Bundesgerichtshof Urteil, 20. Nov. 2019 - 2 StR 54/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. November 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Prof. Dr. Krehl, Zeng, Dr. Grube,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin – in der Verhandlung – als Verteidigerin für die Angeklagte G. W. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger für den Angeklagten T. W. ,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
W.
wird von der Auferlegung von Kosten und Auslagen abgesehen.Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen schweren Bandendiebstahls in vier Fällen und wegen versuchten schweren Bandendiebstahls schuldig gesprochen. Die Angeklagte G. W. hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren – unter Aussetzung der Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung – und den Angeklagten T. W. zu einer Einheitsjugendstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Mitangeklagten D. W. , dessen Revision der Senat mit Beschluss vom 21. August 2019 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen hat, hat es wegen dieser Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Landgericht hat weiterhin festgestellt, dass das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert wurde und hinsichtlich des Mitangeklagten D. W. eine weiter gehende Kompensationsentscheidung getroffen. Ferner hat es die Einziehung eines Geldbe- trages von 508 Euro angeordnet, „für den die Angeklagten als Gesamtschuld- ner haften“.
- 2
- Soweit es den Angeklagten T. W. betrifft, hat der Senat aus prozessökonomischen Gründen entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts in der Hauptverhandlung von der Einziehung des Wertes von Taterträgen abgesehen (§ 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO). Im Übrigen haben die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten keinen Erfolg.
- 3
- 1. Nach den Feststellungen der Jugendkammer kamen die Angeklagten dahin überein, alleinstehende betagte Senioren, die altersbedingt in ihrer Auffassungsgabe eingeschränkt waren, in ihren Wohnungen zu bestehlen. Die Senioren wurden zuvor von allen drei Angeklagten ausgespäht, wobei sich deren potentielle Opfereigenschaft beispielsweise daraus erschloss, dass sie auf einen Rollator angewiesen waren.
- 4
- Der in anderer Sache inhaftierte Mitangeklagte D. W. , der zu den jeweiligen Tatzeiten von der Justizvollzugsanstalt E. genehmigte Langzeitausgänge wahrnahm, wirkte dabei mit den beiden anderen Angeklagten , die ebenfalls keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgingen, arbeitsteilig zusammen. Der Angeklagte T. W. , der Stiefsohn des Mitangeklag- ten D. W. , übernahm die Rolle des "Ablenkers", indem er an der Wohnungstür klingelte und vorgab, dass sein Ball beim Spielen in den Garten gefallen sei. Das in Aussicht genommene Opfer begleitete ihn sodann in den Garten, während sich der Mitangeklagte D. W. unbemerkt Zutritt zu den Wohnungen verschaffen konnte und diese nach Wertgegenständen, insbesondere Bargeld und Schmuck durchsuchte. Die Angeklagte G. W. , die Ehefrau des Mitangeklagten D. W. und Mutter des Angeklagten
T.
W. , die als einzige der drei im Besitz einer Fahrerlaubnis war, wartete mit ihrem Pkw auf der Straße und beobachtete das Umfeld.- 5
- In vier Fällen gelang es dem Mitangeklagten D. W. , Schmuck und Bargeld in Höhe von insgesamt 508 Euro an sich zu bringen und sodann mit den beiden anderen Angeklagten gemeinsam vom Tatort davonzufahren. In einem Fall blieb es beim Versuch.
- 6
- 2. Die auf die Sachrügen hin gebotene Überprüfung deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
- 7
- a) Die Feststellungen tragen die Annahme, dass die Angeklagten mit dem Mitangeklagten D. W. eine Bande bildeten und mittäterschaftlich handelten.
- 8
- b) Soweit es die Angeklagte G. W. betrifft, ist das Landgericht zwar bei der Bemessung der Einzelstrafe im Fall II. 1. der Urteilsgründe von einem unrichtigen Strafrahmen ausgegangen, denn es hat angenommen, dass die Mindeststrafe des nach §§ 23, 49 Abs. 1 StGB gemilderten § 244a Abs. 2 StGB drei Monate beträgt und sich nicht – was zutreffend wäre – auf das gesetzliche Mindestmaß ermäßigt. Der Senat kann aber ausschließen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht (§ 337 StPO). Das Landgericht hat für diese Tat die gegenüber den anderen vier Taten mit Abstand geringste Einzelstrafe von sechs Monaten verhängt, sich dabei aber angesichts des in allen Fällen jeweils gleichartigen Tatbeitrags der Angeklagten ersichtlich nicht an der Mindeststrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe orientiert.
- 9
- c) Die Einziehungsentscheidung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
- 10
- aa) Das Landgericht hat die auf § 73 Abs. 1, § 73c StGB gestützte Ein- ziehungsentscheidung damit begründet, dass die Angeklagten „jeweils sämt- lich Gewahrsam an der jeweils gesamten erlangten Beute gehabt (haben), dies spätestens bei deren Aufteilung“, weswegen „sie auch jeweils gemeinschaftlich für die vollen Beträge (haften)“.
- 11
- bb) Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand. Zwar ist den Urteilsgründen nicht hinreichend deutlich zu entnehmen, ob auch die Angeklagten T. W. und G. W. schon deswegen gemeinschaftlich die tatsächliche oder wirtschaftliche Verfügungsgewalt an der jeweils gesamten Tatbeute hatten, weil sie sich gemeinsam mit dem Mitangeklagten D. W. im Pkw von den Tatorten entfernten (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 – 1 StR 591/18, insoweit in NStZ-RR 2019, 206 f. nicht abgedruckt ). Denn die unmittelbare Tatausführung oblag dem Mitangeklagten D. W. , der jeweils die Beute in Besitz genommen hatte. Die Beteiligten waren sich jedoch schon zu Beginn der Taten darüber einig, dass jedem der Mittäter die Mitverfügungsgewalt über die Beute zukommen sollte. Eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand bei mehreren Beteiligten kann aber – jedenfalls bei dem vor Ort anwesenden, die Beute oder Teile davon in den Händen haltenden Mittäter – auch dann vorliegen, wenn sich diese in einer Abrede über die Beuteteilung widerspiegelt. Denn damit „verfügt“ der Mittäter zu seinen oder der anderen BeteiligtenGunsten über die Beute, indem er in Absprache mit diesen Teile des gemeinsam Erlangten sich selbst oder den anderen zuordnet (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 2019 – 5 StR 670/18, juris Rn. 7; vom 18. Juli 2018 – 5 StR 645/17, NStZ-RR 2018, 278, 279; vom 7. Juni 2018 – 4 StR 63/18, BGHR StGB § 73c Abs. 1 Erlangtes 1; Beschluss vom 27. April 2010 – 3 StR 112/10, NStZ 2010, 568).
- 12
- Nach den Feststellungen beabsichtigten alle drei Angeklagte, die keiner geregelten Erwerbstätigkeit nachgingen, sich durch die wiederholte Tatbege- hung der Trickdiebstähle „eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen und somit auch den familiä- ren Lebensunterhalt mit zu finanzieren“. Der von der Jugendkammer gezoge- ne Schluss, dass die Beute „dem Lebensunterhalt der Familie dienen sollte“, ist auch angesichts der familiären Beziehungen zwischen den Angeklagten, die – jedenfalls soweit es G. und T. W. betraf – zum Zeitpunkt der Taten zusammenwohnten, möglich; zwingend braucht er nicht zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Februar 2016 – 3 StR 436/15, juris Rn. 20).
- 13
- cc) Das Landgericht hat demnach zu Recht die Einziehung des Wertes des gesamten Tatertrages gegen die Angeklagte G. W. als Gesamtschuldnerin angeordnet. Soweit es den Angeklagten T. W. betrifft , hat der Senat entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts in der Hauptverhandlung im Hinblick auf das Anfrageverfahren zu § 8 Abs. 3 JGG vom 11. Juli 2019 (1 StR 467/18, NStZ 2019, 682 ff.) von der Einziehung des Wertes von Taterträgen abgesehen (§ 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO), um weitere Verzögerungen zu vermeiden.
Franke Appl Krehl Zeng Grube
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Das Gericht kann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft von der Einziehung absehen, wenn
- 1.
das Erlangte nur einen geringen Wert hat, - 2.
die Einziehung nach den §§ 74 und 74c des Strafgesetzbuchs neben der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht ins Gewicht fällt oder - 3.
das Verfahren, soweit es die Einziehung betrifft, einen unangemessenen Aufwand erfordern oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde.
(2) Das Gericht kann die Wiedereinbeziehung in jeder Lage des Verfahrens anordnen. Einem darauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft hat es zu entsprechen. § 265 gilt entsprechend.
(3) Im vorbereitenden Verfahren kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren auf die anderen Rechtsfolgen beschränken. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.
(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.
(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).
(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer den Diebstahl unter den in § 243 Abs. 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen oder in den Fällen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
(3) (weggefallen)
(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.
(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.
(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat
Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.
(1) Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel, ebenso mehrere Erziehungsmaßregeln oder mehrere Zuchtmittel können nebeneinander angeordnet werden. Mit der Anordnung von Hilfe zur Erziehung nach § 12 Nr. 2 darf Jugendarrest nicht verbunden werden.
(2) Neben Jugendstrafe können nur Weisungen und Auflagen erteilt und die Erziehungsbeistandschaft angeordnet werden. Unter den Voraussetzungen des § 16a kann neben der Verhängung einer Jugendstrafe oder der Aussetzung ihrer Verhängung auch Jugendarrest angeordnet werden. Steht der Jugendliche unter Bewährungsaufsicht, so ruht eine gleichzeitig bestehende Erziehungsbeistandschaft bis zum Ablauf der Bewährungszeit.
(3) Neben Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und Jugendstrafe kann auf die nach diesem Gesetz zulässigen Nebenstrafen und Nebenfolgen erkannt werden. Ein Fahrverbot darf die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten.
(1) Das Gericht kann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft von der Einziehung absehen, wenn
- 1.
das Erlangte nur einen geringen Wert hat, - 2.
die Einziehung nach den §§ 74 und 74c des Strafgesetzbuchs neben der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht ins Gewicht fällt oder - 3.
das Verfahren, soweit es die Einziehung betrifft, einen unangemessenen Aufwand erfordern oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde.
(2) Das Gericht kann die Wiedereinbeziehung in jeder Lage des Verfahrens anordnen. Einem darauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft hat es zu entsprechen. § 265 gilt entsprechend.
(3) Im vorbereitenden Verfahren kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren auf die anderen Rechtsfolgen beschränken. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.