Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Jan. 2019 - 1 StR 591/18

bei uns veröffentlicht am24.01.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 591/18
vom
24. Januar 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
hier: Revision des Angeklagten E.
ECLI:DE:BGH:2019:240119B1STR591.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 24. Januar 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog, § 357 Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten E. wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27. Juni 2018
a) im gesamten Strafausspruch aufgehoben, soweit es diesen Angeklagten betrifft; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten;
b) in der Einziehungsentscheidung auch zugunsten der Mitangeklagten A. und B. dahin geändert, dass die Einziehung der Taterträge in Höhe von 3.022,30 € und des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.917,70 € gegen die drei Angeklagten als Gesamtschuldner angeordnet wird.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten E. wegen schweren Bandendiebstahls in sieben Fällen, wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in vier Fällen und wegen Computerbetrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt; daneben hat es die Einziehung von Taterträgen sowie des Wertes von Taterträgen in Höhe von 4.940 € angeordnet. Die gegen diese Verurteilung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


2
1. Nach den Urteilsfeststellungen suchten der Angeklagte E. und der Mitangeklagte A. gemäß dem vom Mitangeklagten B. entworfenen Tatplan die Wohnungen älterer Menschen auf, um Bargeld und Schmuck zu entwenden; dadurch wollten sich die Angeklagten eine Einnahmequelle von einem gewissen Umfang und einer gewissen Dauer verschaffen. Unter Vorzeigen von Mitarbeiterausweisen des Kabelnetzbetreibers U. erschlichen sich die Angeklagten E. und A. den Zugang zu den Wohnungen, um angeblich Telekommunikationsleitungen zu überprüfen. Während einer der Mittäter die Wohnungsinhaber ablenkte, nahm der andere Bargeld und Schmuck an sich. Bei einer Tat entwendeten die Angeklagten eine EC-Karte nebst zugehöriger Geheimnummer (Fall II. 8.) und hoben damit anschließend unberechtigt 2.000 € ab (Fall II. 12.). In zwei Fällen fanden die Angeklagten keine Tatbeute; in einem Fall (II. 11.) wurde ihnen der Zutritt verwehrt. Insgesamt erbeuteten die drei Angeklagten Bargeld in Höhe von 4.940 € und Schmuck im Wert von 3.950 €. 3.022,30 € an Bargeld und ein "Großteil" des Schmucks wurden im Tatfahrzeug sichergestellt. Während des Ermittlungsverfahrens entschuldigte sich der bereits damals geständige Angeklagte E. schriftlich bei acht Geschädigten und bot an, den nach Rückgabe der gestohlenen Gegenstände verbliebenen Schaden auszugleichen und zudem jeweils 250 € zu zahlen. Zu diesem Zweck hinterlegte seine Mutter bei seinem Verteidiger 1.000 € zum Ausgleich nach Rückgabe der sichergestellten Tatbeute verbliebener Schäden und weitere 2.000 € mit der unwiderruflichen Anweisung, diesen Betrag an die Tatopfer auszukehren. Mit der formlosen Einziehung des Schmucks erklärten sich die Angeklagten einverstanden.
3
2. In der Strafzumessung bezüglich des Angeklagten E. hat das Landgericht den vertypten Schuldminderungsgrund des TäterOpfer -Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB bereits deswegen abgelehnt, weil für die einzelnen Fälle nach Abzug der zum vollständigen Schadensausgleich erforderlichen Gelder nur "geringe Beträge" verblieben. Feststellungen dazu, wie sich die acht Geschädigten zur Entschuldigung und zum Zahlungsangebot verhielten , hat es nicht getroffen.

II.


4
Der Rechtsfolgenausspruch birgt Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten E. .
5
1. Die Strafzumessung hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Erwägung, mit welcher das Landgericht die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB verneint hat, erweist sich als rechtsfehlerhaft.
6
a) § 46a Nr. 1 StGB bezieht sich vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Tat; solche sind auch bei Vermögensdelikten denkbar (BGH, Urteil vom 8. August 2012 - 2 StR 526/11, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 9 Rn. 17; Beschluss vom 23. Juli 2001 - 1 StR 266/01, wistra 2002, 21). Die Vorschrift setzt als "Täter-Opfer-Ausgleich" einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet und Ausdruck der "Übernahme von Verantwortung" sein muss (BGH, Beschluss vom 23. Juli 2001 - 1 StR 266/01; Urteil vom 9. Mai 2017 - 1 StR 576/16, NStZ-RR 2017, 198, 199 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. März 2007 - 2 StR 35/07, StV 2007, 410: Hinterlegung eines Geldbetrages beim Verteidiger; BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 1998 - 1 StR 249/98, NStZ-RR 1998, 297 und vom 28. April 2015 - 3 StR 647/14, juris Rn. 2: kein persönlicher Verzicht des Angeklagten erforderlich ). Deswegen sind regelmäßig Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat (BGH, Urteile vom 24. August 2017 - 3 StR 233/17, juris Rn. 15; vom 23. Dezember 2015 - 2 StR 307/15, juris Rn. 21 und vom 9. September 2004 - 4 StR 199/04, juris Rn. 9). Werden durch eine Straftat mehrere Personen geschädigt, so muss hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Variante des § 46a StGB erfüllt sein (BGH, Urteile vom 7. Februar 2018 - 5 StR 535/17, NStZ 2018, 276; vom 22. Juni 2017 - 4 StR 151/17, NStZ-RR 2017, 306 und vom 5. März 2014 - 2 StR 496/13, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 10 Rn. 14).
7
b) Ob der vom Angeklagten bereits im Ermittlungsverfahren und damit keineswegs zu spät angebotene Entschädigungsbetrag in Höhe von jeweils 250 € zusammen mit seinem Entschuldigungsschreiben bei jeder der betreffenden Einzeltaten (§ 52 Abs. 1 StGB) als friedensstiftender Ausgleich oder zumindest als ernsthaftes Erstreben eines solchen zu werten ist, lässt sich nach den lückenhaften Feststellungen infolge der pauschalen Erwägung, die Beträge seien zu gering, nicht beurteilen:
8
aa) In den Fällen II. 7. und II. 10. der Urteilsgründe stahlen die Angeklagten ausschließlich Schmuck; sollten diese Vermögensgegenstände zu den sichergestellten gehören, stünde der angebotene Entschädigungsbetrag von 250 € zum Ausgleich der immateriellen Folgen zur Verfügung. Nach den bisherigen Urteilsfeststellungen ist nicht sicher anzunehmen, dass ein solcher Betrag auch angesichts des Zutritts in die Privatwohnungen und des Alters der Geschädigten von vornherein zu niedrig bemessen wäre; dass die Tatopfer infolge der ohne Sachbeschädigung ausgeübten Diebstähle dauerhaft in ihrem Sicherheitsgefühl oder sonst psychisch beeinträchtigt sind, ist nicht festgestellt. Zudem ist die Entschuldigung in diese Betrachtung miteinzubeziehen. Ohne Kenntnis der Reaktionen der Geschädigten lässt sich nach alledem nicht beurteilen , ob das Geldangebot zusammen mit der Entschuldigung zur Friedensstiftung geeignet war.
9
bb) Ähnliches gilt für die Tat II. 11. der Urteilsgründe. Diese Tat war ohnehin nur versucht.
10
cc) In den Fällen II. 4. und II. 6. der Urteilsgründe kommt ebenfalls in Betracht , dass der Entschädigungsbetrag von jeweils 250 € nicht durch den vorrangigen Ausgleich der materiellen Schäden gebunden ist. Dies ist der Fall, wenn im Fall II. 4. der Urteilsgründe der Schmuck zurückgelangt und bezüglich des jeweils entwendeten Bargeldes aus dem weiteren zur Schadenswiedergutmachung zur Verfügung gestellten Betrag von 1.000 € der Anteil bestritten werden kann, der nicht durch das sichergestellte und zwischen den Geschädigten im Verhältnis der erlittenen Schadenshöhen zu verteilende Bargeld gedeckt ist.
11
c) Um dem neuen Tatgericht insgesamt eine stimmige Strafzumessung zu ermöglichen, hebt der Senat sämtliche den Angeklagten E. betreffende Einzelstrafen und die Gesamtstrafe auf. Die zugehörigen Feststellungen können bei diesem Wertungsfehler aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Neue Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen , sind möglich und bezüglich des Verhaltens der acht Geschädigten geboten.
12
2. Auch die Einziehungsentscheidung bedarf der Korrektur.
13
a) Es ist zwischen dem Bargeld, welches nach § 73 Abs. 1 StGB als beschlagnahmter Gegenstand (vgl. §§ 111b, 111c Abs. 1 Satz 1 StPO) der Einziehung unterliegt, und dem nicht mehr vorhandenen Bargeld, welches der Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73c Satz 1 StGB unterfällt, zu unterscheiden : Während sich die Wirkung der Einziehung des beschlagnahmten Bargeldes nach § 75 Abs. 1 Satz 2 StGB bestimmt, erwirbt der Staat in Höhe des nicht mehr vorhandenen Bargeldes einen Wertersatzeinziehungsanspruch gegen die Angeklagten (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73c Rn. 9; Köhler, NStZ 2017, 497, 499).
14
b) Daneben ist im Tenor die gesamtschuldnerische Haftung der drei Angeklagten , die jeweils gemeinsam Verfügungsbefugnis über die Tatbeute erlangten , zum Ausdruck zu bringen (§§ 421 ff. BGB).
Raum Jäger Cirener
Hohoff Leplow

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Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 526/11
vom
8. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Verabredung zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. August
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
der Angeklagte M. in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil desLandgerichts Koblenz vom 15. Juli 2011 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels hat der Beschwerdeführer zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht Koblenz hat den Angeklagten wegen "Verabredung zum Verbrechen des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs" in fünf Fällen unter Einbeziehung zweier Einzelstrafen von einem Jahr und vier Monaten und einem Jahr Freiheitsstrafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen der Angeklagte, der der Volksgruppe der Roma angehört, und der gesondert Verurteilte Mi. spätestens im März 2008 überein, gemeinsam mit weiteren Personen ihren Lebensunterhalt durch die Begehung von "Trufas" zu verdienen. Hierunter werden Straftaten verstanden, bei denen Immobilien- oder Waren- händlern oder Kreditsuchenden ein betrügerisches Tauschgeschäft angeboten wird. Die Täter geben vor, Geldscheine mit hohem Nennwert gegen Geldscheine mit niedrigerem Nennwert - teils gegen Zahlung einer Provision - eintauschen zu wollen. Tatsächlich ist es Ziel der Täter, sich ohne Erbringung einer Gegenleistung durch Täuschung in den Besitz des von den potentiellen Opfern mitgeführten Bargeldes zu bringen.
3
In Umsetzung dieses Vorhabens kam es in der Zeit von März 2008 bis Januar 2009 in fünf Fällen zu Kontaktaufnahmen mit Personen, die am Abschluss verschiedener Geschäfte interessiert waren. In den Fällen II. 1-3 kümmerte sich der Angeklagte um die Auswahl der Opfer und die Anbahnung des Erstkontaktes. Hierzu band er den gesondert Verurteilten A. ein und versprach ihm für jede gelungene Aktion eine Provision. A. suchte im Internet vereinbarungsgemäß nach geeigneten Firmen und Projekten und kontaktierte die betreffenden Personen telefonisch, um ihr Interesse an einer Geschäftsbeziehung zu wecken. Sodann übermittelte er die Kontaktdaten der Betreffenden per SMS an den Angeklagten, der diese an Mi. weiterleitete. In den Fällen II. 4-5 stellte eine nicht identifizierte Person den Erstkontakt her, wobei diese im Fall II. 5 den Angeklagten hierüber informierte, der dies wiederum Mi. mitteilte. Mi. vereinbarte in allen Fällen jeweils ein Treffen mit den interessierten Geschäftspersonen in Am. . Hierbei gab er vor, Interesse an einem Geschäftsabschluss zu haben und unterbreitete in diesem Zusammenhang jeweils den Vorschlag, ein Geldtauschgeschäft durchzuführen. In den Fällen II. 4-5 begleitete der Angeklagte den gesondert Verurteilten Mi. zu den Treffen in Am. , im Fall II. 5 jedoch, ohne offen in Erscheinung zu treten. Zum Abschluss eines Geldtauschgeschäftes kam es in keinem der Fälle. Im Fall II. 1 scheiterte dies aufgrund der Verhaftung des Angeklagten in einem anderen Verfahren; in den Fällen II. 2-5 lehnten die angesprochenen Personen ein solches Geschäft ab.
4
Das Landgericht hat dieses Geschehen als "Verabredung zum Verbrechen des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs" in fünf tatmehrheitlichen Fällen bewertet und dafür Einzelstrafen von acht Monaten Freiheitsstrafe in den Fällen II. 1-3 und zehn Monaten Freiheitsstrafe in den Fällen II. 4-5 verhängt.
5
2. Im Rahmen der Strafzumessung hat es die Voraussetzungen für einen Täter-Opfer-Ausgleich i.S.v. § 46a Nr. 1 StGB geprüft und verneint. Dem liegt folgendes Geschehen zugrunde:
6
Der Verteidiger des Angeklagten verschickte in dessen Auftrag am 29. Juni 2011 Schriftsätze an alle Personen, an die die Tauschgeschäfte herangetragen worden waren. Sie lauteten nach einer kurzen Darstellung des Tatvorwurfs in ihren Kernsätzen übereinstimmend wie folgt: "Herr M. bereut seine Handlungsweise und möchte sich auf diesem Weg bei Ihnen entschuldigen. Er erkennt seine gesamtschuldnerische Haftung für die Ihnen in dieser Sache entstandenen Auslagen an und verzichtet auf die Einrede der Verjährung. Soweit möglich, bitte ich um Bezifferung Ihrer Auslagen. Mein Mandant wird sich dann ggfs. im Wege der Aufnahme eines Privatdarlehens bei Angehörigen um einen baldigen Ausgleich bemühen."
7
Zudem legte der Verteidiger in der Hauptverhandlung ein Schreiben mit folgendem Inhalt vor: "Erklärung: Hiermit weise ich Herrn RA E. , , , unwiderruflich an, die umseitig quittierten € 1.500,- zur anteiligen Ausgleichung der den Herrn Mo. , H. , T. (Vertreter der Fa. "D. T. "), B. und Z. entstandenen Auslagen zu verwenden."
8
Die in dem Schreiben in Bezug genommene Quittung hatte folgenden Inhalt : "Hiermit bestätige ich, RA E. , , , den Erhalt von € 1.500,- (i.W. Euro eintausendfünfhundert) von Herrn M. zum Zwecke anteiliger Verauslagung (Ausgleichung ) der den Zeugen Mo. , H. , T. (als Vertreter der Fa. "D. T. "), B. und Z. entstandenen Kosten anlässlich der in der Anklage vom 26.5.2010 gegen M. erhobenen Vorwürfe."
9
Lediglich einer der Angeschriebenen reagierte auf dieses Schreiben und fragte bei der Strafkammer an, wie er zu verfahren habe.
10
Das Landgericht hat Zweifel daran geäußert, ob für Betrugsdelikte der vorliegenden Art ein Täter-Opfer-Ausgleich überhaupt in Betracht komme, da der Angeklagte den potentiellen Opfern als Person unbekannt geblieben sei. Zudem hat es das Vorliegen eines kommunikativen Prozesses zwischen dem Angeklagten und den potentiellen Opfern verneint, da diese gegenüber dem Angeklagten keine Reaktion gezeigt hätten. Das Vorgehen des Angeklagten sei kein Versuch der Konfliktbewältigung, sondern sei von prozesstaktischen Erwägungen bestimmt.
11
Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB hat die Strafkammer verneint, da es zu einer tatsächlichen Entschädigung durch Ersatz entstandener Auslagen nicht gekommen sei.

II.

12
Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO. Der näheren Erläuterung bedarf nur Folgendes:
13
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Verabredung des bandenund gewerbsmäßigen Betrugs in fünf Fällen hält im Ergebnis sachlichrechtlicher Nachprüfung stand. Zwar hat das Landgericht unzutreffend die im Vorfeld der einzelnen Taten getroffene Bandenabrede, mit der der grundsätzliche Zusammenschluss zum Zwecke der Begehung von Betrugsstraftaten vereinbart wurde, als Verbrechensverabredung i.S.v. § 30 Abs. 2 StGB gewertet und ist zur Annahme von fünf Fällen der Verbrechensverabredung gelangt, indem es auf das Konkurrenzverhältnis der vereinbarten Betrugstaten abgestellt hat. Dies begegnet rechtlichen Bedenken. Die im Vorfeld getroffene Verabredung genügt nicht den an eine Verbrechensverabredung i.S.v. § 30 Abs. 2 StGB zu stellenden Anforderungen, da die geplanten Straftaten mangels Vereinbarung von Ort, Zeit und Auswahl der potentiellen Opfer nicht hinreichend konkretisiert waren. Zudem richtet sich entgegen der Auffassung des Landgerichts die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen verschiedenen Straftaten - auch bei der Mitwirkung mehrerer Tatbeteiligter - für jeden Beteiligten allein danach, welche Tathandlungen er im Hinblick auf die jeweilige Tat vorgenommen hat, unabhängig davon, ob die einzelne Tat nur verabredet, versucht oder vollendet worden ist (BGHSt 56, 170, 172; wistra 2011, 299, 300). Soweit sich aus BGH NJW 2010, 623, 624 Entgegenstehendes ergibt, hält der Senat hieran nicht fest (vgl. schon Senat NStZ-RR 2011, 367, 368). Jedoch hat der Angeklagte mit A. bzw. Mi. und den weiteren Personen in allen fünf Fällen jeweils eine gesonderte Vereinbarung der einzelnen Betrugstat getroffen. Dies erfolgte konkludent, indem in den Fällen II. 1-3 der mit der Kontaktaufnahme und Geschäftsanbahnung beauftragte A. , im Fall II. 5 ein unbekannt gebliebener Mittäter dem Angeklagten in Umsetzung der Bandenabrede die Kontaktdaten der Betreffenden übersandte, die dieser jeweils an Mi. weiterleitete, der daraufhin Kontakt mit den Interessenten aufnahm. Im Fall II. 4 geschah dies dadurch, dass der Angeklagte den Mi. zu dem Treffen mit den Geschäftspersonen begleitete, nachdem ein nicht identifizierter Mittäter zuvor den Erstkontakt hergestellt hatte.
14
2. Auch die Verneinung der Voraussetzungen des § 46a StGB durch das Landgericht unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.
15
Zutreffend hat das Landgericht die Voraussetzungen von § 46a Nr. 2 StGB verneint, da der Angeklagte tatsächlich keine Entschädigungsleistungen erbracht hat. Auch die Ablehnung eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB ist frei von Rechtsfehlern.
16
Die Vorschrift des § 46a Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter in dem Bemühen , einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wieder gutgemacht hat, wobei es aber auch ausreichend sein kann, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Hierbei setzt § 46a Nr. 1 StGB grundsätzlich ein Bemühen des Täters um einen kommunikativen Prozess mit dem Opfer voraus, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt und "Ausdruck der Übernahme von Verantwortung" sein muss (BGHSt 48, 134, 139, 141; BGH NStZ 2000, 205 f.; wistra 2009, 309, 310).
17
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bezieht sich die Vorschrift des § 46a Nr. 1 StGB vor allem auf den Ausgleich immaterieller Folgen einer Straftat. Sie dient - anders als die in erster Linie für materiellen Schadensersatz bei Vermögensdelikten vorgesehene Vorschrift des § 46a Nr. 2 StGB - über den Ausgleich immaterieller Folgen zwischen Täter und Opfer der Lösung von Konflikten, die zu der Straftat geführt haben oder durch sie veranlasst worden sind (BGH NStZ 1995, 492; NStZ 2000, 205; StV 2002, 656; StV 2007, 72, 73; zweifelnd Senat NJW 2001, 2557). Solche immateriellen Folgen sind grundsätzlich auch bei Vermögensdelikten denkbar (BGH NStZ 1995, 492; wistra 2002, 21), so dass insoweit auch der Anwendungsbereich des § 46a Nr. 1 StGB eröffnet sein kann. Vorliegend hat das Landgericht jedoch zutreffend angenommen, dass es sich bei den Auslagen der potentiellen Opfer, um deren Ausgleich sich der Angeklagte bemüht hat, um materielle Schäden handelt, die unter § 46a Nr. 2 StGB fallen. Dem Angeklagten ging es hier nur um die Erstattung dieser Auslagen und damit um den Ausgleich von im Vermögen der Opfer eingetretenen Werteinbußen, nicht aber etwa um eine darüber hinausgehende Lösung eines durch die Straftat entstandenen Konflikts mit dem Tatopfer, der eines besonderen kommunikativen Prozesses bedurft hätte. Aus diesem Grund kommt hier ein Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB nicht in Betracht.
18
b) Dahinstehen kann daher, ob das Landgericht zutreffend einen kommunikativen Prozess zwischen dem Angeklagten und den Opfern verneint hat, da diese auf das Wiedergutmachungsangebot des Angeklagten in vier Fällen überhaupt nicht reagierten und sich in einem weiteren Fall lediglich hilfesuchend an das Gericht wandten. Dies könnte immerhin zweifelhaft sein, weilim Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB das ernsthafte Streben nach Wiedergutmachung genügt (vgl. BGH NJW 2001, 2557).
Becker Fischer Berger Krehl Ott

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 266/01
vom
23. Juli 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2001 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 11. Januar 2001 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Nach den getroffenen Feststellungen stellt es keinen Rechtsfehler dar, daß das Landgericht nicht nur die Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB, sondern auch die des § 46a Nr. 1 StGB nicht als erfüllt angesehen hat. § 46a Nr. 1 StGB bezieht sich vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat. Die Vorschrift kann zwar auch bei Vermögensdelikten zur Anwendung kommen (BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 1). Sie setzt jedoch, wie sich insbesondere aus dem Klammerzusatz "Täter-Opfer-Ausgleich" ergibt, einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muß; das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt nicht (BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 1). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Dem Angeklagten ging es bei seinem "Bemühen um Schadenswiedergutmachung" ersichtlich nicht um den Ausgleich immaterieller Folgen seiner Taten, sondern um Schadensersatz. Dieses Bemühen hat das Landgericht nach § 46 StGB strafmildernd berücksichtigt; für eine Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB reicht es nicht aus. Schäfer Nack Kolz Hebenstreit Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 576/16
vom
9. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2017:090517U1STR576.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Mai 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Bellay, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, der Nebenkläger persönlich - in der Verhandlung -, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Nebenklägervertreter, Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 8. Juli 2016 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt undihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit ihrer auf den Strafausspruch beschränkten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts, vornehmlich die Annahme der Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts stach die Angeklagte am 6. September 2015 in alkohol- und drogenbedingt enthemmtem Zustand ihren Arbeitgeber in dem von ihm als Mitinhaber betriebenen Café mit einem Messer fünfmal mit bedingtem Tötungsvorsatz in den Brust- und Bauchbereich. Vorausgegangen war ein Streitgespräch über einen Vorfall im Jahr 2014, bei dem der Geschädigte die Angeklagte sexuell belästigt hatte. Im Rahmen des Disputs forderte der Geschädigte die Angeklagte auf, auf ihn (doch) mit einem im Arbeitsbereich liegenden Messer einzustechen, was diese dann auch tat. Vier der mit leichter und mittlerer Wucht geführten Stiche drangen maximal ein bis eineinhalb Zentimeter in den Bauch- und Brustbereich ein; ein Stich wurde von der Jacke des Geschädigten abgehalten. Trotz des starken Blutverlustes bestand für den Geschädigten keine konkrete Lebensgefahr. Er hätte auch ohne ärztliche Hilfeleistung überlebt. Die Verletzungen sind weitgehend folgenlos verheilt. Lediglich beim Heben schwerer Gewichte treten Schmerzen auf. Wegen der psychischen Folgen der Tat hat sich der Geschädigte in psychiatrische Behandlung begeben.
3
2. Die Schwurgerichtskammer hat aufgrund der entfalteten Rettungsbemühungen der Angeklagten einen strafbefreienden Rücktritt vom Totschlagsversuch angenommen. Mit Blick auf die abstrakte Lebensgefährlichkeit der Messerstiche hat sie die Voraussetzungen der gefährlichen Körperverletzung in den Tatvarianten nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB als verwirklicht angesehen.
4
3. Bei der Strafrahmenwahl hat das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falls nach § 224 Abs. 1 StGB verneint. Es hat jedoch eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen, weil es die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs als erfüllt angesehen hat. Insoweit hat das Landgericht festgestellt, dass die in Untersuchungshaft befindliche, geständige Angeklagte Kontakt zum Geschädigten gesucht, ihm einen Brief geschrieben und sich darin und anschließend in der Hauptverhandlung nochmals beim Geschädigten für die Tat entschuldigt hatte. Der nahm die Entschuldigung in der Hauptverhandlung an, auch wenn ihm dies nach seinem Bekunden schwer fiel. Zudem hat die vermögenslose Angeklagte, die zuvor beim Geschädigten nur geringfügige Einkünfte von monatlich 200 bis 300 Euro erzielt hatte, diesem aus ihrem Verdienst in der Untersuchungshaft von monatlich etwa 80 Euro einen Betrag von 420 Euro zukommen lassen, den sie angespart hatte. Der Geschädigte hat den Geldbetrag angenommen (UA S. 13).

II.

5
Die Revision der Staatsanwaltschaft, die wirksam auf den Strafausspruch beschränkt ist, hat keinen Erfolg.
6
1. Zwar hat die Beschwerdeführerin ihr Rechtsmittel nachträglich lediglich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) beanstandet sie jedoch nicht.
7
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. Februar 2017 – 5 StR 545/16 mwN). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat hier die Beschwerdeführerin klar zu erkennen gegeben, dass sie sich allein gegen den Strafausspruch wendet und mit ihrem Rechtsmittel die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht angreifen will.
8
2. Der Strafausspruch begegnet keinen Bedenken. Insbesondere hat das Landgericht die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB ohne Rechtsfehler als gegeben angesehen.

9
a) § 46a Nr. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutmacht oder dieses Ziel jedenfalls ernsthaft erstrebt hat. Dies erfordert grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, bei dem das Bemühen des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein und das Opfer die Leistung des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren muss. Die Wiedergutmachung muss auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 1995 – 1 StR 205/95, BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 1; Urteile vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, NStZ 2002, 646 und vom 27. August 2002 – 1 StR 204/02, NStZ 2003, 29).
10
b) Gemessen daran hat das Landgericht rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB bejaht. Entgegen der Ansicht der Revision hat die Angeklagte im Rahmen ihres Geständnisses die Verantwortung für die Tat uneingeschränkt übernommen. Dass sie – ebenso wie der Geschädigte – keine konkrete Erinnerung an das unmittelbare Tatgeschehen hatte, ändert daran nichts. Der Umstand, dass die Angeklagte bestritten hat, dass sie die Videokamera , die das Tatgeschehen (visuell) hätte aufzeichnen können, vor der Tatbegehung gezielt umgestoßen hat, lässt ihre Verantwortungsübernahme für die Tat nicht entfallen. Sie hat nämlich das Tatgeschehen gleichwohl eingeräumt und somit ihr Tun und die daraus resultierenden Folgen nicht in Abrede gestellt, insbesondere aber auch nicht die „Opfer-Position“ des Geschädigten bestritten (vgl. BGH, Urteil vom 23. Dezember 2015 – 2 StR 307/15).
11
c) Dem Urteil ist zudem hinreichend zu entnehmen, dass zwischen der Angeklagten und dem Geschädigten ein kommunikativer Prozess während ihrer Untersuchungshaft begonnen wurde. Sie hat in dem an den Geschädigten gerichteten Entschuldigungsschreiben die Verantwortung für die Tat übernommen und dies in der Hauptverhandlung wiederholt. Der Geschädigte hat die Entschuldigung – ebenso wie den von der Angeklagten angesparten und überreichten Geldbetrag – auch angenommen. Die Ansicht der Revision, der Geschädigte habe die Entschuldigung und den Geldbetrag nicht als friedensstif- tenden Ausgleich angesehen, weil er das Geld ohne „weitere Erklärung entgegen“ genommen habe und es ihm auch schwer gefallen sei, die Entschuldigung zu akzeptieren, stellt lediglich eine eigene, revisionsrechtlich unbeachtliche Bewertung der friedensstiftenden Wirkung – wie sie vom Tatgericht angenommen wurde – dar. Weitergehender Ausführungen des Landgerichts hierzu bedurfte es vorliegend nicht.
12
Schließlich hat das Landgericht die geleistete Zahlung der Angeklagten ohne Rechtsfehler als ernsthaftes Erstreben einer Wiedergutmachung bewertet. Es hat dabei zutreffend darauf abgestellt, dass der Geldbetrag zwar objektiv nicht hoch genug sei, um ihn als überwiegende Wiedergutmachung des immateriellen Schadens anzusehen. Jedoch sei der Betrag gemessen an den finanziellen Möglichkeiten der Angeklagten eine ganz erhebliche Leistung, die ihren Wiedergutmachungswillen belege. Raum Graf Bellay Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 6 4 7 / 1 4
vom
28. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. April 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1a StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 12. August 2014 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers ergeben. Der Senat sieht nur Anlass zu folgenden Erörterungen:
2
1. Das Landgericht hat die Voraussetzungen eines Täter-OpferAusgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB für nicht gegeben erachtet, weil es an "umfassenden Ausgleichsbemühungen" und einem "kommunikativen Prozess" zwischen Täter und Opfer fehle. Dies wird dem festgestellten Nachtatverhalten des Angeklagten nicht gerecht. Danach hat dessen Familie vor der Verhandlung 500 € an die Geschädigte gezahlt. Weitere Zahlungen sind beabsichtigt. Der Angeklagte selbst hat sich aus der Untersuchungshaft brieflich und sodann in der Hauptverhandlung persönlich bei der Geschädigten entschuldigt. Diese hat die Entschuldigung angenommen. Damit hat der erforderliche, vom Bestreben nach Wiedergutmachung getragene kommunikative Prozess stattgefunden. Dass die Zahlung von der Familie des in Untersuchungshaft befindlichen, zur Tatzeit 23 Jahre alten Angeklagten erbracht wurde, steht der Anwendung der Vorschrift nicht entgegen, da diese - anders als § 46a Nr. 2 StGB - keine erhebliche persönliche Leistung oder erheblichen persönlichen Verzicht voraussetzt (BGH, Beschluss vom 17. Juni 1998 - 1 StR 249/98, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 2).
3
2. Auch die Voraussetzungen von § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB sind entgegen der Auffassung des Landgerichts gegeben. Der Angeklagte hat durch seine Angaben wesentlich zur Feststellung seines Mittäters beigetragen. Dass er dabei zuerst wahrheitswidrig behauptet hat, er sei von seinem Mittäter mit einer Waffe bedroht und zur Tatbegehung gezwungen worden, steht der Anwendung der Vorschrift grundsätzlich nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 13. April 2011 - 4 StR 124/11, StV 2011, 534, 535).
4
3. Obwohl das Landgericht die Schadenswiedergutmachung und die zur Überführung des Mitangeklagten führenden Angaben des Angeklagten jeweils strafmildernd berücksichtigt und einen minder schweren Fall der schweren räuberischen Erpressung angenommen hat, kann der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass es nach seinem Ermessen (§ 46a Halbsatz 2, § 46b Abs. 2 StGB) die beiden vertypten Milderungsgründe angenommen und sodann angesichts der Mehrzahl von zu Gunsten des Angeklagten aufgeführten allgemeinen Strafzumessungserwägungen auf eine mildere Strafe erkannt hätte. Er hält indes die Strafe angesichts des Tatbildes und der beim Opfer eingetretenen psychischen Folgen für angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a StPO.
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol
15
Deshalb hat das Tatgericht regelmäßig insbesondere Feststellungen dazu zu treffen, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat (vgl. BGH, Urteile vom 9. September 2004 - 4 StR 199/04, juris Rn. 9; vom 28. Mai 2015 - 3 StR 89/15, aaO, Rn. 11). Im Hinblick auf Erfolg oder Misserfolg des Täter-Opfer-Ausgleichs sind dabei insbesondere ein Wille des Verletzten zur Versöhnung und eine für ihn erzielte Genugtuung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02, aaO, S. 140 mwN). So können eine geständige Einlassung des Täters und seine Entschuldigung in der Hauptverhandlung, deren Annahme durch das Opfer sowie die Übergabe eines vergleichsweise geringen Geldbetrages für einen erfolgreichen Täter-OpferAusgleich ausreichend sein (so BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 - 1 StR 576/16, aaO), wohingegen ein reumütiges Geständnis des Täters und die bloße Annahme dessen Schmerzensgeldangebots durch den Verletzten - für sich gesehen - noch kein ausreichendes Indiz für einen kommunikativen Prozess sein müssen, das sachlichrechtlich zur Erörterung der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB in den Urteilsgründen zwingt (so BGH, Urteil vom 3. November 2011 - 3 StR 267/11, NStZ-RR 2002, 43 f.).
21
Regelmäßig sind aber auch tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich , wie sich das Opfer zu den Anstrengungen des Täters gestellt hat. Hier lassen die Feststellungen des Landgerichts nicht erkennen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme des erforderlichen "kommunikativen Prozes- ses zwischen Täter und Opfer" vorlagen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02, NJW 2002, 3264, 3265). Für die Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB bedarf es grundsätzlich zwar keines persönlichen Kontakts zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten (BGH, Beschluss vom 17. Juni 1998 - 1 StR 249/98, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 2; Senatsurteil vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01, NJW 2001, 2557; vgl. auch Fischer, aaO § 46a Rn. 7). Der kommunikative Prozess kann auch über die jeweiligen Rechtsanwälte erfolgen. Die schlichte Behauptung, es habe - vermittelt durch die jeweiligen Vertreter - ein kommunikativer Prozess stattgefunden (vgl. UA S. 63/69), genügt bei der hier vorliegenden Fallgestaltung allerdings nicht. Es fehlen insbesondere Feststellungen dazu, wie sich die Geschädigten zu den Ausgleichsbemühungen der Angeklagten verhalten haben, insbesondere dazu, ob die Geschädigten die (zugesagten) Leistungen als "friedensstiftenden Ausgleich" (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02, NJW 2002, 3264, 3265) akzeptiert haben. Solche Feststellungen sind regelmäßig erforderlich (BGH, Urteil vom 9. September 2004 - 4 StR 199/04; Urteil vom 7. Dezember 2005 - 1 StR 287/05, NStZ 2006, 275, 276; Urteil vom 12. Januar 2012 - 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439, 440).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 199/04
vom
9. September 2004
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. September
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 26. November 2003 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - allgemeine -Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten der gefährlichen K örperverletzung , begangen zum Nachteil des Nebenklägers Dirk K. für , schuldig befunden und ihn zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mi t ihrer auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision, die sie wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Das - vom Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


1. Nach den Feststellungen traf der - bereits alkoholisierte - Angeklagte in der Nacht zum 1. Juni 2003 in der Diskothek "M. " auf den mit ihm
flüchtig bekannten Nebenkläger, der sich in Begleitung seiner Nachbarin Katrin H. befand. Der Nebenkläger war in sie verliebt und reagierte entsprechend eifersüchtig, als er im Laufe des Abends bemerkte, daß es zwischen dem Angeklagten und Katrin H. „gefunkt“ hatte. Er verließ deshalb zunächst die Diskothek, tauchte aber einige Zeit später wieder auf, worauf es zwischen beiden zu einer verbalen Auseinandersetzung kam, obwohl der Angeklagte keinen Streit wollte. Beide trennten sich schließlich und der Angeklagte fuhr mit dem Taxi nach Hause. Dort überkam ihn wegen des Geschehens plötzlich eine "ungeheure Wut". Er nahm sich aus der Küche drei Messer mit Klingenlängen zwischen 11 und 20 cm und ging, mit diesen Messern bewaffnet, zur Wohnung des Nebenklägers. Dort wartete er auf der gegenüberliegenden Straßenseite, bis der Nebenkläger mit einem Taxi erschien. Als dieser ausstieg , näherte sich ihm der Angeklagte, dessen BAK in diesem Zeitpunkt 2,43 ‰ betrug, unbemerkt. "In diesem Augenblick wollte er Dirk K. töten. Er rief nur 'Dirk'. K. drehte sich um. Sofort stach der Angeklagte auf ihn ein" (UA 10). Der Nebenkläger war durch den Stich zwar verletzt, fühlte aber noch keinen Schmerz und bewegte sich rückwärts in Richtung einer Trinkhalle. Der Angeklagte verfolgte ihn über 50 Meter und stach dabei weiter auf ihn ein. Dabei äußerte er: "Ich stech' Dich ab, das wird meine Perle". Schließlich ließ der Angeklagte von ihm ab und gab seinen Tötungsvorsatz auf. Dirk K. war schwer verletzt. Der Angeklagte erkannte das nicht, weil dieser wegrannte.
Dem Nebenkläger gelang es, mit seinem Mobiltelefon de n Polizeinotruf zu betätigen. Die darauf erschienenen Polizeibeamten fanden auf einen Hinweis des Nebenklägers auch den Angeklagten in der Nähe auf einer Mauerbegrenzung sitzend vor, von wo aus er die Beamten auf sich aufmerksam machte; er war "fassungslos über sein eigenes Verhalten".
Der Nebenkläger erlitt drei lebensgefährliche Stichverletzungen in Bauch und Brust. Er konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden. Insgesamt waren drei Operationen erforderlich. Der Nebenkläger befand sich drei Wochen in stationärer Behandlung im Krankenhaus und anschließend zur Weiterbehandlung in einer Reha-Klinik. Er ist immer noch stark belastet und nicht arbeitsfähig.
2. Das Landgericht hat einen strafbefreienden Rücktritt vom unbeendeten Versuch eines Tötungsdelikts angenommen und den Angeklagten deshalb lediglich der gefährlichen Körperverletzung nach den Tatvarianten der Nummern 2 und 5 des § 224 Abs. 1 StGB für schuldig befunden. Es hat - sachverständig beraten - eine alkoholbedingt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bejaht und deshalb bei der Strafbemessung den Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Diesen so gemilderten Strafrahmen hat es sodann ein weiteres Mal gemäß §§ 46 a Nr. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert, weil der Angeklagte, der "den Prozeß dazu nutzen (wollte), sich bei Dirk K. zu entschuldigen", "ein Darlehen in Höhe von 5.000 Euro bei seiner Mutter aufgenommen und dieses Geld im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs als Erstzahlung an K. gezahlt" hat (UA 12).

II.


1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand, weil die dopp elte Strafrahmenmilderung durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision zu Recht, daß die Voraussetzungen für einen
erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich (§ 46 a StGB) nicht hinreichend dargetan sind.

a) Das Landgericht geht davon aus, daß die Voraussetzunge n des § 46 a Nr. 2 StGB gegeben seien, weil der Angeklagte 5.000 Euro gezahlt und damit , "auch wenn dies noch keine vollständige Leistung auf den Schmerzensgeldanspruch ist" (UA 19), angesichts seiner sonstigen hohen Verschuldung eine erhebliche persönliche Leistung erbracht habe, zumal er für die Zahlung an den Geschädigten einen zurückzuzahlenden "Kredit bei seiner Mutter" habe aufnehmen müssen. Die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein genügt jedoch nicht, um die durch § 46 a StGB eröffnete Strafrahmenmilderung zu rechtfertigen (BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 5). Das gilt hier umso mehr, als die Zahlung von 5.000 Euro angesichts der Schwere der Verletzungen und der Folgen der Tat für das Opfer dessen berechtigten Ansprüchen auch nicht annähernd gerecht wird und diese Art der Schadenswiedergutmachung schon deshalb eine friedensstiftende Wirkung, wie sie § 46 a StGB voraussetzt , nicht entfalten kann.

b) Im übrigen hat das Landgericht nicht bedacht, daß § 46 a Nr. 2 StGB den materiellen Schadensersatz betrifft, während sich der für eine Strafrahmenmilderung erforderliche Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat, um die es hier vor allem geht (Schmerzensgeldanspruch), jedenfalls vorrangig nach Nr. 1 des § 46 a StGB bestimmt (vgl. BGHR StGB § 46 a Nr. 1 Ausgleich 1). Diese Vorschrift setzt einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftaten verursachten Folgen gerichtet sein muß; das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch einer Einbeziehung des Opfers genügt nicht
(BGHSt 48, 134, 142 f.; BGHR StGB § 46 a Nr. 1 Ausgleich 5). Regelmäßig sind dazu Feststellungen erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat und wie sicher die Erfüllung der über den bisher gezahlten Betrag hinausgehenden weiteren Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist (BGHR aaO Ausgleich 6). Derartige Feststellungen hat das Landgericht nicht getroffen. Sie waren auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Denn ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne von § 46 a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, daß das Opfer die erbrachten Leistungen oder Bemühungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Daß dies hier der Fall ist, kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden. Dagegen könnte sogar sprechen, daß sich das vom Angeklagten gezahlte Geld nicht bei dem Nebenkläger, sondern auf einem Treuhandkonto seines Prozeßbevollmächtigten befindet.
Über den Strafausspruch ist deshalb erneut zu befinden.
2. Im übrigen deckt die Überprüfung des Urteils zum Strafausspruch einen Rechtsfehler weder zu Gunsten noch – was der Senat gemäß § 301 StPO zu beachten hat – zum Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere hat das Schwurgericht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin neben den Tatmodalitäten der Nrn. 2 und 5 des § 224 Abs. 1 StGB zu Recht nicht auch die Nr. 3 der Vorschrift ("mittels eines hinterlistigen Überfalls") angewandt. Hinterlist setzt voraus, daß der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen (st. Rspr.; BGHR StGB § 223 a StGB Hinterlist 1 m.w.N.; BGH NStZ 2004, 93). Ein solches planmäßig
auf Verdeckung ausgerichtetes Verhalten des Angeklagten kann den vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht entnommen werden. Indem der Angeklagte sich K. „unbemerkt von hinten oder seitlich (näherte)“ (UA 10) und auf ihn sofort einstach, nachdem sich dieser auf seinen Zuruf umgedreht hatte, hat der Angeklagte für den Angriff lediglich das Überraschungsmoment ausgenutzt. Das genügt aber für Hinterlist im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht (st. Rspr.; Senatsurteil vom 4. März 2004 – 4 StR 377/03; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 224 Rn. 10 m.w.N.).

III.


Der Senat verweist die Sache an eine allgemeine Straf kammer des Landgerichts zurück, nachdem das Verfahren nicht mehr eine die Zuständigkeit des Schwurgerichts betreffende Straftat zum Gegenstand hat.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Sost-Scheible

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 535/17
vom
7. Februar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:070218U5STR535.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Februar 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Prof. Dr. König, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18. Juli 2017 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt und Ratenzahlung bewilligt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und auf den Strafausspruch beschränkten Revision. Das mit der Sachrüge geführte und vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gab der zur Tatzeit 22 Jahre alte Angeklagte, der zuvor Alkohol und Marihuana konsumiert hatte, am späten Abend des 19. November 2015 von einer Telefonzelle aus bei einem PizzaLieferservice unter falschem Namen und Angabe einer nicht auf ihn zugelassenen Rufnummer eine Bestellung auf. Gegen Mitternacht brachte der als Bote eingesetzte Zeuge B. mit seinem Fahrrad die bestellten Waren im Wert von etwa 30 Euro zu dem vom Angeklagten als Lieferadresse benannten Haus. Dessen Eingänge liegen auf der von der Straße abgewandten Rückseite des Gebäudes. Der Zeuge stellte sein Fahrrad vor dem Hauseingang ab, in dessen Nähe der Angeklagte mit zwei Begleitern saß. Eine der drei Personen erklärte, dass die Bestellung für sie sei, woraufhin der Zeuge die Waren übergab und in Erwartung der Zahlung seine Geldbörse hervorholte. Der Angeklagte nahm nunmehr aus seiner Jackentasche eine Reizgassprühdose, hielt sie circa 10 cm vor das Gesicht des Geschädigten und gab einen Sprühstoß ab, um sich ohne deren Bezahlung im Besitz der gelieferten Waren zu erhalten. Der Sprühstoß traf den Geschädigten insbesondere in die Augen und in den Mund. Weiterhin im Besitz seiner Geldbörse wandte er sich ab. Obwohl er kaum noch sehen konnte, gelang es ihm, sein Fahrrad zu erreichen und zu fliehen. Er erlitt Schmerzen und Reizungen im Gesicht, die am nächsten Tag vollständig abgeklungen waren. Weil er befürchtete, ein solcher Vorfall könne sich wiederholen, gab er seine Nebentätigkeit bei dem Pizza-Service auf.
3
Der Angeklagte hat nach Beginn der Hauptverhandlung dem Geschädigten B. 500 Euro Schmerzensgeld gezahlt und sich bei ihm entschuldigt; dieser hat die Entschuldigung angenommen.
4
2. Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung einen minder schweren Fall im Sinne von § 250 Abs. 3 StGB schon aufgrund der allgemeinen Strafzumessungserwägungen angenommen. Strafmildernd hat es hierbei insbesondere den verhältnismäßig geringen Vermögensschaden sowie den Umstand berücksichtigt, dass es sich bei dem eingesetzten Reizgas um ein unterdurchschnittlich gefährliches Werkzeug gehandelt habe. Zudem hat es zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass die durch das Reizgas verursachten körperlichen Symptome des Geschädigten am nächsten Tag wieder abgeklun- gen seien und der Angeklagte ein „strafbegründendes“ Geständnis abgelegt habe. Weiterhin sah es als strafmildernde Gesichtspunkte an, dass der bisher unbestrafte Angeklagte durch den Konsum von Alkohol und Marihuana bei der Tatbegehung enthemmt gewesen sei und sich sechs Tage in Untersuchungshaft befunden habe. Anschließend hat das Landgericht den Strafrahmen weiter gemäß §§ 46a Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB gemildert, da sich der Angeklagte bei dem Geschädigten B. entschuldigt und ihm ein Schmerzensgeld gezahlt habe.

II.


5
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
1. Das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB erfüllt seien und dieser vertypte Strafmilderungsgrund deshalb zugunsten des Angeklagten bei der Strafrahmenwahl zu berücksichtigen sei. Denn es reicht insofern nicht aus, dass ein Ausgleich nur in Bezug auf einen von mehreren Geschädigten gegeben ist. Sind durch eine Straftat Rechtsgüter mehrerer Personen verletzt, muss nach ständiger Rechtsprechung hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Variante des § 46a StGB erfüllt sein (vgl. BGH, Urteile vom 5. März 2014 – 2 StR 496/13, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 10, und vom 22. Juni 2017 – 4 StR 151/17, NStZ-RR 2017, 306; MüKoStGB/Maier, 3. Aufl., § 46a Rn. 12, 26). Hier ist der Inhaber des Pizza-Lieferservices, dem ein Vermögensschaden zumindest in Höhe der erbeuteten Waren entstanden ist, neben dem Geschädigten B. ein weiteres Opfer der Tat. Aus dem Urteil ergibt sich nicht, dass auch im Hinblick auf seine Person eine Variante des § 46a StGB vorliegt.
7
2. Der deshalb fehlerhaft bestimmte Strafrahmen bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann angesichts des festgestellten Tatbildes nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne den Rechtsfehler von einer Anwendung des gemäß § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Ausnahmestrafrahmens nach § 250 Abs. 3 StGB abgesehen und auf eine höhere Strafe erkannt hätte. Bei dieser Sachlage muss er nicht entscheiden, ob – wofür vieles spricht – sich die außerordentlich milde Strafe von ihrer Bestimmung gelöst hat, gerechter Schuldausgleich zu sein.
Mutzbauer Sander König
Berger Mosbacher

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Ist die Annahme begründet, dass die Voraussetzungen der Einziehung oder Unbrauchbarmachung eines Gegenstandes vorliegen, so kann er zur Sicherung der Vollstreckung beschlagnahmt werden. Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, so soll die Beschlagnahme angeordnet werden. § 94 Absatz 3 bleibt unberührt.

(2) Die §§ 102 bis 110 gelten entsprechend.

(1) Die Beschlagnahme einer beweglichen Sache wird dadurch vollzogen, dass die Sache in Gewahrsam genommen wird. Die Beschlagnahme kann auch dadurch vollzogen werden, dass sie durch Siegel oder in anderer Weise kenntlich gemacht wird.

(2) Die Beschlagnahme einer Forderung oder eines anderen Vermögensrechtes, das nicht den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegt, wird durch Pfändung vollzogen. Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte sind insoweit sinngemäß anzuwenden. Die Aufforderung zur Abgabe der in § 840 Absatz 1 der Zivilprozessordnung bezeichneten Erklärungen ist in den Pfändungsbeschluss aufzunehmen.

(3) Die Beschlagnahme eines Grundstücks oder eines Rechts, das den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegt, wird durch ihre Eintragung im Grundbuch vollzogen. Die Vorschriften des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung über den Umfang der Beschlagnahme bei der Zwangsversteigerung gelten entsprechend.

(4) Die Beschlagnahme eines Schiffes, eines Schiffsbauwerks oder eines Luftfahrzeugs wird nach Absatz 1 vollzogen. Ist der Gegenstand im Schiffs- oder Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen eingetragen, ist die Beschlagnahme in diesem Register einzutragen. Zu diesem Zweck können eintragungsfähige Schiffsbauwerke oder Luftfahrzeuge zur Eintragung angemeldet werden; die Vorschriften, die bei der Anmeldung durch eine Person, die auf Grund eines vollstreckbaren Titels eine Eintragung im Register verlangen kann, anzuwenden sind, gelten hierbei entsprechend.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

(1) Wird die Einziehung eines Gegenstandes angeordnet, so geht das Eigentum an der Sache oder das Recht mit der Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat über, wenn der Gegenstand

1.
dem von der Anordnung Betroffenen zu dieser Zeit gehört oder zusteht oder
2.
einem anderen gehört oder zusteht, der ihn für die Tat oder andere Zwecke in Kenntnis der Tatumstände gewährt hat.
In anderen Fällen geht das Eigentum an der Sache oder das Recht mit Ablauf von sechs Monaten nach der Mitteilung der Rechtskraft der Einziehungsanordnung auf den Staat über, es sei denn, dass vorher derjenige, dem der Gegenstand gehört oder zusteht, sein Recht bei der Vollstreckungsbehörde anmeldet.

(2) Im Übrigen bleiben Rechte Dritter an dem Gegenstand bestehen. In den in § 74b bezeichneten Fällen ordnet das Gericht jedoch das Erlöschen dieser Rechte an. In den Fällen der §§ 74 und 74a kann es das Erlöschen des Rechts eines Dritten anordnen, wenn der Dritte

1.
wenigstens leichtfertig dazu beigetragen hat, dass der Gegenstand als Tatmittel verwendet worden oder Tatobjekt gewesen ist, oder
2.
das Recht an dem Gegenstand in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zulassen, in verwerflicher Weise erworben hat.

(3) Bis zum Übergang des Eigentums an der Sache oder des Rechts wirkt die Anordnung der Einziehung oder die Anordnung des Vorbehalts der Einziehung als Veräußerungsverbot im Sinne des § 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(4) In den Fällen des § 111d Absatz 1 Satz 2 der Strafprozessordnung findet § 91 der Insolvenzordnung keine Anwendung.