Bundesfinanzhof Beschluss, 14. Feb. 2011 - XI B 32/10
Gericht
Gründe
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Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wegen Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
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Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Streitfall (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
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a) Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn die für ihre Beurteilung maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dies ist nur der Fall, wenn die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. Juni 2010 XI B 88/09, BFH/NV 2010, 1875, m.w.N.).
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An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen oder der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 1875, m.w.N.).
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aa) Die von der Klägerin sinngemäß für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage, ob der Erlass einer Steuer gemäß § 227 der Abgabenordnung (AO) eine geeignete Vorschrift nach nationalem Recht ist, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um der mittlerweile vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vorgenommenen Auslegung einschlägiger Bestimmungen Rechnung zu tragen, ist nicht klärungsbedürftig.
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Es ist bereits geklärt, dass eine bestandskräftig festgesetzte Steuer, die im Widerspruch zu einer später entwickelten oder geänderten Rechtsprechung steht, allein keinen Steuererlass nach § 227 AO rechtfertigt (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juni 2009 V B 52/08, BFH/NV 2009, 1593, m.w.N., die gegen diesen Beschluss erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 16. Februar 2010 1 BvR 2218/09, nicht veröffentlicht). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind bestandskräftig festgesetzte Steuern nur dann im Billigkeitsverfahren nach § 227 AO zu erlassen, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und es dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten war, sich hiergegen in dem dafür vorgesehenen Festsetzungsverfahren rechtzeitig zu wehren (vgl. z.B. Beschluss vom 3. August 2010 XI B 104/09, BFH/NV 2010, 2308, m.w.N.). Ferner ist bereits geklärt, dass es für die Beurteilung auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung und nicht auf einen späteren Zeitpunkt ankommt (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1593, m.w.N.).
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Neue Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung dieser Rechtsprechung erfordern würde, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Soweit sie sich hierzu auf den Beschluss des BVerfG vom 4. September 2008 2 BvR 1321/07 (BFH/NV 2009, 110) bezieht, vermag der Senat ihr nicht zu folgen. Das BVerfG sieht es unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH zur Bestandskraft als Instrument der Rechtssicherheit nicht als unvertretbar an, einen generellen unionsrechtlichen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens nach Feststellung eines Verstoßes gegen Unionsrecht abzulehnen, und stellt auf die Rücknahmebefugnis nach nationalem Recht ab. Eine erneute Prüfung der vorgenannten Rechtsprechung des BFH erfordert dies nicht. Entgegen der Ansicht der Klägerin haben sich aus dem Revisionsverfahren XI R 11/10 ebenfalls keine neuen Gesichtspunkte für eine erneute Prüfung der Rechtsprechung ergeben. Die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Schleswig-Holstein vom 25. März 2010 4 K 29/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1549) wurde durch Beschluss des erkennenden Senats vom 31. Januar 2011 nach § 126a FGO als unbegründet zurückgewiesen.
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bb) Die ferner von der Klägerin sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob es mit dem Unionsrecht zu vereinbaren ist, ein vor der später entwickelten oder geänderten Rechtsprechung offenkundig aussichtsloses Rechtsbehelfs- und Klageverfahren durchzuführen, ist ebenfalls nicht klärungsbedürftig.
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Dieser Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Nach der Rechtsprechung des BFH stellt es keinen Ausnahmefall dar, dass Rechtsauffassungen und Gesetzesinterpretationen der Verwaltung, auch wenn sie durch Rechtsprechung oder Kommentierung abgesichert sind, durch die Gerichte korrigiert werden. Diese Chance, eine Korrektur zu erreichen, kann jeder Steuerpflichtige unter Übernahme des Kostenrisikos wahrnehmen. Es ist grundsätzlich Sache des Steuerpflichtigen, seine Rechte durch Einlegung von Einsprüchen selbst zu wahren (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1593, m.w.N.).
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Neue Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung dieser Rechtsprechung erfordern würde, sind weder dargetan noch ersichtlich.
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cc) Die Revision ist nicht im Hinblick auf eine mögliche Vorabentscheidung des EuGH wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
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Eine Rechtssache hat nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO grundsätzliche Bedeutung und führt zur Zulassung der Revision, wenn die nicht entfernte Möglichkeit besteht, dass im angestrebten Revisionsverfahren eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen sein wird. Dies ist nicht der Fall, wenn keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung oder der Gültigkeit einer Bestimmung des Unionsrechts bestehen können (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 1875, m.w.N.).
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Die Klägerin hat nicht dargetan, welche Bestimmung des Unionsrechts zweifelhaft sein könnte. Im Übrigen vermag der Senat nicht zu erkennen, weshalb eine Vorabentscheidung des EuGH in einem künftigen Revisionsverfahren einzuholen wäre. Die Voraussetzungen, unter denen eine Korrektur bestandskräftiger Steuerbescheide auf Grundlage der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache "Kühne & Heitz" (EuGH-Urteil vom 13. Januar 2004 Rs. C-453/00, Slg. 2004, I-837) in Betracht kommt, sind bereits geklärt. Eine Pflicht zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht für den Senat daher nicht (vgl. BFH-Urteil vom 16. September 2010 V R 57/09, BFHE 230, 504, m.w.N.).
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b) Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.
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Der Zulassungsgrund für eine Revision zur Fortbildung des Rechts ist gegeben, wenn über bisher ungeklärte abstrakte Rechtsfragen zu entscheiden ist, insbesondere, wenn der Streitfall im allgemeinen Interesse Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen, Gesetzeslücken auszufüllen oder wenn gegen eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung Argumente vorgetragen werden, die der BFH noch nicht erwogen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Beschluss vom 17. Juni 2009 II B 33/08, BFH/NV 2010, 42, m.w.N.). Für diesen Zulassungsgrund gilt, wie für den der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, dass es sich um eine klärungsbedürftige und im Streitfall klärbare Rechtsfrage handeln muss (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2004 X B 48/04, BFH/NV 2005, 698, m.w.N.).
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Die von der Klägerin sowohl zum Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung als auch zur Fortbildung des Rechts identisch aufgeworfenen Rechtsfragen sind, wie bereits ausgeführt, nicht klärungsbedürftig.
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c) Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision auch nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung begehrt, hat sie die Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes nicht ansatzweise i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargetan.
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Annotations
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.
Der Bundesfinanzhof kann über die Revision in der Besetzung von fünf Richtern durch Beschluss entscheiden, wenn er einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Der Beschluss soll eine kurze Begründung enthalten; dabei sind die Voraussetzungen dieses Verfahrens festzustellen. § 126 Abs. 6 gilt entsprechend.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.