Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2011 - 1 StR 388/11

published on 07/09/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2011 - 1 StR 388/11
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 388/11
vom
7. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. September 2011 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 206a StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 30. März 2011 wird
a) das Verfahren hinsichtlich der Fälle B 6 und B 7 der Urteilsgründe eingestellt; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen;
b) der Schuldspruch hinsichtlich des Tatkomplexes B der Urteilsgründe wie folgt neu gefasst: „Der Angeklagte ist schuldig der Körperverletzung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung und Beleidigung , und der Beleidigung in vier Fällen, davon in ei- nem Fall in Tateinheit mit Bedrohung“,
c) das Urteil im Strafausspruch hinsichtlich der zweiten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit Beleidigung in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung unter Einbeziehung der Geldstrafe aus einem rechtskräftigen Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Daneben hat es den Angeklagten wegen weiterer Taten der Körperverletzung , Sachbeschädigung, Bedrohung und Beleidigung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt hinsichtlich der Fälle B 6 und B 7 der Urteilsgründe zu einer Teileinstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses und in deren Folge zur Aufhebung der zweiten Gesamtfreiheitsstrafe. Die weitergehende Revision des Angeklagten ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
2
Zu den Prozessvoraussetzungen hat der Generalbundesanwalt zutreffend Folgendes ausgeführt: „DasVerfahren ist in den Fällen B 6 und 7 der Urteilsgründe einzustellen , weil es insofern an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt. Das Landgericht hat die am 25. Februar 2011 erhobene Anklage erst in der Hauptverhandlung am 17. März 2011 durch Beschluss zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren eröffnet, eine Besetzungsentscheidung nach § 76 Abs. 2 GVG getroffen und die Verbindung zu der bereits anhängigen Sache beschlossen (BI. 203 der Hauptakten). Dies war rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer hat über die Eröffnung nicht in der dafür gesetzlich vorgesehenen Besetzung entschieden. Entsprechend dem Eröffnungs - und Besetzungsbeschluss vom 22. Juli 2010 und 23. Dezember 2010 in den anhängigen und verbundenen Verfahren war die Strafkammer in der Hauptverhandlung gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG mit zwei Berufsrichtern besetzt. Wird eine zunächst unterbliebene Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens in der Hauptverhandlung nachgeholt, so entscheidet darüber aber beim Landgericht auch dann die Große Strafkammer in ihrer Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung mit drei Berufsrichtern ohne Mitwirkung der Schöffen, wenn die Kammer die Hauptverhandlung in reduzierter Besetzung durchführt (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2005 - 4 StR 418/05 -; Beschluss vom 25. Februar 2010 - 4 StR 596/09 -; Beschluss vom 22. Juni 2010 - 4 StR 216/10 -). Damit besteht ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, welches insoweit zur Verfahrenseinstellung führt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage, § 203 Rdnr. 4).“
3
Zur Klarstellung fasst der Senat den Schuldspruch in dem von der Teileinstellung betroffenen zweiten Tatkomplex neu. Der Wegfall der Einzelstrafen durch die Verfahrenseinstellung in den Fällen B 6 und B 7 zieht die Aufhebung der zweiten Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
Nack Wahl Elf Jäger Sander
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

4 Referenzen - Gesetze

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Die Strafkammern sind mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen (große Strafkammer), in Verfahren über Berufungen gegen ein Urteil des Strafrichters oder des Schöffengerichts mit dem Vorsitzenden und zwei Schöffen (klein
4 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 22/06/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 216/10 vom 22. Juni 2010 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.
published on 28/07/2015 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR598/14 vom 28. Juli 2015 in der Strafsache gegen wegen Betruges u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 28. Juli 2015 gemäß § 206a
published on 20/05/2015 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 45/14 vom 20. Mai 2015 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja BGHR: ja Veröffentlichung: ja GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2; GVG § 76 Abs. 1, 2 und 4; StPO § 338 Nr. 1 Beschließt die Strafkammer in der Hauptverhand
published on 27/02/2014 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 5 0 / 1 4 vom 27. Februar 2014 in der Strafsache gegen wegen versuchten Diebstahls u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Februar 2014 gemäß § 349 Abs. 4, § 206a StPO beschlossen: 1. Das Verf
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Strafkammern sind mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen (große Strafkammer), in Verfahren über Berufungen gegen ein Urteil des Strafrichters oder des Schöffengerichts mit dem Vorsitzenden und zwei Schöffen (kleine Strafkammer) besetzt. Bei Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung wirken die Schöffen nicht mit.

(2) Bei der Eröffnung des Hauptverfahrens beschließt die große Strafkammer über ihre Besetzung in der Hauptverhandlung. Ist das Hauptverfahren bereits eröffnet, beschließt sie hierüber bei der Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung. Sie beschließt eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen, wenn

1.
sie als Schwurgericht zuständig ist,
2.
die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, deren Vorbehalt oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist oder
3.
nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters notwendig erscheint.
Im Übrigen beschließt die große Strafkammer eine Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen.

(3) Die Mitwirkung eines dritten Richters nach Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 ist in der Regel notwendig, wenn die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird oder die große Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer zuständig ist.

(4) Hat die Strafkammer eine Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen beschlossen und ergeben sich vor Beginn der Hauptverhandlung neue Umstände, die nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen erforderlich machen, beschließt sie eine solche Besetzung.

(5) Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen oder ist die Hauptverhandlung ausgesetzt worden, kann die jeweils zuständige Strafkammer erneut nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 über ihre Besetzung beschließen.

(6) In Verfahren über Berufungen gegen ein Urteil des erweiterten Schöffengerichts (§ 29 Abs. 2) ist ein zweiter Richter hinzuzuziehen. Außerhalb der Hauptverhandlung entscheidet der Vorsitzende allein.