Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juli 2014 - 1 StR 240/14

bei uns veröffentlicht am08.07.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 4 0 / 1 4
vom
8. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2014 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 206a StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 8. November 2013 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahingehend geändert , dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in 59 Fällen schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 60 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Verfahren ist wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen, soweit der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verurteilt worden ist. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat, ist insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten.
3
Der Angeklagte ist seiner Pflicht, für die ohne deutsche Steuerzeichen in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland verbrachten Zigaretten unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben (vgl. § 19 Satz 3 TabStG aF; § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG), nicht nachgekommen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Da in solchen Fällen mangels kontinuierlichen abschnittsbezogenen Veranlagungsverfahrens kein allgemeiner Veranlagungsschluss festgestellt werden kann und § 168 AO - anders als bei Steueranmeldungen (vgl. § 150 Abs. 1 Satz 3 AO) - nicht eingreift, ist für die Tatvollendung derjenige Zeitpunkt maßgeblich, zu dem bei rechtzeitiger Abgabe einer Steuererklärung mit der Bekanntgabe einer Steuerfestsetzung zu rechnen gewesen wäre (vgl. zur Hinterziehung von Schenkungsteuer BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 - 1 StR 631/10, Rn. 41, wistra 2011, 428). Tatbeendigung tritt bei Verstößen gegen § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG bzw. § 19 Satz 3 TabStG aF nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs demgegenüber erst dann ein, wenn die Tabakwaren die "gefährliche" Phase des Grenzübertritts passiert haben und der Verbringer oder Versender sein Unternehmen insgesamt erfolgreich abgeschlossen hat. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die Tabakwaren ihren Bestimmungsort erreicht haben und dort "zur Ruhe gekommen" sind (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 - 1 StR 635/09, wistra 2010, 226 mwN).
4
Ausgehend von diesen Maßstäben ist angesichts des für den Monat Februar 2008 nicht sicher feststehenden Lieferzeitpunkts der Zigaretten zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass die Tat im Fall 1 der Urteilsgründe bereits in den ersten Tagen des Februar 2008 beendet war (zur Anwendung des Zweifelsatzes auf für die Verjährung bedeutsame Tatsachen vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Juni 2006 - 1 StR 224/06, StraFo 2006, 408 und vom 31. August 1987 - 4 StR 435/87, BGHR StGB § 78 Abs. 3 Fristablauf 1). Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB konnte daher im Fall 1 durch den Erlass eines Haftbefehls sowie von Durchsuchungsbeschlüssen am 13. Februar 2013 nicht mehr unterbrochen werden. Die Voraussetzungen einer zehnjährigen Verjährungsfrist gemäß § 376 Abs. 1 AO lagen nicht vor.
5
2. Die Schuldsprüche in den Fällen 2 bis 60 der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO sind nicht zu beanstanden.
6
3. Die Einzelstrafaussprüche in diesen Fällen haben trotz unvollständiger Feststellungen zu den Besteuerungsgrundlagen der Tabaksteuer sowie unzureichender Darstellung der Berechnung der verkürzten Tabaksteuer Bestand.
7
Zwar fehlt es mit Ausnahme der Monate Januar und Juli 2012 sowie Februar 2013 an den für die Berechnung der Tabaksteuer gemäß § 4 TabStG aF bzw. § 2 TabStG erforderlichen Feststellungen zum jeweiligen Kleinverkaufspreis der betreffenden Zigaretten. Zudem wird das Urteil den Anforderungen an die Darstellung der Berechnung der verkürzten Tabaksteuer nicht in vollem Umfang gerecht. Die auf den festgestellten Besteuerungsgrundlagen aufbauende Steuerberechnung ist Rechtsanwendung und daher Aufgabe des Tatgerichts. Das Tatgericht ist zwar nicht gehindert, sich Steuerberechnungen von Beamten der Finanzverwaltung anzuschließen, die auf den festgestellten Besteuerungsgrundlagen aufbauen. Allerdings muss im Urteil zweifelsfrei erkennbar sein, dass das Tatgericht eine eigenständige - weil ihm als Rechtsanwendung obliegende - Steuerberechnung durchgeführt hat (vgl. BGH, Be- schluss vom 25. März 2010 - 1 StR 52/10, NStZ-RR 2010, 207 mwN). Dies gilt auch dann, wenn der Angeklagte keine Einwände gegen die von den Finanzbehörden vorgenommene Schadensberechnung erhoben hat. Daran fehlt es hier. Die Urteilsgründe ermöglichen es dem Revisionsgericht mit Ausnahme der exemplarisch dargestellten Berechnungen für die Monate Januar und Juli 2012 sowie Februar 2013 nicht, die Berechnung der von dem Angeklagten hinterzogenen Tabaksteuern nachzuvollziehen.
8
Der Senat schließt jedoch angesichts der vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift aufgezeigten nur geringfügigen Abweichung der vom Tatgericht der Strafzumessung zugrunde gelegten verkürzten Tabaksteuer von der niedrigsten rechnerisch möglichen Tabaksteuer (zur Berechnung vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 2010 - 1 StR 52/10, NStZ-RR 2010, 207) aus, dass sich dies auf die festgesetzten Einzelstrafen ausgewirkt hat.
9
4. Die Teileinstellung des Verfahrens führt zum Wegfall der im Fall 1 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe von sieben Monaten. Der Gesamtstrafausspruch bleibt hiervon unberührt, da der Senat angesichts der verbleibenden Einzelstrafen ausschließt, dass das Landgericht ohne die entfallende Einzelstrafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
Raum Graf Jäger
Radtke Mosbacher

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Abgabenordnung - AO 1977 | § 370 Steuerhinterziehung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

Strafgesetzbuch - StGB | § 78 Verjährungsfrist


(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht. (3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjäh

Strafprozeßordnung - StPO | § 111i Insolvenzverfahren


(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an de

Abgabenordnung - AO 1977 | § 168 Wirkung einer Steueranmeldung


Eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt Satz 1 erst, wenn die Finanzbehörde z

Strafprozeßordnung - StPO | § 206a Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis


(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 150 Form und Inhalt der Steuererklärungen


(1) Eine Steuererklärung ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, wenn1.keine elektronische Steuererklärung vorgeschrieben ist,2.nicht freiwillig eine gesetzlich oder amtlich zugelassene elektronische Steuererklärung abgegeben wird,3.kei

Tabaksteuergesetz - TabStG 2009 | § 23 Lieferung zu gewerblichen Zwecken


(1) Im Sinn dieses Abschnitts werden Tabakwaren zu gewerblichen Zwecken geliefert, wenn sie1.aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaats in einen anderen Mitgliedstaat befördert werden und2.an eine Person geliefert werden, die keine P

Abgabenordnung - AO 1977 | § 376 Verfolgungsverjährung


(1) In den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist 15 Jahre; § 78b Absatz 4 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. (2) Die Verjährung der Verfolgung einer Steu

Tabaksteuergesetz - TabStG 2009 | § 2 Steuertarif


(1) Die Steuer beträgt:1.für Zigarettena)vorbehaltlich der Buchstaben b bis e 12,28 Cent je Stück und 19,84 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch den Betrag, der sich aus Absatz 2 ergibt;b)für den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31.

Tabaksteuergesetz - TabStG 2009 | § 4 Sonstige Begriffsbestimmungen


Im Sinn dieses Gesetzes ist oder sind1.Systemrichtlinie: die Richtlinie (EU) 2020/262 des Rates vom 19. Dezember 2019 zur Festlegung des allgemeinen Verbrauchsteuersystems (Neufassung) (ABl. L 58 vom 27.2.2020, S. 4) in der jeweils geltenden Fassung;

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(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

Eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt Satz 1 erst, wenn die Finanzbehörde zustimmt. Die Zustimmung bedarf keiner Form.

(1) Eine Steuererklärung ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, wenn

1.
keine elektronische Steuererklärung vorgeschrieben ist,
2.
nicht freiwillig eine gesetzlich oder amtlich zugelassene elektronische Steuererklärung abgegeben wird,
3.
keine mündliche oder konkludente Steuererklärung zugelassen ist und
4.
eine Aufnahme der Steuererklärung an Amtsstelle nach § 151 nicht in Betracht kommt.
§ 87a Absatz 1 Satz 1 ist nur anzuwenden, soweit eine elektronische Steuererklärung vorgeschrieben oder zugelassen ist. Der Steuerpflichtige hat in der Steuererklärung die Steuer selbst zu berechnen, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist (Steueranmeldung).

(2) Die Angaben in den Steuererklärungen sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen.

(3) Ordnen die Steuergesetze an, dass der Steuerpflichtige die Steuererklärung eigenhändig zu unterschreiben hat, so ist die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten nur dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift gehindert ist. Die eigenhändige Unterschrift kann nachträglich verlangt werden, wenn der Hinderungsgrund weggefallen ist.

(4) Den Steuererklärungen müssen die Unterlagen beigefügt werden, die nach den Steuergesetzen vorzulegen sind. Dritte Personen sind verpflichtet, hierfür erforderliche Bescheinigungen auszustellen.

(5) In die Steuererklärungsformulare können auch Fragen aufgenommen werden, die zur Ergänzung der Besteuerungsunterlagen für Zwecke einer Statistik nach dem Gesetz über Steuerstatistiken erforderlich sind. Die Finanzbehörden können ferner von Steuerpflichtigen Auskünfte verlangen, die für die Durchführung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes erforderlich sind. Die Finanzbehörden haben bei der Überprüfung der Angaben dieselben Befugnisse wie bei der Aufklärung der für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse.

(6) Zur Erleichterung und Vereinfachung des automatisierten Besteuerungsverfahrens kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen Steuererklärungen oder sonstige für das Besteuerungsverfahren erforderliche Daten ganz oder teilweise durch Datenfernübertragung oder auf maschinell verwertbaren Datenträgern übermittelt werden können. In der Rechtsverordnung können von den §§ 72a und 87b bis 87d abweichende Regelungen getroffen werden. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betroffen sind.

(7) Können Steuererklärungen, die nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abgegeben oder nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelt werden, nach § 155 Absatz 4 Satz 1 zu einer ausschließlich automationsgestützten Steuerfestsetzung führen, ist es dem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, Angaben, die nach seiner Auffassung Anlass für eine Bearbeitung durch Amtsträger sind, in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung zu machen. Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, gelten als Angaben des Steuerpflichtigen, soweit sie in den Steuererklärungsformularen als eDaten gekennzeichnet sind oder bei nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelten Steuererklärungen für den Belegabruf bereitgestellt werden und er nicht in einem dafür vorzusehenden Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung abweichende Angaben macht.

(8) Ordnen die Steuergesetze an, dass die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten kann, ist einem solchen Antrag zu entsprechen, wenn eine Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen.

41
a) Der Lauf der Verjährungsfrist begann jeweils mit der Beendigung der Unterlassungstaten (§ 78a Satz 1 StGB). Da es sich bei der Schenkungsteuer um eine Veranlagungssteuer handelt, ist die Hinterziehung zu dem Zeitpunkt beendet, zu dem die Veranlagung spätestens stattgefunden hätte, wenn der Angeklagte seiner Anzeigepflicht gemäß § 30 Abs. 1 ErbStG rechtzeitig nachgekommen wäre (vgl. Jäger in Klein, Abgabenordnung, 10. Aufl., § 370 Rn. 201). Da - anders als bei anderen Veranlagungssteuern - für die Schenkungsteuer mangels kontinuierlichem abschnittsbezogenem Veranlagungsverfahren kein allgemeiner Veranlagungsschluss festgestellt werden kann, ist für den Verjährungsbeginn maßgeblich, wann die Veranlagung der Schenkungsteuer dem Steuerpflichtigen bei rechtzeitiger Anzeige der Schenkung frühestens bekanntgegeben worden wäre (vgl. Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts - und Steuerstrafrecht, 1. Aufl. 2011, § 376 AO Rn. 48, § 370 AO Rn. 487 mwN; Wulf in MüKo-StGB § 376 AO Rn. 36). Die Bearbeitungsdauer bei den Finanzbehörden ist bei dieser fiktiven Steuerfestsetzung mit einem Monat anzusetzen, denn das Finanzamt könnte gemäß § 31 Abs. 1 und Abs. 7 ErbStG die Abgabe einer Steuererklärung binnen eines Monats verlangen, in welcher der Steuerpflichtige die Steuer selbst zu berechnen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 635/09
vom
2. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Februar
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 9. Juli 2009
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass in den Fällen 1, 2, 3, 4, 6 und 7 der Urteilsgründe die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung entfällt, insoweit wird die Angeklagte freigesprochen;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass die nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe gemäß §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei und wegen Steuerhinterziehung in jeweils sechs Fällen sowie wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Steuerhehlerei und zur Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ihre auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision hat in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des Urteils erwarb die Angeklagte zwischen März 2007 und Juni 2007 in sechs Fällen von dem gesondert verfolgten W. bzw. von anderen Personen, die einer Tätergruppierung um W. angehören, in einer Lagerhalle in H. Zigaretten der Marke "Jin Ling".
3
Die Zigaretten waren zuvor zunächst aus Russland und der Ukraine unter Verstoß gegen die Gestellungspflicht gemäß Art. 40 Zollkodex von anderen Personen nach Polen verbracht und dort zur Vorbereitung des Weitertransportes gelagert worden. Im Anschluss daran wurden sie von Mitgliedern der Tätergruppierung um W. übernommen und entgegen § 12 Abs. 1 TabStG ohne deutsche Steuerzeichen in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland verbracht. Die Verbringer der Zigaretten gaben dabei in Deutschland nicht gemäß § 19 Satz 3 TabStG unverzüglich eine Steuererklärung ab. Die Zigaretten wurden in der vorgenannten Lagerhalle, die allein von W. genutzt und verwaltet wurde und zu der keine anderen, außerhalb der Tätergruppierung stehenden Personen Zutritt hatten, bis zum Weiterverkauf der Zigaretten durch W. oder andere Personen, die der Tätergruppierung angehörten, gelagert.
4
Neben dem Erwerb von Zigaretten unterstützte die Angeklagte in einem Fall W. bei der Anlieferung von Zigaretten in einem Zwischenla- ger, indem sie auf dessen Bitte die Umgebung beobachtete und verdächtige Ereignisse über Mobiltelefon mitteilte.

II.

5
1. Die Sachrüge bleibt erfolglos, soweit die Angeklagte in den Fällen 1 bis 4, 6 und 7 wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei verurteilt wurde, sowie im Fall 5 der Urteilsgründe insgesamt. All dies hat der Generalbundesanwalt, auch schon in seinem Antrag vom 7. Dezember 2009, zutreffend ausgeführt. Hierauf nimmt der Senat Bezug.
6
2. Dagegen kann der Schuldspruch wegen (jeweils tatmehrheitlich begangener ) Steuerhinterziehung in den Fällen 1 bis 4, 6 und 7 keinen Bestand haben. In diesen Fällen war die Angeklagte nicht verpflichtet gemäß § 19 Satz 3 TabStG unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben, da sie - unbeschadet ihrer Haftung gemäß § 71 AO - nicht Steuerschuldner i.S.v. § 19 Satz 2 TabStG war. Daher hat sie den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht erfüllt.
7
a) Nach § 19 Satz 1 TabStG entsteht die Tabaksteuer, wenn - wie hier - Tabakwaren unzulässigerweise entgegen § 12 Abs. 1 TabStG aus dem freien Verkehr anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 1 TabStG) verbracht oder versandt werden, mit dem Verbringen oder Versenden in das Steuergebiet. Steuerschuldner ist, wer verbringt oder versendet und der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat. Allein diese Steuerschuldner sind nach § 19 Satz 3 TabStG verpflichtet, unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben.
8
b) Die Angeklagte war weder Verbringer noch Versender. Entgegen der Auffassung des Landgerichts war sie auch nicht Empfängerin der vorschrifts- widrig in das Steuergebiet verbrachten Tabakwaren i.S.v. § 19 Satz 2 TabStG. Gemäß § 19 Satz 1 TabStG knüpft das Entstehen der Tabaksteuerschuld an das Verbringen oder Versenden der Tabakwaren aus einem anderen Mitgliedstaat in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland an. Aus dem Wortlaut und der Systematik der Vorschrift ergibt sich, dass als weiterer Steuerschuldner neben dem Verbringer und dem Versender allein derjenige "Empfänger" der Ware in Betracht kommt, der im Rahmen des Verbringungs- bzw. Versendungsvorgangs selbst den Besitz an den Tabakwaren erlangt. Dies bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls.
9
Empfänger im Sinne dieser Vorschrift kann aber nicht mehr sein, wer den Besitz an den Tabakwaren erst dann erlangt, wenn der Verbringungs- bzw. Versendungsvorgang bereits beendet ist. Beendigung in diesem Sinne ist - ebenso wie z.B. bei der Einfuhr i.S.v. § 21 Satz 1 TabStG - dann gegeben, wenn die Tabakwaren in Sicherheit gebracht und "zur Ruhe gekommen" sind (vgl. insoweit für Fälle der Einfuhr BGHSt 3, 40, 44; BGH wistra 2007, 262; 2000, 425). Dies ist auch beim Verbringen oder Versenden i.S.v. § 19 Satz 1 TabStG erst dann der Fall, wenn die Tabakwaren die "gefährliche" Phase des Grenzübertritts passiert haben und der Verbringer bzw. Versender sein Unternehmen insgesamt erfolgreich abgeschlossen hat (vgl. BGH aaO). In der Regel wird das Verbringen oder Versenden erst dann beendet sein, wenn die Tabakwaren ihren Bestimmungsort erreicht haben (vgl. auch BGH NStZ 2007, 590, 592; wistra 2000, 425).
10
c) Nach diesen Grundsätzen kommen in den vorliegenden Fällen als Empfänger allein der gesondert verfolgte W. und die Personen, die seiner Tätergruppierung angehören, in Betracht. Denn diese Personen nahmen die Zigaretten in der Lagerhalle in Empfang, wodurch die Zigaretten bestimmungsgemäß zur Ruhe kamen. Der sich anschließende Weiterverkauf der Zigaretten an die Angeklagte war nicht mehr Teil des Verbringungsvorgangs.
11
War die Angeklagte aber nicht Empfängerin der Zigaretten, geht der konkurrenzrechtliche Hinweis der Strafkammer auf den anders gelagerten Fall, der dem Beschluss des Senats vom 28. August 2008 (1 StR 443/08 = wistra 2008, 470) zu Grunde lag, ins Leere.
12
3. Im Hinblick darauf, dass das Landgericht zwischen der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei und der von ihm zu Unrecht angenommenen Steuerhinterziehung jeweils Tatmehrheit angenommen hat, lässt der Senat nicht lediglich den fehlerhaften Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung entfallen, sondern spricht zur Klarstellung die Angeklagte teilweise - nämlich vom Vorwurf der Steuerhinterziehung - frei.
13
4. Der Wegfall der Schuldsprüche wegen Steuerhinterziehung führt zugleich zum Entfallen der hierfür jeweils verhängten Einzelstrafen (zwischen sechs und zehn Monaten) und zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Die Auffassung , dass darüber hinaus zugleich die in den Fällen 1 bis 4, 6 und 7 wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei verhängten Einzelstrafen (jeweils sechs Monate Freiheitsstrafe) aufzuheben seien, um bei insgesamt im Tatgeschehen gleich bleibendem Gesamtschuldgehalt für die einzelnen Taten höhere Einzelstrafen zu ermöglichen, teilt der Senat nicht.
14
a) Anhaltspunkte dafür, dass die Einzelstrafen für die Fälle der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei zum Nachteil der Angeklagten von der fehlerhaften Verurteilung wegen Steuerhinterziehung beeinflusst worden sein könnten, bestehen nicht.
15
b) Der Senat ist auch nicht der Ansicht, dass diese Einzelstrafen deshalb aufzuheben seien, weil sie - vergleichbar Fällen einer Schuldspruchänderung wegen abweichender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses bei gleich bleibendem Schuldumfang (z.B. in Fällen sog. Bewertungseinheit vor allem bei Rauschgifthandel, vgl. BGH NStZ 1996, 93; NStZ-RR 1999, 218; vgl. auch die Nachw. b. Kuckein in KK 6. Aufl. § 358 Rdn. 30) - unbeschadet § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO bis zur Summe der jeweiligen Einzelstrafen erhöht werden könnten.
16
Eine solche Fallgestaltung liegt hier nach Auffassung des Senats nicht vor. Es geht hier nicht nur um eine Änderung der Konkurrenzverhältnisse. Da die Angeklagte in den in Rede stehenden Fällen keine Steuerhinterziehung begangen hat, kann sich auch nicht die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis hinsichtlich der abgeurteilten gewerbsmäßigen Steuerhehlerei und Steuerhinterziehung stellen.
17
Es verbleibt daher bei den auch sonst ohne Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten gebildeten Einzelstrafen wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung in den Fällen 1 bis 4, 6 und 7 sowie wegen Beihilfe zu gewerbsmäßiger Steuerhehlerei und Steuerhinterziehung im Fall 5 der Urteilsgründe.
18
5. Ausgehend von ihrer rechtlichen Würdigung hat die Strafkammer bei der Bemessung der Einzelstrafen wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei die bei der Verbringung der Zigaretten in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland hinterzogene deutsche Tabaksteuer nicht berücksichtigt. Im Rahmen der Gesamtstrafenbildung hat die Strafkammer auch auf den durch die Taten verursachten Gesamtsteuerschaden abgestellt. Hierzu bemerkt der Senat :
19
Bei der gegebenen Sachlage bedarf es hier keiner Entscheidung, ob das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei die in Polen und die in Deutschland verkürzten Verbrauchsteuern auf Tabakwaren der Angeklagten kumulativ hätte zur Last legen dürfen.
20
Für den tatbestandlichen Schuldumfang in den Fällen 1 bis 4, 6 und 7 der Urteilsgründe bestehen gegen die kumulative Heranziehung dieser Abgaben keine Bedenken, weil der Steuerhehlerei gemäß § 374 AO jeweils zwei Vortaten zugrundelagen. Einerseits ist dies die Hinterziehung der bei Einfuhr der Zigaretten nach Polen angefallenen Einfuhrabgaben, nämlich Zoll, polnische Einfuhrumsatzsteuer und polnische Tabaksteuer. Andererseits ist dies die beim dem Verbringen der Zigaretten in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland hinterzogene deutsche Tabaksteuer. Die in Polen verkürzten Abgaben sind auch nicht nachträglich durch das Verbringen der Zigaretten nach Deutschland entfallen.
21
Allerdings ist im Blick zu behalten, dass das gemeinschaftsrechtliche Verbrauchsteuersystem - jedenfalls für den Fall normgemäßen Verhaltens - davon ausgeht, dass verbrauchsteuerpflichtige Waren im Ergebnis grundsätzlich nicht mit den Verbrauchsteuern mehrerer Mitgliedstaaten belastet sein sollen. Das Gemeinschaftsrecht sieht deshalb die Möglichkeit der Erstattung von in anderen Mitgliedstaaten entstandenen und auch erhobenen Verbrauchsteuern vor (vgl. Art. 7 Abs. 6 und Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie Nr. 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren [ABl. EG Nr. L 76/1 - "Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie"] sowie Art. 33 Abs. 6 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG sowie die dortigen Erwägungsgründe Nr. 12, 30 und 31; ABl. EU 2009 Nr. L 9/12).
22
Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, in zukünftigen, dem vorliegenden Fall vergleichbaren Fällen der Steuerhehlerei oder Steuerhinterziehung die Strafverfolgung hinsichtlich der verkürzten Abgaben gemäß §§ 154, 154a StPO auf die bei der Einfuhr in einen anderen Mitgliedstaat hinterzogenen Einfuhrabgaben Zoll und Einfuhrumsatzsteuer sowie die bei dem Verbringen in das deutsche Verbrauchsteuergebiet hinterzogene deutsche Tabaksteuer zu beschränken. Es bedarf dann auch nicht der sonst erforderlichen Feststellung und Anwendung der tabaksteuerrechtlichen Vorschriften anderer Mitgliedstaaten sowie der zuweilen schwierigen Berechnung und Darstellung der in anderen Mitgliedstaaten hinterzogenen Tabaksteuer (vgl. insoweit BGH NStZ 2007, 595; siehe auch Jäger NStZ 2008, 21, 24).
23
6. Der Senat verweist die Festsetzung der allein noch zu bildenden neuen Gesamtstrafe gemäß § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO in das Beschlussverfahren nach den §§ 460, 462 StPO. Somit obliegt die Bildung der Gesamtstrafe dem gemäß § 462a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (auch) zulässig, wenn - wie hier - eine neue Gesamtstrafe wegen eines im Revisionsverfahren erfolgten Teilfreispruchs gebildet werden muss (vgl. BGH, Beschl. vom 10. Oktober 2006 - 1 StR 377/06). Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 224/06
vom
27. Juni 2006
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juni 2006 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 20. Januar 2006
a) im Schuldspruch aufgehoben; die Feststellungen bleiben aufrechterhalten mit Ausnahme der Feststellungen zur Tatzeit,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten sowie die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

I.

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in drei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Soweit dem Angeklagten in der Anklage 197 weitere Fälle zur Last gelegt worden waren, konnte das Landgericht keine weiteren Feststellungen treffen, weshalb der Angeklagte insoweit freigesprochen wurde.
2
2. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf zwei Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Schuldspruchs und des Strafausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet.

II.

3
1. Die Verfahrensrügen, mit denen der Angeklagte eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO sowie die Ablehnung einer hilfsweise beantragten Vernehmung eines gynäkologischen Sachverständigen rügt, sind aus den Gründen, die der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift angeführt hat, unbegründet.
4
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt zur Aufhebung des Schuldspruchs; im Übrigen hat sie keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
5
Die Strafkammer vermochte sich nur davon zu überzeugen, dass der Angeklagte an der Geschädigten insgesamt drei sexuelle Handlungen vorgenommen hat, obgleich die Geschädigte noch zu Beginn der Hauptverhandlung von vier bis fünf sexuellen Übergriffen pro Woche (UA S. 19) und einem Tatzeitraum von Mai 1998 bis September 1999 (UA S. 9 f.) berichtet hatte. Das ist hinzunehmen. Der Senat hebt jedoch den Schuldspruch auf, weil die Strafkammer bisher keine näheren Feststellungen zu den genauen Tatzeitpunkten getroffen hat. Das ist geboten, weil auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen in Betracht kommt, dass der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen verjährt ist. Die Jugendkammer hat als Tatzeitraum "Mai 1998 bis 31.08.1999" ange- nommen. Die im Jahre 2005 zur Anzeige gekommenen Tatvorwürfe gegen den Angeklagten waren hinsichtlich des tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen zu diesem Zeitpunkt nur dann noch nicht verjährt , wenn beim Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3007) am 1. April 2004 die Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) noch nicht abgelaufen war. Somit kommt es vorliegend darauf an, ob eine oder mehrere der Taten, welche der Verurteilung zu Grunde liegen, vor dem 1. April 1999 begangen worden sind.
6
Der Senat kann über die Frage der Verjährung nicht abschließend entscheiden. Ausgehend von ihrem Standpunkt hatte die Strafkammer keinen Anlass , die Tatzeiten näher einzugrenzen. Es erscheint aber möglich, dass die neu zur Entscheidung berufene Kammer die Tatzeitpunkte genauer bestimmen kann, so dass insoweit noch keine Verjährung eingetreten ist. Deshalb hat der Senat die Sache zurückverwiesen mit der Maßgabe, dass die getroffenen Feststellungen aufrechterhalten bleiben mit der Ausnahme der Feststellungen zu den genauen Tatzeitpunkten. Ist eine weitere Aufklärung nicht möglich, wird die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer zu Gunsten des Angeklagten davon ausgehen müssen, dass die Taten vor dem 1. April 1999 begangen worden sein können und damit der jeweils tateinheitliche Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen verjährt ist.
7
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Falls der neue Tatrichter (bei Verjährung der tateinheitlich begangenen Taten des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen) nur noch zu einer Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen kommen sollte, wird darauf hingewiesen, dass auch verjährte Taten, wenn auch mit geringerem Gewicht, bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden können (Senat, Beschluss vom 14. März 2000 - 1 StR 65/00; Beschluss vom 17. März 2006 - 1 StR 577/05; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 20). Nack Wahl Kolz Elf Graf

(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht.

(3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist

1.
dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind,
2.
zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind,
3.
zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind,
4.
fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind,
5.
drei Jahre bei den übrigen Taten.

(4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind.

(1) In den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist 15 Jahre; § 78b Absatz 4 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(2) Die Verjährung der Verfolgung einer Steuerstraftat wird auch dadurch unterbrochen, dass dem Beschuldigten die Einleitung des Bußgeldverfahrens bekannt gegeben oder diese Bekanntgabe angeordnet wird.

(3) Abweichend von § 78c Absatz 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches verjährt in den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung die Verfolgung spätestens, wenn seit dem in § 78a des Strafgesetzbuches bezeichneten Zeitpunkt das Zweieinhalbfache der gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

Im Sinn dieses Gesetzes ist oder sind

1.
Systemrichtlinie: die Richtlinie (EU) 2020/262 des Rates vom 19. Dezember 2019 zur Festlegung des allgemeinen Verbrauchsteuersystems (Neufassung) (ABl. L 58 vom 27.2.2020, S. 4) in der jeweils geltenden Fassung;
2.
Verfahren der Steueraussetzung: steuerliches Verfahren, das auf die Herstellung, die Bearbeitung, die Verarbeitung, die Lagerung in Steuerlagern sowie die Beförderung von Tabakwaren unter Aussetzung der Tabaksteuer anzuwenden ist;
3.
steuerrechtlich freier Verkehr: Verkehr, der Tabakwaren erfasst, die
a)
sich in keinem der folgenden Verfahren befinden:
aa)
in dem Verfahren der Steueraussetzung nach Nummer 2,
bb)
in dem externen Versandverfahren nach Artikel 226 des Unionszollkodex,
cc)
in dem Verfahren der Lagerung nach Titel VII Kapitel 3 des Unionszollkodex,
dd)
in dem Verfahren der vorübergehenden Verwendung nach Artikel 250 des Unionszollkodex,
ee)
in dem Verfahren der aktiven Veredelung nach Artikel 256 des Unionszollkodex und
b)
nicht der zollamtlichen Überwachung nach Artikel 134 des Unionszollkodex oder dem Verfahren der Truppenverwendung nach dem Truppenzollgesetz vom 19. Mai 2009 (BGBl. I S. 1090), das durch Artikel 8 des Gesetzes vom 15. Juli 2009 (BGBl. I S. 1870) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung unterliegen;
4.
Verbrauchsteuergebiet der Europäischen Union: das Gebiet, in dem die Systemrichtlinie gilt;
5.
andere Mitgliedstaaten: das Verbrauchsteuergebiet der Europäischen Union ohne das Steuergebiet;
6.
Drittgebiete: die Gebiete nach Artikel 3 Nummer 4 der Systemrichtlinie;
7.
Drittländer: die Gebiete nach Artikel 3 Nummer 5 der Systemrichtlinie;
8.
Zollgebiet der Union: das Gebiet nach Artikel 4 des Unionszollkodex;
9.
Einfuhr: die Überlassung von Tabakwaren zum zollrechtlich freien Verkehr im Steuergebiet gemäß Artikel 201 des Unionszollkodex; dies gilt sinngemäß für den Eingang von Tabakwaren aus einem der in Artikel 4 Absatz 2 der Systemrichtlinie aufgeführten Gebiete in das Steuergebiet;
10.
unrechtmäßiger Eingang: liegt vor, wenn für Tabakwaren, die nicht gemäß Artikel 201 des Unionszollkodex in den zollrechtlich freien Verkehr überführt worden sind, nach Artikel 79 Absatz 1 des Unionszollkodex im Steuergebiet eine Einfuhrzollschuld entstanden ist oder entstanden wäre, sofern sie zollpflichtig gewesen wären; dies gilt sinngemäß für den Eingang von Tabakwaren aus einem der in Artikel 4 Absatz 2 der Systemrichtlinie aufgeführten Gebiete in das Steuergebiet;
11.
Ort der Einfuhr: der Ort, an dem die Tabakwaren nach Artikel 201 des Unionszollkodex in den zollrechtlich freien Verkehr überführt werden; beim Eingang aus Gebieten des Artikels 4 Absatz 2 der Systemrichtlinie der Ort, an dem die Tabakwaren in sinngemäßer Anwendung von Artikel 139 des Unionszollkodex zu gestellen sind;
12.
Unionszollkodex: die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 29.10.2013, S. 90; L 267 vom 30.9.2016, S. 2), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/632 (ABl. L 111 vom 25.4.2019, S. 54) geändert worden ist, in der am 14. Dezember 2016 geltenden Fassung;
13.
Personen: natürliche und juristische Personen sowie Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit;
14.
Steuerzeichen: deutsche Steuerzeichen.

(1) Die Steuer beträgt:

1.
für Zigaretten
a)
vorbehaltlich der Buchstaben b bis e 12,28 Cent je Stück und 19,84 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch den Betrag, der sich aus Absatz 2 ergibt;
b)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 10,88 Cent je Stück und 19,84 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 22,276 Cent je Stück abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises der zu versteuernden Zigarette;
c)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2024 11,15 Cent je Stück und 19,84 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 22,888 Cent je Stück abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises der zu versteuernden Zigarette;
d)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2025 bis zum 31. Dezember 2025 11,71 Cent je Stück und 19,84 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 24,163 Cent je Stück abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises der zu versteuernden Zigarette;
e)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2026 bis zum 14. Februar 2027 12,28 Cent je Stück und 19,84 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 25,106 Cent je Stück abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises der zu versteuernden Zigarette;
2.
für Zigarren und Zigarillos
a)
vorbehaltlich Buchstabe b 1,4 Cent je Stück und 1,47 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 7,504 Cent je Stück abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises der zu versteuernden Zigarre oder des zu versteuernden Zigarillos;
b)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 1,4 Cent je Stück und 1,47 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 6,632 Cent je Stück abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises der zu versteuernden Zigarre oder des zu versteuernden Zigarillos;
3.
für Feinschnitt
a)
vorbehaltlich der Buchstaben b bis e 61,58 Euro je Kilogramm und 17,40 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch den Betrag, der sich aus Absatz 3 ergibt;
b)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 49,65 Euro je Kilogramm und 16,00 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 102,65 Euro je Kilogramm abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises des zu versteuernden Feinschnitts;
c)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2024 54,39 Euro je Kilogramm und 17,00 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 111,78 Euro je Kilogramm abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises des zu versteuernden Feinschnitts;
d)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2025 bis zum 31. Dezember 2025 57,85 Euro je Kilogramm und 17,20 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 121,51 Euro je Kilogramm abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises des zu versteuernden Feinschnitts;
e)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2026 bis zum 14. Februar 2027 61,58 Euro je Kilogramm und 17,40 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 128,83 Euro je Kilogramm abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises des zu versteuernden Feinschnitts;
4.
für Pfeifentabak
a)
vorbehaltlich Buchstabe b 15,66 Euro je Kilogramm und 13,13 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 26,00 Euro je Kilogramm;
b)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 15,66 Euro je Kilogramm und 13,13 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 24,00 Euro je Kilogramm;
5.
für erhitzten Tabak die Steuer nach Nummer 4 zuzüglich einer Zusatzsteuer, die sich bemisst aus 80 Prozent des Steuerbetrags nach Nummer 1 abzüglich des Steuerbetrags nach Nummer 4. Für die Berechnung nach Nummer 1 entspricht hierbei der jeweils stückweise und einzeln portionierte Rauchtabak einer Zigarette;
6.
für Wasserpfeifentabak die Steuer nach Nummer 4 zuzüglich folgender Zusatzsteuer
a)
für den Zeitraum 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022 15,00 Euro je Kilogramm;
b)
für den Zeitraum 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2024 19,00 Euro je Kilogramm;
c)
für den Zeitraum 1. Januar 2025 bis 31. Dezember 2025 21,00 Euro je Kilogramm;
d)
ab 1. Januar 2026 23,00 Euro je Kilogramm;
7.
für Substitute für Tabakwaren
a)
für den Zeitraum 1. Juli 2022 bis 31. Dezember 2023 0,16 Euro je Milliliter;
b)
für den Zeitraum 1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2024 0,20 Euro je Milliliter;
c)
für den Zeitraum 1. Januar 2025 bis 31. Dezember 2025 0,26 Euro je Milliliter;
d)
ab 1. Januar 2026 0,32 Euro je Milliliter.

(2) Die Steuer für Zigaretten entspricht mindestens dem Betrag (Mindeststeuersatz), der sich errechnet aus 100 Prozent der Gesamtsteuerbelastung durch die Tabaksteuer und die Umsatzsteuer auf den gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreis für Zigaretten abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises der zu versteuernden Zigarette, mindestens jedoch der Betrag, der sich aus Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe e ergibt. Zur Ermittlung der Steuerbelastung ist der am 1. Januar eines Jahres geltende Steuersatz maßgebend.

(3) Die Steuer für Feinschnitt entspricht mindestens dem Betrag (Mindeststeuersatz), der sich errechnet aus 100 Prozent der Gesamtsteuerbelastung durch die Tabaksteuer und die Umsatzsteuer auf den gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreis für Feinschnitt abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises des zu versteuernden Feinschnitts, mindestens jedoch der Betrag, der sich aus Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe e ergibt. Zur Ermittlung der Steuerbelastung ist der am 1. Januar eines Jahres geltende Steuersatz maßgebend.

(3a) Für den Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020 gilt für die Zwecke der Berechnung des Mindeststeuersatzes nach den Absätzen 1 bis 3 weiterhin der zum 1. Januar 2020 gültige Umsatzsteuersatz nach § 12 des Umsatzsteuergesetzes.

(4) Das Bundesministerium der Finanzen macht im Bundesanzeiger jeweils im Monat Januar eines Jahres mit Wirkung vom 15. Februar des gleichen Jahres die aus der Geschäftsstatistik (§ 34) für das Vorjahr ermittelten gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreise für Zigaretten und Feinschnitt für Zwecke der Berechnung der Mindeststeuer auf Zigaretten und Feinschnitt bekannt. Berechnungen zum Mindeststeuersatz für Zigaretten, Zigarren und Zigarillos sowie für Feinschnitt erfolgen jeweils auf drei Stellen nach dem Komma. Die Mindeststeuer für Zigaretten, Zigarren und Zigarillos sowie für Feinschnitt wird auf zwei Stellen nach dem Komma gerundet.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung der Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (ABl. L 176 vom 5.7.2011, S. 24) in der jeweils geltenden Fassung die Tabaksteuer auf Zigaretten sowie auf Feinschnitt durch Änderung des Absatzes 1 Nummer 1 und 3 zu erhöhen, wenn die in den Artikeln 10 und 14 dieser Richtlinie genannten Bestimmungen für die globale Verbrauchsteuer nicht mehr eingehalten werden. Dabei ist die erhöhte Tabaksteuer auf Zigaretten so festzusetzen, dass der Betrag des Stücksteueranteils gleich dem Betrag aus dem wertabhängigen Tabaksteueranteil und der Umsatzsteuer ist. Die so errechneten Steueranteile werden anschließend auf zwei Stellen nach dem Komma gerundet.

(6) Vorbehaltlich der Bestimmungen für die globale Verbrauchsteuer nach Absatz 5 Satz 1 wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zur Vermeidung einer allein umsatzsteuerbedingten Tabaksteuermehrbelastung im Fall der Erhöhung der Umsatzsteuer den wertabhängigen Tabaksteueranteil der Steuersätze in Absatz 1 durch Multiplikation mit dem Quotienten

100 + Prozentpunkte alte Umsatzsteuer
100 + Prozentpunkte neue Umsatzsteuer


zu ändern. Dabei kann das Bundesministerium der Finanzen den Quotienten auf fünf Dezimalstellen runden und den neuen Tabaksteueranteil auf zwei Dezimalstellen aufrunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 52/10
vom
25. März 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. März 2010 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 6. November 2009 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Ergänzend bemerkt der Senat: Die Strafkammer hat sich bei der Feststellung der Höhe der hinterzogenen Tabaksteuer pro Zigarette auf die Angaben der als Zeugin gehörten Zolloberinspektorin G. gestützt. Diese habe den Steuerbescheid erstellt und den Mindeststeuersatz auf 13,64 Cent pro Zigarette zu Grunde gelegt. Dies ist keine zureichende Beweiswürdigung. Der Senat kann nicht nachvollziehen, wie die Strafkammer den Mindeststeuersatz pro Zigarette berechnet hat, und vermag nicht zu beurteilen, ob dies rechtsfehlerfrei geschehen ist.
Die auf den Besteuerungsgrundlagen aufbauende Steuerberechnung ist Rechtsanwendung und daher Aufgabe des Tatgerichts (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08 - Rdn. 20; vom 25. Oktober 2000 - 5 StR 399/00; vom 15. Mai 1997 [BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 9]). Den der Berechnungsdarstellung zukommenden Aufgaben kann nicht durch Bezugnahmen auf Steuerbescheide oder Betriebs- oder Fahndungsprüfungsberichte entsprochen werden. Das Tatgericht ist zwar nicht gehindert, sich Steuerberechnungen von Beamten der Finanzverwaltung anzuschließen, die auf den festgestellten Besteuerungsgrundlagen aufbauen. Allerdings muss im Urteil zweifelsfrei erkennbar sein, dass das Tatgericht eine eigenständige - weil ihm obliegende Rechtsanwendung - Steuerberechnung durchgeführt hat (vgl. BGH, Beschl. vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08 - Rdn. 21; Jäger StraFo 2006, 477, 479 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall kann eine Fehlberechnung zum Nachteil des Angeklagten allerdings ausgeschlossen werden. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt: "Auch der Strafausspruch hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Zwar sind die Feststellungen zur Höhe der hinterzogenen Tabaksteuer unzureichend. Zur Berechnung der Tabaksteuer nach § 4 Abs. 1 TabStG ist es erforderlich, dass ein Kleinverkaufspreis festgestellt wird. Das gilt auch im Anwendungsbereich des Mindeststeuersatzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TabStG, da nach der gesetzlichen Regelung die auf den Kleinverkaufspreis entfallende Umsatzsteuer bei der Berechnung des Mindeststeuersatzes abzuziehen ist. Nach den im Urteil wiedergegebenen Angaben der als Zeugen vernommenen Zolloberinspektorin D. , die sich die Strafkammer offensichtlich zu eigen gemacht hat (vgl. UA S. 7 f.), existiert für Zigaretten der ausländischen Marke 'Raquel Gold Classic' in Deutschland zwar kein regulärer legaler Kleinverkaufspreis auf der Grundlage versteuerter Zigaretten. Die Kammer hätte in diesem Fall aber der Schätzung den durchschnittlichen Kleinverkaufspreis von Markenzigaretten des unteren Preissegments zugrunde legen können (vgl. Senat, NStZ-RR 2009, 343, 344). Hierzu verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Jedoch lässt sich ausschließen, dass der Angeklagte hierdurch beschwert ist. Das Bundesministerium der Finanzen hat mit Bekanntmachung vom 12. Januar 2009 (BAnz. S. 284) nach § 4 Abs. 1 Satz 4 TabStG die gängigste Preisklasse für Zigaretten des Jahres 2008 mit 4,00 EUR je 17 Stück Zigaretten angegeben; dies entspricht 23,529 Cent je Stück. Bei diesem Kleinverkaufspreis errechnet sich die Tabaksteuer mit 14,072 Cent und die Umsatzsteuer mit 3,756 Cent je Stück, die Gesamtsteuerbelastung durch die Tabaksteuer und die Umsatzsteuer für solche Zigaretten beträgt somit 17,828 Cent je Stück. Daraus ergibt sich nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TabStG ein Mindeststeuersatz von 17,114 Cent abzüglich der Umsatzsteuer, höchstens 14,07 Cent. Wie sich durch ein- fache mathematische Überlegungen zeigen lässt, entspricht der von der Strafkammer - ohne nähere Erläuterung - angenommene Satz der Tabaksteuer von 13,64 Cent je Stück dem niedrigsten überhaupt möglichen Satz der Tabaksteuer. Dieser Satz wird bei einem Kleinverkaufspreis von etwa 21,769 Cent je Stück erreicht, was einem Preis von etwa 3,70 EUR für eine Packung von 17 Stück entspricht. Bei einem niedrigeren Kleinverkaufspreis errechnet sich ein höherer Mindeststeuersatz, weil der Abzugsposten für die Umsatzsteuer geringer ausfällt; bei einem höheren Kleinverkaufspreis liegt hingegen die tarifmäßige Tabaksteuer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TabStG über dem Mindeststeuersatz. Aufgrund der Ausgestaltung des Steuertarifs lässt sich daher rechnerisch ausschließen , dass ein geringerer Hinterziehungsbetrag hätte festgestellt werden können. Außerdem beträgt der Unterschied zum Steuersatz der gängigsten Preisklasse ohnehin weniger als einen halben Cent pro Stück und ist damit im Vergleich so geringfügig, dass sich ein Einfluss auf die Strafzumessung ausschließen lässt." Wahl Rothfuß Hebenstreit Jäger Sander