vorgehend
Verwaltungsgericht Würzburg, 5 K 12.221, 27.07.2012

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Die Beklagte wird in Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. Juli 2012 verpflichtet, dem Kläger die Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses mit drei Wohneinheiten gemäß Bauantrag vom 16. September 2011 BA-Nr. 1469-2011 zu erteilen.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt in diesem Verfahren die baurechtliche Genehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses mit drei Wohneinheiten gemäß dem am 16. September 2011 bei der Beklagten eingereichten (Tektur-) Bauantrag (mit Plänen vom 22.8.2011 Bauakt BA 1469-2011). Der Streitigkeit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

1. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2006 hatte die Beklagte dem Kläger auf Grundlage des § 33 Abs. 2 BauGB die Baugenehmigung für den „Neubau eines Mehrgenerationenhauses mit drei Wohneinheiten und Tiefgarage und drei oberirdischen Stellplätzen“ auf den Grundstücken Fl.Nr. 903, 903/1 und 903/2 der Gemarkung W. (im folgenden Baugrundstück) erteilt. Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des seit 9. Februar 2007 rechtsverbindlichen Bebauungsplans „2. Vereinfachte Änderung des Baulinien-Auflageplanes für das „Gebiet zwischen S.-straße, G.-weg und H.-weg“ - Z. ... - für die Grundstücke Fl.Nr. 903 und 903/1“. Die Baugenehmigung enthält eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von der Einhaltung der im (künftigen) Bebauungsplan festgesetzten Baugrenze auf der West- und Ostseite.

Im Mai 2009 stellte die Beklagte bei einer Baukontrolle fest, dass der Kläger bei der Realisierung des Bauvorhabens erheblich von den genehmigten Bauplänen abgewichen war. U. a. wiesen das Unter-, Erd- und Obergeschoss planabweichend höhere Raumhöhen auf, so dass die genehmigte Gebäudehöhe um insgesamt ca. 1,80 m überschritten wurde. Statt der genehmigten Dachform (Flach- mit Satteldach) wurde ein Walmdach errichtet. An der Südseite des Vorhabens wurde im Eingangsbereich entgegen der Baugenehmigung ein Vorbau mit Balkon im Obergeschoss erstellt. Ferner wurde das Schwimmbecken nach Nordwesten außerhalb der festgesetzten Baugrenzen verschoben und wesentlich größer als genehmigt ausgeführt. Wegen dieser Planabweichungen stellte die Beklagte die Bauarbeiten ein.

2. In der Folge reichte der Kläger mehrere Tekturbauanträge ein, welche die Beklagte jedoch als nicht genehmigungsfähig erachtete und die der Kläger daraufhin wieder zurückzog. Am 25. Mai 2010 reichte der Kläger bei der Beklagten eine weitere, als „1. Planänderung vom 25.05.2010“ bezeichnete Tekturplanung (Bauakt BA 23084-2010) ein. Der Antrag sah eine Reduzierung des im Rohbau errichteten Gebäudes vor und enthielt auch eine Darstellung der Rückbauten und Änderungen hinsichtlich der Gebäudehöhen, Ansichten, Grundrisse und Außenanlagen. Dieser Eingabeplanung stimmte der Stadtrat der Beklagten in seiner Sitzung vom 17. Juni 2010 zu.

3. Mit für sofort vollziehbar erklärter Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 verpflichtete die Beklagte den Kläger unter Androhung von Zwangsgeldern, das im Rohbau erstellte Gebäude nach den eingereichten Plänen 01.1, 02.1 und 03.1 vom 25. Mai 2010 zurückzubauen. Am 25. Juni 2010 fand hierzu bei der Beklagten eine Besprechung mit dem Kläger und dessen Bevollmächtigtem statt. Mit Schreiben vom gleichen Tage erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, dass er mit dem Inhalt der Rückbauanordnung einverstanden sei und gleichzeitig auf die Einlegung von Rechtsbehelfen gegen diesen Bescheid verzichte.

4. Ein Antrag des Klägers, im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollziehung der Rückbauanordnung in den Nrn. I, II und IV auszusetzen, hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg (Beschluss vom 8.12.2010 - W 5 E 10.1137). Auf die Beschwerde der Beklagten lehnte der erkennende Senat mit Beschluss vom 2. Mai 2011 Az. 9 CE 10.3104 unter Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung den Antrag ab. In der Folge nahm der Kläger daraufhin den Rückbau vor.

5. Nach Zukauf einer Teilfläche von ca. 200 m² aus dem nördlichen Nachbargrundstück (Fl.Nr. 889) nahm der Kläger seinen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung auf der Basis der Eingabeplanung vom 25. Mai 2010 zurück und beantragte zugleich, die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 aufzuheben. Zur Begründung führte er aus, wegen des Zukaufs des Nachbargrundstücks sei die Thematik Abstandsflächenüberschreitung erledigt. Das bestehende Gebäude entspreche vollumfänglich dem Bebauungsplan. Die Frage, ob die Rückbauanordnung gemäß Art. 49 BayVwVfG zu widerrufen ist, ist Gegenstand des beim Senat ebenfalls anhängigen Verfahrens Az. 9 B 13.1400.

6. Am 16. September 2011 stellte der Kläger bei der Beklagten einen weiteren (Tektur-) Bauantrag (mit Plänen vom 22.8.2011) zum Neubau eines Mehrgenerationenwohnhauses mit drei Wohneinheiten und Tiefgarage (Bauakt BA 1469-2011). Die eingereichten Pläne tragen die Unterschrift des nördlichen Grundstücksnachbarn (Fl.Nr. 889); im Hinblick auf die für das Vorhaben erforderlichen Abstandsflächen bezüglich der (ebenfalls im Eigentum des Klägers stehenden) Nachbargrundstücke Fl.Nr. 889/7 - hierbei handelt es sich um die zugekauften Teilfläche aus dem Grundstück Fl.Nr. 889 - und 903/2 legte der Kläger entsprechende Abstandsflächenübernahmeerklärungen vor.

Mit Bescheid vom 4. Mai 2012 lehnte die Beklagte diesen Bauantrag wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses ab. Der Bauantrag stelle sich letztlich als Antrag auf Genehmigung des Mehrgenerationenhauses in den Ausmaßen des bis zur Baueinstellung vom 14. Mai 2009 errichteten Gebäudes dar. Die bestandskräftige Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 gelte - wie jede andere auf Art. 76 Satz 1 BayBO gestützte Beseitigungsanordnung auch - über den Zeitpunkt des erfolgten Rückbaus hinaus weiter. Sie verbiete daher auch eine Wiedererrichtung der vorgenannten Bauteile.

7. Mit Urteil vom 27. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht die Verpflichtungsklage des Klägers auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung unter Bezugnahme auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Ablehnungsbescheids abgewiesen. Der Kläger habe bezüglich der Rückbauanordnung einen wirksamen Rechtsbehelfsverzicht erklärt. Ein Anspruch auf Widerruf oder Rücknahme der Rückbauanordnung stehe ihm nicht zu. Aufgrund seines Rechtsbehelfsverzichts und der Gesamtumstände sei der Kläger so zu behandeln, wie wenn er mit der Beklagten eine beide Seiten bindende „Vereinbarung“ getroffen hätte. Die bestandskräftige Rückbauanordnung führe zum Fehlen jeden Sachbescheidungsinteresses des Klägers für Bauanträge, die über das nach der Rückbauanordnung noch Zulässige hinausgingen. Der Kläger habe sich dadurch seiner weiteren Baurechte begeben.

Nach Zulassung der Berufung (Beschluss des Senats vom 4.7.2012 - 9 ZB 12.1974) verfolgt der Kläger im Berufungsverfahren sein Begehren weiter. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das von ihm beantragte Bauvorhaben sei baurechtlich genehmigungsfähig. Es entspreche den Vorgaben des Bebauungsplans. Aufgrund des inzwischen erfolgten Grundstückszukaufs vom Nachbargrundstück seien auch die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen eingehalten. Dies gelte auch dann, wenn das Vorhaben (wieder) mit dem ursprünglichen Walmdach versehen und dadurch 1,81 m höher werde. Von einer Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens sei das Verwaltungsgericht bereits in seiner im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidung vom 8. Dezember 2010 ausgegangen.

Ferner wendet er sich gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Klage fehle aufgrund der bestandskräftigen Rückbauanordnung für sein Bauvorhaben das Sachbescheidungsinteresse. Das Vorhaben sei nach den heutigen Maßstäben zu beurteilen und damit genehmigungsfähig. Jede andere Entscheidung stelle nach dem Wegfall des Schutzzwecks der Rückbauanordnung und der Unterschriftsleistung des betreffenden Nachbarn auf den Planvorlagen einen unerträglichen und von ihm nicht hinnehmbaren Eingriff in seine Grundrechte dar. Sein Rechtsbehelfsverzicht stelle entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts keine beide Seiten „bindende Vereinbarung“, ähnlich einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, dar. Seine Berufung auf die tatsächlich geänderte Situation stelle auch keine Umgehung der Rückbauanordnung und des Rechtsmittelverzichts dar. Für diese „Vereinbarung“ sei wegen der inzwischen eingetretenen Änderungen die Geschäftsgrundlage weggefallen. Mit der aus freien Stücken erfolgten Unterschrift des Nachbarn unter die nunmehr zur Genehmigung gestellten Pläne sei der wesentliche Umstand, der Auslöser für die Rückbauanordnung und den Rechtsbehelfsverzicht gewesen sei, weggefallen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 27. Juli 2012 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses mit drei Wohneinheiten gemäß Bauantrag vom 16. September 2011 Bauakt BA 1469-2011 zu erteilen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der neuerliche Bauantrag sei nichts anderes als ein Antrag auf Genehmigung des Wohnhauses, das zum Zeitpunkt der Baueinstellung am 14. Mai 2009 errichtet gewesen sei. Eine Genehmigung wäre daher nichts anderes als die Umgehung der gegenüber dem Kläger ergangenen bestandskräftigen Rückbauanordnung. Geschäftsgrundlage dieser Rückbauanordnung und des Rechtsbehelfsverzichts sei es nach dem erklärten Willen des Stadtrats gewesen, dass der Kläger sein Grundstück ausschließlich mit einem Gebäude bebauen könne, das der geänderten Planung vom 25. Mai 2010 entspreche. Dadurch sollte beiderseits der vom Kläger beantragte angeblich endgültige Zustand entsprechend fixiert und verhindert werden, dass der Stadtrat erneut mit darüber hinausgehenden Forderungen des Klägers konfrontiert werde. Genau dieses versuche der Kläger aber mit seinem verfahrensgegenständlichen Bauantrag. Ein derartiges widersprüchliches Verhalten könne nach den geltenden Rechtsgrundsätzen nicht durchdringen.

Die Beklagte tritt ferner der Auffassung des Klägers entgegen, dass infolge der Zustimmung des Nachbarn zum verfahrensgegenständlichen Bauantrag die Geschäftsgrundlage für die Rückbauanordnung weggefallen sei bzw. sich die Sach- und Rechtslage geändert habe. Das mündliche Einverständnis des Nachbarn habe zeitlich bereits weit vor der Erklärung des Rechtsbehelfsverzichts vorgelegen. Der Grundstückserwerb von diesem Nachbarn habe den ausschließlichen Zweck verfolgt, die für die Genehmigung der geänderten Planung vom 25. Mai 2010 erforderlichen Voraussetzungen herzustellen. Angesichts des Inhalts der im notariellen Kaufvertrag vereinbarten Dienstbarkeit zugunsten des Verkäufers stelle dieser Grundstückserwerb im Übrigen ein reines Umgehungsgeschäft der vom Stadtrat eigentlich gewünschten Regelung dar. Nach Auffassung der Beklagten sei der seinerzeit vereinbarte Rechtsbehelfsverzicht nicht „verbraucht“, sondern entfalte weiterhin seine volle Wirkung und könne nicht durch einen neuen Bauantrag umgangen werden. Die Erklärung vom 25. Juni 2010 beinhalte über einen formellen Rechtsbehelfsverzicht durch Einigung mit der Behörde einen materiellen Anspruchsverzicht auf Erteilung genau dieser Baugenehmigung. Als Dauerverwaltungsakt gelte die Rückbauanordnung auch gegen den Rechtsnachfolger.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Hauptsache- und des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens sowie der Verfahren betreffend die Rückbauanordnung (Az. 9 B 13.1400 und 9 CE 11.2554) wie auch auf die entsprechenden Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung zu Unrecht abgewiesen. Die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 und der vom Kläger insoweit erklärte Rechtsbehelfsverzicht führen nicht zum Wegfall des Sachbescheidungsinteresses an der (positiven) Verbescheidung des Bauantrags vom 16. September 2011. Dem Bauantrag stehen keine Rechtsvorschriften entgegen, die zum Prüfprogramm des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens im Sinne des Art. 59 BayBO gehören. Der Grundsatz von Treu und Glauben hindert die Erteilung der begehrten Baugenehmigung ebenfalls nicht. Die Beklagte war daher in Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 27. Juli 2012 zu verpflichten, dem Kläger die beantragte (Tektur-) Baugenehmigung zu erteilen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2013 erklärten Einverständnisses der Beteiligten kann der Senat über die Berufung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Das Vorbringen der Beklagten, der Verzicht auf (weitere) mündliche Verhandlung habe nur für den Fall gelten sollen, dass das Gericht in gleicher Besetzung wie in der mündlichen Verhandlung entscheide, greift nicht durch.

Die Voraussetzungen, unter denen im Verwaltungsprozess eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen darf, sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (vgl. zuletzt BVerwG, B. v. 4.6.2014 - 5 B 11/14 - juris Rn. 11 f.). Das Einverständnis nach § 101 Abs. 2 VwGO ist danach eine grundsätzlich unwiderrufliche Prozesshandlung. Mit welchem Motiv bzw. Ziel es erklärt wird, ist unerheblich. Dass seit der Einverständniserklärung der Verfahrensbeteiligten mittlerweile nahezu ein Jahr vergangen ist, steht einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ebenfalls nicht entgegen. Denn die Einverständniserklärung unterliegt keiner zeitlichen Befristung (so ausdrücklich BVerwG, B. v. 4.6.2014 - 5 B 11/14 - juris Rn. 11 m. w. N. zu einer Streitsache, bei der zwischen der Abgabe der Einverständniserklärung und der gerichtlichen Entscheidung ein Zeitraum von zwei Jahren lag). Auch aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 1989, auf welche die Beklagte insoweit verweist, ergibt sich nichts, was einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren entgegenstehen würde (vgl. BVerwG, B. v. 17.5.1989 - 4 CB 6/89 - juris Rn. 7 ff.). Ein nach Übergang ins schriftliche Verfahren erfolgter Wechsel in der Besetzung der Richterbank stellt auch keine Änderung der Prozesslage dar, gleichgültig ob dieser Wechsel auf einer Neuverteilung der Geschäfte durch den Geschäftsverteilungsplan oder - wie hier - auf dem Ausscheiden einzelner an der mündlichen Verhandlung mitwirkender Richter aus dem Richterdienst oder aus dem zur Entscheidung berufenen Senat beruht.

Der Senat hat im Übrigen in der mündlichen Verhandlung offen dargelegt, dass im Hinblick auf den bevorstehenden Eintritt des Vorsitzenden in den Ruhestand (zum 31.1.2014) bei einer Entscheidung ohne (weitere) mündliche Verhandlung der Senat über die Streitsache zwangsläufig nicht in der personellen Besetzung der mündlichen Verhandlung werde entscheiden können. Dementsprechend wurde das Ende der vom Bevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erbetenen Schriftsatzfrist im Einvernehmen mit den Beteiligten auf Freitag, den 31. Januar 2014, gelegt. Die Äußerung des Bevollmächtigten der Beklagten ging beim Verwaltungsgerichtshof erst am letzten Tag dieser Frist um 20.00 Uhr mittels Faxschreiben ein. Eine Entscheidung über die Streitsache in der Senatsbesetzung der mündlichen Verhandlung war damit ersichtlich ausgeschlossen.

2. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung einen Rechtsanspruch auf Erteilung der begehrten (Tektur-) Baugenehmigung. Die Beklagte durfte die Genehmigung nicht unter Berufung auf ein fehlendes Sachbescheidungsinteresse versagen. Dem Vorhaben stehen auch keine Vorschriften entgegen, die im Hinblick auf Art. 59 BayBO die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung rechtfertigen könnten. Eine Genehmigung steht schließlich auch nicht im Widerspruch zum Grundsatz von Treu und Glauben.

a) Dem Kläger fehlt nicht das Sachbescheidungsinteresse an einer Verbescheidung des streitgegenständlichen Bauantrags. Die Baugenehmigungsbehörde darf einen Bauantrag mangels Sachbescheidungsinteresse ablehnen, wenn die Genehmigung für den Antragsteller ersichtlich nutzlos ist. Das ist dann der Fall, wenn feststeht, dass der Bauherr aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen, die jenseits des - auf die Erteilung der Baugenehmigung beschränkten - Verfahrensgegenstands liegen, an einer Verwertung der begehrten Genehmigung gehindert ist (vgl. Koch/Molodovsky/Famers, BayBO, Stand 5/2014, Art. 68 Rn. 40 m. w. N.; BayVGH, U. v. 28.11.2013 - 2 B 13.1587 - juris Rn. 27 m. w. N.). Erforderlich ist das Vorliegen eines „schlechthin nicht ausräumbaren“ Hindernisses an der Verwertung der Baugenehmigung (vgl. BVerwG, B. v. 12.8.1993 - 7 B 123/93 - juris).

Die Beklagte leitet im vorliegenden Fall ein fehlendes Sachbescheidungsinteresse des Klägers an einer (positiven) Verbescheidung seines Bauantrags primär aus der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 und dem vom Kläger insoweit erklärten Rechtsbehelfsverzicht vom 25. Juni 2010 ab. Sie beruft sich darauf, es sei erklärter Wille des Stadtrats gewesen, dass der Kläger sein Grundstück ausschließlich mit einem Gebäude bebauen könne, das der geänderten Eingabeplanung vom 25. Mai 2010 (Bauakt BA 23084-2010) entspreche. Durch die Rückbauanordnung und den insoweit vom Kläger erklärten Rechtsbehelfsverzicht hätten sich die Parteien darauf geeinigt, dass der rückgebaute Zustand den Endzustand des klägerischen Bauvorhabens darstellen solle. Hiergegen verstoße der Kläger mit seinem verfahrensgegenständlichen Bauantrag, der letztlich die baurechtliche Genehmigung des genehmigungswidrig errichteten Bauvorhabens zum Gegenstand habe und damit nichts anderes als die Umgehung der gegenüber ihm ergangenen bestandskräftigen Rückbauanordnung darstelle. Im Ergebnis setzt die Beklagte damit die Rückbauanordnung in Verbindung mit dem insoweit erklärten Rechtsbehelfsverzicht in ihren rechtlichen Wirkungen einem öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag im Sinne des Art. 55 BayVwVfG gleich. Rückbauanordnung und Rechtsbehelfsverzicht hätten insgesamt eine gegenseitige vertragliche Bindung bewirkt mit der Folge, dass der Kläger damit - über den formellen Rechtsbehelfsverzicht hinaus - durch Einigung mit der Beklagten auch materiell auf ein darüber hinausgehendes Baurecht verzichtet habe. Des Weiteren meint die Beklagte, die Rückbauanordnung stehe schon aufgrund ihres Rechtscharakters als Dauerverwaltungsakt der begehrten positiven Verbescheidung des streitgegenständlichen Bauantrags entgegen.

Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Der Kläger ist weder durch seinen Rechtsbehelfsverzicht noch durch die Rückbauanordnung selbst oder aus sonstigen Gründen an der Verwertung der von ihm beantragten Baugenehmigung gehindert.

aa) Die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 und der insoweit vom Kläger erklärte Rechtsbehelfsverzicht können weder in einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des Art. 55 BayVwVfG umgedeutet werden noch haben sie eine „vertragsähnliche“ Wirkung in dem Sinne, dass sie die Ablehnung des verfahrensgegenständlichen Bauantrags wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses rechtfertigen können. Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts muss sich der Kläger deshalb hier nicht so behandeln lassen, wie wenn er mit der Beklagten insoweit eine beide Seiten bindende „Vereinbarung“ des Inhalts getroffen hätte, dass für Bauanträge, die über das nach der Rückbauanordnung noch Zulässige hinausgehen, das Sachbescheidungsinteresse fehlen würde, weil er sich dadurch seiner weiteren (bzw. weitergehenden) Baurechte begeben hätte (so VG Würzburg, U. v. 27.7.2012 - W 5 K 12.221 - juris Rn. 33; U. v. 29.3.2012 - W 5 K 10.1135 - juris Rn. 53).

Zwar ist gemäß Art. 54 Satz 2 BayVwVfG auch im hoheitlichen Bereich grundsätzlich der Abschluss eines öffentlichen-rechtlichen Vertrags zulässig. Art. 55 BayVwVfG nennt insofern ausdrücklich die Möglichkeit, einen Vergleichsvertrag abzuschließen, um durch gegenseitiges Nachgeben eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit zu beseitigen. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung die Zulässigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags anerkannt, durch den sich ein Vertragspartner der Behörde gegenüber zur Beseitigung von baulichen Anlagen innerhalb einer bestimmten Frist verpflichtet; ein derartiger Vertrag wird als hinreichende rechtliche Grundlage dafür angesehen, diese Anlagen zu beseitigen und keine weiteren Anlagen zu errichten (vgl. BayVGH, U. v. 28.10.1996 - 14 B 94.1294 - BayVBl 1997, 596).

Um einen derartigen öffentlich-rechtlichen (Vergleichs-) Vertrag handelt es sich im vorliegenden Fall indes nicht. Vielmehr haben die Verfahrensbeteiligten das Rechtsinstitut des Vertrags hier gerade nicht gewählt. Die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 stellt zweifelsfrei einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar. Der Verwaltungsaktcharakter zeigt sich sowohl in der äußeren Form als auch inhaltlich: die Rückbauverpflichtung (Nr. I des Bescheids) wird auf Art. 76 Satz 1 BayBO gestützt, für sofort vollziehbar erklärt (Nr. II des Bescheids) und ist zwangsgeldbewehrt (Nr. IV des Bescheids). Die Beklagte hat sich damit des rechtlichen Instrumentariums bedient, das ihr als Bauaufsichtsbehörde zur wirkungsvollen Durchsetzung eines Verwaltungsakts zur Verfügung steht (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, Art. 29 ff. VwZVG). Von diesem rechtlichen Instrumentarium hat sie im vorliegenden Fall auch Gebrauch gemacht. Denn sie hat den Kläger beispielsweise mit Schreiben vom 17. Mai 2011 aufgefordert, die in der Rückbauanordnung angedrohten und fällig gewordenen Zwangsgelder in Höhe von 22.000 EUR zu bezahlen, und mit Bescheid vom gleichen Tage dem Kläger weitere Zwangsgelder (in Höhe von 33.000 EUR) angedroht.

Das Vorliegen eines Vergleichsvertrags im Sinne des Art. 55 BayVwVfG bzw. von „quasi vertraglichen Wirkungen“ lässt sich auch nicht aus den hier gegebenen Gesamtumständen ableiten. Derartige Wirkungen ergeben sich insbesondere nicht aus dem Schreiben des Klägers vom 25. Juni 2010 an die Bauaufsicht der Beklagten. Zwar hat der Kläger in diesem Schreiben ausgeführt, er habe der Stadtratssitzung vom 17. Juni 2010 persönlich beigewohnt und sowohl die Intention der Debatte als auch des Stadtratsbeschluss verstanden. Die von ihm im Hinblick darauf abgegebene Erklärung beschränkt sich aber ausdrücklich auf die „Rücknahmeanordnung“ (gemeint: Rückbauanordnung) vom 24. Juni 2010. Sein Einverständnis mit dem Inhalt der Rückbauanordnung im Gesamten und sein gleichzeitig erklärter Verzicht „auf die Einlegung von Rechtsbehelfen gegen diesen Bescheid“ (d. h. die Rückbauanordnung) ist nach dem objektiven Erklärungswert dieser Verzichtserklärung nur darauf gerichtet, die Bestandskraft der Rückbauanordnung bereits vor Ablauf der maßgeblichen Rechtsbehelfsfrist herbeizuführen. Die gesetzliche Intention einer Rückbauanordnung (Beseitigungsanordnung) besteht darin, rechtmäßige Zustände herzustellen (vgl. Art 76 Satz 1 letzter Halbsatz BayBO). Dementsprechend war der vom Kläger erklärte Rechtsbehelfsverzicht ein geeignetes Mittel dafür, dieses gesetzgeberische Ziel schnell und wirkungsvoll zu erreichen, weil dem Kläger dadurch die Anfechtungsmöglichkeit gegen die Rückbauanordnung genommen war.

Eine darüber hinausgehende rechtliche Bedeutung kommt dem Rechtsbehelfsverzicht hingegen nicht zu. Die entsprechende Erklärung des Klägers kann insbesondere nicht dahingehend ausgelegt werden, der Kläger habe mit seinem Rechtsbehelfsverzicht - auf Dauer - auf die Verwirklichung eines Vorhabens verzichten wollen, das von dem in der Rückbauanordnung fixierten Zustand abweicht, selbst wenn dieses Vorhaben den baurechtlichen Vorschriften entspricht. Wenn die Verfahrensbeteiligten seinerzeit eine derart umfassende Vereinbarung hätten treffen wollen, hätte ein insoweit übereinstimmender Wille eindeutig, unzweifelhaft und unmissverständlich zum Ausdruck kommen müssen. Die anderslautende Auffassung der Beklagten ist nicht mit dem Schriftformerfordernis des Art. 57 BayVwVfG in Einklang zu bringen. Dieses Erfordernis hat Warn- und Beweisfunktion. Es soll vor allem der Sicherheit des Rechtsverkehrs dienen, indem die Schriftform durch Dokumentation die Beweisbarkeit von Abschluss und Inhalt des Vertrags sicherstellt. Ob das Schriftformerfordernis zwingend verlangt, dass entsprechend dem Grundsatz der Urkundeneinheit (Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i. V. m. § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB) die Beteiligten ein- und dieselbe Urkunde unterzeichnen, ist zwar umstritten. Aber auch soweit die Rechtsprechung in besonderen Einzelfällen für das Zustandekommen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags mit Bindungswillen abgegebene Vertragserklärungen in einem beiderseitigen Schriftwechsel hat genügen lassen, lagen dem jeweils eindeutige und unmissverständliche wechselseitige Erklärungen der Beteiligten zugrunde (vgl. BVerwG, U. v. 24.8.1994 - 11 C 14/93 - juris Rn. 2 - BVerwGE 96, 326). Hieran fehlt es vorliegend.

bb) Auch die Rückbauanordnung selbst kann die Ablehnung des verfahrensgegenständlichen Bauantrags unter dem Blickwinkel des fehlenden Sachbescheidungsinteresses nicht rechtfertigen.

Bei der Frage, ob eine Beseitigungsanordnung - unabhängig davon, ob sie bestandskräftig oder rechtskräftig geworden ist - einem neuen Bauantrag entgegensteht, kommt es entscheidungserheblich darauf an, ob sich gegenüber dem Zeitpunkt ihres Erlasses die Sach- und Rechtslage geändert hat. Zwar entfaltet eine Beseitigungsanordnung über die einmalige Beseitigung einer (materiell rechtswidrigen) Bausubstanz hinaus „Dauerwirkung“ und unterbindet damit beispielsweise auch die Wiedererrichtung einer baurechtswidrigen Anlage (vgl. VGH BW, B. v. 28.3.2007 - 8 S 159/07 - BauR 2007, 1220). Andererseits werden die Rechtswirkungen einer Beseitigungsanordnung aber durch die Zielsetzung der Befugnisnorm des Art. 76 Satz 1 BayBO begrenzt. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, rechtmäßige Zustände herzustellen. Eine Baubeseitigung darf deshalb nur angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Dementsprechend muss die Bauaufsichtsbehörde eine Beseitigungsanordnung bis zu deren Vollzug unter Kontrolle halten (vgl. BayVGH, U. v. 29.4.1992 - 20 B 87.2993, S. 11 der Urteilsgründe - unveröffentlicht). Eine bestands- oder rechtskräftige Beseitigungsanordnung darf jedenfalls nicht mehr vollstreckt werden, wenn sich die mit Blick auf die Befugnisnorm des Art. 76 Satz 1 BayBO entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Beseitigungspflichtigen geändert hat (vgl. Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 53; BVerwG, U. v. 6.12.1985 - 4 C 23/83 und 4 C 24.4 C 24.83 - juris Rn. 10; BayVGH, U. v. 28.10.2008 - 2 B 05.3342 - juris Rn. 23 zur baurechtlichen Nutzungsuntersagung).

Entsprechendes gilt für die Rechtswirkungen einer Beseitigungsanordnung im Verhältnis zu einem neuen Bauantrag. Ist das beantragte Vorhaben aufgrund einer Änderung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage nunmehr genehmigungsfähig, kann die Baugenehmigung nicht unter Berufung auf ein infolge einer bestehenden Beseitigungsanordnung fehlendes Sachbescheidungsinteresse versagt werden. Letztlich kommt dieser Grundsatz auch in der gesetzlichen Regelung des Art. 76 Satz 3 BayBO deutlich zum Ausdruck. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde verlangen, dass ein Bauantrag gestellt wird. Hauptanwendungsfall dieser Vorschrift sind somit lediglich formell rechtswidrige, aber materiell rechtmäßige, also genehmigungsfähige, bauliche Anlagen, weil auf diese Weise insgesamt ein baurechtmäßiger Zustand geschaffen werden kann.

Für die Frage, ob im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung eine maßgebliche Änderung der Sach- und Rechtslage vorliegt, ist jedenfalls grundsätzlich darauf abzustellen, was die Bauaufsichtsbehörde zur Begründung der Rückbauanordnung angeführt hat und was im Hinblick auf die Zielsetzung einer Beseitigungsanordnung, rechtmäßige Zustände herzustellen, bedeutsam ist. Hieran gemessen liegt im vorliegenden Fall eine für die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens rechtserhebliche Änderung vor. Die Beklagte hat die Rückbauanordnung nämlich damit begründet, dass das im Rohbau erstellte Gebäude hinsichtlich der Gebäudehöhe, der Dachform, der Lage und Größe des Schwimmbads gravierend von der erteilten Baugenehmigung abweiche. Zudem halte es die nach den Abstandsflächenvorschriften erforderliche nördliche Abstandsfläche zum Nachbargrundstück Fl.Nr. 889 nicht ein. Das Schwimmbad liege vollkommen außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen. Die genehmigte Gebäudehöhe werde um 1,81 m überschritten.

Im Hinblick auf die materielle Rechtmäßigkeit des beantragten Vorhabens sind hier indes allein die in der Rückbauanordnung angeführten Widersprüche zu den materiellen bauaufsichtlichen Abstandsflächenvorschriften (Art. 6 ff BayBO) und zu den Festsetzungen des Bebauungsplans über die überbaubaren Grundstücksflächen (bezüglich des Schwimmbads) von Bedeutung. Insoweit liegt aber unter Zugrundelegung der streitgegenständlichen Eingabepläne ein derartiger Widerspruch nicht mehr vor. Die Beklagte stellt selbst nicht in Frage, dass mit dem Erwerb einer Grundstücksteilfläche von 200 m² aus dem Grundstück Fl.Nr. 889 durch den Kläger, dessen Neubildung als Grundstück Fl.Nr. 889/7 und der Vorlage entsprechender Abstandsflächenübernahmeerklärungen für dieses Grundstück und für das Grundstück Fl.Nr. 903/2 die bauaufsichtlichen Abstandsflächenvorschriften nunmehr eingehalten sind. Das Vorhaben liegt auch innerhalb des im Bebauungsplan ausgewiesenen Baufensters, so dass insoweit auch kein Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplans mehr besteht. Die Errichtung eines Schwimmbads ist - wie auch die Beklagte nicht in Frage stellt - nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Bauantrags.

Die in der Rückbauanordnung weiter genannte formelle Rechtswidrigkeit der baulichen Anlage und das Ausmaß der Abweichungen von den genehmigten Plänen können einem neuen Bauantrag ohnehin nicht entgegenstehen. Die Verärgerung der Beklagten über den Kläger ist insoweit zwar auch im Hinblick auf die hier gegebenen Gesamtumstände durchaus nachvollziehbar. Das Baurecht kennt aber - wie der Baureferent der Beklagten im Vorfeld der Stadtratssitzung vom 17. Juni 2010 ausweislich der Verwaltungsakten zu Recht ausgeführt hat - „weder Rache noch Sühne. Es geht lediglich um die Frage genehmigungsfähig oder nicht“. Entspricht ein Bauvorhaben diesem Maßstab, so hat der Bauwerber einen Rechtsanspruch auf die Erteilung der von ihm beantragten Baugenehmigung. Denn das Baurecht hat nicht die Aufgabe, rechtswidriges Verhalten zu sanktionieren (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.2013 - 4 C 15/12 - juris Rn. 9). Werden bauliche Maßnahmen unter Verstoß gegen geltendes Baurecht, insbesondere ohne oder in Abweichung von einer Baugenehmigung durchgeführt, kann dies im dafür vorgesehenen Ordnungswidrigkeitenverfahren mit Geldbuße geahndet werden (vgl. Art. 79 Abs. 1 Nr. 8 BayBO); dies ist hier ersichtlich geschehen. Sofern ein Vorhaben zwar dem geltenden Bauplanungsrecht entspricht, aber den planerischen Vorstellungen der Gemeinde zuwiderläuft, hält das Baugesetzbuch mit den planungssichernden Maßnahmen der §§ 14 ff. BauGB den rechtlichen Rahmen bereit.

cc) Soweit die Beklagte unter Hinweis auf die entsprechenden Ausführungen im Senatsbeschluss vom 2. Mai 2011 - 9 CE 10.3104 (siehe dort Rn. 45) ergänzend darauf verweist, dass auch Ziffer X des notariellen Kaufvertrags vom 12. Juli 2010 Urk.Nr. 2051 L/2010 zum Entfallen des Sachbescheidungsinteresses im Hinblick auf den klägerischen Bauantrag geführt habe, vermag auch dies die Ablehnung des Bauantrags nicht zu rechtfertigen. Die entsprechende Bestimmung des notariellen Kaufvertrags ist kein „schlechthin nicht ausräumbares“ Hindernis bezüglich der Verwertung der Baugenehmigung. Dies wird schon daraus ersichtlich, dass der betreffende Nachbar den verfahrensgegenständlichen Bauvorlagen als Nachbar zugestimmt hat.

b) Dem Vorhaben stehen zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung auch keine Vorschriften entgegen, die im Hinblick auf Art. 59 BayBO die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung rechtfertigen könnten. Davon geht ersichtlich auch die Beklagte selbst aus. Die von ihr nach Eingang des Bauantrags geforderten Korrekturen und Ergänzungen der Bauvorlagen hat der Kläger durch Einreichung ergänzender Unterlagen sowie Präzisierung bzw. Richtigstellung in den Eingabeplänen vorgenommen. Mit Blick auf die Festsetzungen des Bebauungsplans oder sonstige zum Prüfprogramm des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens gehörende öffentlich-rechtliche Vorschriften hat die Beklagte weder im weiteren Verlauf des Baugenehmigungsverfahrens noch im Ablehnungsbescheid vom 4. Mai 2012 oder im gerichtlichen Verfahren Einwendungen gegen die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens vorgetragen; solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Auch das Verwaltungsgericht geht im Übrigen - worauf der Kläger zu Recht verweist - davon aus, dass das Bauvorhaben in der zur Genehmigung gestellten Form und Größe rechtmäßig ist (vgl. VG Würzburg, B. v. 8.12.2010 - W 5 E 10.1137).

c) Schließlich steht der Erteilung der begehrten Baugenehmigung auch der Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht entgegen, der als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im öffentlichen Recht Geltung beansprucht (vgl. BVerwG, U. v. 20.3.2014 - 4 C 11/13 - juris Rn. 29). Ob dieser Grundsatz zum Tragen kommt, hängt von den im Einzelfall gegebenen besonderen Umständen ab. Anerkannt ist insbesondere, dass ein besonderer Fall des Verstoßes gegen Treu und Glauben die unzulässige Rechtsausübung bzw. das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) darstellt (vgl. BVerwG, U. v. 20.3.2014 - 4 C 11/13 - juris Rn. 31; U. v. 24.2.2010 - 9 C 1/09 - juris Rn. 38). Hierfür müssen besondere, in der Person oder im Verhalten des Klägers liegende Umstände vorliegen, die sein Verhalten als treuwidrig oder rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen.

Im vorliegenden Fall liegen derartige besondere, im Verhalten des Klägers begründete Umstände nicht vor. Letztlich leitet die Beklagte ein treuwidriges und widersprüchliches Verhalten des Klägers daraus ab, dass sie der Rückbauanordnung und dem vom Kläger insoweit erklärten Rechtsbehelfsverzicht eine Bedeutung beimisst, die diesen Handlungen in Wirklichkeit nicht zukommt. Ein materieller Baurechtsverzicht des Klägers liegt hier - wie dargelegt - gerade nicht vor, insoweit kann sich der Kläger mit seinem Begehren auf positive Verbescheidung seines neuen Bauantrags auch nicht in Widerspruch zu seinem seinerzeitigen Verhalten begeben. Die Beklagte mag aus ihrer Sicht mit der Rückbauanordnung und dem Rechtsmittelverzicht das Ziel verfolgt haben, dass ausschließlich und ungeachtet eines etwa bestehenden weitergehenden materiellen Baurechts der im Bauantrag vom 25. Mai 2010 (Bauakt BA 23084-2010) dargestellte und in der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 fixierte Zustand einen endgültigen Schlusspunkt setzen und jegliche Abweichung hiervon auf Dauer ausgeschlossen sein sollte. Darauf kommt es aber nicht an, sondern auf eine Würdigung des seinerzeitigen Verhaltens des Klägers. Wenn man hierbei die damaligen Gesamtumstände in den Blick nimmt, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses und des Rechtsmittelverzichts das Bauvorhaben des Klägers schon seit mehr als einem Jahr eingestellt war und der Kläger damit ein gewichtiges Interesse daran hatte, dass diese Baueinstellung aufgehoben wurde und er das Vorhaben fertigstellen konnte. Im Hinblick auf die in der Rückbauanordnung dargelegten Gründe konnte er im Übrigen durchaus subjektiv der Auffassung sein, dass bei Ausräumung der materiellen Genehmigungshindernisse eine nachträgliche Baugenehmigung erteilt werden konnte.

Auch die Tatsache, dass der Kläger die ihm in der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 auferlegten Rückbauten vorgenommen hat, mit dem streitgegenständlichen Bauantrag das Vorhaben aber nunmehr so verwirklichen will, wie es vor dem erfolgten Rückbau bestand, kann ihm nicht als treuwidriges Verhalten angelastet werden. Denn er hat den Rückbau ersichtlich nur im Hinblick auf die ansonsten von der Beklagten für den Fall der Zuwiderhandlung unmissverständlich angedrohte zwangsweise Durchsetzung vorgenommen.

d) Schließlich lässt sich auch aus der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidung des Senats vom 2. Mai 2011 Az. 9 CE 10.3104 nichts dafür herleiten, was der beantragten Genehmigung tragend entgegenstehen könnte. Eine Bindung des Gerichts in seiner Entscheidung über die Hauptsache an die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangene Entscheidung oder die dort angestellten Erwägungen gibt es nicht.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr.10 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO angeführten Gründe vorliegt.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

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(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüg

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Baugesetzbuch - BBauG | § 33 Zulässigkeit von Vorhaben während der Planaufstellung


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(1) In Gebieten, für die ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, ist ein Vorhaben zulässig, wenn

1.
die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2 und § 4a Absatz 2 bis 4 durchgeführt worden ist,
2.
anzunehmen ist, dass das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht entgegensteht,
3.
der Antragsteller diese Festsetzungen für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich anerkennt und
4.
die Erschließung gesichert ist.

(2) In Fällen des § 4a Absatz 3 Satz 1 kann vor der erneuten Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung ein Vorhaben zugelassen werden, wenn sich die vorgenommene Änderung oder Ergänzung des Bebauungsplanentwurfs nicht auf das Vorhaben auswirkt und die in Absatz 1 Nummer 2 bis 4 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind.

(3) Wird ein Verfahren nach § 13 oder § 13a durchgeführt, kann ein Vorhaben vor Durchführung der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung zugelassen werden, wenn die in Absatz 1 Nummer 2 bis 4 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind. Der betroffenen Öffentlichkeit und den berührten Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange ist vor Erteilung der Genehmigung Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist zu geben, soweit sie dazu nicht bereits zuvor Gelegenheit hatten.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Nach Umstellung seines ursprünglich auf Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 gerichteten Klageantrags begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Nichtverbescheidung seines Antrags auf Aufhebung der Rückbauanordnung im Zeitraum vom 30. Dezember 2010 (drei Monate nach Stellung des Aufhebungsantrags) bis zum 19. März 2015 (teilweiser Widerruf der Rückbauanordnung) rechtswidrig gewesen ist.

Nachdem die Beklagte anlässlich einer Baukontrolle am 14. Mai 2009 festgestellt hatte, dass der Kläger bei der Ausführung des mit Bescheid vom 22. Dezember 2006 genehmigten Vorhabens zum „Neubau eines Mehrgenerationenhauses mit drei Wohneinheiten und Tiefgarage und drei oberirdischen Stellplätzen“ erheblich von den mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen abgewichen war, stellte sie die Bauarbeiten des im Rohbau errichteten Gebäudes mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 15. Mai 2009 ein.

Anlässlich eines unter dem Datum 25. Mai 2010 vom Kläger eingereichten Tekturbauantrags „1. Planänderung“ (Bauakte BA 23084-2010), der eine Reduzierung des Rohbaus vorsah und den die Beklagten für genehmigungsfähig erachtete, erließ die Beklagte die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010. Darin wurde der Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verpflichtet, das im Rohbau erstellte Gebäude nach den eingereichten Tekturplänen 01.1, 02.1 und 03.1 vom 25. Mai 2010 zurückzubauen. Die Anordnung umfasste insbesondere folgende Maßnahmen:

„1. Entfernen des geneigten Daches (mit einer Höhe von bisher max. 275,71 m ü.NN) bis auf eine Höhe von 256,045 m ü.NN.

2. Entfernen des eingehausten Aufgangs zum Dach.

3. Entfernen des ca. 170 m³ großen Schwimmbads in der nordwestlichen Grundstücksecke durch Ausbau der Betonelemente.

4. Entfernen der zur Nordseite gerichteten Balustraden im Erdgeschoß.“

Für den Fall, dass der Kläger der Rückbauverpflichtung nicht bis spätestens vier Monate nach Bekanntgabe dieses Bescheids nachkommt, wurden dem Kläger Zwangsgelder von 2.000 € bis zu 10.000 € angedroht. Zur Bescheidsbegründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das im Rohbau erstellte Gebäude hinsichtlich der Gebäudehöhe, der Dachform, der Lage und Größe des Schwimmbads u.s.w. gravierend von der Baugenehmigung vom 22. Dezember 2006 abweiche. Zudem halte das Gebäude die erforderliche nördliche Abstandsfläche zum Grundstück FlNr. ... nicht ein, das Schwimmbad liege völlig außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen, die genehmigte Gebäudehöhe werde um 1,81 m überschritten. Da der geänderten, reduzierten Planung vom 25. Mai 2010 vom Stadtrat unter bestimmten Bedingungen (teilweiser Rückbau, Rechtsbehelfsverzicht gegen Rückbauanordnung und Erwerb einer Teilfläche von ca. 200 m² aus dem Grundstück FlNr. ...) zugestimmt worden sei, werde zur Erfüllung einer Bedingung die teilweise Beseitigung der ohne Genehmigung errichteten Bauteile ausgesprochen. Ausweislich eines Aktenvermerks fand am 25. Juni 2010 eine Besprechung mit dem Kläger im Beisein seines Rechtsanwalts bei der Beklagten statt, in der u. a. die Rückbauanordnung erläutert und die weitere Vorgehensweise vereinbart wurden. Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 25. Juni 2010 sein Einverständnis mit dem Inhalt der Rückbauanordnung und verzichtete gleichzeitig auf die Einlegung von Rechtsbehelfen gegen die Rückbauanordnung.

Mit am 31. August 2010 bei der Beklagten eingegangenem Antrag beantragte der Kläger die Zulassung eines von der Tekturplanung vom 25. Mai 2010 abweichenden Vorhabens in Form einer Vorlage im Genehmigungsfreistellungsverfahren mit der Option der Weiterbehandlung als Antrag auf Baugenehmigung, falls ein Genehmigungsverfahren für erforderlich gehalten werde (Datum des Bauantrags einschl. Bauvorlagen 17.8.2010; Bauakte BA 23498-2010/BA 23555-2010). Mit dieser Planung sollte das im Rohbau befindliche Gebäude ohne Durchführung der angeordneten Rückbaumaßnahmen legalisiert und zu Ende geführt werden. Ein Schwimmbad war allerdings nicht mehr vorgesehen. Mit Schreiben vom 14. September 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein bauaufsichtliches Genehmigungsverfahren eingeleitet werde, weil die Voraussetzungen für eine Freistellung nicht vorliegen würden. Nachdem der Kläger mit notariellem Kaufvertrag vom 12. Juli 2010 eine Teilfläche von ca. 200 m² aus dem Nachbargrundstück FlNr. ... Gemarkung W... zugekauft hatte, nahm er mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 29. September 2010 seinen Bauantrag vom 25. Mai 2010 zurück und beantragte bei der Beklagten, die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 aufzuheben. Am 16. September 2011 reichte der Kläger einen weiteren Bauantrag zum „Neubau eines Mehrgenerationenwohnhauses mit 3 Wohneinheiten und Tiefgarage ein“ (datiert einschl. Bauvorlagen auf den 22.8.2010 - Bauakte BA 1469-2011), der nach vorheriger Ablehnung durch die Beklagte zuletzt aufgrund des rechtskräftig gewordenen Urteils des Senats vom 25. November 2014 (Az. 9 B 13.1401) mit Bescheid vom 23. Juli 2015 bauaufsichtlich genehmigt wurde.

Da die Beklagte dem Antrag des Klägers auf Aufhebung der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 unter Hinweis auf deren Bestandskraft nicht nachkam (vgl. Schreiben der Beklagten vom 18.10.2010), erhob der Kläger am 21. Oktober 2010 Klage beim Verwaltungsgericht mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 zu widerrufen. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 29. März 2012 ab.

Nach Zulassung der Berufung (Beschluss des Senats vom 4. Juli 2013 - 9 ZB 12.1124) verfolgte der Kläger zunächst sein Verpflichtungsbegehren weiter. Nachdem die Beklagte die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 hinsichtlich der Nrn. I.1, I.2 und I.4 mit Bescheid vom 19. März 2015 mit Wirkung für die Zukunft widerrufen hatte und der Berichterstatter deshalb mit Schreiben vom 11. Mai 2015 anregte, die Hauptsache übereinstimmend für erledigt zu erklären, stellte der Kläger mit Schriftsatz vom 22. Mai 2015 seinen Verpflichtungsantrag dahingehend um, festzustellen, dass die Nichtverbescheidung seines Antrags auf Aufhebung der Rückbauanordnung vom 29. September 2010 im Zeitraum vom 30. Dezember 2010 bis zum 19. März 2015 rechtswidrig war. Zur Begründung dieser Fortsetzungsfeststellungsklage wird ausgeführt, dass die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 nach dem Teilaufhebungsbescheid der Beklagten vom 19. März 2015 aufgrund des Widerrufs der Nrn. I.1, I.2 und I.4 rechtlich nicht mehr existent sei. Nr. I.3 der Rückbauanordnung habe de facto ihre Erledigung gefunden. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei auch und gerade dann statthaft, wenn die Verwaltung der Beklagten trotz des Antrags des Klägers vom 29. September 2010 untätig geblieben und aus diesem Grunde der Aufhebungsbescheid nicht erlassen worden sei. Eine Klageänderung nach § 91 VwGO sei in der Umstellung auf den Fortsetzungsfeststellungsantrag nicht zu sehen. Aufgrund der Vermeidung möglicher Folgeprozesse sowie der beabsichtigten Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der Beklagten für den Fall eines rechtswidrigen Handelns habe der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 in dem im Antrag angegebenen Zeitraum. Der Bau des Hauses sei nunmehr seit sechs Jahren eingestellt. Der Kläger sei im Weg der Verwaltungsvollstreckung gezwungen worden, das Dach abzureißen und somit das gesamte Bauwerk ungeschützt den Witterungseinflüssen auszusetzen; der erhebliche materielle Schaden, der dem Kläger aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten entstanden sei, stelle ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten dar. Der Kläger habe klar zum Ausdruck gebracht, dass er seinen Anspruch auf Schadensersatz als Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG gegen die Beklagte geltend mache und zwar aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten.

Die Bezugnahme der Beklagten auf die sog. „Kollegialgerichtsregel“ sei unbehelflich. In der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 8. Dezember 2010 (Az. W 5 E 10.1137) sei ausgeführt worden, dass die Klage auf Aufhebung der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 voraussichtlich Aussicht auf Erfolg haben werde. Aufgrund dieser Entscheidung habe die Beklagte nicht davon ausgehen können, dass die Rückbauanordnung Bestand haben werde. Die Aufhebung dieser Entscheidung durch den Senat mit Beschluss vom 2. Mai 2011 (Az. 9 CE 10.3104) ändere daran nichts, weil der Senat im Urteil vom 25. November 2014 (Az. 9 B 13.1401) ausgeführt habe, dass sich aus der Entscheidung vom 2. Mai 2011 nichts dafür herleiten lasse, was einer beantragten Baugenehmigung entgegenstehen könne und es keine Bindung des Gerichts in seiner Entscheidung über die Hauptsache an die im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes ergangene Entscheidung gebe. Das (klageabweisende) Urteil des Verwaltungsgerichts im gegenständlichen Streit vom 29. März 2012 sei unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 2. Mai 2011 ergangen; dieses Urteil des Verwaltungsgerichts sei Gegenstand des Berufungsverfahrens, weshalb sich die Beklagte nicht auf die nicht rechtskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichts berufen könne. Hätten nicht erhebliche Zweifel an dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. März 2012 bestanden, wäre die Berufung nicht zugelassen worden.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei auch begründet. Entgegen der Annahme der Beklagten seien sowohl der Widerruf als auch die Rücknahme der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 in Betracht gekommen. Unter Berücksichtigung von § 75 Satz 2 VwGO habe eine Entscheidung der Beklagten bis spätestens zum 29. Dezember 2010 getroffen werden müssen. Somit könne festgestellt werden, dass die Nichtverbescheidung rechtswidrig gewesen sei; die Dauer der Rechtswidrigkeit habe mit Erlass des Widerrufsbescheids vom 19. März 2015 geendet. Die Beklagte habe spätestens zum 29. Dezember 2010 einen Widerruf der Rückbauanordnung erklären müssen. Eine Veränderung der Sach- und Rechtslage sei bereits am 12. Juli 2010 mit dem Zukauf des Nachbargrundstücks eingetreten, weil das bestehende Gebäude des Klägers durch den Zukauf nicht mehr gegen das Abstandsflächenrecht verstoßen habe. Insoweit habe auch das Verwaltungsgericht im Beschluss vom 8. Dezember 2010 (Az. W 5 E 10.1137) ausgeführt, dass die Klage auf Aufhebung der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 voraussichtlich Erfolg haben werde. Soweit die eingeleiteten Verfahren des Klägers in der Folgezeit abschlägig beschieden worden seien, sei dies auf den Beschluss des Senats vom 2. Mai 2011 (Az. 9 CE 10.3104) zurückzuführen, der in einem Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung ergangen sei. Wenn sich die Beklagte auf eine solche Entscheidung verlasse, zu der der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2013 erklärt habe, er würde sie heute nicht mehr treffen, gehe sie das Risiko ein, dass diese Entscheidung im Hauptsacheverfahren revidiert werde.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Nichtverbescheidung seines Antrags vom 29. September 2010 auf Aufhebung der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 im Zeitraum vom 30. Dezember 2010 bis zum Erlass des Bescheids der Beklagten vom 19. März 2015 rechtswidrig ist.

Die Beklagte beantragt,

den Feststellungsantrag zurückzuweisen.

Der Feststellungsantrag sei sowohl unzulässig als auch unbegründet. Die Umstellung des ursprünglichen Antrags, die Beklagte zu verurteilen, die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 aufzuheben, auf die nunmehr begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nichtverbescheidung des klägerischen Antrags auf Aufhebung der Rückbauanordnung im Zeitraum vom 30. Dezember 2010 bis zum 19. März 2015 sei eine unzulässige Klageänderung. Der Kläger habe auch kein berechtigtes Feststellungsinteresse geltend gemacht. Es fehle schon an der substantiierten Behauptung des Klägers, Schadensersatzansprüche im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs geltend zu machen. Abgesehen davon begründe die Absicht, einen Amtshaftungsprozess führen zu wollen, kein Feststellungsinteresse, wenn dieser offensichtlich aussichtslos sei. Da das Verwaltungsgericht und der Senat in einer Reihe von Entscheidungen die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 und den vom Kläger erklärten Rechtsbehelfsverzicht bestätigt hätten, hätten die Beklagte und ihre Mitarbeiter zu Recht entsprechend dieser gerichtlichen Entscheidungen ihr Verhalten danach ausgerichtet. Von einem Verschulden könne daher nicht die Rede sein. Der Feststellungsantrag sei auch unbegründet, weil die Beklagte den Antrag des Klägers vom 29. September 2010 auf Aufhebung der Rückbauanordnung (abschlägig) verbeschieden habe. Die Beklagte habe dem Kläger am 18. Oktober 2010 schriftlich mitgeteilt, dass die Rückbauanordnung Bestandskraft habe, weshalb ein Widerruf nicht in Betracht komme. Hierbei handle es sich um einen ablehnenden Bescheid i. S. v. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (auch in den Verfahren 9 B 13.1401, 9 CE 11.2554, 9 CE 10.3104 sowie W 5 K 12.221, W 5 K 10.1135, W 5 E 11.761, W 5 S 11.473, W 5 E 11.443, W 5 E 10.1238, W E 10.1137, W S 10.1136) und der hierzu beigezogenen Behördenakten der Beklagten verwiesen.

Gründe

Über die Berufung wird im Einverständnis mit den Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung hat keinen Erfolg; die Fortsetzungsfeststellungsklage ist unzulässig.

1. Gegenstand der Berufung ist nach Umstellung des ursprünglich auf Verpflichtung gerichteten Klageantrags mit Schriftsatz vom 22. Mai 2015 der Antrag des Klägers, festzustellen, „dass die Nichtverbescheidung des Antrags des Klägers vom 29. September 2010 auf Aufhebung der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 im Zeitraum vom 30. Dezember 2010 bis zum Erlass des Bescheids der Beklagten vom 19. März 2015 rechtswidrig ist“.

a) Würde man nur auf dessen Wortlaut abstellen, umfasste der Feststellungsantrag von vornherein ein unzulässiges Fortsetzungsfeststellungsbegehren.

Gegenstand der ursprünglichen Verpflichtungsklage des Klägers war (zuletzt) der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Aufhebung der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 durch einen von der Beklagten zu erlassenden Verwaltungsakt und nicht die bloße Bescheidung seines mit Schriftsatz vom 29. September 2010 bei der Beklagten gestellten Antrags, die Rückbauanordnung aufzuheben. Für eine Verpflichtungsklage auf Bescheidung schlechthin ohne Rücksicht auf den Inhalt des erstrebten Bescheids bestünde vorliegend ohnehin kein Rechtsschutzinteresse (vgl. BVerwG, B. v. 23.7.1991 - 3 C 56.90 - NVwZ 1991, 1180 = juris Rn. 4). Dementsprechend fehlte es auch der Fortsetzungsfeststellungsklage von vornherein am berechtigten Feststellungsinteresse im Hinblick auf einen vom Kläger angestrebten Staatshaftungsprozess, weil allein die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nichtverbescheidung präjudiziell nichts darüber besagt, in welche Richtung die Entscheidung der Beklagten hätte ergehen müssen.

b) Entgegen seines Wortlauts kann der Feststellungsantrag nach § 88 VwGO als Antrag auf Feststellung ausgelegt werden, dass die Beklagte verpflichtet war, die Rückbauanordnung aufzuheben (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) oder - hilfsweise - bei fehlender Spruchreife zumindest zur Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet war (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO; vgl. BVerwG, U. v. 27.3.1998 - 4 C 14.96 - BVerwGE 106, 295 zur etwaigen Herstellung der Spruchreife im Fall der Fortsetzungsfeststellungsklage). Dieses so verstandene Begehren ergibt sich bei verständiger Würdigung des klägerischen Vorbringens zum behaupteten Anspruch auf Aufhebung der bestandskräftigen Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010, insbesondere aus dem Vortrag zur Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage, wonach „die Verwaltung der Beklagten vorliegend untätig blieb und aus diesem Grunde der beantragte Verwaltungsakt - hier: in Gestalt eines Aufhebungsbescheids - von der Beklagten nicht erlassen wurde“ (vgl. Schriftsatz vom 13.8.2015, S. 2, II.1.).

2. Auch in dieser sachgerechten Auslegung des klägerischen Antrags erweist sich die Fortsetzungsfeststellungsklage als unzulässig.

a) Soweit sich der Fortsetzungsfeststellungsantrag seinem Wortlaut nach auch auf die in Nr. I.3 der Rückbauanordnung verfügte Beseitigung der Betonteile für das Schwimmbad in der nordwestlichen Grundstücksecke beziehen soll, ist die Umstellung auf die Fortsetzungsfeststellungsklage schon deshalb nicht statthaft, weil sich der Verpflichtungsantrag insoweit nicht erledigt hat. Mit Bescheid vom 19. März 2015 hat die Beklagte die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 nur hinsichtlich der „Ziffern I.1 (Entfernen des geneigten Daches), I.2 (Entfernen des Aufgangs zum Dach) und I.4 (Entfernen der Balustraden im EG)“ widerrufen. Die Ausführungen des Klägers in den Schriftsätzen vom 13. August 2015 und vom 26. Mai 2015, wonach Nr. I.3 der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 de facto ihre rechtliche Erledigung gefunden habe, weil die Beklagte in der mündlichen Verhandlungen vom 11. Dezember 2013 erklärt habe, keine weiteren Maßnahmen auf Grundlage der Rückbauanordnung zu planen, lassen darauf schließen, dass er auch insoweit seinen Verpflichtungsantrag nicht weiterverfolgt. Hätte der Kläger seinen Verpflichtungsantrag insoweit aufrechterhalten wollen, wäre ihm dies durch entsprechende Antragstellung möglich gewesen. Ohne dass es darauf ankommt, wäre die Verpflichtungsklage insoweit jedenfalls in der Sache ohne Erfolg geblieben, weil das z.T. ausgeführte Schwimmbad nach wie vor den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspricht und ein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von dessen Festsetzungen nicht in Betracht kommt.

b) Auch im Übrigen, also hinsichtlich der Nrn. I.1, I.2 und I.4 der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010, ist die umgestellte Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht statthaft.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein Feststellungsantrag als Fortsetzungsfeststellungsantrag entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nur statthaft, wenn sich ein Verpflichtungsantrag vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt hat und der Feststellungsantrag im Hinblick auf die Rechtslage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses - d. h. im Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses - gestellt wird (vgl. BVerwG, U. v. 4.12.2014 - 4 C 33.13 - BVerwGE 151, 36 = juris Rn. 21 m. w. N.; BVerwG, B. v. 21.1.2015 - 4 B 42.14 - juris Rn. 8; BVerwG m. w. N.; grundlegend Decker, Die Fortsetzungsfeststellungsklage in der Situation der Verpflichtungsklage, JA 2016, 241).

aa) Mit dem Kläger ist zunächst davon auszugehen, dass sich seine ursprüngliche Verpflichtungsklage aufgrund des Widerrufsbescheids vom 19. März 2015 erledigt hat, soweit es die Nrn. I.1, I.2 und I.4 der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 betrifft.

bb) Soweit der Kläger allerdings die Feststellung begehrt, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, seinen Antrag auf Aufhebung der Rückbauverfügung bereits ab dem 30. Dezember 2010 positiv zu bescheiden, ist der Feststellungsantrag als Fortsetzungsfeststellungsantrag unstatthaft (vgl. BVerwG, U. v. 4.12.2014 - 4 C 33.13 - BVerwGE 151, 36 = juris Rn. 21 m. w. N.; zur Unzulässigkeit der darin liegenden Klageerweiterung siehe nachfolgend Doppelbuchst. cc). Der Übergang von einem Verpflichtungs- zu einem Feststellungsbegehren nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO setzt voraus, dass der Streitgegenstand nicht ausgewechselt oder erweitert wird (vgl. BVerwG, U. v. 4.12.2014, a. a. O.). Nachdem Streitgegenstand der Verpflichtungsklage der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf den unterlassenen oder versagten Verwaltungsakt ist und es maßgeblich darauf ankommt, ob ihm dieser Anspruch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder - im schriftlichen Verfahren - im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zusteht, liegt ein statthaftes Fortsetzungsfeststellungsbegehren im Falle einer durch Erledigung des ursprünglichen Klagebegehrens unzulässig gewordenen Verpflichtungsklage grundsätzlich nur dann vor, wenn der Kläger nunmehr die Feststellung begehrt, dass er im Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses gegen die Beklagte einen Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt hatte. Nur dieser Antrag ist vom ursprünglichen Verpflichtungsantrag mitumfasst (vgl. BVerwG, B. v. 21.1.2015 - 4 B 42.14 - juris Rn. 8; U. v. 4.12.2014 - 4 C 33.13 - BVerwGE 151, 36 = juris Rn. 13, 21, jeweils m. w. N.; Decker, a. a. O., S. 242 ff.). Stellt der Kläger mit seinem Feststellungsantrag dagegen auf einen anderen Zeitpunkt ab als den unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses oder gar auf einen bestimmten Zeitraum, dann liegt keine Fortsetzungsfeststellungsklage vor, sondern eine allgemeine Feststellungsklage nach § 43 VwGO und damit eine Klageänderung gemäß § 91 VwGO (vgl. BVerwG, U. v. 4.12.2014, a. a. O., juris Rn. 23; BVerwG, U. v. 16.5.2007 - 3 C 8.06 - BVerwGE 129, 27 = juris Rn. 18; Decker, a. a. O., S. 243, jeweils m. w. N.). So liegt es hier. Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 „im Zeitraum vom 30.12.2010 bis zum Erlass des Bescheids der Beklagten vom 19.3.2015“ aufzuheben.

cc) Der den Zeitraum vom 30. Dezember 2010 bis zum 19. März 2015 umfassende Fortsetzungsfeststellungsantrag ist auch nicht im Weg einer Klageänderung nach § 91 VwGO als Feststellungsklage nach § 43 VwGO zulässig.

Nach § 91 Abs. 1 VwGO ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Das ist hier nicht der Fall. Die Beklagte hat der Umstellung der Klage auf den Feststellungsantrag des Klägers vom 22. Mai 2015 mit Schriftsatz vom 3. Juli 2015 ausdrücklich widersprochen; damit scheidet auch eine konkludent erklärte Einwilligung nach § 91 Abs. 2 VwGO aus. Der Senat erachtet die Klageänderung auch nicht für sachdienlich, weil mit ihr ein Streitstoff in das Verfahren eingeführt wird, der für den Ausgang des Verfahrens über die ursprünglich erhobene Verpflichtungsklage nicht entscheidungserheblich war und die Frage, ab welchem konkreten Zeitpunkt sich ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Aufhebung der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 ggf. hätte verdichten können, weitere umfangreiche Aufklärungsmaßnahmen in der Sache erforderlich macht. Ein etwaiger Anspruch gegen die Beklagte auf Aufhebung der Rückbauverfügung wäre - wenn überhaupt - jedenfalls nicht schon am 30. Dezember 2010 in Betracht gekommen, wie der Kläger meint, weil zu diesem Zeitpunkt der inzwischen aufgrund des Verpflichtungsurteils vom 25. November 2014 (Az. 9 B 13.1401) genehmigte Bauantrag vom 16. September 2011 noch nicht gestellt und der Erwerb eines Grundstücksstreifens von ca. 200 m² aus dem Nachbargrundstück zur Behebung des Abstandsflächenverstoßes bereits Inhalt der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 war. Diese bezog sich nicht lediglich auf die im Zeitpunkt ihres Erlasses bestehende Sach- und Rechtslage, die dem abweichend von den genehmigten Bauvorlagen ausgeführten Vorhaben entgegenstand, sondern umfasste zugleich die vom Kläger mit Einreichung seines Bauantrags am 25. Mai 2010 veranlasste Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, indem der angeordnete Rückbau auf die Ausführung des rechtswidrig errichteten Vorhabens gemäß den vom Kläger am 25. Mai 2010 eingereichten Bauplänen 01.1, 02.1 und 03.1 beschränkt wurde, deren bauaufsichtliche Genehmigung aber auch den Erwerb eines 200 m² großen Grundstücksstreifens aus dem Nachbargrundstück voraussetzte. Mit seiner Erklärung vom 25. Juni 2010 hat der Kläger nicht nur einen Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Rückbauanordnung ausgesprochen, sondern zugleich bestätigt, dass er „mit dem Inhalt dieses Bescheides im Gesamten einverstanden“ ist, also auch mit dem in der Rückbauanordnung geforderten Erwerb des Grundstücksstreifens.

c) Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Fortsetzungsfeststellungsantrags, des Vorbringens des Klägers, ein berechtigtes rechtliches Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 in dem im Antrag angegebenen Zeitraum zu haben, und der klägerischen Ausführungen zu der seiner Ansicht nach rechtswidrig unterlassenen Verbescheidung seines Aufhebungsantrags vom 29. September 2010 spricht wenig für eine Auslegung des Feststellungsantrags dahin, der Kläger begehre auch die Feststellung, zumindest im Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses einen Anspruch auf Aufhebung der Rückbauanordnung gehabt zu haben. Selbst wenn der Fortsetzungsfeststellungsantrag des Klägers dahin ausgelegt wird, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage zwar insoweit statthaft, mangels eines berechtigten Feststellungsinteresses entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aber gleichwohl unzulässig.

aa) Soweit der Kläger auch sein berechtigtes Feststellungsinteresse mit der „rechtswidrigen Nichtverbescheidung seines Antrags“ begründet, wurde bereits ausgeführt, dass die Umstellung einer Verpflichtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Minus zur Verpflichtungsklage nur statthaft ist, wenn mit der begehrten Feststellung der Streitgegenstand nicht ausgewechselt wird (vgl. BVerwG, U. v. 4.12.2014 - 4 C 33.13 - BVerwGE 151, 36 = juris Rn. 13 m. w. N.; grundlegend Decker, „Die Fortsetzungsfeststellungsklage in der Situation der Verpflichtungsklage“, JA 2016, 241 [242]). Das schließt einen Fortsetzungsfeststellungsantrag aus, wonach die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten Verwaltungsakts durch die Behörde rechtswidrig gewesen ist (und den Kläger in seinen Rechten verletzt). Bei der Prüfung der Begründetheit der Verpflichtungsklage hätte sich der Senat zwar auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. - im schriftlichen Verfahren - im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf Erteilung des beantragten Aufhebungsbescheids hat und die Weigerung der Beklagten in diesem Zeitpunkt deshalb rechtswidrig ist, nicht aber, ob der Kläger bereits zu einem davor liegenden Zeitraum einen Anspruch auf Aufhebung hatte oder die Weigerung der Aufhebung der Rückbauverfügung rechtswidrig war.

bb) Im Übrigen besteht das behauptete Präjudizinteresse auch deshalb nicht, weil die Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen durch den Kläger für den von ihm zur Entscheidung gestellten Zeitraum vom 30. Dezember 2010 bis zum Erlass des Widerrufsbescheids der Beklagten vom 19. März 2015 offensichtlich aussichtslos ist.

(1) Nach § 839 BGB, Art. 34 Satz 1 GG haftet die Beklagte als Anstellungskörperschaft zwar für ein etwaiges dienstliches Fehlverhalten ihrer mit der Bearbeitung und Entscheidung über den Aufhebungsantrag des Klägers vom 29. September 2010 befassten Beamten, wenn diese vorsätzlich oder fahrlässig die ihnen dem Kläger obliegende Amtspflicht verletzt haben. In der Rechtsprechung ist aber geklärt, dass einem Amtswalter auch bei fehlerhafter Rechtsanwendung regelmäßig kein Verschulden im Sinne des § 839 BGB vorzuwerfen ist, wenn seine Amtstätigkeit durch ein mit mehreren rechtskundigen Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung als objektiv rechtmäßig angesehen wird (st. Rspr., vgl. z. B. BVerwG, U. v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 = juris Rn. 44, Rn. 49 ff. m. w. N. - sog. „Kollegialgerichts-Richtlinie“). So liegt es hier.

(2) Die mit drei rechtskundigen Berufsrichtern besetzte Kammer des Verwaltungsgerichts ist aufgrund einer umfassenden und sorgfältigen Prüfung des vom Kläger geltend gemachten Verpflichtungsanspruchs mit Urteil vom 29. März 2012 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verpflichtungsklage unzulässig ist, weil sie eine Umgehung des vom Kläger erklärten Rechtsbehelfsverzichts vom 25. Juni 2010 darstellt sowie davon unabhängig auch in der Sache keinen Erfolg haben kann. Die Beklagte habe den Antrag des Klägers auf Widerruf der Rückbauanordnung ermessensfehlerfrei ablehnen können, der Kläger habe auch keinen fristgerechten Antrag auf Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens gestellt. Dass das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. März 2012 handgreiflich unrichtig wäre, etwa weil das Verwaltungsgericht einen unzureichend ermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt oder diesen nicht sorgfältig und erschöpfend gewürdigt hätte, in seinem rechtlichen Ausgangspunkt von einer verfehlten Betrachtungsweise ausgegangen oder wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hätte, ist nicht ersichtlich. Ob das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. März 2012 im Ergebnis richtig ist - wofür einiges spricht -, ist ohne Belang, weil das Verhalten des Amtswalters im Amtshaftungsprozess nur auf seine Vertretbarkeit hin zu überprüfen ist. Die Kollegialgerichts-Richtlinie beruht auf der Erwägung, dass von einem Beamten, der allein und im Drang der Geschäfte handeln muss und - wie hier - eine zweifelhafte und nicht einfach zu lösende Rechtsfrage zu beantworten hat, keine bessere Rechtseinsicht erwartet werden kann als von einem Gremium mit mehreren Rechtskundigen, das in voller Ruhe und reiflicher Überlegung entscheidet, nachdem vorher der Prozessstoff in ganzer Fülle vor ihm ausgebreitet worden ist (vgl. BGH, U. v. 4.11.2010 - BauR 2011, 544 = juris Rn. 37 m. w. N.). Dass die Rechtsfrage eines etwaigen Aufhebungsanspruchs des Klägers zweifelhaft und nicht einfach zu lösen war, zeigt schon die Entscheidung des ebenfalls mit drei rechtskundigen Berufsrichtern besetzten Senats im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz vom 2. Mai 2011 (Az. 9 CE 10.3104) über den Antrag des Klägers auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010. Darin ging auch der Senat davon aus, dass der vom Kläger erklärte Rechtsbehelfsverzicht vom 25. Juni 2010 wirksam erklärt worden ist und der Aufhebungsantrag des Klägers eine rechtsmissbräuchliche Umgehung dieses Rechtsbehelfsverzichts darstellt. Soweit der Kläger auf die ihm günstigere Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 8. Dezember 2010 (Az. W 5 E 10.1137) hinweist, ergibt sich nichts anderes. Zum einen wurde diese Entscheidung vom Senat mit Beschluss vom 2. Mai 2011 (Az. 9 CE 10.3104) aufgehoben, zum andern geht es - wie bereits ausgeführt - bei der Frage einer schuldhaften Amtspflichtverletzung nicht darum, ob die Entscheidung des Kollegialgerichts richtig ist oder von einer anderen Entscheidung abweicht.

(3) Das Urteil des Senats vom 25. November 2014 (Az. 9 B 13.1401), mit dem die Beklagte verpflichtet worden ist, dem Kläger eine Baugenehmigung gemäß seinem Bauantrag vom 16. September 2011 zu erteilen, musste bei der Beklagten zu keiner vom verwaltungsgerichtlichen Urteil vom 29. März 2012 abweichenden Rechtseinsicht führen. Zwar hat der Senat im Urteil vom 25. November 2014 ausgeführt, dass weder der vom Kläger erklärte Rechtsbehelfsverzicht vom 25. Juni 2010 noch die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 den Kläger an der Verwertung der von ihm beantragten Baugenehmigung hindern. Insoweit hat der Senat aber lediglich auf eine „für die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens rechtserhebliche Änderung“ abgestellt. Hinsichtlich des für den mit der Verpflichtungsklage im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Aufhebungsanspruchs hat der Senat aber - schon mangels Streitgegenständlichkeit - keine Feststellungen getroffen. Davon abgesehen konnten von der Rückbauanordnung im Zeitpunkt des Urteils vom 25. November 2014 nach vollständigem Vollzug der Anordnungen in Nr. I.1, I.2 und I.4 bereits im Jahr 2011 keine schadensauslösenden Wirkungen mehr ausgehen. Die Beklagte hatte im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2013 erklärt, dass sie (auch hinsichtlich des Schwimmbads, vgl. Nr. I.3 der Rückbauanordnung) keine weiteren Maßnahmen auf der Grundlage der Rückbauanordnung plane.

Soweit sich der Kläger auf einen Schaden beruft, der ihm aufgrund der sechsjährigen Einstellung des Hausbaus entstanden ist, kann er daraus kein besonderes Feststellungsinteresse im gegenständlichen Verfahren herleiten. Denn die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 war für den Erlass der Baueinstellungsverfügung vom 14./15. Mai 2009 nicht ursächlich. Die Verzögerung des Weiterbaus war ebenfalls nicht durch die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 veranlasst, die der Erteilung der Baugenehmigung nicht entgegenstand (vgl. Urteil des Senats vom 25. November 2014 - 9 B 13.1401), sondern aufgrund der Weigerung der Beklagten, dem Kläger die zuletzt mit Bauantrag vom 16. September 2011 beantragte Baugenehmigung zu erteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt (§ 47, § 52 Abs. 1 GKG).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der Grundsatzbedeutung und des Verfahrensmangels gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht (vgl. Beschluss vom 15. Januar 2014 - BVerwG 5 B 57.13 - ZOV 2014, 52 Rn. 3 m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt das Beschwerdevorbringen nicht.

4

a) Die Beschwerde hält die Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob eine Norm des revisiblen Landesrechts (hier: § 12 SächsBVO), die Teil einer wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage insgesamt nichtigen Verordnung ist, auf der Grundlage einer in der Folge geschaffenen Ermächtigungsgrundlage dann aber (erneut) bekannt gemacht worden ist, deshalb nichtig ist, weil eine erneute Bekanntmachung der Verordnung, auf die die Teilregelung Bezug nimmt, nicht erfolgt ist" (vgl. Beschwerdebegründung S. 8),

"ob eine Norm des revisiblen Landesrechts (hier: § 12 SächsBVO), die Teil einer wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage insgesamt nichtigen Verordnung ist und auf der Grundlage einer in der Folge geschaffenen Ermächtigungsgrundlage im Wege einer Änderungsverordnung 'neu gefasst' wird, bereits deshalb nichtig ist, weil eine nichtige Verordnung aufgrund eines fehlenden Änderungsgegenstandes auch nicht mehr geändert werden kann" (vgl. Beschwerdebegründung S. 8),

"ob Vertrauen auf die Nichtigkeit einer Norm des revisiblen Landesrechts (hier: § 12 SächsBVO) erst entstehen kann, wenn deren Nichtigkeit in einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts ausgesprochen wurde oder diese offenkundig nichtig ist" (vgl. Beschwerdebegründung S. 12),

"ob im Hinblick auf in den Beihilfevorschriften enthaltene Regelungen über einen Selbstbehalt ('Kostendämpfungspauschale') und einer vorgesehenen Befreiung von diesem Selbstbehalt für Beihilfeberechtigte, die sich in Elternzeit befinden, bei der Erhebung des Selbstbehalts zwischen der 'Person des Beihilfeberechtigten' und 'der Beihilfe' dergestalt unterschieden werden darf, dass die Erhebung bei Beihilfeberechtigten, die sich in Elternzeit befinden, für Aufwendungen berücksichtigungsfähiger Angehöriger gleichwohl stattfindet und damit ein (weiterer) Selbstbehalt erhoben wird" (vgl. Beschwerdebegründung S. 13 f.),

"ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, wenn in Beihilfevorschriften für die Erhebung eines Selbstbehalts nicht danach unterschieden wird, ob Aufwendungen des Beihilfeberechtigten oder berücksichtigungsfähiger Angehöriger geltend gemacht werden (der Selbstbehalt damit nur einmal anfällt), bei der Befreiung von diesem Selbstbehalt für Beihilfeberechtigte, die sich in Elternzeit befinden, eine solche Unterscheidung aber vorgenommen wird, so dass neben dem Selbstbehalt für den Beihilfeberechtigten (von dem befreit wird) noch ein weiterer Selbstbehalt für dessen berücksichtigungsfähige Angehörige angerechnet wird" (vgl. Beschwerdebegründung S. 14).

5

Diese allesamt mit Blick auf die Regelung über den Selbstbehalt in § 12 Sächsische Beihilfenverordnung vom 22. Juli 2004 (SächsGVBl S. 397) in der Fassung der Zweiten Verordnung der Sächsischen Staatsregierung zur Änderung der Sächsischen Beihilfenverordnung vom 26. September 2008 (SächsGVBl S. 590) - SächsBVO 2008 - aufgeworfenen Fragen führen schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision, weil sie ausgelaufenes Recht betreffen. § 12 SächsBVO 2008 wurde zum 1. September 2009 durch die Bestimmung des § 35 SächsBVO vom 2. Oktober 2009 (SächsGVBl S. 524) - SächsBVO 2009 - abgelöst, welche ihrerseits mit Wirkung zum 1. Januar 2013 durch die Regelung des § 60 SächsBVO vom 16. November 2012 (SächsGVBl S. 626), zuletzt geändert durch Verordnung vom 30. Oktober 2013 (SächsGVBl S. 815) - SächsBVO 2013 - ersetzt wurde. Fragen auslaufenden oder ausgelaufenen Rechts verleihen einer Rechtssache regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil dieser Zulassungsgrund die Revision eröffnen soll, um Fragen zur Auslegung des geltenden Rechts mit Blick auf die Zukunft richtungsweisend zu klären (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 5. Juni 2013 - BVerwG 5 B 7.13 - juris Rn. 6 m.w.N.).

6

Eine Revisionszulassung wegen solcher Fragen kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sich bei der gesetzlichen Bestimmung, die der außer Kraft getretenen Vorschrift nachgefolgt ist, die streitigen Fragen in gleicher Weise stellen. Trotz des Auslaufens des alten Rechts ist dann eine richtungsweisende Klärung zu erwarten, wie die neue Vorschrift anzuwenden ist (vgl. Beschluss vom 18. November 2010 - BVerwG 7 B 23.10 - juris Rn. 8 m.w.N.). Die Voraussetzungen dieses Ausnahmegrundes sind nicht schon dann anzunehmen, wenn nicht ausgeschlossen ist, dass sich die als rechtsgrundsätzlich angesehenen Fragen im Rahmen des geltenden Rechts in gleicher Weise wie bei der früheren Gesetzeslage stellen. Dies muss vielmehr offensichtlich sein (vgl. Beschlüsse 5. Juni 2013 a.a.O. Rn. 7 und vom 8. Dezember 2005 - BVerwG 6 B 81.05 - Buchholz 442.066 § 38 TKG Nr. 1 Rn. 5 jeweils m.w.N.). An dieser Offensichtlichkeit fehlt es hier.

7

§ 12 Abs. 2 SächsBVO 2008 ordnet an, dass der Selbstbehalt bei Beihilfeberechtigten entfällt, die sich in Elternzeit befinden. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs bezog sich diese Privilegierung nach dem Wortlaut der Vorschrift allein auf den Beihilfeberechtigten. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen beziehen sich auf die vom Oberverwaltungsgericht vertretene und von der Beschwerde angegriffene Rechtsansicht, dass § 12 Abs. 2 SächsBVO 2008 die berücksichtigungsfähigen Angehörigen des Beihilfeberechtigten nicht erfasst. Der geltende § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SächsBVO 2013 bestimmt hingegen ausdrücklich, dass der Selbstbehalt für Aufwendungen des sich in Elternzeit befindenden Beihilfeberechtigten und dessen berücksichtigungsfähigen Angehörigen entfällt.

8

Eine weitere Ausnahme von der Regel, dass Fragen des auslaufenden oder ausgelaufenen Rechts die Zulassung der Grundsatzrevision nicht rechtfertigen, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann anerkannt, wenn das in Rede stehende Recht - hier also § 12 SächsBVO 2008 - noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist die Beschwerde darlegungspflichtig. Es müssen Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von Altfällen dargetan und ersichtlich sein (vgl. Beschluss vom 30. Juli 2013 - BVerwG 5 B 2.13 - juris Rn. 8 m.w.N.). Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.

9

Sie trägt bereits zur Zahl der Fälle, die in Anwendung des § 12 SächsBVO 2008 abzuwickeln sind, nichts Konkretes vor. Sie beschränkt sich insoweit vielmehr auf den Hinweis, die aufgeworfenen Fragen könnten sich in einer Vielzahl von Fällen stellen, wenn aufgrund fehlender Ermächtigungsgrundlage nichtige Verordnungen nicht vollständig neu bekanntgemacht würden, sondern dies nur bei Teilregelungen erfolge (vgl. Beschwerdebegründung S. 12) bzw. wenn es zwar rechtskräftige Entscheidungen zur Nichtigkeit von gleichgelagerten Normen des Bundesrechts oder des Rechts eines anderen Landes, aber noch keine Entscheidung zum im konkreten Verfahren anwendbaren revisiblen Landesrecht gebe (vgl. Beschwerdebegründung S. 13). Dass und in welchem Umfang § 12 SächsBVO 2008 trotz seines Außerkrafttretens noch für offene Altfälle entscheidungserhebliche Bedeutung hat, wird damit nicht ausreichend dargetan. Gleiches gilt, soweit die Beschwerde bezüglich der aufgeworfenen Frage der Ungleichbehandlung von Beihilfeberechtigten und deren berücksichtigungsfähigen Angehörigen behauptet, sie betreffe alle Beihilfeberechtigten in Elternzeit, da nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden müsse, dass für ein Kind zwischen 0 und 3 Jahren in jedem Kalenderjahr Aufwendungen für Heilbehandlungen entstünden, und diese in der Regel auch einen Betrag von 100 € übersteigen würden (vgl. Beschwerdebegründung S. 16). Auch damit wird nicht substantiiert aufgezeigt, dass und für wie viele weitere noch nicht abgeschlossene Streitfälle die ausgelaufene Rechtsvorschrift des § 12 SächsBVO 2008 von entscheidungserheblicher Bedeutung sein soll.

10

b) Die als rechtsgrundsätzlich formulierten prozessrechtlichen Fragen,

"ob bei der Abgabe einer Erklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO durch die Beteiligten, wenn diese Erklärung erkennbar zum Zwecke einer Verfahrensbeschleunigung erfolgt ist, ein Gericht, das auch nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums keine Entscheidung getroffen hat, verpflichtet ist, die Beteiligten im Hinblick auf das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erneut anzuhören" (vgl. Beschwerdebegründung S. 16),

bzw.

"ob das Fehlen eines zeitlichen Bezugsrahmens in § 101 Abs. 2 VwGO im Hinblick auf den zu gewährleistenden Anspruch auf rechtliches Gehör auch nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums (hier: 2 Jahre) nach Abgabe der Erklärungen noch eine gerichtliche Entscheidung ohne vorherige Anhörung der Beteiligten zulässt oder ob das Gericht in diesen Fällen nicht verpflichtet ist, auf die nunmehr beabsichtigte Entscheidung hinzuweisen" (vgl. Beschwerdebegründung S. 17),

rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde insoweit den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt. Die Fragen führen jedenfalls der Sache nach nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Sie lassen sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung ohne Weiteres in für die Beschwerde negativer Weise beantworten, ohne dass es einer Überprüfung in einem Revisionsverfahren bedarf.

11

Der Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung soll den Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör sichern (vgl. Beschluss vom 8. November 2005 - BVerwG 10 B 45.05 - juris Rn. 5 m.w.N.). Die Verfahrenswahl einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet. Was die Voraussetzungen anbelangt, unter denen im Verwaltungsprozess eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zulässig ist, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin geklärt, dass § 101 Abs. 2 VwGO insoweit eine eigenständige und abschließende Regelung enthält (vgl. Beschlüsse vom 13. Dezember 2013 - BVerwG 6 BN 3.13 - juris Rn. 10 und vom 9. September 2009 - BVerwG 4 BN 4.09 - juris Rn. 27 jeweils m.w.N.). Danach kann das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Das Einverständnis nach § 101 Abs. 2 VwGO ist eine grundsätzlich unwiderrufliche Prozesshandlung (vgl. Beschluss vom 13. Dezember 2013 a.a.O. Rn. 8 m.w.N.). Es muss nach dem Grundsatz der Klarheit einer verfahrensbestimmenden Prozesserklärung klar, eindeutig und vorbehaltlos erklärt werden (vgl. Beschlüsse vom 8. November 2005 - BVerwG 10 B 45.05 - juris Rn. 4 und vom 17. Oktober 1997 - BVerwG 4 B 161.97 - Buchholz 310 § 87a VwGO Nr. 3 S. 4 jeweils m.w.N.). Die Einverständniserklärung unterliegt keiner zeitlichen Befristung. § 101 Abs. 2 VwGO sieht eine zeitliche Bindung des Gerichts nach Verzicht auf die mündliche Verhandlung nicht vor (vgl. Beschluss vom 9. September 2009 a.a.O. und vom 8. Juli 2008 - BVerwG 8 B 29.08 - juris Rn. 7 jeweils m.w.N.). § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO, der eine Drei-Monatsfrist bestimmt, ist nicht entsprechend über § 173 VwGO anwendbar (vgl. Beschlüsse vom 9. September 2009 a.a.O. und vom 19. Dezember 2001 - BVerwG 1 B 120.01 - Buchholz 310 § 116 VwGO Nr. 27 S. 6 jeweils m.w.N.). Der Verzicht auf mündliche Verhandlung bezieht sich seinem Inhalt nach aber lediglich auf die nächste Entscheidung des Gerichts und wird - wenn diese kein abschließendes Urteil ist - dadurch verbraucht. Er ist deshalb dann nicht mehr wirksam, wenn nach diesem Verzicht ein Beweisbeschluss ergeht, den Beteiligten durch einen Auflagenbeschluss eine Stellungnahme abgefordert wird oder Akten zu Beweiszwecken beigezogen oder sonst neue Erkenntnismittel in den Prozess eingeführt werden (vgl. Beschluss vom 13. Dezember 2013 a.a.O.). Eine Änderung der Prozesslage führt hingegen im Verwaltungsprozess weder von selbst zur Unwirksamkeit eines einmal erklärten Verzichts auf mündliche Verhandlung noch - wie in § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorgesehen - zu dessen Widerrufbarkeit (vgl. Beschluss vom 13. Dezember 2013 a.a.O. m.w.N.).

12

Ausgehend von dieser Rechtsprechung liegt es auf der Hand und bedarf keiner erneuten Durchführung eines Revisionsverfahrens, dass ein erklärtes Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht allein durch den Ablauf eines erheblichen Zeitraums verbraucht oder unwirksam wird. Des Weiteren folgt daraus, dass das Verstreichen eines erheblichen Zeitraums nach der Einverständniserklärung für sich auch nicht die Verpflichtung des Gerichts begründet, den Beteiligten mitzuteilen, ob von der durch das Einverständnis eröffneten Möglichkeit, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, Gebrauch gemacht werde und wann eine Entscheidung ergehen soll. Das Verwaltungsprozessrecht schreibt dem erkennenden Gericht solche Erklärungen nicht vor (vgl. Beschluss vom 10. Juni 1994 - BVerwG 6 B 45.93 - Buchholz 310 § 101 Nr. 20). Mit welchem Motiv bzw. Ziel das vorbehaltlos abzugebende Einverständnis erklärt wird, ist unerheblich. Daher spielt es - entgegen der Auffassung der Beschwerde - insoweit auch keine Rolle, dass das entscheidende Motiv für das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gegebenenfalls die Beschleunigung des Verfahrens war, das Verfahren durch den Verzicht auf mündliche Verhandlung aber im Ergebnis nicht beschleunigt wurde.

13

Rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf besteht im Hinblick auf die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen auch insofern nicht, als noch in entscheidungserheblicher Weise zu klären wäre, in welchen Fällen der Anspruch auf rechtliches Gehör dem Gericht gebieten kann, nach Ablauf eines (erheblichen) Zeitraums im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nach § 101 Abs. 2 VwGO davon abzusehen, von dem erklärten Verzicht Gebrauch zu machen. Insoweit ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt, dass es zwar im Ermessen des Gerichts steht, ob es trotz wirksamen Verzichts ohne mündliche Verhandlung entscheidet, das Gericht aber in diesem Zusammenhang dafür einzustehen hat, dass trotz der unterbleibenden mündlichen Verhandlung das rechtliche Gehör der Beteiligten nicht verletzt wird. Danach kann etwa die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung notwendig sein, wenn ein Beteiligter geltend macht, eine wesentliche Änderung der Prozesslage erfordere unter dem Gesichtspunkt seines rechtlichen Gehörs deren Durchführung (vgl. Beschlüsse vom 1. März 2006 a.a.O. und vom 13. Dezember 2013 - BVerwG 7 B 90.05 - juris Rn. 12). Eine solche Lage hat der Kläger hier jedoch weder substantiiert geltend gemacht noch ist ihr Vorliegen sonst erkennbar.

14

2. Soweit die Beschwerde schließlich einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO daraus herleiten will, dass das angegriffene Urteil erst mehr als zwei Jahre, nachdem der Kläger zur Beschleunigung des Verfahrens sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt habe, ergangen sei (vgl. Beschwerdebegründung S. 18), fehlt es bereits an der schlüssigen Bezeichnung des behaupteten Verfahrensmangels. Die Beschwerde legt nicht dar, dass der Verzicht des Klägers auf mündliche Verhandlung im Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr wirksam gewesen wäre, weil der Verwaltungsgerichtshof eine den Verzicht verbrauchende Zwischenentscheidung erlassen hätte oder die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung aus Gründen des rechtlichen Gehörs - etwa wegen einer vom Kläger begründet geltend gemachten wesentlichen Änderung der Prozesslage - das allein ermessensgerechte Verhalten des Gerichts gewesen wäre.

15

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der Grundsatzbedeutung und des Verfahrensmangels gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht (vgl. Beschluss vom 15. Januar 2014 - BVerwG 5 B 57.13 - ZOV 2014, 52 Rn. 3 m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt das Beschwerdevorbringen nicht.

4

a) Die Beschwerde hält die Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob eine Norm des revisiblen Landesrechts (hier: § 12 SächsBVO), die Teil einer wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage insgesamt nichtigen Verordnung ist, auf der Grundlage einer in der Folge geschaffenen Ermächtigungsgrundlage dann aber (erneut) bekannt gemacht worden ist, deshalb nichtig ist, weil eine erneute Bekanntmachung der Verordnung, auf die die Teilregelung Bezug nimmt, nicht erfolgt ist" (vgl. Beschwerdebegründung S. 8),

"ob eine Norm des revisiblen Landesrechts (hier: § 12 SächsBVO), die Teil einer wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage insgesamt nichtigen Verordnung ist und auf der Grundlage einer in der Folge geschaffenen Ermächtigungsgrundlage im Wege einer Änderungsverordnung 'neu gefasst' wird, bereits deshalb nichtig ist, weil eine nichtige Verordnung aufgrund eines fehlenden Änderungsgegenstandes auch nicht mehr geändert werden kann" (vgl. Beschwerdebegründung S. 8),

"ob Vertrauen auf die Nichtigkeit einer Norm des revisiblen Landesrechts (hier: § 12 SächsBVO) erst entstehen kann, wenn deren Nichtigkeit in einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts ausgesprochen wurde oder diese offenkundig nichtig ist" (vgl. Beschwerdebegründung S. 12),

"ob im Hinblick auf in den Beihilfevorschriften enthaltene Regelungen über einen Selbstbehalt ('Kostendämpfungspauschale') und einer vorgesehenen Befreiung von diesem Selbstbehalt für Beihilfeberechtigte, die sich in Elternzeit befinden, bei der Erhebung des Selbstbehalts zwischen der 'Person des Beihilfeberechtigten' und 'der Beihilfe' dergestalt unterschieden werden darf, dass die Erhebung bei Beihilfeberechtigten, die sich in Elternzeit befinden, für Aufwendungen berücksichtigungsfähiger Angehöriger gleichwohl stattfindet und damit ein (weiterer) Selbstbehalt erhoben wird" (vgl. Beschwerdebegründung S. 13 f.),

"ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, wenn in Beihilfevorschriften für die Erhebung eines Selbstbehalts nicht danach unterschieden wird, ob Aufwendungen des Beihilfeberechtigten oder berücksichtigungsfähiger Angehöriger geltend gemacht werden (der Selbstbehalt damit nur einmal anfällt), bei der Befreiung von diesem Selbstbehalt für Beihilfeberechtigte, die sich in Elternzeit befinden, eine solche Unterscheidung aber vorgenommen wird, so dass neben dem Selbstbehalt für den Beihilfeberechtigten (von dem befreit wird) noch ein weiterer Selbstbehalt für dessen berücksichtigungsfähige Angehörige angerechnet wird" (vgl. Beschwerdebegründung S. 14).

5

Diese allesamt mit Blick auf die Regelung über den Selbstbehalt in § 12 Sächsische Beihilfenverordnung vom 22. Juli 2004 (SächsGVBl S. 397) in der Fassung der Zweiten Verordnung der Sächsischen Staatsregierung zur Änderung der Sächsischen Beihilfenverordnung vom 26. September 2008 (SächsGVBl S. 590) - SächsBVO 2008 - aufgeworfenen Fragen führen schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision, weil sie ausgelaufenes Recht betreffen. § 12 SächsBVO 2008 wurde zum 1. September 2009 durch die Bestimmung des § 35 SächsBVO vom 2. Oktober 2009 (SächsGVBl S. 524) - SächsBVO 2009 - abgelöst, welche ihrerseits mit Wirkung zum 1. Januar 2013 durch die Regelung des § 60 SächsBVO vom 16. November 2012 (SächsGVBl S. 626), zuletzt geändert durch Verordnung vom 30. Oktober 2013 (SächsGVBl S. 815) - SächsBVO 2013 - ersetzt wurde. Fragen auslaufenden oder ausgelaufenen Rechts verleihen einer Rechtssache regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil dieser Zulassungsgrund die Revision eröffnen soll, um Fragen zur Auslegung des geltenden Rechts mit Blick auf die Zukunft richtungsweisend zu klären (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 5. Juni 2013 - BVerwG 5 B 7.13 - juris Rn. 6 m.w.N.).

6

Eine Revisionszulassung wegen solcher Fragen kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sich bei der gesetzlichen Bestimmung, die der außer Kraft getretenen Vorschrift nachgefolgt ist, die streitigen Fragen in gleicher Weise stellen. Trotz des Auslaufens des alten Rechts ist dann eine richtungsweisende Klärung zu erwarten, wie die neue Vorschrift anzuwenden ist (vgl. Beschluss vom 18. November 2010 - BVerwG 7 B 23.10 - juris Rn. 8 m.w.N.). Die Voraussetzungen dieses Ausnahmegrundes sind nicht schon dann anzunehmen, wenn nicht ausgeschlossen ist, dass sich die als rechtsgrundsätzlich angesehenen Fragen im Rahmen des geltenden Rechts in gleicher Weise wie bei der früheren Gesetzeslage stellen. Dies muss vielmehr offensichtlich sein (vgl. Beschlüsse 5. Juni 2013 a.a.O. Rn. 7 und vom 8. Dezember 2005 - BVerwG 6 B 81.05 - Buchholz 442.066 § 38 TKG Nr. 1 Rn. 5 jeweils m.w.N.). An dieser Offensichtlichkeit fehlt es hier.

7

§ 12 Abs. 2 SächsBVO 2008 ordnet an, dass der Selbstbehalt bei Beihilfeberechtigten entfällt, die sich in Elternzeit befinden. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs bezog sich diese Privilegierung nach dem Wortlaut der Vorschrift allein auf den Beihilfeberechtigten. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen beziehen sich auf die vom Oberverwaltungsgericht vertretene und von der Beschwerde angegriffene Rechtsansicht, dass § 12 Abs. 2 SächsBVO 2008 die berücksichtigungsfähigen Angehörigen des Beihilfeberechtigten nicht erfasst. Der geltende § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SächsBVO 2013 bestimmt hingegen ausdrücklich, dass der Selbstbehalt für Aufwendungen des sich in Elternzeit befindenden Beihilfeberechtigten und dessen berücksichtigungsfähigen Angehörigen entfällt.

8

Eine weitere Ausnahme von der Regel, dass Fragen des auslaufenden oder ausgelaufenen Rechts die Zulassung der Grundsatzrevision nicht rechtfertigen, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann anerkannt, wenn das in Rede stehende Recht - hier also § 12 SächsBVO 2008 - noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist die Beschwerde darlegungspflichtig. Es müssen Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von Altfällen dargetan und ersichtlich sein (vgl. Beschluss vom 30. Juli 2013 - BVerwG 5 B 2.13 - juris Rn. 8 m.w.N.). Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.

9

Sie trägt bereits zur Zahl der Fälle, die in Anwendung des § 12 SächsBVO 2008 abzuwickeln sind, nichts Konkretes vor. Sie beschränkt sich insoweit vielmehr auf den Hinweis, die aufgeworfenen Fragen könnten sich in einer Vielzahl von Fällen stellen, wenn aufgrund fehlender Ermächtigungsgrundlage nichtige Verordnungen nicht vollständig neu bekanntgemacht würden, sondern dies nur bei Teilregelungen erfolge (vgl. Beschwerdebegründung S. 12) bzw. wenn es zwar rechtskräftige Entscheidungen zur Nichtigkeit von gleichgelagerten Normen des Bundesrechts oder des Rechts eines anderen Landes, aber noch keine Entscheidung zum im konkreten Verfahren anwendbaren revisiblen Landesrecht gebe (vgl. Beschwerdebegründung S. 13). Dass und in welchem Umfang § 12 SächsBVO 2008 trotz seines Außerkrafttretens noch für offene Altfälle entscheidungserhebliche Bedeutung hat, wird damit nicht ausreichend dargetan. Gleiches gilt, soweit die Beschwerde bezüglich der aufgeworfenen Frage der Ungleichbehandlung von Beihilfeberechtigten und deren berücksichtigungsfähigen Angehörigen behauptet, sie betreffe alle Beihilfeberechtigten in Elternzeit, da nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden müsse, dass für ein Kind zwischen 0 und 3 Jahren in jedem Kalenderjahr Aufwendungen für Heilbehandlungen entstünden, und diese in der Regel auch einen Betrag von 100 € übersteigen würden (vgl. Beschwerdebegründung S. 16). Auch damit wird nicht substantiiert aufgezeigt, dass und für wie viele weitere noch nicht abgeschlossene Streitfälle die ausgelaufene Rechtsvorschrift des § 12 SächsBVO 2008 von entscheidungserheblicher Bedeutung sein soll.

10

b) Die als rechtsgrundsätzlich formulierten prozessrechtlichen Fragen,

"ob bei der Abgabe einer Erklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO durch die Beteiligten, wenn diese Erklärung erkennbar zum Zwecke einer Verfahrensbeschleunigung erfolgt ist, ein Gericht, das auch nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums keine Entscheidung getroffen hat, verpflichtet ist, die Beteiligten im Hinblick auf das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erneut anzuhören" (vgl. Beschwerdebegründung S. 16),

bzw.

"ob das Fehlen eines zeitlichen Bezugsrahmens in § 101 Abs. 2 VwGO im Hinblick auf den zu gewährleistenden Anspruch auf rechtliches Gehör auch nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums (hier: 2 Jahre) nach Abgabe der Erklärungen noch eine gerichtliche Entscheidung ohne vorherige Anhörung der Beteiligten zulässt oder ob das Gericht in diesen Fällen nicht verpflichtet ist, auf die nunmehr beabsichtigte Entscheidung hinzuweisen" (vgl. Beschwerdebegründung S. 17),

rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde insoweit den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt. Die Fragen führen jedenfalls der Sache nach nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Sie lassen sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung ohne Weiteres in für die Beschwerde negativer Weise beantworten, ohne dass es einer Überprüfung in einem Revisionsverfahren bedarf.

11

Der Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung soll den Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör sichern (vgl. Beschluss vom 8. November 2005 - BVerwG 10 B 45.05 - juris Rn. 5 m.w.N.). Die Verfahrenswahl einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet. Was die Voraussetzungen anbelangt, unter denen im Verwaltungsprozess eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zulässig ist, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin geklärt, dass § 101 Abs. 2 VwGO insoweit eine eigenständige und abschließende Regelung enthält (vgl. Beschlüsse vom 13. Dezember 2013 - BVerwG 6 BN 3.13 - juris Rn. 10 und vom 9. September 2009 - BVerwG 4 BN 4.09 - juris Rn. 27 jeweils m.w.N.). Danach kann das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Das Einverständnis nach § 101 Abs. 2 VwGO ist eine grundsätzlich unwiderrufliche Prozesshandlung (vgl. Beschluss vom 13. Dezember 2013 a.a.O. Rn. 8 m.w.N.). Es muss nach dem Grundsatz der Klarheit einer verfahrensbestimmenden Prozesserklärung klar, eindeutig und vorbehaltlos erklärt werden (vgl. Beschlüsse vom 8. November 2005 - BVerwG 10 B 45.05 - juris Rn. 4 und vom 17. Oktober 1997 - BVerwG 4 B 161.97 - Buchholz 310 § 87a VwGO Nr. 3 S. 4 jeweils m.w.N.). Die Einverständniserklärung unterliegt keiner zeitlichen Befristung. § 101 Abs. 2 VwGO sieht eine zeitliche Bindung des Gerichts nach Verzicht auf die mündliche Verhandlung nicht vor (vgl. Beschluss vom 9. September 2009 a.a.O. und vom 8. Juli 2008 - BVerwG 8 B 29.08 - juris Rn. 7 jeweils m.w.N.). § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO, der eine Drei-Monatsfrist bestimmt, ist nicht entsprechend über § 173 VwGO anwendbar (vgl. Beschlüsse vom 9. September 2009 a.a.O. und vom 19. Dezember 2001 - BVerwG 1 B 120.01 - Buchholz 310 § 116 VwGO Nr. 27 S. 6 jeweils m.w.N.). Der Verzicht auf mündliche Verhandlung bezieht sich seinem Inhalt nach aber lediglich auf die nächste Entscheidung des Gerichts und wird - wenn diese kein abschließendes Urteil ist - dadurch verbraucht. Er ist deshalb dann nicht mehr wirksam, wenn nach diesem Verzicht ein Beweisbeschluss ergeht, den Beteiligten durch einen Auflagenbeschluss eine Stellungnahme abgefordert wird oder Akten zu Beweiszwecken beigezogen oder sonst neue Erkenntnismittel in den Prozess eingeführt werden (vgl. Beschluss vom 13. Dezember 2013 a.a.O.). Eine Änderung der Prozesslage führt hingegen im Verwaltungsprozess weder von selbst zur Unwirksamkeit eines einmal erklärten Verzichts auf mündliche Verhandlung noch - wie in § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorgesehen - zu dessen Widerrufbarkeit (vgl. Beschluss vom 13. Dezember 2013 a.a.O. m.w.N.).

12

Ausgehend von dieser Rechtsprechung liegt es auf der Hand und bedarf keiner erneuten Durchführung eines Revisionsverfahrens, dass ein erklärtes Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht allein durch den Ablauf eines erheblichen Zeitraums verbraucht oder unwirksam wird. Des Weiteren folgt daraus, dass das Verstreichen eines erheblichen Zeitraums nach der Einverständniserklärung für sich auch nicht die Verpflichtung des Gerichts begründet, den Beteiligten mitzuteilen, ob von der durch das Einverständnis eröffneten Möglichkeit, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, Gebrauch gemacht werde und wann eine Entscheidung ergehen soll. Das Verwaltungsprozessrecht schreibt dem erkennenden Gericht solche Erklärungen nicht vor (vgl. Beschluss vom 10. Juni 1994 - BVerwG 6 B 45.93 - Buchholz 310 § 101 Nr. 20). Mit welchem Motiv bzw. Ziel das vorbehaltlos abzugebende Einverständnis erklärt wird, ist unerheblich. Daher spielt es - entgegen der Auffassung der Beschwerde - insoweit auch keine Rolle, dass das entscheidende Motiv für das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gegebenenfalls die Beschleunigung des Verfahrens war, das Verfahren durch den Verzicht auf mündliche Verhandlung aber im Ergebnis nicht beschleunigt wurde.

13

Rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf besteht im Hinblick auf die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen auch insofern nicht, als noch in entscheidungserheblicher Weise zu klären wäre, in welchen Fällen der Anspruch auf rechtliches Gehör dem Gericht gebieten kann, nach Ablauf eines (erheblichen) Zeitraums im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nach § 101 Abs. 2 VwGO davon abzusehen, von dem erklärten Verzicht Gebrauch zu machen. Insoweit ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt, dass es zwar im Ermessen des Gerichts steht, ob es trotz wirksamen Verzichts ohne mündliche Verhandlung entscheidet, das Gericht aber in diesem Zusammenhang dafür einzustehen hat, dass trotz der unterbleibenden mündlichen Verhandlung das rechtliche Gehör der Beteiligten nicht verletzt wird. Danach kann etwa die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung notwendig sein, wenn ein Beteiligter geltend macht, eine wesentliche Änderung der Prozesslage erfordere unter dem Gesichtspunkt seines rechtlichen Gehörs deren Durchführung (vgl. Beschlüsse vom 1. März 2006 a.a.O. und vom 13. Dezember 2013 - BVerwG 7 B 90.05 - juris Rn. 12). Eine solche Lage hat der Kläger hier jedoch weder substantiiert geltend gemacht noch ist ihr Vorliegen sonst erkennbar.

14

2. Soweit die Beschwerde schließlich einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO daraus herleiten will, dass das angegriffene Urteil erst mehr als zwei Jahre, nachdem der Kläger zur Beschleunigung des Verfahrens sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt habe, ergangen sei (vgl. Beschwerdebegründung S. 18), fehlt es bereits an der schlüssigen Bezeichnung des behaupteten Verfahrensmangels. Die Beschwerde legt nicht dar, dass der Verzicht des Klägers auf mündliche Verhandlung im Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr wirksam gewesen wäre, weil der Verwaltungsgerichtshof eine den Verzicht verbrauchende Zwischenentscheidung erlassen hätte oder die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung aus Gründen des rechtlichen Gehörs - etwa wegen einer vom Kläger begründet geltend gemachten wesentlichen Änderung der Prozesslage - das allein ermessensgerechte Verhalten des Gerichts gewesen wäre.

15

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.

Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 16. November 2006 - 7 K 2280/05 - zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf EUR 250,-- festgesetzt.

Gründe

 
Der auf die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels der Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens (§§ 124 Abs. 2 Nr. 5, 138 Nr. 5 VwGO) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg. Die Darlegungen des Klägers rechtfertigen nicht die Eröffnung des Berufungsverfahrens.
1. Der Kläger zieht die Ansicht des Verwaltungsgerichts, der - bestandskräftigen - Abbruchsverfügung vom 5.3.2002 sei das Gebot immanent, nach der Beseitigung der baurechtswidrigen Weidehütte ihre Wiederaufstellung bzw. ihre erneute Verbringung auf sein Grundstück zu unterlassen, zu Unrecht in Zweifel. Entgegen seiner Auffassung hat sich die Abbruchsanordnung nicht dadurch erledigt, dass die Weidehütte im Oktober 2003 entfernt wurde. Denn ein Verwaltungsakt ist nur dann als „auf andere Weise erledigt“ im Sinne des § 43 Abs. 2 LVwVfG anzusehen, wenn er nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen, oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (BVerwG, Urteile vom 27.2.1969 - 8 C 88.68 - BVerwGE 31, 324 und vom 27.3.1998 - 4 C 11.97 - DVBl. 1998, 898; Beschluss vom 17.11.1998 - 4 B 100.98 - BauR 1999, 733). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Denn in der Abbruchsverfügung vom 5.3.2002 wurde dem Kläger aufgegeben, die Weidehütte abzubrechen, die verwendeten Baumaterialien abzutransportieren, den Boden gegebenenfalls wieder einzuebnen und den Kies zu entfernen. Die Anordnung war damit ersichtlich auf eine Entfernung und ein Fernhalten der Weidehütte vom Grundstück Flst. Nr. 4121 gerichtet. Die Auslegung des Klägers, das Beseitigungsgebot habe sich durch die (einmalige) Wegnahme der Weidehütte erledigt und umfasse nicht das Verbot ihrer Wiederaufstellung, widerspricht dem Sinn und Zweck jedes Beseitigungsgebots, eine Entfernung der beanstandeten Anlage auf Dauer herbeizuführen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 22.8.1986 - 3 TH 2137/86 - NVwZ 1987, 427). Die innere Rechtfertigung einer Abbruchsanordnung liegt - wie sich dem Wortlaut des § 65 Satz 1 LBO entnehmen lässt - nicht in dem Ziel, Bausubstanz in einem einmaligen Akt zu beseitigen, sondern darin, rechtmäßige Zustände herzustellen, was - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - gerade bei leicht auf- und abbaubaren baulichen Anlagen wie der Weidehütte nur erreicht werden kann, wenn die Wiedererrichtung unterbunden wird. In dieser Wirkung liegt die fortbestehende Steuerungsfunktion der Beseitigungsverfügung nach ihrer (erstmaligen) Erfüllung. Im vorliegenden Fall wird dies noch unterstrichen durch die weiteren Anordnungen bezüglich des Abtransports der Baumaterialien, der Einebnung des Bodens und der Entfernung des Kieses (zu deren Rechtfertigung vgl. Sauter, LBO, 3. Aufl., § 65 RdNr. 94). Denn damit soll ersichtlich die Möglichkeit einer Wiedererrichtung der Weidehütte ausgeschlossen oder jedenfalls erschwert werden.
Der Kläger kann dieser immer noch anhaltenden Dauerwirkung der bestandskräftigen Beseitigungsanordnung auch nicht mit Erfolg entgegen halten, sie erfasse die im Frühjahr 2004 (wieder) aufgestellte Hütte nicht, weil sie ihm nicht mehr gehöre, sondern an den Beigeladenen verkauft worden sei, und weil sie an einem anderen Standort als die mit Verfügung vom 5.3.2002 beanstandete errichtet worden sei. Denn das Verwaltungsgericht hat zum einen zu Recht festgestellt, dass der Kläger als Eigentümer des baurechtswidrig bebauten Grundstücks für dessen Zustand gemäß § 65 LBO in Verbindung mit § 7 PolG verantwortlich ist. Dieser Zustandshaftung kann er sich nicht durch eine entsprechende Gestaltung der zivilrechtlichen Pacht- oder Mietverhältnisse entziehen. Im Übrigen würden eventuell entgegenstehende privatrechtliche Hinderungsgründe durch die gegenüber dem Beigeladenen ausgesprochene, sofort vollziehbare Duldungsverfügung vom 8.7.2005 (vgl. das Parallelverfahren - 8 S 190/07 -) ausgeräumt (Urteil des Senats vom 25.7.1990 - 8 S 643/90 - NuR 1992, 427). Auch der Standortwechsel hat nicht zur Folge, dass die im Frühjahr 2004 aufgestellte Weidehütte als gegenüber der ursprünglich vorhandenen „andere Anlage“ anzusehen wäre. Denn es handelt sich unstreitig um ein und dieselbe fahrbare Weidehütte, deren Deichsel und Räder abmontiert wurden. Sie wurde zudem - ebenfalls unstreitig - auf demselben zum Außenbereich gehörenden Teil des Grundstücks Flst. Nr. 4121 wieder aufgestellt, auf dem sie auch ursprünglich stand. Der bloße Standortwechsel ändert deshalb an der Anlagenidentität und der baurechtlichen Beurteilung nichts. Dasselbe gilt im Hinblick auf den Umstand, dass die Weidehütte inzwischen im Eigentum des Beigeladenen steht. Insbesondere hat sich durch diesen Eigentumswechsel nichts an ihrer fehlenden Privilegierung im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB geändert, weil sie nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb des Beigeladenen dient. Dies ergibt sich aus der Stellungnahme des Amtes für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur Ulm vom 15.7.2004, die den Eigentumswechsel ersichtlich berücksichtigt, weil sie den Beigeladenen als „Bauherrn“ anführt. Aus ihr folgt zum einen, dass nach den Unterlagen der Landwirtschaftsverwaltung das Grundstück des Klägers (Flst. Nr. 4121) nicht vom Beigeladenen, sondern von einem Haupterwerbslandwirt aus Nellingen bewirtschaftet wird und schon deshalb dessen Betrieb nicht zugerechnet werden kann. Zum anderen wird die dem Betrieb des Beigeladenen dienende Funktion der Weidehütte im Hinblick auf seine geringe Größe von 0,31 ha und seine Entfernung von 7 km zur Hofstelle verneint. Das Vorbringen des Klägers gibt keinen Anlass, diesen Befund in Zweifel zu ziehen.
2. Auch die Verfahrensrüge des Klägers, die er darauf stützt, dass die mündliche Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 16.11.2006 im Rathaus von Nellingen stattgefunden habe, ohne dass vor dem Sitzungssaal oder an anderer Stelle im Rathaus ein Aushang mit Tagesordnung für den Sitzungstag und den Verhandlungstermin angebracht gewesen sei, greift nicht durch. Des von ihm vermissten Aushangs bedurfte es nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Verhandlung in dem von § 55 VwGO in Verbindung mit § 169 Abs. 1 GVG geforderten Sinne „öffentlich", wenn sie in Räumen stattfindet, die während der Dauer der Verhandlung grundsätzlich jedermann zugänglich sind. Dagegen braucht keine an jedermann gerichtete Bekanntgabe hinzuzutreten, um einer Verhandlung das Merkmal der Öffentlichkeit zu geben (Beschluss vom 3.1.1977 - 4 CB 70.76 - Buchholz 310 § 138 Nr. 5 VwGO Nr. 1 und vom 23.10.1980 - 4 CB 62.80 -). Die Vorschriften über die Öffentlichkeit der Verhandlung gebieten nach ständiger Rechtsprechung insbesondere nicht, dass die mündliche Verhandlung in jedem Fall durch Aushang bekanntgemacht werden muss (Beschlüsse vom 24.5.1984 - 4 CB 2.84 - VBlBW 1985, 16, vom 4.5.1984 - 4 CB 23.84 - und vom 17.11.1989 - 4 C 39.89 -). Den Interessen der Streitbeteiligten, die durch die Öffentlichkeit der Verhandlung gewahrt werden sollen, ist vielmehr ausreichend genügt, wenn niemand, der an der Verhandlung teilnehmen möchte, hieran gehindert wird. Dass im konkreten Fall jemand von der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen worden sei, wird vom Kläger nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.
Nach allem ist der Antrag des Klägers auf Berufungszulassung mit der Kostenfolge aus den §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus den §§ 47 Abs. 3, 52 Abs. 1 sowie 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Der Senat orientiert sich dabei ebenso wie das Verwaltungsgericht an Nr. 1.6.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (VBlBW 2004, 467).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Tatbestand

1

Der Kläger ist Eigentümer eines Seeufergrundstücks in der Gemeinde Eching am Ammersee. Das Grundstück ist mit einem von dem Maler Hans Beat Wieland erbauten Hauptgebäude, das im Verlauf der 1980er Jahre in die Denkmalliste, Teil Baudenkmäler, eingetragen wurde ("eingeschossiges Landhaus im Norwegerstil, mit Grassodendach, erbaut 1900"), sowie mit Nebengebäuden bestanden. In den Jahren 2005 und 2006 erhielt der Kläger Baugenehmigungen zum "Umbau und Sanierung der Kellerräume im bestehenden Wohnhaus und zur Errichtung einer aufgeständerten Terrasse" sowie zur "Sanierung des Daches und zum Einbau von zwei zusätzlichen Dachgauben".

2

Anlässlich einer im Dezember 2006 durchgeführten Baukontrolle stellte die Bauaufsichtsbehörde fest, dass der Kläger bei der Bauausführung erheblich von den genehmigten Bauplänen abgewichen war. Nachdem der Kläger angehört worden war, verpflichtete ihn das Landratsamt mit Bescheid vom 25. September 2007 zur Beseitigung des "Hauptgebäudes" und drohte für den Fall der Nichtbefolgung die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 15 000 € an. Den vom Kläger zwischenzeitlich gestellten Bauantrag lehnte es ab. Gegen die Entscheidungen erhob der Kläger Klage, die jedoch nur in Bezug auf die Beseitigungsanordnung erfolgreich war.

3

Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage auch hinsichtlich der Beseitigungsanordnung abgewiesen. Diese sei rechtmäßig, weil infolge der im Außenbereich ungenehmigt durchgeführten Baumaßnahmen das Wohngebäude seine Eigenschaft als Denkmal verloren habe und deshalb die Belange des Denkmalschutzes (§ 35 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) beeinträchtigt seien.

4

Gegen das Berufungsurteil hat der Kläger die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Der Beklagte verteidigt das Urteil.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. §§ 141, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (1.) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) dar (2.); es ist aufzuheben. Zur Entscheidung in der Sache bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen. Das Verfahren ist deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

6

1. Das Berufungsgericht hat die verfahrensgegenständliche Beseitigungsanordnung an Art. 82 Satz 1 der Bayerischen Bauordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. August 1997, GVBl S. 588 (BayBO 1998) gemessen. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert worden sind und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Verwaltungsgerichtshof bejaht. Die vom Kläger im Außenbereich abweichend von den ihm erteilten Baugenehmigungen durchgeführten baulichen Maßnahmen (§ 29 Abs. 1 BauGB) widersprächen bauplanungsrechtlichen Vorschriften (UA S. 9 Rn. 3). Sie seien schon deshalb nicht genehmigungsfähig, weil sie die Belange des Denkmalschutzes (§ 35 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) beeinträchtigten. Denn die vom Kläger durchgeführten Maßnahmen hätten zum Verlust der Denkmaleigenschaft des Gebäudes und damit zur Zerstörung des Denkmals geführt. Die Beeinträchtigung des Belangs des Denkmalschutzes entfalle nicht etwa deswegen, weil das Baudenkmal bereits beseitigt worden sei. Bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit einer bereits ausgeführten Baumaßnahme sei auf den Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn dieser Maßnahme abzustellen. Andernfalls würde das gesetzgeberische Anliegen des Denkmalschutzes weitgehend leerlaufen, weil die eigenmächtige Beseitigung eines Baudenkmals stets dazu führen würde, dass dieser öffentliche Belang einem Bauvorhaben nicht mehr entgegengehalten werden könne (UA S. 11 Rn. 8).

7

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung u.a., dass die bauliche Anlage, deren Beseitigung gefordert wird, nicht genehmigungsfähig ist. Hieran ist der Senat nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO gebunden, da die Vorinstanz insoweit die landesrechtliche und nicht revisible Vorschrift des Art. 82 Satz 1 BayBO 1998 ausgelegt und angewandt hat. Nicht dieser Regelung, sondern derjenigen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB hat sie entnommen, dass es für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit der vom Kläger vorgenommenen Baumaßnahme auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt unmittelbar vor ihrer Durchführung ankommt. Das ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB beantwortet nicht die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit einer Baumaßnahme abzustellen ist, durch die eine bauliche Anlage ihre Eigenschaft als Baudenkmal verloren hat.

8

Der Senat hat entschieden, dass es nach allgemeinen Grundsätzen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung ankommt (Beschluss vom 11. August 1992 - BVerwG 4 B 161.92 - Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 40 = NVwZ 1993, 476). Ob dies auch hier gilt oder wegen der Formulierung "wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können" in Art. 82 Satz 1 BayBO 1998 und mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 GG und den verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen und daher zu prüfen ist, ob sich die Sach- und Rechtslage dergestalt verändert hat, dass die bauliche Anlage nunmehr genehmigungsfähig ist, kann offen bleiben. Denn nach den mit zulässigen und begründeten Revisionsgründen nicht angegriffenen und den Senat deshalb nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs war bereits zum insofern frühest möglichen maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Beseitigungsanordnung die Denkmaleigenschaft des klägerischen Wohnhauses infolge seiner nahezu vollständigen Entkernung entfallen. Die Genehmigungsfähigkeit des Umbaus konnte damit nicht mehr am öffentlichen Belang des Denkmalschutzes in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 4 BauGB scheitern.

9

Der Verwaltungsgerichtshof hat den Zeitpunkt für die Genehmigungsfähigkeit vorverlegt, um dem Anliegen des Denkmalschutzes in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB Rechnung zu tragen. Er entnimmt der Vorschrift, dass die eigenmächtige Beseitigung eines Baudenkmals nicht ohne Folgen für den Bauherrn bleiben dürfe. Das trifft so nicht zu. Das Bauplanungsrecht hat nicht die Aufgabe, rechtswidriges Verhalten zu sanktionieren. Dafür gibt es andere rechtliche Instrumentarien. Werden bauliche Maßnahmen unter Verstoß gegen geltendes Recht, insbesondere ohne die hierfür erforderliche Baugenehmigung durchgeführt, kann dies auf der Grundlage entsprechender Ordnungswidrigkeitentatbestände in den Ländern (hier: Art. 89 Abs. 1 Nr. 10 BayBO 1998 bzw. seit 1. Januar 2008 Art. 79 Abs. 1 Nr. 8 BayBO) mit Geldbuße geahndet werden. Für den Fall der Beeinträchtigung oder Zerstörung eines Baudenkmals enthält zudem das Bayerische Denkmalschutzgesetz (BayDSchG) in Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 einen entsprechenden Bußgeldtatbestand. Ferner ermächtigt Art. 15 Abs. 3 BayDSchG die Untere Denkmalschutzbehörde u.a. für den Fall, dass die Beseitigung oder Veränderung eines Baudenkmals ohne die erforderliche Genehmigung durchgeführt wurde, dazu, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands zu verlangen, soweit dies noch möglich ist. Über Art. 15 Abs. 4 BayDSchG ist der widerrechtlich Handelnde zudem - und unabhängig von der Verhängung einer Geldbuße - zur Wiedergutmachung des von ihm angerichteten Schadens bis zu dessen vollem Umfang verpflichtet.

10

Das gesetzgeberische Anliegen, das hinter § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 4 BauGB steht, läuft damit - anders als der Verwaltungsgerichtshof meint - nicht leer. Die Vorschrift verdrängt die landesrechtlichen Bestimmungen nicht. Sie gewährleistet nur ein Mindestmaß an bundesrechtlich eigenständigem, von landesrechtlicher Regelung unabhängigem Denkmalschutz; im Verhältnis zu den denkmalrechtlichen Vorschriften, die nach § 29 Abs. 2 BauGB unberührt bleiben, hat sie eine Auffangfunktion (Urteil vom 21. April 2009 - BVerwG 4 C 3.08 - BVerwGE 133, 347 Rn. 21 = Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 361).

11

2. Das Urteil des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob das klägerische Vorhaben gegebenenfalls andere öffentliche Belange i.S.v. § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt, namentlich ob es - wovon das Landratsamt im verfahrensgegenständlichen Bescheid ausgegangen ist - den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB), die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) oder die Erweiterung (näherliegend wohl die Verfestigung) einer Splittersiedlung befürchten lässt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB). Das zwingt zur Zurückverweisung der Sache (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

12

Die möglicherweise beeinträchtigten Belange sind nicht gemäß § 35 Abs. 4 BauGB unbeachtlich, denn - anders als der Kläger meint - liegen die Voraussetzungen der dort genannten Begünstigungstatbestände nicht vor, namentlich ist § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB nicht einschlägig. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist die erleichterte Zulassung eines Außenbereichsvorhabens nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB zwar nicht auf unwesentliche Änderungen oder Nutzungsänderungen beschränkt. Ausgeschlossen sind indes Veränderungen, die einer Neuerrichtung oder einer Erweiterung im Sinne des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 3, 5 und 6 BauGB gleichkommen (Beschluss vom 18. Oktober 1993 - BVerwG 4 B 160.93 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 287). Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs (§ 137 Abs. 2 VwGO) kommen die vom Kläger durchgeführten Maßnahmen vorliegend einem Neubau gleich (UA S. 12 Rn. 10).

13

3. Auf die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler ist nicht mehr einzugehen. Soweit es sich hierbei nicht ohnehin um in Verfahrensrügen gekleidete materielle Rügen handelt, greifen sie nicht durch. Da sie allesamt nicht unter § 138 VwGO fallen, sieht der Senat gemäß § 144 Abs. 7 Satz 1 VwGO von einer Begründung ab.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge.

2

Im Jahre 1978 beschloss der Rat der Beklagten die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets "Südmarkt" im Stadtgebiet der Beklagten. Nach Genehmigung und Bekanntmachung der Sanierungssatzung führte die Beklagte verschiedene Ordnungs- und Sanierungsmaßnahmen durch; im Jahr 1989 schloss sie die letzten Sanierungsmaßnahmen ab. In den Jahren 1989 bis 1992 rechnete die Beklagte gegenüber dem Regierungspräsidenten Düsseldorf die für die Sanierung erhaltenen Zuwendungen ab; der Schlussverwendungsnachweis datiert vom 11. März 1992; mit Schreiben vom 15. Juni 1992 erklärte der Regierungspräsident das Modellvorhaben Südmarkt I (städtebaulicher Teil) haushalts- bzw. zuwendungsrechtlich für abgeschlossen.

3

Im Juni 2006 beschloss die Beklagte die Aufhebung der Sanierungssatzung, Ende Juni 2006 wurde die Aufhebungssatzung bekannt gemacht.

4

Der Kläger ist Wohnungseigentümer im Geltungsbereich des (ehemaligen) Sanierungsgebiets "Südmarkt". Mit Bescheid vom 25. Mai 2010 zog ihn die Beklagte nach vorheriger Anhörung zur Zahlung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags in Höhe von 1 216,80 € heran. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage.

5

Das Verwaltungsgericht hob den angefochtenen Bescheid auf. Die Voraussetzungen für die Erhebung von Ausgleichsbeträgen lägen aus drei selbständig tragenden Gründen nicht vor. Zunächst habe die Aufhebungssatzung wegen formeller Mängel nicht zu einem Abschluss der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB geführt (1). Unabhängig davon sei der Abschluss der Sanierung nicht mit der - ohnehin unwirksamen - Aufhebungssatzung, sondern schon wesentlich früher eingetreten, weil die Sanierungssatzung spätestens im Jahr 1992 funktionslos geworden sei mit der Folge, dass die Erhebung des Ausgleichsbetrags spätestens seit dem Jahr 1997 festsetzungsverjährt sei (2). Zuletzt halte auch die Ermittlung der konkreten Ausgleichsbeträge einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand (3).

6

Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung wandte sich die Beklagte ausschließlich gegen den Entscheidungsgrund zu 2. Sie beantragte, das angegriffene Urteil zu ändern und der Klage nicht wegen Festsetzungsverjährung stattzugeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Diese sei zwar zulässig, aber unbegründet. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht angenommen, dass bei Erlass des Bescheides bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei. Die Festsetzungsfrist betrage vier Jahre und beginne mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Entstanden sei die Abgabe hier spätestens Ende 1992, so dass die Festsetzungsfrist bereits Ende des Jahres 1996 abgelaufen sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die Sanierungssatzung im Jahr 1992 nicht aufgehoben worden sei. Zwar sei nach § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Ausgleichsbetrag "nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163 BauGB) zu entrichten". Daraus ergebe sich, dass insofern nur die förmliche Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 BauGB bzw. die förmliche Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung für das jeweilige Grundstück gemäß § 163 BauGB maßgeblich seien. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift sowie Bedürfnisse der Rechtssicherheit bestätigten diesen Befund. Wann die Sanierung tatsächlich abgeschlossen sei, sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts daher unerheblich. Dieser Rechtsprechung könne jedoch, soweit es um die Auslösung der Festsetzungsfrist gehe, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mehr für alle Fallkonstellationen und so auch hier gefolgt werden. Denn sie führe dazu, dass die Gemeinde durch den pflichtwidrigen Nichterlass der Aufhebungssatzung das Entstehen des Ausgleichsbetragsanspruchs unbegrenzt verhindern könne und damit der Eintritt der Festsetzungsverjährung in ihr Belieben gestellt wäre. Dies sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit unvereinbar. Dieses gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Diese zu Kanalanschlussbeiträgen ergangene Rechtsprechung finde auch auf sanierungsrechtliche Ausgleichsbeträge Anwendung. Die erforderliche Rechtssicherheit ergebe sich nicht daraus, dass die betroffenen Eigentümer gemäß § 163 Abs. 1 Satz 2 BauGB die grundstücksbezogene Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung oder gemäß § 154 Abs. 3 Satz 3 BauGB die vorzeitige Festsetzung des Ausgleichsbetrags beantragen könnten. Auch die Überleitungsvorschrift des § 235 Abs. 4 BauGB regele lediglich eine Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung, löse aber nicht die Festsetzungsfrist aus. Damit sei § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB in der bisherigen Auslegung mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar. Gleichwohl sei eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht zulässig. Denn die Vorschrift könne für den Fall, dass die Gemeinde entgegen ihrer Rechtspflicht die Sanierungssatzung nicht aufhebe, verfassungskonform so ausgelegt werden, dass die abstrakte Ausgleichsbetragsforderung in dem Zeitpunkt entstehe, in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben werden müssen. Das sei hier bereits im Jahre 1992 der Fall gewesen, weil in diesem Jahr teils die Sanierung vollständig durchgeführt gewesen, teils die Sanierungsabsicht aufgegeben worden sei. Da der angegriffene Bescheid somit bereits wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung rechtswidrig sei, könne dahingestellt bleiben, ob die vom Verwaltungsgericht angenommenen weiteren Rechtswidrigkeitsgründe vorliegen und ob das Berufungsgericht diese prüfen darf.

7

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision wegen Divergenz zugelassen, die Beklagte hat von dem zugelassenen Rechtsmittel Gebrauch gemacht.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision (1) ist im Ergebnis unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt zwar Bundesrecht (2); die Entscheidung selbst stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (3).

9

1. Die Revision ist zulässig.

10

Im Revisionsverfahren hat die Beklagte zuletzt ohne Einschränkung beantragt, die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eine unzulässige Beschränkung des Streitgegenstandes (vgl. hierzu z.B. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 139 Rn. 36) liegt damit nicht vor.

11

In dem einschränkungslos formulierten Revisionsantrag liegt auch keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageerweiterung (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO), denn dem Umstand, dass die Beklagte ihren Antrag in der Berufungsinstanz darauf beschränkt hatte, "das angegriffene Urteil zu ändern und der Klage nicht wegen Festsetzungsverjährung stattzugeben", hat das Oberverwaltungsgericht (UA S. 7 f.) ausdrücklich nur als Problem der Berufungsbegründung (§ 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO) Bedeutung beigemessen. Von einer Beschränkung des Streitgegenstandes in der Berufungsinstanz ist es ersichtlich nicht ausgegangen.

12

2. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 17), § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB sei hinsichtlich des Beginns der vierjährigen Frist für die Festsetzung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge verfassungskonform dahin auszulegen, dass für den Fall einer rechtswidrig verzögerten Aufhebung der Sanierungssatzung nicht - wie in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorgesehen - an den förmlichen "Abschluss der Sanierung" durch Aufhebung der Sanierungssatzung (§ 162 BauGB) anzuknüpfen, sondern der Zeitpunkt maßgeblich sei, "in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben worden sein müssen", steht mit Bundesrecht nicht im Einklang.

13

a) Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 9) hat § 155 Abs. 5 BauGB i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO die Regelung entnommen, dass die Festsetzung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags nicht mehr zulässig ist, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist; nach § 169 Abs. 2 Satz 1, § 170 Abs. 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre; sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist.

14

Wann die sanierungsrechtliche Ausgleichsabgabe entstanden ist, beantwortet § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB mit der Regelung, dass der Ausgleichsbetrag "nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163 BauGB) zu entrichten" ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (zuletzt Beschluss vom 12. April 2011 - BVerwG 4 B 52.10 - ZfBR 2011, 477 = BauR 2011, 1308 = BRS 78 Nr. 215 = juris Rn. 5 m.w.N.) ist der Begriff des Abschlusses der Sanierung förmlich zu verstehen. Die Pflicht zur Zahlung des Ausgleichsbetrags entsteht mit der rechtsförmlichen Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 Abs. 1 BauGB (oder - hier nicht von Interesse - mit der Erklärung der Gemeinde gemäß § 163 BauGB, dass die Sanierung für ein Grundstück abgeschlossen ist). Zur rechtsförmlichen Aufhebung der Sanierungssatzung ist die Gemeinde unter den in § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BauGB genannten Voraussetzungen zwar verpflichtet. Weder der Zeitablauf noch eine unzureichend zügige Förderung der Sanierung haben für sich genommen jedoch zur Folge, dass die Sanierungssatzung automatisch außer Kraft tritt (Urteil vom 20. Oktober 1978 - BVerwG 4 C 48.76 - Buchholz 406.15 § 50 StBauFG Nr. 1). Die an § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB anknüpfende vierjährige Festsetzungsfrist beginnt folglich erst mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem die Sanierungssatzung rechtsförmlich aufgehoben worden ist. Das gilt nach bisheriger Rechtsprechung des Senats auch dann, wenn die Gemeinde die Aufhebung der Sanierungssatzung rechtswidrig unterlässt, obwohl die Voraussetzungen der Aufhebung vorliegen.

15

b) Die Anknüpfung der landesrechtlich geregelten Festsetzungsverjährung an die rechtsförmliche Aufhebung der Sanierungssatzung darf mit Blick auf das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit allerdings nicht zur Folge haben, dass es die Gemeinde in der Hand hat, durch rechtswidriges Unterlassen der Aufhebung der Sanierungssatzung den Eintritt der Festsetzungsverjährung auf Dauer oder auf unverhältnismäßig lange Zeit zu verhindern.

16

Das Rechtsstaatsprinzip verlangt in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) im Rahmen einer Urteilsverfassungsbeschwerde gegen die Heranziehung zu Kanalherstellungsbeiträgen auf der Grundlage des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) entschieden.

17

Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht (UA S. 11 f.) davon ausgegangen, dass diese verfassungsrechtlichen Maßstäbe auch bei der Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge Geltung beanspruchen. Das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gilt für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, die daran anknüpfenden Abgaben aber wegen des Fehlens sonstiger Voraussetzungen nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können (VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 21). Das ist beim Ausgleichsbetrag nach § 154 Abs. 3 BauGB regelmäßig (siehe aber § 163 BauGB) der Fall, solange die Gemeinde die Sanierungssatzung nicht aufhebt. Auch in diesem Fall darf eine gesetzlich angeordnete Abgabepflicht daher nicht zur Folge haben, dass die Gemeinde die Abgabe zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festsetzen kann.

18

c) Dem Oberverwaltungsgericht (UA S. 12 ff.) ist ferner darin zuzustimmen, dass dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht durch spezifisch sanierungsrechtliche Instrumente oder Vorkehrungen Rechnung getragen ist.

19

Zu Recht hat sich das Oberverwaltungsgericht auf den Standpunkt gestellt, dass die in § 143 Abs. 2 Satz 2 BauGB vorgeschriebene Eintragung eines Sanierungsvermerks in die Grundbücher der von der Sanierung betroffenen Grundstücke einen Verfassungsverstoß zwar (möglicherweise) unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ausschließt, nicht aber unter dem Gesichtspunkt der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Dessen Anforderungen ist auch nicht durch § 163 Abs. 1 Satz 2 BauGB Genüge getan, wonach die Gemeinde die Sanierung für ein Grundstück auf Antrag des Eigentümers als abgeschlossen zu erklären hat (vgl. hierzu Urteil vom 21. Dezember 2011 - BVerwG 4 C 13.10 - BVerwGE 141, 302); die damit eröffnete Möglichkeit in der Hand des einzelnen Eigentümers, den Abschluss der Sanierung grundstücksbezogen herbeizuführen, ist kein vollwertiges Surrogat für die in § 162 Abs. 1 BauGB geregelte Pflicht, die Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung für das gesamte Sanierungsgebiet abzuschließen. Gleiches gilt für die in § 154 Abs. 3 Satz 3 BauGB getroffene Regelung, dass die Gemeinde auf Antrag des Ausgleichsbetragspflichtigen den Ausgleichsbetrag vorzeitig festsetzen soll, wenn der Pflichtige an der vorzeitigen Festsetzung ein berechtigtes Interesse hat und der Ausgleichsbetrag mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden kann; auch mit dieser Antragsmöglichkeit ist dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht hinreichend entsprochen; das gilt vor allem deswegen, weil die vorzeitige Festsetzung etwa im Hinblick auf ungewöhnliche Ermittlungsschwierigkeiten oder einen nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand abgelehnt werden kann ("soll"; vgl. z.B. Kleiber, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand September 2013, § 154 Rn. 200). Die Übergangsvorschrift des § 235 Abs. 4 BauGB schließlich normiert wiederum nur eine Pflicht der Gemeinde, Sanierungssatzungen, die vor dem 1. Januar 2007 bekannt gemacht wurden, spätestens bis zum 31. Dezember 2021 mit den Rechtswirkungen des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB aufzuheben. Die Regelung ist deshalb ebenfalls kein geeignetes Instrument, den rechtsstaatlichen Anforderungen der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit für den Fall der Nichterfüllung dieser Pflicht Rechnung zu tragen.

20

d) Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 10 und 17 ff.) hat sich deshalb zur Vermeidung rechtsstaatswidriger Ergebnisse veranlasst gesehen, der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht mehr einschränkungslos zu folgen. Für den Fall, dass die Gemeinde - wie hier - ihrer Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung nicht oder nicht rechtzeitig nachkomme, sei § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB verfassungskonform so auszulegen, dass die "abstrakte Ausgleichsbetragsforderung" nicht erst mit dem förmlichen Abschluss der Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung, sondern bereits "in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben worden sein müssen". Dieser Standpunkt ist mit Bundesrecht unvereinbar.

21

Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht (vgl. schon BVerfG, Entscheidung vom 8. März 1972 - 2 BvR 28/71 - BVerfGE 32, 373 <383 f.>; stRspr). Eine Norm ist daher nur dann verfassungswidrig, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1958 - 1 BvF 1/58 - BVerfGE 8, 71 <78 f.>). Die zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein (BVerfG, Urteil vom 24. April 1985 - 2 BvF 2/83, 2 BvF 3/83, 2 BvF 4/83, 2 BvF 2/84 - BVerfGE 69, 1 <55>). Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich damit grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt (BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1992 - 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89 - BVerfGE 86, 288 <320>). Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a. - BVerfGE 128, 326 <400> m.w.N.; Beschlüsse vom 11. Juni 1958 - 1 BvL 149/52 - BVerfGE 8, 28 <34>, vom 11. Juni 1980 - 1 PBvU 1/79 - BVerfGE 54, 277 <299 f.> m.w.N. und vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <274>). Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen mithin dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 - 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01 - BVerfGE 110, 226 <267> m.w.N.; Beschluss vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11, 2 BvR 12 BvR 1279/12 - NJW 2013, 3151 Rn. 77).

22

Mit seiner Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB überschreitet das Oberverwaltungsgericht die dargestellten Grenzen zulässiger verfassungskonformer Auslegung, denn diese läuft auf eine Deutung hinaus, die das gesetzgeberische Anliegen in einem zentralen Punkt verfälscht.

23

Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 20) hat selbst hervorgehoben, dass es dem Gesetzgeber in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB darum ging, den "Abschluss der Sanierung" durch den Klammerverweis auf die §§ 162, 163 BauGB förmlich zu markieren. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts soll es aber "allein für den Fall, dass eine Gemeinde entgegen der Vorschrift des § 162 Abs. 1 BauGB pflichtwidrig die Aufhebung der Sanierungssatzung unterlässt, … für die sachliche Abgabepflicht zu einer Ablösung von einem formalen Rechtsakt" kommen. Dass dies dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufe, sei - so das Oberverwaltungsgericht - schon deshalb nicht erkennbar, weil der Gesetzgeber "selbstverständlich" davon ausgegangen sei, dass die von ihm normierte Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung beachtet wird. Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB, der auf § 162 BauGB Bezug nehme, könne sogar positiv dahingehend verstanden werden, dass ein "Abschluss der Sanierung" im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB für die sachliche Abgabepflicht auch vorliege, wenn die Gemeinde entgegen der Vorschrift des § 162 Abs. 1 BauGB die Aufhebung der Sanierungssatzung unterlässt. Nichts sei dafür erkennbar, dass der Gesetzgeber in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Gemeinde, die pflichtwidrig die Sanierungssatzung nicht aufhebt, aus dieser Pflichtverletzung festsetzungsverjährungsrechtliche Vorteile habe gewähren wollen. Näher liege es, dass der Gesetzgeber den vom pflichtwidrigen Nichterlass der Aufhebungssatzung Betroffenen so habe stellen wollen, wie er nach der gesetzlichen Konzeption ohne die Pflichtwidrigkeit stünde. Diese Auffassung geht fehl.

24

Ihr steht bereits der durch den historischen Gesetzgeberwillen bestätigte eindeutige Wortlaut des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen. Der Begriff "Abschluss der Sanierung" im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB sollte, wie in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 8/2451 S. 37) klar und unmissverständlich zum Ausdruck kommt, durch den einzufügenden Klammerzusatz "auf die §§ 50 und 51 StBauFG (jetzt: §§ 162, 163 BauGB) bezogen werden, die den förmlichen Abschluss regeln". Dem Gesetzgeber ging es also ersichtlich darum, den Abschluss der Sanierung, mit der die Abgabepflicht entsteht, förmlich zu bestimmen.

25

Auch Bedürfnisse der Rechtssicherheit verlangen nach einer förmlichen Markierung des "Abschlusses der Sanierung", wie das Oberverwaltungsgericht (UA S. 10) im Ausgangspunkt selbst eingeräumt hat. Das findet seine Rechtfertigung darin, dass die in § 162 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Gründe, die zur Aufhebung der Sanierungssatzung verpflichten, auch von einer Willensentscheidung der Gemeinde abhängen. So ist etwa die Beendigung der sanierungsbedingten Baumaßnahmen allein noch kein hinlängliches Zeichen dafür, dass die Sanierung im Sinne des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB tatsächlich "durchgeführt" ist, solange dieser äußerlich wahrnehmbare Vorgang nicht auch von einem entsprechenden Willen der Gemeinde getragen ist. Ob dieser Wille vorliegt, kann nur die Gemeinde zuverlässig beurteilen, wie das Oberverwaltungsgericht an anderer Stelle (UA S. 14) zutreffend bemerkt hat. Äußerlich wahrnehmbare Hilfstatsachen, wie etwa der Zeitpunkt der Durchführung der letzten baulichen Maßnahmen oder die Abrechnung der Zuwendungen, haben insoweit nur indizielle Bedeutung. Nicht von ungefähr hat sich das Oberverwaltungsgericht (UA S. 22) auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen, dass die letzten baulichen Maßnahmen zur Sanierung im Jahr 1989 durchgeführt und in den Jahren 1989 bis 1992 die für die Sanierung erhaltenen Zuwendungen gegenüber dem Regierungspräsidium abgerechnet worden seien, lediglich zu der Aussage befähigt angesehen, dass die Sanierungssatzung "spätestens" im Jahre 1992 hätte aufgehoben werden müssen. Auch nach Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist deshalb daran festzuhalten, dass es angesichts "unüberwindbarer Schwierigkeiten", ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung den Zeitpunkt des Außerkrafttretens auch nur einigermaßen präzise festzulegen, in sämtlichen Fällen des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BauGB einer ausdrücklichen Entscheidung der Gemeinde über die Aufhebung der Sanierungssatzung bedarf (Beschluss vom 12. April 2011 - BVerwG 4 B 52.10 - juris Rn. 5, 6). Erst dieser formale Rechtsakt führt den "Abschluss der Sanierung" herbei. Alles Andere wäre mit Wortlaut, historischem Gesetzgeberwillen sowie Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB unvereinbar.

26

Gesetzeswortlaut und historischer Gesetzgeberwille enthalten keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der "abstrakten Ausgleichsforderung" bzw. der "sachlichen Abgabepflicht" und nur für den Fall einer pflichtwidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung auf diesen förmlich markierten Anknüpfungspunkt für den Abschluss der Sanierung verzichten wollte. Dabei geht es - anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 20) angenommen hat - nicht darum, ob der Gesetzgeber einer Gemeinde, die pflichtwidrig die Sanierungssatzung nicht aufhebt, aus der Pflichtverletzung festsetzungsverjährungsrechtliche Vorteile gewähren wollte. Im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung geht es - anders als bei der richterlichen Rechtsfortbildung, etwa im Wege des Analogieschlusses - auch nicht darum, ob der Gesetzgeber, hätte er das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit bedacht, für den Fall einer pflichtwidrigen Nichtaufhebung der Sanierungssatzung das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts zugrunde gelegt hätte. Es geht vielmehr darum, ob das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers sowie dem Gesetzeszweck entspricht. Diese Frage ist ohne Einschränkung zu verneinen. Der Gesetzgeber hat sich - wie dargestellt - ersichtlich auch aus Gründen der Rechtssicherheit kategorisch auf einen durch die Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 BauGB (oder die grundstücksbezogene Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung gemäß § 163 BauGB) formal markierten Abschluss der Sanierung festgelegt. Die vom Oberverwaltungsgericht (UA S. 18) angenommenen Differenzierungen zwischen "persönlicher Abgabepflicht" und "abstrakter Ausgleichsbetragsforderung" bzw. "sachlicher Abgabepflicht" sowie zwischen einer rechtmäßigen und einer rechtswidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung sind in der Vorschrift nicht angelegt. Der Fall einer pflichtwidrigen Nichtaufhebung der Sanierungssatzung ist sowohl nach dem durch den historischen Gesetzgeberwillen bestätigten Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift von § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB erfasst. Während der Gesetzgeber den Abschluss der Sanierung also ohne Ausnahme durch die Aufhebung der Sanierungssatzung förmlich markiert sieht, soll nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für den Fall einer pflichtwidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung hinsichtlich der "abstrakten Ausgleichsforderung" der Zeitpunkt des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung an die Stelle des förmlichen Abschlusses der Sanierung treten. Die normative Festlegung des Gesetzgebers würde mithin für den Fall einer nicht rechtzeitigen Aufhebung der Sanierungssatzung neu bestimmt; das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts liefe somit auf eine Deutung hinaus, die das gesetzgeberische Anliegen in einem zentralen Punkt verfälscht und deshalb die Grenzen zulässiger verfassungskonformer Auslegung überschreitet.

27

Das gilt umso mehr, als das Kriterium des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung nicht nur - wovon das Oberverwaltungsgericht (UA S. 19) offensichtlich ausgegangen ist - in dem "atypischen Fall pflichtwidrigen Verhaltens der Gemeinde" an die Stelle des förmlichen Abschlusses der Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung treten würde, sondern - konsequent zu Ende gedacht - letztlich auch in allen anderen Fällen zu prüfen wäre. Denn auch in dem Fall, in dem die Gemeinde die Aufhebung der Sanierung pflichtgemäß und rechtzeitig beschließt, müsste das Gericht, um dies feststellen zu können, erst einmal ermitteln, wann die Sanierungsmaßnahmen tatsächlich abgeschlossen waren und die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB deshalb "hätte aufgehoben worden sein müssen". Die Prüfung des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung bliebe dem Gericht also in keinem Fall erspart. Das gesetzgeberische Ziel, den Abschluss der Sanierung auch angesichts der "unüberwindbaren Schwierigkeiten, ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung den Zeitpunkt des Außerkrafttretens auch nur einigermaßen präzise festzulegen" (Beschluss vom 12. April 2011 a.a.O. Rn. 6), rein formal zu bestimmen, würde damit konterkariert.

28

e) Einer verfassungskonformen Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB bedarf es im Übrigen schon deswegen nicht, weil unter Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über den Ausgleichsbetrag sichergestellt werden kann.

29

Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (Urteile vom 14. April 1978 - BVerwG 4 C 6.76 - BVerwGE 55, 337 <339> und vom 16. Mai 2000 - BVerwG 4 C 4.99 - BVerwGE 111, 162 <172> sowie Beschluss vom 5. März 1998 - BVerwG 4 B 3.98 - Buchholz 406.421 Garagen- und Stellplatzrecht Nr. 8). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Soweit es - wie bei sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeträgen nach § 154 Abs. 1 BauGB - um bundesrechtlich geregelte Abgaben geht, gegen die sich der Einwand von Treu und Glauben richtet, unterliegt er der vollen revisionsgerichtlichen Überprüfung (vgl. Urteil vom 16. Mai 2000 a.a.O. S. 172 f.).

30

Nicht einschlägig ist allerdings die Fallgruppe der Verwirkung. Das hat bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 (a.a.O. Rn. 44) klargestellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. Urteil vom 7. Februar 1974 - BVerwG 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 <343> m.w.N.) erfordert die Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen auch besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Im Sanierungsrecht wird - wie ausgeführt - bereits die erforderliche Vertrauensgrundlage wegen der Eintragung eines Sanierungsvermerks in das Grundbuch in aller Regel nicht gegeben sein. Im Übrigen erscheint das Instrument der Verwirkung auch mit Blick auf die weiteren Voraussetzungen (Vertrauenstatbestand, Vermögensdisposition) kaum geeignet, den Bürger vor einer rechtsstaatlich unzumutbaren Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge zu bewahren. Denn das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit erfordert eine Regelung, die ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greift (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O.).

31

Der Geltendmachung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags, der den betroffenen Eigentümer in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, steht jedoch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen (vgl. hierzu allgemein z.B. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; im öffentlichen Recht z.B. Urteil vom 24. Februar 2010 - BVerwG 9 C 1.09 - BVerwGE 136, 126 Rn. 38). Nach dieser Fallgruppe kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist.

32

Treuwidrigkeit liegt allerdings nicht bereits dann vor, wenn die Gemeinde die Sanierungssatzung entgegen ihrer Pflicht aus § 162 Abs. 1 BauGB nicht rechtzeitig aufgehoben hat. Treuwidrig ist die Abgabenerhebung vielmehr erst dann, wenn es aufgrund der Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Wann das der Fall ist, mag im Einzelfall schwierig zu bestimmen sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist aber handhabbar. Zugrunde zu legen ist ein enger Maßstab. Gegen die Annahme der Treuwidrigkeit kann etwa sprechen, dass sich der politische Willensbildungsprozess in der Gemeinde über die Fortsetzung der Sanierungsmaßnahmen schwierig gestaltete oder dass die Fortführung der Sanierung an finanziellen Engpässen scheiterte.

33

Darüber hinaus kann zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist zwar auf die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 22 im Anschluss an VG Dresden, Urteil vom 14. Mai 2013 - 2 K 742.11 - juris Rn. 42) und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), kann aber zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.

34

Die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge ist damit generell ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Aber auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze kann die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist dabei eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung. Er steht der Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge auch dann entgegen, wenn sich der Betroffene hierauf nicht beruft. Den rechtsstaatlichen Anforderungen ist damit insgesamt Genüge getan.

35

3. Ob die Erhebung des sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags vorliegend tatsächlich wegen unzulässiger Rechtsausübung ausgeschlossen war, kann der Senat offen lassen. Denn die Berufungsentscheidung stellt sich im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

36

Das Verwaltungsgericht (UA S. 9) hat angenommen, dass die Aufhebungssatzung der Beklagten vom 29. Juni 2006 nicht zu einem Abschluss der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB geführt habe, weil sie wegen formeller Mängel unwirksam sei. Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 23) hat diese Frage offen gelassen und hierzu auch keine Feststellungen getroffen. Der vom Verwaltungsgericht angenommene Ausfertigungsmangel ist zwischen den Beteiligten aber unstreitig, wie diese im Termin zur mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich bestätigt haben. Der Senat kann deshalb von der formellen Unwirksamkeit der Aufhebungssatzung ausgehen. Fehlt es aber an einer wirksamen Aufhebungssatzung, dann mangelt es auch an dem vom § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorausgesetzten förmlichen Abschluss der Sanierung, so dass ein Ausgleichsbetrag nicht entstanden ist. Das hat - wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat - zur Folge, dass der angefochtene Abgabenbescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.