Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Jan. 2013 - 1 StR 641/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat es von der Freiheitsstrafe drei Monate für vollstreckt erklärt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Diese hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
- 2
- Die Strafkammer hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 216 StGB ausgeschlossen und den Angeklagten wegen Totschlags verurteilt.
- 4
- Neben zahlreichen Strafmilderungsgründen wird dem Angeklagten schuldsteigernd angelastet, keine fremde Hilfe angenommen und damit zur „Entstehung der Tat“ beigetragen sowie sich nicht zeitnah um die Beschaffung der Medikamente gekümmert zu haben. Diese strafschärfenden Erwägungen werden von den Feststellungen jedoch nicht getragen. Danach scheiterte nämlich die einzige sich bietende Abhilfemöglichkeit - die vom Hausarzt empfohlene Kurzzeitpflege - an der Weigerung der Geschädigten, während der Angeklagte dem „aufgeschlossen gegenüberstand“. Ein die Schuld des Angeklagten beein- flussender Faktor ergibt sich daraus nicht. Dies gilt auch für die Erwägung, der Angeklagte habe die Medikamente nicht zeitnah beschafft. Nach den Feststellungen haben der Angeklagte und die Geschädigte vier Tage lang auf die Urlaubsrückkehr ihres Hausarztes gewartet, um sich von diesem die nicht lebensnotwendigen Medikamente verschreiben zu lassen. Deren Nichterhalt für vier Tage hatte keine nachteilhaften gesundheitlichen Folgen, vielmehr führten die letztlich erhaltenen Medikamente zu einer weiteren Verschlechterung des Wohlbefindens der Geschädigten. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit das Zuwarten auf die Rückkehr des Arztes das individuelle Maß des Vorwurfs, der dem Angeklagten wegen der Tat zu machen ist, erhöht. Dies gilt zumal, da festgestellt ist, dass der Angeklagte nicht etwa nachlässig mit den Leiden seiner Ehefrau umging, sondern sie liebevoll pflegte.
- 5
- Angesichts dessen kann der Senat trotz der maßvollen Strafe letztlich nicht ausschließen, dass die Schwurgerichtskammer ohne Berücksichtigung der zu beanstandenden Erwägungen ihrer Strafzumessung den gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 213 StGB zugrunde gelegt und auf eine noch mildere Strafe erkannt hätte.
- 6
- Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht allein im Strafausspruch grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation einer bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135; BGH, Beschluss vom 25. September 2012 - 1 StR 212/12, wistra 2013, 35).
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.