 4 VAs 3/01, NJW 2001, 3797; zur Ablehnung einer Presseauskunft OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juli 1980 – 1 VAs 7/80, NJW 1981, 356; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. Dezember 1994 – 2 VAs 14/94, NJW 1995, 899 f. und Beschluss vom 21. Dezember 2007 – 14 U 193/06, BeckRS 2008, 18542; OLG Koblenz, Beschluss vom 25. Juni 1987 – 2 VAs 28/87, StV 1987, 430 f.; a.A. für einen Unterlassungsanspruch OLG Rostock, Beschluss vom 29. August 2003 – VAs 5/03, BeckRS 2005, 09628). Dem stimmt die Literatur meist zu (vgl. LR/Böttcher, StPO, 26. Aufl., § 23 EGGVG Rn. 30; KK/Mayer, StPO, 7. Aufl., § 23 EGGVG Rn. 28; SK-StPO/Paeffgen, 5. Aufl., Vor § 23 EGGVG Rn. 48; Sauerland NZWiSt 2015, 246 ff.). Soweit zum Teil für eine analoge Anwendung des § 23 Abs. 1 EGGVG plädiert wird (Wasmuth , NJW 1988, 1705, 1707 ff.), begegnet das schon deshalb Bedenken, weil eine Analogie zu einer Ausnahmevorschrift dogmatisch fragwürdig bleibt. bb) Vor allem nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge12 richts (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 1988 – 3 C 65/85, NJW 1989, 412, 413 f.; Beschluss vom 6. Februar 1991 – 3 B 85/90, NJW 1992, 62), der die Verwaltungsgerichte folgen (vgl. VGH München, Beschluss vom 21. Februar 2002 – 5 C 01.3135 und Beschluss vom 27. März 2014 – 7 CE 14.253, NJW 2014, 2057, 2058; VG Berlin, Beschluss vom 31. Januar 2014 – 1 L 17.14, LKV 2014, 139, 140; für einen presserechtlichen Auskunftsanspruch VG Augsburg, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 7 E 13.2018; VG Düsseldorf, Beschluss vom 16. November 2011 – 26 L 1431/11, ZD 2011, 188 f.), und der die Literatur vereinzelt zustimmt (Strubel/Sprenger, NJW 1972, 1738 f.; Zöller/Lückemann, ZPO, 31. Aufl., § 23 EGGVG Rn. 13), handelt es sich bei der Beanstandung einer staatsanwaltschaftlichen Presseerklärung über den Stand eines Strafverfahrens um eine Streitigkeit, für die der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben ist (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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- Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG seien bei der Beanstandung einer staatsanwaltschaftlichen Presseäußerung zum Strafverfahren nicht erfüllt. Nicht zweifelhaft sei zwar, dass die Staatsanwaltschaft dabei als Justizbehörde tätig werde. Richtig sei ferner, dass die Eröffnung des Rechtswegs nach § 23 Abs. 1 EGGVG keine Maßnahme einer Justizbehörde voraussetze, die den gesetzestechnischen Begriff des Verwaltungsakts erfülle. Jedoch stellte die Presseerklärung der Staatsanwaltschaft keine Maßnahme auf dem „Gebiet der Strafrechtspflege“ dar. Ausgangspunkt bleibe § 40 Abs. 1 VwGO. Demgegenüber bilde die durch die §§ 23 ff. EGGVG begründete Zuständigkeit eine Ausnahme. § 23 Abs. 1 EGGVG weise den ordentlichen Gerichten eine Entscheidungsbefugnis nur über die spezifisch justizmäßigen Maßnahmen der Justizbehörden zu. Zum Gebiet der Strafrechtspflege gehörten außer der Strafverfolgung selbst sowie der Vollstreckung strafgerichtlicher Entscheidungen auch die damit in Zusammenhang stehenden Maßnahmen. Es reiche für die Anwendung der §§ 23 ff. EGGVG nicht aus, dass die Presseerklä- rung nur thematisch „in unmittelbarem Zusammenhang“ mit der ein Strafverfah- ren betreffenden Tätigkeit stehe. Presseerklärungen der Staatsanwaltschaft über Strafverfahren dienten dagegen der Erfüllung des Informationsanspruchs der Presse.
b) Der Antrag der Beschwerdeführer auf Feststellung, dass die Äuße14 rungen des Oberstaatsanwalts, die Erteilung einer Dreherlaubnis in den Räumen der Generalstaatsanwaltschaft und das Nachstellen der Aktenversendung rechtswidrig gewesen seien, betrifft auch nach Ansicht des Senats eine öffentlich -rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist; die Streitigkeit ist nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht zugewiesen (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO).
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- aa) Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG liegen nicht vor. Nach der Vorschrift des § 23 Abs. 1 EGGVG, die von vornherein nur
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- vorübergehend Bedeutung haben sollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1974 – 1 C 11.73, BVerwGE 47, 255, 258), entscheiden über die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten unter anderem auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen werden, auf Antrag die ordentlichen Gerichte. Betrifft der Antrag eine Angelegenheit der Strafrechtspflege, so entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts , in dessen Bezirk die Justizbehörde ihren Sitz hat. Der besonderen Rechtswegregelung des § 23 Abs. 1 EGGVG liegt die Annahme zugrunde, dass den ordentlichen Gerichten die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsmaßnahmen auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts, des Zivilprozesses , der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege von der Sache her näher stehen als den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die für bestimmte Sachgebiete geltende Generalklausel soll deshalb die gerichtliche Kontrolle gewisser Maßnahmen aus der sonst gemäß § 40 Abs. 1 VwGO gegebenen Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte herausnehmen und bewirken, dass über die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen die Gerichte der sachnäheren Gerichtsbarkeit entscheiden. Außerdem soll die Regelung verhindern, dass Gerichte verschiedener Gerichtszweige über Verwaltungsstreitigkeiten desselben Rechtsgebietes entscheiden. Aus diesem Gesetzeszweck und der Entstehungsgeschichte folgt, dass § 23 EGGVG die Nachprüfung von Maßnahmen den ordentlichen Gerichten nur zuweist, wenn die in Rede stehende Amtshandlung der zuständigen Behörde gerade als spezifisch justizmäßigen Aufgabe auf einem der dort genannten Rechtsgebiete anzusehen ist. Auch systematisch ist § 23 Abs. 1 EGGVG als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 1998 – 5 AR [VS] 1/98, BGHSt 44, 107, 112 ff.). Der Begriff der Justizbehörde ist weder in § 23 Abs. 1 EGGVG noch in
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- anderen Vorschriften definiert. Damit soll letztlich auch nur eine Unterscheidung exekutivischer Maßnahmen von einer Rechtsprechungstätigkeit im weiteren Sinne vorgenommen werden. Der Begriff der Justizbehörde ist in dieser Vorschrift deshalb auch nicht organisationsrechtlich, sondern rein funktional zu verstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 1984 – 1 C 10.84, BVerwGE 69, 192, 195 ff.; Conrad aaO S. 121 ff.). Er kann demnach auch auf Maßnahmen solcher Behörden Anwendung finden, die organisatorisch nicht zum Justizressort gehören , namentlich solche der zum Innenressort gehörenden Polizeibehörden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1974 – 1 C 11.73, BVerwGE 47, 255, 259). Für die Anwendung der speziellen Rechtswegbestimmung des § 23
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- Abs. 1 EGGVG auf dem Gebiet der Strafrechtspflege ist danach letztlich allein maßgebend, ob die beanstandete Maßnahme funktional der Verfolgung strafbarer Handlungen dient. Das ist, anders als bei Öffentlichkeitsfahndungen (vgl. KK/Mayer, StPO, 7. Aufl., § 23 EGGVG Rn. 28), bei lediglich berichtenden Presseäußerungen eines Staatsanwalts zu einem Strafverfahren regelmäßig nicht der Fall. Darin stimmt der Senat mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überein. bb) Die hiergegen vorgebrachten Gründe sind von Gewicht, können
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- aber ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen. Die größere Sachnähe der Strafgerichte ist vor allem von Bedeutung,
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- wenn strafprozessuale oder materiell-strafrechtliche Rechtsfolgen von Presseäußerungen eines Strafrichters oder Ermittlungsbeamten in Bezug auf ein Strafverfahren geltend gemacht werden sollen. So kann eine Verletzung der Unschuldsvermutung durch eine dem Staat zuzurechnende Art der Presseberichterstattung bei der Beweiswürdigung oder bei der Strafzumessung von Bedeutung sein (vgl. zur Frage einer Kompensation nach der Vollstreckungslösung BGH, Urteil vom 7. September 2016 – 1 StR 154/16, NJW 2016, 3670 ff.). Eine „öffentliche Vorverurteilung“ (vgl. BT-Drucks. 10/4608) kann unter ande- rem einen Strafmilderungsgrund ergeben. Eine sachwidrige Presseäußerung kann im Einzelfall ein Grund zur Ablehnung eines Strafrichters wegen Besorgnis der Befangenheit oder Entpflichtung eines Ermittlungsbeamten von der Sachbearbeitung nach § 145 GVG sein (vgl. Meyer-Mews NJW 2016, 3672, 3673). Alle diese Aspekte sind aber gemäß § 23 Abs. 3 EGGVG vorrangig im Strafverfahren selbst von den dort zuständigen Gerichten, also dem Ermittlungsrichter , dem erkennenden Gericht oder den Rechtsmittelgerichten in Strafsachen , zu berücksichtigen und deshalb von der Anwendung des § 23 Abs. 1 EGGVG ausgeschlossen. Soweit mit der Beanstandung einer Pressemitteilung eines Strafrichters
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- oder Ermittlungsbeamten dagegen allgemein eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der betroffenen Person in der Medienöffentlichkeit (vgl. Raabe, Medienöffentlichkeit im Ermittlungsverfahren. Zur Zulässigkeit von Pressemitteilung der Ermittlungsbehörden, 2016, S. 124 ff.) geltend gemacht werden soll, unterscheidet sich dieser Beanstandungsgegenstand hinsichtlich der für die Rechtswegfrage maßgeblichen Gesichtspunkte nicht grundlegend von entsprechenden Beanstandungen der Presseäußerungen durch Amtsträger außerhalb des Bereichs der Strafrechtspflege. Das gilt zum Beispiel für Äußerungen von Beamten des Innenministeriums oder der diesem unterstehenden Polizeibehörden zu Maßnahmen der Gefahrenabwehr, die im Einzelfall im Zusammenhang mit einem Strafverfahren erfolgen können (zur Problematik konkurrierender Rechtswege LR/Böttcher, StPO, 26. Aufl., § 23 EGGVG Rn. 17; zur Rechtswegfrage bei doppelfunktionalen Maßnahmen Conrad aaO S. 129 ff.). Hinsichtlich der Frage des Rechtswegs für die Prüfung einer Rechtswidrigkeit von Presseäußerungen durch Amtsträger im Hinblick auf eine Verletzung eines Persönlichkeitsrechts ist deshalb weniger die Sachkunde der ordentlichen Gerichte von Bedeutung. Im Vordergrund steht vielmehr das Interesse an der Vermeidung einer Rechtswegspaltung. Aus den Geboten der Zweckmäßigkeit und Rechtswegeeinheitlichkeit
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- ergibt sich eine enge Auslegung des § 23 Abs. 1 EGGVG (vgl. Conrad aaO S. 104 ff.). Das Interesse an der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung , gebietet es auch, Fälle der vorliegenden Art einheitlich im Verwaltungsrechtsweg zu klären. Dadurch soll eine divergierende Rechtsprechung, ein „Durcheinander oder Gegeneinander“ (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1957 – 2 C 72.57,BVerwGE 6, 86, 89 f.; Urteil vom 3. Dezember 1974 – 1 C 11.73, BVerwGE 47, 255, 260) in verschiedenen Gerichtsverfahren verhindert werden. Diese droht etwa auch, wenn gemeinsame Presseerklärungen durch Vertreter von Behörden aus verschiedenen Ressorts abgegeben werden (vgl. VGH München , Beschluss vom 27. März 2014 – 7 CE 14.253, NJW 2014, 2057, 2058).
III.
Die Entscheidung über die Nichterhebung einer Gebühr im Anhörungs23 rügeverfahren beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG.Krehl Eschelbach Grube
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Hat das Gericht in einem Beschluss den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt und steht ihm gegen den Beschluss keine Beschwerde und kein anderer Rechtsbehelf zu, versetzt es, sofern der Beteiligte dadurch noch beschwert ist, von Amts wegen oder auf Antrag insoweit das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. § 47 gilt entsprechend.
(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.
(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.
(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.
(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.
(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.
BUNDESGERICHTSHOF
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller hat beimOberlandesgericht gemäß § 23 Abs. 2 EGGVG beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, die vollständigen Akten (einschließlich der Beweismittelordner) des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft gegen K. u. a. (Az.: 6 Js 3204/00: sogenannte " ") im Wege der Amtshilfe zur Einsicht zu überlassen, zugleich hat er um vorläufigen Rechtsschutz gebeten. Der Antragsteller ist der Auffassung, für sein gerichtliches Rechtsschutzbegehren sei der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet.
Der Antragsgegner hat die Zulässigkeit dieses Rechtsweges gerügt. Er ist der Ansicht, die begehrte Maßnahme liege nicht auf dem Gebiet der Strafrechtspflege , weil die Herausgabe der Ermittlungsakten nicht im Zusammenhang mit der Ermöglichung oder geordneten Durchführung eines Strafverfah-
rens stehe. Im übrigen handele es sich um ein Amtshilfeersuchen nach Art. 44 Abs. 3 GG, ein Justizverwaltungsakt werde nicht begehrt. Deshalb sei der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO gegeben.
Das Oberlandesgericht hat im Wege der Vorabentscheidung den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für zulässig erklärt. Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit der zugelassenen fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig; Bedenken im Hinblick auf § 29 Abs.1 EGGVG stellt der Senat angesichts des Wortlautes des § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG zurück. Es ist aber unbegründet.Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der vom Antragsteller gewählte Rechtsweg nach §§ 23 EGGVG zulässig ist.
1. Nach dieser Regelung entscheiden über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen , Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten unter anderem auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen werden, auf Antrag die ordentlichen Gerichte. Der besonderen Rechtswegregelung des § 23 Abs. 1 EGGVG liegt die Annahme zugrunde, daß den ordentlichen Gerichten die Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsmaßnahmen auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege von der Sache her näher stehen als den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die für bestimmte Sachgebiete geltende
Generalklausel des § 23 Abs. 1 EGGVG soll deshalb die gerichtliche Kontrolle gewisser Maßnahmen aus der - sonst nach § 40 Abs. 1 VwGO gegebenen - Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte herausnehmen und bewirken , daß über die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen die Gerichte der sachnäheren Gerichtsbarkeit entscheiden. Die Regelung soll zudem verhindern, daß Gerichte zweier verschiedener Gerichtszweige Verwaltungsstreitigkeiten desselben Rechtsgebietes entscheiden. § 23 EGGVG weist die Nachprüfung von Verwaltungsakten und sonstigen Maßnahmen den ordentlichen Gerichten aber nur dann zu, wenn die in Rede stehende Amtshandlung der zuständigen Behörde funktional als spezifisch justizmäßige Aufgabe auf einem der in § 23 Abs. 1 EGGVG genannten Rechtsgebiete anzusehen ist (BGHSt 44, 107, 112, 113; BGHZ 105, 395 ff.; vgl. zum Rechtsweg auch BVerwG NJW 2000, 160 ff., 162). Nicht genügend ist, daß von der Maßnahme von der Strafjustiz hinzunehmende Folgen für das Strafverfahren ausgehen, wie ein Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen zeigt, z. B. bei der Verweigerung einer sozialrechtlichen Auskunft für strafprozessuale Zwecke nach § 68 SGB-X durch eine Sozialbehörde , bei der auf § 5 Abs. 2 StUG gestützten Sperrerklärung des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BGHSt 44, 107, 116) oder bei dem Streit über die Wirksamkeit einer Sperrerklärung im Rahmen von § 96 StPO (BGHSt 44, 107 ff.).
Das Begehren des Antragstellers stellt nach diesen Grundsätzen eine Maßnahme zur Regelung einer Angelegenheit auf dem Gebiet der Strafrechtspflege dar. Darunter sind nicht nur Tätigkeiten zu verstehen, die sich als Strafverfolgung im engeren Sinne darstellen, erfaßt werden auch die damit in Zusammenhang stehenden allgemeinen und besonderen Tätigkeiten der Justizbehörden zur Ermöglichung und geordneten Durchführung der Strafverfolgung
und Strafvollstreckung. Die Verwaltung der in den verschiedenen Stadien des Strafverfahrens anfallenden Akten und damit auch die Gewährung von Einsicht in diese Akten einschließlich deren Herausgabe, die Erteilung von Auskünften aus den Akten oder die Fertigung von Ablichtungen und Abschriften gehört zu diesen Maßnahmen, die nicht die Rechtsqualität eines Verwaltungsaktes im technischen Sinne des § 35 VwVfG haben müssen, es genügt schlichtes Verwaltungshandeln mit unmittelbarer Außenwirkung (vgl. Kissel in KK 4. Aufl. Rdn. 20; Kleinknecht/Meyer-Goßner 44. Aufl. Rdn. 6 jeweils zu § 23 EGGVG m.w.N.).
Die Gewährung von Akteneinsicht in Strafsachen ist weitgehend in der Strafprozeßordnung geregelt, so unter anderem für Verteidiger (§ 147 StPO), für Privatkläger und Nebenkläger (§§ 385 Abs. 3, 397 Abs.1 Satz 2 StPO), für den Verletzten (§§ 406 e Abs. 4 Satz 2 i.V. m. § 161 a Abs. 3 Satz 2 – 4 StPO; vgl. BGHSt 39,112 ff.) sowie verfahrensunbeteiligte Dritte (vgl. die Neuregelung der §§ 474 ff. StPO durch das StVÄ G 1999 vom 2. August 2000 - BGBl. I 1253).
Ob sich die Pflicht zur Überlassung von Akten eines Ermittlungsverfahrens an einen Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages unmittelbar aus Art. 44 GG oder aus dem sinngemäß anzuwendenden § 474 Abs. 1 StPO nF ergibt (so die Gesetzesmaterialien zum StVÄ G 1999 - BtDrucks. 14/1484 S. 26) kann hier offenbleiben. Die "Anspruchsgrundlage" für das geltend gemachte Begehren liefert zwar gewichtige Anhaltspunkte für seine rechtliche Einordnung, ist aber nicht allein entscheidend.
Die Frage der Zuständigkeit für Streitigkeiten über den Antrag eines Untersuchungsausschusses auf Aktenüberlassung ist deshalb nach den allgemeinen Rechtswegregeln zu entscheiden, die für den vorliegenden Fall die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nach §§ 23 ff. EGGVG ergeben. Zwar wird für Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit der Tätigkeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse ergeben, abgesehen von solchen, die in die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts fallen, grundsätzlich der Weg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet sein, die für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gemäß § 40 VwGO zuständig sind. Das betrifft aber nicht alle Streitigkeiten, die mit der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses in Zusammenhang stehen (vgl. BVerfGE 67, 100 ff.; 76, 363 ff.; 77, 1 ff.; BVerwG NJW 1988, 1924 ff.; 2000, 160 ff.; HbgVerfG NVwZ 1996, 1201 ff.; OVG Münster NVwZ 1990, 1083 m. Anm. Kästner JuS 1993, 109 ff.; NJW 1999, 80 f.; FG München NVwZ 1994, 100 ff.; vgl. auch Richter, Privatpersonen im parlamentarischen Untersuchungsausschuß 1991 S. 24 ff.; S. 124 ff.).
Die begehrte Aktenherausgabe betrifft hier die Akten eines laufenden Ermittlungsverfahrens. Schon dies spricht dafür, daß die Entscheidung darüber , ob diese herauszugeben sind, eine Maßnahme der Strafrechtspflege im Rahmen von § 23 EGGVG ist (vgl. Böttcher in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. Rdn. 27; Katholnigg Strafgerichtsverfassungsrecht 3. Aufl. Rdn. 17 b jeweils zu § 23 EGGVG; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO Rdn. 40; Laufhütte aaO Rdn. 21 jeweils zu § 147 StPO; OLG Karlsruhe NStZ 1994, 50; OLG Celle WM 1992, 804 ff. m. Anm. Stützle in WUB VII C § 23 EGGVG 1.92; KG NJWRR 1991, 1085). Denn nur die Strafverfolgungsbehörden sind in der Lage, eine sachgemäße Entscheidung über Akteneinsicht oder Aktenüberlassung zu tref-
fen, da nur sie auf Grund ihrer Befassung mit dem Verfahren eine Abwägung der entscheidungserheblichen Gesichtspunkte vornehmen können. Akteneinsicht kann im Einzelfall unmittelbare Auswirkungen auf den Gang der Ermittlungen und das Ermittlungsergebnis selbst haben. Diesem Umstand trägt das Gesetz z.B. in § 147 Abs. 2 StPO Rechnung, indem es die Staatsanwaltschaft ermächtigt, sogar dem Verteidiger vor Abschluß der Ermittlungen Akteneinsicht zu verweigern, wenn durch eine Aktenausfolge eine Gefährdung des Untersuchungserfolges zu besorgen ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO Rdn. 21 zu § 147 StPO). Derartige Überlegungen und Entscheidungen berühren wie jene nach § 147 Abs. 2 StPO - jedenfalls bei noch nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahren - den Kernbereich der Strafrechtspflege und können allgemeinem Verwaltungshandeln nicht gleichgestellt werden. Die gerichtliche Überprüfung muß deshalb sowohl aus Gründen der systematischen Einordnung als auch aus Gründen der Sachnähe der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorbehalten bleiben.
Daß die Herausgabe der Ermittlungsakten hier ausschließlich zur Wahrnehmung des Auftrages des Untersuchungsausschusses dient (vgl. dazu auch BVerwG NJW 2000, 162), ändert an der Bewertung nichts (anders OLG Koblenz NVwZ 1986, 575). Entscheidend ist nicht der Zweck, dem die Maßnahme dienen soll, sondern die funktionelle Einordnung der Maßnahme im Rechtsgefüge.
2. Die Eigenschaft der begehrten Akteneinsicht als eines Justizverwaltungsakts wird auch nicht, wie der Beschwerdeführer unter Hinweis auf Ä ußerungen im Schrifttum meint, dadurch in Frage gestellt, daß der Antragsteller die Akteneinsicht im Wege der Amtshilfe nach Art. 44 Abs. 3 GG begehrt.
Daß Amtshilfe den Rechtsweg nach § 23 EGGVG ausschließt (so Kissel in KK 4. Aufl. Rdn. 23; 25, 53), mag im Verhältnis von Behörden zueinander insbesondere dann gelten, wenn sie unter der Aufsicht derselben Stelle stehen. So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Hinzu kommt, daß im vorliegenden Fall der Antragsgegner nicht etwa seine Pflicht zur Leistung von Amtshilfe als solche in Abrede stellt. Streitgegenstand ist vielmehr die vollständige Aktenherausgabe.
3. Das Ministerium der Justiz ist auch Justizbehörde i. S. des § 23 EGGVG. Es ist die höchste Behörde der Justizverwaltung des Landes (vgl. § 147 Nr. 2 GVG) und ist in dieser Eigenschaft auch bei der in Streit befindlichen Aktenvorlage tätig geworden, zumal die strafrechtlichen Ermittlungsakten , deren Herausgabe begehrt wird, sich derzeit in Verwahrung und Obhut des Ministeriums der Justiz als vorgesetzter Behörde der Staatsanwaltschaft befinden.
Das Oberlandesgericht hat deshalb zu Recht den Rechtsweg nach § 23 EGGVG als gegeben angesehen.
Jähnke Detter Otten
Tenor
I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 29. Januar 2014 wird abgeändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. Januar 2014 abzuändern und den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (in vollem Umfang) abzulehnen.
den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. Januar 2014 abzuändern und den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (in vollem Umfang) abzulehnen.
die Beschwerden zurückzuweisen.
II.
Tenor
I.
Das Verfahren wird aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen eingestellt, soweit der Auskunftsanspruch zu 1 sich auch auf die Nennung der 442 Werke des sogenannten „... Kunstfundes“ bezogen hat, die am 19. Dezember 2013 in der Datenbank Fehler! Hyperlink-Referenz ungültig.“ veröffentlicht waren.
II.
Der Antragsgegner wird im Weg der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller darüber Auskunft zu erteilen,
1. welche Werke (genaue Bezeichnung und Abmessung) des „... Kunstfundes“ beim Beigeladenen beschlagnahmt wurden, mit Ausnahme der Werke, die am 19. Dezember 2013 in der Datenbank „www.l...de“ veröffentlicht waren,
2. ob der Antragsgegner nach dem Zeitpunkt der Beschlagnahme des „... Kunstfundes“ (Februar/März 2012) potenzielle Eigentümer von Werken ermittelt und kontaktiert hat,
wenn ja, zu welchen Werken Anfragen an potenzielle Eigentümer ergangen sind.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
III.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller, der Antragsgegner und der Beigeladene zu je ein Drittel.
IV.
Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
auf ihre Herkunft zu überprüfen seien. Ca. 380 dieser Werke hätten bislang dem Beschlagnahmegut der nationalsozialistischen „Aktion Entartete Kunst“ zugeordnet werden können. Für die restlichen 590 Werke werde derzeit geprüft, ob es sich um solche handle, bei denen ein NS-verfolgungsbedingter Entzug (sog. „NS-Raubkunst) vorliege. Ausschließlich die Objekte, bei denen nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft ein begründeter Verdacht auf NS-verfolgungsbedingten Entzug bestehe, könnten aufgrund rechtlicher Vorgaben in der Datenbank eingestellt werden. Für Werke, die vor 1933 erworben oder nach 1945 entstanden oder die von einem Mitglied der Familie ... geschaffen worden seien, sei die Zuordnung zum rechtmäßigen Besitz des Beigeladenen erfolgt, da hier keine Anhaltspunkte für einen NS- verfolgungsbedingten Entzug oder anderweitigen rechtswidrigen Erwerb vorlägen. Die Zuordnung einzelner Werke zu den genannten Kategorien könne im weiteren Verlauf der Ermittlungen noch variieren.
1. Welche Gemälde (genaue Bezeichnung und Abmessung) hat die Staatsanwaltschaft ... bei Herrn ... sichergestellt?
2. Welche potenziellen Eigentümer hat die Staatsanwaltschaft in den vergangenen zwei Jahren angefragt?
einige Kunstwerke, darunter einen Chagall, vorgestellt. Dem Antragsteller sei es daraufhin binnen eines Monats gelungen, die Erben des verstorbenen Eigentümers ... ausfindig zu machen. Hierzu wurde auf den am 11. Dezember 2013 unter ....de veröffentlichten Beitrag mit dem Titel „... löst das Rätsel des gestohlenen Chagalls“ (Anlage ASt 3) verwiesen. Um gestohlene Gemälde identifizieren zu können, habe der Antragsteller der Staatsanwaltschaft ... mit Schreiben vom 7. November 2013 unter Berufung auf presserechtliche Auskunftsansprüche u. a. bereits die o.g. Fragen gestellt. In der Stellungnahme des Leitenden Oberstaatsanwalts vom 12. November 2013 seien diese Fragen nicht beantwortet worden.
Bei der Verweigerung der Beantwortung der zweiten Frage berufe sich der Antragsgegner auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Die Interessenabwägung gehe hier zugunsten des Informationsinteresses der Presse und damit der Öffentlichkeit aus. Es würde zu einem nicht hinnehmbaren Eingriff in das Grundrecht auf Pressefreiheit führen, wenn der Antragsgegner bereits die Recherche des Antragstellers vereiteln könnte. Dieser benötige die beantragten Informationen zunächst für seine Recherche, ausschließlich auf dieser Stufe sei vorliegend zu prüfen. Nicht zu prüfen sei hier, ob der Antragsteller die Berechtigten auch nennen dürfe. Der Antragsteller habe bereits bewiesen, dass er sein Wissen nur nutze, um den Berechtigten zu helfen. Daher könne man, wie bei den Erben des Chagall, vom vermuteten Einverständnis ausgehen. Der Antragsteller habe jedoch die Befürchtung, dass der Antragsgegner überhaupt keine Provenienzrecherche betrieben und keinen Berechtigten informiert habe. Ein Auskunftsanspruch des Antragstellers ergebe sich nach der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK.
für jeden einsehbar, mit Lichtbild und Daten zu Motiv, Technik und Abmessungen, in die Datenbank Fehler! Hyperlink-Referenz ungültig.“ eingestellt worden. Die von Bund und Bayern gegründete Taskforce Kunstfund“ habe die Aufgabe, für die Staatsanwaltschaft ... im Weg der Amtshilfe die Herkunft und die Erwerbsumstände derjenigen Werke zu erforschen, für die ein NS-verfolgungsbedingter Entzug oder eine Herkunft aus der nationalsozialistischen Beschlagnahmeaktion „Entartete Kunst“ nicht auszuschließen sei. Die Taskforce sei Ansprechpartner für potentielle Anspruchsteller und nehme Hinweise zur Herkunftsermittlung entgegen.
Der Antrag sei auch unbegründet. Die bundesgesetzliche Regelung des § 475 StPO gehe der landesrechtlichen Regelung des Art. 4 BayPresseG vor. Die Auskunftserteilung müsse zudem gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPresseG verweigert werden. Die Ermittlungen, hinsichtlich derer das strafbewehrte Steuergeheimnis zu wahren sei, dauerten an. Auch die beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht, der Verrat von Dienstgeheimnissen, z. B. etwaiger Namen von NS-Geschädigten, verbiete die beantragte Auskunftserteilung. Die Veröffentlichung von zwischenzeitlich 442 Werken in der Datenbank „Lost Art“ sei gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 StPO zu Zwecken des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erfolgt und beziehe sich nur auf Objekte, die auf möglichen NS-verfolgungsbedingten Entzug zu überprüfen seien und hinsichtlich derer Ansprüche und Rechtsverletzungen Dritter denkbar seien. Hinsichtlich der veröffentlichten Informationen fehle dem Antrag daher auch das Rechtsschutzbedürfnis. Die Staatsanwaltschaft sei selbstverständlich auch nicht befugt, Daten und Lichtbilder solcher Kunstwerke preiszugeben, die sich als unbemakelt herausgestellt hätten und an den Beschuldigten zurückzugeben seien.
II.
Soweit in Literatur und Rechtsprechung die Auffassung vertreten wird, dass § 475 Abs. 1 StPO als Spezialvorschrift der vom Antragsteller in Anspruch genommenen Vorschrift des Art. 4 BayPrG (bzw. einer entsprechenden Norm eines anderen landesrechtlichen Pressegesetzes) vorgehe (vgl. z. B. OVG NRW, B. v. 15.11.2000 - 4 E 664/00 - NJW 2001, 3803; LG Berlin, B. v. 28.6.2001 - 510 AR 4/01 - NJW 2002, 838; Lutz Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, § 475 Rn. 1), mit der Folge, dass im Falle der Ablehnung des Begehrens der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet wäre, folgt dem die Kammer - jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation - nicht. Die materielldatenschutzrechtliche Vorschrift des § 475 StPO ist auf die Informationsübermittlung auf Private zugeschnitten, ohne die Presse hiervon auszuschließen. Der presserechtliche Auskunftsanspruch dient dagegen der öffentlichen Aufgabe der Presse. Mit der Gewährleistung der Pressefreiheit trägt das Grundgesetz der besonderen Bedeutung der Presse in einem freiheitlich demokratischen Staatswesen Rechnung. Es schützt und sichert die Aufgabe der Presse, an dem Prozess der Bildung der öffentlichen Meinung teilzunehmen und dadurch an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Daraus folgt die Pflicht des Staates, diese Aufgabe der Presse zu respektieren. Hierzu gehört auch die Pflicht zur Erteilung von Auskünften. Einer freiheitlichdemokratischen Grundordnung entspricht ein Verhalten der Behörden, das in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse von Offenheit geprägt ist. Es erfordert die Bereitschaft, dem Bürger diese Angelegenheiten dadurch durchsichtig zu machen, dass der Presse durch eine großzügige Informationspolitik eine genaue und gründliche Berichterstattung ermöglicht wird (vgl. BVerfG, Teilurteil v. 5.8.1966 - 1 BvR 586/62
Entgegen den Ausführungen des Beigeladenen geht das Gericht davon aus, dass mit dem von der Antragstellerseite verwendeten Begriff „Gemälde“ alle (Kunst-) Werke aus der ...-Sammlung gemeint sind. Dies ergibt sich aus den Schriftsätzen der Antragstellerseite, die ihren Auskunftsanspruch nicht auf bestimmte Arten von Kunstwerken beschränkt hat. In diesem Sinne hat auch der Antragsgegner das Begehren der Antragstellerseite verstanden und darauf entgegnet. Auch in der öffentlichen Berichterstattung zum ... Kunstfund wird der Begriff „Gemälde“ oder „Gemäldesammlung“ für die gesamte ...-Sammlung verwendet (nur z. B. ASt Anlage 2 betreffend Presseerklärungen des Antragsgegners : Einladung zur Pressekonferenz zum Thema „Beschlagnahmte Gemäldesammlung“ vom 4.11.2013 und Presseerklärung zur Pressekonferenz „Beschlagnahmte Gemäldesammlung“ vom 5.11.2013). Dementsprechend wird die im Schriftsatz der Antragstellerseite vom 26. Januar 2014 genannte „Erweiterung“ des Antrags zu 1 auf alle Kunstwerke als Klarstellung gewertet.
bringen, ob der Antragsgegner in den vergangenen zwei Jahren, also seit der Beschlagnahme der Kunstsammlung beim Beigeladenen (Ende Februar/Anfang März 2012), im Rahmen seiner Provenienzrecherche Personen ermittelt hat, denen Bilder aus dieser Sammlung NS-verfolgungsbedingt entzogen wurden, und ob der Antragsgegner diese Personen (oder ihre Erben) auch entsprechend informiert hat.
Das öffentliche Interesse hat sich demnach im vorliegenden Fall zu einem zwingenden öffentlichen Interesse verdichtet, darüber Informationen zu erhalten, von wem oder woher, auf welchen Wegen, unter Beteiligung welcher Personen oder Institutionen die einzelnen Bilder in die Sammlung ... gelangt sind. Diesem zwingenden öffentlichen Informationsinteresse dient der mit Antrag zu 1, soweit noch anhängig, geltend gemachte Auskunftsanspruch zur Benennung (genaue Bezeichnung und Abmessung) aller sichergestellten Werke, da diese Information den Antragsteller in die Lage versetzt, eigene Recherchen zur Geschichte der Werke anzustellen.
erfolgen darf, stellt sich auf dieser Ebene der publizistischen Vorbereitungstätigkeit (noch) nicht, zumal, mangels eines öffentlichen Informationsinteresses, nicht zu erwarten ist, dass eine öffentliche Berichterstattung auch über Werke erfolgen wird, die weder der „Aktion Entartete Kunst“ noch der „NS-Raubkunst“ zugeordnet werden können, also keinerlei Bezug zur „fatalen Kunstpolitik der Nazis“ haben.
Die „Verhältnisse“ des Beigeladenen sind weitgehend bekannt. So wird der Name und das Alter des Beigeladenen in fast allen deutschen und ausländischen Medienberichten, die über den Kunstfund berichten bzw. berichtet haben, genannt; auch die vom Bund und den Ländern eingerichtete Koordinierungsstelle „Lost Art“, auf deren Internetplattform im Weg der Amtshilfe für den Antragsgegner Bilder aus dem ... Kunstfund veröffentlicht werden, nennt den vollen Namen des Beigeladenen. In den Medien wurde auch bereits berichtet, dass für den Beigeladenen ein Betreuer bestellt wurde. Bekannt sind die ... und die ... Adresse des Beigeladenen; Fotos dieser Wohnhäuser waren bereits in etlichen Medien veröffentlicht. Etliche Medienberichte im In- und Ausland thematisieren im Rahmen einer Berichterstattung über die Herkunft der Bilder insbesondere auch den Vater des Beigeladenen (...), der in der Zeit des Nationalsozialismus als Kunsthändler tätig war und im Auftrag des Propagandaministeriums der Nazis Handel mit beschlagnahmter „Entarteter Kunst“ betrieb. Bekannt ist insbesondere - auch durch Mitteilungen des Antragsgegners bzw. Veröffentlichungen auf der Internetplattform „Lost Art“ - der wesentliche Inhalt der beschlagnahmten Kunstsammlung, nämlich die Anzahl der (gerahmten und ungerahmten) Bilder, die Art der Arbeiten (Öl, Tusche Bleistift, Aquarell, Lithographien, sonstige Drucke), die Namen vieler berühmter Maler, denen Bilder zugeordnet werden, die Einteilung dieser Kunstsammlung durch den Antragsgegner in die drei Kategorien „rechtmäßiger Besitz des Beigeladenen“, „Aktion Entartete Kunst“ und „NS-verfolgungsbedingter Entzug (sog. NS-Raubkunst)“. Auch der materielle Wert der Sammlung ist bereits in den Medien diskutiert worden.
Bei dieser Abwägung ist hier zunächst zu berücksichtigen, dass ein großes, sogar zwingendes öffentliches Interesse an einer Berichterstattung der Presse über den ... Kunstfund besteht (siehe oben 2.2.2.1, Rn. 72 bis 76). Zu berücksichtigen ist auch, dass das Diskretionsinteresse des Beigeladenen durch die mittlerweile erfolgte Berichterstattung in in- und ausländischen Medien bereits erheblich eingeschränkt ist (siehe oben 2.2.2.1, Rn. 78). Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller die streitgegenständlichen Auskünfte entsprechend seinen Angaben im Wesentlichen dazu begehrt, um eigene Recherchen zu „potenziellen Eigentümern“ von Werken aus der ...-Sammlung anstellen (siehe Frage 1) und über das Vorgehen des Antragsgegners im Hinblick auf dessen Provenienzrecherche (siehe Frage 2) berichten und kommentieren zu können. Die Auskünfte zielen damit weniger auf die Person des Beigeladenen, sondern auf die Kunstsammlung und die Vorgehensweise des Antragsgegners.
Da es dem Antragsteller nach seinem Vorbringen darum geht, im Hinblick auf die derzeitige Diskussion zum „... Kunstfund“ eigene Recherchen zur Geschichte der Bilder, insbesondere im Hinblick auf frühere Eigentümer, denen die Bilder NS-verfolgungsbedingt entzogen wurden, durchzuführen und zum Vorgehen des Antragsgegners im Hinblick auf dessen bisherige Provenienzrecherche zu berichten und kommentieren, benötigt er die Auskünfte jetzt und nicht zu einem ungewissen Zeitpunkt in der Zukunft. Dementsprechend ist im Interesse einer von der Pressefreiheit geschützten zeitnahen Berichterstattung über Gegenstände von aktuellem Interesse eine einstweilige Anordnung, die die Hauptsache vorwegnimmt, hier geboten und gerechtfertigt. Denn der geltend gemachte Auskunftsanspruch hat nach eingehender Prüfung - in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg.
(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.
(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 6. September 2016 in der Sitzung am 7. September 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer und der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bär,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung vom 6. September 2016 –, Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung am 7. September 2016 – als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 6. September 2016 – als Verteidiger des Angeklagten P. ,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 6. September 2016 – als Verteidiger des Angeklagten C. ,
Justizobersekretärin – in der Verhandlung vom 6. September 2016 –, Justizangestellte – bei der Verkündung am 7. September 2016 – als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
2. Die Revisionen der Angeklagten P. und C. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
3. Die Angeklagten P. und C. haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: den Angeklagten P. wegen schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen sowie wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten; den Angeklagten K. wegen schweren Bandendiebstahls in drei Fällen, wegen Wohnungseinbruchdiebstahls sowie wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls und den Angeklagten C. wegen schweren Bandendiebstahls in drei Fällen und wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung. Beide haben jeweils eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten erhalten. Hinsichtlich aller Angeklagten hat das Landgericht bestimmt, dass jeweils zwei Monate der Gesamtstrafen als vollstreckt gelten.
- 2
- Die auf den Ausspruch über die gewährte Kompensation beschränkte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Dagegen dringen die auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revisionen der Angeklagten P. und C. , der sich allein gegen seine Verurteilung in den Fällen II. Nr. 12 – 14 der Urteilsgründe wendet, nicht durch.
A.
- 3
- Ein aus einer die Angeklagten betreffenden Fernsehberichterstattung resultierendes Verfahrenshindernis, das zur Einstellung des Verfahrens führt, besteht angesichts der dafür erforderlichen Voraussetzungen (dazu BGH, Urteile vom 9. Dezember 1987 – 3 StR 104/87, BGHSt 35, 137, 140; vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 168 f. mit zahlr. wN und vom 11. August 2016 – 1 StR 196/16; siehe auch Kudlich in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl., Einl. Rn. 353 und Kühne in Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl., Einl. K Rn. 37 mwN) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
- 4
- Die in der fraglichen Fernsehsendung ausgestrahlten Äußerungen des polizeilichen Hauptsachbearbeiters erweisen sich entgegen der von dem Landgericht im Rahmen seiner Kompensationsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung weder für sich genommen noch im Zusammenhang mit den Umständen der Ausstrahlung als Verstoß gegen die Unschuldsvermutung (unten Rn. 32 ff.). Schon deshalb kann daraus kein Verfahrenshindernis resultieren.
- 5
- Art und Inhalt der Fernsehberichterstattung begründen ein solches unter dem Aspekt einer „öffentlichen Vorverurteilung“ ebenfalls nicht. Ob daraus überhaupt ein Verfahrenshindernis hervorgehen kann – woran ohne ein rechtsverletzendes Verhalten dem Staat zurechenbarer Personen bereits grundlegende Zweifel bestehen (vgl. Franke in Homburger Tage 2011, S. 81, 92) –, bedarf keiner Entscheidung. Denn selbst wenn ein so begründetes Verfahrenshindernis nicht von vornherein als ausgeschlossen erachtet würde (vgl. etwa Hillenkamp NJW 1989, 2841, 2845; Wohlers StV 2005, 186, 189 ff.; siehe auch Weiler StraFo 2003, 186, 190 f. sowie Keil, Verdachtsberichterstattung, 2013, S. 264 f.), liegen die dafür geforderten Voraussetzungen (siehe dazu Wohlers StV 2005, 186, 189 f.) nicht vor.
B.
Revisionen der Staatsanwaltschaft- 6
- Die wirksam auf den Ausspruch, dass jeweils zwei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen als vollstreckt gelten, beschränkten, jeweils zu Lasten der Angeklagten erhobenen Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Die Rechtsmittel führen zum Wegfall der entsprechenden Anordnung bei allen drei Angeklagten.
I.
- 7
- 1. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Revisionen ausweislich ihrer Rechtsmittelbegründungsschrift auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Ihrem Antrag sowie dessen Begründung entnimmt der Senat, dass die Staatsanwaltschaft sich ausschließlich gegen die vom Tatgericht wegen eines angenommenen Verstoßes gegen die Unschuldsvermutung durch Äußerungen staatlicher Organe in den Medien getroffene Kompensationsentscheidung richtet.
- 8
- 2. Diese Beschränkung ist wirksam.
- 9
- a) In Bezug auf Kompensationsentscheidungen wegen Verfahrensverzögerung hat der Bundesgerichtshof bereits die grundsätzlich bestehende Möglichkeit isolierter Überprüfung anerkannt (siehe nur BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 2 StR 563/10 Rn. 2; Urteil vom 23. Oktober 2013 – 2 StR 392/13, NStZ-RR 2014, 21). Die Beschränkung ist lediglich im Einzelfall bei untrennbarer Verknüpfung des Strafausspruchs mit der Entscheidung über die Kompensation nicht wirksam (Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 318 Rn. 30b). Eine solche Verknüpfung ist aber selbst dann nicht zwingend gegeben, wenn mit dem Rechtsmittel solche vom Tatgericht festgestellten und zur Grundlage der Kompensation gemachten Belastungen beanstandet werden, die an sich auch für den Strafausspruch bedeutsam sein können (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2013 – 2 StR 392/13 Rn. 2 [insoweit in NStZ-RR 2014, 21 f. nicht abgedruckt]). Maßgebend ist insoweit, ob das Tatgericht den fraglichen Umstand ausschließlich für die Kompensation berücksichtigt oder auch für die Strafzumessung herangezogen hat (vgl. BGH aaO).
- 10
- b) Bei Heranziehung dieser Maßstäbe ist die Beschränkung der Revision auf die Kompensationsentscheidung wirksam.
- 11
- Das Landgericht hat die – aus seiner Sicht (UA S. 41 ff.) – mit der Unschuldsvermutung nicht in Einklang stehenden Äußerungen des polizeilichen Hauptsachbearbeiters, KHK S. , sowie die Umstände der Ausstrahlung des entsprechenden Interviews und die Wahrnehmung der Sendung durch Dritte ausschließlich für die getroffene Kompensationsentscheidung herangezogen. Bei der Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafen finden diese keine Erwähnung. Das Landgericht hat damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, lediglich von einer Bedeutung für die Kompensation ausgegangen zu sein. Dementsprechend hat es bei den Erwägungen zum Ausmaß des Verstoßes als Grundlage für die Bestimmung des als vollstreckt geltenden Strafanteils auf die überschaubare Anzahl derjenigen Personen abgestellt, die die Angeklagten identifizieren konnten.
- 12
- Der Tatrichter hat nicht auf Art und konkreten Umfang grundsätzlich möglicher Belastungen der Angeklagten,hier allenfalls der Angeklagten P. und K. (vgl. UA S. 18 unten), aufgrund des Fernsehberichtseinschließlich der dort enthaltenen Äußerungen von KHK S. abgestellt. Solche Belastungen sind vorliegend allerdings ohnehin angesichts der festgestellten Umstände nicht ersichtlich. Der Senat kann daher ausschließen, dass das Landgericht auf Belastungen der beiden genannten Angeklagten im Zusammenhang mit der Fernsehberichterstattung als Strafzumessungsgesichtspunkt rekurriert hätte, wenn ihm das Fehlen einer Verletzung der Unschuldsvermutung (nachfolgend Rn. 21 ff.) als Grundlage der Kompensationsentscheidung bewusst gewesen wäre.
- 13
- c) Der Regelungsgehalt von § 301 StPO steht der Wirksamkeit der Beschränkung im Übrigen nicht entgegen. Denn dessen Wirkung ist durch den Umfang der Anfechtung begrenzt (Frisch in Systematischer Kommentar zur StPO, Band VI, 5. Aufl., § 301 Rn. 4; Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, § 301 Rn. 6; siehe auch BGH, Urteil vom 4. Dezember 2001 – 1 StR 428/01, juris Rn. 11 [insoweit in NStZ 2002, 198 nicht abgedruckt]).
II.
- 14
- Die Anordnung, dass zugunsten aller Angeklagten jeweils zweiMonate der gegen sie verhängten Gesamtstrafen als vollstreckt gelten, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Eine derartige Kompensation konnte vorliegend unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommen.
- 15
- 1. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob aus einem Verstoß gegen die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK generell oder lediglich unter bestimmten, über den Verstoß als solchen hinausgehenden Voraussetzungen überhaupt eine Kompensation in Gestalt der Erklärung eines Teils der verhängten Strafe als vollstreckt resultieren kann. Denn es fehlt entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts bereits an einer Verletzung der Unschuldsvermu- tung; und zwar selbst dann, wenn dessen diesbezügliche Feststellungen als rechtsfehlerfrei getroffen unterstellt werden.
- 16
- a) Seiner Kompensationsentscheidung hat das Landgericht folgende Feststellungen zugrunde gelegt:
- 17
- Nach Anklageerhebung und einige Wochen vor dem Beginn der Hauptverhandlung wurde eine Fernsehsendung ausgestrahlt, die sich inhaltlich mit der steigenden Zahl von Wohnungseinbrüchen in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigte. Zur Vorbereitung der Sendung fanden Fernsehaufnahmen im Dienstzimmer des polizeilichen Hauptsachbearbeiters, KHK S. , statt. Mit diesem wurde – nach Zustimmung seitens der Staatsanwaltschaft – ein ebenfalls aufgenommenes Interview geführt. Zudem entstanden im Dienstzimmer des Polizeibeamten Aufnahmen des Fernsehteams, die Lichtbilder zeigten, auf denen die Angeklagten P. und K. zu erkennen waren. Vor der Aus- strahlung waren die Gesichter der betroffenen Angeklagten zwar „verpixelt“ worden, um diese unkenntlich zu machen. Mitgefangene der Angeklagten hatten diese dennoch bei Betrachten der Sendung erkannt und sie darauf angesprochen. Der polizeiliche Hauptsachbearbeiter hatte zudem in dem geführten, gleichfalls ausgestrahlten Interview von „Tätern“, „Bandenmitgliedern“ sowie einer „Einbrechergruppierung“ gesprochen. Hinweise darauf, dass dieabgebildeten Personen auf den „verpixelten“ Fotos noch nicht rechtskräftig verurteilt worden waren, erfolgten in dem Fernsehbericht nicht.
- 18
- Dieses tatsächliche Geschehen begründet keinen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung.
- 19
- b) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) soll die durch Art. 6 Abs. 2 EMRK gewährleistete Unschuldsvermutung verhindern, dass die Fairness eines Strafverfahrens unter- graben wird, indem in engem Zusammenhang mit diesem Verfahren nachteilige Äußerungen getätigt werden (etwa EGMR, Urteil vom 12. November 2015 – 2130/10, „E. ./. Deutschland“ Rn. 52 mwN). Die Unschuldsvermutung ist eines der Merkmale eines fairen Verfahrens im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK (EGMR, Urteile vom 10. Februar 1995 – 15175/89, „Allenet de Ribemont ./. France“ Rn. 35; vom 24. Mai 2011 – 53466/07, „Konstas ./. Greece“ Rn. 29; vom 27. März 2014 – 54963/08, „M. ./. Deutschland“ Rn. 46). Der Grundsatz der Unschuldsvermutung wird verletzt, wenn eine gerichtliche Entscheidung oder eine Äußerung eines Amtsträgers, die eine einer Straftat angeklagte Person betrifft, die Auffassung widerspiegelt, sie sei schuldig, bevor der gesetzliche Nachweis der Schuld erbracht ist (EGMR, jeweils aaO, „Allenet de Ribemont ./. France“ Rn. 35und 36; „Konstas ./. Greece“ Rn. 32 und 33 mwN; siehe auch aaO, „E. ./. Deutschland“ Rn. 53). Die Erstreckung der Beachtung der Unschuldsvermutung über Richter und Gerichte hinaus auf sonstige Amtsträger begründet der Gerichtshof mit der Bedeutung dieses Grundsatzes als Verfahrensrecht , das sowohl die Rechte der Verteidigung garantiert als auch dazu beiträgt , die Ehre und Würde des Angeklagten zu wahren (EGMR, aaO, „Konstas ./. Greece“ Rn. 32). Er unterscheidet zudem regelmäßig zwischen Äußerungen, nach denen jemand der Begehung einer Straftat nur verdächtig ist und einer – vorrechtskräftigem Schuldspruch – erfolgten Erklärung, dass die Person die in Rede stehende Straftat begangen hat (EGMR, aaO, „E. ./. Deutschland“ Rn. 54 mwN).
- 20
- Bei der Prüfung, ob eine Verletzung der Unschuldsvermutung eingetreten ist, kommt nach der Rechtsprechung des EGMR der Wortwahl bei der Äußerung durch Amtsträger entscheidende Bedeutung zu (EGMR, aaO, „E. ./. Deutschland“ Rn. 54mwN; vor allem auch aaO, „M. ./. Deutschland“ Rn. 46). Ob die Aussage eines Amtsträgers gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstößt, ist darüber hinaus im Zusammenhang mit den besonderen Um- ständen zu prüfen, unter denen die fragliche Aussage getätigt wurde (EGMR, jeweils aaO, „Konstas ./. Greece“ Rn. 33; „E. ./. Deutschland“ Rn. 55). Im Hin- blick auf die Berücksichtigung der Wortwahl und der Umstände muss ein „unglücklicher Sprachgebrauch“ nicht entscheidend sein; es kann an einer Verlet- zung von Art. 6 Abs. 2 EMRK fehlen, obwohl der EGMR den Sprachgebrauch der innerstaatlichen Behörden oder Gerichte kritisiert hat (EGMR, aaO, „M. ./. Deutschland“ Rn. 46 mwN; vgl. vor allem auch EGMR, Urteil vom 12. Juli 2013 – 25424/09, „Allen ./. The United Kingdom“ Rn. 125 – 129).
- 21
- c) Nach diesen Maßstäben ist die Unschuldsvermutung aus Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht verletzt.
- 22
- aa) Zwar war KHK S. als Polizeibeamter zur Wahrung der Unschuldsvermutung in dem vorgenannten Sinne verpflichtet. Die Wortwahl „Tä- ter“, „Bandenmitgliedern“ und Zerschlagung einer „Einbrechergruppierung“ ist vor dem Hintergrund des Gebots, vor einem rechtskräftigen Schuldnachweis nicht den Eindruck zu erwecken, die betroffene Person sei der Begehung einer Straftat schuldig, auch nicht unbedenklich.
- 23
- Allerdings liegen unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Interviews und seiner Ausstrahlung im Fernsehen keinesfalls solche vor, die zu einem Verstoß gegen die Unschuldsvermutung führen. Die Äußerungen von KHK S. selbst erfolgten nicht im Rahmen einer Berichterstattung überdas konkret gegen die Angeklagten geführte Strafverfahren, sondern im Kontext eines Fernsehbeitrags, der sich allgemein mit der Zunahme von Wohnungseinbruchdiebstählen befasste (UA S. 18). Die Namen der Angeklagten sind weder in den Äußerungen des Polizeibeamten noch sonst in der fraglichen Fernsehsendung genannt worden (anders etwa in dem EGMR, aaO, „Allenet de Ribemont ./. France“ Rn. 10ff. zugrunde liegenden Sachverhalt). Eine Identifi- zierung ihrer Personen war aufgrund der Äußerungen des Beamten selbst nicht möglich (anders etwa in dem EGMR, aaO, „Konstas ./. Greece“ Rn. 9 ff. zugrunde liegenden Sachverhalt). Über das Strafverfahren gegen die Angeklagten war auch zuvor nicht in den Medien berichtet worden. Es hatte dementsprechend weder regionale noch gar landesweite Aufmerksamkeit erlangt, die dazu hätte führen können, im Zusammenhang mit bereits früher bekannt gewordenen Informationen, die Identität der Angeklagten zu offenbaren (vgl. zu einer solchen Konstellation EGMR, Urteil vom 9. April 2009 – 28070/06, „A. ./. Norway“ Rn. 13 ff.).
- 24
- Die von dem Polizeibeamten verwendeten Begriffe sind zudem im Zusammenhang mit den polizeilichen Ermittlungen zu sehen, über die KHK S. in dem Interview berichtet hat (UA S. 42). Ausweislich der übrigen Feststellungen und vor allem der Beweiswürdigung des Landgerichts ist Teil dieser polizeilichen Ermittlungen auch die Durchsuchung der im Zeitpunkt ihrer Durchführung von allen drei Angeklagten genutzten Wohnung in St. gewesen. Indieser Wohnung, insbesondere auch im Schlafzimmer, in dem zwei der Angeklagten schlafend angetroffen wurden, befand sich ein bei einer verfahrensgegenständlichen Diebstahlstat entwendeter Tresor, der nach der Beweiswürdigung des Landgerichts „nur notdürftig mit einer Decke abgedeckt“ war (UA S. 28). Außerdem wurden in der fraglichen Wohnung Beutegegenstände aus weiteren der Polizei zum Zeitpunkt des Interviews bekannten Diebstahlstaten sowie ein bei drei der verfahrensgegenständlichen Taten eingesetztes Einbruchswerkzeug aufgefunden.
- 25
- bb) Unter Berücksichtigung dieser Umstände, die Teil der polizeilichen Ermittlungen waren, über die KHK S. nach den diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts in dem Fernsehinterview berichtet hat, kommt der Wortwahl „Bandenmitglieder“ und „Einbrechergruppierung“ vor dem Hintergrund der Unschuldsvermutung nur geringes Gewicht zu. Von einer Verletzung der Verfahrensfairness (Art. 6 Abs. 1 EMRK), als deren Element sich die Unschuldsvermutung nach der Rechtsprechung des EGMR erweist (EGMR, jeweils aaO, „Allenet de Ribemont./. France“ Rn. 35; „Konstas ./. Greece“ Rn. 29; „M. ./. Deutschland“ Rn. 46), kann keine Rede sein.
- 26
- cc) Das gilt erst recht bei näherer Betrachtung der Zusammenhänge der Fernsehberichterstattung. Wie bereits dargelegt ist eine Namensnennung der Angeklagten nicht erfolgt. Die ausgestrahlten Bilder, die die Angeklagten P. und K. zeigten, waren „verpixelt“. Auch die offenbar allein auf den Angaben eines Verteidigers beruhende Feststellung des Landgerichts, Mitge- fangene hätten trotz „Verpixelung“ der in der Sendung gezeigten Bilder die An- geklagten erkannt und diese darauf angesprochen (UA S. 19 und 42), führt weder für sich noch in der Zusammenschau mit den bereits erörterten Gegebenheiten zu einem Verstoß gegen die Unschuldsvermutung.
- 27
- Dass die Art der Unkenntlichmachung der veröffentlichten Bilder dennoch ein Erkennen der Angeklagten durch Mitgefangene möglich gemacht haben soll, fällt nicht unmittelbar in den Verantwortungsbereich der Strafverfolgungsbehörden. Zwar trifft den Staat im Hinblick auf die Gewährleistung aus Art. 8 EMRK die Verpflichtung, das Privatleben des von einem Strafprozess Betroffenen während des Fortgangs des Verfahrens zu schützen (EGMR, aaO, „A. ./. Norway“ Rn. 65 mwN). Allerdings kommt den Vertragsstaaten dann, wenn es um eine Abwägung zwischen dem Recht des Einzelnen und dem Informationsanspruch der Medien (siehe Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK) geht, ein weiter Beurteilungsspielraum zu, wie der Ausgleich vorzunehmen ist (vgl. EGMR, aaO, „A. ./. Norway“ Rn. 65 und 66 mwN). Die Staatsanwaltschaft hat die Gestattung der Durchführung des Interviews mit KHK S. sowie das Ausstrahlen von Bildern, die die Angeklagten zeigen, sowohl von der Anonymi- sierung als auch der „Verpixelung“ abhängig gemacht. Beides istseitens des zuständigen Senders bzw. des Produktionsunternehmens auch eingehalten worden. Angesichts dessen handelt es sich hinsichtlich des Verantwortungsbereichs der Strafverfolgungsbehörden lediglich um eine gering zu gewichtende Beeinträchtigung von Verfahrensrechten der Angeklagten. Eine Identifizierung erfolgte offenbar lediglich durch Mitgefangene, denen die Untersuchungshaft der Angeklagten nach den Gesamtumständen ohnehin bekannt gewesen sein dürfte.
- 28
- Damit fehlt es selbst nach den vom Tatgericht getroffenen Feststellungen an einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 EMRK.
- 29
- 2. Der Senat hat zudem in rechtlicher Hinsicht Zweifel, ob eine festgestellte Verletzung der Unschuldsvermutung eine Kompensation nach dem Vollstreckungsmodell begründen könnte.
- 30
- Die dargestellte Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 2 EMRK gibt – soweit ersichtlich – den Vertragsstaaten keine bestimmte Art der Kompensa- tion für den Fall des Konventionsverstoßes vor. Es verhält sich damit anders als in den Konstellationen polizeilicher Tatprovokation (dazu etwa EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, „F. ./. Deutschland“ Rn. 64 mwN; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 2 BvR 209/14 u.a., NJW 2015, 1083, 1085). Auch auf nationales Verfassungsrecht ließe sich die Anwendung des Vollstreckungsmodells nicht stützen. Die Unschuldsvermutung ist zwar eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und hat deshalb Verfassungsrang (siehe nur BVerfG, Beschluss vom 26. März 1987 – 2 BvR 589/79 u.a., BVerfGE 74, 358, 370). Allerdings enthält die Unschuldsvermutung keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- und Verbote. Ihre Auswirkungen auf das Verfahrensrecht bedürfen vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Ge- gebenheiten; dies zu tun, ist grundsätzlich Aufgabe des Gesetzgebers (BVerfG aaO, BVerfGE 74, 358, 372 mwN).
- 31
- Das einfache Gesetzesrecht nimmt die Gewährleistungen der Unschuldsvermutung , soweit es um mit dieser in Widerspruch stehende Äußerungen während eines laufenden Strafverfahrens geht, vor allem durch die Befangenheit von Gerichtspersonen in § 24 StPO auf. Bringt eine von dieser Vorschrift erfasste Person durch Äußerungen oder sonstige Umstände zum Ausdruck , dem Angeklagten nicht (mehr) unbefangen gegenüberzustehen und von dessen Schuld bereits vor dem formalen Schuldspruch überzeugt zu sein (zum Maßstab Cirener in BeckOK StPO, 25. Edition, § 24 Rn. 5 sowie BGH, Beschluss vom 28. Mai 2015 – 2 StR 526/14, NStZ 2016, 217, 218), eröffnet dies dem Angeklagten die Möglichkeit der Ablehnung des Äußernden wegen Befangenheit. Angesichts dieser Reaktionsmöglichkeit auf Verletzungen der Unschuldsvermutung im noch nicht zum rechtskräftigen Schuldspruch geführten Verfahren ist für eine anderweitige Kompensation nach dem Modell der Vollstreckungslösung kein Raum. Das gilt erst recht für Verstöße gegen diesen Grundsatz durch Personen, die vom Anwendungsbereich der Befangenheitsregelungen nicht erfasst sind.
- 32
- Ob mit Verstößen gegen die Unschuldsvermutung einhergehende oder durch diese Rechtsverletzung hervorgerufene konkrete Belastungen auf der Ebene der Strafzumessung Berücksichtigung finden können, bedarf keiner Entscheidung. Solche Belastungen sind weder festgestellt noch ersichtlich.
- 33
- 3. Die gewährte Kompensation erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als tragfähig. Insbesondere kann eine solche nicht auf eine „Vorverurteilung“ der Angeklagten in den Medien gestützt werden.
- 34
- Selbst eine „aggressive und vorverurteilende Berichterstattung“ in den Medien stellt regelmäßig keinen bestimmenden Strafzumessungsgrund im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO dar (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2011 – 4 StR 42/11 Rn. 24 sowie Franke, aaO, S. 81, 93 ff. mwN). Erst recht kommt dann eine Berücksichtigung nach der Vollstreckungslösung nicht in Betracht; zumal es sich vorliegend aus den zur Unschuldsvermutung dargelegten Gründen gerade nicht um eine aggressive oder vorverurteilende Berichterstattung gehandelt hat.
- 35
- 4. Da nach dem Vorstehenden die Kompensation durch die Anordnung, dass ein Teil der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen jeweils als vollstreckt gilt, keine tragfähige Grundlage hat, lässt der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO den Ausspruch entfallen. Er kann ausschließen, dass sich noch Umstände feststellen lassen, auf die eine Kompensation nach dem Vollstreckungsmodell rechtlich tragfähig gestützt werden könnte.
C.
Revisionen der AngeklagtenI.
- 36
- Die auf die nicht ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten P. bleibt ohne Erfolg. Die Nachprüfung hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.
- 37
- Das gilt auch für die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Eine Berücksichtigung der erfolgten medialen Berichterstattung in Gestalt der angesprochenen Fernsehsendung bei der Strafzumessung war nicht veranlasst. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich regelmäßig nicht einmal bei einer „aggressiven und vorverurteilenden Berichterstattung“ in den Medien um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund. Für die hier fragliche Art der Berichterstattung gilt dies erst recht.
- 38
- Es sind auch keine konkreten Belastungen des Angeklagten im Zusammenhang mit der Fernsehberichterstattung festgestellt oder ersichtlich.
II.
- 39
- Die Revision des Angeklagten C. dringt ebenfalls nicht durch.
- 40
- 1. Die ihn betreffenden Feststellungen zu den Fällen II. Nr. 12 – 14 der Urteilsgründe beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
- 41
- a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind (siehe nur BGH, Urteil vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 Rn. 5 [in NStZ-RR 2014, 349 nur redaktioneller Leitsatz]; Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [in NStZ-RR 2015, 80 nur redaktioneller Leitsatz]; Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16 Rn. 21 f. mwN). Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14 mwN; vom 15. Dezember 2015 – 1 StR 236/15, Rn. 18 und vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16 Rn. 21; Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [in NStZ-RR 2015, 80 nur redaktioneller Leitsatz]).
- 42
- b) Derartige Rechtsfehler enthält das angefochtene Urteil nicht. Die von dem Tatgericht aus einer Vielzahl von Umständen mit indizieller Bedeutung gezogenen Schlüsse sind jeweils möglich und schon deshalb vom Revisionsgericht hinzunehmen. Dass sich das Landgericht in der Zusammenschau aller von ihm berücksichtigten tatsächlichen Umstände von einer (mit)täterschaftlichen Begehung des Angeklagten an den Diebstahlstaten zu II. Nr. 12 – 14 überzeugt hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Angriffe der Revision auf die dieser Überzeugung zugrunde liegende Beweiswürdigung beschränken sich – jeweils revisionsrechtlich unbeachtlich – teils auf urteilsfremdes Vorbringen und teils auf das Unterfangen, eine eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen durch das Tatgericht zu setzen.
- 43
- Die Überzeugungsbildung des Tatgerichts hat auch eine ausreichende objektive Grundlage (zu diesem Erfordernis BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 – 2 StR 4/15, NStZ-RR 2016, 144, 145 mwN). Insoweit müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer nachvollziehbaren Beweisgrundlage beruht und die vom Tatgericht gezogenen Schlussfolgerungen sich nicht lediglich als bloße Vermutung erweisen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Oktober 2015 – 2 StR 4/15, NStZ-RR 2016, 144, 145 und vom 16. Februar 2016 – 1 StR 525/15, NStZ-RR 2016, 222 f. jeweils mwN).
- 44
- Dem genügt die Beweiswürdigung des Landgerichts. Es hat u.a. mit der Festnahmesituation, der am Ort der Festnahme aufgefundenen Gegenstände, der im Ergebnis erfolglosen Flucht des Angeklagten sowie den weiteren näher dargelegten Umständen (UA S. 27 – 32) eine Vielzahl von tatsächlichen An- haltspunkten aufgezeigt und bewertet, die der gebildeten Überzeugung eine ohne weiteres tragfähige objektive Grundlage geben.
- 45
- 2. Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in drei Fällen.
- 46
- 3. Der Strafausspruch enthält ebenfalls weder zu den Einzelstrafen für die Fälle II. Nr. 12 – 14 noch zu der Gesamtstrafe dem Angeklagten nachteilige Rechtsfehler. Anders als bei den beiden Mitangeklagten konnte das Landgericht ein Geständnis nicht zu Gunsten des Angeklagten C. werten, weil dieser ein solches bezüglich der hier fraglichen Taten nicht abgelegt hat. Von der durch die Revision behaupteten „bewussten und unzulässigen Sanktionie- rung des Einlassungsverhaltens“ kann daher keine Rede sein.
- 47
- Bezüglich der Nichtberücksichtigung der Ausstrahlung des Fernsehberichts wird auf die Ausführungen zu Rn. 37 – 38 verwiesen. Für den Angeklagten C. kam eine Berücksichtigung zudem schon deshalb nicht in Betracht , weil von diesem nach den Feststellungen (UA S. 18) keine Bilder gezeigt worden sind und er daher auch nicht durch Mitgefangene anhand ausgestrahlter Bilder identifiziert worden sein kann. RiBGH Prof. Dr. Mosbacher ist im Urlaub und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Radtke Raum Fischer Bär
(1) Die ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten sind befugt, bei allen Gerichten ihres Bezirks die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft selbst zu übernehmen oder mit ihrer Wahrnehmung einen anderen als den zunächst zuständigen Beamten zu beauftragen.
(2) Amtsanwälte können das Amt der Staatsanwaltschaft nur bei den Amtsgerichten versehen.
Tenor
I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 29. Januar 2014 wird abgeändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. Januar 2014 abzuändern und den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (in vollem Umfang) abzulehnen.
den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. Januar 2014 abzuändern und den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (in vollem Umfang) abzulehnen.
die Beschwerden zurückzuweisen.
II.
(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.
(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.