Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Aug. 2015 - 1 StR 334/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung , wegen Betrugs in sechs Fällen, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Untreue sowie wegen Untreue in zwei weiteren Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Bankrott zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
- 2
- Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- 1. Der Schuldspruch wegen Betrugs in sechs Fällen, in zwei Fällen davon in Tateinheit mit Untreue, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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- a) Die Strafkammer hat bei der Schadensfeststellung im Wege der gebotenen Gesamtsaldierung (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201 und vom 29. Januar 2013 - 2 StR 422/12, NStZ 2013, 711) zunächst zutreffend darauf abgestellt, dass für die Schadensberechnung der Wert der von den Geschädigten an die J. AG abgetretenen Forderungen im Zeitpunkt der Abtretung entscheidend ist, weil die Zahlungsansprüche der Geschädigten objektiv wertlos waren; denn die von dem Angeklagten vertretene J. AG war von Anfang an nicht bereit, den Kaufpreis für die Forderungen zu entrichten. Den Wert der jeweils abgetretenen Forderung hat das Landgericht aber nicht tragfähig bestimmt.
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- b) Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB tritt nur ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung , vgl. Senat aaO). Bei der hier vorgenommenen Wertberechnung hat die Strafkammer zu Unrecht die Grundkaufpreise der Forderungen als Schaden angesetzt. Dieser errechnete sich aus einem Prozentsatz von 20 bis 25 % des „FairValue“. Die sogenannten Grundkaufpreise sind damit auf eine typisierte Durchschnittsbetrachtung zurückgeführt und stellen schon deshalb keine geeignete Basis für die Schadensbestimmung im Sinne des § 263 StGB dar. Demnach sind die verfahrensgegenständlichen Factoringverträge auch keine Verträge, in denen die Vertragsparteien in einem von Angebot und Nachfrage bestimmten marktwirtschaftlichen System den Wert eines häufig verkauften oder gehandelten Gegenstandes festsetzen, und deshalb bei der Darlegung des Schadens auf nähere Ausführungen verzichtet werden könnte. Hinzu kommt, dass der Angeklagte für die völlig überschuldete J. AG die Forderungen zwar schnell erwerben und verwerten wollte, er von vorneherein jedoch nie vorhatte, den Kaufpreis zu zahlen. Deshalb lässt sich aus dem Kaufpreis kein tragfähiges Indiz für den objektiven Wert der abgetretenen Forderung ableiten.
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- Die Berechnung des wirtschaftlichen Werts der durch die Forderungsabtretung aus dem Vermögen der Geschädigten ohne werthaltigen Gegenanspruch ausgeschiedenen Forderungen hätte das Landgericht deshalb - gegebenenfalls im Wege der Schätzung oder mit sachverständiger Hilfe - anhand der insoweit maßgeblichen Wertkriterien (etwa: materiell-rechtliche Begründetheit des Anspruchs nebst Anspruchsgrundlage und -höhe, Beweisbarkeit im Gerichtsverfahren, Bonität des Schuldners, Vergleichsbereitschaft des Schuldners - Einwendungen/Einreden) ermitteln müssen. Für diese Wertermittlung kann als Indiz auch relevant sein, inwieweit eine Forderung später tatsächlich durchgesetzt werden konnte.
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- c) Vor dem Hintergrund, dass in der Mehrzahl der hier abgeurteilten Fälle die Forderungseintreibung erfolglos blieb, kann der Senat nicht ausschließen, dass die abgetretenen Forderungen im Einzelfall wirtschaftlich wertlos waren und den Getäuschten deshalb im Ergebnis kein Schaden entstanden ist. Der Rechtsfehler betrifft deshalb nicht nur den Schuldumfang, sondern in jedem Fall auch den Schuldspruch des Betrugs.
- 8
- d) Von dem Rechtsfehler sind auch die zugehörigen Feststellungen betroffen (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat sämtliche Feststellungen zu den genannten Taten auf.
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- 2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Betrugs zieht auch die Aufhebung der tateinheitlich abgeurteilten Untreue und des Strafausspruchs nach sich (vgl. zum Verhältnis Betrug und Untreue RG, Urteil vom 6. Juli 1933 - III 598/33, RGSt 67, 273 ff.; BGH, Urteile vom 22. April 1954 - 4 StR 807/53, BGHSt 6, 67, 68 und vom 22. Juli 1970 - 3 StR 237/69, BGHSt 23, 304, 306; Beschluss vom 20. September 2000 - 3 StR 19/00, NStZ 2001, 195, 196; Urteil vom 16. Dezember 2010 - 4 StR 492/10, NStZ 2011, 280, 281).
- 10
- 3. Unberührt von der Entscheidung des Senats bleibt der Ausspruch des Landgerichts zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2013 - 1 StR 641/12 mwN). Der neue Tatrichter wird aber zu prüfen haben, ob die Kompensation im Hinblick auf die nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils verstrichene Zeit zu erhöhen sein wird.
Mosbacher Fischer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
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gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat, - 2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, - 3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt, - 4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder - 5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.
(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) (weggefallen)