Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Sept. 2018 - 3 StR 329/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 18. September 2018 einstimmig beschlossen:
Ergänzend bemerkt der Senat: Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei von der Anordnung abgesehen, einen Teil der Strafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu vollstrecken. 1. Gemäß der gesetzlichen Grundregel des § 67 Abs. 1 StGB ist die Maßregel der Besserung und Sicherung vor der Strafe zu vollziehen. Das Gericht bestimmt jedoch, dass die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn deren Zweck dadurch leichter erreicht wird (§ 67 Abs. 2 Satz 1 StGB). Ist - wie hier - die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verhängt worden, so "soll" das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vorab zu vollstrecken ist (§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB). Der Gesetzgeber hat diese Regelung bewusst als Soll-Vorschrift ausgestaltet. Sie dient insbesondere auch der Sicherung des Therapieerfolgs, der bei einer Rückverlegung in eine Justizvollzugsanstalt gefährdet sein kann (vgl. BT-Drucks. 16/1110, S. 14; BGH, Beschlüsse vom 22. September 2011 - 2 StR 322/11, StV 2012, 723; vom 9. November 2017 - 1 StR 456/17, NJW 2018, 714). Das Tatgericht kann es indes beim Vorwegvollzug der Maßregel nach § 67 Abs. 1 StGB belassen, wenn diese Vollstreckungsreihenfolge aus gewichtigen Gründen des Einzelfalls eher die Erreichung des Therapieerfolgs erwarten lässt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Januar 2008 - 1 StR 644/07, NStZ-RR 2008, 142; vom 16. Februar 2016 - 1 StR 624/15, StV 2016, 735). Als gewichtiger Grund kommt namentlich eine aktuelle dringende Therapiebedürftigkeit des Suchtkranken in Betracht (vgl. BT-Drucks. 16/1110, aaO; BGH, Beschlüsse vom 9. August 2007 - 4 StR 283/07, NStZ-RR 2007, 371, 372; vom 22. September 2011 - 2 StR 322/11, aaO; vom 9. November 2017 - 1 StR 456/17, aaO). 2. Diese rechtlichen Vorgaben hat die Strafkammer beachtet. Sie hat im Einzelnen beanstandungsfrei dargetan, dass der seit 30 Jahren heroin- bzw. substitutionsmittelsüchtige Angeklagte, der bereits dreimal mit jeweils nur vorübergehendem Erfolg nach § 64 StGB untergebracht war, zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung dringend therapiebedürftig war. Dabei hat sie darauf abstellen dürfen, dass bei einem zu erwartenden fortdauernden Betäubungsmittelkonsum während eines zunächst vollstreckten Teils der Strafhaft "alsbald gravierende gesundheitliche Einbußen" zu besorgen wären, die einen Therapieerfolg voraussichtlich vereiteln würden, und damit allein im Fall des Vorwegvollzugs der Maßregel die physischen Voraussetzungen für deren hinreichend konkrete Erfolgsaussicht vorlagen (UA S. 9 f.).
Den Erwägungen der Strafkammer steht der Beschluss des 5. Strafsenats vom 22. Januar 2008 (5 StR 624/07, juris Rn. 2) nicht entgegen. Aus dieser Entscheidung ergibt sich lediglich, dass die dringende Therapiebedürftigkeit in den Urteilsgründen eindeutig festgestellt sein muss und nicht ohne weiteres durch die Mitteilung belegt wird, aufgrund einer jahrelangen Drogenabhängigkeit seien bereits körperliche Folgen eingetreten (s. auch MüKoStGB/Maier, 3. Aufl., § 67 Rn. 87). Anders als der Beschwerdeführer meint, argumentiert das Urteil nicht "geradezu zirkelschlüssig", indem es einerseits einen zu erwartenden fortdauernden Betäubungsmittelkonsum während eines vorab vollstreckten Teils der Strafhaft als Umstand bewertet, der einem Therapieerfolg entgegenstünde, andererseits in der an eine gelungene Behandlung anschließenden Vollstreckung der Haftstrafe einen Faktor sieht, der es dem Angeklagten für eine Übergangszeit erleichtert, drogenabstinent zu leben und nicht rückfällig zu werden ("stationäres Setting"). Denn die - sachverständig beratene - Strafkammer ist nachvollziehbar davon ausgegangen, dass sich die Wirkungen des Strafvollzugs auf den akut Betäubungsmittelabhängigen nicht mit denjenigen auf den jedenfalls einstweilen von seinem Hang Befreiten vergleichen lassen. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.
(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.
(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.
(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.
(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.
(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.