Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Sept. 2018 - 2 ARs 151/18

bei uns veröffentlicht am04.09.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 151/18
2 AR 107/18
vom
4. September 2018
in der Strafvollzugssache
des
wegen Antrags auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG
Az.: DL II StVK 90/18 Landgericht Chemnitz
StVK 248/18 Landgericht Erfurt
ECLI:DE:BGH:2018:040918B2ARS151.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Verurteilten am 4. September 2018 beschlossen:
Für die Entscheidung über den Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG ist die Auswärtige Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts Chemnitz zuständig.

Gründe:


I.

1
Der Antragsteller befindet sich seit dem 26. Januar 2017 ununterbrochen in Strafhaft, zuletzt in der Justizvollzugsanstalt Waldheim / Freistaat Sachsen. Durch Bescheid vom 26. März 2018 ordnete der Leiter der Justizvollzugsanstalt Waldheim die Verlegung des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Tonna / Freistaat Thüringen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung an. Die Anordnung erfolgte nach Einigung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa und dem Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Gegen diese Verlegungsentscheidung beantragte der Verurteilte am 29. März 2018 bei dem Landgericht – Strafvollstreckungskammer – Chemnitz die gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG verbunden mit dem Antrag, den Vollzug der Verlegung auszusetzen. Am 3. April 2018 erfolgte die Verlegung des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Tonna.
2
Durch Beschluss vom 27. April 2018 hat sich die Auswärtige Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts Chemnitz örtlich für unzuständig erklärt und das Verfahren gemäß § 83 VwGO, 17, 17a GVG an das Landgericht – Strafvollstreckungskammer – Erfurt verwiesen. Mit Beschluss vom 16. Mai 2018 hat sich das Landgericht Erfurt ebenfalls für nicht zuständig erklärt und hat das Verfahren dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
3
Der Generalbundesanwalt hat beantragt zu beschließen, die Auswärtige Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts Chemnitz als für die Untersuchung und Entscheidung der Sache zuständiges Gericht zu bestimmen.

II.

4
Der Bundesgerichtshof ist zur Entscheidung des zwischen der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer Döbeln und der Strafvollstreckungskammer Erfurt bestehenden Zuständigkeitsstreits gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 StVollzG, § 14 StPO berufen.

III.

5
Zuständig für die Untersuchung und Entscheidung der Sache ist die Auswärtige Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts Chemnitz.
6
1. Bei der Verlegungsanordnung des Leiters der Justizvollzugsanstalt Waldheim handelt es sich um eine Maßnahme auf dem Gebiet des Strafvollzuges , die auf Antrag nach § 109 StVollzG der gerichtlichen Überprüfung unterliegt (AK-StVollzG/Weßels/Böning, 7. Aufl., § 16 LandesR Rn. 17; Verrel in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG, 12. Aufl., Abschnitt D, Rn. 32 f.) und die gemäß § 26 Abs. 2 Satz 3 StVollstrO mit Einigung der obersten Vollzugsbehörden beider Länder zu erfolgen hatte, da die Maßnahme die Verlegung des Verurteilten in die Vollzugsanstalt eines anderen Bundeslandes vorsieht (vgl. Senat, Beschluss vom 28. April 1995 – 2 ARs 99/95, juris; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 15. März 1996 – 3 Ws 26/96, NStZ-RR 1996, 188, 189).
7
2. Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte in Strafvollzugssachen richtet sich nach § 110 StVollzG, wonach die Strafvollstreckungskammer zuständig ist, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat. Da vorliegend der Leiter der verlegenden Justizvollzugsanstalt die angefochtene Maßnahme im Außenverhältnis gegenüber dem Verurteilten selbst angeordnet hat, ist die Strafvollstreckungskammer am Sitz der Justizvollzugsanstalt Waldheim örtlich zuständig (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Januar 1984 – 2 ARs 403/83, BGHSt 32, 233, 235 f.; AK-StVollzG/Spaniol, aaO, § 110 StVollzG Rn. 2 f.). Dies begründet die Zuständigkeit der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts Chemnitz, die auch nach der zwischenzeitlichen Durchführung der Verlegung bestehen bleibt (vgl. AK-StVollzG/Weßels/Böning, aaO, § 16 LandesR Rn. 17; Arloth/Krä/StVollzG, 4. Aufl., § 110 StVollzG Rn. 4).
8
3. Die Zuständigkeit der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts Chemnitz ist nicht nachträglich durch ihren Verweisungsbeschluss vom 27. April 2018 entfallen. Eine örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Erfurt ist hierdurch nicht bindend begründet worden. Zwar ist ein Beschluss, durch den das Verfahren an eine andere Strafvollstreckungskammer verwiesen wird, entsprechend § 83 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit grundsätzlich bindend (vgl. Arloth/Krä/StVollzG, aaO, § 110 StVollzG Rn. 4). Eine Bindungswirkung tritt jedoch dann nicht ein, wenn die Verweisungsentscheidung willkürlich erscheint, namentlich, wenn eine örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, an die der Rechtsstreit verwiesen worden ist, unter keinem Gesichtspunkt in Betracht kommt oder die Verweisung sonst inhaltlich grob und offensichtlich fehlerhaft ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 2 AR 16/16, BeckRS 2016, 09302 mwN; OLG Celle, Beschluss vom 19. Oktober 2016 – 1 Ws 501/16, BeckRS 2016, 18830 mwN; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler StVollzG, 14. Ed., § 110 Rn. 5). Gemessen hieran erweist sich der Verweisungsbeschluss als willkürlich und offensichtlich fehlerhaft, da eine örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Erfurt unter keinem denkbaren Umstand ersichtlich ist. Als verlegende Vollzugsbehörde ist zudem allein die Justizvollzugsanstalt Waldheim in dem gerichtlichen Verfahren in der Lage, die Erwägungen darzulegen , die der Verlegungsentscheidung im Zeitpunkt ihres Erlasses zugrunde lagen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Dezember 2016 – 2 ARs 398/16, NStZRR 2017, 232; AK-StVollzG/Spaniol, aaO, § 115 StVollzG Rn. 51). Demgemäß ist auch die Justizvollzugsanstalt Waldheim als zuständige Vollzugsbehörde an dem gerichtlichen Verfahren gemäß § 111 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG zubeteiligen (vgl. BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 13. Ed., StVollzG § 111 Rn. 2).
Schäfer Appl Krehl
Bartel Schmidt

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Sept. 2018 - 2 ARs 151/18

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Sept. 2018 - 2 ARs 151/18

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Sept. 2018 - 2 ARs 151/18 zitiert 10 §§.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 17a


(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden. (2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Am

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 83


Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 109 Antrag auf gerichtliche Entscheidung


(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 115 Gerichtliche Entscheidung


(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die na

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 120 Entsprechende Anwendung anderer Vorschriften


(1) Kommt die Behörde in den Fällen des § 114 Absatz 2 Satz 2 sowie des § 115 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 der ihr in der einstweiligen Anordnung oder im Beschluss auferlegten Verpflichtung nicht nach, gilt § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung entspr

Strafprozeßordnung - StPO | § 14 Zuständigkeitsbestimmung durch das gemeinschaftliche obere Gericht


Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 110 Zuständigkeit


Über den Antrag entscheidet die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat.

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 111 Beteiligte


(1) Beteiligte des gerichtlichen Verfahrens sind 1. der Antragsteller,2. die Vollzugsbehörde, die die angefochtene Maßnahme angeordnet oder die beantragte abgelehnt oder unterlassen hat. (2) In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht oder dem Bun

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Sept. 2018 - 2 ARs 151/18 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Sept. 2018 - 2 ARs 151/18 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2016 - 2 ARs 398/16

bei uns veröffentlicht am 15.12.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 ARs 398/16 2 AR 248/16 vom 15. Dezember 2016 in der Strafvollzugssache gegen Az.: 2 StVK 425/16 Vollz Landgericht Zweibrücken Az.: 8 StVK 677/16 Landgericht Mainz ECLI:DE:BGH:2016:151216B2ARS398.16.0 Der 2. Strafse

Referenzen

(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden.

(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Dient die vom Antragsteller begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches im Vollzug der Sicherungsverwahrung oder der ihr vorausgehenden Freiheitsstrafe, so ist dem Antragsteller für ein gerichtliches Verfahren von Amts wegen ein Rechtsanwalt beizuordnen, es sei denn, dass wegen der Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht geboten erscheint oder es ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen kann. Über die Bestellung und einen Widerruf entscheidet der Vorsitzende des nach § 110 zuständigen Gerichts.

Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

(1) Kommt die Behörde in den Fällen des § 114 Absatz 2 Satz 2 sowie des § 115 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 der ihr in der einstweiligen Anordnung oder im Beschluss auferlegten Verpflichtung nicht nach, gilt § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Im Übrigen sind die Vorschriften der Strafprozessordnung und die auf der Grundlage des § 32a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 Nummer 6, des § 32b Absatz 5 und des § 32f Absatz 6 der Strafprozessordnung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend anzuwenden, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt.

(2) Auf die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden.

(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Dient die vom Antragsteller begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches im Vollzug der Sicherungsverwahrung oder der ihr vorausgehenden Freiheitsstrafe, so ist dem Antragsteller für ein gerichtliches Verfahren von Amts wegen ein Rechtsanwalt beizuordnen, es sei denn, dass wegen der Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht geboten erscheint oder es ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen kann. Über die Bestellung und einen Widerruf entscheidet der Vorsitzende des nach § 110 zuständigen Gerichts.

Über den Antrag entscheidet die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat.

Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

Über den Antrag entscheidet die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 398/16
2 AR 248/16
vom
15. Dezember 2016
in der Strafvollzugssache
gegen
Az.: 2 StVK 425/16 Vollz Landgericht Zweibrücken
Az.: 8 StVK 677/16 Landgericht Mainz
ECLI:DE:BGH:2016:151216B2ARS398.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts am 15. Dezember 2016 beschlossen:
Zuständig für die Untersuchung und Entscheidung der Sache ist gemäß § 120 Abs. 1 StVollzG in Verbindung mit § 14 StPO die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Mainz.

Gründe:

I.


1
Der Antragsteller war zunächst Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt R. . In der Fortschreibung des Vollzugsplans vom 20. Juni 2016 sah diese beim Antragsteller wegen angenommener Missbrauchsgefahr keine Eignung für die Gewährung von Vollzugslockerungen. Am 28. Juni 2016 wurde er zur Absolvierung einer beruflichen Qualifikationsmaßnahme dauerhaft in die Justizvollzugsanstalt Zweibrücken verlegt und stellte am 5. Juli 2016 bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken den Antrag auf ge- richtliche Entscheidung, den fortgeschriebenen Vollzugplan „in den Feststellungen hinsichtlich der Gewährung von Vollzugslockerungen“ aufzuheben. Sein Rechtschutzbegehren präzisierte er später dahingehend, dass es ihm möglichst um „alle Lockerungsmöglichkeiten“ gehe, in erster Linie um die Gewährung be- gleiteter und unbegleiteter Ausgänge zur Vorbereitung der Entscheidung über die Reststrafenaussetzung.
2
Mit Beschluss vom 1. August 2016 hat sich die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken für örtlich unzuständig erklärt und die Sache an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Mainz verwiesen. Diese hält sich ebenfalls nicht für zuständig. Sie legte ihre Rechtsauffassung in einem Vermerk nieder und leitete die Akten mit Verfügung vom 23. September 2016 mit der Bitte an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken zurück, die Frage der Zuständigkeit erneut zu prüfen und gegebenenfalls eine obergerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Nachdem die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken eine Änderung ihres Verweisungsbeschlusses abgelehnt und die Akten zunächst dem Pfälzischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt hatte, hat sie den Vorgang mit Verfügung vom 19. Oktober 2016 dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts übersandt.
3
Der Generalbundesanwalt hat beantragt zu beschließen, die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken als für die Untersuchung und Entscheidung der Sache zuständiges Gericht zu bestimmen.

II.


4
Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung des zwischen den Strafvollstreckungskammern in Zweibrücken und Mainz bestehenden Streits gemäß § 120 Abs. 1 StVollzG, § 14 StPO als das gemeinschaftliche obere Gericht zuständig.

III.


5
Zuständig für die Untersuchung und Entscheidung der Sache ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Mainz.

6
1. Maßgebend für die Bestimmung des zuständigen Gerichts ist der das gerichtliche Verfahren einleitende Antrag. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG sind Anträge nach §§ 109 ff. StVollzG sachdienlich, d.h. in einer Weise auszulegen , die den erkennbaren Interessen des Antragstellers bestmöglich Rücksicht trägt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 2012 – 2 BvR 2355/10, 2 BvR 1442/10, BVerfGE 122, 198). Der anwaltlich nicht vertretene Antragsteller begehrt , dass ihm von der Justizvollzugsanstalt Z. künftig Lockerungen gewährt werden. Da diesem Ziel aus seiner Sicht die Regelung zur Lockerungseignung in der Vollzugsplanfortschreibung der Justizvollzugsanstalt R. entgegensteht, beantragt er deren Aufhebung. Ein Antrag auf eine konkrete , zeitlich bestimmte Lockerungsmaßnahme steht nicht im Raum.
7
2. Der Vollzugsplan (bzw. seine regelmäßig vorzunehmende Fortschreibung ) dient der Konkretisierung des Vollzugsziels im Blick auf den einzelnen Gefangenen und bildet einen Orientierungsrahmen zum Behandlungsverlauf, in dem die richtungsweisenden Grundentscheidungen festgelegt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 1993 – 2 BvR 594/92, NJW 1993, 3188). Aufgrund dieser Funktion bewirkt er zugunsten des Gefangenen eine Selbstbindung der Verwaltung (KG, Beschluss vom 21. Oktober 1996 – 5 Ws 396/96 Vollz, NStZ 1997, 207), die nach einer Verlegung auch für die übernehmende Anstalt gilt (OLG Koblenz, Beschluss vom 30. September 1985 – 2 Vollz (Ws) 74/85, NStZ 1986, 92; Nestler in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze , 12. Aufl., Abschn. C Rn. 35). Der Gefangene darf daher bei ihn begünstigende Regelungen eines Vollzugsplans darauf vertrauen, dass sich auch die übernehmende Vollzugsbehörde an diese hält. Soweit – wie hier – Regelungen eines Vollzugsplans den Gefangenen belasten, ist die Vollzugsanstalt , in der sich der Gefangene nach der Verlegung befindet, nicht gehindert, davon zugunsten des Gefangenen abzuweichen (OLG Jena, Beschluss vom 28. November 2005 – 1 AR (S) 167/05, ZfStrVo 2006, 373). Dies gilt erst recht dann, wenn sich die für die Regelung maßgeblichen Umstände seit der letzten Vollzugsplanfortschreibung geändert haben.
8
3. Ungeachtet der Möglichkeit, bei der neuen Vollzugsanstalt die Gewährung einer konkreten Lockerungsmaßnahme zu beantragen, kann der Gefangene mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Verpflichtung der für die Vollzugsplanfortschreibung verantwortlichen früheren Anstalt erstreben, die Regelung zu korrigieren und dadurch die neue Vollzugsanstalt zu seinen Gunsten zu binden. Unabhängig von der auf Aufhebung gerichteten Antragsformulierung ist das Begehren des anwaltlich nicht vertretenen Antragstellers bei verständiger Würdigung seiner Äußerungen daher darauf gerichtet, die Vollzugsbehörde zu verpflichten, in der angegriffenen Vollzugsplanfortschreibung die Eignung für Vollzugslockerungen festzustellen (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 17 Landesjustizvollzugsgesetz Rheinland-Pfalz vom 8. Mai 2013, GVBl. 2013, 79). Insoweit handelt es auch um eine Maßnahme mit Regelungscharakter i.S.d. § 109 Abs. 1 StVollzG (BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 2006 – 2 BvR 1383/03 – BVerfGK 8, 319; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. Juni 2004 – 3 Ws 3/04, NStZ 2006, 64), die mit dem Verpflichtungsantrag (§ 109 Abs. 1 Satz 2 StVollzG) begehrt werden kann.
9
4. Da die Justizvollzugsanstalt R. die angefochtene Maßnahme angeordnet hat, ist sie die gem. § 111 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG am gerichtlichen Verfahren beteiligte Vollzugsbehörde. Nur sie ist auch in der Lage, die für die Vollzugsplanfortschreibung vom 20. Juni 2016 maßgeblichen Erwägungen darzulegen. Deren Relevanz folgt daraus, dass für die gerichtliche Entscheidung über einen Verpflichtungsantrag auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme abzustellen ist (Arloth, StVollzG, 4. Aufl., § 115 Rn. 5; Bachmann in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel aaO Abschn. P Rn.

75).


10
5. Gemäß § 110 StVollzG ist für Anträge auf gerichtliche Entscheidung auf dem Gebiet des Strafvollzugs die Strafvollstreckungskammer örtlich zuständig , in deren Bezirk die beteiligte Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat. Hieraus folgt vorliegend die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Mainz. Fischer Eschelbach Bartel Wimmer Grube

(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Das Gericht kann von einer Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1a) Das Gericht kann anordnen, dass eine Anhörung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Gefangenen zeitgleich in Bild und Ton in die Vollzugsanstalt und das Sitzungszimmer übertragen wird. Eine Aufzeichnung findet nicht statt. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.

(2) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daß und wie die Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist.

(3) Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(4) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(5) Soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(1) Beteiligte des gerichtlichen Verfahrens sind

1.
der Antragsteller,
2.
die Vollzugsbehörde, die die angefochtene Maßnahme angeordnet oder die beantragte abgelehnt oder unterlassen hat.

(2) In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht oder dem Bundesgerichtshof ist Beteiligte nach Absatz 1 Nr. 2 die zuständige Aufsichtsbehörde.