Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Nov. 2017 - 1 StR 456/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:091117B1STR456.17.0
bei uns veröffentlicht am09.11.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 456/17
vom
9. November 2017
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
________________________
Wird nachträglich eine so hohe Gesamtfreiheitsstrafe gebildet, dass eine nach
§ 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB bemessene, am Halbstrafenzeitpunkt orientierte
Anordnung des Vorwegvollzugs zu einer Herausnahme des Angeklagten aus
dem Maßregelvollzug führen würde, kann von der Entscheidung über einen
Vorwegvollzug abgesehen werden.
BGH, Beschluss vom 9. November 2017 - 1 StR 456/17 - LG Heidelberg
in der Strafsache
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:091117B1STR456.17.0


wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. November 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 14. Juni 2017 aufgehoben, soweit der Vorwegvollzug der Strafe angeordnet worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen unter Einbeziehung anderer rechtskräftiger Strafen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Neben einer Einziehung hat es die in einem anderen rechtskräftigen Urteil angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aufrechterhalten und angeordnet, dass vor der Maßregel ein Jahr und neun Monate Freiheitsstrafe einschließlich der im Verfahren beim Landgericht Würzburg erlittenen Untersuchungshaft zu vollstrecken sind. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision.
2
Das auf den Ausspruch über den Vorwegvollzug der Strafe beschränkte Rechtsmittel hat Erfolg.
3
1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf die Anordnung des Vorwegvollzugs beschränkt.
4
a) Nachdem der Verteidiger des Angeklagten am 15. Juni 2017 die Revision unbeschränkt eingelegt hatte, hat der Angeklagte noch innerhalb der Einlegungsfrist eigenhändig ebenfalls Revision eingelegt. Diese stützt er darauf, dass seine erneute Inhaftierung und die damit einhergehende Unterbrechung der Therapie seine „Resozialisierung“ gefährde. Er hat ausgeführt: „Aus diesen Gründen bitte ich Sie Ihr Urteil betreffs des Vorwegvollzugs noch einmal zu überdenken“. Damit hat der Angeklagte aber eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er das Urteil nur im Hinblick auf den Vorwegvollzug von der Rechtsmittelinstanz überprüfen lassen möchte.
5
Dieser erklärte Wille des Angeklagten geht dem Willen des Verteidigers, das Urteil umfassend überprüfen lassen zu wollen, vor (vgl. Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 297 Rn. 3). Denn nach der gesetzlichen Wertung des § 297 StPO ist der einer umfassenden Nachprüfung entgegenstehende Wille des Angeklagten über den auf die Einlegung des Rechtsmittels abstellenden Wortlaut hinaus auch bei einem später eintretenden Widerspruch zu beachten (vgl. SK-StPO/Frisch, 5. Aufl., § 297 Rn. 14), z.B. für die nachträgliche Beschränkung des Rechtsmittels (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Juli 2015 – III – 2 Ws 300/15; KK-StPO/Paul, 7. Aufl., § 297 Rn. 3).
6
b) Die Beschränkung ist auch wirksam. Eine Revisionsbeschränkung ist nur möglich, wenn sie sich auf Beschwerdepunkte bezieht, die nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 10. August 2017 – 3 StR 275/17; Beschluss vom 14. Januar 2014 – 1 StR 531/13, NStZ-RR 2014, 107 mwN). Dies setzt bei der Anfechtung des Vorwegvollzugs einer Unterbringung voraus, dass die Maßregel als solche rechtsfehlerfrei angeordnet worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2014 – 1 StR 531/13, NStZ-RR 2014, 107 und vom 14. Februar 2012 – 3 StR 7/12, NStZ 2012, 587).
7
Die Voraussetzungen der Maßregel nach § 64 StGB sind hinreichend belegt, auch die von der sachverständig beratenen Strafkammer angenommene Therapiedauer von zwei Jahren ist nicht zu beanstanden.
8
2. Das so beschränkte Rechtsmittel hat Erfolg. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob entgegen der Regel des § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB auf eine Anordnung des Vorwegvollzugs verzichtet werden kann.
9
a) Die Strafkammer hat zutreffend die im Urteil des Landgerichts Würzburg vom 13. März 2017 angeordnete Maßregel aufrechterhalten. Denn die jetzt abgeurteilte Tat wurde vor der früheren, die Maßregel anordnenden Verurteilung des Angeklagten begangen, weswegen die Grundsätze der nachträglichen Gesamtstrafenbildung Vorrang vor der Regelung des § 67f StGB haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 27. September 2016 – 5 StR 417/16, StV 2017, 575 mwN und vom 25. November 2010 – 3 StR 406/10, NStZ-RR 2011, 105; Urteil vom 11. September 1997 – 4 StR 287/97, BGHR StGB § 64 Anordnung 4).
10
b) Die Strafkammer ist jedoch rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass ein auf die neue Gesamtstrafe zugeschnittener Vorwegvollzug vor der Maßregelvollstreckung erfolgen „muss“. Sie hat dabei außer Acht gelassen, dass die Vorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist, um dem Gericht im Einzelfall, namentlich bei aktuell dringender Therapiebedürftig- keit des Betreffenden, die Möglichkeit zu eröffnen, es beim Vorwegvollzug der Maßregel zu belassen (vgl. BT-Drucks. 16/1110, S. 14; vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. August 2007 – 4 StR 283/07, NStZ-RR 2007, 371). Ob Anlass besteht, ausnahmsweise von der Anordnung abzusehen, ist von der Strafkammer danach nicht geprüft worden.
11
Dazu hätte aber vorliegend Anlass bestanden. Ausweislich der Urteilsfeststellungen ist gegen den Angeklagten zum Zeitpunkt des Urteils bereits die Maßregel vollstreckt worden. Durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung ist eine Gesamtstrafe in einer Höhe gebildet worden, dass eine – wie vorliegend geschehen – nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB bemessene, am Halbstrafenzeitpunkt orientierte Anordnung des Vorwegvollzugs zu einer Herausnahme des Angeklagten aus dem Maßregelvollzug führen würde. Unter diesen Voraussetzungen kann aber von der Entscheidung über einen Vorwegvollzug abgesehen werden (hierzu neigend schon BGH, Beschluss vom 25. November 2010 – 3 StR 406/10, NStZ-RR 2011, 105; vgl. auch Beschluss vom 27. September 2016 – 5 StR 417/16, StV 2017, 575: keinen Vorwegvollzug wegen vollstreckungsrechtlicher Besonderheiten). Denn eine bereits begonnene Behandlung in der Entziehungsanstalt kann aktuell dringende Therapiebedürftigkeit begründen, um die bereits angelaufenen therapeutischen Maßnahmen durch eine Rückverlegung in die Justizvollzugsanstalt nicht wieder zunichte zu machen (vgl. hierzu BT-Drucks. 16/1110, S. 14). Da die gesetzlichen Regelungen über die Vollstreckungsreihenfolge aber auch der Sicherung des Therapieerfolgs dienen (BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 2014 – 1 StR 162/14, NStZ-RR 2014, 368 und vom 21. August 2007 – 3 StR 263/07) muss diese vollstreckungsrechtliche Folge bei der Entscheidung über die Anordnung des Vorwegvollzugs bedacht werden, woran es vorliegend fehlt.
12
3. Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht vorliegend auch unter Einbeziehung der drohenden Herausnahme aus dem bereits begonnenen Maßregelvollzug auf eine Entscheidung über einen Vorwegvollzug nicht verzichtet hätte , sind dem Urteil nicht zu entnehmen, weswegen ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht auszuschließen ist.
13
Der Senat kann schon deswegen nicht selbst über die Anordnung eines Vorwegvollzugs entscheiden, da dem Tatgericht vorbehaltene Wertungen und Beurteilungen zu treffen sind. Der Aufhebung von Feststellungen bedurfte es angesichts des reinen Wertungsfehlers nicht. Das neu zuständige Tatgericht kann ergänzende Feststellungen insbesondere zum Stand der Therapie treffen.
Raum Jäger Cirener
Radtke Hohoff

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Für den Beschuldigten kann der Verteidiger, jedoch nicht gegen dessen ausdrücklichen Willen, Rechtsmittel einlegen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 275/17
vom
10. August 2017
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung
ECLI:DE:BGH:2017:100817U3STR275.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. August 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berg, Hoch als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin als Verteidigerin,
Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 30. November 2016 aufgehoben
a) im Ausspruch über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zur Maßregelanordnung aufrechterhalten,
b) im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung der Strafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet; von der Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe hat es abgesehen. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts. Der Angeklagte beanstandet - nach wirksamer Beschränkung des Rechtsmittels in der Hauptverhandlung - mit der nicht ausgeführten Formal- und der Sachrüge den gesamten Rechtsfolgenausspruch. Beide Rechtsmittel haben betreffend den Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Maßregel Erfolg. Die weitergehende , auch die Einzelstrafe umfassende Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen weist der 30 Jahre alte, neunfach - darunter mehrfach wegen Betäubungsmitteldelikten - vorbestrafte Angeklagte dissoziale Persönlichkeitszüge auf. Er rauchte im Alter von neun Jahren erstmals Cannabis und konsumierte mit zwölf Jahren erstmals Alkohol und Ecstasy. Mit 14 Jahren begann er den Konsum von Heroin und Kokain. Es entwickelte sich eine körperliche Abhängigkeit von Alkohol und Heroin. Der Angeklagte konsumierte zuletzt täglich acht bis zehn Flaschen Bier sowie zwei bis drei Gramm Heroin, daneben Cannabis im Rahmen der Verfügbarkeit. Unterbrochen wurde der Konsum lediglich in Haftzeiten. Nach Entgiftungen wurde der Angeklagte immer wieder rückfällig. Therapiemaßnahmen auf der Grundlage des § 35 BtMG brach er nach wenigen Stunden ab. Auch während Substitutionsbehandlungen mit Methadon hatte er durchgehend Beikonsum. In der seit Januar 2016 andauernden Inhaftierung wurde der Angeklagte durch Substitutionsbehandlung von Alkohol und Heroin entgiftet.
3
Am Tattag, dem 19. November 2015, setzte sich der Angeklagte eine Spritze mit Kokain und Heroin. Sodann bedrohte er die 81 Jahre alte Geschädigte in deren Wohnung in einem Seniorenwohnheim mit einem Messer und den Worten: "Gib mir dein Geld oder ich stech zu." Daraufhin übergab die völlig verängstigte Geschädigte dem Angeklagten ihr Portemonnaie. Der Angeklagte entnahm diesem 250 Euro, zerschnitt das Telefonkabel und flüchtete. Von dem erbeuteten Geld kaufte er Heroin.
4
Das Landgericht hat wegen der hier abgeurteilten Tat auf eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten erkannt. Sodann hat es unter Einbeziehung vom Amtsgericht Mönchengladbach am 13. Juni 2016 verhängter Einzelstrafen in Höhe von einem Jahr und acht Monaten, einem Jahr und drei Monaten, einem Jahr sowie zweimal drei Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verhängt.
5
I. Revision der Staatsanwaltschaft
6
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Ausspruch über die Maßregel sowie denjenigen betreffend die Gesamtstrafe beschränkt. Dies ergibt sich aus Folgendem:
7
Ausweislich der Begründung des Rechtsmittels greift die Staatsanwaltschaft lediglich die Entscheidung des Landgerichts an, von der Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe abzusehen. Hierzu führt sie näher aus, die Strafkammer habe die Voraussetzungen der notwendigen Erfolgsaussicht der Unterbringung bzw. der dahingehenden Prognose einerseits und der tatsächlichen Dauer der Unterbringung andererseits verkannt.
8
Vor diesem Hintergrund erfasst die Anfechtung des Urteils über die Nichtanordnung des Vorwegvollzugs hinaus zunächst auch die Anordnung der Maßregel als solche. Denn die Rechtswirksamkeit einer Revisionsbeschränkung setzt voraus, dass der Beschwerdepunkt nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden kann, ohne eine Überprüfung des Ur- teils im Übrigen erforderlich zu machen, und die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 2. März 1995 – 1 StR 595/94, BGHSt 41, 57, 59; Beschluss vom 2. Dezember 2004 – 3 StR 246/04, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 16). Die Anordnung des Vorwegvollzugs und die damit einhergehende Bestimmung von dessen Dauer nach § 67 Abs. 2 StGB kommt nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Unterbringung als solche erfüllt sind. Hierzu ist u.a. erforderlich, dass die Maßregel Aussicht auf Erfolg bietet (§ 64 Satz 2 StGB). Ist dies nicht der Fall oder zweifelhaft, lässt sich auch kein angemessener Zeitraum für die Therapie bemessen, der neben der Strafhöhe für die Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs maßgebend ist. Somit ist eine getrennte revisionsrechtliche Beurteilung der tatgerichtlichen Anordnung des Vorwegvollzugs und der Bestimmung von dessen Dauer, welche die Erfolgsaussicht der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt außer Betracht lässt, nicht möglich (vgl. zum Verhältnis zwischen Dauer des Vorwegvollzugs und Erfolgsaussicht BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 3 StR 516/07, NStZ-RR 2009, 48, 49).
9
Die dem Grunde nach mögliche Beschränkung des Rechtsmittels auf den Maßregelausspruch insgesamt kommt hier ebenfalls nicht in Betracht; denn das Landgericht hat im Rahmen der Begründung der Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe ausdrücklich berücksichtigt, dass neben der Freiheitsstrafe auch noch eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist. Somit besteht im vorliegenden Fall ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe und der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. Demgegenüber hat die Strafkammer bei der Bemessung der Einzelfreiheitsstrafe für die hier abgeurteilte Tat nicht auf die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgestellt. Da zudem die Ausführungen der Strafkammer zu der Bemessung der Gesamtstrafe und diejenigen zu der Bestimmung der Einzelstrafe trennbar sind, wird letztere nicht von der Anfechtung umfasst.
10
2. Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
11
a) Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist rechtsfehlerhaft, denn das Landgericht hat mit Blick auf die Feststellungen zum Drogenkonsum des Angeklagten die Erfolgsaussicht der Maßregel nicht rechtsfehlerfrei begründet.
12
Nach § 64 Satz 2 StGB setzt die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt die hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg , mithin darauf voraus, die süchtige Person zu heilen oder über eine erhebliche Zeitspanne vor einem Rückfall in den Rauschmittelkonsum zu bewahren (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 3 StR 513/12, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 1). Hierfür ist es erforderlich, dass sich in Persönlichkeit und Lebensumständen des Angeklagten konkrete Anhaltspunkte für einen erfolgreichen Verlauf der Therapie finden lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 3 StR 516/07, NStZ-RR 2009, 48, 49).
13
Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift unter Hinweis auf die genannte Rechtsprechung des Senats ausgeführt:
14
"Hieran bestehen insbesondere aufgrund der Dauer der Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten, der hinzutretenden dissozialen Persönlichkeitsstörung und der Vielzahl der bisher ohne Ausnahme nach kurzer Zeit erfolglos abgebrochenen Therapiemaßnahmen i.S.d. § 35 BtMG begründete Zweifel. Bei einem derartig verfestigten und langjährigen Drogenkonsum wird allein mit dem nicht näher ausgeführten Hinweis des Landgerichts, die Therapieabbrüche schlössen nicht aus, dass der Angeklagte sich in dem deutlich strukturierteren und begrenzteren Setting des Maßregelvollzugs längerfristig auf Therapiemaßnahmen einlasse, und der Mitteilung der Erklärung des Angeklagten , mit der Durchführung einer Maßregel nach § 64 StGB einverstanden zu sein, die konkrete Erfolgsaussicht der Maßregel nicht ausreichend belegt. Soweit lediglich das Ergebnis der Ausführungen des Sachverständigen zitiert wird, er schätze die Erfolgsaussichten einer Behandlung des Angeklagten im Maßregelvollzug mit 30 % ein, bleibt offen, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände von dieser Einschätzung ausgegangen wird. Im Übrigen drückt eine "Erfolgswahrscheinlichkeit" von 30 %, der sich die Kammer anschließt, nicht mehr aus als die Annahme, dass ein Behandlungserfolg nicht (gänzlich) verneint werden kann. Dies genügt aber den Anforderungen des § 64 S. 2 StGB nicht."
15
Dem schließt sich der Senat an.
16
Der Senat hebt auch die zugehörigen, zu den früheren Therapieversuchen des Angeklagten eher unpräzisen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht eine insgesamt in sich stimmige Entscheidung über die Maßregel zu ermöglichen.
17
b) Aufgrund des Wegfalls des Maßregelausspruchs kann hier auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben, denn das Landgericht hat - wie dargelegt - bei der Bestimmung der Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe in seine Erwägungen eingestellt, dass gegen den Angeklagten neben der Strafe die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet wurde. Hiervon sind die zur Gesamtstrafe rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen, dass eine Maßregel angeordnet worden ist, nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
18
II. Revision des Angeklagten
19
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge denselben Erfolg wie das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Betreffend die Einzelstrafe ist sie nicht begründet. Die nicht ausgeführte Formalrüge ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Im Übrigen hat das Landgericht insbesondere rechtsfehlerfrei dargelegt, warum es die Voraussetzungen des § 21 StGB als nicht gegeben angesehen hat.

III.

20
Mit Blick auf das Revisionsvorbringen der Staatsanwaltschaft weist der Senat für die neue Hauptverhandlung darauf hin, dass es für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 Satz 2 StGB in dessen seit dem 1. August 2016 geltender Fassung ausreicht, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, dass der Behandlungserfolg innerhalb der Frist nach § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB zu erreichen ist. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist mithin, wenn daneben eine Freiheitsstrafe verhängt wird, nicht mehr auf zwei Jahre beschränkt; die Höchstfrist der Unterbringung verlängert sich in diesen Fällen vielmehr nach Maßgabe des § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB um die Dauer des nach § 67 Abs. 4 StGB anrechenbaren Teils der Freiheitsstrafe (vgl. BT-Drucks. 18/7244, S. 1, 2, 24 f.; BGH, Beschlüsse vom 15. März 2017 – 2 StR 581/16, NStZ-RR 2017, 139; vom 14. Juni 2017 – 3 StR 97/17, juris Rn. 6).
Becker Schäfer Spaniol Berg Hoch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 531/13
vom
14. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2014 beschlossen
:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts München I vom 1. März 2013 im Ausspruch über
die Dauer des Vorwegvollzugs dahin abgeändert, dass vor der
Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ein
Jahr und elf Monate der gegen sie verhängten Freiheitsstrafe zu
vollziehen sind.
Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die der
Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen
werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten verurteilt. Zudem hat es ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet; dabei hat es bestimmt, dass von der Strafe noch ein Jahr und ein Monat vor der Maßregel zu vollziehen sind. Mit ihrer Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft, gestützt auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts, die Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe, auf die sie ihr Rechtsmittel auch beschränkt hat. Sie erstrebt die Festsetzung der Dauer des Vorwegvollzugs der Strafe vor der Maßregel auf ein Jahr und elf Monate. Das Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam.
3
a) Eine Revisionsbeschränkung ist nur möglich, wenn sie sich auf Beschwerdepunkte bezieht, die nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Februar 1956 - 2 StR 25/56, BGHSt 10, 100; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 318 Rn. 6 mwN). Dies setzt bei der Anfechtung der Dauer des Vorwegvollzugs einer Unterbringung voraus, dass die Maßregel als solche rechtsfehlerfrei angeordnet worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2012 - 3 StR 7/12, NStZ 2012, 587), zumal da die Dauer des Vorwegvollzugs auch von der Einschätzung der Behandlungsdauer abhängt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2008 - 1 StR 167/08).
4
b) Die Voraussetzungen der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) sind hier hinreichend belegt. Sowohl das Vorliegen eines Hanges der Angeklagten, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, als auch der Gefahr, dass die Angeklagte infolge ihres Hanges weitere rechtswidrige Taten begehen wird, werden von den Feststellungen, die auf einer nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung beruhen, getragen. Den Symptomwert des von der Angeklagten begangenen versuchten Tötungsdelikts für eine hangbedingte Gefährlichkeit hat die sachverständig beratene Strafkammer rechtsfehlerfrei begründet. Sie durfte dabei in den Blick nehmen, dass der von der Angeklagten betriebene übermäßige Drogen- und Medikamentenkonsum für die Tat ursächlich war, weil sich die Angeklagte überhaupt nur wegen dieses übermäßigen Konsums berauschender Substanzen "im sozialen Milieu" des Geschädigten aufgehalten hat. Auch die Wertung der Strafkammer, dass ohne weitere Maßnahmen mit der Fortsetzung des Drogen- und Medika- mentenkonsums der Angeklagten und mit hierauf zurückgehenden Taten, die der Anlasstat vergleichbar sind, zu rechnen ist (UA S. 37), wird von den Feststellungen getragen. Bei der Angeklagten wurde eine Polytoxikomanie mit einem Abhängigkeitssyndrom diagnostiziert. Sie hat - ohne dass die Voraussetzungen der §§ 20 oder 21 StGB vorlagen - die Anlasstat in einem leichtgradig ausgeprägten, auf eine akute Intoxikation multipler Substanzen zurückzuführenden Rausch begangen (UA S. 28), darunter die amphetaminähnlich wirkende Designerdroge MDPV ("Badesalz"), die eine psychotisch, aber auch aggressiv machende Wirkung haben kann (UA S. 26 f.). Es wird hinreichend deutlich, dass das Landgericht bei der Annahme eines drogenbedingten Rauschs der Beurteilung des psychiatrischen Sachverständigen Dr. S. gefolgt ist (UA S. 29).
5
c) Angesichts dieser Diagnose und der zudem bei der Angeklagten vorliegenden kombinierten Persönlichkeitsstörung (UA S. 28) ist auch die von der sachständig beratenen Strafkammer angenommene Therapiedauer von zwei Jahren aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
6
2. Die Revision hat Erfolg.
7
Das Landgericht hat zwar an sich die Dauer des Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung nach der Maßgabe des § 67 Abs. 2 StGB zutreffend bemessen. Es hat jedoch hiervon die zum Urteilszeitpunkt bereits verbüßte Untersuchungshaft von zehn Monaten in Abzug gebracht und hat deshalb einen Vorwegvollzug von noch einem Jahr und einem Monat angeordnet. Dies ist rechtsfehlerhaft; denn die erlittene Untersuchungshaft ist für die Bemessung der Dauer des Vorwegvollzugs ohne Bedeutung, sie ist vielmehr gemäß § 51 StGB auf den nach § 67 Abs. 2 StGB vorweg zu vollstreckenden Teil der Strafe anzurechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2010 - 1 StR 642/10 mwN).
8
3. Der Senat setzt die Dauer des Vorwegvollzugs durch Beschluss (§ 349 Abs. 4 StPO) selbst auf ein Jahr und elf Monate fest.
9
a) Da die Grundlagen der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs rechtsfehlerfrei festgestellt sind, kann der Senat den Urteilstenor entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst abändern (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2010 - 1 StR 642/10 mwN). Ausgehend vom Zeitpunkt der Halbstrafe (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB) von drei Jahren und elf Monaten und einer Therapiedauer von zwei Jahren beträgt die Dauer des festzusetzenden Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe ein Jahr und elf Monate.
10
b) Der Senat kann durch Beschluss entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2012 - 3 StR 7/12, NStZ 2012, 587 = BGHR § 349 Abs. 4 Revision der Staatsanwaltschaft 2), da die auf Antrag der Staatsanwalt vorgenommene Korrektur der Dauer des Vorwegvollzugs zugunsten der Angeklag- ten ergeht, denn die gesetzlichen Regelungen über die Vollstreckungsreihenfolge dienen auch der Sicherung des Therapieerfolgs (BGH, Beschluss vom 21. August 2007 - 3 StR 263/07 a.E.).
Raum Wahl Rothfuß
Jäger Cirener

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 7/12
vom
14. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 14. Februar 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 20. Juni 2011 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft sowie die Revisionen der Nebenkläger E. und H. S. wer- den verworfen.
3. Die Nebenkläger haben die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Außerdem hat es dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass von der Strafe ein Jahr und sechs Monate vor der Maßregel zu vollziehen sind. Mit ihrer auf die Anordnung der Dauer des Vorwegvollzugs beschränkten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Die Nebenkläger erheben ebenfalls die Sachrüge und erstreben eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt gemäß § 301 StPO zur Aufhebung des gesamten Maßregelausspruchs; die gemäß § 395 Abs. 2 Nr. 1, § 400 Abs. 1 StPO zulässigen Revisionen der Nebenkläger sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Revision der Staatsanwaltschaft
3
Die Revision rügt, dass das Landgericht die Dauer des Vorwegvollzugs rechtsfehlerhaft auf ein Jahr und sechs Monate bestimmt hat; mit Blick auf die Strafhöhe sowie die voraussichtliche Therapiedauer von zwei Jahren sei die Anordnung des Vorwegvollzugs von zwei Jahren Freiheitsstrafe geboten gewesen (§ 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz 1 StGB). Das Rechtsmittel führt zugunsten des Angeklagten zur Aufhebung des gesamten Maßregelausspruchs. Dies kann der Senat gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Beschlusswege entscheiden (BGH, Beschlüsse vom 23. August 1995 - 2 StR 394/95, NStZ-RR 1996, 130, 131 und vom 6. November 1996 - 5 StR 219/96, bei Kusch NStZ 1997, 379 jew. mwN; aA Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 349 Rn. 28 mwN).
4
a) Die - grundsätzlich mögliche - Beschränkung der Revision (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2007 - 3 StR 231/07, NStZ 2008, 28; vgl. auch Beschluss vom 15. November 2007 - 3 StR 390/07, NStZ 2008, 213) auf die Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs ist ausnahmsweise unzulässig. Ihre Rechtswirksamkeit setzt voraus, dass der Beschwerdepunkt nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden kann, ohne eine Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 3 StR 516/07, NStZ-RR 2009, 48 mwN). Die Dauer des Vorwegvollzugs hängt gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz 1 StGB von der Höhe der verhängten Strafe und der voraussichtlichen Dauer der Unterbringung gemäß § 64 StGB ab. Die Festlegung einer angemessenen Dauer der Unterbringung erfordert deshalb, dass die Voraussetzungen der Maßregel als solche gegeben sind. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass das neue Tatgericht gehalten wäre, eine angemessene Dauer für die Maßregel und den Vorwegvollzug festzustellen, auch wenn es - sachverständig beraten - zu der Überzeugung gelangt, dass die Unterbringung als solche nicht in Betracht kommt (BGH aaO).
5
b) Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
aa) Die Verhängung dieser Maßregel setzt unter anderem die Gefahr voraus , dass der Täter infolge seines Hanges zum übermäßigen Genuss alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Das Landgericht hat sich insoweit die Ausführungen des Sachverständigen zu Eigen gemacht, der maßgeblich darauf abgestellt hat, in der Tat zeige sich eine ausgesprochene Progredienz hinsichtlich der Delin- quenz des Angeklagten. Dies wird durch die Feststellungen nicht belegt. Danach ist der zur Tatzeit 25 Jahre alte Angeklagte bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Mit Blick darauf, dass er sein Opfer schon mehrere Jahre kannte und Tatursache Spannungen in der besonderen Beziehung zu diesem waren, versteht es sich auch nicht von selbst, dass der Angeklagte in Zukunft erneut straffällig werden wird. Dies hätte vielmehr näherer Darlegung bedurft.
7
bb) Unter diesen Umständen kann es dahinstehen, ob die Annahme eines Hanges im Sinne des § 64 Satz 1 StGB rechtsfehlerfrei war. Hiergegen könnten Bedenken bestehen, da eine nähere Erläuterung fehlt, inwieweit die Wertung des Sachverständigen, der Angeklagte habe auf Dauer nicht auf den Alkoholkonsum verzichten können und diesen ungehindert fortgesetzt, mit der Feststellung vereinbar ist, der Angeklagte habe ab Dezember 2009 bis zur Tatzeit im Januar 2011 unter Beschränkung auf das Wochenende weniger Drogen als zuvor zu sich genommen.
8
c) Über die Anordnung der Maßregel ist deshalb unter Hinzuziehung eines Sachverständigen insgesamt neu zu befinden.
9
2. Revisionen der Nebenkläger
10
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat keinen Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten ergeben. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen ausgeführt hat, hat das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen insbesondere das Mordmerkmal der Heimtücke ohne Rechtsfehler verneint.
Becker RiBGH Pfister befindet sich Schäfer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Mayer Menges

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

Ordnet das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, so ist eine frühere Anordnung der Maßregel erledigt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 417/16
vom
27. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:270916B5STR417.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. September 2016 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. März 2016 wird mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, dass die Anordnung der Maßregel (§ 64 StGB) entfällt; die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt im Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Februar 2015 – (528 KLs) 251 Js 683/15 (36/14) – wird aufrechterhalten. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat bei der Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) nicht bedacht, dass sämtliche abgeurteilte Taten zeitlich vor dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Februar 2015 begangen wurden. Wegen des Vorrangs von § 55 Abs. 2 StGB vor § 67f StGB war deshalb die in dieser Verurteilung angeordnete Maßregel aufrechtzuerhalten; die neuerlich angeordnete Maßregel hat zu entfallen (vgl. BGH, Urteile vom 10. Dezember 1981 – 4 StR 622/81, BGHSt 30, 305, und vom 11. September 1997 – 4 StR 287/97, NStZ 1998, 97). Die Entscheidung des Landgerichts, keinen Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe (§ 67 Abs. 2 StGB) anzuordnen, ist angesichts der vollstreckungsrechtlichen Besonderheiten nicht zu beanstanden. Dölp König Berger
Bellay Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 406/10
vom
25. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. November 2010
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 14. Dezember 2009 im Maßregelausspruch dahin geändert, dass lediglich die im Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 14. August 2009 angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aufrechterhalten wird sowie die erneute Anordnung dieser Maßregel und der im Hinblick darauf angeordnete Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe entfallen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung mehrerer Freiheitsstrafen aus anderen Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, die in einer Vorverurteilung angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aufrechterhalten, die Maßregel nach § 64 StGB erneut angeordnet und einen Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe von drei Monaten fest- gesetzt. Die hiergegen gerichtete, auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Während die Nachprüfung des Urteils zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht hat, hält die (erneute ) Maßregelanordnung nach § 64 StGB rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass bei dem Angeklagten die Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch vorliegen. Es hat deshalb zutreffend die im Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 14. August 2009 angeordnete und im Urteil des Landgerichts Düsseldorf nach § 55 Abs. 2 StGB aufrechterhaltene Maßregel erneut aufrechterhalten. Für eine zusätzliche Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bestand indes kein Raum, weil die jetzt abgeurteilte Tat vor der früheren, die Maßregel anordnenden Verurteilung des Angeklagten begangen wurde. In diesem Fall haben die Grundsätze der nachträglichen Gesamtstrafenbildung Vorrang vor der Regelung des § 67f StGB (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 10. Dezember 1981 - 4 StR 622/81, BGHSt 30, 305; Beschluss vom 8. November 1991 - 2 StR 401/91; Urteil vom 11. September 1997 - 4 StR 287/97, BGHR StGB § 64 Anordnung 4).
4
Für seine gegenteilige Entscheidung hat sich das Landgericht auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. März 1992 (4 StR 108/92, NStZ 1992, 432) bezogen. Der Bundesgerichtshof hat darin ausgesprochen, die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sei bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 64 StGB "auch dann zwingend" anzuordnen, "wenn die Maßregel schon in einem früheren Verfahren angeordnet worden ist". Dieser Entscheidung lag indes gerade kein Fall einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung zugrunde. Im Übrigen ist diese Rechtsprechung, soweit sie eine "zwingende Anordnung" verlangt (ebenso BGH, Urteil vom 11. September 1997 - 4 StR 287/97, BGHR StGB § 64 Anordnung 4; Urteil vom 12. September 2001 - 3 StR 313/01; Beschluss vom 5. September 2006 - 3 StR 305/06, NStZ-RR 2007, 38), durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327) ohnehin überholt, da seither die Maßregelanordnung im Ermessen des Gerichts steht. Sie hat nur noch Bedeutung für die Fälle, in denen das Gericht unter Ausübung seines Ermessens die Maßregel anordnet.
5
Die vom Landgericht neu angeordnete Maßregel hatte deshalb zu entfallen. Gleiches gilt für die vom Landgericht getroffene Entscheidung über einen teilweisen Vorwegvollzug der Gesamtfreiheitsstrafe. Diese ist vorliegend ohne praktische Bedeutung, da sich der Angeklagte bereits mehr als die zur Vorwegvollstreckung bestimmten drei Monate in Untersuchungshaft befunden hat. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, wie in Fällen zu verfahren wäre, in denen nachträglich eine so hohe Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird, dass eine nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB bemessene, am Halbstrafenzeitpunkt orientierte Anordnung des Vorwegvollzugs zu einer Herausnahme des Angeklagten aus dem Maßregelvollzug führen müsste. Er neigt dazu, darin eine der Konstellationen zu sehen, in denen entgegen der Regel des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB auf eine Entscheidung über einen Vorwegvollzug verzichtet werden kann.
Becker Pfister von Lienen Sost-Scheible Hubert

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 406/10
vom
25. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. November 2010
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 14. Dezember 2009 im Maßregelausspruch dahin geändert, dass lediglich die im Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 14. August 2009 angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aufrechterhalten wird sowie die erneute Anordnung dieser Maßregel und der im Hinblick darauf angeordnete Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe entfallen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung mehrerer Freiheitsstrafen aus anderen Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, die in einer Vorverurteilung angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aufrechterhalten, die Maßregel nach § 64 StGB erneut angeordnet und einen Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe von drei Monaten fest- gesetzt. Die hiergegen gerichtete, auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Während die Nachprüfung des Urteils zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht hat, hält die (erneute ) Maßregelanordnung nach § 64 StGB rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass bei dem Angeklagten die Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch vorliegen. Es hat deshalb zutreffend die im Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 14. August 2009 angeordnete und im Urteil des Landgerichts Düsseldorf nach § 55 Abs. 2 StGB aufrechterhaltene Maßregel erneut aufrechterhalten. Für eine zusätzliche Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bestand indes kein Raum, weil die jetzt abgeurteilte Tat vor der früheren, die Maßregel anordnenden Verurteilung des Angeklagten begangen wurde. In diesem Fall haben die Grundsätze der nachträglichen Gesamtstrafenbildung Vorrang vor der Regelung des § 67f StGB (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 10. Dezember 1981 - 4 StR 622/81, BGHSt 30, 305; Beschluss vom 8. November 1991 - 2 StR 401/91; Urteil vom 11. September 1997 - 4 StR 287/97, BGHR StGB § 64 Anordnung 4).
4
Für seine gegenteilige Entscheidung hat sich das Landgericht auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. März 1992 (4 StR 108/92, NStZ 1992, 432) bezogen. Der Bundesgerichtshof hat darin ausgesprochen, die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sei bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 64 StGB "auch dann zwingend" anzuordnen, "wenn die Maßregel schon in einem früheren Verfahren angeordnet worden ist". Dieser Entscheidung lag indes gerade kein Fall einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung zugrunde. Im Übrigen ist diese Rechtsprechung, soweit sie eine "zwingende Anordnung" verlangt (ebenso BGH, Urteil vom 11. September 1997 - 4 StR 287/97, BGHR StGB § 64 Anordnung 4; Urteil vom 12. September 2001 - 3 StR 313/01; Beschluss vom 5. September 2006 - 3 StR 305/06, NStZ-RR 2007, 38), durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327) ohnehin überholt, da seither die Maßregelanordnung im Ermessen des Gerichts steht. Sie hat nur noch Bedeutung für die Fälle, in denen das Gericht unter Ausübung seines Ermessens die Maßregel anordnet.
5
Die vom Landgericht neu angeordnete Maßregel hatte deshalb zu entfallen. Gleiches gilt für die vom Landgericht getroffene Entscheidung über einen teilweisen Vorwegvollzug der Gesamtfreiheitsstrafe. Diese ist vorliegend ohne praktische Bedeutung, da sich der Angeklagte bereits mehr als die zur Vorwegvollstreckung bestimmten drei Monate in Untersuchungshaft befunden hat. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, wie in Fällen zu verfahren wäre, in denen nachträglich eine so hohe Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird, dass eine nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB bemessene, am Halbstrafenzeitpunkt orientierte Anordnung des Vorwegvollzugs zu einer Herausnahme des Angeklagten aus dem Maßregelvollzug führen müsste. Er neigt dazu, darin eine der Konstellationen zu sehen, in denen entgegen der Regel des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB auf eine Entscheidung über einen Vorwegvollzug verzichtet werden kann.
Becker Pfister von Lienen Sost-Scheible Hubert

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 417/16
vom
27. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:270916B5STR417.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. September 2016 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. März 2016 wird mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, dass die Anordnung der Maßregel (§ 64 StGB) entfällt; die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt im Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Februar 2015 – (528 KLs) 251 Js 683/15 (36/14) – wird aufrechterhalten. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat bei der Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) nicht bedacht, dass sämtliche abgeurteilte Taten zeitlich vor dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Februar 2015 begangen wurden. Wegen des Vorrangs von § 55 Abs. 2 StGB vor § 67f StGB war deshalb die in dieser Verurteilung angeordnete Maßregel aufrechtzuerhalten; die neuerlich angeordnete Maßregel hat zu entfallen (vgl. BGH, Urteile vom 10. Dezember 1981 – 4 StR 622/81, BGHSt 30, 305, und vom 11. September 1997 – 4 StR 287/97, NStZ 1998, 97). Die Entscheidung des Landgerichts, keinen Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe (§ 67 Abs. 2 StGB) anzuordnen, ist angesichts der vollstreckungsrechtlichen Besonderheiten nicht zu beanstanden. Dölp König Berger
Bellay Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 1 6 2 / 1 4
vom
24. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 2014 gemäß §349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 15. Januar 2014
a) dahin abgeändert, dass vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ein Jahr und ein Monat der gegen ihn verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zu vollziehen sind,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht den Verfall von Wertersatz in Höhe von 80.000 Euro angeordnet hat. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 15 Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, schuldig gesprochen. Es hat ihn wegen zwölf dieser Taten unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem amtsgerichtlichen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt, auf die es als Ausgleich für die Erfüllung einer Bewährungsauflage zwei Monate angerechnet hat. Für die übrigen drei Taten hat es den Angeklagten zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen im Umfang von elf Monaten angeordnet. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Neben der Aufrechterhaltung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 1.250 Euro aus dem amtsgerichtlichen Urteil hat das Landgericht im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Taten den Verfall des Wertersatzes hinsichtlich eines weiteren Geldbetrags in Höhe von 80.000 Euro angeordnet.
2
Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit einer auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zu einer Abänderung der Dauer des Vorwegvollzugs gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB und hat zudem hinsichtlich der Anordnung des Verfalls von Wertersatz im Umfang von 80.000 Euro Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat zum Schuldspruch und zum Strafausspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf lediglich hinsichtlich der Strafzumessung Folgendes:
4
aa) Soweit das Landgericht die Annahme minder schwerer Fälle im Sinne von § 29a Abs. 2 BtMG verneint und den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG nach § 31 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat, hätte das Landgericht zwar prüfen müssen, ob bereits § 31 BtMG dazu führen kann, einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG anzunehmen (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 27. September 2001 – 4 StR 333/01 und vom 19. November 1996 – 1 StR 662/96; jeweils mwN). Da jedoch die vom Landgericht verhängten Einzelfreiheitsstrafen im unteren Bereich des Strafrahmens des § 29a Abs. 2 BtMG liegen, kann der Senat wegen der gleichen Strafrahmenuntergrenze hier ein Beruhen des Strafausspruchs darauf ausschließen, dass das Landgericht den gemäß § 31 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG der Strafzumessung zugrunde gelegt hat.
5
bb) Auch die Gesamtfreiheitsstrafen haben Bestand. Das Landgericht hat zu Recht dem Urteil des Amtsgerichts Kulmbach vom 14. Juli 2011 – 1 Ds – Zäsurwirkung zuerkannt und deshalb zwei Gesamtfreiheitsstrafen gebildet. Deren Höhen belegen einen straffen Zusammenzug der Einzelstrafen und lassen nicht besorgen, das Landgericht könnte einen sich aus der Notwendigkeit, zwei Gesamtstrafen zu bilden, für den Angeklagten ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels nicht ausgeglichen haben (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 22. Juli 2009 – 5 StR 243/09, StraFo 2009, 428).
6
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand. Auch hat das Landgericht die Dauer des Vorwegvollzugs der beiden Gesamtfreiheitsstrafen vor der Unterbringung nach der Maßgabe des § 67 Abs. 2 StGB an sich zutreffend berechnet.
7
Selbst wenn wie hier wegen der Zäsurwirkung einer Vorverurteilung zwei Gesamtstrafen gebildet werden müssen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Vorschrift über die Reihenfolge der Vollstreckung (§ 67 StGB) auf beide Strafen anzuwenden, so dass auch die Sollvorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB für beide Strafen nicht getrennt, sondern einheitlich gilt. Bei der Berechnung des Vorwegvollzugs nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB ist somit von der Summe beider Gesamtstrafen und der Hälfte hiervon auszugehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Juli 2010 – 2 StR 182/10, NStZ-RR 2010, 306 und vom 19. Januar 2010 – 3 StR 499/09, BGHR StGB § 67 Abs. 2 Satz 3 Berechnung 1). Dieser Zeitpunkt ist hier nach drei Jahren und einem Monat erreicht. Bei einer Unterbringungsdauer von zwei Jahren beträgt hiernach der Vorwegvollzug ein Jahr und einen Monat.
8
3. Gleichwohl hat das Landgericht die Dauer des Vorwegvollzugs gemäß § 67 Abs. 2 StGB im Ergebnis zu niedrig bemessen.
9
Es hat bei Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs zu Unrecht die als Ausgleich für die Erfüllung einer Bewährungsauflage gemäß § 55, § 58 Abs. 2 Satz 2, § 56f Abs. 3 StGB auf die erste Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnenden zwei Monate in Abzug gebracht und demzufolge angeordnet, dass von den Gesamtfreiheitsstrafen insgesamt elf Monate vor der Maßregel zu vollstrecken sind.
10
Dies ist rechtsfehlerhaft; denn der gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB vorzunehmende Ausgleich ist für die Bemessung der Dauer des Vorwegvollzugs ohne Bedeutung. Nicht anders als erlittene Untersuchungshaft verringert dieser Ausgleich nicht von vornherein die Dauer des Vorwegvollzugs, vielmehr ist er auf den nach § 67 Abs. 2 StGB vorweg zu vollstreckenden Teil der Strafe anzurechnen. Diese Anrechnung obliegt allerdings nicht schon dem Tatgericht, sondern erst dem Vollstreckungsgericht (vgl. zu § 51 StGB: BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2014 – 1 StR 531/13, NStZ-RR 2014, 107 und vom 15. Dezember 2010 – 1 StR 642/10; jeweils mwN; zur Kompensation bei rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2012 – 1 StR 40/12).
11
4. Der Senat setzt die Dauer des Vorwegvollzugs durch Beschluss (§ 349 Abs. 4 StPO) selbst auf ein Jahr und einen Monat fest.
12
Da die Grundlagen der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs rechtsfehlerfrei festgestellt sind, kann der Senat den Urteilstenor entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst abändern (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2010 – 1 StR 642/10 und vom 6. März 2012 – 1 StR 40/12; jeweils mwN). Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. März 2012 – 1 StR 40/12 mwN und vom 7. Juni 2011 – 4 StR 168/11); denn die gesetzlichen Regelungen über die Vollstreckungsrei- henfolge dienen auch der Sicherung des Therapieerfolgs (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2007 – 3 StR 263/07 a.E.).
13
5. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz im Umfang von 80.000 Euro hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht das ihm gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 Var. 1 StGB eingeräumte Ermessen nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.
14
Nach dieser Vorschrift kann die Verfallsanordnung unterbleiben, wenn der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist. Im Ansatz zutreffend hat das Landgericht zunächst den Wert des Erlangten nach dem Bruttoprinzip (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21. August 2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369) durch Schätzung (§ 73b StGB) auf einen „Mindestverkaufserlös“ von 80.000 Euro bestimmt. Sodann hat es festgestellt, dass dieser Wert im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist. Schließlich hat es ein Absehen von der Verfallsanordnung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB abgelehnt.
15
Allerdings hat das Landgericht dabei das ihm eröffnete Ermessen nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt. Zwar trifft es zu, dass eine unbillige Härte im Sinne von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB nicht auf die vom Gesetzgeber mit der Einführung des Bruttoprinzips beabsichtigte Konsequenz gestützt werden darf, dass Aufwendungen für ein rechtswidriges Geschäft – hier der bezahlte Einkaufspreis für den Erwerb des dann weiterveräußerten Haschischs – in den Verfallsbetrag fallen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juni 2009 – 2 StR 76/09, BGHR StGB § 73c Härte 15). Jedoch muss der Tatrichter bei seiner Billigkeitsentscheidung gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB neben den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen insbesondere in die Abwägung einbeziehen , aus welchem Grund das Erlangte bzw. dessen Wert nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist. So können etwa das „Verprassen“ der erlangten Mittel sowie ihre Verwendung für Luxus und Vergnügen insoweit gegen die Anwendung der Härtevorschrift sprechen; ihr Verbrauch in einer Notlage für den Lebensunterhalt hingegen kann als Argument für eine entsprechende Ermessensentscheidung herangezogen werden (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004 – 3 StR 246/04, NStZ-RR 2005, 104, 105; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Juli 1991 – 1 StR 316/91, BGHSt 38, 23, 25; BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 – 4 StR 153/08, wistra 2009, 23). Auch können bei dieser Entscheidung die Aufwendungen berücksichtigt werden, die mit dem Geschäft verbunden waren (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2003 – 1 StR 453/02).
16
Hiervon ausgehend ist es an sich nicht zu beanstanden, wenn das Tatgericht deshalb nicht von einer Verfallsanordnung absieht, weil der Angeklagte „den Erlös aus den Rauschgiftgeschäften zu eigenen Zwecken im Rahmen der eigenen Lebensführung verbraucht hat“ (UA S. 23). Allerdings hat das Landge- richt hier ersichtlich aus dem Blick verloren, dass nach den Feststellungen trotz des vom Landgericht angenommenen Mindestverkaufserlöses in Höhe von 80.000 Euro nicht belegt ist, dass dem rauschgiftabhängigen Angeklagten nach Abzug seiner Aufwendungen überhaupt nennenswerte Beträge verblieben sind, die er für seine eigene Lebensführung hätte verwenden können. Zwar tragen die Urteilsfeststellungen noch ausreichend die Wertung des Landgerichts, dass der Angeklagte das Rauschgift jeweils gewinnbringend verkauft hat. Jedoch kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Ermessensausübung im Rahmen des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB bei dem Angeklagten , der keine nennenswerten Vermögenswerte besitzt (UA S. 24), im Blick auf eine Erleichterung seiner Resozialisierung ganz oder zumindest zu einem Teil von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz abgesehen hätte.
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6. Die vom Landgericht aufrechterhaltene Verfallsanordnung aus dem Urteil des Amtsgerichts Kulmbach vom 14. Juli 2011 – 1 Ds – ist von dem Rechtsfehler nicht betroffen und hat daher Bestand.
Raum Rothfuß Jäger
Cirener Mosbacher