Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2018 - 5 StR 336/18

bei uns veröffentlicht am01.08.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 336/18
vom
1. August 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchdiebstahls
ECLI:DE:BGH:2018:010818B5STR336.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 1. August 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 22. März 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist.
2. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls und wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die mit der nicht näher ausgeführten Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts versuchte der Ende 2016 aus Strafhaft entlassene Angeklagte im Mai 2017 vergeblich, ein gekipptes Küchenfenster aufzudrücken, um aus der Wohnung stehlenswerte Gegenstände zu entwenden. Ende Juli 2017 stieg er auf einen im Hochparterre gelegenen Balkon, schlug mit einem Blumentopf die Türscheibe ein und stahl aus der Wohnung Gegenstände im Gesamtwert von 5.000 Euro. Der Angeklag- te litt bei diesen Taten jeweils an Geldmangel; er lebte zu dieser Zeit von „Hartz IV“. Die Art und Weise der Tatbegehung ähnelt früheren Taten.
3
b) Der Angeklagte ist massiv einschlägig vorbestraft. Verurteilungen wegen Diebstahlstaten (auch Wohnungseinbruchdiebstahl) erfolgten unter anderem 2002, 2003, 2008, 2009, 2010, 2011, 2014 und 2015. Seit spätestens 2013 leidet der unter gesetzlicher Betreuung stehende Angeklagte an einer paranoidhalluzinatorischen Psychose, zudem liegt ein Cannabismissbrauch vor. Bei den Verurteilungen in den Jahren 2014 und 2015 wurden aufgrund dieser Erkrankung , teils in Verbindung mit Cannabiskonsum, die Voraussetzungen des § 21 StGB bei der Tatbegehung angenommen.
4
c) Das sachverständig beratene Landgericht hat angenommen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Tatbegehung erheblich vermindert gewesen sei. Zwar hätten sich keine Anhaltspunkte für ein psychotisches Erleben mit inhaltlicher Verkennung der realen Gegebenheiten ergeben, weshalb auch nicht von einer Exacerbation der psychotischen Krankheit auszugehen sei. Es habe sich vielmehr jeweils um ein folgerichtiges Vorgehen gehandelt, bei dem der Angeklagte auch um die Strafbarkeit der Taten gewusst habe. „Das Verhalten verstehe sich eher als eine eingeschliffene Lebensweise.“
5
Könne deshalb eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit sicher ausgeschlossen werden, dürfe doch nicht verkannt werden, dass die psychotische Störung mit einer erheblichen Ambivalenz und Ambitendenz einhergehe, was dazu führe, dass die von der Erkrankung betroffene Person nicht über die gleiche Handlungsfreiheit, Selbstsicherheit und auch Frustrationstoleranz verfüge wie ein gesunder Mensch. Damit gehe eine wesentlich eingeschränkte Steuerungsfähigkeit einher, die konkret auch beim Angeklagten angenommen werden müsse und hier die Taten wesentlich mitbedingt habe. Zukünftig seien krankheitsbedingt ähnliche erhebliche Taten zu erwarten, weshalb der Angeklagte nach § 63 StGB unterzubringen sei.
6
2. Die Unterbringungsentscheidung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
7
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Die Unterbringung erfordert darüber hinaus eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, dass der Unterzubringende infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden. Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist das Tatgericht auch verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Dezember 2017 – 5 StR 388/17 mwN). Auch bei der Diagnose einer schweren psychischen Erkrankung wie etwa einer paranoid-halluzinatorischen Psychose bedarf es einer konkretisierenden Darlegung , in welcher Weise sich das festgestellte Krankheitsbild bei Begehung der Taten auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten in den jeweiligen konkreten Tatsituationen ausgewirkt haben soll (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018 – 1 StR 33/18).
8
b) Der Senat kann anhand der Urteilsgründe nicht nachvollziehen, in welcher Weise sich die nicht exacerbierte Erkrankung – etwa auch in Form einer krankheitsbedingten Persönlichkeitsveränderung (vgl. BGH aaO) – bei der jeweiligen Tatbegehung konkret auf die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten ausgewirkt haben soll. Der Angeklagte begeht seit über 15 Jahren – und damit auch schon vor Krankheitsausbruch – immer wieder gleichartige Diebstahlstaten , darunter auch Wohnungseinbruchdiebstahl, um seine finanziellen Verhältnisse aufzubessern. Die Sachverständige und mit ihr das Landgericht sehen hierin zutreffend eine „eingeschliffene Lebensweise“.
9
Die eher allgemein gehaltenen Ausführungen des Landgerichts zu krankheitsbedingten Persönlichkeitseinschränkungen belegen vor dem Hintergrund der Vorgeschichte des Angeklagten nicht, dass die neuerlichen Taten nunmehr ihren Grund in der Erkrankung des Angeklagten finden (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 27. April 2016 – 2 StR 80/16, und vom 19. September 2017 – 5 StR 385/17). Jedenfalls hätte die Strafkammer in diese Prüfung die einschlägigen Vorstrafen einbeziehen und erörtern müssen, inwieweit trotz der seit vielen Jahren „eingeschliffenen Lebensweise“ die Krankheit des Ange- klagten auf einmal ein solches Gewicht für die (nicht etwa irrational motivierte) Tatbegehung erhält, dass sie zur sicheren Annahme des § 21 StGB führen könnte.
10
3. Über den Maßregelausspruch muss deshalb nochmals entschieden werden. Schuld- und Strafausspruch sind vom Rechtsfehler unberührt. Der Senat schließt aus, dass eine erneute Verhandlung zur Feststellung der Schuldunfähigkeit des Angeklagten führen wird und sich die Anordnung der Maßregel bei der Strafzumessung oder der Bewährungsentscheidung zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt hat.
Mutzbauer Schneider König
Mosbacher Köhler

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 388/17
vom
13. Dezember 2017
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:131217U5STR388.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Dezember 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dölp, Prof. Dr. König, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 28. April 2017 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschuldigten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Die hiergegen gerichtete und mit der Sachrüge geführte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, ist unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts traf der bislang nur wegen einer Sachbeschädigung zu einer niedrigen Geldstrafe vorgeahndete Beschuldigte im August 2015 in den frühen Morgenstunden in Dresden auf die ihm bis dahin unbekannte Passantin Re. . Er näherte sich ihr von hinten, drehte sie herum und versuchte, ihren Rock zu zerreißen, um mit ihr den ungeschützten Geschlechtsverkehr durchführen zu können. Als sich die Geschädigte wehrte , stieß er sie zu Boden, um sein Vorhaben fortzusetzen, und berührte auch ihr bedecktes Geschlechtsteil, um hieraus Lustgewinn zu erzielen. Ein Passant zog den Beschuldigten von der jungen Frau weg, die Verletzungen am Kopf, dem Ellenbogen und einem Finger erlitt.
3
Zu einem zweiten Vorfall kam es im Dezember 2016. Der Beschuldigte rauchte in einem Einkaufszentrum trotz Rauchverbots. Als er daraufhin von Sicherheitsmitarbeitern und zwei Kunden festgehalten wurde, um seine Personalien wegen eines Hausverbots aufzunehmen, begann er, um sich zu schlagen. Deshalb zu Boden gedrückt warf er im Fallen zwei Getränkedosen in Richtung der Mitarbeiter, die niemanden trafen. Ob der Wurf gezielt gegen Personen gerichtet war, ließ sich nicht feststellen.
4
Im Januar 2017 riss der Beschuldigte schließlich den Telefonhörer eines öffentlichen Münzfernsprechers ab, wodurch ein Schaden von knapp 300 Euro entstand.
5
Bei allen drei Vorfällen war jedenfalls die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten aufgrund einer chronisch-produktiven, auch negativ-symptomatischen paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie aufgehoben.
6
2. Nach den Feststellungen des insoweit sachverständig beratenen Landgerichts besteht keine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, dass der Beschuldigte wieder eine vergleichbar schwere Tat wie die Sexualstraftat vom August 2015 begeht. Zu erwartende Taten im Ausmaß der übrigen Vorfälle seien nicht erheblich genug, um eine Unterbringung des Beschuldigten zu rechtfertigen.
7
3. Die Revision der Staatsanwaltschaft deckt keinen Rechtsfehler auf.
8
a) Das Landgericht ist von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstat auf Grund eines psychischen Defekts schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und des von ihm begangenen Anlassdelikts zu entwickeln; sie muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten drohen und wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist. Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist das Tatgericht auch verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. August 2017 – 3 StR 249/17 mwN).
9
b) Diesen Anforderungen wird das Urteil gerecht. Das Landgericht hat bei seiner Gefährlichkeitsprognose die Besonderheiten der Erkrankung des Beschuldigten , seine bisherige Delinquenz seit Krankheitsausbruch und seine Lebensumstände in den Blick genommen. Zutreffend ist es davon ausgegangen, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit der krankheitsbedingten Begehung von Straftaten geringeren Gewichts die schwerwiegende Maßregel des § 63 StGB nicht rechtfertigen kann. Dass es mit sachverständiger Hilfe nach umfassender Prüfung zu dem Schluss gekommen ist, erhebliche Straftaten wie diejenige vom August 2015 seien nicht höhergradig wahrscheinlich, lässt unabhängig von der rechtlichen Bewertung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten Rechtsfehler nicht erkennen.
Mutzbauer Dölp König
Berger Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 33/18
vom
17. Mai 2018
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2018:170518B1STR33.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 17. Mai 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27. September 2017 mit Ausnahme der Feststellungen zu dem jeweiligen äußeren Tatgeschehen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und einen Betrag von 2.514 Euro sowie zahlreiche Asservate eingezogen. Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision, die weitgehenden Erfolg hat.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Beschuldigte leidet an einer paranoiden Schizophrenie. Dies führ- te zu einem „grundlegenden paranoiden Symptom“ mit bizarren Gedankeninhal- ten, formalen Denkstörungen, einer auffälligen Apathie, inadäquaten Affekten und einer verminderten Leistungsfähigkeit. Seit Mitte der 1980er Jahre war sein Leben geprägt von teilweise jahrelangen Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken und Justizvollzugsanstalten. 1997 war gegen ihn bereits die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden, diese Maßregel wurde 2012 für erledigt erklärt. Während der Maßregel wurde er wegen Diebstahls verurteilt, auch danach erfolgten weitere Verurteilungen, vor allem wegen Diebstahls. Nach seiner letzten Haftentlassung im Juni 2016 war der Beschuldigte obdachlos. Nachdem er am 23. November 2016 wegen eines Sturzes in ein Krankenhaus gebracht worden war, wurde er von dort wegen bedrohlichen Verhaltens und psychischer Auffälligkeit in eine psychiatrische Klinik gebracht, wo er auch als bedrohlich und psychotisch beschrieben wurde. Obwohl am 24. November 2016 die vorläufige Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB beantragt worden war, wurde der Beschuldigte vier Tage später entlassen und seitens der Klinik die Aufhebung der vorläufigen Unterbringung beantragt, da eine geschlossene psychiatrische Krankenhausbehandlung nicht mehr erforderlich sei.
4
2. Zwischen dem 30. November und dem 18. Dezember 2016 beging der Beschuldigte vier Einbruchstaten. Dabei handelte er stets in der Absicht, sich eine Einnahmequelle von einigem Umfang und Dauer zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes zu verschaffen. Aufgrund seiner psychotischen Erkrankung war dabei in allen Fällen seine Steuerungsfähigkeit sicher erheblich vermindert, nicht ausschließbar aufgehoben. Im Einzelnen:
5
a) In der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember 2016 drang der Beschuldigte in N. in im Erdgeschoss gelegene Büroräume ein, indem er die Fensterscheibe zum Waschraum aufhebelte. Er führte ein Beil mit sich. Er durchsuchte die Räumlichkeiten nach werthaltigen Gegenständen und nahm Schmuckgegenstände und zwei Uhren im Wert von 750 Euro mit, um sie für sich zu behalten.
6
b) Zwischen dem 30. November und dem 11. Dezember 2016 verschaffte sich der Beschuldigte Zutritt zu einem Kellerabteil eines Wohnhauses. Die Sicherung durch ein Vorhängeschloss überwand er, indem er den angenagelten Riegel lockerte, so dass sich die Holzlattentür öffnen ließ. Er entwendete die werthaltigen Gegenstände, wie Koffer, Taschen und einige Schmuckgegenstände im Wert von 800 Euro, um sie für sich zu behalten.
7
c) Zwischen dem 7. und dem 9. Dezember 2016 hielt sich der Beschuldigte im Keller desselben Wohnhauses auf. Hier befand sich eine Tür, die zum Funduskellerraum der im Nachbarhaus gelegenen Ballettschule führte. Von dieser Seite war die Tür mit Styroporplatten verkleidet, davor standen Regale mit Kartons. Der Beschuldigte drückte kraftvoll gegen diese Tür, so dass er in den Keller der Ballettschule gelangte. Die Regale mit den Kartons stellte er wieder auf, so dass die schadhafte Verkleidung nicht auf Anhieb sichtbar war. Er entwendete Modeschmuck und zahlreiche Bekleidungsgegenstände von Ballettartikelherstellern , die die Ballettschule vertrieb, im Gesamtwert von etwa 10.000 Euro. Außerdem nahm er aus einem Porzellanschwein 100 Euro und aus der aufgehebelten Registrierkasse die dort befindlichen 40 Euro. Er nahm aber auch den Schlüssel zur Eingangstür mit; mit diesem verließ er die Ballettschule durch die Eingangstür, die er ordnungsgemäß verschloss.
8
d) Am 18. Dezember 2016 gelangte der Beschuldigte gegen 5.20 Uhr über ein im Innenhof befindliches Baugerüst auf den Balkon im zweiten Obergeschoss , der zur Wohnung der Geschädigten K. und Kö. gehörte. Dabei hatte er ein Taschenmesser in seiner Hosentasche. Die verriegelte Balkontür drückte er gewaltsam auf und kam so in die Wohnung. Hier entwendete er aus einer Handtasche eine kostspielige Sonnenbrille und die Geldbörse, die er zwischen die zwei von ihm getragenen Jacken steckte und die dort durch den Bund der äußeren Jacke gehalten wurden. Als er sich im Bereich der Garderobe befand, wurde die Geschädigte K. wegen des Scheins der Ta- schenlampe im ansonsten dunklen Flur auf ihn aufmerksam. Sie schrie „Einbrecher“ , woraufhin der Beschuldigte durch die Wohnungstür zu entkommen versuchte. Dies gelang ihm nicht, da die Geschädigte ihn in ein Gerangel verwickelte. Durch den Schrei aufmerksam geworden, betrat nun der Geschädigte Kö. den Flur und forderte den Beschuldigten auf, sich auf den Boden zu legen. Das tat der Beschuldigte aber nicht, er ging vielmehr auf Kö. zu und versuchte, ihm Faustschläge zu versetzen, um unerkannt mit der Beute entkommen zu können. Tatsächlich traf er Kö. , dessen dadurch hervorgerufene Ablenkung der Beschuldigte zu nutzen suchte, um die Wohnungstür mit dem steckenden Schlüssel aufzusperren und zu entkommen. Er stieß hierzu die im Wege stehende K. zur Seite, wurde aber letztlich durch Kö. zu Boden gebracht. Dort leistete er keine Gegenwehr mehr und wurde festgenommen.
9
Die Beute aus den Taten konnte entweder am Beschuldigten oder in mehreren Schließfächern im Bahnhof sichergestellt werden.

II.


10
1. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind rechtsfehlerfrei getroffen.
11
2. Die Unterbringung des Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB kann jedoch keinen Bestand haben.
12
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur angeordnet werden, wenn unter anderem zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstat aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung im Sinne eines der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. In diesem Zusammenhang ist darzulegen, wie sich die festgestellte, einem Merkmal der §§ 20, 21 StGB unterfallende Störung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichtsoder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden Zustand zurückzuführen sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 25. Juli 2017 – 3 StR 119/17; Urteil vom 9. August 2017 – 1 StR 63/17).
13
b) Den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Feststellung der ursächlichen Verknüpfung zwischen dem Zustand, in dem der Beschuldigte sich befand, und der ihm zur Last gelegten Taten genügen die Urteilsgründe nicht.
14
Die Diagnose entweder einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie oder einer psychotischen Störung führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit. Es hätte vielmehr einer konkretisierenden Darlegung bedurft, in welcher Weise sich das festgestellte Krankheitsbild bei Begehung der Taten auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten in den jeweiligen konkreten Tatsituationen ausgewirkt haben soll (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 9. August 2017 – 1 StR 63/17; Beschlüsse vom 16. März 2017 – 4 StR 11/17 und vom 6. September 2017 – 1 StR 307/17).
15
Hierzu stellt das Landgericht lediglich allgemein fest, dass die Steue- rungsfähigkeit „aufgrund der festgestellten dauerhaften massiven Veränderung seiner Persönlichkeitsstruktur mit Impulskontrollstörungen“ sicher erheblich vermindert, eine wahnbedingte Aufhebung der Einsichtsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden könne. Konkrete Feststellungen zu einem etwaigen Effekt der psychischen Erkrankung auf die Tatbegehungen sind indes weder ausdrücklich getroffen noch lassen sie sich den Urteilsgründen sonst entnehmen.
16
Anzeichen für wahnhaftes Erleben, formale Denkstörungen, krankhaft leistungsgemindertes oder apathisches Verhalten – die als psychopathologische Verhaltensweisen des Beschuldigten festgestellt werden –, lassen sich in den von zielgerichteter und zweckmäßiger Ausführung unter Vermeidung von Entdeckungsrisiken geprägten Einbruchstaten, die zudem zahlreiche planerische Elemente aufweisen, nicht ausmachen. Dies zeigt sich in der jeweiligen situationsangepassten und sachgerechten Zutrittsweise zu den Diebstahlsobjekten. Auch wählte der Beschuldigte für die Tatbegehung in den Fällen 2.a. und d. jeweils die Nachtzeit, im Fall 2.d. führte er eine Taschenlampe mit, deren Gebrauch nahe liegt, um nachts in fremden Wohnungen unbemerkt nach werthaltigen Gegenständen suchen zu können. Im Fall 2.c. richtete er den Keller nach seinem Eindringen so wieder her, dass die beschädigte Türverkleidung zunächst nicht auffiel, und wählte den regulären Ausgang über die Tür, für die er den Schlüssel mitführte. Angesichts dieser Tatbilder vermag auch der Umstand , dass der Beschuldigte wenige Tage vor den Taten in einer psychiatrischen Klinik als psychotisch beschrieben worden ist, nicht den Schluss auf eine psychotische Beeinflussung der Taten zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2017 – 1 StR 63/17), zumal da diese Einschätzung durch das spätere Verhalten der Klinik an Bedeutung verliert.
17
Dass die Tatbegehungen in seiner krankheitsbedingten Persönlichkeitsveränderung wurzeln, erschließt sich ebenfalls nicht. Als imponierende Persönlichkeitszüge werden dargestellt eine feindliche Wahrnehmung der Umwelt, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, weitschweifige und sprunghafte Erzählweise ; wie solche Verhaltensweisen sich auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten bei der Begehung der Taten ausgewirkt haben sollen, bleibt unerörtert. Dies gilt auch für die schon nicht mit konkreten Verhaltensweisen des Beschuldigten unterlegte Impulskontrollstörung. Dass diese Ursache für die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit gewesen sein soll, hätte angesichts der Nutzung der Nachtzeit für die entdeckungsgeneigten Taten in den Fällen 2.a. und d., der zweckmäßigen Ausrüstung und der Konzentration auf werthaltige Gegenstände bei allen Taten, konkretisierender Darlegung bedurft. Hinzu tritt, dass sich das Landgericht davon überzeugt hat, dass der Beschuldigte die Taten beging, um sich aus den Erlösen eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen, was auch das Motiv nachvollziehbar und ohne Zusammenhang zur diagnostizierten Störung erscheinen lässt.
18
Die von der Strafkammer mitgeteilte Einschätzung des Sachverständigen , im Fall 2.c. „könne das Loch in der Wand vom Beschuldigten wahnhaft interpretiert worden sein“ und im Fall 2.d. könne „der Wahn sich aus der“ später fallen gelassenen „Schilderung“ des Beschuldigten gegenüber den Polizeibe- amten ergeben, der Geschädigte Kö. habe ihn entführt oder ihn mit dem Brotmesser angegriffen, „falls es sich hierbei nicht um Rechtfertigungsversuche handele“, bleibt spekulativ und vermag eine Beeinflussungdieser Taten durch die psychotische Erkrankung des Beschuldigten ebenso wenig tragfähig zu belegen.
19
Über die Maßregelanordnung muss deshalb umfassend neu verhandelt und entschieden werden.
20
3. Die rechtsfehlerhafte Einziehungsentscheidung (vgl. § 413 StPO) wird ohnehin von der Aufhebung miterfasst.
Raum Jäger Bellay
Cirener Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 80/16
vom
27. April 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:270416B2STR80.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. April 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 16. November 2015 mit den Feststellungen aufgehoben ; die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts trat der an einer paranoiden Schizophrenie leidende Angeklagte in der Zeit vom 5. Oktober 2014 bis 10. Januar 2015 wie folgt in Erscheinung: Weil er Hunger und Durst hatte, bestellte er in einem Restaurant Essen und Trinken, obwohl er nicht über ausreichende Barmittel verfügte (Fall 1); darüber hinaus entwendete er eine Spendenkasse , die in einer Apotheke aufgestellt war (Fall 2), sowie ein Paket Wurst und Fleisch aus dem Einkaufsbeutel einer Passantin (Fall 4). In drei Fällen drang der Angeklagte in die Wohnung eines Nachbarn ein, um sich dort mit einem Verlängerungskabel Strom zu verschaffen, weil die Stromzufuhr in seiner eigenen Wohnung gesperrt war (Fälle 5, 6 und 8). In einem weiteren Fall drang er in die Wohnung eines ihm Unbekannten ein, um dort zu übernachten. Weil ihm dies versagt wurde, zerschlug er eine Tasse (Fall 3). In zwei Fällen verschaffte sich der Angeklagte Zutritt zu einer Klinik, um sich Medikamente bzw. Vitaminaufbaupräparate zu verschaffen, wobei er einmal den Wachtdienst täuschte (er sei „under cover“ unterwegs) und ein anderes Mal durch das Fens- ter in das Gebäude kletterte (Fälle 7 und 11). Der Angeklagte wurde schließlich bei dem Versuch, in einem Supermarkt Batterien zu entwenden, festgehalten. Dem Polizeibeamten, dem er übergeben wurde, ergriff er am Arm und stieß ihn weg, weil er sich nicht durchsuchen lassen wollte (Fall 9 und 10).
3
Das sachverständig beratene Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte in allen Fällen ohne Schuld gehandelt habe. Aufgrund seiner schwerwiegenden Erkrankung sei sicher von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit zu den Tatzeitpunkten auszugehen. Nicht ausschließbar sei die Steuerungsfähigkeit im gesamten Tatzeitraum auch aufgehoben gewesen. Zwar wiesen die Umstände der Tatbegehung nicht in allen Fällen auf eine akute psychotische Phase hin. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs der Taten sei es jedoch nicht möglich, die Schuldfähigkeit des Angeklagten von Tat zu Tat differenziert zu beurteilen, weshalb zu seinen Gunsten davon auszugehen sei, dass er sich im gesamten Tatzeitraum in einer psychotischen Krankheitsphase befunden habe.

II.

4
1. Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt. Das Landgericht hat schon nicht hinreichend dargelegt, dass der Angeklagte bei Begehung der Anlasstaten sicher erheblich vermindert schuldfähig im Sinne des § 21 StGB war.
5
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie setzt zunächst voraus, dass zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. Hierfür muss vom Tatrichter im Einzelnen dargelegt werden, wie sich die festgestellte, einem Merkmal von §§ 20, 21 StGB unterfallende Erkrankung in der konkreten Tatsituation auf die Einsichtsoder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstat auf den entsprechenden psychischen Zustand zurückzuführen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76 mwN).
6
Wenn sich der Tatrichter – wie hier – darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2014 - 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306 mwN). Dies gilt auch in Fällen paranoider Schizophrenie. Allein die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 24. April 2012 - 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 17. Juni 2014 - 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306 mwN). Erforderlich ist vielmehr die Feststellung eines akuten Schubs der Erkrankung sowie die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der jeweiligen Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (Senat, Beschluss vom 29. Mai 2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; Beschluss vom 27. Januar 2016 - 2 StR 314/15).
7
b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es fehlt eine nähere Darlegung des Einflusses des diagnostizierten Störungsbildes auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in den jeweils konkreten Tatsituationen. Die Strafkammer schließt sich insoweit lediglich der Beurteilung des Sachverständigen an, ohne dessen dafür wesentlichen Anknüpfungs- und Befundtatsachen im Urteil so wiederzugeben, wie es zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - 5 StR 123/10 mwN). Die Annahme, dass es sich bei der Erkrankung des Angeklagten um einen „überdauernden Zustand“ handele und nicht – wie es sonst bei paranoiden Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis regelmäßig der Fall ist – um eine nur schubweise auftretende Erkrankung, ist ebenso wenig durch Tatsachen belegt, wie eine in subakuten Zuständen möglicherweise überdauernd bestehende erheblich vermin- derte Steuerungsfähigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2016 – 2 StR 545/15; Müller-Isberner/Eusterschulte in Venzlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer , Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl., S. 227, 236).
8
Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergeben sich insoweit keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die festgestellten Taten des Angeklagten weisen - wovon auch das Landgericht ausgegangen ist - nur teilweise besondere Umstände auf, die auf einen akuten Krankheitsschub hindeuten können. Auch soweit das Landgericht an anderer Stelle ausgeführt hat, die Ta- ten seien auf „krankheitsbedingte Fehlwahrnehmungen“ des Angeklagten zurückzuführen , der sich zur „Befriedigung seiner Grundbedürfnisse“ (Nahrung, Strom, Arzneimittel) „zu Diebstahlshandlungen gerechtfertigt“ sehe, wird der spezifische Zusammenhang zwischen der Erkrankung und den einzelnen Taten nicht hinreichend belegt. Denn ungeachtet dessen, dass diese Erwägung eher auf einen Ausschluss der Unrechtseinsicht hinweist, erscheint das Handeln des Angeklagten zum Zwecke der Bedürfnisbefriedigung auch ohne Fehlwahrnehmung rational nachvollziehbar.
9
2. Die Sache bedarf deshalb im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat war durch den Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, nicht gehindert, auch den Freispruch aufzuheben (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 14. September 2010 - 5 StR 229/10, StraFo 2011, 55 mwN). Von der Aufhebung nicht betroffen sind jedoch die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, die deshalb bestehen bleiben. Die diesen Feststellungen zugrundeliegende Beweiswürdigung weist keinen Rechtsfehler auf (§ 353 Abs. 2 StPO). Insoweit war die Revision zu verwerfen. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen. Fischer RiBGH Dr. Appl ist Eschelbach an der Unterschrift gehindert. Fischer Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 385/17
vom
19. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:190917B5STR385.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. September 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. April 2017 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in drei Fällen, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung sowie wegen versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte an einer undifferenzierten Schizophrenie. Auch um die aufgrund seiner Erkrankung auftretenden, sein Verhalten kommentierenden Stimmen zu dämpfen, konsumierte er verstärkt Alkohol. In diesen Phasen trieb es ihn aus seiner Wohnung und er streifte ziellos durch die Stadt. Während er unterwegs war, hielt er Ausschau nach jüngeren Frauen in eng anliegenden Hosen. Er fühlte sich in besonderem Maße vom weiblichen Gesäß angezogen und suchte nach Gelegenheiten, um unter Ausnutzung des Überraschungsmoments und unter Anwendung von Gewalt junge Frauen zu bedrängen und an Gesäß und Geschlechtsteil zu berühren. Von März bis August 2016 beging er die abgeurteilten sexuellen Übergriffe auf Frauen, auf die er angesichts ihrer Kleidung bei seinen Streifzügen in der Tram oder auf der Straße aufmerksam geworden war und die er jeweils bis in die von ihnen bewohnten Mehrfamilienhäuser verfolgt hatte. Vor und während der Tat vernahm der Angeklagte keine Stimmen; erst nach den Taten kommentierten die Stimmen sein Vorgehen und machten ihm deswegen Vorwürfe.
3
Das sachverständig beratene Landgericht geht davon aus, dass der Angeklagte bei der Begehung sämtlicher Taten aufgrund der bei ihm bestehenden psychischen Erkrankung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war. Das schizophrene Leiden des Angeklagten sei unter anderem gekennzeichnet durch Wahnsymptome, Sinnestäuschungen, Ich-Täuschungen und eine „Negativsymptomatik“. Letztere sei geprägt durch die bei dem Angeklagten zu beobachtende affektive Verflachung bzw. Abstumpfung, fehlende Empathie, sozialen Rückzug, Gleichgültigkeit gegenüber dem eigenen Leben und fehlende Zielgerichtetheit im Hinblick auf den eigenen Lebensentwurf. Der Angeklagte könne seine sexuellen Bedürfnisse nicht ausleben, da für ihn aufgrund seiner Erkrankung nicht die Möglichkeit bestehe, auf Frauen zuzugehen. Die bestehende „Negativsymptomatik“ führe dazu, dass der Angeklagte nur einge- schränkt dazu in der Lage sei, seiner „Triebdurchbrüchigkeit“ gegenzusteuern. Dabei trage auch der Alkoholkonsum vor den Taten dazu bei, die Hemmschwel- le des Angeklagten weiter herabzusetzen, so dass er seinen Wünschen nachgehen könne (UA S. 16 f.). Es stehe zu befürchten, dass der Angeklagte aufgrund seiner Grunderkrankung weiterhin Taten wie die in Rede stehenden begehen werde, wenn die Erkrankung unbehandelt bleibe.
4
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hält einer sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand.
5
Die Anordnung nach § 63 StGB bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung , weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt. Den danach zu erhebenden Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
6
Der von der Strafkammer angenommene symptomatische Zusammenhang zwischen der Schizophrenie des Angeklagten und den von ihm begangenen Straftaten ist nicht tragfähig begründet. Es wird nicht hinreichend dargelegt, weshalb aus der Krankheit des Angeklagten eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit bei den vorgeworfenen Taten resultieren soll. Die nach den Urteilsgründen die Negativsymptomatik prägenden Krankheitszeichen belegen eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht ohne Weiteres. Die psychischen Mechanismen, die dazu führen, dass der Angeklagte – entsprechend der vom Landgericht geteilten Auffassung des Sachverständigen – nur eingeschränkt dazu in der Lage ist, „seiner Triebdurchbrüchigkeit etwas entgegenzusetzen und gegenzusteuern“, werden nicht konkret und in nachvollziehba- rer Weise dargelegt.
7
Hinzu kommt, dass die vom Landgericht im Rahmen der Strafzumessung und in Bezug auf eine mögliche Unterbringung nach § 64 StGB angestellten Erwägungen in einem Spannungsverhältnis zur Annahme einer „Triebdurchbrüchigkeit“ beim Angeklagten stehen. Danach hat der Angeklagte die Taten nicht spontan begangen und ist nicht einem Impuls zum „Zugreifen“ gefolgt, sondern hat jeweils schon mit dem Entschluss die Wohnung verlassen, bei sich bietender Gelegenheit gewaltsam gegen ihn sexuell ansprechende Frauen vorzugehen. Zu diesem Zweck hat er die späteren Opfer ausgewählt, beobachtet und verfolgt, um die Tat dann schließlich in einem aus seiner Sicht geeigneten Augenblick durchzuführen. „Sein Vorgehen war gut durchdacht und nicht als ,Kurzschlusshandlung‘ zu beurteilen“ (UA S. 18). Auch den Suchtmittelkonsum setzt er zumindest teilweise instrumentell ein, denn er sollte ihm dazu dienen, „die fehlende Eigeninitiative und Gehemmtheit durch den Gebrauch stimulie- render Substanzen zu kompensieren“ (UA S. 21).
8
3. Über den Maßregelausspruch muss deshalb nochmals entschieden werden. Dies hat unter den hier gegebenen Umständen die Aufhebung auch des Strafausspruchs zur Folge, da über die Voraussetzungen des § 21 StGB insgesamt neu befunden werden muss. Der Schuldspruch wird hiervon nicht berührt. Der Senat schließt aus, dass eine erneute Verhandlung zur Feststellung der Schuldunfähigkeit des Angeklagten führen wird.
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.