Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2018 - 1 StR 123/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:160518B1STR123.18.0
bei uns veröffentlicht am16.05.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 123/18
vom
16. Mai 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:160518B1STR123.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – am 16. Mai 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO sowie entsprechend § 354 Abs. 1 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 23. Oktober 2017
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie Bedrohung verurteilt ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall III. B. 2. der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil des K. ) und über die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die Revision des Beschwerdeführers, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, erzielt den aus der Be- schlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch wegen versuchten Mordes hat keinen Bestand.
3
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhren der Angeklagte, der Geschädigte K. sowie weitere Personen am frühen Morgen des 25. Dezem- ber 2016 gemeinsam mit einem Großraumtaxi von der Diskothek „C. “ in B. nach Kr. am Bodensee. Während der Fahrt musste sich der Angeklagte im Taxi zweimal übergeben. Aufgrund dessen war eine Diskussion mit dem Taxifahrer, dem Zeugen Ü. , der sich zunächst weigerte weiter zu fahren, über die Übernahme der Kosten für die Reinigung des Fahrzeugs entstanden und der Angeklagte hatte dem Taxifahrer ein Klappmesser mit einer acht bis zehn cm langen Klinge an den Hals gehalten und diesen bedroht. Vor einem Halt in Kr. kam es erneut zu einem Streit über die Reinigungskosten und der Zeuge Be. verlangte, dass sich alle Fahrzeuginsassen an den Kosten beteiligen sollten, was der Geschädigte K. ablehnte. Nachdem der Angeklagte und der Geschädigte K. bei dem Halt in Kr. ausgestiegen waren, versetzte der Angeklagte dem Geschädigten K. , als beide neben der Beifahrertür des Taxis standen, aus Wut über dessen Weigerung, sich an den Reinigungskosten zu beteiligen, ohne Vorwarnung zwei Faustschläge gegen das Kinn. Im unmittelbaren Anschluss daran stach er mit dem Klappmesser – wiederum ohne Vorwarnung und ohne etwas zu sagen – mit „größerer Stichwucht“ in Richtungdes Halses des Geschädigten K. , um sich an diesem abzureagieren. Durch die zwei Faustschläge erlitt der Geschädigte K. zwei – 4 cm und 1,5 cm lange – Riss-/Quetschwunden, zudem wurde ihm kurz schwarz vor Augen; durch den Stich mit dem Messer erlitt er eine ca. 2,5 cm lange, nicht konkret lebensgefährliche, mindestens 2 cm tiefe Schnittwunde an der linken Halsseite.
4
Für den Zeugen K. kamen nach den Feststellungen des Landgerichts nicht nur die beiden Faustschläge, sondern auch die Messerattacke – unter anderem wegen der zur Tatzeit aufgrund der Dunkelheit eingeschränkten Sichtverhältnisse – vollkommen überraschend, weswegen er sich dem Tatplan des Angeklagten entsprechend gegen den Messerangriff nicht zu verteidigen oder zu fliehen vermochte. Der Geschädigte nahm erst nach dem Messerangriff das Messer in der Hand des Angeklagten wahr; zu diesem Zeitpunkt hatte er allerdings noch nicht realisiert, dass der Angeklagte es bereits gegen ihn eingesetzt und ihn verletzt hatte, und rannte sofort panisch in die dunkle Nacht davon.
5
b) Das Landgericht hat sowohl einen bedingten Tötungsvorsatz bei der Messerattacke als auch die Arg- und Wehrlosigkeit des Geschädigten K. in diesem Zeitpunkt angenommen. Es hat jedenfalls das für das Mordmerkmal der Heimtücke erforderliche Ausnutzungsbewusstsein des Angeklagten nicht ausreichend belegt.
6
In subjektiver Hinsicht setzt der Tatbestand des Heimtückemordes nicht nur voraus, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers erkennt; erforderlich ist außerdem, dass er die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt (BGH, Urteil vom 24. September 2014 – 2 StR 160/14, NStZ 2015, 214, 215). Dafür genügt es, wenn er die die Heimtücke begründenden Umstände nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Juni 2017 – 2 StR 10/17 Rn. 10, NStZ-RR 2017, 278, 279 mwN).
7
Das Ausnutzungsbewusstsein kann bereits dem objektiven Bild des Geschehens entnommen werden, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter – wie bei Schüssen in den Rücken des Opfers – auf der Hand liegt (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 2 StR 5/13, NStZ 2013, 709, 710; Urteil vom 15. November 2017 – 5 StR 338/17 Rn. 15, NStZ-RR 2018, 45, 47). Das gilt in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter selbst dann, wenn er die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat. Denn bei erhaltener Unrechtseinsicht ist die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen , im Regelfall nicht beeinträchtigt (BGH, Urteile vom 27. Februar 2008 – 2 StR 603/07, NStZ 2008, 510, 511; vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31 mwN und vom 15. November 2017 – 5 StR 338/17 Rn. 15, NStZRR 2018, 45, 47). Danach hindert nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen. Allerdings kann die Spontaneität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlte (BGH, Urteil vom 15. November 2017 – 5 StR 338/17 Rn. 15, NStZ-RR 2018, 45, 47).
8
Vorliegend hat das Landgericht aus dem objektiven Geschehensablauf darauf geschlossen, dass der Angeklagte sich die Arg- und Wehrlosigkeit des Geschädigten K. zunutze machen wollte. Maßgebliche Bedeutung hat es dabei dem Überraschtsein des Geschädigten K. sowohl von den zwei Faustschlägen als auch von der unmittelbar folgenden Messerattacke und den aufgrund der Dunkelheit eingeschränkten Sichtverhältnissen beigemessen. Angesichts der Feststellungen, dass dem mit Tötungsvorsatz ausgeführten Messerstich zwei mit Körperverletzungsvorsatz ausgeführte Faustschläge unmittelbar vorausgingen, ist vorliegend das objektive Bild des Geschehens – an- ders als etwa bei Schüssen in den Rücken eines Opfers – nicht derart eindeutig , dass allein daraus auf ein Ausnutzungsbewusstsein beim Angeklagten im maßgeblichen Zeitpunkt der Messerattacke geschlossen werden könnte. Hinzu kommt, dass der Angeklagte wegen des kurz zuvor erfolgten Messereinsatzes gegen den Taxifahrer Ü. davon ausgehen konnte, dass sein Messer und seine Bereitschaft dieses einzusetzen dem Geschädigten K. gegenwärtig waren. Dies gilt besonders auch vor dem Hintergrund, dass das Landgericht zugleich eine affektive Erregung sowie eine Alkoholisierung des Angeklagten, der eine nicht vollkommen unerhebliche Menge hochprozentigen Alkohols konsumiert hatte, und die Spontaneität der Tatbegehung festgestellt hat (UA S. 6, 36), und damit allesamt Umstände, die nach dem zuvor Ausgeführten gegen ein Ausnutzungsbewusstsein sprechen können. Zudem ist angesichts des raschen Tatgeschehens und der zuvor genannten Gesichtspunkte nicht nachvollziehbar belegt, dass das Vorgehen des Angeklagten einem Tatplan entsprochen habe (UA S. 16, 36 f.) und der Tatort von diesem gewählt worden sei (UA S. 37).
9
c) Der Senat schließt aus, dass noch Feststellungen getroffen werden können, auf deren Grundlage eine Verurteilung wegen eines versuchten Mordes erfolgen kann. Jedoch sind die Voraussetzungen eines versuchten Totschlags nach §§ 212, 22, 23 StGB rechtsfehlerfrei festgestellt. Mit Blick darauf war der Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO zu ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können.
10
2. Der Wegfall des versuchten Mordes entzieht der Einzelstrafe wegen der tateinheitlich begangenen Straftaten zum Nachteil des Zeugen K. und der Gesamtstrafe die Grundlage. Die dem zugrunde liegenden Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind.
Der Senat kann ausschließen, dass die Einzelstrafe von neun Monaten Freiheitsstrafe im Fall III. B. 1. der Urteilsgründe (Bedrohung zum Nachteil des Zeugen Ü. ) von dem aufgezeigten Rechtsfehler beeinflusst ist.
11
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat daraufhin, dass gegen die strafschärfende Berücksichtigung einer besonders rechtsfeindlichen Gesinnung im Hinblick darauf, dass der Angeklagte den Zeugen H. veranlasst habe, massiv zu versuchen, die Zeugen F. und K. einzuschüchtern und von einer Aussage bei der Polizei abzuhalten, im Rahmen der Strafzumessung Bedenken bestehen, da eine solche Veranlassung durch den Angeklagten nicht festgestellt ist (siehe UA S. 18, 42). Raum Jäger Cirener Radtke Hohoff

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

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(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Strafgesetzbuch - StGB | § 22 Begriffsbestimmung


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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 1 6 0 / 1 4
vom
24. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. September
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Fulda vom 19. Dezember 2013 wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.
2
1. a) Nach den Feststellungen lebte der Angeklagte seit 2004 wegen wiederholter verbaler und körperlicher Auseinandersetzungen gegenüber seiner Ehefrau räumlich von ihr und den drei gemeinsamen Kindern getrennt. Der Angeklagte besuchte seine Familie nur noch sporadisch. Er fühlte sich ausgegrenzt und gedemütigt, weil ihm nach seiner Ansicht nicht der notwendige Respekt entgegenbracht wurde.
3
Als der Angeklagte erfuhr, dass erneut ein Türkeiurlaub seiner Familie bevorstand, war er darüber verärgert, dass er - wie schon zuvor - darüber nicht informiert worden war. Er wollte deshalb seine Ehefrau, das spätere Tatopfer, zur Rede stellen und ihr eine Lektion erteilen. Er nahm zwei Küchenmesser mit, die er gegenüber seiner Ehefrau "zumindest" (UA S. 8) als Drohmittel einsetzten wollte.
4
Nachdem der Angeklagte unter einem Vorwand seinen Sohn zum Einkaufen weggeschickt hatte und nunmehr mit seiner Ehefrau allein in der Wohnung war, begab er sich - mit bedingtem Tötungsvorsatz - ohne vorherige Ankündigung und wortlos mit jeweils einem Messer in einer Hand in die Küche, in der seine Ehefrau vor dem Spültisch ein Backblech spülte. "Die Ehefrau sah den Angeklagten in dem Türrahmen der Küchentür stehen und in die Küche herein treten. Sie sah ihm in die Augen, in der festen Erwartung, nun wieder Vorhalte gemacht zu bekommen und nunmehr in ein Streitgespräch mit ihrem Mann verwickelt zu werden. Sie wollte dem aus dem Weg gehen, stellte deswegen ihr Backblech in die Spüle hinein, trat ein bis zwei Schritte auf ihren Ehemann zu, um die Küche zu verlassen, wobei sie nicht bemerkte, da sie ihm nach wie vor in die Augen schaute, dass ihr Ehemann die beiden Messer in den Händen hielt. In dieser Situation versah sie sich insoweit keinerlei Angriffs ihres Ehemanns. Der Angeklagte, der erkannte, dass seine Frau - wie von ihm erwartet - arglos und deswegen auch wehrlos war, nutzte dies aus und - ohne mit ihr ein Wort zu wechseln - versetzte er seiner Ehefrau daraufhin einen ersten Stich in den Bauch und einen zweiten Stich in den Oberkörper" (UA S. 11).
5
Die Geschädigte sank zu Boden, woraufhin der Angeklagte ihr eine Vielzahl weiterer Messerstiche "wahllos auf den Körper" (UA S. 11) versetzte. Der zwischenzeitlich zurückgekehrte gemeinsame Sohn trat dem Angeklagten gegen den Kopf und "packte ihn von der Mutter weg" (UA S. 12). Durch eine anschließende Notoperation wurde die Geschädigte gerettet.
6
b) Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Landgericht ausgeführt, der Vorsatz bezüglich der heimtückischen Begehung der Tat ergebe sich daraus, "dass der Angeklagte ohne Vorankündigung und ohne dass zuvor irgendein Streitgespräch oder überhaupt eine Kommunikation mit der Ehefrau stattgefunden hätte, mit den Messern aus dem Wohnzimmer in die Küche der Wohnung gegangen ist, wobei die Ehefrau gerade dabei war, ein Backblech zu spülen. [...] In diesem Moment war daher die Ehefrau des Angeklagten, die sich keinerlei Angriffes durch den Angeklagten versah, völlig arglos und infolge dessen auch wehrlos. Dies wusste der Angeklagte, der zuvor sogar seinen Sohn […] aus der Wohnung geschickt hatte, um insoweit ungestört die Situation ausnutzen zu können. Er ging wortlos aus dem Wohnzimmer in die Küche und begann sofort und völlig unvermittelt seinen Angriff auf die Ehefrau, die die Messer, weil sie dem Angeklagten zunächst nur in die Augen schaute, überhaupt nicht bemerkt hatte. Er wollte insoweit diese Geschehen bewusst ausnutzen und seine Ehefrau, die mit Küchenarbeiten beschäftigt war, überraschen" (UA S. 27).
7
2. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist insbesondere die Beweiswürdigung zum Ausnutzungsbewusstsein nicht lückenhaft.
8
a) Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt; wesentlich ist, dass der Mörder sein keinen Angriff erwartendes, mithin argloses Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren, wobei für die Beurteilung die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs maßgebend ist. Bei einem offen feindseligen Angriff ist erforderlich, dass dem Opfer wegen der kurzen Zeitspanne zwischen Erkennen der Gefahr und unmittelbarem Angriff keine Möglichkeit der Abwehr verblieben ist (vgl. etwa BGH, Urteile vom 15. September 2011 - 3 StR 223/11, NStZ 2012, 35; vom 28. August 2014 - 5 StR 332/14, beide mwN). Voraussetzung heimtückischer Begehungsweise ist weiter, dass der Täter die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt. Dafür genügt es, wenn er die die Heimtücke begründenden Umstände nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2012 - 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233; Urteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 117/14; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 211 Rdn. 34, 44, jeweils mwN).
9
b) Das Landgericht hat seine Überzeugung, der Angeklagte habe auch mit entsprechendem Ausnutzungsbewusstsein gehandelt, ausreichend belegt. Die gezogenen Schlussfolgerungen sind möglich, zwingend brauchen sie nicht zu sein.
10
Der Angeklagte, der mit den beiden Küchenmessern bewaffnet im Wohnzimmer saß, und sich "endgültig" entschlossen hatte, "die Lage auszunut- zen und auf seine Ehefrau […] einzustechen, um sie zu bestrafen" (UA S.10), wollte dafür ungestört sein und hatte deswegen auch seinen Sohn unter einem Vorwand weggeschickt, um "freie Bahn für einen überraschenden ‚Angriff‘ auf seine Ehefrau haben zu können" (UA S. 10). Er betrat mit bedingtem Tötungsvorsatz die Küche, in der seine Frau gerade spülte. Dass die Geschädigte auf den Angeklagten "ein bis zwei Schritte" zutrat, ändert nichts daran, dass der Angeklagte - wie von ihm geplant - die mit Küchenarbeiten beschäftigte Geschädigte in der Küche überraschte (UA S. 27) und dieses von ihm herbeigeführte Überraschungsmoment ausnutzen wollte. Es ist deswegen auch unerheblich , ob die Geschädigte unmittelbar vor dem Angriff noch die Messer in den Händen des Angeklagten wahrgenommen und ob der Angeklagte die mög- licherweise eingeschränkte Wahrnehmung der Geschädigten erkannt hat. Eine Möglichkeit zur Abwehr verblieb ihr nicht, worauf es dem Angeklagten nach seinem Tatplan gerade ankam.
11
Dass das Ausnutzungsbewusstsein auch nicht aufgrund affektiver Anspannung des Angeklagten gefehlt hat (vgl. dazu: BGH, Beschluss vom 29. November 2011 - 3 StR 326/11, NStZ 2012, 270, 271; Urteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 117/14 mwN), hat das Landgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei festgestellt (UA S. 27). Fischer Schmitt Krehl Ott Zeng

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 22. Juli 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

Anfang September 2015 lernte der in H.   lebende, 60 Jahre alte Angeklagte über ein so genanntes Datingportal das spätere Tatopfer, die 54 Jahre alte    S.   , kennen und ging - nach einem ersten persönlichen Treffen - rasch eine intime Beziehung mit ihr ein. Die Beziehung verlief für beide Partner zunächst zufriedenstellend; nach einem gemeinsamen Urlaub im Oktober 2015 entschlossen sie sich, zusammenzuziehen und gemeinsam in der bisher von    S.   alleine bewohnten Doppelhaushälfte in Ha.   zu leben. Zwar traten in der Beziehung immer wieder Spannungen auf. Der Angeklagte fühlte sich unter anderem durch den ausgeprägten Ordnungssinn   S.  , gelegentliche „Eifersüchteleien“ und den Umstand irritiert, dass die sonst sehr gepflegte Geschädigte sich zu Hause gehen ließ; darüber hinaus vermochte er ihr Verhalten nicht recht einzuschätzen und Konflikte nicht offen anzusprechen. In der Erwartung, dass diese Schwierigkeiten sich bewältigen lassen würden, kündigte der Angeklagte die von ihm angemietete Wohnung zum Jahresende. Beide lebten in den Wochen bis Weihnachten weitgehend zurückgezogen und mit sich selbst beschäftigt. Den Weihnachtsabend verbrachte der Angeklagte gemeinsam mit    S.   und einigen ihrer Familienangehörigen. Am Morgen des 25. Dezember 2015 standen beide früh auf, weil die als Altenpflegerin tätige Geschädigte Frühdienst hatte. Während sie arbeitete, besuchte der Angeklagte eine frühere Ehefrau. Den Abend des 25. Dezember 2015 verbrachten beide zusammen und sahen nach dem Abendessen fern. Die Geschädigte     S.   begab sich gegen 21.30 Uhr zu Bett und fragte den Angeklagten in der Hoffnung auf den Austausch von Zärtlichkeiten, ob er mitkomme. Der Angeklagte erkannte dies nicht und entgegnete, dass er noch fernsehen wolle. Hierüber war die Geschädigte verstimmt. Am frühen Morgen des 26. Dezember 2015 kam es deshalb zum Streit. Die Geschädigte machte dem Angeklagten Vorwürfe, beschimpfte ihn und verließ schließlich wütend das Haus. Der Angeklagte war über dieses Verhalten der Geschädigten „ungehalten“. Er trank im Verlaufe des Vormittags mehrere Mixgetränke, die er aus Kognac und Cola mischte, sah fern und hörte Musik. Kurz nach 11 Uhr nahm der Angeklagte über den Messengerdienst WhatsApp Kontakt zu einer früheren Freundin auf, tauschte eine Vielzahl von Kurznachrichten mit ihr aus und telefonierte schließlich mehrfach über längere Zeiträume mit ihr. In diesen Telefonaten klagte der Angeklagte darüber, dass er in der Beziehung mit der Geschädigten „nicht glücklich“ sei, seine Wohnung in Holland viel zu früh aufgegeben und seine Ersparnisse aufgebraucht habe. Er wolle „seine Sachen packen und abhauen“.

4

Gegen 13.15 Uhr kehrte    S.   nach Hause zurück und betrat grußlos die Küche. Der Angeklagte begab sich ebenfalls in die Küche, um sich ein Getränk zu holen, und kehrte in das Wohnzimmer zurück, ohne die am Küchentisch sitzende Geschädigte anzusprechen. Anschließend tauschte er erneut Kurznachrichten mit seiner früheren Freundin aus. Die Geschädigte begab sich in das Gästezimmer im Obergeschoss und baute dort ein Einzelbett auf. Als der Angeklagte aus dem Obergeschoss ein lautes Poltern hörte, begab er sich hinauf und geriet mit der Geschädigten in eine verbale Auseinandersetzung, deren genauer Inhalt nicht festgestellt werden konnte; nicht ausschließbar beantwortete die Geschädigte die Frage des Angeklagten, „was sie da mache“, mit der Bemerkung, dass sie „den Hals voll“ habe. Beide begaben sich daraufhin in das Wohnzimmer, setzten sich auf ein Sofa und führten ihre verbale Auseinandersetzung fort. „Möglicherweise“ beendete    S.   die Beziehung zu dem Angeklagten. „Nicht ausschließbar“ schlug die Geschädigte dem Angeklagten ins Gesicht und verursachte dabei eine rund zwei Zentimeter breite, etwa dreieinhalb Zentimeter oberhalb der linken Augenbraue quer verlaufende Hautverletzung. „Entweder diese Körperverletzung oder eine in der Wirkung vergleichbare heftige verbale Provokation“, „möglicherweise“ auch die Erklärung der Geschädigten, dass sie die Beziehung für gescheitert halte, versetzten den Angeklagten in einen Zustand affektiver Erregung. Er wurde „plötzlich von dem drängenden Handlungsimpuls erfasst, Frau S.   zu töten“.

5

In Umsetzung dieses Tatentschlusses erhob sich der Angeklagte, ging in die Küche, ergriff dort ein in einem Messerblock steckendes, großes Küchenmesser mit einer rund 18 Zentimeter langen, spitz zulaufenden Klinge, und kehrte in das Wohnzimmer zurück. Er trat unmittelbar auf die auf dem Sofa sitzende, ahnungslose Geschädigte zu und stach mit dem Messer mehrfach und mit großer Wucht auf sie ein, um sie zu töten. Die Geschädigte erkannte im letzten Moment die Absicht des Angeklagten und versuchte erfolglos, sich mit ihren Armen zu schützen. Der Angeklagte fügte der Geschädigten insgesamt zwölf Stich- und Schnittverletzungen zu, von denen drei jeweils für sich genommen tödlich waren; sie führten zu einer mehrfachen und vollständigen Durchsetzung des Herzens der Geschädigten, eröffneten die Körperhauptschlagader und verletzten ihre Lunge.    S.   verstarb an den Folgen des stichbedingten Blutverlusts sowie an einem Funktionsversagen ihres Atmungssystems.

6

2. Die Feststellungen und Wertungen des Schwurgerichts beruhen in erster Linie auf den Angaben des Angeklagten. Soweit dieser sich hinsichtlich des Tatgeschehens im engeren Sinne auf Erinnerungslücken berief, hat das Landgericht die Feststellungen zu dem unmittelbaren Tötungsgeschehen auf das objektive Spurenbild gestützt. Hinsichtlich des tatauslösenden Geschehens hat es angenommen, dass der nicht zu aggressivem Verhalten neigende Angeklagte durch ein ihn provozierendes Ereignis zur Tat veranlasst worden sein müsse; hierfür käme eine Ohrfeige, eine gleichgewichtige verbale Beleidigung oder die Aussage der Geschädigten in Betracht, dass sie die Beziehung als gescheitert ansehe.

7

Angesichts der affektiven Erregung in Verbindung mit der zum Tatzeitpunkt bestehenden Alkoholisierung hat das Schwurgericht nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festzustellen vermocht, dass der Angeklagte im Moment des Angriffs auf die Geschädigte erkannte, dass diese arglos war und keinen Angriff auf sich befürchtete. Insoweit ist das Schwurgericht den Ausführungen der Sachverständigen Dr. J.    gefolgt, wonach eine affektive Erregung zu „neuro-kognitiven Beeinträchtigungen“ führen und „eine Einengung der seelischen Abläufe und des Wahrnehmungsfeldes“ bedingen und sich das Bewusstsein des Täters auf die „ihm zugefügte Frustration“ verengen könne. Dies könne dazu führen, dass „die Begleitumstände der Tat nicht mehr vollständig wahrgenommen“ würden. Dass beim Angeklagten tatsächlich eine Bewusstseinsverengung in dem genannten Sinne vorgelegen hat, hat das Schwurgericht auf den Umstand gestützt, dass er eine während des Tatgeschehens erlittene schmerzhafte Schnittverletzung am Daumen der linken Hand erst mit einiger zeitlicher Verzögerung nach der Tat wahrgenommen hat.

8

Das Schwurgericht hat die Tat deshalb als (minder schweren Fall) des Totschlags gewertet, das Mordmerkmal der Heimtücke wegen fehlenden Ausnutzungsbewusstseins verneint und den Angeklagten zu zeitiger Freiheitsstrafe verurteilt.

II.

9

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Erwägungen, mit denen das Schwurgericht Zweifel daran begründet hat, dass der Angeklagte die Arg- und Wehrlosigkeit der Geschädigten bewusst zur Tötung ausgenutzt hat, halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie sind widersprüchlich und lückenhaft.

10

1. Heimtückisch handelt, wer in feindseliger Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1957 - GSSt 3/57, BGHSt 11, 139, 144; Urteil vom 20. Oktober 1993 - 5 StR 473/93, BGHSt 39, 353, 368; Urteil vom 16. Februar 2005 - 5 StR 14/04, BGHSt 50, 16, 28). Wesentlich ist, dass der Täter sein keinen Angriff erwartendes, mithin argloses Opfer überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren, wobei für die Beurteilung die Lage der Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs maßgebend ist (Senat, Beschluss vom 24. September 2014 - 2 StR 160/14, NStZ 2015, 214, 215). In subjektiver Hinsicht setzt der Tatbestand des Heimtückemordes nicht nur voraus, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers erkennt; erforderlich ist außerdem, dass er die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt (Senat, Urteil vom 24. September 2014 - 2 StR 160/14, NStZ 2015, 214, 215; MüKo/Schneider 2. Aufl. 2012 Rn. 180). Dafür genügt es, wenn er die die Heimtücke begründenden Umstände nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 117/14, NStZ 2014, 639, 640; BGH, Urteil vom 11. Dezember 2012 - 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233; Urteil vom 29. Januar 2015 - 4 StR 433/14, NStZ 2015, 392, 393).

11

Ein Ausnutzungsbewusstsein in diesem Sinne kann im Einzelfall auf der Hand liegen, etwa weil die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers offen zutage liegt und es sich gleichsam von selbst versteht, dass der Täter diese Situation ausnutzt, wenn er das Opfer tötet (BGH, Urteil vom 20. Oktober 1993 - 5 StR 473/93, BGHSt 39, 353, 369 f.).

12

Zwar kann die Spontanität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlt (Senat, Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175, 176; BGH, Beschluss vom 29. November 2011 - 3 StR 326/11, NStZ 2012, 270, 271). Andererseits hindert aber nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in ihrer Bedeutung für die Tat zu erkennen (vgl. Senat, Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175, 176). Entscheidend ist insoweit stets, ob die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, beeinträchtigt ist (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 117/14, NStZ 2014, 639; Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175, 176). Kommt der Tatrichter trotz uneingeschränkter Wahrnehmungsfähigkeit zu dem Ergebnis, dass der Täter die für die Heimtücke maßgeblichen Umstände aufgrund seiner Erregung nicht in sein Bewusstsein aufgenommen hat, so muss er die Beweisanzeichen hierfür umfassend darlegen und sorgfältig würdigen.

13

2. Gemessen hieran halten die Darlegungen zum fehlenden Ausnutzungsbewusstsein rechtlicher Überprüfung nicht stand.

14

a) Das Landgericht hat im Rahmen der Schuldfähigkeitsbeurteilung festgestellt, dass „Wachheit, Orientierung, Auffassung und Aufmerksamkeit“ des Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht erheblich beeinträchtigt gewesen sind und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Angeklagte in vollem Umfang in der Lage war, das Unrecht seines Tuns zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln. Diese - tragfähig begründeten - Feststellungen und Erwägungen stehen in einem unauflöslichen Widerspruch zu der im Rahmen der Mordmerkmalsprüfung angestellten Erwägung, der Angeklagte habe die Lage seines Tatopfers in ihrer Bedeutung für seinen Tatplan aufgrund seiner affektiven Erregung nicht zutreffend wahrgenommen und zur Begehung der Tat ausgenutzt.

15

b) Darüber hinaus ist auch die festgestellte affektive Erregung des Angeklagten nicht tragfähig begründet. Insoweit hat das Schwurgericht nicht in den Blick genommen, dass der Angeklagte, der bis kurz vor der Tat mit einer früheren Freundin telefonierte und Kurznachrichten austauschte, dieser vom Scheitern der Beziehung mit der Geschädigten berichtet hatte. Vor diesem Hintergrund ist die auch auf die mögliche Beendigung der Beziehung durch die Geschädigte gestützte affektive Erregung nicht ohne nähere Begründung nachvollziehbar.

16

Soweit das Landgericht die im Rahmen der Mordmerkmalsprüfung festgestellte Bewusstseinseinengung auch damit begründet hat, dass der Angeklagte „die schmerzhafte Verletzung nicht unerheblichen Ausmaßes an seinem linken Daumen erst mit einiger zeitlicher Verzögerung nach Vollendung der Tat“ wahrgenommen habe, lassen die Ausführungen des Schwurgerichts nicht erkennen, ob es den Zeitpunkt bedacht hat, zu dem der Angeklagte sich diese Verletzung zugezogen hat. Sie entstand während des Tötungsgeschehens im Verlaufe der zahlreichen, mit großer Wucht ausgeführten Stichverletzungen gegen das Tatopfer. Bei dieser Sachlage versteht es sich jedenfalls ohne nähere Erörterungen nicht von selbst, dass von einem zeitlich deutlich verzögert einsetzenden Schmerzempfinden während der - regelhaft mit einer erheblichen affektiven Erregung einher gehenden - Tötungshandlung auf eine Bewusst-seinseinengung bereits zum Zeitpunkt des Tatentschlusses rückgeschlossen werden kann.

17

c) Schließlich fehlt es an der gebotenen Gesamtwürdigung aller für und gegen ein Ausnutzungsbewusstsein sprechenden Umstände. Insoweit wäre zu bedenken gewesen, dass die Arg- und Wehrlosigkeit der Geschädigten offen zutage lag. In die Gesamtwürdigung aller Umstände hätte auch eingestellt werden müssen, dass der Angeklagte sich zwar spontan zur Tat entschloss, aber mit direktem Tötungsvorsatz handelte. Vor diesem Hintergrund hätte es der näheren Erörterung bedurft, ob er die Situation seines Tatopfers schon deshalb in den Blick genommen haben könnte, um sein Tatentschluss erfolgreich umzusetzen (vgl. Dannhorn, NStZ 2007, 297, 299). Nicht zuletzt hätte sich das Schwurgericht mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass der Angeklagte selbst seinen „Zustand“ als „nicht böse oder aggressiv“, sondern als „ganz ruhig“ beschrieben hat.

18

3. Die hierin liegenden Erörterungsmängel führen zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung.

19

Der Senat hebt auch die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen auf, um dem neuen Tatrichter insgesamt neue und widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.

Krehl   

        

Bartel   

        

   Wimmer

        

Grube   

        

RiBGH Schmidt ist
an der Unterschriftsleistung
gehindert.

        
                          

Krehl 

        

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 5/13
vom
30. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 30. Juli 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 10. Juli 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, ihr ein lebenslanges Berufsverbot erteilt und festgestellt , dass auf die Anordnung des Verfalls von 106.058 Euro nur verzichtet wird, weil Ansprüche Dritter entgegenstehen. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachbeschwerde und Verfahrensrügen gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel ist mit der Sachrüge begründet, so dass es auf die Verfahrensbeanstandungen nicht ankommt.

I.

2
Nach den Feststellungen war die Angeklagte als Jugendliche drogenabhängig gewesen und der Prostitution nachgegangen. Dabei hatte sie den 50 Jahre älteren H. H. als Freier kennen gelernt. Dieser beschaffte ihr Drogen als Gegenleistung für sexuelle Dienste. Von 1999 bis 2011 holte die Angeklagte den Hauptschulabschluss nach, erwarb die Fachoberschulreife und dann die allgemeine Hochschulreife, studierte Medizin, legte das Staatsexamen ab und erlangte ihre Approbation als Ärztin. Anfang 2011 wurde sie promoviert. Inzwischen war sie medikamentenabhängig. Am 15. Januar 2010 heiratete sie H. H. . Ihr Ehemann vereitelte in der Folge ihre Bewerbungen um eine Anstellung in einem Krankenhaus, indem er Bewerbungsschreiben heimlich Begleitschreiben beifügte, in denen er auf ihre frühere Drogenabhängigkeit hinwies. Im Jahre 2010 nahm die Angeklagte eine außereheliche Beziehung mit dem Zeugen G. auf. Am 16. Februar 2011 erreichte sie die Zusage einer Anstellung als Ärztin in einem Krankenhaus in U. .
3
In der Zwischenzeit veranlasste H. H. die Sperrung seines Girokontos, über das auch die Angeklagte verfügen konnte. Ihre Bankkarte wurde eingezogen, als sie in U. an einem Geldautomaten Geld abheben wollte. Diese Tatsache und die Entdeckung eines der Begleitbriefe ihres Ehemanns zu den Bewerbungsschreiben führten nach ihrer Rückkehr aus U. am 17. Februar 2010 zum Streit zwischen den Eheleuten. Am Abend des 18. Februar 2010 erklärte die Angeklagte ihrem Ehemann, dass sie sich von ihm trennen wolle. Er ohrfeigte sie und schob sie beiseite. Sie nahm in der Küche und auf der Toilette vier Tabletten des Beruhigungsmittels Flunitrazepam mit einigen Schlucken Wein ein und begab sich zu ihrem Ehemann in das Wohnzimmer. Dieser erklärte, dass sie tun müsse, was er sage. Er hielt ihr eine Tüte mit mindestens zehn Ampullen Morphin und einer Ampulle Piritramidan vor, die er in einem Schrank gefunden hatte, und bemerkte, sie sei wieder dort gelandet, wo sie hingehöre; sie sei eine "drogenabhängige Straßennutte". Er habe alles Geld vom Girokonto abgehoben und trage es bei sich, so dass sie ihn künftig um Geld bitten müsse. Die Angeklagte erwiderte, sie verdiene ihr eigenes Geld. Dann nahm sie die Tüte mit den Ampullen und lief in die Küche. H. H. rief ihr aus dem Wohnzimmer zu, er werde dafür sorgen , dass sie ihre Approbation verlieren werde; er habe sich schon im Klinikum A. danach erkundigt, wie man ihr die Approbation entziehen könne. Als sie erwiderte, das könne er nicht tun, rief er, er habe alles, um sie wieder in die Gosse zu schicken.
4
Die Angeklagte stellte anhand der Verbindungsliste des Telefons fest, dass ihr Ehemann tatsächlich mit dem Klinikum A. telefoniert hatte. Ihr wurde bewusst, dass sie bis zum ersten eigenen Verdienst noch Monate lang auf seine finanzielle Unterstützung angewiesen sei, außerdem, dass er dazu entschlossen war, mit allen Mitteln eine Trennung zu verhindern. Sie sah sich in Gefahr, die zugesagte Anstellung in dem Krankenhaus in U. zu verlieren und die Beziehung zu dem Zeugen G. aufgeben zu müssen. Zur Beseitigung dieser Gefahr und der Quelle ständiger Beleidigungen und Erniedrigungen beschloss sie, ihren Ehemann zu töten.
5
Die Angeklagte zog, "vor Wut und Aufregung am ganzen Körper zitternd" , in der Küche die Inhalte aller Ampullen aus der Plastiktüte auf eine Spritze, nahm diese in die rechte Hand, rannte ins Wohnzimmer und näherte sich schreiend ihrem Ehemann. Dieser hielt ihre Arme fest und schlug ihr dann mit der flachen Hand auf die rechte Wange. Er fragte sie, was sie mit der Spritze wolle. Die Angeklagte entriss ihre rechte Hand aus seinem Griff, stieß ihn auf die Couch, stach ihm die Spritze in den Oberschenkel und drückte die Injektionslösung hinein. Hierbei handelte sie in der Erwartung, dass die Injektion tödlich sein werde. Die Morphininjektion führte zu Benommenheit, Bewusstlosigkeit und Atemstillstand mit der Folge des Todes von H. H. .
6
Das Landgericht hat die Handlung der Angeklagten als heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen begangenen Mord beurteilt. H. H. habe nicht mit einem Angriff auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit gerechnet, weil es zuvor noch nie zu einer Anwendung von Gewalt durch die Angeklagte gegen ihn gekommen sei und weil er nicht gewusst habe, welches Mittel in der Spritze war. Diese Arglosigkeit und die daraus resultierende Wehrlosigkeit des Ehemanns habe die Angeklagte bewusst zur Tatbegehung ausgenutzt. Sie habe sein Lebensrecht missachtet, um Nachteile in ihrem Fortkommen auszuschließen und ihren Ehemann als Kenner ihres früheren Drogenkonsums und ihrer Abhängigkeit von Benzodiazepinen auszuschalten.

II.

7
Die Bewertung der Tat als Mord ist rechtsfehlerhaft.
8
1. Heimtückisch handelt, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Es bestehen bereits Bedenken gegen die Annahme , H. H. sei zu Beginn des Angriffs der Angeklagten auf sein Leben arglos und infolgedessen wehrlos gewesen. Jedenfalls hat das Landgericht die Behauptung, die Angeklagte habe dies bewusst zur Tötung ihres Ehemanns ausgenutzt, nicht belegt. Ausnutzungsbewusstsein kann zwar im Einzelfall ohne Weiteres aus dem objektiven Bild des Geschehens entnommen werden , wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter auf der Hand liegt. Auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände und auf die nähere Erläuterung der Feststellung eines Ausnutzungsbewusstseins kann aber dann nicht verzichtet werden, wenn gewichtige Umstände dagegen sprechen. Dazu zählen hier die hochgradige Erregung der Angeklagten, die Einnahme von Flunitrazepam vor der Tat und die Tatsache, dass sie ihrem Ehemann schreiend mit der Spritze in der Hand entgegentrat, so dass Arglosigkeit objektiv zweifelhaft erscheint und auch aus der Sicht der Angeklagten fern gelegen haben könnte. Damit hat sich das Landgericht zu Unrecht nicht auseinandergesetzt.
9
2. Die Bewertung des Handlungsantriebs der Angeklagten als sonst niedriger Beweggrund ist vom Landgericht ebenfalls nicht tragfähig begründet worden und erscheint angesichts der Feststellungen als fern liegend. Bei Motiven wie Wut und Erregung kommt es darauf an, ob diese Gefühlsregung jedes nachvollziehbaren Grundes entbehrt und das Handlungsmotiv in deutlich weiter reichendem Maß als bei einem Totschlag verachtenswert erscheint (vgl. Fischer, StGB 60. Aufl. § 211 Rn. 14a). Dies ist hier offenkundig nicht der Fall, weil der Getötete der Angeklagten, nur um ihr ein selbstbestimmtes Leben unmöglich zu machen und sie weiter seinem Machtanspruch zu unterwerfen, eine Anschwärzung angedroht hatte, die zum Verlust ihrer gesamten beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Existenz führen sollte. Angesichts dessen würde die Motivationslage eher die Annahme eines minder schweren Falls des Totschlags nach § 213 Alt. 2 StGB nahelegen als die Bewertung als Mord aus niedrigen Beweggründen.
Fischer Schmitt Eschelbach Ott Zeng
15
Für ein Ausnutzungsbewusstsein genügt es, wenn der Täter die Heimtücke begründenden Umstände nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen , sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Arglosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 11. Dezember 2012 – 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233; vom 24. September 2014 – 2 StR 160/14, NStZ 2015, 214 f.). Das Ausnutzungsbewusstsein kann bereits dem objektiven Bild des Geschehens entnommen werden, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter – wie bei Schüssen in den Rücken des Opfers – auf der Hand liegt (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 2 StR 5/13, NStZ 2013, 709, 710). Das gilt in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter selbst dann, wenn er die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat. Denn bei erhaltener Unrechtseinsicht ist die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt (BGH, Urteile vom 27. Februar 2008 – 2 StR 603/07, NStZ 2008, 510, 511, und vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31 mwN). Danach hindert nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen. Allerdings kann die Spontaneität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlte.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 S t R 1 4 7 / 1 4
vom
31. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31. Juli 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Dr. Quentin,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin T. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin des Nebenklägers L. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 21. November 2013 werden verworfen. 2. Die Rechtsmittelführer haben die Kosten ihrer Revisionen zu tragen. Ferner werden dem Angeklagten die durch sein Rechtsmittel verursachten notwendigen Auslagen der Nebenkläger auferlegt. Die Staatskasse hat auch die durch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt sowie Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Gegen das Urteil richten sich die Rechtsmittel des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft jeweils mit der Sachrüge. Sie haben keinen Erfolg.

I.


2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen fuhr der Angeklagte am 17. Januar 2013 mit dem von ihm gesteuerten Pkw mit mindestens 90 km/h gegen einen Baum, um sich selbst zu töten. Hierbei nahm er billigend in Kauf, dass seine Ehefrau, die neben ihm in dem Fahrzeug saß, an den Folgen der Kollision versterben könnte. Während der Angeklagte schwer verletzt überlebte, verstarb seine Ehefrau kurze Zeit später an den bei dem Aufprall erlittenen Verletzungen.
3
Das Landgericht hat den Sachverhalt als Totschlag in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr bewertet. Es ist der Auffassung , dass das Mordmerkmal der Heimtücke nicht vorliege, da Zweifel daran bestünden, dass der Angeklagte die objektiv gegebene Arg- und Wehrlosigkeit seiner Ehefrau bewusst zur Tatbegehung ausgenutzt habe. Denn er habe nicht ausschließbar den Tatentschluss in einer psychischen Ausnahmesituation spontan gefasst. Niedrige Beweggründe seien nicht gegeben, weil der Angeklagte - jedenfalls nicht ausschließbar - aus Verzweiflung über seine Lebenssituation (u.a. vieljährige Arbeitslosigkeit, finanzielle Probleme) und aus Angst vor einer endgültigen Trennung von seiner von ihm geliebten Ehefrau, der drohenden Trennung von seinen Kindern und dem Verlust des ihm seit vielen Jahren vertrauten Familienlebens gehandelt habe.

II.


4
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat keinen Erfolg.
5
Insbesondere weist die Beweiswürdigung zum Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der Tötung seiner Ehefrau keinen Rechtsfehler auf. Auch ein Verstoß gegen den in-dubio-Grundsatz liegt aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 16. Mai 2014 dargelegten Gründen nicht vor.

III.


6
Der vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revision der Staatsanwaltschaft , die eine Verurteilung des Angeklagten wegen - heimtückischen - Mordes erstrebt, bleibt der Erfolg ebenfalls versagt. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Zuschrift vom 16. Mai 2014 bemerkt der Senat:
7
a) Für das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, dass der Täter diese in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 12. Februar 2009 - 4 StR 529/08, NStZ 2009, 264; vom 19. Oktober 2011 - 1 StR 273/11 [juris Rn. 24]; vom 11. Dezember 2012 - 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233). Dieses Ausnutzungsbewusstsein kann bereits aus dem objektiven Bild des Geschehens entnommen werden, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter auf der Hand liegt (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 - 2 StR 5/13, NStZ 2013, 709, 710). Das gilt in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter selbst dann, wenn er die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2008 - 5 StR 189/08, NStZ 2009, 30, 31). Denn bei erhaltener Einsichtsfähigkeit ist die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt (BGH, Urteile vom 27. Februar 2008 - 2 StR 603/07, NStZ 2008, 510, 511 f.; vom 10. Februar 2010 - 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175, 176; Beschluss vom 24. November 2009 - 1 StR 520/09, StV 2010, 287, 289 jeweils mwN).
8
Anders kann es jedoch bei "Augenblickstaten", insbesondere bei affektiven Durchbrüchen oder sonstigen heftigen Gemütsbewegungen sein (BGH, Urteil vom 17. September 2008 - 5 StR 189/08, NStZ 2009, 30, 31). Wenn auch nicht jeder dieser Zustände einen Täter daran hindert, die Bedeutung der Argund Wehrlosigkeit des Opfers für die Tatbegehung zu erkennen, so kann doch insbesondere die Spontanität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein gefehlt hat (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2012 - 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233; Beschlüsse vom 29. November 2011 - 3 StR 326/11, NStZ 2012, 270, 271; vom 4. Mai 2011 - 5 StR 65/11, NStZ 2011, 634; vom 24. April 2012 - 5 StR 95/12, NStZ 2012, 693, 694 jeweils mwN).
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Hierbei handelt es sich um eine vom Tatgericht zu bewertende Tatfrage (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2012 - 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233; Beschluss vom 4. Mai 2011 - 5 StR 65/11, NStZ 2011, 634, 635 jeweils mwN).
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b) Daran gemessen ist die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke durch das Landgericht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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Das Schwurgericht hat nicht verkannt, dass nach der Rechtsprechung allein auf Grund der von ihm zugunsten des Angeklagten angenommenen erheblichen Einschränkung des Steuerungsvermögens nicht ohne Weiteres auf das Fehlen des Ausnutzungsbewusstseins geschlossen werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 2008 - 2 StR 603/07, NStZ 2008, 510; Beschluss vom 4. Mai 2011 - 5 StR 65/11, NStZ 2011, 634 mwN). Wenn es aber gleichwohl angesichts der besonderen äußeren und inneren Umstände der Tat unter Berücksichtigung des Vor- sowie des Nachtatgeschehens eine sichere Überzeugung vom Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen der Heimtücke nicht zu gewinnen vermochte, so hält sich dies im Rahmen der dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung und ist vom Revisionsgericht hinzunehmen.
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Auch zeigt die Revision der Staatsanwaltschaft keine durchgreifenden Lücken, Widersprüche oder sonstige Rechtsfehler in der tatrichterlichen Beweiswürdigung auf. Richtig ist zwar, dass der Zweifelssatz nicht bedeutet, dass das Gericht von der dem Angeklagten jeweils (denkbar) günstigsten Fallgestaltung auch dann ausgehen muss, wenn hierfür keine Anhaltspunkte bestehen. Vorliegend bestand aber für das Landgericht selbst nach Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten die Möglichkeit, dass entweder ein das Ausnutzungsbewusstsein nicht in Frage stellender "Bilanzselbstmord" oder aber eine spontane, ungeplante Umsetzung latent vorhandener Suizidabsichten gegeben war, die zu einer psychischen Ausnahmesituation mit einer "ausgeprägten Einengung des Bewusstseinsinhalts" (UA S. 48) und damit zum Fehlen des Ausnutzungsbewusstseins geführt hat. Überzogene Anforderungen an die Überzeugungsbildung hat das Landgericht dabei nicht gestellt. Vielmehr ist es rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass es der Zweifelssatz in einem solchen Fall gebietet, von der für den Angeklagten günstigeren Konstellation auszugehen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 - 2 StR 123/01, StV 2001, 666,

667).


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Ebenso wenig ist es aus Rechtsgründen zu beanstanden, dass das Schwurgericht einerseits davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte wusste, dass sich seine Ehefrau neben ihm in dem Fahrzeug befand und er deren Tod billigend in Kauf nahm sowie ihre Gefährdung sogar beabsichtigte, es aber andererseits angenommen hat, der Angeklagte habe deren Arg- und Wehrlosigkeit bei der Tatbegehung nicht bewusst ausgenutzt. Hierin liegt insbesondere kein zu einem Rechtsfehler führender Widerspruch, sondern die vom Tatrichter zu verantwortende Schlussfolgerung, dass der Angeklagte zu Wahrnehmungen zwar fähig war und er aufgrund dieser eine Entscheidung (billigendes Inkaufnehmen des Todes) traf, ihm eine darüber hinausgehende "Bedeutungskenntnis" aber gefehlt hat und er sich infolgedessen nicht bewusst gewesen ist, die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers auszunutzen (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 1997 - 3 StR 189/97, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26).
Sost-Scheible Roggenbuck Mutzbauer Bender Quentin
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Für ein Ausnutzungsbewusstsein genügt es, wenn der Täter die Heimtücke begründenden Umstände nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen , sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Arglosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 11. Dezember 2012 – 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233; vom 24. September 2014 – 2 StR 160/14, NStZ 2015, 214 f.). Das Ausnutzungsbewusstsein kann bereits dem objektiven Bild des Geschehens entnommen werden, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter – wie bei Schüssen in den Rücken des Opfers – auf der Hand liegt (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 2 StR 5/13, NStZ 2013, 709, 710). Das gilt in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter selbst dann, wenn er die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat. Denn bei erhaltener Unrechtseinsicht ist die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt (BGH, Urteile vom 27. Februar 2008 – 2 StR 603/07, NStZ 2008, 510, 511, und vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31 mwN). Danach hindert nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen. Allerdings kann die Spontaneität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlte.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.