Bundesgerichtshof Beschluss, 24. März 2015 - 1 StR 39/15
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wie auch den nicht revidierenden Mitangeklagten als Mittäter derselben Tat, zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
- 2
- Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 3
- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts fiel der Angeklagte, bei dem es 1998 infolge eines Verkehrsunfalles zu einem Frontalhirnsyndrom nach schwerem Schädelhirntrauma mit Kontusionsblutung gekommen war, seit dem Jahr 1999 durch die Begehung von Straftaten auf. Zuletzt wurde er von dem Landgericht Hof am 19. November 2010 wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung u.a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt, zugleich ordnete das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Diese Taten waren sämtlich dadurch gekennzeichnet, dass der Angeklagte gemeinsam mit seiner Freundin, einer tschechischen Prostituierten , Überfälle auf andere tschechische Prostituierte beging, die Angehörige der ethnischen Minderheit der Roma waren. Durch diese Überfälle wollte der Angeklagte seinen bereits langjährig sehr ausgeprägten Rassenhass durch körperliche Misshandlungen und Demütigungen seiner Opfer ausleben und die Gewaltanwendung zugleich ausnutzen, um diesen mitgeführtes Bargeld abzunehmen und für sich zu behalten. Die Misshandlungen der Geschädigten gipfelten in einem Fall darin, dass der Angeklagte und seine Freundin die Geschädigte mit verbundenen Augen im Kofferraum eines Pkws in ein abgelegenes Waldstück verbrachten, ihr über zwei Stunden hinweg Schläge mit Fäusten sowie einer Metallstange und Fußtritte verabreichten, ihr das lange Haar abschnitten und sie dann ihres mitgeführten Bargelds beraubten. Die Strafkammer war dabei davon überzeugt, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zu den Tatzeiten jeweils aufgrund einer gravierenden hirnorganisch bedingten Persönlichkeitsstörung im Sinne des § 21 StGB erheblich eingeschränkt war.
- 4
- In der Folgezeit befand sich der Angeklagte in der Maßregelvollzugsklinik in Bayreuth. Dort lernte er im Dezember 2011 den ebenfalls im Maßregelvollzug befindlichen nichtrevidierenden Mitangeklagten R. kennen, mit dem er ab Juli 2013 Fluchtpläne entwickelte.
- 5
- Gemeinsam mit dem Mitangeklagten R. entschloss sich der Angeklagte , einen als Lockerungsmaßnahme durchgeführten begleiteten Fahrradausflug in das örtliche Freibad am 5. September 2013 zum Entweichen aus dem Maßregelvollzug zu nutzen. In Ausführung des gefassten Tatplans ließen sich die Angeklagten auf ihren Fahrrädern während der Rückfahrt durch das Stadtgebiet Bayreuth an das Ende der Kolonne zurückfallen und bogen an geeigneter Stelle unbemerkt in eine Seitenstraße ab. In einer nahegelegenen Tiefgarage zwangen die Angeklagten einen Passanten unter Verwendung eines zuvor eigens für die Tatausführung entwendeten und angeschliffenen Brotmessers und unter Einsatz erheblicher körperlicher Gewalt zur Herausgabe seines Pkws. Die anschließende Verfolgungsjagd mit Beamten des Polizeivollzugsdienstes durch das Stadtgebiet endete nach einem Unfall der Angeklagten mit ihrer Festnahme.
- 6
- 2. Sachverständig beraten (§ 246a Abs. 1 Satz 1 StPO) ist das Landgericht rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge seiner zur Tatzeit fortbestehenden organischen Persönlichkeitsstörung sicher erheblich vermindert, aber nicht aufgehoben war, so dass die Voraussetzungen des § 21 StGB gegeben waren und auch die Eingangsvoraussetzungen für eine erneute Unterbringung nach § 63 StGB dem Grunde nach vorliegen.
- 7
- Die Strafkammer hat gleichwohl davon abgesehen, den Angeklagten erneut nach § 63 StGB unterzubringen. Die erneute Anordnung sei nicht verhältnismäßig (§ 62 StGB), weil sie angesichts der bereits bestehenden Anordnung zur besseren Erreichung des Maßregelzieles weder geeignet noch erforderlich sei. Insbesondere werde der Ablauf des derzeitigen Maßregelvollzugs und dessen Ausgestaltung nicht von einer erneuten Verhängung der Maßregel beeinflusst werden.
- 8
- 3. Die Entscheidung der Strafkammer, von der erneuten Anordnung der Unterbringung abzusehen, hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Entscheidung liegt insoweit ein fehlerhaftes Verständnis der damit verbundenen Rechtsfolgen zugrunde.
- 9
- a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist die Strafkammer davon ausgegangen , dass die wiederholte Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB gegenüber einem bereits in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, der nochmalige Maßregelausspruch jedoch voraussetzt, dass dieser in besonderer Weise gemäß § 62 StGB mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang steht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 – 3 StR 216/05, BGHSt 50, 199, 201 mwN).
- 10
- Indes betreffen die auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gestützten Erwägungen, welche das Landgericht nachfolgend angestellt hat, die Rechtslage bezüglich einer erneuten Maßregelanordnung bei schuldunfähigen Personen. Bei diesen kommt nur die isolierte Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB in Betracht, die unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit immer – und zugleich nur – dann eine geeignete und erforderliche Maßnahme ist, wenn das erneute Erkenntnis Auswirkungen auf die Aus- gestaltung oder die Dauer des Maßregelvollzugs haben kann, die der bisherige Vollzug nicht zeitigt, und das Erkenntnisverfahren in besserer Weise als das Vollstreckungsverfahren dazu geeignet ist, die neue Symptomtat sowie die sich darin widerspiegelnde Gefährlichkeit des Beschuldigten für alle an der Maßregelvollstreckung Beteiligten verbindlich festzustellen und damit Änderungen in der Ausgestaltung des Vollzugs oder die Anordnung von dessen Fortdauer zu legitimieren (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2005 – 3 StR 216/05, BGHSt 50, 199, 205; vom 9. Mai 2006 – 3 StR 111/06, NStZ-RR 2007, 8, 9; vom 23. November 2010 – 5 StR 466/10 und vom 17. Juli 2012 – 4 StR 179/12, StraFo 2012, 369; Urteile vom 17. September 2009 – 4 StR 325/09, Rn. 8; und vom 16. Oktober 2014 – 3 StR 329/14, Rn. 8 ff.).
- 11
- Hat der bereits in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte Angeklagte die in dem neuen Verfahren angeklagte Tat hingegen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangen (§ 21 StGB), während Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) sicher ausgeschlossen werden kann, und muss daher gegen ihn eine Freiheitsstrafe verhängt werden, so ist der erneute Maßregelausspruch nach § 63 StGB nicht nur zulässig, sondern geboten, um die Anrechenbarkeit der Zeit des Maßregelvollzugs auf die Strafe zu gewährleisten. Wurden Strafe und Maßregel in demselben Urteil festgesetzt und wird die Unterbringung der gesetzlichen Regel entsprechend vor der Freiheitsstrafe vollzogen (§ 67 Abs. 1 StGB), ist die Zeit des Maßregelvollzugs auf die Strafe anzurechnen, bis diese zu zwei Dritteln erledigt ist (§ 67 Abs. 4 StGB). Wurde der Maßregelvollzug hingegen nicht in demselben Urteil wie die Strafe angeordnet, findet eine Anrechnung auf die isoliert verhängte Freiheitsstrafe nicht statt. Das Absehen von der wiederholten Maßregelanordnung hat deshalb nicht ausschließbar eine sachlich ungerechtfertigte Benachteiligung des Angeklagten zur Folge (vgl. BVerfGE 130, 372 ff.; BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2005 – 3 StR 216/05, BGHSt 50, 199, 202; vom 23. November 2010 – 5 StR 466/10 und vom 17. Juli 2012 – 4 StR 179/12, StraFo 2012, 369; Urteile vom 17. September 2009 – 4 StR 325/09,Rn. 8; und vom 16. Oktober 2014 – 3 StR 329/14, Rn. 11), die im vorliegenden konkreten Einzelfall einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten darstellt.
- 12
- b) Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils, soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterblieben ist. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da lediglich Wertungsfehler bei ansonsten fehlerfrei getroffenen Feststellungen vorliegen. Auch eine mit dem freigesprochenen Angeklagten vergleichbare Konstellation, in der die fehlerfreien Feststellungen aufzuheben sind, weil der freigesprochene Angeklagte das Urteil nicht hätte anfechten können (vgl. BGH, Urteile vom 15. Dezember 1999 – 5 StR 537/99 und vom 18. März 2004 – 4 StR 533/03, NStZ 2004, 499; Beschlüsse vom 25. September 2007 – 4 StR 348/07 und vom 23. April 2013 – 4 StR 485/12, NStZ 2013, 612), liegt nicht vor. Ohnehin umfasst der Revisionsangriff hier die Feststellungen, soweit sie im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 21 StGB doppelrelevant sind.
- 13
- Das zur neuen Entscheidung berufene Tatgericht wird unter Anwendung des zutreffenden rechtlichen Prüfungsmaßstabs über die erneute Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB zu befinden haben, wobei ergänzende Feststellungen getroffen werden können, die den bisherigen nicht widersprechen.
- 14
- 4. Die weitergehende Revision des Angeklagten war zu verwerfen; das Urteil erweist sich insoweit, entsprechend der Antragsschrift des Generalbundesanwalts , als rechtsfehlerfrei.
- 15
- 5. Eine Erstreckung der Aufhebung auf den Mitangeklagten R. gemäß § 357 Satz 1 StPO kommt nicht in Betracht. Zwar liegt dem Absehen von der Maßregelanordnung dieselbe ihn benachteiligende Gesetzesverletzung zugrunde. Da die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB jedoch an höchstpersönliche Charaktermerkmale und Dispositionen des Täters anknüpft und diese individuellen Wertungsfragen für die Entscheidung bestimmend sind, war keine Erstreckung vorzunehmen (vgl. dazuBGH, Beschlüsse vom 29. Juni 1994 – 2 StR 265/94, BGHR StPO § 357 Erstreckung 4; vom 4. September 1998 – 2 StR 390/98, NStZ-RR 1999, 15; vom 16. April 2003 – 2 StR 60/03 [jeweils zu § 64 StGB]; Beschluss vom 24. November 2009 – 4 StR 422/09 [zu § 67 Abs. 2 StGB]; Urteil vom 4. November 2014 – 1 StR 233/14, Rn. 12 [zu § 69 Abs. 1 StGB]).
Mosbacher Fischer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.
(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
G r ü n d e
- 1
- Der Antrag war abzulehnen, weil es an der erforderlichen Darlegung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe fehlt (§ 114 Satz 1, § 117 Abs. 2 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2003 – 2 StR 180/03; NStZ-RR 2009, 190). Auch wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen vor dem Landgericht dargelegt worden sind, ist in der Revisionsinstanz zumindest eine Bezugnahme darauf erforderlich, verbunden mit der Versicherung, dass sich die Verhältnisse nicht verändert haben. Die Voraussetzungen des § 397a Abs. 1 StPO liegen nicht vor.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.
(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.
(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.
(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.
(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.
(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
G r ü n d e
- 1
- Der Antrag war abzulehnen, weil es an der erforderlichen Darlegung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe fehlt (§ 114 Satz 1, § 117 Abs. 2 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2003 – 2 StR 180/03; NStZ-RR 2009, 190). Auch wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen vor dem Landgericht dargelegt worden sind, ist in der Revisionsinstanz zumindest eine Bezugnahme darauf erforderlich, verbunden mit der Versicherung, dass sich die Verhältnisse nicht verändert haben. Die Voraussetzungen des § 397a Abs. 1 StPO liegen nicht vor.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 8. Juli 2010 vom Vorwurf der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und zur Nötigung in zehn Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Auf die insoweit wirksam beschränkte und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hob der Senat die Entscheidung des Landgerichts mit Urteil vom 20. Oktober 2011 mit den zugehörigen Feststellungen auf, soweit der Angeklagte in den Fällen III. 1, III. 9 und III. 16 der Urteilsgründe freigesprochen worden war. Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr wegen unterlassener Hilfeleistung in zwei Fällen (Fälle III. 1 und III. 16 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen zu je 30,00 € verurteilt und ihn im Übrigen (Fall III. 9 der Urteilsgründe) aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
- 2
- Die gegen diese Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg und führt zur erneuten Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
- 3
- 1. Das Urteil hat keinen Bestand, weil es zu den Fällen III. 1 und III. 16, die die Grundlage der Verurteilung bilden, keine in sich geschlossene Darstellung eines in der Hauptverhandlung festgestellten Tatgeschehens enthält (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2007 – 4 StR 481/07, NStZ 2008, 352 mwN). Eine solche Darstellung des Sachverhalts, die erkennen lassen muss, durch welche bestimmten Tatsachen die einzelnen gesetzlichen Merkmale des äußeren und inneren Tatbestands erfüllt werden, ist für die revisionsrechtliche Prüfung erforderlich. Fehlt diese Darstellung oder ist sie in wesentlichen Teilen unvollständig, so ist dies ein Mangel des Urteils, der auf die Sachrüge zu dessen Aufhebung führt (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2007 aaO). So verhält es sich hier.
- 4
- 2. Die Strafkammer hat sich hinsichtlich der den Mitangeklagten vorgeworfenen Taten, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Anknüpfungspunkte für den dem Angeklagten angelasteten Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung bilden, damit begnügt, das im ersten Durchlauf ergangene und hinsichtlich der Mitangeklagten rechtskräftig gewordene Urteil des Landgerichts Siegen vom 8. Juli 2010 auszugsweise zu verlesen. Lediglich im Hinblick auf das dem Angeklagten vorgeworfene Tatgeschehen hat es eine förmliche Beweisaufnahme durchgeführt und mehrere Zeugen vernommen. So durfte es indes hier nicht verfahren. Nach Aufhebung eines freisprechenden Urteils hat der neue Tatrich- ter ohne Bindung an die im ersten Rechtsgang zum Nachteil von früheren Mitangeklagten getroffenen Feststellungen insgesamt neue Feststellungen zu treffen , da der freigesprochene Angeklagte das Urteil insoweit nicht hätte anfechten können (Senatsurteil vom 18. März 2004 – 4 StR 533/03, NStZ 2004, 499; Senatsbeschluss vom 25. September 2007 – 4 StR 348/07; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 353 Rn. 15a; LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 354 Rn. 43 mwN). Das Landgericht hätte daher ohne Bindung an die im ersten Rechtsgang insgesamt getroffenen Feststellungen neue, eigene Feststellungen zum gesamten Tatgeschehen und damit auch zum Verhalten der früheren Mitangeklagten S. , K. und B. treffen müssen. Dies wird der neue Tatrichter nachholen müssen.
Roggenbuck
Franke Reiter
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer weiteren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat die in dem einbezogenen Urteil angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aufrechterhalten und angeordnet, dass von der verhängten Strafe unter Anrechnung der Untersuchungshaft vor der Unterbringung ein Jahr zu vollziehen ist. Ferner hat es ausgesprochen, dass dem Angeklagten vor Ablauf von drei Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilen ist. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der Anordnung über den Vorwegvollzug; über diesen muss neu entschieden werden. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
- 2
- Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 Satz 1 StGB hält jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
- 3
- 1. Zwar hat das Landgericht die Anordnung der Maßregel gegenüber dem Angeklagten sowie auch gegenüber dem Mitangeklagten S. auf die Erwägung gestützt, nach Einschätzung des medizinischen Sachverständigen erscheine ein erneuter Therapieversuch "nicht als aussichtslos". Danach ist zu besorgen, dass das Landgericht entgegen dem Wortlaut von § 64 Satz 2 StGB in der Fassung des am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (BGBl. I S. 1327) eine vom Bundesverfassungsgericht bereits im Jahre 1994 für verfassungswidrig erklärte Auslegung (vgl. dazu BVerfGE 91, 1) zu Grunde gelegt und nicht bedacht hat, dass schon § 64 Abs. 1 a.F. StGB in verfassungskonformer Auslegung stattdessen die Feststellung einer konkreten Erfolgsaussicht der Maßregel voraussetzte.
- 4
- 2. Diese rechtsfehlerhafte Erwägung des Landgerichts gefährdet den Bestand des Maßregelausspruchs jedoch ausnahmsweise nicht, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat: "Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt kann dennoch bestehen bleiben, weil den Feststellungen eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht zu entnehmen ist. Der Angeklagte, der im Jahr 2003 nach einer neunmonatigen stationären Therapie 16 Monate lang suchtmittelfrei gelebt hat, ist therapiewillig (UA S. 4, 14). Es ist daher zu erwarten, dass ihn die länger dauernde Unterbringung in einer Entziehungsanstalt über eine erhebliche Zeitspanne vor einem Rückfall in den suchtbedingten Rauschmittelkonsum bewahren wird. Eine nachhaltige, d.h. sehr lang andauernde Heilung ist für die Erfolgsaussicht entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht erforderlich (Senat 4 StR 160/02). Es genügt die konkrete Aussicht, 'den Süchtigen über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren' (BVerfGE 91, 1 f. = NStZ 1994, 578)."
II.
- 5
- Über die Anordnung des Vorwegvollzugs ist jedoch neu zu befinden.
- 6
- 1. Das Landgericht hat sich hinsichtlich der Dauer des Vorwegvollzugs der Maßregel (§§ 64, 67 Abs. 2 StGB) an der Möglichkeit einer Reststrafenaussetzung zum Zweidrittel-Zeitpunkt orientiert. Nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB n.F. ist der bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren im Regelfall (§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB) anzuordnende Vorwegvollzug so zu bestimmen, dass nach seiner Beendigung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB, also eine Halbstrafenentlassung, möglich ist. Darauf, ob es nahe liegend erscheint, dass die zuständige Strafvollstreckungskammer zu gegebener Zeit eine solche Entscheidung treffen wird, kommt es nicht an (BGH, Beschluss vom 18. März 2008 – 1 StR 103/08, NStZ-RR 2008, 182).
- 7
- 2. Danach liegt es im vorliegenden Fall nahe, dass unabhängig davon, ob sich der Angeklagte seit seiner vorläufigen Festnahme am 25. Oktober 2008 bis zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung durchweg in anzurechnender Un- tersuchungshaft in dieser Sache befand, zum jetzigen Zeitpunkt keine vorweg zu vollziehende Strafe mehr verblieben ist. Denn der nach § 67 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 StGB maßgebliche Halbstrafenzeitpunkt ist beim Angeklagten nach zwei Jahren und drei Monaten Untersuchungshaft, Strafhaft und Maßregelvollzug erreicht. Eine Festlegung des vorab zu vollstreckenden Teils der Strafe analog § 354 Abs. 1 StPO ist dem Senat hier jedoch ebenso verwehrt wie eine Verwerfung des Rechtsmittels mit der Maßgabe, dass die Anordnung über den Vorwegvollzug zu entfallen hat. Voraussetzung für eine solche Entscheidung ist die rechtsfehlerfreie Feststellung der zur Therapie erforderlichen Dauer der Unterbringung durch den Tatrichter (BGH, Beschluss vom 15. November 2007 – 3 StR 390/07, NJW 2008, 1173). Eine solche Feststellung hat das Landgericht jedoch nicht getroffen. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe erschließt sich dem Senat die erforderliche Dauer der Therapie nicht sicher.
III.
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- Die vom Generalbundesanwalt beantragte Erstreckung der Aufhebung gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten S. , der keine Revision eingelegt hat, kommt nicht in Betracht, da die Entscheidung nach § 67 Abs. 2 StGB bei jedem Angeklagten auf individuellen Erwägungen beruht (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Dezember 1991 – 4 StR 548/91). Das vom 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 23. September 2009 – 2 StR 305/09 gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG eingeleitete Anfrageverfahren zur Erstreckung im Fall eines Rechtsfehlers bei der Anwendung des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB n.F. bezieht sich ausdrücklich nur auf die Fälle, in denen sich, abweichend von der vorliegenden Fallgestaltung, die voraussichtliche Dauer der erforderlichen Unterbringung auch für den Nichtrevidenten aus den Urteilsgründen ergibt.
Franke Mutzbauer
(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.
(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.
(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.
(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.
(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.
(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.
(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.
(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen
- 1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c), - 1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d), - 2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316), - 3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder - 4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.