Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2019 - 2 StR 203/18

bei uns veröffentlicht am22.05.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 203/18
vom
22. Mai 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen besonders schweren Raubes u. a.
ECLI:DE:BGH:2019:220519U2STR203.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 8. Mai 2019 in der Sitzung am 22. Mai 2019, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Meyberg, Dr. Grube, Schmidt,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung und bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger für den Angeklagten A. , Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger für den Angeklagten G. , Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger für den Angeklagten Z. , Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger für den Angeklagten K. , Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger für den Angeklagten O. ,
Amtsinspektorin in der Verhandlung, Amtsinspektorin bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. Oktober 2017 aufgehoben
a) im Schuldspruch zu Fall II.1 der Urteilsgründe hinsichtlich der Angeklagten A. und G. , jedoch bleiben die Feststellungen insoweit aufrechterhalten;
b) in den Strafaussprüchen hinsichtlich aller Angeklagten mit den zugehörigen Feststellungen;
c) in der Anordnung der Einziehung von Taterträgen im Fall II.1 der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen, soweit die Angeklagten A. und G. betroffen sind;
d) soweit im Fall II.2 der Urteilsgründe eine Anordnung der Einziehung von Taterträgen hinsichtlich der Angeklagten A. , G. und K. unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten A. und G. wegen schweren Raubes in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung , jeweils zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Daneben hat es bezüglich beider Angeklagter Einziehungsanordnungen getroffen. Den Angeklagten Z. hat das Landgericht wegen Raubes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt und daneben ebenfalls eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Angeklagten K. und O. hat das Landgericht wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten bzw. von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt.

I.

2
1. a) Nach den Feststellungen planten die Angeklagten A. und G. angesichts ihrer schlechten finanziellen Situation im März 2016 einen Raubüberfall. Von dem Mitangeklagten Z. erhielten sie den Hinweis auf Familienangehörige , die über eine Menge Geld verfügen würden. Gemeinsam kundschafteten die Angeklagten die Tatörtlichkeit aus. Zur Tatausführung besorgten sich die Angeklagten A. und G. eine ungeladene Schreckschusspistole.
3
Am 17. März 2016 begaben sich A. und G. zum Tatort. Der mit einer gelben Postjacke bekleidete A. klingelte gegen 11.45 Uhr an der Wohnungstür der S. Z. , wobei er sich als Postbote ausgab, der ein Einschreiben abgeben müsse. S. Z. öffnete die Tür, woraufhin A. die ungeladene Schreckschusspistole hervorholte und in den Wohnungsflur drängte. Der Angeklagte G. , der ein Messer bei sich führte, folgte ihm. S. Z. stürzte bei ihrer Flucht in die Wohnung und versuchte, die ebenfalls dort anwesende H. Z. schreiend zu warnen. A. bedrohte S. Z. mit der Pistole, während G. schwarzes Klebeband um ihre Hände und ihren mit einem Kopftuch bedeckten Kopf wickelte. Die zu diesem Zeitpunkt in der Küche befindliche H. Z. schloss die Küchentür ab, die der Angeklagte G. sodann mit Fußtritten aufbrach. A. hielt daraufhin H. Z. die Pistole an die Schläfe, G. umwickelte auch ihren Mund mit schwarzem Klebeband. Der Angeklagte A. forderte von beiden Frauen die Herausgabe von Schmuck und Geld, G. hielt zur Verstärkung der Drohung das mitgeführte Messer in der Hand. Die Geschädigten hatten Angst und zogen das Klebeband von ihrem Mund weg, um sprechen zu können. S. Z. riet H. Z. , den Angeklagten das Geld zu geben, da diese sie sonst töten würden. Beide Frauen gingen daraufhin mit dem Angeklagten A. in das Schlafzimmer. Dort nahm A. aus einer Jackentasche 38.000 € Bargeld, das J. Z. , einem Bruder der S.
Z. und Ehemann der H. Z. , gehörte. Zwischenzeitlich nahm der Angeklagte G. noch eine Tasche mit Goldschmuck an sich, denH. Z. von ihrem Vater zur Hochzeit als Geschenk bekommen hatte. A. äußerte sodann gegenüber den Geschädigten, dass er ihre Familie umbringen werde, wenn sie die Polizei verständigen würden, und verließ zusammen mit dem Angeklagten G. den Tatort.
4
Den entwendeten Schmuck verkaufte A. später im F. er Bahnhofsviertel für 6.950 €. Z. erhielt für seine Tatbeteiligung 13.000 €. Die übrige Tatbeute von 32.000 € teilten sich A. und G. hälftig auf.
5
b) Mehr als ein Jahr später entschuldigte sich der Angeklagte Z. bei den Geschädigten J. und S. Z. . Außerhalb der Hauptverhandlung kam es am 17. September 2017 zu einem Treffen aller drei an der Tat beteiligten Angeklagten, die jeweils von Familienmitgliedern begleitet wurden, mit allen Geschädigten in deren Wohnung. Sie entschuldigten sich persönlich bei J. und S. Z. , die die Entschuldigung annahmen. A. und G. entschuldigten sich auch bei H. Z. , die die Entschuldigung wie auch die seitens des Angeklagten Z. in der Hauptverhandlung erklärte Entschuldigung nicht annahm. Mit gleichlautenden Schuldverträgen vom 17. September 2017 verpflichteten sich die Angeklagten A. und G. gegenüber J. Z. zur Zahlung von je 16.000 € und der Angeklagte Z. zur Zahlung von 8.000 € in monatlichen Teilraten von 500 € abzüglich bereits geleisteter Teilzahlungen von insgesamt 13.000 €.
6
Aufgrund von Vereinbarungen zur Schadenswiedergutmachung vom 23. September 2017 zahlten die Angeklagten jeweils 1.000 € zum Ausgleich der immateriellen Folgen der Tat (Schmerzensgeld) an S. und H. Z. .
7
2. a) Wiederum auf Hinweis des Angeklagten Z. beschlossen die Angekagten A. und G. kurz nach der ersten Tat, einen weiteren Raubüberfall zu begehen, und kundschafteten zusammen mit ihm den Tatort am 18. April 2016 aus. A. und G. gewannen für die Tatausführung die Mitangeklagten O. und K. , mit denen sie am 19. April 2016 zusammen zur Wohnung der Eheleute D. fuhren. Dort klingelte der Angeklagte A. an der Wohnungstür und gab sich erneut als Postbote aus. Nach Öffnung der Wohnungstüre stürmte er sogleich mit den Mitangeklagten G. , K. und O. in die Wohnung und hielt zunächst dem A. D. eine Schreckschusspistole an den Kopf. Gleichzeitig forderte er ihn erfolglos zur Herausgabe von Bargeld und Schmuck auf. Anschließend durchsuchte G. das Wohnzimmer nach Wertsachen, während A. sich zu Z. D. in das Schlafzimmer begab, diese mit dem „Schlachten“ ihres Sohnes Om. bedrohte und auf ihren Hinweis von dem dor- tigen Sideboard Scheingeld in Höhe von 250 € einsteckte. Währenddessen hielten die Angeklagten K. und O. den Geschädigten D. in ihrer Gewalt. Sie fixierten ihn auf dem Boden, schlugen ihn mehrfach und fragten dabei nach Geld. A. kehrte ins Wohnzimmer zurück und teilte A. D. mit, man habe den Sohn Om. in der Gewalt und würde ihn abschlachten, wenn es kein Geld gäbe. Daraufhin wies dieser auf den Wohnzimmerschrank, wo sich weitere 3.600 € befanden, die A. ebenfalls einsteckte. Darüber hinaus nahm er Spargeld der Kinder in Höhe von ca. 200-300 € und eine Uhr im Wert von 299 € an sich.
8
Als Z. D. die Angeklagten aufforderte, ihren Ehemann loszulassen und nicht weiter zu schlagen, befahl A. ihr, still zu sein, da er ihnansonsten umbringen werde. O. drückte ihr zudem mit der Hand den Mund zu, wobei er ihren Rücken gegen einen Heizkörper presste. Z. D. erlitt dadurch Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich sowie Prellungen im Gesicht. G. nahm indessen einen Beutel mit Silber- und Goldschmuck, dessen genauer Umfang und Wert in der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden konnte, an sich und verließ schließlich mit den anderen Mitangeklagten die Wohnung.
9
Vor dem Haus teilten sich die Täter auf. Den Beutel mit dem Schmuck warf entweder der Angeklagte G. oder der Angeklagte O. auf der Flucht weg; er konnte nicht wieder aufgefunden werden. Kurze Zeit später wurden G. , K. und O. ohne Beute festgenommen. O. benannte beiseiner polizeilichen Vernehmung am nächsten Tag den bis dahin noch nicht identifizierten Angeklagten A. als vierten Mittäter.
10
Von dem bei der Tat erlangten Geld erhielt der Angeklagte K. 1.000 €, den restlichen Teil teilten sich die Angeklagten A. und G. . Z. und O. gingen leer aus.
11
b) Noch vor der Hauptverhandlung entschuldigten sich die Eltern des Angeklagten Z. und später auch der Angeklagte Z. selbst bei den Geschädigten. Ein Angebot der Eltern des Angeklagten Z. , den Schaden zu ersetzen, lehnte A. D. ebenso ab wie eine am 20. September 2017 geäußerte Bitte der Schwester des Angeklagten G. , mit allen Angeklagten zum Zwecke einer Entschuldigung vorbeikommen zu dürfen. Auch ein angebotener Gesprächsterminim Büro des Verteidigers des Angeklagten K. fand nicht statt. Bei einer Unterredung des Vaters des Angeklagten Z. mit dem Cousin und dem älteren Bruder des Geschädigten D. fanden diese eine ihrem afghanischen Kulturkreis entsprechende Lösung und forderten A. D. auf, den Angeklagten zu verzeihen.
12
Am 24. September 2017 kam es zwischen allen Angeklagten und den Schwestern der Angeklagten G. und A. zu einem Treffen mit den Eheleuten D. zunächst in einem Eiscafé und anschließend in der Wohnung der Geschädigten. Alle Angeklagten entschuldigten sich zunächst bei dem älteren Bruder des Geschädigten A. D. und dann bei den beiden Tatopfern persönlich. Die Geschädigten wie auch der ältere Bruder und der Cousin des Ge- schädigten nahmen die Entschuldigung „entsprechend der getroffenen Familienabsprache“ an. Gleichzeitig wurde eine Gesamtzahlung von 11.350 € als Schadensersatz und Schmerzensgeld vereinbart. Jeder der fünf Angeklagten verpflichtete sich zur Zahlung von 2.270 €. Das Geld wurde außerhalb der Hauptverhandlung an die Geschädigten übergeben.

II.

13
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
14
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 15. Oktober 2018 ohne Erfolg.
15
2. Die umfassende Überprüfung der angegriffenen Entscheidung auf die Sachrüge führt hinsichtlich Fall II.1 der Urteilsgründe zur Aufhebung des Schuldspruchs hinsichtlich der Angeklagten A. und G. sowie zur Aufhebung nur des Strafausspruchs hinsichtlich des Angeklagten Z. .
16
a) Das Landgericht hat übersehen, dass sich der Angeklagte A. im Fall II.1 der Urteilsgründe zusätzlich zu der Verurteilung wegen eines Raubdelikts wegen einer tateinheitlich begangenen (versuchten) Nötigung strafbar gemacht hat, indem er S. und H. Z. gegenüber äußerte, „dass er ihre Familien umbringen werde, wenn sie die Polizei verständigen würden“. Diese Handlung bildete mit dem vorangegangenen Raubgeschehen einen einheitlichen Lebenssachverhalt im Sinne von § 264 StPO und hätte deshalb von der Strafkammer abgeurteilt werden müssen. Ob auch der Angeklagte G. insoweit zu bestrafen wäre, ist anhand der Urteilsfeststellungen nicht abschließend zu beurteilen. Wo genau sich G. zum Zeitpunkt der Nötigungshandlung des Angeklagten A. aufhielt und ob er die entsprechende Äußerung wahrgenommen und im Wege sukzessiver Tatbegehung gebilligt hat, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Dies führt zur Aufhebung des Schuldspruchs hinsichtlich der Angeklagten A. und G. im Fall II.1 der Urteilsgründe insgesamt, wobei die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen aufrechterhalten bleiben können. Das Landgericht kann neue Feststellungen treffen, soweit sie mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
17
b) Der Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.1 der Urteilsgründe entzieht dem gesamten Strafausspruch hinsichtlich der Angeklagten A. und G. die Grundlage und bedingt auch die Aufhebung der sie betreffenden Einziehungsentscheidung zu Fall II.1 der Urteilsgründe.
18
c) Der Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten Z. im Fall II.1 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat wie auch bei A. und G. zu Unrecht eine Strafmilderung nach § 46a Nr. 1 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen.
19
Nach den Feststellungen zu den Ausgleichsbemühungen der Angeklagten nach der Tat fehlt es hinsichtlich der Geschädigten H. Z. an den Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB und damit – da bei mehreren Geschädigten bei einer Tat hinsichtlich jedes Tatopfers mindestens eine Alternative des § 46a StGB erfüllt sein muss (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. Februar 2018 – 5 StR 535/18, NStZ 2018, 276) – an der Anwendbarkeit des § 46a StGB insgesamt.
20
aa) § 46a Nr. 1 StGB, der sich vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen der Tat bezieht, setzt voraus, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutmacht oder dieses Ziel jedenfalls ernsthaft erstrebt hat. Dies erfordert grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, bei dem das Bemühen des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein und das Opfer die Leistung des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren muss. Die Wiedergutmachung muss auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 – 1 StR 576/16, NStZ-RR 2017, 198, 199; Beschluss vom 24. Januar 2019 – 1 StR 591/18, juris Rn. 6).
21
Die „Vereinbarungen zur Schadenswiedergutmachung“ enthalten zwar Zahlungen an H. Z. , diese betreffen aber nur den Ausgleich der immateriellen Folgen. Eine Kompensation für den erlittenen materiellen Schaden der Zeugin, den die Strafkammer mit mindestens 6.950 € angesetzt hat, fehlt hingegen und findet sich auch nicht in den Schuldverträgen vom 17. September 2017, die einen Ausgleich nur hinsichtlich des materiellen Schadens von J. Z. vorsehen. Die Wiedergutmachungsleistungen waren insoweit nicht – wie aber auch im Rahmen von § 46a Nr. 1 StGB geboten – auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Tat verursachten Folgen gerichtet. Die Angeklagten hätten auch den bei H. Z. entstandenen materiellen Schaden bei ihren Ausgleichsverhandlungen berücksichtigen müssen.
22
Insoweit ist zwar zu berücksichtigen, dass ein vollständiger Schadensausgleich (im zivilrechtlichen Sinn) keine zwingende Voraussetzung für die Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB ist. So ist zum einen erforderlich, dass der Täter im Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wiedergutgemacht hat; ausreichend ist zumanderen aber auch, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2002 – 1 StR 333/01, NStZ 2002, 29). Aus diesem Grund gibt eine vergleichende Gegenüberstellung von zivilrechtlich geschuldetem Schadensersatz einerseits und angebotener bzw. geleisteter Ausgleichszahlung andererseits zwar eine gewisse Orientierung über das Ausmaß der Schadensbemühungen des Täters, sie erlaubt aber für den Fall, dass die versprochenen bzw. geleisteten Zahlungen hinter den geschuldeten zurückbleiben, nicht ohne nähere Betrachtung den Rückschluss, dass es damit an einer „umfassenden Wiedergutmachung“ fehlt. Ansonsten würde jeder zwischen Täter und Opfer geschlossene Vergleich, der nicht zu einem vollständigen zivilrechtlichen Ausgleich führt, aus dem Anwendungsbereich des § 46a Nr. 1 StGB herausfallen.
23
Allerdings darf für die Annahme eines friedensstiftenden Ausgleichs im Sinne von § 46a StGB nicht ausschließlich auf die – selbst einvernehmliche – subjektive Bewertung von Tatopfer und Täter abgestellt werden, wie sie in einer getroffenen Übereinkunft zum Ausdruck kommt. Erforderlich ist vielmehr vorrangig die Prüfung, ob die konkret erfolgten oder ernsthaft angebotenen Leistungen des Täters nach einem objektivierenden Maßstab als so erheblich anzusehen sind, dass damit das Unrecht der Tat oder deren materiellen und immateriellen Folgen als „ausgeglichen“ erachtet werden können (vgl. OLG Bamberg, NStZ-RR 2007, 37, 38). Dies folgt schon daraus, dass überhaupt nur angemessene und nachhaltige Leistungen die erlittenen Schädigungen ausgleichen und zu einer Genugtuung für das Opfer führen können (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2005 – 1 StR 287/05, NStZ 2006, 275, 276). Aus diesem Grund wäre auf jeden Fall auch ein adäquater Ausgleich für denH. Z. entstandenen materiellen Schaden vorzunehmen gewesen.
24
bb) Soweit ein solcher Ausgleich nicht erfolgt ist, kommt von vornherein auch eine Strafrahmenmilderung nach dem insbesondere den materiellen Schadensausgleich betreffenden § 46a Nr. 2 StGB nicht in Betracht.
25
cc) Die Aufhebung des Strafausspruchs im Fall II.1 der Urteilsgründe bedingt die Aufhebung der gegen den Angeklagten Z. verhängten Gesamtfreiheitsstrafe.
26
d) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat im Hinblick auf Fall II.1 der Urteilsgründe auf Folgendes hin:
27
aa) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen haben sich die Angeklagten A. und G. mit Blick auf das Vorzeigen des Messers gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB wegen besonders schweren Raubes schuldig gemacht. Davon ist zwar das Landgericht auch bei seiner rechtlichen Würdigung ausgegangen, hat es aber versäumt, dies in den Tenor aufzunehmen.
28
Hingegen kommt eine (tateinheitliche) Verurteilung wegen einer gefährlichen Körperverletzung nicht in Betracht. Das Landgericht hat im Hinblick auf den Einsatz des Klebebands keine üble, unangemessene Behandlung im Sinne von § 223 StGB festgestellt und jedenfalls das Vorliegen der subjektiven Tatseite im Hinblick auf den durch Abreißen des Klebebands bei der Zeugin H. Z. verursachten kurzen Schmerz ohne rechtliche Bedenken ausgeschlossen. Zur Verwendung des Klebebands beim Raubgeschehen weist der Senat auf BGH NStZ 1993, 79 hin.
29
bb) Hinsichtlich der Annahme des § 46a Nr. 1 StGB, bezogen auf J. Z. , weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass auch insoweit näher zu prüfen sein wird, ob der einzelne Schuldvertrag, den jeder Angeklagte mit dem Tatopfer getroffen hat, allein oder in Berücksichtigung der jeweiligen anderen Verträge eine „angemessene und nachhaltige Leistung“ zum Ausgleich der erlittenen Schäden darstellt. Bedenken könnten sich insoweit ergeben, als in den Verträgen jeweils nur Verpflichtungen zu Leistungen von monatlichen Ratenzahlungen hinsichtlich eines Teilbetrags des eingetretenen Gesamtschadens eingegangen sind, Regelungen für den Zahlungsausfall oder die Zahlungseinstellung durch den jeweiligen Vertragspartner oder auch einer der Mittäter fehlen, zumal ein Verzicht auf die außergerichtliche oder gerichtliche Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche erklärt wird.
30
cc) Für die neu gegen die Angeklagten A. und G. zu treffenden Einziehungsentscheidungen weist der Senat im Übrigen auf die Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 15. Oktober 2018 hin.
31
3. Hinsichtlich Fall II.2 der Urteilsgründe hat die Überprüfung der landgerichtlichen Entscheidung lediglich Rechtsfehler bei den Strafaussprüchen sowie bei den Einziehungsentscheidungen ergeben.
32
a) Der Schuldspruch begegnet auch insoweit keinen rechtlichen Bedenken , als das Landgericht eine Strafbarkeit wegen erpresserischen Menschenraubs nach § 239a StGB nicht erörtert hat. Denn nach den Feststellungen wurde der Geschädigte D. zwar mittels körperlicher Gewalt überwältigt, festgehalten , bedroht, geschlagen und fortwährend zur Preisgabe der Aufbewahrungsorte von Bargeld und Schmuck aufgefordert. Die gegenüber D. eingesetzten Nötigungsmittel dienten damit unmittelbar der Duldung der Wegnahme und begründeten zugleich eine Bemächtigungslage, der deshalb keine eigenständige Bedeutung für die Begehung des Raubes zukam (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 239a, Rn. 7a m. Nachw. zur Rspr.). Soweit die Angeklagten die Zeugin D. festhielten und später auch ihr gegenüber Gewalt anwendeten, kommt auch dieser Bemächtigung keine eigenständige Bedeutung zu, zumal es ihnen insoweit nur darauf ankam, sie ruhig zu stellen, und damit keine Erpressungsabsicht verbunden war.
33
b) Die Strafaussprüche halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
34
aa) Die Annahme der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB mit Blick auf die Geschädigte Z. D. begegnet Bedenken.
35
Die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB (vgl. dazu schon oben II.2.c.aa) liegen entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht vor. Zwischen den Angeklagten und den Geschädigten hat zwar ein kommunikativer Prozess stattgefunden, bei dem die Angeklagten die Verantwortung für die Tat übernommen und die Geschädigten ihre Leistungen als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert haben. Dabei ist es grundsätzlich ohne Belang, von wem die Ausgleichsbemühungen initiiert wurden (vgl. Fischer, aaO, § 46a, Rn. 12; OLG Köln NStZ-RR 2004, 71, 72). Dass der erste Schritt nicht von den Angeklagten selbst, sondern von den Eltern des Angeklagten Z. ausgegangen ist, steht deshalb der Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB nicht entgegen, soweit die Angeklagten – wie hier – im Laufe der zu einem Ausgleich unternommenen Anstrengungen die Verantwortung für ihre Tat gegenüber den Opfern übernommen haben. Am Vorliegen eines kommunikativen Prozesses fehlt es auch nicht deshalb, weil die Geschädigten D. zunächst an Gesprächen mit den Angeklagten nicht interessiert waren und diese erst zustande kamen, als es zu einer Absprache der beteiligten Familien kam, in deren Folge der GeschädigteD. aufgefordert wurde, den Angeklagten zu verzeihen. Das Landgericht hat insoweit in den Blick genommen, dass letztendlich beide Geschädigte die persönlichen Entschuldigungen der Angeklagten angenommen haben, und hat dabei auch bedacht, dass der GeschädigteD. dies nur auf „Vorgabe“ seiner Verwandten getan hat. Wenn es mit Blick auf den Inhalt der getroffenen Vereinba- rungen und die Entgegennahme der Leistungen der Angeklagten in wertender Betrachtung (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2002 – 1 StR 204/02, NStZ 2003, 29, 31) davon ausgegangen ist, dass die Geschädigten diese hiermit – ohne dass es auf die förmliche Annahme der Entschuldigung ankäme – (freiwillig) als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert haben, ist diese tatrichterliche Einschätzung von Rechts wegen nicht zu beanstanden (vgl. Senat, Urteil vom 19. Oktober 2011 – 2 StR 344/11, StV 2012, 150), dies auch deshalb, weil Anhaltspunkte dafür, sie hätten die Zahlungen aus Sorge darüber, ansonsten keine Leistungen zu erhalten, entgegengenommen, nicht ersichtlich sind.
36
Die Wiedergutmachungsleistungen waren aber nicht auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Tat verursachten Folgen gerichtet. Die Zahlung eines Betrages von insgesamt „nur“ 11.350 € zum Ausgleich von materiellem und immateriellem Schaden steht einer Anwendung von § 46a Nr. 1 StGB hier entgegen. Denn in diesem Betrag, der sich aus dem sich rechnerisch aus den Urteilsgründen ergebenden materiellen Schaden von 4.349 € und einem Schmerzensgeldbetrag von 3.500 € für jeden Geschädigten zusammensetzt, ist kein Ausgleich für den außerdem entwendeten „Beutel mit Silber- und Goldschmuck“ enthalten. Dies aber wäre für eine umfassende Wiedergutmachung der durch die Tat verursachten Folgen vonnöten gewesen. Dass „dessen ge- nauer Umfang und Wert in der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden konnte“ (UA S. 20), rechtfertigt es nicht, den Wert mit „null“ anzusetzen und in- folgedessen von einem ernsthaft auf umfassenden Ausgleich getragenen Bemühen auszugehen. Das Landgericht hätte – gestützt auf Angaben der Geschädigten – den Wert des Schmucks schätzen und diesen bei der Prüfung, ob die Wiedergutmachung auf einem umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet ist, berücksichtigen müssen.
37
bb) Hingegen hält die Annahme von Aufklärungshilfe nach § 46b StGB durch den Angeklagten O. rechtlicher Nachprüfung stand. Das Landgericht hat nachvollziehbar dargelegt, dass O. den Mitangeklagten A. namentlich und unter Benennung des Wohnortes benannt und dessen Identität unter Vorhalt eines Lichtbildes bestätigt hat. Dies rechtfertigt ohne Weiteres die Anwendung des § 46b StGB, weil den Ermittlungsbehörden zu diesem Zeitpunkt lediglich eine allgemein gehaltene Täterbeschreibung der Geschädigten vorlag. Diese Feststellung der Strafkammer ist im Übrigen belegt durch die Angaben des Zeugen M. . Dass dieser zum konkreten Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden nicht befragt worden ist, wie es die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung vorträgt, ist eine urteilsfremde Tatsache, auf die die Revision nicht gestützt werden kann.
38
c) Die (nicht begründete) Entscheidung des Landgerichts, von einer Einziehung des Wertes von Taterträgen hinsichtlich Fall II.2 der Urteilsgründe abzusehen , hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit die Angeklagten K. , A. und G. betroffen sind. Der Angeklagte A. hat mindestens 4.050 € an Bargeld sowie eine Uhr im Wert von 299 € erlangt, während der Angeklagte G. neben einem Teil des Bargelds (UA S. 21) Verfügungsgewalt über einen Beutel mit Gold- und Silberschmuck in nicht festgestelltem Wert erworben hat. Weiterreichende Mitverfügungsgewalt aller an der unmittelbaren Tatausführung Beteiligten über das Geld und den Inhalt des erbeuteten Beutels lässt sich hingegen – nachdem die Angeklagten unmittelbar nach der Tatbegehung in verschiedene Richtungen flüchteten – nicht feststellen. Das Landgericht hat lediglich noch festgestellt, dass der Angeklagte K. 1.000 € aus der Tatbeute erhalten hat, während O. und Z. leer ausgingen. Bei dieser Sachlage kann der Senat unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlungen aller Angeklagten an die Geschädigten ohne nähere Erläuterung nicht nachvollziehen , ob die Einziehung nach § 73e Abs. 1 StGB ausgeschlossen ist. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass das Landgericht den Wert des erbeuteten Silber- und Goldschmucks nicht weiter aufgeklärt und diesen insoweit mit „Null“ angesetzt hat, obwohl es auch im Rahmen der Einziehungsentscheidung vonnöten gewesen wäre, dieser einen gegebenenfalls im Rahmen einer Schätzung zu ermittelnden Wert des Schmucks zugrunde zu legen.
Appl Krehl Meyberg Grube Schmidt

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Referenzen

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 576/16
vom
9. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2017:090517U1STR576.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Mai 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Bellay, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, der Nebenkläger persönlich - in der Verhandlung -, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Nebenklägervertreter, Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 8. Juli 2016 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt undihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit ihrer auf den Strafausspruch beschränkten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts, vornehmlich die Annahme der Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts stach die Angeklagte am 6. September 2015 in alkohol- und drogenbedingt enthemmtem Zustand ihren Arbeitgeber in dem von ihm als Mitinhaber betriebenen Café mit einem Messer fünfmal mit bedingtem Tötungsvorsatz in den Brust- und Bauchbereich. Vorausgegangen war ein Streitgespräch über einen Vorfall im Jahr 2014, bei dem der Geschädigte die Angeklagte sexuell belästigt hatte. Im Rahmen des Disputs forderte der Geschädigte die Angeklagte auf, auf ihn (doch) mit einem im Arbeitsbereich liegenden Messer einzustechen, was diese dann auch tat. Vier der mit leichter und mittlerer Wucht geführten Stiche drangen maximal ein bis eineinhalb Zentimeter in den Bauch- und Brustbereich ein; ein Stich wurde von der Jacke des Geschädigten abgehalten. Trotz des starken Blutverlustes bestand für den Geschädigten keine konkrete Lebensgefahr. Er hätte auch ohne ärztliche Hilfeleistung überlebt. Die Verletzungen sind weitgehend folgenlos verheilt. Lediglich beim Heben schwerer Gewichte treten Schmerzen auf. Wegen der psychischen Folgen der Tat hat sich der Geschädigte in psychiatrische Behandlung begeben.
3
2. Die Schwurgerichtskammer hat aufgrund der entfalteten Rettungsbemühungen der Angeklagten einen strafbefreienden Rücktritt vom Totschlagsversuch angenommen. Mit Blick auf die abstrakte Lebensgefährlichkeit der Messerstiche hat sie die Voraussetzungen der gefährlichen Körperverletzung in den Tatvarianten nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB als verwirklicht angesehen.
4
3. Bei der Strafrahmenwahl hat das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falls nach § 224 Abs. 1 StGB verneint. Es hat jedoch eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen, weil es die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs als erfüllt angesehen hat. Insoweit hat das Landgericht festgestellt, dass die in Untersuchungshaft befindliche, geständige Angeklagte Kontakt zum Geschädigten gesucht, ihm einen Brief geschrieben und sich darin und anschließend in der Hauptverhandlung nochmals beim Geschädigten für die Tat entschuldigt hatte. Der nahm die Entschuldigung in der Hauptverhandlung an, auch wenn ihm dies nach seinem Bekunden schwer fiel. Zudem hat die vermögenslose Angeklagte, die zuvor beim Geschädigten nur geringfügige Einkünfte von monatlich 200 bis 300 Euro erzielt hatte, diesem aus ihrem Verdienst in der Untersuchungshaft von monatlich etwa 80 Euro einen Betrag von 420 Euro zukommen lassen, den sie angespart hatte. Der Geschädigte hat den Geldbetrag angenommen (UA S. 13).

II.

5
Die Revision der Staatsanwaltschaft, die wirksam auf den Strafausspruch beschränkt ist, hat keinen Erfolg.
6
1. Zwar hat die Beschwerdeführerin ihr Rechtsmittel nachträglich lediglich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) beanstandet sie jedoch nicht.
7
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. Februar 2017 – 5 StR 545/16 mwN). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat hier die Beschwerdeführerin klar zu erkennen gegeben, dass sie sich allein gegen den Strafausspruch wendet und mit ihrem Rechtsmittel die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht angreifen will.
8
2. Der Strafausspruch begegnet keinen Bedenken. Insbesondere hat das Landgericht die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB ohne Rechtsfehler als gegeben angesehen.

9
a) § 46a Nr. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutmacht oder dieses Ziel jedenfalls ernsthaft erstrebt hat. Dies erfordert grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, bei dem das Bemühen des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein und das Opfer die Leistung des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren muss. Die Wiedergutmachung muss auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 1995 – 1 StR 205/95, BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 1; Urteile vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, NStZ 2002, 646 und vom 27. August 2002 – 1 StR 204/02, NStZ 2003, 29).
10
b) Gemessen daran hat das Landgericht rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB bejaht. Entgegen der Ansicht der Revision hat die Angeklagte im Rahmen ihres Geständnisses die Verantwortung für die Tat uneingeschränkt übernommen. Dass sie – ebenso wie der Geschädigte – keine konkrete Erinnerung an das unmittelbare Tatgeschehen hatte, ändert daran nichts. Der Umstand, dass die Angeklagte bestritten hat, dass sie die Videokamera , die das Tatgeschehen (visuell) hätte aufzeichnen können, vor der Tatbegehung gezielt umgestoßen hat, lässt ihre Verantwortungsübernahme für die Tat nicht entfallen. Sie hat nämlich das Tatgeschehen gleichwohl eingeräumt und somit ihr Tun und die daraus resultierenden Folgen nicht in Abrede gestellt, insbesondere aber auch nicht die „Opfer-Position“ des Geschädigten bestritten (vgl. BGH, Urteil vom 23. Dezember 2015 – 2 StR 307/15).
11
c) Dem Urteil ist zudem hinreichend zu entnehmen, dass zwischen der Angeklagten und dem Geschädigten ein kommunikativer Prozess während ihrer Untersuchungshaft begonnen wurde. Sie hat in dem an den Geschädigten gerichteten Entschuldigungsschreiben die Verantwortung für die Tat übernommen und dies in der Hauptverhandlung wiederholt. Der Geschädigte hat die Entschuldigung – ebenso wie den von der Angeklagten angesparten und überreichten Geldbetrag – auch angenommen. Die Ansicht der Revision, der Geschädigte habe die Entschuldigung und den Geldbetrag nicht als friedensstif- tenden Ausgleich angesehen, weil er das Geld ohne „weitere Erklärung entgegen“ genommen habe und es ihm auch schwer gefallen sei, die Entschuldigung zu akzeptieren, stellt lediglich eine eigene, revisionsrechtlich unbeachtliche Bewertung der friedensstiftenden Wirkung – wie sie vom Tatgericht angenommen wurde – dar. Weitergehender Ausführungen des Landgerichts hierzu bedurfte es vorliegend nicht.
12
Schließlich hat das Landgericht die geleistete Zahlung der Angeklagten ohne Rechtsfehler als ernsthaftes Erstreben einer Wiedergutmachung bewertet. Es hat dabei zutreffend darauf abgestellt, dass der Geldbetrag zwar objektiv nicht hoch genug sei, um ihn als überwiegende Wiedergutmachung des immateriellen Schadens anzusehen. Jedoch sei der Betrag gemessen an den finanziellen Möglichkeiten der Angeklagten eine ganz erhebliche Leistung, die ihren Wiedergutmachungswillen belege. Raum Graf Bellay Cirener Radtke
6
a) § 46a Nr. 1 StGB bezieht sich vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Tat; solche sind auch bei Vermögensdelikten denkbar (BGH, Urteil vom 8. August 2012 - 2 StR 526/11, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 9 Rn. 17; Beschluss vom 23. Juli 2001 - 1 StR 266/01, wistra 2002, 21). Die Vorschrift setzt als "Täter-Opfer-Ausgleich" einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet und Ausdruck der "Übernahme von Verantwortung" sein muss (BGH, Beschluss vom 23. Juli 2001 - 1 StR 266/01; Urteil vom 9. Mai 2017 - 1 StR 576/16, NStZ-RR 2017, 198, 199 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. März 2007 - 2 StR 35/07, StV 2007, 410: Hinterlegung eines Geldbetrages beim Verteidiger; BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 1998 - 1 StR 249/98, NStZ-RR 1998, 297 und vom 28. April 2015 - 3 StR 647/14, juris Rn. 2: kein persönlicher Verzicht des Angeklagten erforderlich ). Deswegen sind regelmäßig Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat (BGH, Urteile vom 24. August 2017 - 3 StR 233/17, juris Rn. 15; vom 23. Dezember 2015 - 2 StR 307/15, juris Rn. 21 und vom 9. September 2004 - 4 StR 199/04, juris Rn. 9). Werden durch eine Straftat mehrere Personen geschädigt, so muss hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Variante des § 46a StGB erfüllt sein (BGH, Urteile vom 7. Februar 2018 - 5 StR 535/17, NStZ 2018, 276; vom 22. Juni 2017 - 4 StR 151/17, NStZ-RR 2017, 306 und vom 5. März 2014 - 2 StR 496/13, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 10 Rn. 14).

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 287/05
vom
7. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
7. Dezember 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 30. März 2005 im Strafausspruch in den Fällen II.1. und II.3. sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Freiburg zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung, wegen sexueller Nötigung sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Des Weiteren hat das Landgericht dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung einer neuen Fahrerlaubnis ausgesprochen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Einzelstrafaussprüche in den Fällen II.1. und II.3. und den Gesamtstrafenausspruch beschränkten Revision greift die Staatsanwaltschaft mit der Sachbeschwerde die Bemessung der Freiheitsstrafen an. Sie wendet sich dabei gegen die jeweils mit einem Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB begründete Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

Das Landgericht hat unter anderem folgende Feststellungen getroffen: 1. (Fall II.1.): Am 9. März 2003 saß der Angeklagte als Beifahrer in dem von C. gesteuerten Pkw - auf der Rückbank saß die zur Tatzeit 15 Jahre alte G. , als dieser den Wagen auf dem Hinterhof eines Autohauses in V. parkte. Nachdem C. das Fahrzeug in der Absicht verlassen hatte, sich in einem nahe gelegenen Fastfood-Restaurant etwas zum Essen zu kaufen, stieg der Angeklagte vom Beifahrersitz auf die Rückbank zu der Geschädigten G. . Er verriegelte den Pkw von innen, legte sodann seinen Arm um G. und griff ihr entgegen deren körperlichen Widerstand über der Kleidung an die Brust und ebenfalls über der Kleidung zwischen die Beine in Richtung Geschlechtsteil. Er versuchte sodann, der Geschädigten G. die Hose zu öffnen, um weitere sexuelle Handlungen an ihrem Geschlechtsteil vorzunehmen. Jedoch gelang es dieser, dem Angeklagten einen Ellenbogen ins Gesicht zu schlagen, worauf er kurz von ihr abließ. Die Geschädigte G. nutzte diese Gelegenheit, um das Fahrzeug zu öffnen und zu entfliehen. 2. (Fall II. 3.): Am selben Abend des 8. Juni 2004 fuhr der Angeklagte in einem Pkw Opel in S. umher und bemerkte die zur Tatzeit 17 Jahre neun Monate alte Geschädigte F. , die zusammen mit ihrem Bekannten St. zu Fuß unterwegs war. Er sprach die beiden, ihm bis dahin unbekannten Personen, an. Er fragte sie dann, ob sie "ein paar Stadtrunden" mit ihm drehen würden, worauf diese in den Pkw einstiegen. Nachdem man an einer Tankstelle Bier eingekauft hatte, parkte der Angeklagte das Fahrzeug auf dem Parkplatz eines Lebensmittelmarktes. Als der Bekannte der Geschädigten F. das Fahrzeug verlassen hatte, um in der Nähe Kaugummi
zu kaufen, fuhr der Angeklagte mit dem Fahrzeug und der Geschädigten weg unter dem Vorwand, mit ihr "reden zu wollen". Er hielt in der Folge auf einem anderen Parkplatz an, fasste der Geschädigten an den Schenkel und kurbelte sodann den Beifahrersitz des Fahrzeugs, auf dem die Geschädigte Platz genommen hatte, nach hinten. Mit einer Hand hielt er beide Hände der Geschädigten über deren Kopf fest und schob dann gegen ihren Widerstand den Stoffrock nach oben, dann zog er den Slip der Geschädigten aus und führte den ungeschützten Geschlechtsverkehr bis kurz vor dem Samenerguss durch. Bei diesem Geschehen weinte die Geschädigte und bat den Angeklagten aufzuhören. Dies hielt ihn jedoch nicht ab. Kurz vor dem Samenerguss zog er sein Glied aus der Scheide und ejakulierte auf den Unterleib und den Rock. In der Folge brachte er die Geschädigte zu dem Parkplatz zurück, auf welchem der Bekannte St. wartete. 3. Zur Anwendung des § 46a StGB in beiden vorgenannten Fällen hat die Strafkammer folgendes ausgeführt: Vor der Hauptverhandlung hat die Kammer auf Anregung des Verteidigers des Angeklagten mit diesem und der Staatsanwaltschaft ein Gespräch geführt , "wie alle Beteiligten die Sachlage vorläufig einordneten". Die Kammer teilte hierbei allen Beteiligten mit, "dass, für den Fall, dass ein umfassendes Geständnis des Angeklagten in Bezug auf alle drei Anklagepunkte erfolge und sich in der Hauptverhandlung ergäbe, dass die Voraussetzungen eines Täter-OpferAusgleiches vorliegen," … "durchaus noch die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren in Betracht komme". Nachdem die Staatsanwaltschaft bei diesem Gespräch zunächst keine Entscheidung über ihr Einverständnis mit einem solchen Procedere getroffen hatte, teilte sie in der Hauptverhandlung noch vor Vernehmung des Angeklagten zur Person und zur Sache mit, dass sie mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren oder darunter
nicht einverstanden sei. Des Weiteren hat der Verteidiger in der Hauptverhandlung mitgeteilt, dass der Angeklagte an ihn zu Gunsten der Geschädigten G. 2.500 € sowie zu Gunsten der Geschädigten F. 4.000 € überwiesen habe, verbunden mit dem Auftrag zur Weiterleitung der Geldbeträge an die Geschädigten. Allerdings seien diese Überweisungen aus seinem, des Verteidigers Verschulden, bislang versäumt worden; sie würden jedoch nun unverzüglich vorgenommen werden. Der Angeklagte legte in der Hauptverhandlung mittels einer vom Verteidiger verlesenen Erklärung ein Geständnis zu den ihm vorgeworfenen Taten ab und teilte mit, dass er die Taten bereue. Von einer schriftlichen Entschuldigung vor der Hauptverhandlung habe er auf Anraten seines Anwaltes abgesehen, weil dieser befürchtet habe, dass die Geschädigten bei Erhalt eines Entschuldigungsbriefes erneut leiden müssten. Äußerungen der beiden Geschädigten hierzu und deren Auffassung über eine Wiedergutmachung - entweder direkt oder über Bezugspersonen eingeholt - finden sich in den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die Bejahung der Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs des hier in erster Linie in Betracht kommenden § 46a Nr. 1 StGB durch das Landgericht begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. 1. § 46a Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter im Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wieder gutgemacht hat, wobei es aber auch ausreichend sein kann, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt dies grundsätzlich ein Bemühen des Täters um einen
kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden , friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt sein muss. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt dazu nicht (BGH NStZ 1995, 492; NJW 2001, 2557; NStZ 2002, 29; BGH, Urt. vom 27. August 2002 - 1 StR 204/02). Wenngleich ein "Wiedergutmachungserfolg" nicht zwingende Voraussetzung ist, so muss sich doch das Opfer auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich bereit finden und sich auf ihn einlassen. Dabei reicht aber allein die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen nicht aus; insbesondere kann dadurch nicht das Erfordernis eines kommunikativen Prozesses zwischen Täter und Opfer ersetzt werden. Aus der Sicht des Opfers ist es für die verlangte Kommunikation unabdingbar , dass es in den Dialog mit dem Täter über die zur Wiedergutmachung erforderlichen Leistungen einbezogen wird. Ein erfolgreicher Täter-OpferAusgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, dass das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert (BGH, Urt. vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02 -, NStZ 2002, 646; Urt. vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02). Dies ergibt sich schon daraus, dass überhaupt nur angemessene und nachhaltige Leistungen die erlittenen Schädigungen ausgleichen und zu einer Genugtuung für das Opfer führen können. Lässt sich das Tatopfer - etwa weil das Delikt oder Art und Umfang der Schädigungen ihm einen Ausgleich unmöglich machen - auf einen kommunikativen Prozess nicht ein, so ist das Verfahren für die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs nicht geeignet (vgl. BTDrucks. 14/1928 S. 8; BGH aaO). In gleicher Weise fehlt es an einem kommunikativen Prozess und damit an den Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs, wenn das Opfer überhaupt nicht - sei es persönlich oder durch einen Vertreter bzw. Vermittler - beteiligt ist. Dass dem Opfer eine solche Beteiligung möglich gemacht wird, liegt nach der Intention der gesetzli-
chen Regelung im Wesentlichen im Verantwortungsbereich des Täters, das heißt, seine Bemühungen müssen naturgemäß zumindest den Versuch der Einbeziehung des Opfers in den kommunikativen Prozess enthalten. Regelmäßig sind daher tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat, wie sicher die Erfüllung einer etwaigen Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist und welche Folgen diese Verpflichtung für den Täter haben wird (BGH NStZ 2002, 29; BGH, Beschluss vom 22. Januar 2002 - 1 StR 500/01). Darüber hinaus kann der Tatrichter nur dann die Angemessenheit einer etwaigen Schmerzensgeldverpflichtung beurteilen, wenn er ausreichende Feststellungen dazu trifft, welche Schäden das Opfer durch die Tat erlitten hat und gegebenenfalls welche Folgen fortbestehen. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der weiteren Umstände hat der Tatrichter in "wertender Betrachtung" und schließlich nach Ermessensgesichtspunkten zu entscheiden, ob er die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs annimmt und danach von der so eröffneten Milderungsmöglichkeit Gebrauch macht. 2. Das Landgericht hat diese Maßstäbe nicht ausreichend beachtet. Die Urteilsgründe belegen die Voraussetzungen eines erfolgreichen Täter-OpferAusgleichs nicht.
a) Schon ein ernsthaftes, auf einen Ausgleich mit der Geschädigten gerichtetes Bemühen des Angeklagten nach § 46a Nr. 1 StGB ist den Urteilsgründen nicht sicher zu entnehmen. Die Strafkammer hat bei der Unterredung mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung vor der Hauptverhandlung bereits auf einen Täter-Opfer-Ausgleich hingewirkt. Dennoch hat der Angeklagte keine Bemühungen entfaltet, um entweder direkt oder über vermittelnde Dritte, gegebenenfalls auch seinen Verteidiger, mit dem Opfer in Kontakt zu treten und einen
Ausgleich zu versuchen. Hierbei kann ihn seine Erklärung nicht entlasten, er habe auf Anraten seines Verteidigers von einer schriftlichen Entschuldigung abgesehen; denn die behauptete Befürchtung,die Opfer müssten bei Erhalt des Briefes "erneut leiden", müsste in allen Fällen von Sexualdelikten gelten und würde damit einen Täter-Opfer-Ausgleich bei solchen Taten grundsätzlich ausschließen. Spätestens im zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der Hauptverhandlung, zu welcher die Geschädigten zunächst geladen waren und diese sich damit ohnehin gedanklich mit dem jeweiligen Geschehen auseinandersetzen mussten, wäre eine Kontaktaufnahme in der beschriebenen Form erforderlich und möglich gewesen. Allein die Erklärung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, dass er die Taten bereue und sich bei den Geschädigten entschuldigen wolle, reicht nicht hin, zumal diese nicht bei dieser Erklärung anwesend waren.
b) Auch genügen die vom Verteidiger zugesagten Zahlungen von Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 € zugunsten der Geschädigten G. bzw. von 4.000 € zugunsten der Geschädigten F. den Anforderungen des § 46a Nr. 1 StGB nicht. Die Urteilsgründe teilen lediglich mit, der Angeklagte habe diese Beträge als Schmerzensgeld zur Verfügung gestellt und der Verteidiger habe zugesagt, sie den Geschädigten zu übermitteln. Wie der Angeklagte das Geld aufgebracht hat und ob diese Zahlungen tatsächlich seinen finanziellen Möglichkeiten entsprechen, hat die Strafkammer ebenso wenig dargelegt wie die für die Angemessenheit der Zahlungen eventuell verbliebenen Tatfolgen sowie die für die Beurteilung der Genugtuungsfunktion als wesentlich anzusehende Akzeptanz durch die Tatopfer.
c) Schließlich ergibt sich aus den Urteilsgründen kein Anhalt dafür, dass die Geschädigten den Täter-Opfer-Ausgleich "ernsthaft mitgetragen" und diesen als friedensstiftende Konfliktregelung "innerlich akzeptiert" haben. Vielmehr
können die Zahlungen an die Geschädigten ohne jede vorherige Einbeziehung in einen kommunikativen Prozess allein zur Vermeidung einer längeren Freiheitsstrafe für den Angeklagten erbracht erscheinen, was für einen Täter-OpferAusgleich nicht genügen würde. 3. Der Senat hat mit Blick auf UA S. 7 von der Möglichkeit gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 I. Halbs. StPO Gebrauch gemacht und die Sache an das Landgericht Freiburg verwiesen (vgl. hierzu auch KK-StPO Kuckein § 354 Rdn. 37). Nack Wahl Kolz Elf Graf

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 204/02
vom
27. August 2002
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. August
2002, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 29. Januar 2002 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes, wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Schutzbefohlenen in vier Fällen sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Sie erstrebt im Ergebnis eine höhere, zu vollstreckende Strafe. Ihr Rechtsmittel bleibt erfolglos.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts streichelte der Angeklagte im Jahr 1987 seine aus erster Ehe stammende, in seinem Haushalt lebende
damals 13jährige Tochter N. im Bereich der Vagina, führte für wenige Sekunden einen Finger leicht in die Scheide ein und ließ N. kurz sein entblößtes , erigiertes Glied anfassen. Er onanierte sodann vor dem Kind bis zum Samenerguß und zeigte die Samenflüssigkeit seiner Tochter mit den Worten: "Schau' mal, wie sich das anfühlt!" (Fall II. 1., sexueller Mißbrauch eines Kindes nach § 176 Abs. 1 StGB aF; die Gesetzesverletzung nach § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB war verjährt). Im Juli oder August 1998 veranlaßte der Angeklagte die seinerzeit 8jährige Tochter I. seiner nunmehrigen Lebensgefährtin J. K. , sein nicht erigiertes Glied für wenige Sekunden in den Mund zu nehmen und daran zu lutschen, als er I. zu Bett brachte. Er war in diesem Zeitraum auch mit der Erziehung des Kindes befaßt. Ein bis zwei Wochen später wiederholte sich dieser Vorgang. Etwa ein bis drei Wochen darauf führte der Angeklagte einen Finger in die Scheide des Mädchens ein und bewegte ihn. Aufforderungsgemäß leckte das Kind den Finger sodann ab. Er streichelte es schließlich im Bereich der Scheide und küßte diese. Wenige Tage später kam es erneut zu den gleichen Handlungen; zudem gab der Angeklagte jetzt dem Kind einen Zungenkuß (Fälle II. 2. a) bis d), schwerer sexueller Mißbrauch eines Kindes in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Schutzbefohlenen, § 176 Abs. 1, § 176a Abs. 1 Nr. 1, § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Am 18. Juni 2000 würgte der Angeklagte seine Lebensgefährtin J. K. im Zuge der Trennung beider, so daß diese zwei Tage lang unter Schluckbeschwerden litt (Fall II. 3., vorsätzliche Körperverletzung, § 223 Abs. 1 StGB). 2. Das Landgericht hat für die erste Tat - zum Nachteil von N. , Fall II.1. - eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, für die vier Taten zum
Nachteil von I. - Fälle II. 2. - je eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und für die Körperverletzung zum Nachteil der J. K. - Fall II.3. - eine Geldstrafe ! "! $# % & von 120 Tagessätzen á 40 sstrafe von zwei Jahren gebildet. Deren Vollstreckung hat es zur Bewährung ausgesetzt. In den ersten beiden Komplexen (zum Nachteil N. und I. ) hat es jeweils minder schwere Fälle angenommen und dabei ausdrücklich darauf abgestellt, daß die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB erfüllt seien. Bei der Bemessung der Geldstrafe für das Körperverletzungsdelikt hat es ebenso die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB bejaht und den Strafrahmen über § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Die Strafkammer hat dies damit begründet, daß der Angeklagte in der Hauptverhandlung an sei- %' )(+*, "- . / '10 / ' 2 354 6 '1 1*, 7 98/4 70 ne Tochter N. 260 zivilrechtlichen Verjährung eines im Adhäsionsverfahren anhängigen Schmerzensgeldanspruchs ausgegangen war. Zur Abgeltung weiterer, ebenfalls im Adhäsionsverfahren geltend gemachter Ansprüche der Geschädigten I. und J. K. hat er sich im Wege eines in der Hauptverhandlung protokol- # 0 1;: ,< = *, 8/4 ?> lierten Vergleichs zur Zahlung von 3.000 ver- 6@ pflichtet, die bei ratenweiser Zahlung in Höhe von insgesamt 2.000 zehn Monaten als vollständig erfüllt gelten sollten. J. K. hat er im Vergleichswege sämtliche im ehemals gemeinsamen Haushalt verbliebenen gemeinschaftlichen Möbel und Hausratsgegenstände zu Alleineigentum überlassen ; diese ging dabei von einem Wert der Gegenstände in Höhe von 3.500 aus. Der Angeklagte bezog zuletzt Übergangsgeld vom Arbeitsamt; er hat Unterhaltsverpflichtungen und ist hoch verschuldet.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. 1. Die Bejahung der Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs (gemäß § 46a Nr. 1 StGB) durch das Landgericht begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) § 46a Nr. 1 StGB verlangt, daß der Täter im Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wiedergutgemacht hat; es ist aber auch ausreichend, daß der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Das Bemühen des Täters setzt grundsätzlich einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden , friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt sein muß. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt dazu nicht (BGH NStZ 1995, 492; NJW 2001, 2557; NStZ 2002, 29). Wenngleich ein "Wiedergutmachungserfolg" nicht zwingende Voraussetzung ist (BGH aaO), so muß sich doch das Opfer auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich bereit finden und sich auf ihn einlassen. Ebensowenig wie allein die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen genügt, ist andererseits bei einem auf Ausgleich angelegten Verhalten des Täters, das sich als "Ausdruck der Übernahme von Verantwortung" erweist, die vollständige Erfüllung der bestehenden Ersatzansprüche erforderlich ; die strafrechtliche Wiedergutmachung im Sinne von § 46a StGB darf mit dem zivilrechtlichen Schadensersatz nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden (so zu § 46a Nr. 2 StGB: BGH NJW 2001, 2557). Der Anwendbarkeit steht zudem nicht von vornherein entgegen, daß der Täter den finanziellen Ausgleich durch seinen Verteidiger und etwa erst zu einem Zeitpunkt veranlaßt hat oder sich dazu verpflichtet hat, zudem ihn das Opfer bereits auf Zahlung in An-
spruch genommen hat (BGH StV 2000, 129 = NStZ-RR 2000, 364; StV 1999, 89; NStZ 1995, 284). Regelmäßig sind aber tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat, wie sicher die Erfüllung einer etwaigen Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist und welche Folgen diese Verpflichtung für den Täter haben wird (BGH NStZ 2002, 29; BGH, Beschluß vom 22. Januar 2002 - 1 StR 500/01). Auf dieser Grundlage hat der Tatrichter in "wertender Betrachtung" und schließlich nach Ermessensgesichtspunkten zu entscheiden, ob er die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs annimmt und danach von der so eröffneten Milderungsmöglichkeit Gebrauch macht. Dabei gilt es, das gesetzgeberische Anliegen im Blick zu behalten, mit der Vorschrift für den Täter einen als "vertypten Strafmilderungsgrund" ausgestalteten Anreiz für entsprechende Ausgleichsbemühungen zu schaffen. Das verbietet nach Auffassung des Senats ein allzu enges Verständnis der Vorschrift jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen ein kommunikativer Prozeß zwischen Täter und Opfer stattgefunden hat; dies wird vornehmlich für Taten im Familienverbund oder innerhalb sonstiger persönlicher Beziehungen zu gelten haben.
b) Das Landgericht hat diese Maßstäbe im Ergebnis beachtet. Die Urteilsgründe belegen in ihrem Zusammenhang noch hinreichend die Voraussetzungen eines stattgefundenen Täter-Opfer-Ausgleichs, den die Beschwerdeführerin namentlich hinsichtlich der ersten beiden Tatkomplexe (Taten zum Nachteil der Kinder) in Frage stellt. Die Feststellungen ergeben, daß der Angeklagte versucht hat, die Tatopfer in seine Ausgleichsbemühungen einzubeziehen und daß ein friedensstiftender "kommunikativer Prozeß" stattgefunden hat. So nahm der Angeklagte im zweiten Fallkomplex (zum Nachteil von I. ) nach Offenlegung des Kindesmißbrauchs durch die Geschädigte gegenüber ihrer Mutter um die Jahreswende 1998/99 mit der Telefonseelsorge Kontakt
auf; die Mutter ließ sich ebenfalls beraten. In Absprache mit der Mutter kam es danach zu einem - ersichtlich auch von der Beratungsstelle für sinnvoll erachteten - Gespräch zwischen Angeklagtem und dem Kind. Im Einvernehmen des Angeklagten, des Kindes und der Mutter lebten alle drei mit einer weiteren, jüngeren Tochter der Mutter seit Frühjahr 1999 wieder zusammen und zogen im Herbst 1999 gemeinsam nach Ku. , wo der Angeklagte und seine Lebensgefährtin ein Haus kauften (UA S. 13). Daß dieser ersichtlich einstweilen erfolgreiche Versuch einer "Aufarbeitung" der Taten zeitlich vor der Einleitung des Ermittlungsverfahrens lag, hindert den Tatrichter nicht, ihn - jedenfalls im Ergebnis - mit in Betracht zu ziehen. Ähnlich lag es auch beim ersten Fall (zum Nachteil von N. ). Nachdem sich das Opfer seiner Stiefmutter, der zweiten Ehefrau des Angeklagten, anvertraut und diese dem Angeklagten deshalb Vorhaltungen gemacht hatte, gab der Angeklagte die Tat zu. Da er N. versprach , derartiges nie mehr zu tun, hielt diese auch in der Folgezeit weiter Kontakt zu ihm. Dies blieb so, bis im Jahr 2000 die Vorwürfe des Mißbrauchs von I. bekannt wurden. Aus Empörung darüber brach N. nun den Kontakt mit ihrem Vater ab und erstattete ihrerseits Anzeige. Daß der Angeklagte in der Hauptverhandlung ein Schmerzensgeld an N. gezahlt hat und im übrigen im Wege eines protokollierten Vergleichs entsprechende Verpflichtungen zur Ersatzleistung eingegangen ist (UA S. 7, 8/9, 11), belegt unter diesen Umständen noch genügend, daß die Ausgleichsbemühungen auch in der Folge jedenfalls eine gewisse friedensstiftende Wirkung gezeitigt oder jedenfalls angebahnt haben; die Annahme der Vergleiche und der vergleichsweisen Zahlung setzt eine entsprechende Bereitschaft seitens der Opfer voraus. Ein gerichtlich protokollierter Vergleich ist ein Vollstrekkungstitel (vgl. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Auswirkungen der erfolgten und der zu erbringenden Zahlungen für den hoch verschuldeten Angeklagten erge-
ben sich noch genügend aus dem Zusammenhang mit den Feststellungen zu seinen finanziellen und persönlichen Verhältnissen. Unter all diesen Umständen ist jedenfalls von Rechts wegen nichts dagegen zu erinnern, daß die Strafkammer die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs in wertender Betrachtung für alle Fälle bejaht und von ihrer Straffindungskompetenz in revisionsrechtlich hinzunehmender Weise Gebrauch gemacht hat. Im ersten Fall steht der ersichtlichen Annahme "überwiegender Wiedergutmachung" von Rechts wegen nicht die eher geringe Höhe des gezahlten Schmerzensgeldes entgegen. Denn die Tat lag lange zurück. Die Geschädigte hatte nach Aussprache weiter Kontakt mit dem Angeklagten, ihrem Vater, gepflegt, und fortdauernde erhebliche psychische Folgen des Tatgeschehens sind im Urteil nicht festgestellt. Sie liegen angesichts des Zeitablaufs und des Lebensalters der Geschädigten zur Tatzeit sowie zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung auch nicht nahe.
c) Aus den Urteilsgründen ergibt sich schließlich auch kein Anhalt dafür, daß die Geschädigten den Täter-Opfer-Ausgleich etwa nicht "ernsthaft mitgetragen" und nicht als friedensstiftende Konfliktregelung "innerlich akzeptiert" hätten. Deshalb kann der Senat dahinstellen, ob ein solcher innerer Vorbehalt des Opfers der Annahme der Voraussetzungen eines Ausgleichs entgegenstünde (so der 2. Strafsenat, Urteil vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02).
2. Die Revisionsbegründung der Beschwerdeführerin zeigt auch sonst einen Rechtsfehler nicht auf. Nack Wahl Boetticher Schluckebier Kolz

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 344/11
vom
19. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Oktober
2011, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Staatsanwältin in der Verhandlung
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreterinnen der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 11. März 2011 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 14 Fällen sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer Revision die Verletzung sachlichen Rechts, insbesondere die rechtsfehlerhafte Annahme des § 46a Nr. 1 StGB. Ihr Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, bleibt erfolglos. Die Bejahung der Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB durch das Landgericht begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
2
1. § 46a Nr. 1 StGB setzt einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss (Senat BGH NStZ 2002, 646). Dafür ist eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung Voraussetzung. Das Bemühen des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein, und das Opfer muss die Leistung des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren (BGH 1 StR 204/02). Regelmäßig sind tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Anstrengungen des Täters gestellt hat, wie sicher die Erfüllung einer etwaigen Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist und welche Folgen diese Verpflichtung für den Täter haben wird (vgl. BGH aaO sowie NStZ 2002, 29).
3
2. Das Landgericht hat diese Maßstäbe beachtet. Es hat die rechtlichen Voraussetzungen für einen Täter-Opfer-Ausgleich zutreffend erkannt und dabei insbesondere ausdrücklich bedacht, dass bei Sexualstraftaten eine gelungene Konfliktlösung aus tatsächlichen Gründen schwerer herbeizuführen ist als bei anderen Straftaten (UA 13). Ohne Rechtsfehler hat es in den Fällen 1 bis 12, 14 und 15 der Urteilsgründe eine Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen sowie § 46a Nr. 1 StGB im Fall 13 bei der Annahme eines minderschweren Falles im Sinne des § 176a Abs. 4 StGB berücksichtigt.
4
Entgegen der Ansicht der Revision hat die Strafkammer auch die Übernahme von Verantwortung durch den Angeklagten als eine wesentliche Voraussetzung für die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs tragfähig begründet. Sie hat dabei berücksichtigt, dass der Angeklagte sich gegenüber der Nebenklägerin zu seiner Schuld bekannt und sich sowohl bei ihr als auch bei ihrer Familie entschuldigt hat. Außerdem hat der Angeklagte zum Ausdruck gebracht , dass er sich für seine Taten schämt, und er hat durch sein umfassendes Geständnis der Nebenklägerin eine erneute Konfrontation in der Hauptverhandlung erspart. Entgegen der Ansicht der Revision bedurfte es der Mitteilung von Einzelheiten der Entschuldigung nicht.
5
Die Urteilsgründe weisen auch hinreichend aus, dass ein kommunikativer Prozess zwischen Täter und Opfer stattgefunden hat. Der Angeklagte und die Nebenklägerin haben einen Vergleich geschlossen, der den Angeklagten zu monatlichen Zahlungen von 200 Euro verpflichtet. Die Kammer hat dazu in Übereinstimmung mit den in der Rechtsprechung des Bundgerichtshofs gemachten Vorgaben festgestellt, dass der Angeklagte aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse in der Lage ist, die Zahlungsverpflichtung tatsächlich zu erfüllen und dass er die Zahlung bereits aufgenommen hat. Sie hat dabei auch erwogen , dass die Nebenklägerin die Entschuldigung des Angeklagten nicht angenommen hat. Soweit die Revision insoweit rügt, es fehle an dem erforderlichen Willen des Opfers zur Versöhnung, stehen dem die Urteilsgründe entgegen. Daraus ergibt sich, dass die Nebenklägerin einen förmlichen Vergleich geschlossen hat, der per se eine friedensstiftende Funktion besitzt, dass sie die Zahlungen akzeptiert hat und dass dies ersichtlich nicht lediglich geschehen ist, weil sie sich etwa in einer Notlage befunden hätte. Die Kammer hat hieraus ohne Rechtsfehler den Schluss gezogen, dass die Nebenklägerin die Leistung des Angeklagten als Ausgleich akzeptiert hat.
6
Entgegen dem Revisionsvorbringen begegnet es weiter keinen rechtlichen Bedenken, dass sich den Urteilsgründen - was wünschenswert gewesen wäre - die exakte Vergleichssumme nicht entnehmen lässt. Die Feststellung in den Urteilsfeststellungen, dass ein Vergleich abgeschlossen wurde, die Mitteilung der monatlichen zu zahlenden Summe und die Tatsache, dass die Nebenklägerin die Zahlungen angenommen hat, reichen hier in Verbindung mit den weiteren im Urteil aufgeführten Umständen aus, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB für den Senat zu belegen.
7
Soweit die Revision im Übrigen meint, die vereinbarten Zahlungen und die versuchte Entschuldigung genügten mit Rücksicht auf das Tatbild und die Tatfolgen für das Opfer nicht für die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs, ersetzt sie lediglich die Wertung des Landgerichts durch ihre eigene, ohne Rechtsfehler aufzuzeigen.

Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

(1) Die Einziehung nach den §§ 73 bis 73c ist ausgeschlossen, soweit der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist. Dies gilt nicht für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind.

(2) In den Fällen des § 73b, auch in Verbindung mit § 73c, ist die Einziehung darüber hinaus ausgeschlossen, soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, es sei denn, dem Betroffenen waren die Umstände, welche die Anordnung der Einziehung gegen den Täter oder Teilnehmer ansonsten zugelassen hätten, zum Zeitpunkt des Wegfalls der Bereicherung bekannt oder infolge von Leichtfertigkeit unbekannt.