Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2014 - 9 B 13.1401
vorgehend
Tenor
I.
Die Beklagte wird in Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. Juli 2012 verpflichtet, dem Kläger die Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses mit drei Wohneinheiten gemäß Bauantrag vom 16. September 2011 BA-Nr. 1469-2011 zu erteilen.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
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(1) In Gebieten, für die ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, ist ein Vorhaben zulässig, wenn
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die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2 und § 4a Absatz 2 bis 4 durchgeführt worden ist, - 2.
anzunehmen ist, dass das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht entgegensteht, - 3.
der Antragsteller diese Festsetzungen für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich anerkennt und - 4.
die Erschließung gesichert ist.
(2) In Fällen des § 4a Absatz 3 Satz 1 kann vor der erneuten Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung ein Vorhaben zugelassen werden, wenn sich die vorgenommene Änderung oder Ergänzung des Bebauungsplanentwurfs nicht auf das Vorhaben auswirkt und die in Absatz 1 Nummer 2 bis 4 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind.
(3) Wird ein Verfahren nach § 13 oder § 13a durchgeführt, kann ein Vorhaben vor Durchführung der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung zugelassen werden, wenn die in Absatz 1 Nummer 2 bis 4 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind. Der betroffenen Öffentlichkeit und den berührten Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange ist vor Erteilung der Genehmigung Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist zu geben, soweit sie dazu nicht bereits zuvor Gelegenheit hatten.
(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.
(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
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Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder - 2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder - 3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Rechtsmittelbelehrung
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt (§ 47, § 52 Abs. 1 GKG).
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.
(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Gründe
- 1
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Die auf die Zulassungsgründe der Grundsatzbedeutung und des Verfahrensmangels gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
- 2
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1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
- 3
-
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht (vgl. Beschluss vom 15. Januar 2014 - BVerwG 5 B 57.13 - ZOV 2014, 52 Rn. 3 m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt das Beschwerdevorbringen nicht.
- 4
-
a) Die Beschwerde hält die Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig,
-
"ob eine Norm des revisiblen Landesrechts (hier: § 12 SächsBVO), die Teil einer wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage insgesamt nichtigen Verordnung ist, auf der Grundlage einer in der Folge geschaffenen Ermächtigungsgrundlage dann aber (erneut) bekannt gemacht worden ist, deshalb nichtig ist, weil eine erneute Bekanntmachung der Verordnung, auf die die Teilregelung Bezug nimmt, nicht erfolgt ist" (vgl. Beschwerdebegründung S. 8),
-
"ob eine Norm des revisiblen Landesrechts (hier: § 12 SächsBVO), die Teil einer wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage insgesamt nichtigen Verordnung ist und auf der Grundlage einer in der Folge geschaffenen Ermächtigungsgrundlage im Wege einer Änderungsverordnung 'neu gefasst' wird, bereits deshalb nichtig ist, weil eine nichtige Verordnung aufgrund eines fehlenden Änderungsgegenstandes auch nicht mehr geändert werden kann" (vgl. Beschwerdebegründung S. 8),
-
"ob Vertrauen auf die Nichtigkeit einer Norm des revisiblen Landesrechts (hier: § 12 SächsBVO) erst entstehen kann, wenn deren Nichtigkeit in einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts ausgesprochen wurde oder diese offenkundig nichtig ist" (vgl. Beschwerdebegründung S. 12),
-
"ob im Hinblick auf in den Beihilfevorschriften enthaltene Regelungen über einen Selbstbehalt ('Kostendämpfungspauschale') und einer vorgesehenen Befreiung von diesem Selbstbehalt für Beihilfeberechtigte, die sich in Elternzeit befinden, bei der Erhebung des Selbstbehalts zwischen der 'Person des Beihilfeberechtigten' und 'der Beihilfe' dergestalt unterschieden werden darf, dass die Erhebung bei Beihilfeberechtigten, die sich in Elternzeit befinden, für Aufwendungen berücksichtigungsfähiger Angehöriger gleichwohl stattfindet und damit ein (weiterer) Selbstbehalt erhoben wird" (vgl. Beschwerdebegründung S. 13 f.),
-
"ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, wenn in Beihilfevorschriften für die Erhebung eines Selbstbehalts nicht danach unterschieden wird, ob Aufwendungen des Beihilfeberechtigten oder berücksichtigungsfähiger Angehöriger geltend gemacht werden (der Selbstbehalt damit nur einmal anfällt), bei der Befreiung von diesem Selbstbehalt für Beihilfeberechtigte, die sich in Elternzeit befinden, eine solche Unterscheidung aber vorgenommen wird, so dass neben dem Selbstbehalt für den Beihilfeberechtigten (von dem befreit wird) noch ein weiterer Selbstbehalt für dessen berücksichtigungsfähige Angehörige angerechnet wird" (vgl. Beschwerdebegründung S. 14).
- 5
-
Diese allesamt mit Blick auf die Regelung über den Selbstbehalt in § 12 Sächsische Beihilfenverordnung vom 22. Juli 2004 (SächsGVBl S. 397) in der Fassung der Zweiten Verordnung der Sächsischen Staatsregierung zur Änderung der Sächsischen Beihilfenverordnung vom 26. September 2008 (SächsGVBl S. 590) - SächsBVO 2008 - aufgeworfenen Fragen führen schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision, weil sie ausgelaufenes Recht betreffen. § 12 SächsBVO 2008 wurde zum 1. September 2009 durch die Bestimmung des § 35 SächsBVO vom 2. Oktober 2009 (SächsGVBl S. 524) - SächsBVO 2009 - abgelöst, welche ihrerseits mit Wirkung zum 1. Januar 2013 durch die Regelung des § 60 SächsBVO vom 16. November 2012 (SächsGVBl S. 626), zuletzt geändert durch Verordnung vom 30. Oktober 2013 (SächsGVBl S. 815) - SächsBVO 2013 - ersetzt wurde. Fragen auslaufenden oder ausgelaufenen Rechts verleihen einer Rechtssache regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil dieser Zulassungsgrund die Revision eröffnen soll, um Fragen zur Auslegung des geltenden Rechts mit Blick auf die Zukunft richtungsweisend zu klären (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 5. Juni 2013 - BVerwG 5 B 7.13 - juris Rn. 6 m.w.N.).
- 6
-
Eine Revisionszulassung wegen solcher Fragen kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sich bei der gesetzlichen Bestimmung, die der außer Kraft getretenen Vorschrift nachgefolgt ist, die streitigen Fragen in gleicher Weise stellen. Trotz des Auslaufens des alten Rechts ist dann eine richtungsweisende Klärung zu erwarten, wie die neue Vorschrift anzuwenden ist (vgl. Beschluss vom 18. November 2010 - BVerwG 7 B 23.10 - juris Rn. 8 m.w.N.). Die Voraussetzungen dieses Ausnahmegrundes sind nicht schon dann anzunehmen, wenn nicht ausgeschlossen ist, dass sich die als rechtsgrundsätzlich angesehenen Fragen im Rahmen des geltenden Rechts in gleicher Weise wie bei der früheren Gesetzeslage stellen. Dies muss vielmehr offensichtlich sein (vgl. Beschlüsse 5. Juni 2013 a.a.O. Rn. 7 und vom 8. Dezember 2005 - BVerwG 6 B 81.05 - Buchholz 442.066 § 38 TKG Nr. 1 Rn. 5 jeweils m.w.N.). An dieser Offensichtlichkeit fehlt es hier.
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-
§ 12 Abs. 2 SächsBVO 2008 ordnet an, dass der Selbstbehalt bei Beihilfeberechtigten entfällt, die sich in Elternzeit befinden. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs bezog sich diese Privilegierung nach dem Wortlaut der Vorschrift allein auf den Beihilfeberechtigten. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen beziehen sich auf die vom Oberverwaltungsgericht vertretene und von der Beschwerde angegriffene Rechtsansicht, dass § 12 Abs. 2 SächsBVO 2008 die berücksichtigungsfähigen Angehörigen des Beihilfeberechtigten nicht erfasst. Der geltende § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SächsBVO 2013 bestimmt hingegen ausdrücklich, dass der Selbstbehalt für Aufwendungen des sich in Elternzeit befindenden Beihilfeberechtigten und dessen berücksichtigungsfähigen Angehörigen entfällt.
- 8
-
Eine weitere Ausnahme von der Regel, dass Fragen des auslaufenden oder ausgelaufenen Rechts die Zulassung der Grundsatzrevision nicht rechtfertigen, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann anerkannt, wenn das in Rede stehende Recht - hier also § 12 SächsBVO 2008 - noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist die Beschwerde darlegungspflichtig. Es müssen Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von Altfällen dargetan und ersichtlich sein (vgl. Beschluss vom 30. Juli 2013 - BVerwG 5 B 2.13 - juris Rn. 8 m.w.N.). Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.
- 9
-
Sie trägt bereits zur Zahl der Fälle, die in Anwendung des § 12 SächsBVO 2008 abzuwickeln sind, nichts Konkretes vor. Sie beschränkt sich insoweit vielmehr auf den Hinweis, die aufgeworfenen Fragen könnten sich in einer Vielzahl von Fällen stellen, wenn aufgrund fehlender Ermächtigungsgrundlage nichtige Verordnungen nicht vollständig neu bekanntgemacht würden, sondern dies nur bei Teilregelungen erfolge (vgl. Beschwerdebegründung S. 12) bzw. wenn es zwar rechtskräftige Entscheidungen zur Nichtigkeit von gleichgelagerten Normen des Bundesrechts oder des Rechts eines anderen Landes, aber noch keine Entscheidung zum im konkreten Verfahren anwendbaren revisiblen Landesrecht gebe (vgl. Beschwerdebegründung S. 13). Dass und in welchem Umfang § 12 SächsBVO 2008 trotz seines Außerkrafttretens noch für offene Altfälle entscheidungserhebliche Bedeutung hat, wird damit nicht ausreichend dargetan. Gleiches gilt, soweit die Beschwerde bezüglich der aufgeworfenen Frage der Ungleichbehandlung von Beihilfeberechtigten und deren berücksichtigungsfähigen Angehörigen behauptet, sie betreffe alle Beihilfeberechtigten in Elternzeit, da nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden müsse, dass für ein Kind zwischen 0 und 3 Jahren in jedem Kalenderjahr Aufwendungen für Heilbehandlungen entstünden, und diese in der Regel auch einen Betrag von 100 € übersteigen würden (vgl. Beschwerdebegründung S. 16). Auch damit wird nicht substantiiert aufgezeigt, dass und für wie viele weitere noch nicht abgeschlossene Streitfälle die ausgelaufene Rechtsvorschrift des § 12 SächsBVO 2008 von entscheidungserheblicher Bedeutung sein soll.
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-
b) Die als rechtsgrundsätzlich formulierten prozessrechtlichen Fragen,
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"ob bei der Abgabe einer Erklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO durch die Beteiligten, wenn diese Erklärung erkennbar zum Zwecke einer Verfahrensbeschleunigung erfolgt ist, ein Gericht, das auch nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums keine Entscheidung getroffen hat, verpflichtet ist, die Beteiligten im Hinblick auf das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erneut anzuhören" (vgl. Beschwerdebegründung S. 16),
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bzw.
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"ob das Fehlen eines zeitlichen Bezugsrahmens in § 101 Abs. 2 VwGO im Hinblick auf den zu gewährleistenden Anspruch auf rechtliches Gehör auch nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums (hier: 2 Jahre) nach Abgabe der Erklärungen noch eine gerichtliche Entscheidung ohne vorherige Anhörung der Beteiligten zulässt oder ob das Gericht in diesen Fällen nicht verpflichtet ist, auf die nunmehr beabsichtigte Entscheidung hinzuweisen" (vgl. Beschwerdebegründung S. 17),
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rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde insoweit den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt. Die Fragen führen jedenfalls der Sache nach nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Sie lassen sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung ohne Weiteres in für die Beschwerde negativer Weise beantworten, ohne dass es einer Überprüfung in einem Revisionsverfahren bedarf.
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Der Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung soll den Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör sichern (vgl. Beschluss vom 8. November 2005 - BVerwG 10 B 45.05 - juris Rn. 5 m.w.N.). Die Verfahrenswahl einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet. Was die Voraussetzungen anbelangt, unter denen im Verwaltungsprozess eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zulässig ist, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin geklärt, dass § 101 Abs. 2 VwGO insoweit eine eigenständige und abschließende Regelung enthält (vgl. Beschlüsse vom 13. Dezember 2013 - BVerwG 6 BN 3.13 - juris Rn. 10 und vom 9. September 2009 - BVerwG 4 BN 4.09 - juris Rn. 27 jeweils m.w.N.). Danach kann das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Das Einverständnis nach § 101 Abs. 2 VwGO ist eine grundsätzlich unwiderrufliche Prozesshandlung (vgl. Beschluss vom 13. Dezember 2013 a.a.O. Rn. 8 m.w.N.). Es muss nach dem Grundsatz der Klarheit einer verfahrensbestimmenden Prozesserklärung klar, eindeutig und vorbehaltlos erklärt werden (vgl. Beschlüsse vom 8. November 2005 - BVerwG 10 B 45.05 - juris Rn. 4 und vom 17. Oktober 1997 - BVerwG 4 B 161.97 - Buchholz 310 § 87a VwGO Nr. 3 S. 4 jeweils m.w.N.). Die Einverständniserklärung unterliegt keiner zeitlichen Befristung. § 101 Abs. 2 VwGO sieht eine zeitliche Bindung des Gerichts nach Verzicht auf die mündliche Verhandlung nicht vor (vgl. Beschluss vom 9. September 2009 a.a.O. und vom 8. Juli 2008 - BVerwG 8 B 29.08 - juris Rn. 7 jeweils m.w.N.). § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO, der eine Drei-Monatsfrist bestimmt, ist nicht entsprechend über § 173 VwGO anwendbar (vgl. Beschlüsse vom 9. September 2009 a.a.O. und vom 19. Dezember 2001 - BVerwG 1 B 120.01 - Buchholz 310 § 116 VwGO Nr. 27 S. 6 jeweils m.w.N.). Der Verzicht auf mündliche Verhandlung bezieht sich seinem Inhalt nach aber lediglich auf die nächste Entscheidung des Gerichts und wird - wenn diese kein abschließendes Urteil ist - dadurch verbraucht. Er ist deshalb dann nicht mehr wirksam, wenn nach diesem Verzicht ein Beweisbeschluss ergeht, den Beteiligten durch einen Auflagenbeschluss eine Stellungnahme abgefordert wird oder Akten zu Beweiszwecken beigezogen oder sonst neue Erkenntnismittel in den Prozess eingeführt werden (vgl. Beschluss vom 13. Dezember 2013 a.a.O.). Eine Änderung der Prozesslage führt hingegen im Verwaltungsprozess weder von selbst zur Unwirksamkeit eines einmal erklärten Verzichts auf mündliche Verhandlung noch - wie in § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorgesehen - zu dessen Widerrufbarkeit (vgl. Beschluss vom 13. Dezember 2013 a.a.O. m.w.N.).
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Ausgehend von dieser Rechtsprechung liegt es auf der Hand und bedarf keiner erneuten Durchführung eines Revisionsverfahrens, dass ein erklärtes Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht allein durch den Ablauf eines erheblichen Zeitraums verbraucht oder unwirksam wird. Des Weiteren folgt daraus, dass das Verstreichen eines erheblichen Zeitraums nach der Einverständniserklärung für sich auch nicht die Verpflichtung des Gerichts begründet, den Beteiligten mitzuteilen, ob von der durch das Einverständnis eröffneten Möglichkeit, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, Gebrauch gemacht werde und wann eine Entscheidung ergehen soll. Das Verwaltungsprozessrecht schreibt dem erkennenden Gericht solche Erklärungen nicht vor (vgl. Beschluss vom 10. Juni 1994 - BVerwG 6 B 45.93 - Buchholz 310 § 101 Nr. 20). Mit welchem Motiv bzw. Ziel das vorbehaltlos abzugebende Einverständnis erklärt wird, ist unerheblich. Daher spielt es - entgegen der Auffassung der Beschwerde - insoweit auch keine Rolle, dass das entscheidende Motiv für das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gegebenenfalls die Beschleunigung des Verfahrens war, das Verfahren durch den Verzicht auf mündliche Verhandlung aber im Ergebnis nicht beschleunigt wurde.
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Rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf besteht im Hinblick auf die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen auch insofern nicht, als noch in entscheidungserheblicher Weise zu klären wäre, in welchen Fällen der Anspruch auf rechtliches Gehör dem Gericht gebieten kann, nach Ablauf eines (erheblichen) Zeitraums im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nach § 101 Abs. 2 VwGO davon abzusehen, von dem erklärten Verzicht Gebrauch zu machen. Insoweit ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt, dass es zwar im Ermessen des Gerichts steht, ob es trotz wirksamen Verzichts ohne mündliche Verhandlung entscheidet, das Gericht aber in diesem Zusammenhang dafür einzustehen hat, dass trotz der unterbleibenden mündlichen Verhandlung das rechtliche Gehör der Beteiligten nicht verletzt wird. Danach kann etwa die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung notwendig sein, wenn ein Beteiligter geltend macht, eine wesentliche Änderung der Prozesslage erfordere unter dem Gesichtspunkt seines rechtlichen Gehörs deren Durchführung (vgl. Beschlüsse vom 1. März 2006 a.a.O. und vom 13. Dezember 2013 - BVerwG 7 B 90.05 - juris Rn. 12). Eine solche Lage hat der Kläger hier jedoch weder substantiiert geltend gemacht noch ist ihr Vorliegen sonst erkennbar.
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2. Soweit die Beschwerde schließlich einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO daraus herleiten will, dass das angegriffene Urteil erst mehr als zwei Jahre, nachdem der Kläger zur Beschleunigung des Verfahrens sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt habe, ergangen sei (vgl. Beschwerdebegründung S. 18), fehlt es bereits an der schlüssigen Bezeichnung des behaupteten Verfahrensmangels. Die Beschwerde legt nicht dar, dass der Verzicht des Klägers auf mündliche Verhandlung im Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr wirksam gewesen wäre, weil der Verwaltungsgerichtshof eine den Verzicht verbrauchende Zwischenentscheidung erlassen hätte oder die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung aus Gründen des rechtlichen Gehörs - etwa wegen einer vom Kläger begründet geltend gemachten wesentlichen Änderung der Prozesslage - das allein ermessensgerechte Verhalten des Gerichts gewesen wäre.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Gründe
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Die auf die Zulassungsgründe der Grundsatzbedeutung und des Verfahrensmangels gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
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Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht (vgl. Beschluss vom 15. Januar 2014 - BVerwG 5 B 57.13 - ZOV 2014, 52 Rn. 3 m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt das Beschwerdevorbringen nicht.
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a) Die Beschwerde hält die Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig,
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"ob eine Norm des revisiblen Landesrechts (hier: § 12 SächsBVO), die Teil einer wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage insgesamt nichtigen Verordnung ist, auf der Grundlage einer in der Folge geschaffenen Ermächtigungsgrundlage dann aber (erneut) bekannt gemacht worden ist, deshalb nichtig ist, weil eine erneute Bekanntmachung der Verordnung, auf die die Teilregelung Bezug nimmt, nicht erfolgt ist" (vgl. Beschwerdebegründung S. 8),
-
"ob eine Norm des revisiblen Landesrechts (hier: § 12 SächsBVO), die Teil einer wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage insgesamt nichtigen Verordnung ist und auf der Grundlage einer in der Folge geschaffenen Ermächtigungsgrundlage im Wege einer Änderungsverordnung 'neu gefasst' wird, bereits deshalb nichtig ist, weil eine nichtige Verordnung aufgrund eines fehlenden Änderungsgegenstandes auch nicht mehr geändert werden kann" (vgl. Beschwerdebegründung S. 8),
-
"ob Vertrauen auf die Nichtigkeit einer Norm des revisiblen Landesrechts (hier: § 12 SächsBVO) erst entstehen kann, wenn deren Nichtigkeit in einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts ausgesprochen wurde oder diese offenkundig nichtig ist" (vgl. Beschwerdebegründung S. 12),
-
"ob im Hinblick auf in den Beihilfevorschriften enthaltene Regelungen über einen Selbstbehalt ('Kostendämpfungspauschale') und einer vorgesehenen Befreiung von diesem Selbstbehalt für Beihilfeberechtigte, die sich in Elternzeit befinden, bei der Erhebung des Selbstbehalts zwischen der 'Person des Beihilfeberechtigten' und 'der Beihilfe' dergestalt unterschieden werden darf, dass die Erhebung bei Beihilfeberechtigten, die sich in Elternzeit befinden, für Aufwendungen berücksichtigungsfähiger Angehöriger gleichwohl stattfindet und damit ein (weiterer) Selbstbehalt erhoben wird" (vgl. Beschwerdebegründung S. 13 f.),
-
"ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, wenn in Beihilfevorschriften für die Erhebung eines Selbstbehalts nicht danach unterschieden wird, ob Aufwendungen des Beihilfeberechtigten oder berücksichtigungsfähiger Angehöriger geltend gemacht werden (der Selbstbehalt damit nur einmal anfällt), bei der Befreiung von diesem Selbstbehalt für Beihilfeberechtigte, die sich in Elternzeit befinden, eine solche Unterscheidung aber vorgenommen wird, so dass neben dem Selbstbehalt für den Beihilfeberechtigten (von dem befreit wird) noch ein weiterer Selbstbehalt für dessen berücksichtigungsfähige Angehörige angerechnet wird" (vgl. Beschwerdebegründung S. 14).
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Diese allesamt mit Blick auf die Regelung über den Selbstbehalt in § 12 Sächsische Beihilfenverordnung vom 22. Juli 2004 (SächsGVBl S. 397) in der Fassung der Zweiten Verordnung der Sächsischen Staatsregierung zur Änderung der Sächsischen Beihilfenverordnung vom 26. September 2008 (SächsGVBl S. 590) - SächsBVO 2008 - aufgeworfenen Fragen führen schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision, weil sie ausgelaufenes Recht betreffen. § 12 SächsBVO 2008 wurde zum 1. September 2009 durch die Bestimmung des § 35 SächsBVO vom 2. Oktober 2009 (SächsGVBl S. 524) - SächsBVO 2009 - abgelöst, welche ihrerseits mit Wirkung zum 1. Januar 2013 durch die Regelung des § 60 SächsBVO vom 16. November 2012 (SächsGVBl S. 626), zuletzt geändert durch Verordnung vom 30. Oktober 2013 (SächsGVBl S. 815) - SächsBVO 2013 - ersetzt wurde. Fragen auslaufenden oder ausgelaufenen Rechts verleihen einer Rechtssache regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil dieser Zulassungsgrund die Revision eröffnen soll, um Fragen zur Auslegung des geltenden Rechts mit Blick auf die Zukunft richtungsweisend zu klären (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 5. Juni 2013 - BVerwG 5 B 7.13 - juris Rn. 6 m.w.N.).
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Eine Revisionszulassung wegen solcher Fragen kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sich bei der gesetzlichen Bestimmung, die der außer Kraft getretenen Vorschrift nachgefolgt ist, die streitigen Fragen in gleicher Weise stellen. Trotz des Auslaufens des alten Rechts ist dann eine richtungsweisende Klärung zu erwarten, wie die neue Vorschrift anzuwenden ist (vgl. Beschluss vom 18. November 2010 - BVerwG 7 B 23.10 - juris Rn. 8 m.w.N.). Die Voraussetzungen dieses Ausnahmegrundes sind nicht schon dann anzunehmen, wenn nicht ausgeschlossen ist, dass sich die als rechtsgrundsätzlich angesehenen Fragen im Rahmen des geltenden Rechts in gleicher Weise wie bei der früheren Gesetzeslage stellen. Dies muss vielmehr offensichtlich sein (vgl. Beschlüsse 5. Juni 2013 a.a.O. Rn. 7 und vom 8. Dezember 2005 - BVerwG 6 B 81.05 - Buchholz 442.066 § 38 TKG Nr. 1 Rn. 5 jeweils m.w.N.). An dieser Offensichtlichkeit fehlt es hier.
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§ 12 Abs. 2 SächsBVO 2008 ordnet an, dass der Selbstbehalt bei Beihilfeberechtigten entfällt, die sich in Elternzeit befinden. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs bezog sich diese Privilegierung nach dem Wortlaut der Vorschrift allein auf den Beihilfeberechtigten. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen beziehen sich auf die vom Oberverwaltungsgericht vertretene und von der Beschwerde angegriffene Rechtsansicht, dass § 12 Abs. 2 SächsBVO 2008 die berücksichtigungsfähigen Angehörigen des Beihilfeberechtigten nicht erfasst. Der geltende § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SächsBVO 2013 bestimmt hingegen ausdrücklich, dass der Selbstbehalt für Aufwendungen des sich in Elternzeit befindenden Beihilfeberechtigten und dessen berücksichtigungsfähigen Angehörigen entfällt.
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Eine weitere Ausnahme von der Regel, dass Fragen des auslaufenden oder ausgelaufenen Rechts die Zulassung der Grundsatzrevision nicht rechtfertigen, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann anerkannt, wenn das in Rede stehende Recht - hier also § 12 SächsBVO 2008 - noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist die Beschwerde darlegungspflichtig. Es müssen Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von Altfällen dargetan und ersichtlich sein (vgl. Beschluss vom 30. Juli 2013 - BVerwG 5 B 2.13 - juris Rn. 8 m.w.N.). Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.
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Sie trägt bereits zur Zahl der Fälle, die in Anwendung des § 12 SächsBVO 2008 abzuwickeln sind, nichts Konkretes vor. Sie beschränkt sich insoweit vielmehr auf den Hinweis, die aufgeworfenen Fragen könnten sich in einer Vielzahl von Fällen stellen, wenn aufgrund fehlender Ermächtigungsgrundlage nichtige Verordnungen nicht vollständig neu bekanntgemacht würden, sondern dies nur bei Teilregelungen erfolge (vgl. Beschwerdebegründung S. 12) bzw. wenn es zwar rechtskräftige Entscheidungen zur Nichtigkeit von gleichgelagerten Normen des Bundesrechts oder des Rechts eines anderen Landes, aber noch keine Entscheidung zum im konkreten Verfahren anwendbaren revisiblen Landesrecht gebe (vgl. Beschwerdebegründung S. 13). Dass und in welchem Umfang § 12 SächsBVO 2008 trotz seines Außerkrafttretens noch für offene Altfälle entscheidungserhebliche Bedeutung hat, wird damit nicht ausreichend dargetan. Gleiches gilt, soweit die Beschwerde bezüglich der aufgeworfenen Frage der Ungleichbehandlung von Beihilfeberechtigten und deren berücksichtigungsfähigen Angehörigen behauptet, sie betreffe alle Beihilfeberechtigten in Elternzeit, da nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden müsse, dass für ein Kind zwischen 0 und 3 Jahren in jedem Kalenderjahr Aufwendungen für Heilbehandlungen entstünden, und diese in der Regel auch einen Betrag von 100 € übersteigen würden (vgl. Beschwerdebegründung S. 16). Auch damit wird nicht substantiiert aufgezeigt, dass und für wie viele weitere noch nicht abgeschlossene Streitfälle die ausgelaufene Rechtsvorschrift des § 12 SächsBVO 2008 von entscheidungserheblicher Bedeutung sein soll.
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b) Die als rechtsgrundsätzlich formulierten prozessrechtlichen Fragen,
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"ob bei der Abgabe einer Erklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO durch die Beteiligten, wenn diese Erklärung erkennbar zum Zwecke einer Verfahrensbeschleunigung erfolgt ist, ein Gericht, das auch nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums keine Entscheidung getroffen hat, verpflichtet ist, die Beteiligten im Hinblick auf das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erneut anzuhören" (vgl. Beschwerdebegründung S. 16),
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bzw.
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"ob das Fehlen eines zeitlichen Bezugsrahmens in § 101 Abs. 2 VwGO im Hinblick auf den zu gewährleistenden Anspruch auf rechtliches Gehör auch nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums (hier: 2 Jahre) nach Abgabe der Erklärungen noch eine gerichtliche Entscheidung ohne vorherige Anhörung der Beteiligten zulässt oder ob das Gericht in diesen Fällen nicht verpflichtet ist, auf die nunmehr beabsichtigte Entscheidung hinzuweisen" (vgl. Beschwerdebegründung S. 17),
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rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde insoweit den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt. Die Fragen führen jedenfalls der Sache nach nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Sie lassen sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung ohne Weiteres in für die Beschwerde negativer Weise beantworten, ohne dass es einer Überprüfung in einem Revisionsverfahren bedarf.
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Der Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung soll den Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör sichern (vgl. Beschluss vom 8. November 2005 - BVerwG 10 B 45.05 - juris Rn. 5 m.w.N.). Die Verfahrenswahl einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet. Was die Voraussetzungen anbelangt, unter denen im Verwaltungsprozess eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zulässig ist, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin geklärt, dass § 101 Abs. 2 VwGO insoweit eine eigenständige und abschließende Regelung enthält (vgl. Beschlüsse vom 13. Dezember 2013 - BVerwG 6 BN 3.13 - juris Rn. 10 und vom 9. September 2009 - BVerwG 4 BN 4.09 - juris Rn. 27 jeweils m.w.N.). Danach kann das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Das Einverständnis nach § 101 Abs. 2 VwGO ist eine grundsätzlich unwiderrufliche Prozesshandlung (vgl. Beschluss vom 13. Dezember 2013 a.a.O. Rn. 8 m.w.N.). Es muss nach dem Grundsatz der Klarheit einer verfahrensbestimmenden Prozesserklärung klar, eindeutig und vorbehaltlos erklärt werden (vgl. Beschlüsse vom 8. November 2005 - BVerwG 10 B 45.05 - juris Rn. 4 und vom 17. Oktober 1997 - BVerwG 4 B 161.97 - Buchholz 310 § 87a VwGO Nr. 3 S. 4 jeweils m.w.N.). Die Einverständniserklärung unterliegt keiner zeitlichen Befristung. § 101 Abs. 2 VwGO sieht eine zeitliche Bindung des Gerichts nach Verzicht auf die mündliche Verhandlung nicht vor (vgl. Beschluss vom 9. September 2009 a.a.O. und vom 8. Juli 2008 - BVerwG 8 B 29.08 - juris Rn. 7 jeweils m.w.N.). § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO, der eine Drei-Monatsfrist bestimmt, ist nicht entsprechend über § 173 VwGO anwendbar (vgl. Beschlüsse vom 9. September 2009 a.a.O. und vom 19. Dezember 2001 - BVerwG 1 B 120.01 - Buchholz 310 § 116 VwGO Nr. 27 S. 6 jeweils m.w.N.). Der Verzicht auf mündliche Verhandlung bezieht sich seinem Inhalt nach aber lediglich auf die nächste Entscheidung des Gerichts und wird - wenn diese kein abschließendes Urteil ist - dadurch verbraucht. Er ist deshalb dann nicht mehr wirksam, wenn nach diesem Verzicht ein Beweisbeschluss ergeht, den Beteiligten durch einen Auflagenbeschluss eine Stellungnahme abgefordert wird oder Akten zu Beweiszwecken beigezogen oder sonst neue Erkenntnismittel in den Prozess eingeführt werden (vgl. Beschluss vom 13. Dezember 2013 a.a.O.). Eine Änderung der Prozesslage führt hingegen im Verwaltungsprozess weder von selbst zur Unwirksamkeit eines einmal erklärten Verzichts auf mündliche Verhandlung noch - wie in § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorgesehen - zu dessen Widerrufbarkeit (vgl. Beschluss vom 13. Dezember 2013 a.a.O. m.w.N.).
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Ausgehend von dieser Rechtsprechung liegt es auf der Hand und bedarf keiner erneuten Durchführung eines Revisionsverfahrens, dass ein erklärtes Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht allein durch den Ablauf eines erheblichen Zeitraums verbraucht oder unwirksam wird. Des Weiteren folgt daraus, dass das Verstreichen eines erheblichen Zeitraums nach der Einverständniserklärung für sich auch nicht die Verpflichtung des Gerichts begründet, den Beteiligten mitzuteilen, ob von der durch das Einverständnis eröffneten Möglichkeit, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, Gebrauch gemacht werde und wann eine Entscheidung ergehen soll. Das Verwaltungsprozessrecht schreibt dem erkennenden Gericht solche Erklärungen nicht vor (vgl. Beschluss vom 10. Juni 1994 - BVerwG 6 B 45.93 - Buchholz 310 § 101 Nr. 20). Mit welchem Motiv bzw. Ziel das vorbehaltlos abzugebende Einverständnis erklärt wird, ist unerheblich. Daher spielt es - entgegen der Auffassung der Beschwerde - insoweit auch keine Rolle, dass das entscheidende Motiv für das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gegebenenfalls die Beschleunigung des Verfahrens war, das Verfahren durch den Verzicht auf mündliche Verhandlung aber im Ergebnis nicht beschleunigt wurde.
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Rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf besteht im Hinblick auf die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen auch insofern nicht, als noch in entscheidungserheblicher Weise zu klären wäre, in welchen Fällen der Anspruch auf rechtliches Gehör dem Gericht gebieten kann, nach Ablauf eines (erheblichen) Zeitraums im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nach § 101 Abs. 2 VwGO davon abzusehen, von dem erklärten Verzicht Gebrauch zu machen. Insoweit ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt, dass es zwar im Ermessen des Gerichts steht, ob es trotz wirksamen Verzichts ohne mündliche Verhandlung entscheidet, das Gericht aber in diesem Zusammenhang dafür einzustehen hat, dass trotz der unterbleibenden mündlichen Verhandlung das rechtliche Gehör der Beteiligten nicht verletzt wird. Danach kann etwa die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung notwendig sein, wenn ein Beteiligter geltend macht, eine wesentliche Änderung der Prozesslage erfordere unter dem Gesichtspunkt seines rechtlichen Gehörs deren Durchführung (vgl. Beschlüsse vom 1. März 2006 a.a.O. und vom 13. Dezember 2013 - BVerwG 7 B 90.05 - juris Rn. 12). Eine solche Lage hat der Kläger hier jedoch weder substantiiert geltend gemacht noch ist ihr Vorliegen sonst erkennbar.
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2. Soweit die Beschwerde schließlich einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO daraus herleiten will, dass das angegriffene Urteil erst mehr als zwei Jahre, nachdem der Kläger zur Beschleunigung des Verfahrens sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt habe, ergangen sei (vgl. Beschwerdebegründung S. 18), fehlt es bereits an der schlüssigen Bezeichnung des behaupteten Verfahrensmangels. Die Beschwerde legt nicht dar, dass der Verzicht des Klägers auf mündliche Verhandlung im Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr wirksam gewesen wäre, weil der Verwaltungsgerichtshof eine den Verzicht verbrauchende Zwischenentscheidung erlassen hätte oder die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung aus Gründen des rechtlichen Gehörs - etwa wegen einer vom Kläger begründet geltend gemachten wesentlichen Änderung der Prozesslage - das allein ermessensgerechte Verhalten des Gerichts gewesen wäre.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
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bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
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die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.
(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.
(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.
Tenor
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 16. November 2006 - 7 K 2280/05 - zuzulassen, wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf EUR 250,-- festgesetzt.
Gründe
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Tatbestand
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Der Kläger ist Eigentümer eines Seeufergrundstücks in der Gemeinde Eching am Ammersee. Das Grundstück ist mit einem von dem Maler Hans Beat Wieland erbauten Hauptgebäude, das im Verlauf der 1980er Jahre in die Denkmalliste, Teil Baudenkmäler, eingetragen wurde ("eingeschossiges Landhaus im Norwegerstil, mit Grassodendach, erbaut 1900"), sowie mit Nebengebäuden bestanden. In den Jahren 2005 und 2006 erhielt der Kläger Baugenehmigungen zum "Umbau und Sanierung der Kellerräume im bestehenden Wohnhaus und zur Errichtung einer aufgeständerten Terrasse" sowie zur "Sanierung des Daches und zum Einbau von zwei zusätzlichen Dachgauben".
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Anlässlich einer im Dezember 2006 durchgeführten Baukontrolle stellte die Bauaufsichtsbehörde fest, dass der Kläger bei der Bauausführung erheblich von den genehmigten Bauplänen abgewichen war. Nachdem der Kläger angehört worden war, verpflichtete ihn das Landratsamt mit Bescheid vom 25. September 2007 zur Beseitigung des "Hauptgebäudes" und drohte für den Fall der Nichtbefolgung die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 15 000 € an. Den vom Kläger zwischenzeitlich gestellten Bauantrag lehnte es ab. Gegen die Entscheidungen erhob der Kläger Klage, die jedoch nur in Bezug auf die Beseitigungsanordnung erfolgreich war.
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Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage auch hinsichtlich der Beseitigungsanordnung abgewiesen. Diese sei rechtmäßig, weil infolge der im Außenbereich ungenehmigt durchgeführten Baumaßnahmen das Wohngebäude seine Eigenschaft als Denkmal verloren habe und deshalb die Belange des Denkmalschutzes (§ 35 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) beeinträchtigt seien.
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Gegen das Berufungsurteil hat der Kläger die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Der Beklagte verteidigt das Urteil.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. §§ 141, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (1.) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) dar (2.); es ist aufzuheben. Zur Entscheidung in der Sache bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen. Das Verfahren ist deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Das Berufungsgericht hat die verfahrensgegenständliche Beseitigungsanordnung an Art. 82 Satz 1 der Bayerischen Bauordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. August 1997, GVBl S. 588 (BayBO 1998) gemessen. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert worden sind und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Verwaltungsgerichtshof bejaht. Die vom Kläger im Außenbereich abweichend von den ihm erteilten Baugenehmigungen durchgeführten baulichen Maßnahmen (§ 29 Abs. 1 BauGB) widersprächen bauplanungsrechtlichen Vorschriften (UA S. 9 Rn. 3). Sie seien schon deshalb nicht genehmigungsfähig, weil sie die Belange des Denkmalschutzes (§ 35 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) beeinträchtigten. Denn die vom Kläger durchgeführten Maßnahmen hätten zum Verlust der Denkmaleigenschaft des Gebäudes und damit zur Zerstörung des Denkmals geführt. Die Beeinträchtigung des Belangs des Denkmalschutzes entfalle nicht etwa deswegen, weil das Baudenkmal bereits beseitigt worden sei. Bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit einer bereits ausgeführten Baumaßnahme sei auf den Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn dieser Maßnahme abzustellen. Andernfalls würde das gesetzgeberische Anliegen des Denkmalschutzes weitgehend leerlaufen, weil die eigenmächtige Beseitigung eines Baudenkmals stets dazu führen würde, dass dieser öffentliche Belang einem Bauvorhaben nicht mehr entgegengehalten werden könne (UA S. 11 Rn. 8).
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Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung u.a., dass die bauliche Anlage, deren Beseitigung gefordert wird, nicht genehmigungsfähig ist. Hieran ist der Senat nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO gebunden, da die Vorinstanz insoweit die landesrechtliche und nicht revisible Vorschrift des Art. 82 Satz 1 BayBO 1998 ausgelegt und angewandt hat. Nicht dieser Regelung, sondern derjenigen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB hat sie entnommen, dass es für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit der vom Kläger vorgenommenen Baumaßnahme auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt unmittelbar vor ihrer Durchführung ankommt. Das ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB beantwortet nicht die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit einer Baumaßnahme abzustellen ist, durch die eine bauliche Anlage ihre Eigenschaft als Baudenkmal verloren hat.
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Der Senat hat entschieden, dass es nach allgemeinen Grundsätzen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung ankommt (Beschluss vom 11. August 1992 - BVerwG 4 B 161.92 - Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 40 = NVwZ 1993, 476). Ob dies auch hier gilt oder wegen der Formulierung "wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können" in Art. 82 Satz 1 BayBO 1998 und mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 GG und den verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen und daher zu prüfen ist, ob sich die Sach- und Rechtslage dergestalt verändert hat, dass die bauliche Anlage nunmehr genehmigungsfähig ist, kann offen bleiben. Denn nach den mit zulässigen und begründeten Revisionsgründen nicht angegriffenen und den Senat deshalb nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs war bereits zum insofern frühest möglichen maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Beseitigungsanordnung die Denkmaleigenschaft des klägerischen Wohnhauses infolge seiner nahezu vollständigen Entkernung entfallen. Die Genehmigungsfähigkeit des Umbaus konnte damit nicht mehr am öffentlichen Belang des Denkmalschutzes in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 4 BauGB scheitern.
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Der Verwaltungsgerichtshof hat den Zeitpunkt für die Genehmigungsfähigkeit vorverlegt, um dem Anliegen des Denkmalschutzes in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB Rechnung zu tragen. Er entnimmt der Vorschrift, dass die eigenmächtige Beseitigung eines Baudenkmals nicht ohne Folgen für den Bauherrn bleiben dürfe. Das trifft so nicht zu. Das Bauplanungsrecht hat nicht die Aufgabe, rechtswidriges Verhalten zu sanktionieren. Dafür gibt es andere rechtliche Instrumentarien. Werden bauliche Maßnahmen unter Verstoß gegen geltendes Recht, insbesondere ohne die hierfür erforderliche Baugenehmigung durchgeführt, kann dies auf der Grundlage entsprechender Ordnungswidrigkeitentatbestände in den Ländern (hier: Art. 89 Abs. 1 Nr. 10 BayBO 1998 bzw. seit 1. Januar 2008 Art. 79 Abs. 1 Nr. 8 BayBO) mit Geldbuße geahndet werden. Für den Fall der Beeinträchtigung oder Zerstörung eines Baudenkmals enthält zudem das Bayerische Denkmalschutzgesetz (BayDSchG) in Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 einen entsprechenden Bußgeldtatbestand. Ferner ermächtigt Art. 15 Abs. 3 BayDSchG die Untere Denkmalschutzbehörde u.a. für den Fall, dass die Beseitigung oder Veränderung eines Baudenkmals ohne die erforderliche Genehmigung durchgeführt wurde, dazu, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands zu verlangen, soweit dies noch möglich ist. Über Art. 15 Abs. 4 BayDSchG ist der widerrechtlich Handelnde zudem - und unabhängig von der Verhängung einer Geldbuße - zur Wiedergutmachung des von ihm angerichteten Schadens bis zu dessen vollem Umfang verpflichtet.
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Das gesetzgeberische Anliegen, das hinter § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 4 BauGB steht, läuft damit - anders als der Verwaltungsgerichtshof meint - nicht leer. Die Vorschrift verdrängt die landesrechtlichen Bestimmungen nicht. Sie gewährleistet nur ein Mindestmaß an bundesrechtlich eigenständigem, von landesrechtlicher Regelung unabhängigem Denkmalschutz; im Verhältnis zu den denkmalrechtlichen Vorschriften, die nach § 29 Abs. 2 BauGB unberührt bleiben, hat sie eine Auffangfunktion (Urteil vom 21. April 2009 - BVerwG 4 C 3.08 - BVerwGE 133, 347 Rn. 21 = Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 361).
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2. Das Urteil des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob das klägerische Vorhaben gegebenenfalls andere öffentliche Belange i.S.v. § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt, namentlich ob es - wovon das Landratsamt im verfahrensgegenständlichen Bescheid ausgegangen ist - den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB), die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) oder die Erweiterung (näherliegend wohl die Verfestigung) einer Splittersiedlung befürchten lässt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB). Das zwingt zur Zurückverweisung der Sache (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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Die möglicherweise beeinträchtigten Belange sind nicht gemäß § 35 Abs. 4 BauGB unbeachtlich, denn - anders als der Kläger meint - liegen die Voraussetzungen der dort genannten Begünstigungstatbestände nicht vor, namentlich ist § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB nicht einschlägig. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist die erleichterte Zulassung eines Außenbereichsvorhabens nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB zwar nicht auf unwesentliche Änderungen oder Nutzungsänderungen beschränkt. Ausgeschlossen sind indes Veränderungen, die einer Neuerrichtung oder einer Erweiterung im Sinne des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 3, 5 und 6 BauGB gleichkommen (Beschluss vom 18. Oktober 1993 - BVerwG 4 B 160.93 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 287). Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs (§ 137 Abs. 2 VwGO) kommen die vom Kläger durchgeführten Maßnahmen vorliegend einem Neubau gleich (UA S. 12 Rn. 10).
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3. Auf die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler ist nicht mehr einzugehen. Soweit es sich hierbei nicht ohnehin um in Verfahrensrügen gekleidete materielle Rügen handelt, greifen sie nicht durch. Da sie allesamt nicht unter § 138 VwGO fallen, sieht der Senat gemäß § 144 Abs. 7 Satz 1 VwGO von einer Begründung ab.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge.
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Im Jahre 1978 beschloss der Rat der Beklagten die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets "Südmarkt" im Stadtgebiet der Beklagten. Nach Genehmigung und Bekanntmachung der Sanierungssatzung führte die Beklagte verschiedene Ordnungs- und Sanierungsmaßnahmen durch; im Jahr 1989 schloss sie die letzten Sanierungsmaßnahmen ab. In den Jahren 1989 bis 1992 rechnete die Beklagte gegenüber dem Regierungspräsidenten Düsseldorf die für die Sanierung erhaltenen Zuwendungen ab; der Schlussverwendungsnachweis datiert vom 11. März 1992; mit Schreiben vom 15. Juni 1992 erklärte der Regierungspräsident das Modellvorhaben Südmarkt I (städtebaulicher Teil) haushalts- bzw. zuwendungsrechtlich für abgeschlossen.
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Im Juni 2006 beschloss die Beklagte die Aufhebung der Sanierungssatzung, Ende Juni 2006 wurde die Aufhebungssatzung bekannt gemacht.
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Der Kläger ist Wohnungseigentümer im Geltungsbereich des (ehemaligen) Sanierungsgebiets "Südmarkt". Mit Bescheid vom 25. Mai 2010 zog ihn die Beklagte nach vorheriger Anhörung zur Zahlung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags in Höhe von 1 216,80 € heran. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage.
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Das Verwaltungsgericht hob den angefochtenen Bescheid auf. Die Voraussetzungen für die Erhebung von Ausgleichsbeträgen lägen aus drei selbständig tragenden Gründen nicht vor. Zunächst habe die Aufhebungssatzung wegen formeller Mängel nicht zu einem Abschluss der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB geführt (1). Unabhängig davon sei der Abschluss der Sanierung nicht mit der - ohnehin unwirksamen - Aufhebungssatzung, sondern schon wesentlich früher eingetreten, weil die Sanierungssatzung spätestens im Jahr 1992 funktionslos geworden sei mit der Folge, dass die Erhebung des Ausgleichsbetrags spätestens seit dem Jahr 1997 festsetzungsverjährt sei (2). Zuletzt halte auch die Ermittlung der konkreten Ausgleichsbeträge einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand (3).
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Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung wandte sich die Beklagte ausschließlich gegen den Entscheidungsgrund zu 2. Sie beantragte, das angegriffene Urteil zu ändern und der Klage nicht wegen Festsetzungsverjährung stattzugeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Diese sei zwar zulässig, aber unbegründet. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht angenommen, dass bei Erlass des Bescheides bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei. Die Festsetzungsfrist betrage vier Jahre und beginne mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Entstanden sei die Abgabe hier spätestens Ende 1992, so dass die Festsetzungsfrist bereits Ende des Jahres 1996 abgelaufen sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die Sanierungssatzung im Jahr 1992 nicht aufgehoben worden sei. Zwar sei nach § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Ausgleichsbetrag "nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163 BauGB) zu entrichten". Daraus ergebe sich, dass insofern nur die förmliche Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 BauGB bzw. die förmliche Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung für das jeweilige Grundstück gemäß § 163 BauGB maßgeblich seien. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift sowie Bedürfnisse der Rechtssicherheit bestätigten diesen Befund. Wann die Sanierung tatsächlich abgeschlossen sei, sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts daher unerheblich. Dieser Rechtsprechung könne jedoch, soweit es um die Auslösung der Festsetzungsfrist gehe, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mehr für alle Fallkonstellationen und so auch hier gefolgt werden. Denn sie führe dazu, dass die Gemeinde durch den pflichtwidrigen Nichterlass der Aufhebungssatzung das Entstehen des Ausgleichsbetragsanspruchs unbegrenzt verhindern könne und damit der Eintritt der Festsetzungsverjährung in ihr Belieben gestellt wäre. Dies sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit unvereinbar. Dieses gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Diese zu Kanalanschlussbeiträgen ergangene Rechtsprechung finde auch auf sanierungsrechtliche Ausgleichsbeträge Anwendung. Die erforderliche Rechtssicherheit ergebe sich nicht daraus, dass die betroffenen Eigentümer gemäß § 163 Abs. 1 Satz 2 BauGB die grundstücksbezogene Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung oder gemäß § 154 Abs. 3 Satz 3 BauGB die vorzeitige Festsetzung des Ausgleichsbetrags beantragen könnten. Auch die Überleitungsvorschrift des § 235 Abs. 4 BauGB regele lediglich eine Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung, löse aber nicht die Festsetzungsfrist aus. Damit sei § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB in der bisherigen Auslegung mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar. Gleichwohl sei eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht zulässig. Denn die Vorschrift könne für den Fall, dass die Gemeinde entgegen ihrer Rechtspflicht die Sanierungssatzung nicht aufhebe, verfassungskonform so ausgelegt werden, dass die abstrakte Ausgleichsbetragsforderung in dem Zeitpunkt entstehe, in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben werden müssen. Das sei hier bereits im Jahre 1992 der Fall gewesen, weil in diesem Jahr teils die Sanierung vollständig durchgeführt gewesen, teils die Sanierungsabsicht aufgegeben worden sei. Da der angegriffene Bescheid somit bereits wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung rechtswidrig sei, könne dahingestellt bleiben, ob die vom Verwaltungsgericht angenommenen weiteren Rechtswidrigkeitsgründe vorliegen und ob das Berufungsgericht diese prüfen darf.
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision wegen Divergenz zugelassen, die Beklagte hat von dem zugelassenen Rechtsmittel Gebrauch gemacht.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision (1) ist im Ergebnis unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt zwar Bundesrecht (2); die Entscheidung selbst stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (3).
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1. Die Revision ist zulässig.
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Im Revisionsverfahren hat die Beklagte zuletzt ohne Einschränkung beantragt, die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eine unzulässige Beschränkung des Streitgegenstandes (vgl. hierzu z.B. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 139 Rn. 36) liegt damit nicht vor.
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In dem einschränkungslos formulierten Revisionsantrag liegt auch keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageerweiterung (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO), denn dem Umstand, dass die Beklagte ihren Antrag in der Berufungsinstanz darauf beschränkt hatte, "das angegriffene Urteil zu ändern und der Klage nicht wegen Festsetzungsverjährung stattzugeben", hat das Oberverwaltungsgericht (UA S. 7 f.) ausdrücklich nur als Problem der Berufungsbegründung (§ 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO) Bedeutung beigemessen. Von einer Beschränkung des Streitgegenstandes in der Berufungsinstanz ist es ersichtlich nicht ausgegangen.
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2. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 17), § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB sei hinsichtlich des Beginns der vierjährigen Frist für die Festsetzung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge verfassungskonform dahin auszulegen, dass für den Fall einer rechtswidrig verzögerten Aufhebung der Sanierungssatzung nicht - wie in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorgesehen - an den förmlichen "Abschluss der Sanierung" durch Aufhebung der Sanierungssatzung (§ 162 BauGB) anzuknüpfen, sondern der Zeitpunkt maßgeblich sei, "in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben worden sein müssen", steht mit Bundesrecht nicht im Einklang.
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a) Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 9) hat § 155 Abs. 5 BauGB i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO die Regelung entnommen, dass die Festsetzung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags nicht mehr zulässig ist, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist; nach § 169 Abs. 2 Satz 1, § 170 Abs. 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre; sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist.
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Wann die sanierungsrechtliche Ausgleichsabgabe entstanden ist, beantwortet § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB mit der Regelung, dass der Ausgleichsbetrag "nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163 BauGB) zu entrichten" ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (zuletzt Beschluss vom 12. April 2011 - BVerwG 4 B 52.10 - ZfBR 2011, 477 = BauR 2011, 1308 = BRS 78 Nr. 215 = juris Rn. 5 m.w.N.) ist der Begriff des Abschlusses der Sanierung förmlich zu verstehen. Die Pflicht zur Zahlung des Ausgleichsbetrags entsteht mit der rechtsförmlichen Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 Abs. 1 BauGB (oder - hier nicht von Interesse - mit der Erklärung der Gemeinde gemäß § 163 BauGB, dass die Sanierung für ein Grundstück abgeschlossen ist). Zur rechtsförmlichen Aufhebung der Sanierungssatzung ist die Gemeinde unter den in § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BauGB genannten Voraussetzungen zwar verpflichtet. Weder der Zeitablauf noch eine unzureichend zügige Förderung der Sanierung haben für sich genommen jedoch zur Folge, dass die Sanierungssatzung automatisch außer Kraft tritt (Urteil vom 20. Oktober 1978 - BVerwG 4 C 48.76 - Buchholz 406.15 § 50 StBauFG Nr. 1). Die an § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB anknüpfende vierjährige Festsetzungsfrist beginnt folglich erst mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem die Sanierungssatzung rechtsförmlich aufgehoben worden ist. Das gilt nach bisheriger Rechtsprechung des Senats auch dann, wenn die Gemeinde die Aufhebung der Sanierungssatzung rechtswidrig unterlässt, obwohl die Voraussetzungen der Aufhebung vorliegen.
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b) Die Anknüpfung der landesrechtlich geregelten Festsetzungsverjährung an die rechtsförmliche Aufhebung der Sanierungssatzung darf mit Blick auf das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit allerdings nicht zur Folge haben, dass es die Gemeinde in der Hand hat, durch rechtswidriges Unterlassen der Aufhebung der Sanierungssatzung den Eintritt der Festsetzungsverjährung auf Dauer oder auf unverhältnismäßig lange Zeit zu verhindern.
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Das Rechtsstaatsprinzip verlangt in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) im Rahmen einer Urteilsverfassungsbeschwerde gegen die Heranziehung zu Kanalherstellungsbeiträgen auf der Grundlage des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) entschieden.
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Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht (UA S. 11 f.) davon ausgegangen, dass diese verfassungsrechtlichen Maßstäbe auch bei der Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge Geltung beanspruchen. Das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gilt für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, die daran anknüpfenden Abgaben aber wegen des Fehlens sonstiger Voraussetzungen nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können (VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 21). Das ist beim Ausgleichsbetrag nach § 154 Abs. 3 BauGB regelmäßig (siehe aber § 163 BauGB) der Fall, solange die Gemeinde die Sanierungssatzung nicht aufhebt. Auch in diesem Fall darf eine gesetzlich angeordnete Abgabepflicht daher nicht zur Folge haben, dass die Gemeinde die Abgabe zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festsetzen kann.
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c) Dem Oberverwaltungsgericht (UA S. 12 ff.) ist ferner darin zuzustimmen, dass dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht durch spezifisch sanierungsrechtliche Instrumente oder Vorkehrungen Rechnung getragen ist.
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Zu Recht hat sich das Oberverwaltungsgericht auf den Standpunkt gestellt, dass die in § 143 Abs. 2 Satz 2 BauGB vorgeschriebene Eintragung eines Sanierungsvermerks in die Grundbücher der von der Sanierung betroffenen Grundstücke einen Verfassungsverstoß zwar (möglicherweise) unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ausschließt, nicht aber unter dem Gesichtspunkt der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Dessen Anforderungen ist auch nicht durch § 163 Abs. 1 Satz 2 BauGB Genüge getan, wonach die Gemeinde die Sanierung für ein Grundstück auf Antrag des Eigentümers als abgeschlossen zu erklären hat (vgl. hierzu Urteil vom 21. Dezember 2011 - BVerwG 4 C 13.10 - BVerwGE 141, 302); die damit eröffnete Möglichkeit in der Hand des einzelnen Eigentümers, den Abschluss der Sanierung grundstücksbezogen herbeizuführen, ist kein vollwertiges Surrogat für die in § 162 Abs. 1 BauGB geregelte Pflicht, die Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung für das gesamte Sanierungsgebiet abzuschließen. Gleiches gilt für die in § 154 Abs. 3 Satz 3 BauGB getroffene Regelung, dass die Gemeinde auf Antrag des Ausgleichsbetragspflichtigen den Ausgleichsbetrag vorzeitig festsetzen soll, wenn der Pflichtige an der vorzeitigen Festsetzung ein berechtigtes Interesse hat und der Ausgleichsbetrag mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden kann; auch mit dieser Antragsmöglichkeit ist dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht hinreichend entsprochen; das gilt vor allem deswegen, weil die vorzeitige Festsetzung etwa im Hinblick auf ungewöhnliche Ermittlungsschwierigkeiten oder einen nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand abgelehnt werden kann ("soll"; vgl. z.B. Kleiber, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand September 2013, § 154 Rn. 200). Die Übergangsvorschrift des § 235 Abs. 4 BauGB schließlich normiert wiederum nur eine Pflicht der Gemeinde, Sanierungssatzungen, die vor dem 1. Januar 2007 bekannt gemacht wurden, spätestens bis zum 31. Dezember 2021 mit den Rechtswirkungen des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB aufzuheben. Die Regelung ist deshalb ebenfalls kein geeignetes Instrument, den rechtsstaatlichen Anforderungen der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit für den Fall der Nichterfüllung dieser Pflicht Rechnung zu tragen.
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d) Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 10 und 17 ff.) hat sich deshalb zur Vermeidung rechtsstaatswidriger Ergebnisse veranlasst gesehen, der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht mehr einschränkungslos zu folgen. Für den Fall, dass die Gemeinde - wie hier - ihrer Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung nicht oder nicht rechtzeitig nachkomme, sei § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB verfassungskonform so auszulegen, dass die "abstrakte Ausgleichsbetragsforderung" nicht erst mit dem förmlichen Abschluss der Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung, sondern bereits "in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben worden sein müssen". Dieser Standpunkt ist mit Bundesrecht unvereinbar.
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Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht (vgl. schon BVerfG, Entscheidung vom 8. März 1972 - 2 BvR 28/71 - BVerfGE 32, 373 <383 f.>; stRspr). Eine Norm ist daher nur dann verfassungswidrig, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1958 - 1 BvF 1/58 - BVerfGE 8, 71 <78 f.>). Die zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein (BVerfG, Urteil vom 24. April 1985 - 2 BvF 2/83, 2 BvF 3/83, 2 BvF 4/83, 2 BvF 2/84 - BVerfGE 69, 1 <55>). Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich damit grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt (BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1992 - 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89 - BVerfGE 86, 288 <320>). Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a. - BVerfGE 128, 326 <400> m.w.N.; Beschlüsse vom 11. Juni 1958 - 1 BvL 149/52 - BVerfGE 8, 28 <34>, vom 11. Juni 1980 - 1 PBvU 1/79 - BVerfGE 54, 277 <299 f.> m.w.N. und vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <274>). Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen mithin dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 - 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01 - BVerfGE 110, 226 <267> m.w.N.; Beschluss vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11, 2 BvR 12 BvR 1279/12 - NJW 2013, 3151 Rn. 77).
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Mit seiner Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB überschreitet das Oberverwaltungsgericht die dargestellten Grenzen zulässiger verfassungskonformer Auslegung, denn diese läuft auf eine Deutung hinaus, die das gesetzgeberische Anliegen in einem zentralen Punkt verfälscht.
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Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 20) hat selbst hervorgehoben, dass es dem Gesetzgeber in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB darum ging, den "Abschluss der Sanierung" durch den Klammerverweis auf die §§ 162, 163 BauGB förmlich zu markieren. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts soll es aber "allein für den Fall, dass eine Gemeinde entgegen der Vorschrift des § 162 Abs. 1 BauGB pflichtwidrig die Aufhebung der Sanierungssatzung unterlässt, … für die sachliche Abgabepflicht zu einer Ablösung von einem formalen Rechtsakt" kommen. Dass dies dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufe, sei - so das Oberverwaltungsgericht - schon deshalb nicht erkennbar, weil der Gesetzgeber "selbstverständlich" davon ausgegangen sei, dass die von ihm normierte Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung beachtet wird. Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB, der auf § 162 BauGB Bezug nehme, könne sogar positiv dahingehend verstanden werden, dass ein "Abschluss der Sanierung" im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB für die sachliche Abgabepflicht auch vorliege, wenn die Gemeinde entgegen der Vorschrift des § 162 Abs. 1 BauGB die Aufhebung der Sanierungssatzung unterlässt. Nichts sei dafür erkennbar, dass der Gesetzgeber in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Gemeinde, die pflichtwidrig die Sanierungssatzung nicht aufhebt, aus dieser Pflichtverletzung festsetzungsverjährungsrechtliche Vorteile habe gewähren wollen. Näher liege es, dass der Gesetzgeber den vom pflichtwidrigen Nichterlass der Aufhebungssatzung Betroffenen so habe stellen wollen, wie er nach der gesetzlichen Konzeption ohne die Pflichtwidrigkeit stünde. Diese Auffassung geht fehl.
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Ihr steht bereits der durch den historischen Gesetzgeberwillen bestätigte eindeutige Wortlaut des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen. Der Begriff "Abschluss der Sanierung" im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB sollte, wie in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 8/2451 S. 37) klar und unmissverständlich zum Ausdruck kommt, durch den einzufügenden Klammerzusatz "auf die §§ 50 und 51 StBauFG (jetzt: §§ 162, 163 BauGB) bezogen werden, die den förmlichen Abschluss regeln". Dem Gesetzgeber ging es also ersichtlich darum, den Abschluss der Sanierung, mit der die Abgabepflicht entsteht, förmlich zu bestimmen.
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Auch Bedürfnisse der Rechtssicherheit verlangen nach einer förmlichen Markierung des "Abschlusses der Sanierung", wie das Oberverwaltungsgericht (UA S. 10) im Ausgangspunkt selbst eingeräumt hat. Das findet seine Rechtfertigung darin, dass die in § 162 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Gründe, die zur Aufhebung der Sanierungssatzung verpflichten, auch von einer Willensentscheidung der Gemeinde abhängen. So ist etwa die Beendigung der sanierungsbedingten Baumaßnahmen allein noch kein hinlängliches Zeichen dafür, dass die Sanierung im Sinne des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB tatsächlich "durchgeführt" ist, solange dieser äußerlich wahrnehmbare Vorgang nicht auch von einem entsprechenden Willen der Gemeinde getragen ist. Ob dieser Wille vorliegt, kann nur die Gemeinde zuverlässig beurteilen, wie das Oberverwaltungsgericht an anderer Stelle (UA S. 14) zutreffend bemerkt hat. Äußerlich wahrnehmbare Hilfstatsachen, wie etwa der Zeitpunkt der Durchführung der letzten baulichen Maßnahmen oder die Abrechnung der Zuwendungen, haben insoweit nur indizielle Bedeutung. Nicht von ungefähr hat sich das Oberverwaltungsgericht (UA S. 22) auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen, dass die letzten baulichen Maßnahmen zur Sanierung im Jahr 1989 durchgeführt und in den Jahren 1989 bis 1992 die für die Sanierung erhaltenen Zuwendungen gegenüber dem Regierungspräsidium abgerechnet worden seien, lediglich zu der Aussage befähigt angesehen, dass die Sanierungssatzung "spätestens" im Jahre 1992 hätte aufgehoben werden müssen. Auch nach Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist deshalb daran festzuhalten, dass es angesichts "unüberwindbarer Schwierigkeiten", ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung den Zeitpunkt des Außerkrafttretens auch nur einigermaßen präzise festzulegen, in sämtlichen Fällen des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BauGB einer ausdrücklichen Entscheidung der Gemeinde über die Aufhebung der Sanierungssatzung bedarf (Beschluss vom 12. April 2011 - BVerwG 4 B 52.10 - juris Rn. 5, 6). Erst dieser formale Rechtsakt führt den "Abschluss der Sanierung" herbei. Alles Andere wäre mit Wortlaut, historischem Gesetzgeberwillen sowie Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB unvereinbar.
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Gesetzeswortlaut und historischer Gesetzgeberwille enthalten keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der "abstrakten Ausgleichsforderung" bzw. der "sachlichen Abgabepflicht" und nur für den Fall einer pflichtwidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung auf diesen förmlich markierten Anknüpfungspunkt für den Abschluss der Sanierung verzichten wollte. Dabei geht es - anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 20) angenommen hat - nicht darum, ob der Gesetzgeber einer Gemeinde, die pflichtwidrig die Sanierungssatzung nicht aufhebt, aus der Pflichtverletzung festsetzungsverjährungsrechtliche Vorteile gewähren wollte. Im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung geht es - anders als bei der richterlichen Rechtsfortbildung, etwa im Wege des Analogieschlusses - auch nicht darum, ob der Gesetzgeber, hätte er das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit bedacht, für den Fall einer pflichtwidrigen Nichtaufhebung der Sanierungssatzung das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts zugrunde gelegt hätte. Es geht vielmehr darum, ob das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers sowie dem Gesetzeszweck entspricht. Diese Frage ist ohne Einschränkung zu verneinen. Der Gesetzgeber hat sich - wie dargestellt - ersichtlich auch aus Gründen der Rechtssicherheit kategorisch auf einen durch die Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 BauGB (oder die grundstücksbezogene Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung gemäß § 163 BauGB) formal markierten Abschluss der Sanierung festgelegt. Die vom Oberverwaltungsgericht (UA S. 18) angenommenen Differenzierungen zwischen "persönlicher Abgabepflicht" und "abstrakter Ausgleichsbetragsforderung" bzw. "sachlicher Abgabepflicht" sowie zwischen einer rechtmäßigen und einer rechtswidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung sind in der Vorschrift nicht angelegt. Der Fall einer pflichtwidrigen Nichtaufhebung der Sanierungssatzung ist sowohl nach dem durch den historischen Gesetzgeberwillen bestätigten Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift von § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB erfasst. Während der Gesetzgeber den Abschluss der Sanierung also ohne Ausnahme durch die Aufhebung der Sanierungssatzung förmlich markiert sieht, soll nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für den Fall einer pflichtwidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung hinsichtlich der "abstrakten Ausgleichsforderung" der Zeitpunkt des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung an die Stelle des förmlichen Abschlusses der Sanierung treten. Die normative Festlegung des Gesetzgebers würde mithin für den Fall einer nicht rechtzeitigen Aufhebung der Sanierungssatzung neu bestimmt; das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts liefe somit auf eine Deutung hinaus, die das gesetzgeberische Anliegen in einem zentralen Punkt verfälscht und deshalb die Grenzen zulässiger verfassungskonformer Auslegung überschreitet.
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Das gilt umso mehr, als das Kriterium des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung nicht nur - wovon das Oberverwaltungsgericht (UA S. 19) offensichtlich ausgegangen ist - in dem "atypischen Fall pflichtwidrigen Verhaltens der Gemeinde" an die Stelle des förmlichen Abschlusses der Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung treten würde, sondern - konsequent zu Ende gedacht - letztlich auch in allen anderen Fällen zu prüfen wäre. Denn auch in dem Fall, in dem die Gemeinde die Aufhebung der Sanierung pflichtgemäß und rechtzeitig beschließt, müsste das Gericht, um dies feststellen zu können, erst einmal ermitteln, wann die Sanierungsmaßnahmen tatsächlich abgeschlossen waren und die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB deshalb "hätte aufgehoben worden sein müssen". Die Prüfung des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung bliebe dem Gericht also in keinem Fall erspart. Das gesetzgeberische Ziel, den Abschluss der Sanierung auch angesichts der "unüberwindbaren Schwierigkeiten, ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung den Zeitpunkt des Außerkrafttretens auch nur einigermaßen präzise festzulegen" (Beschluss vom 12. April 2011 a.a.O. Rn. 6), rein formal zu bestimmen, würde damit konterkariert.
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e) Einer verfassungskonformen Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB bedarf es im Übrigen schon deswegen nicht, weil unter Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über den Ausgleichsbetrag sichergestellt werden kann.
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Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (Urteile vom 14. April 1978 - BVerwG 4 C 6.76 - BVerwGE 55, 337 <339> und vom 16. Mai 2000 - BVerwG 4 C 4.99 - BVerwGE 111, 162 <172> sowie Beschluss vom 5. März 1998 - BVerwG 4 B 3.98 - Buchholz 406.421 Garagen- und Stellplatzrecht Nr. 8). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Soweit es - wie bei sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeträgen nach § 154 Abs. 1 BauGB - um bundesrechtlich geregelte Abgaben geht, gegen die sich der Einwand von Treu und Glauben richtet, unterliegt er der vollen revisionsgerichtlichen Überprüfung (vgl. Urteil vom 16. Mai 2000 a.a.O. S. 172 f.).
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Nicht einschlägig ist allerdings die Fallgruppe der Verwirkung. Das hat bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 (a.a.O. Rn. 44) klargestellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. Urteil vom 7. Februar 1974 - BVerwG 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 <343> m.w.N.) erfordert die Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen auch besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Im Sanierungsrecht wird - wie ausgeführt - bereits die erforderliche Vertrauensgrundlage wegen der Eintragung eines Sanierungsvermerks in das Grundbuch in aller Regel nicht gegeben sein. Im Übrigen erscheint das Instrument der Verwirkung auch mit Blick auf die weiteren Voraussetzungen (Vertrauenstatbestand, Vermögensdisposition) kaum geeignet, den Bürger vor einer rechtsstaatlich unzumutbaren Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge zu bewahren. Denn das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit erfordert eine Regelung, die ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greift (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O.).
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Der Geltendmachung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags, der den betroffenen Eigentümer in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, steht jedoch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen (vgl. hierzu allgemein z.B. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; im öffentlichen Recht z.B. Urteil vom 24. Februar 2010 - BVerwG 9 C 1.09 - BVerwGE 136, 126 Rn. 38). Nach dieser Fallgruppe kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist.
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Treuwidrigkeit liegt allerdings nicht bereits dann vor, wenn die Gemeinde die Sanierungssatzung entgegen ihrer Pflicht aus § 162 Abs. 1 BauGB nicht rechtzeitig aufgehoben hat. Treuwidrig ist die Abgabenerhebung vielmehr erst dann, wenn es aufgrund der Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Wann das der Fall ist, mag im Einzelfall schwierig zu bestimmen sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist aber handhabbar. Zugrunde zu legen ist ein enger Maßstab. Gegen die Annahme der Treuwidrigkeit kann etwa sprechen, dass sich der politische Willensbildungsprozess in der Gemeinde über die Fortsetzung der Sanierungsmaßnahmen schwierig gestaltete oder dass die Fortführung der Sanierung an finanziellen Engpässen scheiterte.
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Darüber hinaus kann zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist zwar auf die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 22 im Anschluss an VG Dresden, Urteil vom 14. Mai 2013 - 2 K 742.11 - juris Rn. 42) und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), kann aber zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.
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Die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge ist damit generell ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Aber auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze kann die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist dabei eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung. Er steht der Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge auch dann entgegen, wenn sich der Betroffene hierauf nicht beruft. Den rechtsstaatlichen Anforderungen ist damit insgesamt Genüge getan.
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3. Ob die Erhebung des sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags vorliegend tatsächlich wegen unzulässiger Rechtsausübung ausgeschlossen war, kann der Senat offen lassen. Denn die Berufungsentscheidung stellt sich im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).
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Das Verwaltungsgericht (UA S. 9) hat angenommen, dass die Aufhebungssatzung der Beklagten vom 29. Juni 2006 nicht zu einem Abschluss der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB geführt habe, weil sie wegen formeller Mängel unwirksam sei. Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 23) hat diese Frage offen gelassen und hierzu auch keine Feststellungen getroffen. Der vom Verwaltungsgericht angenommene Ausfertigungsmangel ist zwischen den Beteiligten aber unstreitig, wie diese im Termin zur mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich bestätigt haben. Der Senat kann deshalb von der formellen Unwirksamkeit der Aufhebungssatzung ausgehen. Fehlt es aber an einer wirksamen Aufhebungssatzung, dann mangelt es auch an dem vom § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorausgesetzten förmlichen Abschluss der Sanierung, so dass ein Ausgleichsbetrag nicht entstanden ist. Das hat - wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat - zur Folge, dass der angefochtene Abgabenbescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.