Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Aug. 2015 - 1 StR 334/15

bei uns veröffentlicht am19.08.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR334/15
vom
19. August 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. August 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 19. März 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Betrugs in sechs Fällen, in zwei Fällen davon in Tateinheit mit Untreue, verurteilt worden ist, sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung , wegen Betrugs in sechs Fällen, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Untreue sowie wegen Untreue in zwei weiteren Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Bankrott zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Der Schuldspruch wegen Betrugs in sechs Fällen, in zwei Fällen davon in Tateinheit mit Untreue, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Die Strafkammer hat bei der Schadensfeststellung im Wege der gebotenen Gesamtsaldierung (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201 und vom 29. Januar 2013 - 2 StR 422/12, NStZ 2013, 711) zunächst zutreffend darauf abgestellt, dass für die Schadensberechnung der Wert der von den Geschädigten an die J. AG abgetretenen Forderungen im Zeitpunkt der Abtretung entscheidend ist, weil die Zahlungsansprüche der Geschädigten objektiv wertlos waren; denn die von dem Angeklagten vertretene J. AG war von Anfang an nicht bereit, den Kaufpreis für die Forderungen zu entrichten. Den Wert der jeweils abgetretenen Forderung hat das Landgericht aber nicht tragfähig bestimmt.
5
b) Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB tritt nur ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung , vgl. Senat aaO). Bei der hier vorgenommenen Wertberechnung hat die Strafkammer zu Unrecht die Grundkaufpreise der Forderungen als Schaden angesetzt. Dieser errechnete sich aus einem Prozentsatz von 20 bis 25 % des „FairValue“. Die sogenannten Grundkaufpreise sind damit auf eine typisierte Durchschnittsbetrachtung zurückgeführt und stellen schon deshalb keine geeignete Basis für die Schadensbestimmung im Sinne des § 263 StGB dar. Demnach sind die verfahrensgegenständlichen Factoringverträge auch keine Verträge, in denen die Vertragsparteien in einem von Angebot und Nachfrage bestimmten marktwirtschaftlichen System den Wert eines häufig verkauften oder gehandelten Gegenstandes festsetzen, und deshalb bei der Darlegung des Schadens auf nähere Ausführungen verzichtet werden könnte. Hinzu kommt, dass der Angeklagte für die völlig überschuldete J. AG die Forderungen zwar schnell erwerben und verwerten wollte, er von vorneherein jedoch nie vorhatte, den Kaufpreis zu zahlen. Deshalb lässt sich aus dem Kaufpreis kein tragfähiges Indiz für den objektiven Wert der abgetretenen Forderung ableiten.
6
Die Berechnung des wirtschaftlichen Werts der durch die Forderungsabtretung aus dem Vermögen der Geschädigten ohne werthaltigen Gegenanspruch ausgeschiedenen Forderungen hätte das Landgericht deshalb - gegebenenfalls im Wege der Schätzung oder mit sachverständiger Hilfe - anhand der insoweit maßgeblichen Wertkriterien (etwa: materiell-rechtliche Begründetheit des Anspruchs nebst Anspruchsgrundlage und -höhe, Beweisbarkeit im Gerichtsverfahren, Bonität des Schuldners, Vergleichsbereitschaft des Schuldners - Einwendungen/Einreden) ermitteln müssen. Für diese Wertermittlung kann als Indiz auch relevant sein, inwieweit eine Forderung später tatsächlich durchgesetzt werden konnte.
7
c) Vor dem Hintergrund, dass in der Mehrzahl der hier abgeurteilten Fälle die Forderungseintreibung erfolglos blieb, kann der Senat nicht ausschließen, dass die abgetretenen Forderungen im Einzelfall wirtschaftlich wertlos waren und den Getäuschten deshalb im Ergebnis kein Schaden entstanden ist. Der Rechtsfehler betrifft deshalb nicht nur den Schuldumfang, sondern in jedem Fall auch den Schuldspruch des Betrugs.
8
d) Von dem Rechtsfehler sind auch die zugehörigen Feststellungen betroffen (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat sämtliche Feststellungen zu den genannten Taten auf.
9
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Betrugs zieht auch die Aufhebung der tateinheitlich abgeurteilten Untreue und des Strafausspruchs nach sich (vgl. zum Verhältnis Betrug und Untreue RG, Urteil vom 6. Juli 1933 - III 598/33, RGSt 67, 273 ff.; BGH, Urteile vom 22. April 1954 - 4 StR 807/53, BGHSt 6, 67, 68 und vom 22. Juli 1970 - 3 StR 237/69, BGHSt 23, 304, 306; Beschluss vom 20. September 2000 - 3 StR 19/00, NStZ 2001, 195, 196; Urteil vom 16. Dezember 2010 - 4 StR 492/10, NStZ 2011, 280, 281).
10
3. Unberührt von der Entscheidung des Senats bleibt der Ausspruch des Landgerichts zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2013 - 1 StR 641/12 mwN). Der neue Tatrichter wird aber zu prüfen haben, ob die Kompensation im Hinblick auf die nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils verstrichene Zeit zu erhöhen sein wird.
Raum Graf Jäger
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 731/08
vom
18. Februar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja nur 1.
Veröffentlichung: ja
___________________________
1. Beim betrügerisch veranlassten Eingehen eines Risikogeschäfts - mit einer
nicht mehr vertragsimmanenten Verlustgefahr - ist zur Feststellung des Schadens
auf den unmittelbar mit der Vermögensverfügung des Geschädigten eingetretenen
Vermögensnachteil abzustellen. Allein hierauf muss sich das voluntative
Element des Vorsatzes beim Täter beziehen. Auf die Billigung eines
eventuellen Endschadens kommt es insoweit nicht an.
2. Der mit der Vermögensverfügung unmittelbar eingetretene Vermögensschaden
ist durch das Verlustrisiko zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung bestimmt.
Dies stellt hinsichtlich des Straftatbestands einen endgültigen Schaden
dar und nicht nur eine (schadensgleiche) Vermögensgefährdung. Die Höhe des
Vermögensnachteils zum Zeitpunkt der Verfügung ist nach wirtschaftlichen
Maßstäben zu bewerten. Ist eine genaue Feststellung zur Schadenshöhe nicht
möglich, sind hierzu Mindestfeststellungen zu treffen. Dies kann durch Schätzung
geschehen. Dem Tatrichter steht dabei ein Beurteilungsspielraum zu.
BGH, Beschl. vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08 - LG München I
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Februar 2009 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 30. Juli 2008 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 60 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt und festgestellt, dass der Angeklagte aus den abgeurteilten Betrugstaten 21.215.498,98 € erlangt hat und dass dem Verfall des Erlangten und des Wertersatzes Ansprüche der Verletzten entgegenstehen.
2
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
4
1. Zum Betrugsschaden:
5
Nach der Bewertung der Strafkammer erlitten die „Investoren“ mit der Bezahlung ihrer Anlagegelder an den Angeklagten bzw. seine Unternehmen sofort einen endgültigen Schaden, hier in der Gesamthöhe der jeweiligen Anla- gesumme; das Vermögen der Anleger wurde insoweit nicht nur schadensgleich gefährdet. Dies ist frei von Rechtsfehlern.
6
a) Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
7
Der Angeklagte versprach eine sichere, insbesondere bankgarantierte, hochrentierliche Geldanlage. Die einbezahlten Beträge dienten danach nur als Kapitalnachweis. Sie durften während der gesamten Investitionszeit nicht angetastet werden. Als Laufzeit wurden in der Regel zehn Monate vereinbart. Monatlich sollten dann 7 % an Verzinsung ausgeschüttet werden. Einem Großanleger (15 Millionen €) versprach der Angeklagte die Rückzahlung nach drei Monaten, zuzüglich einer Rendite von 50 %.
8
Tatsächlich hatte der Angeklagte nicht vor, die erhaltenen Geldmittel sicher und gewinnbringend anzulegen. Er wollte sie zum einen zur Finanzierung seines Lebensunterhalts verwenden. Zum anderen wollte er - nach Art eines Schneeballsystems - neu eingehende Gelder einsetzen, um Rendite- und Rückzahlungsforderungen der Altinvestoren soweit wie möglich zu befriedigen, um diese in Sicherheit zu wiegen und zu weiteren Einzahlungen zu bewegen.
9
Im Vertrauen auf die Versprechungen des Angeklagten zahlten 31 Personen in der Zeit von September 2005 bis Januar 2008 - teilweise mehrfach - insgesamt 28.206.841,12 € an die Unternehmen des Angeklagten. 7.310.145,58 € schüttete der Angeklagte wieder aus. Einzelne Anleger bekamen damit nicht nur ihr gesamtes Kapital zurück, sondern auch versprochene Erträge ausbezahlt. Mit der Verhaftung des Angeklagten konnten bei seinen Unternehmen noch Vermögenswerte in Höhe von insgesamt 16,8 Millionen € sichergestellt werden (§§ 111c, 111d StPO).
10
b) Ein Schaden i.S.v. § 263 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung (hier die vertragsgemäße Bezahlung der Anlagesumme an den Angeklagten beziehungsweise eines seiner Unternehmen) unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts des Vermögens des Verfügenden führt (Prinzip der Gesamtsaldierung, vgl. BGHSt 3, 99, 102; 16, 220, 221; 30, 388, 389; 34, 199, 203; 45, 1, 4; 51,10, 15 Rdn. 18; 51, 165, 174 Rdn. 31; BGHR StGB § 263 Abs. 1, Vermögensschaden 54, 70; BGH, Beschl. vom 26. Januar 2006 - 5 StR 334/05 -; BVerfG, Beschl. vom 20. Mai 1998 - 2 BvR 1385/95 - 2. Kammer des 2. Senats -; Hefendehl in MünchKomm-StGB § 263 Rdn. 442 ff.).
11
Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und unmittelbar nach der Verfügung (vgl. BGHSt 6, 115, 116; 23, 300, 303; Tiedemann in LK 6. Aufl. § 263 Rdn. 161). Spätere Entwicklungen, wie Schadensvertiefung oder Schadensausgleich (-wiedergutmachung), berühren den tatbestandlichen Schaden nicht. „Wie sich die Dinge später entwickeln, ist für die strafrechtliche Wertung ohne Belang“ (BGHSt 30, 388, 389 f.). Dies hat nur noch für die Strafzumessung Bedeutung (vgl. BGHSt 51, 10, 17 Rdn. 23).
12
Beim Eingehen von Risikogeschäften - mit einer täuschungs- und irrtumsbedingten Verlustgefahr über der vertraglich vorausgesetzten - gilt nichts anderes. Auch in derartigen Fällen ist mit der Vermögensverfügung bei Saldierung der Vermögenslage vor und nach der Verfügung ein Schaden unmittelbar eingetreten. Der Begriff der konkreten Vermögensgefährdung beschreibt dies nur unzureichend und ist entbehrlich (vgl. schon BGH, Beschl. vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07 - [BGHR StGB § 266 I Nachteil 65] Rdn. 18 bis 22 zur entsprechenden Situation beim Vorwurf der Untreue gemäß § 266 StGB). Dement- sprechend erkannte der Bundesgerichtshof auch schon früher: „Für Risikogeschäfte , wie sie hier in Rede stehen, folgt daraus, dass ein Vermögensschaden nur insoweit vorliegt, als die von dem Getäuschten eingegangene Verpflichtung wertmäßig höher ist als die ihm dafür gewährte Gegenleistung unter Berücksichtigung aller mit ihr verbundenen, zur Zeit der Vermögensverfügung gegebenen Gewinnmöglichkeiten“ (BGHSt 30, 388, 390; vgl. auch BGHSt 34, 394, 395 und BGHSt 51, 165, 177 Rdn. 38, wonach die Annahme einer konkreten Vermögensgefährdung bedeutet, dass nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise schon eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage vorliegen muss, dass sie schon jetzt eine Minderung des Gesamtvermögens zur Folge hat; sowie Hefendehl in MünchKomm-StGB § 263 Rdn. 718: „Hierbei handelt es sich indes um ein Scheinproblem, weil die ‚Möglichkeit des Schadens’ eben ein Schaden sein muss“). „Zwischen Schaden (Verlust) und Gefährdung (Beeinträchtigung ) besteht bei wirtschaftlicher Betrachtung also kein qualitativer sondern nur ein quantitativer Unterschied“ (Tiedemann in LK 6. Aufl. § 263 Rdn. 168 m.w.N.).
13
Dass mit dem Eingehen eines Risikogeschäfts - mit einer nicht mehr vertragsimmanenten Verlustgefahr - ein unmittelbarer Wertverlust, eine Vermögenseinbuße einhergeht, liegt bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf der Hand. Dieser Schaden ist auch benennbar. Das mit der Verfügung (hier: Zahlung des Anlagebetrags) eingegangene - aufgrund einer Täuschung und eines entsprechenden Irrtums überhöhte - Risiko und der dadurch verursachte Minderwert des im Synallagma Erlangten sind zu bewerten (vgl. Hefendehl in MünchKomm-StGB § 263 Rdn. 569 ff.), wie im Falle einer Einzelwertberichtigung (vgl. Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 33. Aufl. § 253 Rdn. 21; zu IAS [International Accounting Standards] 39.58 ff. - Finanzinstrumente, Ansatz und Bewertung - vgl. Baumbach/Hopt aaO, Rdn. 42 f., sowie Lüdenbach in Haufe IAS/IFRS, 2. Aufl. § 2 Rdn. 81, Kehm/Lüdenbach in Haufe IAS/IFRS, 2. Aufl. § 28 Rdn. 120 ff.), bei der Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste (§ 249 HGB) oder auch beim Verkauf von Forderungen (vgl. auch Tiedemann in LK 6. Aufl. § 263 Rdn. 168 mit Hinweis auf die Institute des Bilanzrechts ; Goldschmidt/Weigel, Die Bewertung von Finanzinstrumenten bei Kreditinstituten in illiquiden Märkten nach IAS 39 und HGB, WPg 2009, 192 ff.). Dies ist kaufmännischer Alltag (nicht überzeugend deshalb Beulke/Witzigmann, JR 2008, 430, 433, wonach diese schon im Senatsbeschl. vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07 - [BGHR StGB § 266 I Nachteil 65] zur Untreue vertretene Auffassung nicht nur bei Wirtschaftswissenschaftlern auf Unverständnis stoße, sondern auch bei all denen Kopfschütteln auslöse, die in der Praxis mit der Vergabe von Krediten betraut sind).
14
Wenn eine genaue Feststellung zur Schadenshöhe zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung nicht möglich ist, wird der Tatrichter im Hinblick auf die Besonderheiten des Strafrechts Mindestfeststellungen zu treffen haben (BGHSt 30, 388, 390). Dies kann durch Schätzung im Rahmen des dabei eingeräumten Beurteilungsspielraums geschehen.
15
Außerdem entfiele auch mit der verschleiernden Bezeichnung des Schadens als konkrete (schadensgleiche) Vermögensgefährdung im Grunde nicht die Notwendigkeit von deren Bewertung zur Erfassung des Tatunrechts, wenn dem bislang auch kaum entsprochen wurde. Die Rechtsfigur des Gefährdungsschadens birgt aber gerade auch deshalb die Gefahr der Überdehnung des Betrugstatbestands hin zum Gefährdungsdelikt durch Einbeziehung tatsächlich nur abstrakter Risiken in sich (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 263 Rdn. 96). Die Notwendigkeit , den mit der Vermögensverfügung unmittelbar real eingetretenen Schaden zu bewerten und zu benennen, zwingt demgegenüber zur Klarheit und vermeidet Grenzüberschreitungen.
16
Schließlich wäre die Subsumtion wirklich nur „schadensgleicher“ Gefährdungen unter den Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB mit Art. 103 Abs. 2 GG kaum vereinbar. Auch deshalb ist schon die Formulierung bedenklich.
17
Allein auf den unmittelbar mit der Vermögensverfügung des Getäuschten eingetretenen tatbestandlichen Schaden muss sich das voluntative Element des Vorsatzes des Täters erstrecken. Auf die Billigung eines eventuellen Endschadens kommt es nicht an. Ebenso ist die Absicht des späteren Ausgleichs der Vermögensminderung ohne Bedeutung (vgl. auch BGHSt 34, 199, 204 zur Schadenswiedergutmachung nach Ausübung eines eingeräumten Rücktrittsrechts ; BGHSt 23, 300, 303: die Bereitschaft zur Stornierung ist unerheblich; und zur entsprechenden Situation bei der Untreue BGH, Urt. vom 29. August 2008 - 2 StR 587/07 - Rdn. 45 f.). „Wer … die ... Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs bei Kreditgewährung … erkennt und billigend in Kauf nimmt, handelt auch dann vorsätzlich, wenn er hofft oder darauf vertraut, der (spätere endgültige) Schaden werde ausbleiben“ (Tiedemann in LK 6. Aufl. § 263 Rdn. 246).
18
c) Die Täuschung der Anleger über das „Anlagemodell“, über dessen tatsächliche Nichtexistenz, begründet hier in allen Fällen von vorneherein einen Schaden im Umfang der gesamten Leistung. Diese Bewertung des Landgerichts ist rechtlich auch für die frühen Anlagen nicht zu beanstanden, auch nicht in den Fällen, bei denen vom Angeklagten später absprachegemäß geleistet wurde. Das hat die Strafkammer zu Recht - nur - als Schadenswiedergutmachung gewertet. Denn auch in diesen Fällen war der von den Investoren für ihre Zahlungen erlangte Gegenanspruch zum Zeitpunkt der Verfügung wirtschaftlich wertlos. Zwar bestand - wie es einem Schneeballsystem immanent ist - für die ersten Anleger eine gewisse Chance, ihr Kapital zurück und selbst die versprochenen Erträge ausbezahlt zu erhalten. Dies beruhte aber nicht auf der Umsetzung des vom Angeklagten vorgegaukelten Anlagemodells oder auch nur dem Versuch hierzu. Vielmehr hing alles vom weiteren „Erfolg“ des allein auf Täuschung aufgebauten Systems und vom Eingang weiterer betrügerisch erlangter Gelder ab. Die hierauf basierende Aussicht auf Erfüllung der vom Angeklagten eingegangenen Verpflichtung war nicht, auch nicht teilweise die versprochene Gegenleistung, sondern ein aliud ohne wirtschaftlichen Wert (vgl. BGHSt 51, 10, 15 Rdn. 19). Eine auf die Begehung von Straftaten aufgebaute Aussicht auf Vertragserfüllung ist an sich schon wertlos. Wegen des objektiv völlig unrealistischen Anlagemodells und der damit verbundenen Ertragsversprechungen war hier zudem - entgegen dem tatsächlichen Ablauf - ein schnelles Ende zu erwarten , jedenfalls war von Anfang an nicht absehbar, wann das System zusammenbricht , sei es auf Grund strafrechtlicher Ermittlungen oder mangels Eingangs weiterer Anlagen.
19
2. Zur Rüge der Verletzung des § 265 StPO:
20
Der Angeklagte war nach den Feststellungen des Landgerichts im Besitz gefälschter Personalpapiere, nämlich eines Passes und einer Driver Licence von British Honduras sowie einer Yacht-Clubkarte, alle lautend auf den Aliasnamen J. G. . Außerdem besaß er einen Diplomatenpass der „Conch Republic Key West“, ausgestellt auf seinen tatsächlichen Namen Dr. R. . Die Staatsanwaltschaft hatte im Zusammenhang mit der Anklageerhebung in der Schlussverfügung gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung weiterer Straftaten abgesehen, also auch hinsichtlich einer mögli- chen Beteiligung des Angeklagten an Urkundenfälschungen (§ 267 StGB). Gleichwohl - so beanstandet die Revision - habe die Strafkammer die „ausgeschiedenen Tatteile“ strafschärfend berücksichtigt, ohne auf diese Möglichkeit hingewiesen zu haben.
21
Eines rechtlichen und tatsächlichen Hinweises bedurfte es insoweit jedoch nicht.
22
Die Strafkammer hat in den Urteilsgründen nicht auf die strafschärfende Wirkung der Begehung weiterer von der Verfolgung ausgenommener Straftaten abgestellt. Das Landgericht hat vielmehr in der Beschaffung gefälschter Personaldokumente , um sie bei Bedarf tatbezogen einsetzen zu können (UA S. 39), und in deren Verstecken in einem separaten Büro Hinweise auf die Raffinesse und damit auf die hohe kriminelle Energie des Angeklagten gesehen.
23
Ebenso hat die Strafkammer im Verbergen der Geschäftsunterlagen der vom Angeklagten etablierten Unternehmen, im Aufbau eines internationalen Firmengeflechts und in der Nutzung verschiedener Konten zu Verschleierungszwecken , in der Vermögensverlagerung ins Ausland sowie im Nachtatverhalten gegenüber dem Hauptgeschädigten Dr. K. (Forderung der Abgabe einer „Ehrenerklärung“ für den Angeklagten sowie die Zahlung von 300.000,-- € an diesen als Voraussetzung für die Rückzahlung der geleisteten Einlage) Indizien für die hohe kriminelle Energie des Angeklagten gesehen. Auch im zuletzt genannten Punkt spielte eine mögliche strafrechtliche Relevanz bei der Bewertung seitens des Landgerichts keine Rolle.
24
All diese Punkte gehören zum Tatgeschehen und charakterisieren Tat und Täter, wie zahlreiche andere von der Strafkammer aufgeführte strafzumes- sungsrelevante Aspekte. Der strafrechtliche Betrugsvorwurf hat sich durch den Besitz der gefälschten Personalpapiere weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht bezüglich der Tatrichtung, der Beteiligung oder sonstiger wesentlicher Punkte verändert. Eines ausdrücklichen Hinweises auf die Strafzumessungsrelevanz derartiger das Tat- und Täterbild kennzeichnenden Aspekte des Tatgeschehens bedarf es nicht. Dies ist selbstverständlich.
25
Dass der Besitz der gefälschten Personalpapiere - in der Anklageschrift hatte dies keine Erwähnung gefunden - als Facette zur Kennzeichnung der Täterpersönlichkeit relevant sein könnte, war nach dem auch der Revisionsbegründung zu entnehmenden Verfahrensgang (Inaugenscheinnahme der Dokumente sowie Vernehmung des Zeugen S. hierzu) offensichtlich. Der Angeklagte hat die Existenz der Papiere in der Hauptverhandlung auch eingeräumt.
26
3. Zur Rüge der Nichterörterung des § 41 StGB:
27
Die Revision beanstandet die fehlende Erörterung der Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe neben einer - dann niedrigeren - Freiheitsstrafe gemäß § 41 StGB. Dies sei immer geboten, wenn die Straftaten zu erheblichen Gewinnen geführt haben, durch die ein Angeklagter ein beträchtliches Vermögen erworben hat.
28
Die Revision übersieht hierbei jedoch, dass bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 41 Satz 1 StGB) solche Vermögenswerte außer Betracht zu bleiben haben, die dem Verfall gemäß §§ 73, 73a StGB (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 41 Rdn. 2) bzw. der Rückgewinnungshilfe nach § 111i StPO unterliegen (vgl. auch Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung , 4. Aufl. Rdn. 214). Das Gericht hat gemäß § 111i Abs. 2 Satz 2 StPO zwar festgestellt, dass der Angeklagte 21.215.498,98 € aus den abgeurteilten Betrugstaten erlangt hat, aber auch, dass dem Verfall des Erlangten und des Wertersatzes Ansprüche der Verletzten entgegenstehen. Die auf Betreiben der Strafverfolgungsbehörden sichergestellten Werte (Arrest- und Pfändungsbeschlüsse über 16,8 Mio. €) fließen damit an die Geschädigten oder - unter den Vorsaussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO - dann doch in die Staatskasse. Vor dem Hintergrund der sonstigen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten lag deshalb die Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe gemäß § 41 StGB neben einer - auch dann noch mehrjährigen Freiheitsstrafe - sehr fern. Einer Erörterung in den schriftlichen Urteilsgründen bedurfte dies deshalb nicht. Ausführungen hierzu hätten die Gründe, die sich auf das Wesentliche konzentrieren sollen, vielmehr nur unnötig belastet.
29
4. Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 13. Januar 2009 verwiesen.
Nack Kolz Hebenstreit Elf Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 422/12
vom
29. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 29. Januar 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. November 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch in den Fällen III. 2-5 der Urteilsgründe,
b) im Strafausspruch in den Fällen III. 1 und 6 der Urteilsgründe sowie
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Kompensationsentscheidung. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtszug mit Urteil vom 22. Dezember 2009 wegen Betruges in acht tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dieses Urteil hob der Senat auf die Revision des Angeklagten mit Beschluss vom 22. Dezember 2010 (2 StR 386/10) wegen eines durchgreifenden Verfahrensfehlers auf. Nach Zurückverweisung der Sache hat das Landgericht den Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil nunmehr wegen Betruges in sechs Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und ausgesprochen, dass hiervon ein Jahr und acht Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg ; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts waren der Angeklagte und der gesondert verfolgte R. faktische Geschäftsführer der F. AG mit Sitz in der Schweiz, der Angeklagte zudem Vertreter der Zweigniederlassung dieser Gesellschaft in Fr. . In diesem geschäftlichen Rahmen boten sie Eigentumswohnungen auch Personen an, die sich in einer angespannten finanziellen Lage befanden und Geldmittel benötigten, wegen fehlender Kreditwürdigkeit und mangels Sicherheiten aber keine Bankdarlehen erhielten. Sie empfahlen den Kunden den Kauf von Eigentumswohnungen mit der Zusage, ihnen 10 % des Kaufpreises in bar als kick-back-Zahlung zur freien Verwendung zu überlassen und mit dem Versprechen, die F. AG werde die Grunderwerbssteuer und die Vertragsnebenkosten übernehmen. Die Wohnungen wurden erst kurz vor dem Weiterverkauf im Auftrag der F. AG von Dritten erworben und mit einem Aufschlag von rund 100 % an die Käufer weiterverkauft. Dem so erhöhten Kaufpreis wurden die Vermittlungsprovisi- onen, die Erwerbsnebenkosten der Käufer und die ihnen zugesagten kick-backZahlungen entnommen, was den Banken, die 80 bis 90 % des (überhöhten) Kaufpreises finanzierten, nicht bekannt war. Die zur Sicherung der Rückzahlungsansprüche zugunsten der Banken bestellten Grundschulden waren dementsprechend minderwertig, was von diesen unentdeckt blieb.
3
Die Banken machten die Darlehensgewährung davon abhängig, dass die Käufer die Zahlung des Restkaufpreises nachwiesen. Da die Käufer in der Regel über kein Eigenkapital verfügten, bestätigten der Angeklagte und der gesondert verfolgte R. oder die beteiligten und in das Geschäftsmodell eingeweihten Notare gegenüber den Kreditinstituten wahrheitswidrig, dass die Käufer den Restkaufpreis entweder durch Zahlung oder Verrechnung geleistet hätten. Zudem legten der Angeklagte bzw. R. den Banken jeweils falsche Bonitätsnachweise der Käufer vor, um deren Kreditfähigkeit vorzutäuschen. Hätten die Banken Kenntnis gehabt von der schlechten Bonität der Käufer und deren fehlendem Eigenkapital einerseits sowie der Erhöhung der Kaufpreise zwischen An- und Verkauf um rund 100 % mit der Folge, dass der Betrag der bestellten Grundschulden den Verkehrswert der Immobilien deutlich überstieg, andererseits , so hätten sie die Kredite nicht bewilligt. Sämtliche Finanzierungen wurden - teilweise bereits nach wenigen Monaten - notleidend, so dass die Kreditinstitute die Verwertung der als Sicherheit bestellten Grundschulden betrieben und mit Ausnahme des Falls III. 2 Verluste erlitten.
4
Gegenstand des hiesigen Verfahrens sind Finanzierungsgeschäfte betreffend Wohneinheiten in H. und S. sowie Wohnungen in einem Studentenwohnheim in W. . Betreffend die Wohnungen in W. warben der Angeklagte und R. mit einer zweijährigen Mietgarantie, die sie zuvor durch eine Zahlung an die Hausverwaltung des Wohnheims finanziert hatten, da sie wussten, dass die Wohnungen allenfalls zur Hälfte des garantierten Mietpreises zu vermieten waren.
5
Im Einzelnen kam es zu folgenden Taten:
6
Fall 1
7
Die F. AG verkaufte dem Erwerber A. 1997 drei Eigentumswohnungen des Objekts in H. . A. war geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH, für deren Verbindlichkeiten er in Höhe von 500.000 DM als Bürge haftete. Daneben hatte er Schulden mit seiner Ehefrau in Höhe von 1,6 Mio. DM. Gegen ihn erging am 24. Februar 1997 ein Vollstreckungsbescheid. Da er die titulierte Forderung nicht begleichen konnte, gab er 1998 die eidesstattliche Versicherung ab. Der Angeklagte vermittelte A. zur Finanzierung seiner Wohnungskäufe an die Deutsche Hypothekenbank und gab dieser gegenüber wahrheitswidrig an, dass A. die Erwerbsnebenkosten trage. In der von ihm abgegebenen Selbstauskunft verschwieg A. seine Bürgschaftsverpflichtung sowie sonstigen Verbindlichkeiten. Auf die ihm gewährten Darlehen in Höhe von zweimal je 342.000 DM und 227.000 DM erbrachte er keine Zahlungen.
8
Fälle 2 bis 5
9
Dem Erwerber B. verkaufte die F. AG Anfang 1998 insgesamt neun Wohnungen, wobei sechs Finanzierungsgeschäfte verfahrensgegenständlich sind. Bei B. handelt es sich insofern um einen atypischen Kunden, als er aufgrund eines monatlichen Nettoverdienstes von 3.800 DM und der Auszahlung eines Bausparvertrages über 120.000 DM ursprünglich grundsätzlich solvent und zahlungswillig war. Indes reichten seine Mittel nicht aus, um Kredite für sämtliche von ihm erworbenen Immobilien auf Dauer zu bedie- nen. Der Angeklagte reichte daher die Bonitätsunterlagen gezielt gleichzeitig bei verschiedenen Banken ein, ohne die jeweils anderen davon zu unterrichten. B. kam in den Fällen 2 bis 5 im Jahr 2000 in Zahlungsverzug; im Fall 5 wurde das Darlehen im Jahr 2003 gekündigt. Insgesamt erbrachte er folgende Zahlungen auf die Darlehen: - im Fall 2: 123.343,12 DM (Darlehensvaluta: 202.000 DM) - im Fall 3: 178.155,81 DM (Darlehensvaluta: 240.000 DM) - im Fall 4: 77.456,34 DM (Darlehensvaluta: 134.000 DM) - im Fall 5: 102.796,48 DM (Darlehensvaluta: 251.000 DM)
10
Fall 6
11
Dem Erwerber D. verkaufte die F. AG ebenfalls neun Wohnungen , wobei hiervon zwei Finanzierungsgeschäfte verfahrensgegenständlich sind. D. wurde von seiner Hausbank als nicht mehr kreditwürdig angesehen , da er nicht nur eigene hohe finanzielle Belastungen hatte, sondern auch als Mitgesellschafter eines Baustoffhandels für dessen Verbindlichkeiten in Höhe von 200.000 bis 300.000 DM als Bürge haftete. Auf Veranlassung des Angeklagten täuschte D. ein höheres Einkommen vor. Bereits 1999 konnte D. das ihm ein Jahr zuvor gewährte Darlehen in Höhe von 273.000 DM nach Erbringung von Rückzahlungen in Höhe von 14.763,64 DM nicht mehr bedienen.
12
Bei den geschädigten Banken verblieb letztlich nach Abzug der von den Kreditnehmern erbrachten Zahlungen und der Verwertungserlöse aus den Zwangsversteigerungsverfahren von der Summe der Darlehensvaluta ein Ge- samtschaden von 470.581 €. Diesen Betrag hat das Landgericht als Betrugsschaden zugrunde gelegt.

II.

13
Die Revision des Angeklagten ist mit der Sachrüge überwiegend begründet. Die Berechnung des Betrugsschadens durch das Landgericht hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dieser Rechtsfehler führt in den Fällen III. 2-5 der Urteilsgründe zur Aufhebung der Schuldsprüche, in den Fällen III. 1 und 6 der Urteilsgründe zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen.
14
1. In den Fällen III. 2-5 der Urteilsgründe belegen die getroffenen Feststellungen nicht, dass den kreditgebenden Banken ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB entstanden ist.
15
a) Ein derartiger Schaden tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201 mwN). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung , also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung (BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638, 639). Ob die Hingabe eines Darlehens einen Vermögensschaden bewirkt, ist daher durch einen für den Zeitpunkt der Darlehenshingabe anzustellenden Wertvergleich mit dem Rückzahlungsanspruch des Darlehensgläubigers zu ermitteln. Die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs wird dabei durch die Bonität des Schuldners und den Wert der bestellten Sicherheiten bestimmt. Ein Schaden entsteht daher nur, wenn die vorgespiegelte Rückzahlungsmöglichkeit nicht besteht (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - 3 StR 576/08, StV 2010, 78) und auch gegebene Sicherheiten wertlos oder minderwertig sind (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2005 - 2 StR 6/05, NStZ-RR 2005, 374; BGH, Beschluss vom 5. März 2009 - 3 StR 559/08, NStZ-RR 2009, 206). Auch bei einer eingeschränkten oder fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit des Schuldners entsteht demnach kein Schaden, wenn und soweit der getäuschte Gläubiger über werthaltige Sicherheiten verfügt, die sein Ausfallrisiko abdecken und - ohne dass der Schuldner dies vereiteln kann - mit unerheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand realisierbar sind (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2008 - 3 StR 420/08, NStZ 2009, 150). Ein Minderwert des Rückzahlungsanspruchs , etwa infolge einer Täuschung über die Bonität, kann mithin durch den Wert hinreichend werthaltiger und liquider Sicherheiten kompensiert werden (vgl. BGH, aaO, NStZ-RR 2005, 374; BGH, aaO, NStZ-RR 2009, 206; Fischer StGB 60. Aufl. § 263 Rn. 133).
16
Dieser Minderwert des im Synallagma Erlangten ist dabei unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 5 StR 307/12, wistra 2013, 20; BGH, Beschluss vom 13. April 2012 - 5 StR 442/11, NStZ 2012, 698, 699; BGH, aaO, NStZ 2011, 638, 639; BGH, aaO, BGHSt 53, 198, 202 f.). Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229; BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 47) ist er konkret festzustellen und ggf. unter Beauftragung eines Sachverständigen zur wirtschaftlichen Schadensfeststellung zu beziffern. Die banküblichen Bewertungsansätze für Wertberichtigungen können hierbei Anwendung finden; denn ist aufgrund fehlender Bonität des Schuldners und nicht ausreichender Sicherheiten mit einem teilweisen Forderungsausfall zu rechnen, so müssen entsprechende bilanzielle Korrekturen vorgenommen werden (BGH, aaO, NStZ 2012, 698, 699). Sofern genaue Feststellungen zur Einschätzung dieses Ausfallrisikos nicht möglich sind, sind Mindestfeststellungen zu treffen, um den dadurch bedingten Minderwert und den insofern eingetretenen wirtschaftlichen Schaden unter Beachtung des Zweifelsatzes zu schätzen.
17
b) Diesen Maßstäben wird das landgerichtliche Urteil nicht gerecht, wenn es zur Feststellung des Schadens im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB allein auf den Vermögensverlust abstellt, der den geschädigten Banken nach Abzug der geleisteten Zahlungen und Verwertung der Grundschulden im Rahmen der Zwangsversteigerung verblieben ist (UA S. 47). Die Strafkammer hätte vielmehr - naheliegend mit sachverständiger Beratung - den Wert des Rückzahlungsanspruchs gegenüber dem Darlehnsschuldner B. unter Berücksichtigung seiner Bonität und der Werthaltigkeit der als Sicherheit bestellten Grundschulden zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung ermitteln müssen. Nur bei Vorliegen eines täuschungsbedingten Minderwerts des gesicherten Darlehnsrückzahlungsanspruchs wäre die Annahme eines Schadens - ohne dass es auf den tatsächlichen Verlauf des Darlehnsverhältnisses (noch) ankommt - gerechtfertigt.
18
Dieser Mangel führt zur Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen III. 2-5, da der Senat unter Berücksichtigung der in den Urteilsgründen mitgeteilten Umstände zur Leistungsfähigkeit des Darlehnsschuldners B. und zur Werthaltigkeit der bestellten Sicherheiten nicht ausschließen kann, dass letztlich in jedem der fünf Fälle kein relevanter Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB entstanden ist. Zwar spricht Einiges dafür, dass durch die nahezu gleichzeitige Inanspruchnahme von neun Krediten zur Finanzierung von Immobilienerwerben die finanzielle Leistungsfähigkeit des Käufers B. in maßgeblicher Weise überstiegen wurde, obwohl er grundsätzlich solvent war, über nicht unerhebliche Rücklagen verfügte und zudem eine wert- haltige Aussicht auf kick-back-Zahlungen besaß. Ob aber deshalb auch von einer Minderwertigkeit des (gesicherten) Darlehensrückzahlungsanspruchs ausgegangen werden muss, lässt sich anhand der landgerichtlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Es erscheint durchaus möglich, dass eine eventuelle Wertminderung des persönlich gegen den Erwerber B. gerichteten schuldrechtlichen Anspruchs durch die dingliche Sicherung der erworbenen Grundstücke mit Grundschulden ausgeglichen worden ist. Zwar geht das Landgericht in seinen Feststellungen insoweit davon aus, dass die jeweilige Grundschuld wegen des nicht dem Darlehensbetrag entsprechenden Verkehrswerts der Wohnung (allein) keine "ausreichende Sicherheit" für das gewährte Darlehen geboten habe (vgl. UA S. 36), doch berücksichtigt es damit nicht, dass auch eine unter dem Darlehensbetrag liegende dingliche Sicherung im Zusammenhang mit jedenfalls teilweise werthaltigen schuldrechtlichen Ansprüchen gegen den Darlehensschuldner die Werthaltigkeit des Darlehnsrückzahlungsanspruchs erhalten kann. Im Ergebnis kann der Senat nicht ausschließen , dass unter Berücksichtigung einer gewissen Werthaltigkeit des schuldrechtlichen Rückzahlungsanspruches und des konkreten Werts der Grundschulden zum Zeitpunkt der Darlehensauskehrung ein relevanter Vermögensschaden nicht gegeben ist.
19
2. Der Schuldspruch in den Fällen III. 1 und 6 der Urteilsgründe begegnet dagegen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Angesichts der offensichtlichen Zahlungsunfähigkeit des Erwerbers A. bereits zum Zeitpunkt der Darlehensgewährungen, die durch seine Überschuldung und das Ausbleiben jeglicher Rückzahlungen an das Kreditinstitut belegt wird, kann ausgeschlossen werden, dass im Fall III. 1 überhaupt kein Schaden entstanden ist. Gleiches gilt im Fall III. 6. Zwar hat der Erwerber D. in geringerem Umfang zunächst Ratenzahlungen erbracht. Jedoch ist angesichts des Umstandes, dass er trotz erheblicher Verschuldung insgesamt neun über Darlehen finan- zierte Wohnungen gekauft hat, von fehlender Zahlungsunfähigkeit auszugehen, die mangels hinreichender Kompensation durch die bestellten Grundschulden einen Vermögensschaden begründet. Da der Rechtsfehler allein in der unterbliebenen Bezifferung des Schadensumfangs liegt, sind in beiden Fällen lediglich die Strafaussprüche aufzuheben.
20
3. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen III. 2-5 und der Strafaussprüche in den Fällen III. 1 und 6 zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe und der Kompensationsentscheidung nach sich.
Becker Berger Krehl RiBGH Dr. Eschelbach ist Ott erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Becker

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 492/10
vom
16. Dezember 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Dezember
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 7. Juni 2010 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Untreue in vier Fällen und versuchten Betruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte im Tatzeitraum Vertriebsleiter der Firma R. GmbH (Firma R. ), die Supermärkte, Handelsmärkte und Online-Shops mit Computern und Computerzubehör belieferte. In dieser Funktion war der Angeklagte insbesondere für das Aushandeln und den Abschluss von Geschäften mit Großkunden der Firma R. zuständig. Er war bevollmächtigt, im Außenverhältnis wirksam Verträge abzuschließen (UA 5). Im Innenverhältnis musste er die Vertragsangebote mit dem Geschäftsführer der Firma R. , dem Zeugen K. , abstimmen. Der Angeklagte schloss in den vier als Untreue abgeurteilten Fällen unter Missachtung der Vorgaben der Geschäftsleitung Kaufverträge mit zu geringen, unter dem Einkaufs- bzw. Herstellungspreis liegenden Verkaufspreisen ab (Fälle II. 2., 4., 6. und 8. der Urteilsgründe). Alle gegenständlichen Verträge wurden zu den vom Angeklagten ausgehandelten, unter dem Selbstkostenpreis liegenden Verkaufspreisen abgewickelt.
3
Einer der Großkunden war die Firma Ro. GmbH & Co L. KG (Firma Ro. ), die unter dem Label "N. " eine Reihe von Supermärkten betreibt und im Rahmen von Aktionen auch jeweils größere Posten an Unterhaltungselektronik, Computern und Computerzubehörteilen bei der Firma R. kaufte. Als deren Vertreter schloss der Angeklagte am 24. Juli 2007 einen Kaufvertrag mit der Firma Ro. über 4.500 Computer zu einem Verkaufspreis von 303 € pro Stück, obwohl der Einkaufspreis bei 313,80 € lag (Fall II. 2. der Urteilsgründe). In der nachfolgend von der Firma Ro. übersandten Kaufbestätigung änderte der Angeklagte den Verkaufspreis handschriftlich auf 351 € pro Stück ab; sodann legte er die Bestätigung dem Geschäftsführer der Firma R. , dem Zeugen K. , zur Unterschrift vor. Das von diesem unterzeichnete Schriftstück sandte der Angeklagte allerdings nicht, wie von der Firma Ro. erbeten, an diese zurück. Die Firma Ro. behielt letztlich 2.700 Computer. Der Firma R. entstand durch den Verkauf unter dem Einkaufspreis ein Schaden in Höhe von 29.160 €.
4
Auch in den anderen drei Fällen der Untreue ging der Angeklagte in vergleichbarer Weise vor. Im Fall II. 8. der Urteilsgründe verkaufte der Angeklagte der Firma Ro. 2.200 Media-Player, wobei die Käuferin nur 1.100 Geräte behielt , zu einem Preis von 125 €, obwohl der Einkaufspreis bei 131,80 € pro Stück lag. Die Firma G. AG kaufte 180 Einsteiger-PCs zu einem Preis von je 180 €, obwohl der Herstellungspreis 226,29 € betrug (Fall II. 4. der Urteilsgründe ). Mit der Firma C. E. SE, die 600 LCD-Monitore kaufte, deren Einkaufspreis pro Stück bei 163,50 € lag, vereinbarte der Angeklagte einen Verkaufspreis von jeweils 157 € (Fall II. 6. der Urteilsgründe).
5
Der Angeklagte erhielt neben seinem Festgehalt umsatzabhängige Provisionszahlungen. Ihm standen als Provision 8 % der Rohertragssumme zu, die jeweils im abgelaufenen Monat an seine Kunden fakturiert wurden; bei dem Rohertrag handelte es sich um die Differenz zwischen dem Bewertungspreis bzw. den Herstellungskosten und dem Verkaufspreis. Der Bewertungspreis ergibt sich aus dem Einkaufspreis zuzüglich eines Gemeinkostenzuschlags von 2 %. Für die Provisionsabrechnung führte die Firma R. eine Art Kontokorrentkonto.
6
In den jeweils als versuchten Betrug abgeurteilten Fällen II. 1., 3., 5. und 7. der Urteilsgründe spiegelte der Angeklagte nach Vertragsabschluss der Geschäftsführung der Firma R. vor, die Verträge mit höheren, über dem Bewertungspreis bzw. den Herstellungskosten liegenden Verkaufspreisen abgeschlossen zu haben, um auf diese Weise Provisionszahlungen zu erhalten, auf die er keinen Anspruch hatte. Es handelte sich hierbei um die bereits dargestellten Vertragsabschlüsse mit der Firma Ro. vom 24. Juli 2007 (Fall II. 3. der Urteilsgründe), der Firma G. AG – hier spiegelte der Angeklagte einen Verkaufspreis von 265 € vor – (Fall II. 5. der Urteilsgründe) und der Firma C. E. SE, wobei der Angeklagte wahrheitswidrig einen Verkaufspreis von 170,50 € erklärte (Fall II. 7. der Urteilsgründe). Der Fall II. 1. der Urteilsgründe betraf einen weiteren Vertragsabschluss mit der Firma Ro. . Der Angeklagte vereinbarte mit dem dort als Einkaufsleiter tätigen Zeugen F. die Lieferung von 3.600 LCD-TV-Geräten, wobei letztlich allenfalls 1.335 Geräte bei der Firma Ro. verblieben, zum Preis von je 181 €, obwohl der Bewertungspreis bei 181,88 € lag. In der von der Firma Ro. übersandten Kaufbestätigung änderte der Angeklagte handschriftlich den Verkaufspreis in 191 € pro Stück ab. Der Zeuge K. , der die Kaufbestätigung unterschrieb, ging somit von einem gemäß seiner Vorgabe tatsächlich vereinbarten Kaufpreis von 191 € aus. Die Strafkammer konnte nicht feststellen, ob die in den vier Fällen zu Unrecht erstrebten Provisionen tatsächlich ausgezahlt oder auf andere Weise mit den Einkünften des Angeklagten verrechnet wurden.

II.


7
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.
8
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Der Angeklagte hat in den Fällen II. 2., II. 4., II. 6. und II. 8. der Urteilsgründe jeweils den Tatbestand der Untreue in der Alternative des Missbrauchstatbestandes verwirklicht. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts hat er in diesen Fällen nicht als Vertreter ohne Vertretungsmacht, sondern im Rahmen des ihm nach außen hin möglichen Könnens gehandelt. Ebenso wenig ist die Annahme von Tatmehrheit zwischen Untreue und versuchtem Betrug in den Fällen II. 2./3., II. 4./5. und II. 6./7. der Urteilsgründe zu beanstanden.
9
1. Der Missbrauchstatbestand gemäß § 266 Abs. 1 1. Alt. StGB erfasst Rechtsbeziehungen, durch die einem Beteiligten rechtliches Können gewährt wird, das über das rechtliche Dürfen hinausgeht (BGH, Urteil vom 27. Januar 1988 – 3 StR 61/87, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Missbrauch 2).
10
Nach den getroffenen Feststellungen konnte der Angeklagte auf Grund der ihm erteilten Vertretungsmacht die Firma R. im Außenverhältnis in rechtlich wirksamer Weise verpflichten. Er war als Vertriebsleiter für das Aushandeln und den Abschluss von Geschäften mit Großkunden der Firma R. zuständig. Die Verträge handelte er hinsichtlich des Liefergegenstandes, -umfangs und -zeitpunktes, des Verkaufspreises und der Möglichkeit zur Rückgabe nicht verkaufter Ware verbindlich aus. Der Zeuge K. - Geschäftsführer der Firma R. - sah sich dementsprechend in den abgeurteilten Fällen an die vom Angeklagten als Vertriebsleiter mündlich oder per E-Mail vereinbarten Konditionen gebunden.
11
Dem Angeklagten ist danach zumindest schlüssig (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1982 – VII ZR 268/81, NJW 1982, 1389, 1390; Baumbach/ Hopt/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 54 Rn. 8) Handlungsvollmacht gemäß § 54 Abs. 1 HGB für die Erledigung aller mit dem Vertrieb üblicherweise verbundenen Geschäfte erteilt worden. Der Handlungsbevollmächtigte gemäß § 54 HGB ist Befugnisinhaber im Sinne des § 266 Abs. 1 1. Alt. StGB (Wittig in von Heintschel -Heinegg, StGB, § 266 Rn. 7, 8.3; Schünemann in Leipziger Kommentar, 11. Aufl., § 266 Rn. 49; MünchKommStGB/Dierlamm § 266 Rn. 29). § 54 HGB regelt in Absatz 1 eine widerlegbare Vermutung für einen bestimmten typisierten Umfang der erteilten Handlungsvollmacht (Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Weber, HGB, 2. Aufl., § 54 Rn. 8; Baumbach/Hopt/Hopt aaO § 54 Rn. 9). Soweit die Auslegung der erteilten Vollmacht ergibt, dass eine der in Absatz 1 geregelten typisierten Formen vorliegt, ist auf die gesetzliche Vermutung zurückzugreifen (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber aaO § 54 Rn. 9). Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen besaß der Angeklagte eine so genannte Arthandlungsvollmacht. Er war als Leiter des Vertriebs zur Vornahme einer bestimmten, zu einem Handelsgewerbe gehörigen Art von Geschäften ermächtigt (vgl. Baumbach/Hopt/Hopt aaO § 54 Rn. 10). Die Handlungsvollmacht erstreckt sich auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, welche die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Was gewöhnlich ist, bestimmt sich etwa nach der Branche sowie der Art und Größe des Unternehmens (Baumbach/Hopt/Hopt aaO § 54 Rn. 10). Bei einem Großunterneh- men wie der Firma R. sind selbst Vertragsabschlüsse von erheblicher finanzieller Tragweite noch zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb zu rechnen (BGH, Urteil vom 19. März 2002 – X ZR 157/99, BGHR HGB § 54 Abs. 3 Beschränkung 1).
12
Angesichts der Vertretungsmacht des Angeklagten ist das Schweigen auf die schriftlichen Kaufbestätigungen der Firma Ro. in den abgeurteilten Fällen II. 2. und 8. der Urteilsgründe für die Frage der Wirksamkeit der Verträge nicht von Bedeutung. Die Kaufbestätigungen enthielten außer den vom Angeklagten und dem Zeugen F. – Einkaufsleiter der Firma Ro. – ausgehandelten Konditionen insbesondere ein Vertragsstrafenversprechen und eine Gerichtsstandsvereinbarung. Die dem Zeugen K. in den Fällen II. 2. und 8. der Urteilsgründe vorgelegten und unterzeichneten Kaufbestätigungen wurden vom Angeklagten nicht an die Firma Ro. zurückgesandt; dies war für die Durchführung der Verträge nach der Übung der Vertragsparteien auch nicht erforderlich. Warenlieferung sowie Bezahlung erfolgten ungeachtet der Nichtrücksendung der Kaufbestätigung entsprechend der per E-Mail oder mündlich zuvor zwischen dem Zeugen F. und dem Angeklagten getroffenen Vereinbarung. Der jeweilige Vertrag ist demnach im Vorfeld des Bestätigungsschreibens bereits mündlich bzw. im Rahmen des E-Mail-Kontakts zum Abschluss gebracht worden, so dass den Kaufbestätigungen nur noch die Bedeutung eines Beweismittels zukommt (BGH, Urteil vom 18. März 1964 – VIII ZR 281/62, NJW 1964, 1269, 1270; Baumbach/Hopt/Hopt aaO § 346 Rn. 17). Zudem kann entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts von einer Wirksamkeit der Verträge in den als Untreue abgeurteilten Fällen II. 2. und II. 8. der Urteilsgründe erst aufgrund des nachfolgenden Schweigens auf die Kaufbestätigungen auch deshalb nicht ausgegangen werden, da die Firma Ro. jeweils um eine Gegenbestätigung gebeten hat. Derjenige, der um eine Gegenbestätigung bittet, ver- fasst grundsätzlich kein Bestätigungsschreiben, das bei Schweigen des Empfängers verbindlich ist (BGH, Urteil vom 18. März 1964 – VIII ZR 281/62, NJW 1964, 1269, 1270; MünchKommHGB/Karsten Schmidt, 2. Aufl., § 346 Rn. 151; Heymann/Horn, HGB, 2. Aufl., § 346 Rn. 51).
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Im Außenverhältnis konnte der Angeklagte demnach den Verkaufspreis verbindlich festlegen. Das Verhalten des Angeklagten, der Abschluss von Kaufverträgen unter Missachtung der Vorgaben der Geschäftsleitung mit zu geringen , unter dem Einkaufs- oder Herstellungspreis liegenden Verkaufspreisen, war jedoch im Innenverhältnis nicht durch die verliehene Befugnis gedeckt (vgl. zur überschießenden Rechtsmacht im Außenverhältnis bei der Handlungsvollmacht Joost in: Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 54 Rn. 41 f., 73).
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Die weiteren Voraussetzungen des § 266 Abs. 1 1. Alt. StGB sind erfüllt.
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2. Die Annahme von Tatmehrheit zwischen dem Tatbestand der Untreue und dem des versuchten Betruges lässt hier entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ebenso wenig einen Rechtsfehler erkennen. Die Bewertung des Konkurrenzverhältnisses hält sich vorliegend im Rahmen des insoweit dem Tatrichter eröffneten Beurteilungsspielraums (BGH, Urteil vom 25. September 1997 – 1 StR 481/97, NStZ-RR 1998, 68, 69; Beschluss vom 19. April 2007 – 4 StR 572/06, NStZ-RR 2007, 235). Auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der natürlichen Handlungseinheit war die Annahme nur einer Tat zwischen Untreue und versuchtem Betrug in den Fällen II. 2./3., II. 4./5. und II. 6./7. der Urteilsgründe nicht geboten. Eine solche liegt vor, wenn zwischen einer Mehrheit strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters auch für einen Dritten objektiv als einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint, und wenn die einzelnen Betätigungen auf einer einzigen Willensentschließung beruhen (BGH, Beschlüsse vom 18. Mai 2010 – 4 StR 182/10, wistra 2010, 345; vom 3. August 2010 – 4 StR 157/10 und vom 14. September 2010 – 4 StR 422/10). Nach den Feststellungen des Landgerichts spiegelte der Angeklagte jeweils nach Vertragsschluss der Geschäftsleitung der Firma R. vor, die Verträge mit höheren, über dem Bewertungsbzw. Herstellungspreis liegenden Verkaufspreisen abgeschlossen zu haben. Damit liegt der Untreue durch Abschluss der Kaufverträge und dem (versuchten ) Betrug durch Täuschung des Arbeitgebers schon kein einheitlicher Tatentschluss zu Grunde.
Ernemann Ri'inBGH Solin-Stojanović Cierniak befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 641/12
vom
8. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Januar 2013 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 21. September 2012 im Strafausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO). Die weitergehende Revision wird verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat es von der Freiheitsstrafe drei Monate für vollstreckt erklärt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Diese hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Die Strafkammer hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 216 StGB ausgeschlossen und den Angeklagten wegen Totschlags verurteilt.
3
Bei der Strafzumessung ist sie unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB vom Strafrahmen des § 213 Alt. 2 StGB ausge- gangen. Diese Strafrahmenwahl hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, da zu besorgen ist, dass sie von fehlerhaften Erwägungen beeinflusst war.
4
Neben zahlreichen Strafmilderungsgründen wird dem Angeklagten schuldsteigernd angelastet, keine fremde Hilfe angenommen und damit zur „Entstehung der Tat“ beigetragen sowie sich nicht zeitnah um die Beschaffung der Medikamente gekümmert zu haben. Diese strafschärfenden Erwägungen werden von den Feststellungen jedoch nicht getragen. Danach scheiterte nämlich die einzige sich bietende Abhilfemöglichkeit - die vom Hausarzt empfohlene Kurzzeitpflege - an der Weigerung der Geschädigten, während der Angeklagte dem „aufgeschlossen gegenüberstand“. Ein die Schuld des Angeklagten beein- flussender Faktor ergibt sich daraus nicht. Dies gilt auch für die Erwägung, der Angeklagte habe die Medikamente nicht zeitnah beschafft. Nach den Feststellungen haben der Angeklagte und die Geschädigte vier Tage lang auf die Urlaubsrückkehr ihres Hausarztes gewartet, um sich von diesem die nicht lebensnotwendigen Medikamente verschreiben zu lassen. Deren Nichterhalt für vier Tage hatte keine nachteilhaften gesundheitlichen Folgen, vielmehr führten die letztlich erhaltenen Medikamente zu einer weiteren Verschlechterung des Wohlbefindens der Geschädigten. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit das Zuwarten auf die Rückkehr des Arztes das individuelle Maß des Vorwurfs, der dem Angeklagten wegen der Tat zu machen ist, erhöht. Dies gilt zumal, da festgestellt ist, dass der Angeklagte nicht etwa nachlässig mit den Leiden seiner Ehefrau umging, sondern sie liebevoll pflegte.
5
Angesichts dessen kann der Senat trotz der maßvollen Strafe letztlich nicht ausschließen, dass die Schwurgerichtskammer ohne Berücksichtigung der zu beanstandenden Erwägungen ihrer Strafzumessung den gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 213 StGB zugrunde gelegt und auf eine noch mildere Strafe erkannt hätte.
6
Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht allein im Strafausspruch grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation einer bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135; BGH, Beschluss vom 25. September 2012 - 1 StR 212/12, wistra 2013, 35).
Nack Rothfuß Jäger Cirener Radtke