Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 23. Januar 2017 wird der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 16. September 2016 hinsichtlich den Nummern 4 bis 6 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan festzustellen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der nach eigenen Angaben am 1. Januar 1985 in Ghazni (Afghanistan) geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger mit Volkszugehörigkeit der Hazara und schiitischer Religionszugehörigkeit. Er ist religiös mit seiner am 1. Januar 1993 geborenen Ehefrau verheiratet und hat mit dieser eine am 1. Januar 2005 geborene Tochter sowie zwei am 1. Januar 2009 und am 1. Januar 2012 geborene Söhne. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erwartete die Ehefrau das vierte Kind. Seinen Angaben zufolge reiste der Kläger am 10. November 2015 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 8. Juni 2016 gemeinsam mit seiner Ehefrau einen Asylantrag stellte.

Im Protokoll über die persönliche Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 29. Juni 2016 befindet sich ein Vermerk, wonach der Kläger angebe, nur religiös geheiratet zu haben. Die Akte der Lebensgefährtin werde unter gesondertem Aktenzeichen bearbeitet, da keine standesamtliche Eheschließungsurkunde vorliege.

Im Übrigen führte der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung aus, dass er seit ca. 20 Jahren im Iran lebe. Seine Familie habe ursprünglich in Ghazni gewohnt. Dort hätten seine Eltern gelebt, bevor sie Afghanistan verlassen hätten. Es sei ca. 9 Monate her, dass er den Iran verlassen habe. Er sei über die Türkei, Griechenland, Serbien und Kroatien gereist. Seine Eltern, drei Brüder und eine Schwester lebten im Iran, Verwandte in Afghanistan habe er keine. Er habe nie eine Schule besucht und könne nicht lesen und schreiben. Er habe in der Landwirtschaft als Helfer gearbeitet. Seine wirtschaftliche Situation im Iran sei durchschnittlich gewesen. Die Familie habe im Iran ein Haus gemietet. Die Reise in die Bundesrepublik Deutschland habe insgesamt 6.000 EUR gekostet. 3.000 EUR seien für den Schlepper bis zur türkischen Grenze und danach nochmals 3.000 EUR bis nach Griechenland angefallen. Bei dem Geld habe es sich um sein Erspartes gehandelt. Zu seinen Asylgründen führte der Kläger aus, dass er, als seine Familie Afghanistan verlassen habe, noch ein Kind gewesen sei. Er könne sich an die Gründe nicht erinnern. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil er dort keine Verwandten habe. Im Iran habe er keine Dokumente erhalten; seine Kinder hätten im Iran nicht in die Schule gehen können. Sein Problem bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre, dass er dort niemanden kenne und kein Eigentum besitze. Probleme habe er in Afghanistan nie gehabt.

Mit Bescheid vom 16. September 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge des Klägers auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Nrn. 1 und 2). Nr. 3 des Bescheides bestimmt, dass dem Kläger auch der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt werde. Nr. 4 bestimmt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im Falle des Klägers nicht vorlägen. In Nr. 5 wird der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. Nr. 6 setzt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung fest. In den Gründen wird ausgeführt, dass der Kläger kein Flüchtling im Sinne des § 3 Asylgesetz (AsylG) sei. Eine staatlich zu verantwortende Verfolgung sei nicht vorgebracht worden. Er habe keine Verfolgungsgründe geltend gemacht, die an ein Merkmal des § 3 AsylG anknüpften. Im Übrigen habe sich der Kläger bereits seit 20 Jahren nicht mehr in Afghanistan aufgehalten. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Auch lägen keine Abschiebungsverbote vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Gegen den Bescheid vom 16. September 2016 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 30. September 2016 Klage erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 16. September 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Mit Urteil vom 23. Januar 2017 hat das Verwaltungsgericht Augsburg die Klage abgewiesen (Au 5 K 16.32008). Unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) wurde zur Begründung u.a. ausgeführt, dass das Gericht kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Falle des Klägers zu erkennen vermochte. Da die Familienangehörigen des Klägers - seine Ehefrau und die drei minderjährigen Kinder - in der Bundesrepublik Deutschland über ein Bleiberecht verfügten, sei im maßgeblichen Zeitpunkt auf die Rückkehr des Klägers als Einzelperson außerhalb seines Familienverbundes abzustellen. Insoweit drohe dem Kläger keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben wegen der allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan. Der Kläger sei volljährig und leide, soweit ersichtlich, nicht unter gesundheitlichen Einschränkungen. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger sein Existenzminimum bei einer Rückkehr nach Afghanistan durchaus sichern könne. Dass der Kläger Teil einer Familie mit drei minderjährigen Kindern sei, vermöge an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Die übrigen Familienangehörigen des Klägers verfügten - soweit ersichtlich - in der Bundesrepublik Deutschland über ein Bleiberecht. Damit sei nicht von einer Rückkehr des Klägers im Familienverbund nach Afghanistan auszugehen, was eine andere rechtliche Wertung nahelege. Sollte sich die Familie gleichwohl dazu entscheiden, mit dem Kläger zurück nach Afghanistan bzw. Kabul zurückzukehren, um die Familieneinheit zu wahren, handle es sich um eine freiwillige Rückkehr, die zu keiner anderen Beurteilung der Gefahrenprognose mit Blick auf den Kläger führen könne. Damit liege aber mit der Wahrung der Familieneinheit (Art. 6 GG) ein sog. inlandsbezogenes Abschiebungshindernis vor, dessen Prüfung allein der Ausländerbehörde obliege und somit bei der Beurteilung des zielstaatbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG von vornherein keine Berücksichtigung finde.

Mit Beschluss vom 16. März 2018 wurde vom Senat die Berufung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots zugelassen (13a ZB 17.30291).

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, auch für den Fall, dass er als Familienvater vom Rest der Familie getrennt und er als Einzelperson betrachtet werde, müssten die Grundsätze der Familienrechtsprechung des Senats (BayVGH, U.v. 23.7.2017 - 13a B 17.30030) gelten. Unter deren Zugrundelegung sei es ausgeschlossen, hinsichtlich des Bestehens eines nationalen Abschiebeverbots ausschließlich auf den Kläger abzustellen. Es sei zu beachten, dass Familienangehörige wegen des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 GG nur gemeinsam mit ihren Kindern und ihrem Ehepartner nach Afghanistan zurückkehren könnten (BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - juris). Ihre einzelne und isolierte Rückkehr sei weder realistisch noch von Rechts wegen einzufordern. Bei der anzustellenden Prognose, welche Gefahren bei einer Rückkehr im Heimatstaat drohten, sei regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr aller Familienangehöriger auszugehen. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen, wie bei Angehörigen, die als politisch Verfolgte Abschiebungsschutz genössen, könne eine andere Betrachtung geboten sein (BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - juris Rn. 11). Ein derartiger Ausnahmefall sei hier nicht zu erkennen. Es sei nicht sichergestellt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan den Lebensunterhalt für sich und seine Familie erwirtschaften könne. Hinzu komme, dass er über keinen eine Rückkehr unterstützenden Familienverband verfüge. Er wäre bei einer Rückkehr nach Afghanistan mehr oder minder auf sich allein gestellt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus eventuellen Hilfen aus den Rückkehrerprogrammen REAG/GARP bzw. ERIN. Bei REAG belaufe sich die Reisebeihilfe auf 500 EUR. Bei GARP erhalte er eine Starthilfe von 500 EUR. Bei ERIN werde freiwilligen Rückkehrern eine Sachleistungsbeihilfe im Umfang von 2.000 EUR gewährt. In Anbetracht der Schwierigkeiten auf dem hart umkämpften Arbeitsmarkt, erschienen die Rückkehrhilfen, auf die überdies kein Rechtsanspruch bestehe, nicht ausreichend, um dauerhaft ein Überleben der Familie in Afghanistan zu gewährleisten. Im Übrigen hat der Kläger ein Vaterschaftsgutachten vom 19. Oktober 2018 vorgelegt, wonach er der biologische Vater der am 1. Januar 2005 in Teheran geborenen Tochter ist.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 23. Januar 2017 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 16. September 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt zur Begründung aus, die Familienangehörigen des Klägers hätten mit Bescheid des Bundesamts vom 15. September 2016 unter dem Aktenzeichen 6779510-1-423 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt bekommen und seien im Besitz von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 AsylG lägen nicht vor, da in Afghanistan zu keinem Zeitpunkt die klägerische Familie oder eine staatlich anerkannte Ehe mit der Mutter der gemeinsamen Kinder bestanden habe. Es könne daher prognostisch nicht von einem - im hypothetischen Rückkehrfall - vom Kläger auch für seine Angehörigen sicherzustellenden Auskommen ausgegangen werden. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG erfüllt sein könnten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei es unzulässig, eine Gefahrenprognose aufzustellen, die eine nicht realitätsgerechte Lage simuliere. Insbesondere sei geklärt, dass für den Fall, dass einem Familienmitglied ein Bleiberecht oder auch nur Abschiebungsschutz zuerkannt worden sei, bei der Gefährdungsprognose keine gemeinsame Rückkehr mit anderen Mitgliedern der Kernfamilie zu unterstellen sei (BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00). So verhalte es sich auch vorliegend, so dass der Kläger einem alleinstehenden Mann gleichzustellen sei. Da keine Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit ersichtlich seien, sei mit der gefestigten Spruchpraxis des Senats (BayVGH, B.v. 12.4.2018 - 13a ZB 18.30135 - juris Rn. 5) davon auszugehen, dass dem Kläger die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit jedenfalls in einem solchen Umfang möglich wäre, dass für seine Person weder eine Extremgefährdung feststellbar sei noch eine Abschiebung sich ohne weiteres als Verletzung des Art. 3 EMRK darstelle. Ergänzend werde auf die Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts verwiesen (SächsOVG, U.v. 3.7.2018 - 1 A 215/18.A - juris Rn. 26 f.). Hiernach müsse bei nationalen Abschiebungsverboten aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG stets geprüft werden, ob der Schutztatbestand in der Person eines jedes Familienmitglieds tatsächlich vorliege. Hieran änderten auch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nichts; denn allein die Ausländerbehörden - nicht das Bundesamt - hätten bei der Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse darüber zu befinden, ob eine Abschiebung mit dem Schutz der Familie aus Art. 6 GG vereinbar sei. Ausgehend von dieser Rechtsprechung sei somit aus Rechtsgründen bei der Rückkehrprognose richtigerweise ein anderer Ansatz geboten als derjenige, den der Verwaltungsgerichtshof bei Familien mit minderjährigen Kindern bisher zugrunde gelegt habe. Sollte der Verwaltungsgerichtshof hingegen an seinen bisherigen prognostischen Maßstäben festhalten und die Rückkehrsituation im Fall des Klägers der Konstellation einer Familie mit minderjährigen Kindern gleicherachten (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 13a B 17.30030 - juris), werde die Zulassung der Revision beantragt, um die umstrittene Rechtsfrage zu klären, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen bei der Rückkehrprognose Auswirkungen von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK einzubeziehen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 21. November 2018 verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) verpflichtet, festzustellen, dass bei dem Kläger das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 = juris Rn. 16 und 17).

Der streitgegenständliche Anspruch ergibt sich zwar nicht aus dem Umstand, dass der Ehefrau des Klägers und den 2005, 2009 und 2012 geborenen gemeinsamen Kindern mit Bescheid des Bundesamts vom 15. September 2016 unter dem Aktenzeichen 6779510-1-423 bestandskräftig die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist. Insoweit gilt, dass § 26 AsylG ausweislich seines Wortlauts auf den im vorliegenden Berufungsverfahren allein streitgegenständlichen Anspruch auf ein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG keine Anwendung findet; ein nationales Abschiebungsverbot muss vielmehr stets in der Person des jeweiligen Betroffenen selbst begründet sein (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2004 - 1 C 27.03 - NVwZ 2004, 1371 - juris Rn. 9 zu § 53 Abs. 6 AuslG; BayVGH, U.v. 21.9.2009 - 21 B 08.30221 - juris Rn. 13-16). Hinzu kommt, dass § 26 Abs. 1 Nr. 1 AsylG voraussetzt, dass neben dem Vorliegen einer Ehe im Herkunftsland eine tatsächliche Lebensgemeinschaft bestanden haben muss (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1992 - 9 C 61.91 - NVwZ 1993, 792 = juris Rn. 7), was vorliegend aber nicht der Fall ist.

Im Fall des Klägers sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG gegeben. Insoweit gilt, dass die mit dem Kläger in Deutschland zusammenlebende Ehefrau des Klägers und die gemeinsamen Kinder vorliegend im Rahmen der gebotenen Gefahrenprognose bei Rückkehr ins Heimatland zu berücksichtigen sind.

Im Rahmen der Prüfung, ob der Abschiebung eines erfolglosen Asylbewerbers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegenstehen, ist der Gefahrenprognose eine möglichst realitätsnahe, wenngleich notwendig hypothetische Rückkehrsituation zugrunde zu legen. Insoweit gelten im Rahmen der Gefahrenprognose des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG die Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht zur asylrechtlichen Verfolgungsprognose entwickelt hat (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190), entsprechend. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist für die Gefahrenprognose die Sach- und Rechtslage im nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt entscheidend, wobei absehbare Entwicklungen zu berücksichtigen sind (siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 - juris Rn. 10/12).

Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohen, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr mit den Familienangehörigen auszugehen, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 - juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 - juris Rn. 14).

Eine gemeinsame Rückkehr mit Familienangehörigen, die aufgrund rechtskräftiger Feststellung zu § 3 AsylG als politisch Verfolgte Abschiebungsschutz genießen, kann hingegen im Regelfall nicht angenommen werden. Es widerspräche dem damit zugleich verbindlich festgestellten Flüchtlingsstatus, auch bei einem solchen Sachverhalt die gemeinsame Rückkehr des erfolglosen Asylbewerbers mit seinen als politische Flüchtlinge anerkannten Angehörigen zu unterstellen. Dies wäre zudem wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der Rechtsprechung zum Erfordernis einer möglichst realitätsnahen Beurteilung der Situation im - hypothetischen - Rückkehrfall nicht in Einklang (siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 - juris Rn. 10; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 - juris Rn. 10 f.). Nichts anderes kann dann gelten, wenn die bleibeberechtigten Eltern oder Familienangehörigen auf absehbare Zeit wegen individueller Gefährdung von Leib und Leben i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG oder eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG nicht in ihr Heimatland zurückkehren können (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 - juris Rn. 10).

Soweit einzelne Familienangehörige wegen eines bestehenden Bleiberechts oder festgestellten Abschiebungsschutzes auf absehbare Zeit in Deutschland verbleiben werden, ist die (inlandsbezogene) Frage, ob die mit einer Durchführung der Abschiebung einhergehende Trennung der Familie im Lichte von Art. 6 GG zulässig ist, nicht vom Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern ausschließlich von der Ausländerbehörde im Rahmen der ihr obliegenden Prüfung etwaiger Vollstreckungshindernisse nach § 60a Abs. 2 AufenthG zu entscheiden; diese hat hierbei auch die weiteren (mittelbaren) Folgen der Trennung im Abschiebungszielstaat - etwa eine drohende Existenzgefährdung - zu berücksichtigen (siehe zum Ganzen: BVerwG, B.v. 10.10.2012 - 10 B 39.12 - InfAuslR 2013, 42 - juris Rn. 4; U.v. 7.12.2004 - 1 C 14.04 - BVerwGE 122, 271 = NVwZ 2005, 704 - juris Rn. 29; B.v. 23.10.2001 - 1 B 169.01 - juris Rn. 2; U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 - juris Rn. 11; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 - juris Rn. 13-17; BayVGH, B.v. 11.10.2018 - 21 B 18.30691 - juris Rn. 19 f.; B.v. 31.7.2018 - 15 ZB 17.31491 - juris Rn. 7; B.v. 31.7.2017 - 20 ZB 16.30094 - juris Rn. 11-13).

Allerdings vermag der in diesem Kontext erfolgte Verweis der Beklagten auf die Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (SächsOVG, U.v. 3.7.2018 - 1 A 215/18.A - juris Rn. 26 f.) nicht zu überzeugen. Hier hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht im Fall einer afghanischen Familie der Ehefrau und den zwei Töchtern Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG zuerkannt, während dem Ehemann kein Schutzstatus zuerkannt wurde. Begründet wurde dies damit, dass auch bei Klagen von Familienmitgliedern stets geprüft werden müsse, ob ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in der Person eines jeden Klägers tatsächlich vorliege. Dieser Judikatur folgt der Senat im Ergebnis nicht, da sie im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht. Zwar trifft es zu, dass die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG - wie ausgeführt - stets hinsichtlich jeder Einzelperson zu prüfen sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2004 - 1 C 27.03 - NVwZ 2004, 1371 - juris Rn. 9 zu § 53 Abs. 6 AuslG). Dieser Aspekt ist jedoch unabhängig von der Frage zu sehen, welche (Begleit-)Personen im Rahmen der Prüfung von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in die Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des jeweiligen Ausländers in sein Heimatland einzustellen sind. Insoweit gilt - wie ausgeführt - nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr eines Ausländers mit den Familienangehörigen auszugehen ist, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 - juris Rn. 14); dieser Grundsatz gilt auch bei der Prüfung eines nationalen Abschiebungsverbots (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 - juris Rn. 10 zu § 53 Abs. 6 AuslG). Es geht bei dieser Frage aber gerade nicht darum, ob die in Deutschland zu erwartende Trennung der Familienmitglieder mit Art. 6 GG vereinbar ist, sondern darum, wie sich die hypothetische Situation im Zielstaat darstellen wird. Soweit das Sächsische Oberverwaltungsgericht zur Begründung seiner abweichenden Rechtsansicht seinerseits auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verweist, nach der die Vereinbarkeit einer Abschiebung mit dem in Art. 6 GG und Art. 8 EMRK verfassungs- und völkerrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie und des Erziehungsrechts der Eltern durch das Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht zu prüfen sei, so überzeugt auch dies nicht, da diese Aussage des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Zusammenhang gerissen ist. Richtigerweise ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen der Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des Ausländers als erster Schritt der zu berücksichtigende (Begleit-)Personenkreis zu bestimmen; auf dieser (hypothetischen) Ebene wird die Frage einer Vereinbarkeit der Trennung der Familie mit Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK vom Bundesverwaltungsgericht auch dann nicht thematisiert, wenn einzelne Familienmitglieder bei der Rückkehrprognose außer Betracht bleiben, da sie ein bestandskräftiges Bleiberecht im Bundesgebiet haben (vgl. etwa BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 - juris Rn. 11 f.). Allein im Zusammenhang mit letztgenannten Fällen hat das Bundesverwaltungsgericht sodann bei der nachfolgenden Gefahrenprognose ausgeführt, dass die inlandsbezogene Frage einer Vereinbarkeit der Trennung der Familie mit Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK nicht durch das Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern nur durch die Ausländerbehörde im Rahmen von § 60a Abs. 2 AufenthG zu prüfen ist (BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 11; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 15-17). Auf die vorgelagerte Frage der Bestimmung des im Rahmen der Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des jeweiligen Ausländers zu berücksichtigenden (Begleit-)Personenkreises bezieht sich die vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bezug genommene Aussage des Bundesverwaltungsgerichts somit nicht.

Zwar wurde vorliegend den Familienmitgliedern des Klägers mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamts vom 15. September 2016 ein Bleiberecht in Deutschland in Form des Flüchtlingsschutzes zuerkannt. Trotz dieses verbindlich festgestellten Schutzstatus ist aber von einer gemeinsamen Rückkehr des Klägers mit seinen Familienangehörigen in sein Heimatland auszugehen. Die Rechtsprechung zum Erfordernis einer möglichst realitätsnahen Beurteilung der Situation im - hypothetischen - Rückkehrfall (BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11) beruht maßgeblich auf einem durch das Bundesamt verbindlich festgestellten Schutzstatus anderer Familienmitglieder (vgl. § 6 Satz 1 AsylG). Diese kann jedoch als Ausnahme vom Grundsatz, dass bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohen, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr mit den Familienangehörigen auszugehen ist, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 = juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 - juris Rn. 14), keine Anwendung finden, wenn das Bundesamt unter Verstoß gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK das Asylgesuch einzelner Personen aus einem Familienverband materiell isoliert betrachtet und zum Teil einen Schutzstatus zuerkennt, zu einem anderen Teil ablehnt. Eine solche Trennung des Familienverbands ohne sachlichen Grund kann bei der gebotenen Ermittlung der realitätsnahen Rückkehrsituation nicht unberücksichtigt bleiben. Zwar mag es dem verbindlich festgestellten Schutztatbestand widersprechen, wenn gleichwohl eine gemeinsame Rückkehr unterstellt würde. Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass die Einbeziehung des Merkmals der Gemeinschaftlichkeit des Aufenthalts in die Rückkehrprognose durch das räumliche Zusammenleben der Familie nahegelegt wird, das durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt wird (vgl. BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 = juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 - juris Rn. 14). Diesem verfassungsrechtlichen Schutzgut würde eine Hypothese zuwiderlaufen, mit der von vornherein der isolierte Heimataufenthalt eines der im Familienverband zusammenlebenden Familienmitglieder, nicht aber die Gemeinschaftlichkeit dieses Aufenthalts mit den anderen Angehörigen des Familienverbandes unterstellt würde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Behörden, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Insoweit vermag allein die verfahrensrechtliche Trennung der Asylverfahren von Familienmitgliedern durch das Bundesamt nicht zu einer materiellrechtlichen Änderung der im Regelfall auf die Familieneinheit abstellenden Rückkehrprognose zu führen, wenn hierfür nicht im Einzelfall sachliche Gründe von hinreichendem Gewicht vorliegen. Andernfalls wäre das Bundesamt in der Lage, allein durch die verfahrenstechnische Trennung der Asylverfahren der Ehefrau mit Kindern vom Asylverfahren des Ehemanns, gegen die wegen § 44a VwGO kein isolierter Rechtsschutz eröffnet ist, die materiellrechtliche Rückkehrprognose für den Ehemann im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG maßgeblich zu verändern, da diesem ohne Unterhaltspflichten gegenüber der Ehefrau und den Kindern als alleinstehenden, arbeitsfähigen Mann die Erwirtschaftung seines Existenzminimums voraussichtlich eher gelingen kann als bei einer Rückkehr der gesamten Familie. Letztendlich wäre der Ausgang des Verfahrens des Familienvaters von Zufälligkeiten abhängig, ob und wann über seinen Antrag und die Anträge seiner übrigen Familienangehörigen jeweils entschieden wird. Es würde daher dem Schutz von Ehe und Familie im Sinn von Art. 6 GG widersprechen, einen einheitlichen Familienverband ohne erkennbaren Grund materiellrechtlich getrennt zu betrachten und von der isolierten Rückkehr eines Mitglieds der Kernfamilie auszugehen. Eine sachlich nicht gerechtfertigte isolierte Betrachtung von Familienmitgliedern erfordert nach alledem eine Einschränkung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dergestalt, dass bei der Ermittlung der realitätsnahen Rückkehrsituation trotz festgestelltem Schutzstatus einzelner Familienmitglieder von einer Rückkehr im Familienverband auszugehen ist.

Auch der Umstand, dass der Kläger und seine Ehefrau keine standesamtliche Eheschließungsurkunde vorlegen können und auch nach eigenen Angaben lediglich nach religiösem Ritus geheiratet haben, vermag die Trennung der Verfahren und vor allem eine getrennte Rückkehrprognose nicht zu rechtfertigen. Insoweit besteht zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau bzw. Lebensgefährtin und den gemeinsamen Kindern eine familiäre Beziehung, die sich auch in der tatsächlichen Lebensgemeinschaft ausdrückt und damit als Familie ebenfalls unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK steht. Hinsichtlich der Kinder ist weder bestritten noch sind Zweifel ersichtlich, dass diese die gemeinschaftlichen Kinder des Klägers und seiner Ehefrau sind, zumal für die Tochter ein positives Vaterschaftsgutachten vom 19. Oktober 2018 vorgelegt wurde.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685; Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung kann sich aus einer allgemeinen Situation der Gewalt im Zielstaat ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 25). Soweit - wie in Afghanistan - ein für die Verhältnisse eindeutig maßgeblich verantwortlicher Akteur fehlt, können in ganz außergewöhnlichen Fällen auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 9: „nur in besonderen Ausnahmefällen“; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489 = juris Rn. 25; U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 = juris Rn. 25 unter Bezugnahme auf EGMR, U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681 - Rn. 278 ff.; BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 = juris Rn. 17; VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 176 f.; OVG NW, B.v. 14.3.2018 - 13 A 341/18.A - juris Rn. 19 f.).

Für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse im Zielstaat ist keine Extremgefahr wie im Rahmen der verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderlich (BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 13). Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen vielmehr ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ erreichen; diese Voraussetzung kann erfüllt sein, wenn der Ausländer nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls im Zielstaat der Abschiebung seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten kann (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 11). Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (U.v. 28.6.2011, a.a.O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167) macht letztlich deutlich, dass von einem sehr hohen Gefahrenniveau auszugehen ist; nur dann liegt ein „ganz außergewöhnlicher Fall“ vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind (BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 = juris Rn. 19; VGH BW, U.v. 11.4.2018 - A 11 S 1729/17 - juris Rn. 128-131).

Auch im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen; erforderlich aber auch ausreichend ist daher die tatsächliche Gefahr („real risk“) einer unmenschlichen Behandlung (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 = NVwZ 2011, 51 - juris Rn. 22). Bei der Prüfung einer Verletzung von Art. 3 EMRK ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung an dem Ort droht, an dem die Abschiebung endet (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 26).

Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen in Afghanistan weisen eine Intensität auf, bei der auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist, wenn der Kläger mit seiner Ehefrau und den drei, bald vier Kindern nach Afghanistan zurückkehren müsste. Dass bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen eine solche Gefahrenlage anzunehmen ist und in der Folge ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG besteht, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Urteilen vom 21. November 2014 entschieden (13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 = juris und 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212 = juris) und dies mit Urteil vom 23. März 2017 (13a B 17.30030 - AuAS 2017, 175 = juris Rn. 14) bestätigt. Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ist in seinem Urteil vom 3. November 2017 zu dem Ergebnis gelant, dass die in Afghanistan derzeit herrschenden schlechten humanitären Bedingungen eine auf die Bevölkerungsgruppe von Familien mit jüngeren Kindern bezogene Gefahrenlage darstellen, die im Allgemeinen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK und infolgedessen zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG führen (VGH BW, U.v. 3.11.2017 - A 11 S 1704/17 - juris). Daran hat sich auch unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse nichts geändert.

Dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. Mai 2018 ist zu entnehmen, dass Afghanistan weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt sei (Human Development Index 2016: Platz 169 von 188 Staaten). Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum sei kurzfristig nicht in Sicht (2017: 2,6 v.H.). Nach Angaben der Weltbank sei die Arbeitslosenquote zwischen 2008 und 2014 von 25 v.H. auf 39 v.H. gestiegen. Die Grundversorgung sei für große Teile der afghanischen Bevölkerung - insbesondere Rückkehrer - weiterhin eine tägliche Herausforderung. Laut UNOCHA benötigen 9,3 Mio. Menschen - ein Drittel der afghanischen Bevölkerung - humanitäre Hilfe (z.B. Unterkunft, Nahrung, sauberes Trinkwasser und medizinische Versorgung). Die hohe Arbeitslosigkeit werde verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen, für 2018 sei eine Dürre vorausgesagt worden. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten hätten dazu geführt, dass dort ca. eine Million oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gelten würden. Jedoch habe die afghanische Regierung 2017 mit der Umsetzung eines Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. Seit 2002 seien laut UNHCR 5,8 Mio. afghanische Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt, Afghanistan erlebe die größte Rückkehrbewegung der Welt. Das Fehlen lokaler Netzwerke könne Rückkehrern die Reintegration stark erschweren, da von diesen etwa der Zugang zum Arbeitsmarkt maßgeblich abhänge (siehe zum Ganzen: Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan v. 31.5.2018, S. 25/28).

Laut einem Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) vom 1. Juni 2018 stünden in den Großstädten Kabul, Herat und Ma-zar-e-Sharif Unterkünfte und Nahrung grundsätzlich zur Verfügung, sofern der Lebensunterhalt gewährleistet sei. Zugang zu angemessener Unterkunft sei jedoch eine Herausforderung. Die Mehrheit der städtischen Unterkünfte seien als Slums einzustufen. Flüchtlinge lebten in der Regel in Flüchtlingssiedlungen. Die Städte böten jedoch auch die Option billigen Wohnens in sog. „Teehäusern“. Zugang zu Trinkwasser sei in den Städten oft eine Herausforderung, insbesondere in den Slums und Flüchtlingssiedlungen in Kabul; in Mazar-e-Sharif und Herat hätten hingegen die meisten Menschen besseren Zugang zu Wasserquellen sowie sanitären Anlagen. In Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif seien auch Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung vorhanden; diese seien aufgrund des Anstiegs der Zahl der Flüchtlinge und Rückkehrer jedoch überlastet. Das Fehlen finanzieller Mittel sei eine große Hürde beim Zugang zur Gesundheitsversorgung. Aufgrund der Wirtschafts- und Sicherheitslage bestehe eine hohe Arbeitslosenquote, insbesondere bei städtischen Jugendlichen. Zusätzliche Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt sei das Ergebnis der steigenden Zahl von Flüchtlingen. Städtische Armut sei weit verbreitet und steige an. In diesem Umfeld hänge die Fähigkeit zur Gewährleistung des Lebensunterhalts überwiegend vom Zugang zu Unterstützungsnetzwerken - etwa Verwandten, Freunden oder Kollegen - oder zu finanziellen Mitteln ab (siehe zum Ganzen: EASO, Country Guidance: Afghanistan, 1.6.2018, S. 104 f.).

Ausweislich des Länderinformationsblatts Afghanistan des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29. Juni 2018 seien von den 2.1 Mio. Personen, die in informellen Siedlungen lebten, 44 v.H. Rückkehrer. Die Zustände in diesen Siedlungen seien unterdurchschnittlich und besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81 v.H. der Menschen in informellen Siedlungen seien Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26 v.H. hätten keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24 v.H. lebten in überfüllten Haushalten. Rückkehrer erhielten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehrten, und internationalen Organisationen (z.B. IOM, UNHCR) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (z.B. IPSO und AMASO), die die Reintegration in Afghanistan finanziell, durch Bereitstellung von Unterkunft, Nahrungsmitteln oder sonstigen Sachleistungen sowie durch Beratung unterstützten. Gleichwohl sei die Möglichkeit der Rückkehr zur Familie oder einer sonstigen Gemeinschaft mangels konkreter staatlicher Unterbringungen für Rückkehrer der zentrale Faktor. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellten die afghanische Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung (zwei Wochen). Ein fehlendes familiäres Netzwerk stelle eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar; Unterstützungsnetzwerke könnten sich auch aus der Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder Religion sowie aus „professionellen“ (Kollegen, Kommilitonen etc.) oder politischen Verbindungen ergeben (siehe zum Ganzen: BFA, Länderinformationsblatt Afghanistan v. 29.6.2018, S. 314-316, 327-331).

Nach den aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 seien die humanitären Indikatoren in Afghanistan auf einem kritisch niedrigen Niveau. Ende 2017 sei bezüglich 3,3 Mio. Afghanen ein akuter Bedarf an humanitärer Hilfe festgestellt worden; nunmehr kämen weitere 8,7 Mio. Afghanen hinzu, die langfristiger humanitärer Hilfe bedürften. Über 1,6 Mio. Kinder litten Berichten zufolge an akuter Mangelernährung, wobei die Kindersterblichkeitsrate mit 70 auf 1.000 Geburten zu den höchsten in der Welt zähle. Ferner habe sich der Anteil der Bevölkerung, die laut Berichten unterhalb der Armutsgrenze lebe, auf 55 v.H. (2016/17) erhöht, von zuvor 33,7 v.H. (2007/08) bzw. 38,3 v.H. (2011/12). 1,9 Mio. Afghanen seien von ernsthafter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. Geschätzte 45 v.H. der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu Trinkwasser, 4,5 Mio. Menschen hätten keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung. In den nördlichen und westlichen Teilen Afghanistans herrsche die seit Jahrzehnten schlimmste Dürre, weshalb die Landwirtschaft als Folge des kumulativen Effekts jahrelanger geringer Niederschlagsmengen zusammenbreche. 54 v.H. der Binnenvertriebenen (Internally Displaced Persons - IDPs) hielten sich in den Provinzhauptstädten Afghanistans auf, was den Druck auf die ohnehin überlasteten Dienstleistungen und Infrastruktur weiter erhöhe und die Konkurrenz um Ressourcen zwischen der Aufnahmegemeinschaft und den Neuankömmlingen verstärke; die bereits an ihre Grenze gelangten Aufnahmekapazitäten der Provinz- und Distriktszentren seien extrem belastet. Dies gelte gerade in der durch Rückkehrer und Flüchtlinge rapide wachsenden Hauptstadt Kabul (Anfang 2016: geschätzt 3 Mio. Einwohner). Flüchtlinge seien zu negativen Bewältigungsstrategien gezwungen wie etwa Kinderarbeit, früher Verheiratung sowie weniger und schlechtere Nahrung. Laut einer Erhebung aus 2016/17 lebten 72,4 v.H. der städtischen Bevölkerung Afghanistans in Slums, informellen Siedlungen oder unzulänglichen Wohnverhältnissen. Im Januar 2017 sei berichtet worden, dass 55 v.H. der Haushalte in den informellen Siedlungen Kabuls mit ungesicherter Nahrungsmittelversorgung konfrontiert gewesen seien (siehe zum Ganzen: UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 30.8.2018, S. 36 f., 125 f.).

Auch laut einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 12. September 2018 böten die informellen Siedlungen in den afghanischen Städten meist einen schlechten oder keinen Zugang zu Basisdienstleistungen und Infrastruktur (Elektrizität, sauberes Wasser, Nahrungsmittel, sanitäre Einrichtungen, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen). Die Unterkünfte seien meist behelfsmäßig gebaut und könnten nur bedingt vor Kälte, Hitze und Feuchtigkeit schützen. Die Lebensbedingungen von Rückkehrern lägen unter den normalen Standards. Laut einer Studie seien 87 v.H. der IDPs und 84 v.H. der Rückkehrer von Lebensmittelknappheit betroffen. Ob es Rückkehrer schafften, sich in Afghanistan wieder zu integrieren, hänge nicht zuletzt vom Vorhandensein von Unterstützungsnetzwerken ab. In Kabul (geschätzte Einwohnerzahl: 3,8 - 7 Mio.) habe der schnelle Bevölkerungsanstieg rasch zu einer Überforderung der vorhandenen Infrastruktur sowie der Kapazitäten für Grunddienstleistungen geführt. Die humanitäre Lage spitze sich insbesondere in großen Städten zu, weil sich dort IDPs und Rückkehrer konzentrierten, die eine Existenzgrundlage und Zugang zu bereits stark überlasteten Grunddienstleistungen suchten. Laut Amnesty International sei die Aufnahmekapazität - insbesondere in den größeren Städten - aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage, der sehr bescheidenen Möglichkeiten, eine Existenzsicherung sowie angemessene Unterkunft zu finden, sowie des mangelnden Zugangs zu überstrapazierten Grunddienstleistungen „äußerst eingeschränkt“ (siehe zum Ganzen: SFH, Afghanistan: Gefährdungsprofile - Update, 12.9.2018, S. 20-22).

Auch die aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 gehen letztlich weiterhin (vgl. bereits UNHCR, Richtlinien v. 19.4.2016, S. 99) davon aus, dass nur alleinstehende leistungsfähige afghanische Männer sowie verheiratete Paare in erwerbsfähigem Alter als Rückkehrer grundsätzlich auch ohne ein Unterstützungsnetzwerk ihren zumutbaren Lebensunterhalt in Afghanistan sicherstellen können, soweit im Einzelfall keine besonderen Gefährdungsfaktoren gegeben sind. Diese Personen könnten unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen (siehe zum Ganzen: UNHCR, a.a.O., S. 125; vgl. bereits BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 9; vgl. auch VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 422 f.). Zum selben Ergebnis gelangt auch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen in seinem Bericht vom 1. Juni 2018 (EASO, a.a.O., S. 106).

Zusammenfassend lässt sich den Berichten und Auskünften nicht entnehmen, dass seit dem Jahr 2014 von einer Verbesserung der Situation ausgegangen werden könnte. Wie schon damals ausgeführt, ist unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall des Klägers wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die drei, bald vier kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Angesichts der enorm hohen Arbeitslosigkeit wird es an Arbeitsmöglichkeiten für den Kläger fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Familiäre Unterstützung könnte die Familie nicht erwarten, da die Angehörigen im Iran leben. Der Kläger wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden.

Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dies gelingen kann. Ohne Hilfe würde sich die Familie weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Es kann nicht angenommen werden, dass die Familie eine adäquate Unterkunft finden würde, in der auch Kinder angemessen leben können, insbesondere weil der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2018, S. 25). Das Fehlen einer effizienten Städtepolitik und wirksamer Regelwerke sowie eine schwache und ineffektive Regierungsführung haben nach den UNHCR-Richtlinien 2018 zufolge zu einem Anstieg der Armut und Ungleichheit in städtischen Gebieten geführt und befindet sich ein großer Anteil der städtischen Haushalte mit mittlerem und niedrigem Einkommen Berichten zufolge in informellen Siedlungen in schlechter Lage und mit mangelnder Anbindung an Versorgungsdienste (UNHCR-Richtlinien 2018 S. 39). Nach einer vom UNHCR wiedergegebenen Umfrage zu den Lebensbedingungen in Afghanistan für 2016/2017 leben 72,4 Prozent der städtischen Bevölkerung Afghanistans in Slums, informellen Siedlungen oder anderweitig unter unzumutbaren Wohnverhältnissen (UNHCR-Richtlinien 2018 S. 39).

Der Senat hat bereits in seinen Urteilen vom 23. März 2017 und vom 21. November 2014 festgestellt, dass mögliche Unterstützungsleistungen zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr einen vorübergehenden Ausgleich zu schaffen vermögen, aber nicht dazu geeignet sind, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten (BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 13a B 17.30030 - AuAS 2017, 175 = juris Rn. 24; U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 = juris Rn. 29; vgl. auch VGH BW, U.v. 3.11.2017 - A 11 S 1704/17 - juris Rn. 486). Neuere und anderslautende Erkenntnisse hierzu sind weder ersichtlich noch hat solche die Beklagte vorgetragen.

In der Gesamtschau kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass einer Familie mit Kindern unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage im Allgemeinen möglich ist. Vielmehr liegt bei den geschilderten Verhältnissen ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für den Kläger mit seiner Familie besteht nach wie vor die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Lebensgrundlage finden würden und keine Unterkunft sowie Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern nach wie vor Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Insoweit kommt auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu dem Ergebnis, dass in ganz Afghanistan kein Ort ersichtlich ist, an dem eine Familie in mit Art. 3 EMRK vereinbaren Verhältnissen leben könnte, wenn nicht auf Grund der individuellen Situation - etwa wegen besonderer persönlicher oder sonstiger (Ver-)Bindungen oder eines Netzwerks am betreffenden Ort - die Existenzsicherung dort gewährleistet wäre (VGH BW, U.v. 3.11.2017 - A 11 S 1704/17 - juris Rn. 492).

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 23. Januar 2017 und Aufhebung von Nummern 4 bis 6 des Bescheids des Bundesamts vom 16. September 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommt. Ob und inwieweit der Schutz von Ehe- und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG die Annahme einer gemeinsamen Rückkehr der Kernfamilie auch in Fällen gebieten kann, in denen die übrigen Familienmitglieder bei identischer Fluchtgeschichte einen Schutzstatus erhalten haben, ist höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt. Insbesondere das Sächsische Oberverwaltungsgericht ist der Auffassung, dass bei § 60 Abs. 5 AufenthG geprüft werden müsse, ob ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot in der Person eines jeden Familienmitglieds vorliege, wobei aus seiner Sicht in diesem Kontext der Schutz der Familie nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK keine ausschlaggebende Rolle spiele (U.v. 3.7.2018 - 1 A 215/18.A - juris).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

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(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


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Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

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(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen


(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlau

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 125


(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung. (2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 26 Familienasyl und internationaler Schutz für Familienangehörige


(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn 1. die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,2. die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Sta

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 44a


Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder ge

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 128


Das Oberverwaltungsgericht prüft den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht. Es berücksichtigt auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 6 Verbindlichkeit asylrechtlicher Entscheidungen


Die Entscheidung über den Asylantrag ist in allen Angelegenheiten verbindlich, in denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung des internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 rechtserheblich ist. Dies gilt nicht für

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2018 - 13a B 18.30632 zitiert oder wird zitiert von 15 Urteil(en).

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2018 - 13a B 18.30632 zitiert 12 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Okt. 2018 - 21 B 18.30691

bei uns veröffentlicht am 11.10.2018

Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Oktober 2016 wird hinsichtlich der Kläger zu 1) bis 4) geändert: Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. Dezember 2015 wird in Nr. 6 aufgehobe

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 23. Jan. 2017 - Au 5 K 16.32008

bei uns veröffentlicht am 23.01.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2018 - 15 ZB 17.31491

bei uns veröffentlicht am 31.07.2018

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gründe I. Der Kläger ist georgischer Staatsangehöriger. Er wendet sich

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2017 - 20 ZB 16.30094

bei uns veröffentlicht am 31.07.2017

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag des Klägers auf Zulas

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2014 - 13a B 14.30284

bei uns veröffentlicht am 21.11.2014

Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 3 und Aufhebung von Nummer 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. Septe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2014 - 13a B 14.30285

bei uns veröffentlicht am 21.11.2014

Tenor I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. April 2014 wird der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13. Februar 2014 hinsichtlich Nummer 4 und 5 aufgehoben. Die Beklagte wird verp

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 16. März 2018 - 13a ZB 17.30291

bei uns veröffentlicht am 16.03.2018

Tenor Die Berufung wird hinsichtlich des Begehrens nach Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots zugelassen. Gründe Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2018 - 13a ZB 18.30135

bei uns veröffentlicht am 12.04.2018

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen d

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 20. Feb. 2018 - 13a ZB 17.31970

bei uns veröffentlicht am 20.02.2018

Tenor I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. III. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 23. März 2017 - 13a B 17.30030

bei uns veröffentlicht am 23.03.2017

Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 4 und Aufhebung von Nummer 5 und 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 2

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 11. Apr. 2018 - A 11 S 1729/17

bei uns veröffentlicht am 11.04.2018

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13. April 2017 – A 2 K 4283/16 – wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens.Die Revision wird nicht zugelassen. T

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 05. Juni 2013 - 2 BvR 586/13

bei uns veröffentlicht am 05.06.2013

Tenor Den Beschwerdeführern wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2018 - 13a B 18.30632.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2019 - 13a ZB 17.31160

bei uns veröffentlicht am 11.02.2019

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen d

Verwaltungsgericht München Urteil, 27. Feb. 2019 - M 26 K 17.42360

bei uns veröffentlicht am 27.02.2019

Tenor I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Der Bescheid des Bundesamtes für ... vom 16. Mai 2017 wird in den Nrn. 4, 5 und 6 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass die Vora

Verwaltungsgericht München Urteil, 21. März 2019 - M 26 K 17.40453

bei uns veröffentlicht am 21.03.2019

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegu

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Feststellung eines Abschiebeverbotes hinsichtlich Afghanistans.

Der am ... 1985 in ... (Afghanistan) geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger mit Volkszugehörigkeit der Hazara und schiitischer Religionszugehörigkeit.

Seinen Angaben zufolge reiste der Kläger am 10. November 2015 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 8. Juni 2016 Asylerstantrag stellte.

Bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 29. Juni 2016 führte der Kläger unter anderem aus, dass er seit ca. 20 Jahren im Iran lebe. Seine Familie habe ursprünglich in ... gewohnt. Dort hätten seine Eltern gelebt, bevor sie Afghanistan verlassen hätten. Er sei Analphabet. Es sei ca. 9 Monate her, dass er den Iran verlassen habe. Er sei über die Türkei, Griechenland, Serbien und Kroatien gereist. Seine Eltern lebten nach wie vor im Iran. Verwandte in Afghanistan habe er keine. Im Iran habe er noch drei Brüder und eine Schwester. Er habe nie eine Schule besucht; er könne nicht lesen und Schreiben. Er habe in der Landwirtschaft als Helfer gearbeitet. Seine wirtschaftliche Situation im Iran beschrieb der Kläger als durchschnittlich. Die Familie habe im Iran ein Haus gemietet. Die Reise in die Bundesrepublik Deutschland habe insgesamt 6.000,-- EUR gekostet. 3.000,-- EUR seien für den Schlepper bis zur türkischen Grenze und danach nochmals 3.000,-- EUR bis nach Griechenland angefallen. Bei dem Geld habe es sich um sein Erspartes gehandelt. Zu seinen Asylgründen befragt, führte der Kläger aus, dass er, als seine Familie Afghanistan verlassen habe, noch ein Kind gewesen sei. Er könne sich an die Gründe nicht erinnern. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil er dort keine Verwandte habe. Im Iran habe er keine Dokumente erhalten. Sein Problem bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre, dass er dort niemanden kenne und kein Eigentum besitze. Probleme habe er in Afghanistan nie besessen. Er sei sehr jung gewesen, als die Familie Afghanistan verlassen hätte. Für das weitere Vorbringen des Klägers wird auf die Niederschrift des Bundesamtes über die persönliche Anhörung des Klägers verwiesen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 16. September 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge des Klägers auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Nrn. 1 und 2 des Bescheides). Nr. 3 des Bescheides bestimmt, dass dem Kläger auch der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt werde. Nr. 4 bestimmt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im Falle des Klägers nicht vorliegen. Dieser wird in Nr. 5 aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. Nr. 6 setzt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung fest.

In den Gründen des Bescheids ist ausgeführt, dass der Kläger kein Flüchtling im Sinne des § 3 Asylgesetz (AsylG) sei. Ein Ausländer sei Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb des Landes befinde, dessen Staatsangehörigkeit er besitze. Der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne dieser Definition. Eine staatlich zu verantwortende Verfolgung sei vom Kläger nicht vorgebracht worden. Er habe keine Verfolgungsgründe geltend gemacht, die an ein Merkmal des § 3 AsylG anknüpften. Im Übrigen habe sich der Kläger bereits seit 20 Jahren nicht mehr in Afghanistan aufgehalten. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Ein Ausländer erhalte subsidiären Schutz, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht habe, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden drohe. Als ernsthafter Schaden gelte insbesondere die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Dies sei sämtlich im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar sei davon auszugehen, dass in Afghanistan ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt bestehe oder zumindest nicht ausgeschlossen werden könne und der Kläger als Zivilperson sich daran nicht aktiv beteiligt habe. Es drohten ihm jedoch bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dortigen Situation keine erheblichen individuellen Gefahren aufgrund willkürlicher Gewalt. Sowohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) als auch das Bundesverwaltungsgericht gingen davon aus, dass Situationen willkürlicher Gewalt bzw. einer Verdichtung allgemeiner Gefahren, die das für die Schutzgewährung erforderliche hohe Niveau erreichten, Ausnahmecharakter besäßen. Der vorliegend für Afghanistan festzustellende Grad willkürlicher Gewalt erreiche nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche hohe Niveau. So gehe etwa die Bundesregierung im Fortschrittsbericht Afghanistan vom November 2014 davon, dass die Sicherheitslage in der Hauptstadt Kabul trotz einzelner medienwirksamer Anschläge und häufiger Hinweise auf Anschlagsplanungen unverändert „überwiegend kontrollierbar“ sei. Auch Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Eine Abschiebung gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG sei unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebe. In Betracht komme dabei in erster Linie eine Verletzung des Art. 3 EMRK und damit die Prüfung, ob im Fall einer Abschiebung der Betroffene tatsächlich Gefahr liefe, einer dieser absoluten Schutznorm widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AslyG i. V. m. § 59 AufenthG zu erlassen. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides vom Bundesamt vom 16. September 2016 wird ergänzend verwiesen.

Der Kläger hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 30. September 2016 Klage erhoben und beantragt:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 16. September 2016, Gz: ..., verpflichtet, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen

Eine schriftsätzliche Begründung der Klage ist nicht erfolgt.

Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt; ein Antrag wurde nicht gestellt.

Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 13. Oktober 2016 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Am 23. Januar 2017 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung, in der der Kläger informatorisch angehört wurde, wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte verwiesen.

Gründe

Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 23. Januar 2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet.

Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebeverbotes nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 16. September 2016 ist auch hinsichtlich der Ausreiseaufforderung, der Abschiebungsandrohung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig und nicht geeignet, den Kläger in seinen Rechten zu verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit in vollem Umfang auf die Gründe des angefochtenen Bescheids Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:

Das Gericht vermag kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Falle des Klägers zu erkennen.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sie aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In Fällen, in denen gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris).

Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine solche Abschiebestoppanordnung besteht für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.

Auch ist das Gericht der Auffassung, dass die allgemeine Gefahr in Afghanistan sich für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet hat, dass eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen sind nicht erfüllt (vgl. BayVGH, B. v. 11.12.2013 - 13A ZB 13.30119 u. a. - juris; VGH Baden-Württemberg, U. v. 27.4.2012 - A 11 S 3079/11 - juris). Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer reinen quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssten jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Dies setzt voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. So besteht eine extreme Gefahrenlage dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen und sicheren Hungertod nach erfolgter Abschiebung ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226).

In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (z. B. B. v. 19.2.2014 - 13A ZB 14.30022 - juris) geht das Gericht davon aus, dass derzeit für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende, männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige, zu denen auch der Kläger zu rechnen ist, in Afghanistan nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG führt. Da die Familienangehörigen des Klägers - seine Ehefrau und die drei minderjährigen Kinder - in der Bundesrepublik Deutschland über ein Bleiberecht verfügen, ist im maßgeblichen Zeitpunkt auf die Rückkehr des Klägers als Einzelperson außerhalb seines Familienverbundes abzustellen. Insoweit droht dem Kläger keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben wegen der allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan. Zwar gestaltet sich die allgemeine Versorgungslage nach wie vor schwierig. Trotz dieser kritischen Versorgungslage muss nicht jeder Rückkehrer aus Europa generell im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung erleiden. In der Gesamtschau der ins Verfahren eingeführten aktuellen Auskünfte ist nicht davon auszugehen, dass jeder Rückkehrer aus Europa generell in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung nach Kabul erleiden müsste (vgl. BayVGH, U. v. 20.1.2012 - 13A B 11.30425 - juris Rn. 32 ff.). Nur für besonders schutzwürdige Rückkehrer wie Alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien und Personen, die aufgrund persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen, lässt sich eine extreme Gefahrenlage begründen. Für junge und arbeitsfähige Männer ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen, besteht die Möglichkeit, sich eine neue Existenz in Kabul oder einer anderen größeren Stadt aufzubauen (st. Rspr.. des BayVGH, beispielsweise U. v. 15.3.2012 - 13a B 11.30439 - juris Rn. 25). Für die Zumutbarkeit einer Rückkehr spricht beim Kläger zudem, dass es diesem anscheinend auch über Jahre gelungen ist, im Iran, dessen Staatsangehörigkeit der Kläger nicht besitzt, trotz fehlender Berufsausbildung eine Existenz für sich und seine Familie aufzubauen, die der Kläger selbst als durchschnittlich bezeichnet. Auch war es dem Kläger im Iran anscheinend möglich, nicht unerhebliche Ersparnisse zu erwirtschaften. Warum ihm dies in Afghanistan nicht erneut gelingen sollte, erschließt sich dem Gericht nicht. Auch ist es nicht ausgeschlossen, dass der Kläger mit Geldmitteln seiner im Iran lebenden Verwandten unterstützt werden kann.

Der Kläger ist volljährig und leidet, soweit ersichtlich, nicht unter gesundheitlichen Einschränkungen.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger sein Existenzminimum bei einer Rückkehr nach Afghanistan durchaus sichern kann. Im Übrigen verweist das Gericht auf mögliche Rückkehr- und Starthilfen für freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan nach dem REAG/GARP-Programm. Darüber hinaus werden Leistungen nach dem Reintegrationsprogramm „ERIN“ gewährt (vgl. Auskünfte der Regierung von Schwaben vom 17. August 2016 und des Bundesamtes vom 12. August 2016 an das Verwaltungsgericht Augsburg).

Auch steht der langjährige Aufenthalt des Klägers im Iran einer Einschätzung einer zumutbaren Rückkehr nach Afghanistan nicht entgegen. Schließlich hat der Kläger den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht (vgl. BayVGH, B. v. 30.9.2015 - 13A ZB 15.30063 - juris; zuletzt B. v. 14.12.2016 - 13a ZB 16.30139 -, nicht veröffentlicht). Zudem spricht der Kläger die Landessprache Dari bzw. zumindest das der Landessprache ähnliche Farsi, weshalb es nicht maßgeblich darauf ankommt, ob der Kläger speziell mit den afghanischen Verhältnissen vertraut ist (vgl. BayVGH, B. v. 19.2.2014 - 13A ZB 14.30022 - juris).

Dass der Kläger Teil einer Familie mit drei minderjährigen Kindern ist, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Die übrigen Familienangehörigen des Klägers verfügen - soweit ersichtlich - in der Bundesrepublik Deutschland über ein Bleiberecht. Damit ist nicht von einer Rückkehr des Klägers im Familienverbund nach Afghanistan auszugehen, was eine andere rechtliche Wertung nahegelegt hätte. Sollte sich die Familie gleichwohl dazu entscheiden, mit dem Kläger zurück nach Afghanistan bzw. Kabul zurückzukehren, um die Familieneinheit zu wahren, handelt es sich um eine freiwillige Rückkehr, die zu keiner anderen Beurteilung der Gefahrenprognose mit Blick auf den Kläger führen kann.

Damit liegt aber mit der Wahrung der Familieneinheit (Art. 6 Grundgesetz - GG) ein sog. inlandsbezogenes Abschiebungshindernis vor, dessen Prüfung allein der Ausländerbehörde obliegt und somit bei der Beurteilung des zielstaatbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG von vornherein keine Berücksichtigung findet.

Das von der Beklagten verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 AufenthG begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Nach Ansicht des Gerichts ist die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate angemessen (§ 11 Abs. 2 AufenthG). Die Befristung hält sich innerhalb des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffneten gesetzlichen Rahmens von bis zu fünf Jahren. Das nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eröffnete Ermessen wurde erkannt und ermessensfehlerfrei ausgeübt.

Damit war die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen. Sie war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Die Berufung wird hinsichtlich des Begehrens nach Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots zugelassen.

Gründe

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 23. Januar 2017 ist in dem beantragten Umfang zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 AsylG gegeben sind.

Der Kläger beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG und wirft die Frage auf, „ob ein Familienvater, sofern sein Asylverfahren vom Asylverfahren der Familie getrennt wurde und der Familie ein Bleiberecht zuerkannt wurde, als Einzelperson zu betrachten ist“. Er bezieht sich auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – Asylmagazin 2015, 197; U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – InfAuslR 2015, 212), wonach die in Afghanistan derzeit herrschenden humanitären Bedingungen bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern im Allgemeinen eine Gefahrenlage darstellten, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führe. Seine Situation wäre mit der dort zugrundeliegenden Konstellation gleichzusetzen. Ob damit eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder eine Divergenz nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG gerügt werden soll, kann offen bleiben, da der Zulassungsgrund der Divergenz als ein Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung anzusehen ist (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 124 Rn. 12 m.w.N.).

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Eine Divergenz liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem sein Urteil tragenden Obersatz von einem Obersatz des Oberverwaltungsgerichts bzw. Verwaltungsgerichtshofs abgewichen ist (BVerwG, B.v. 19.8.1997 – 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328; Kraft in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 132 Rn. 35). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Das Verwaltungsgericht hat entschieden (UA S. 9 f.), es sei davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan sein Existenzminimum sichern könne. Da die übrigen Familienangehörigen des Klägers über ein Bleiberecht verfügten, sei nicht von einer Rückkehr im Familienverbund auszugehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – Asylmagazin 2015, 197; U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – InfAuslR 2015, 212) können schlechte humanitäre Bedingungen eine auf eine Bevölkerungsgruppe bezogene Gefahrenlage darstellen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führt. Dies ist bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan derzeit herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen der Fall, so dass für sie ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG besteht. Mit rechtskräftigem Urteil vom 23. März 2017 (Az. 13a B 17.30030 – AuAS 2017, 175) hat der Verwaltungsgerichtshof dies bestätigt. Gemessen hieran ergibt sich für den Fall, dass den Familienangehörigen ein Bleiberecht zuerkannt worden ist, die grundsätzlich bedeutsame Frage, ob der Betroffene als Einzelperson zu betrachten oder von einer Familie mit minderjährigen Kindern auszugehen ist. Soweit letzteres bejaht wird, weicht das Verwaltungsgericht mit seiner Entscheidung von der oben genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab. Das angefochtene Urteil beruht auch auf dieser Abweichung.

Das Verfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

Den Beschwerdeführern wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 6. November 2012 - VG 5 K 23/11.A - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht Cottbus zurückverwiesen.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Januar 2013 - OVG 3 N 5.13 - wird damit gegenstandslos.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 8.000,- € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art. 6 GG zugunsten einer afghanischen Familie.

2

1. Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige. Der 1981 geborene Beschwerdeführer zu 1. und die 1987 geborene Beschwerdeführerin zu 2. reisten im Jahr 2009 in das Bundesgebiet ein, die im März 2011 geborene Beschwerdeführerin zu 3. ist ihr gemeinsames Kind. Die Asylanträge der miteinander verheirateten Beschwerdeführer zu 1. und 2. wurden als unbegründet abgelehnt.

3

2. Mit ihren hiergegen gerichteten Klagen machten die Beschwerdeführer zu 1. und 2. geltend, in Kandahar von den Taliban mit dem Tode bedroht worden zu sein. Weder in ihrer Heimatregion Kandahar noch in einer sonstigen Provinz Afghanistans könne derzeit eine Familie mit Kleinkind ihre Existenz sichern, wenn sie nicht durch einen Familienverband abgesichert und aufgefangen werde. Auch litten die Beschwerdeführer zu 1. und 2. an Erkrankungen, die in Deutschland behandelt werden müssten.

4

3. Das Verwaltungsgericht Cottbus wies die Klagen durch Urteil vom 6. November 2012 zurück. Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. hätten keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG. Der Beschwerdeführer zu 1. könne hinsichtlich der geltend gemachten Verfolgung durch die Taliban auf Kabul als inländische Fluchtalternative verwiesen werden. Von ihm könne vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in Kabul aufhalte, da davon auszugehen sei, dass er dort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinde und insbesondere das Existenzminimum gesichert sei. Für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Staatsangehörige bestehe auch ohne familiären Rückhalt die Möglichkeit, als Tagelöhner mit Aushilfsjobs ein Existenzminimum zu erwirtschaften. Der Beschwerdeführer zu 1. gehöre zu dieser Personengruppe, da er sich um den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. nicht kümmern müsse. Diese könnten in die Heimatregion Kandahar zurückkehren, da ihnen dort keine Verfolgung oder sonst zu berücksichtigende Gefahr drohe. Denn die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. verfügten in Kandahar über familiären Rückhalt, der insoweit an die Stelle des Beschwerdeführers zu 1. treten könne. Es sei auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die vorgetragenen Erkrankungen der Beschwerdeführer zu 1. und 2. im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund zielstaatsbezogener Umstände wesentlich verschlimmern würden.

5

4. Im Berufungszulassungsverfahren rügten die Beschwerdeführer zu 1. und 2., das Verwaltungsgericht habe gegen den in Art. 23 der so genannten Qualifikationsrichtlinie (RL 2004/83/EG) niedergelegten Grundsatz der Wahrung des Familienverbandes verstoßen, indem es den Beschwerdeführern zumute, dauerhaft voneinander getrennt in Kabul und Kandahar leben zu müssen. Auch habe das Verwaltungsgericht seine Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts verletzt, indem es unterstellt habe, die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. könnten ohne Probleme nach Kandahar zurückkehren und würden dort von den Eltern der Beschwerdeführerin zu 2. aufgenommen. Weder habe das Verwaltungsgericht entsprechende Fragen an die Beschwerdeführer gerichtet, noch hätten diese von sich aus darauf eingehen müssen, da die vom Verwaltungsgericht im Urteil zugrundegelegte Trennung der Beschwerdeführer überraschend gewesen sei. Auch die Ablehnung der Beweisanträge hinsichtlich der geltend gemachten Erkrankungen verstoße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör.

6

5. Mit Beschluss vom 24. Januar 2013 lehnte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Dass das Verwaltungsgericht Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie nicht berücksichtigt habe, weise höchstens auf eine materiell unrichtige Entscheidung hin, lasse jedoch nicht erkennen, warum die Vorschrift bei der Entscheidung über ein Abschiebungsverbot für eine Familie mit Kleinkind über den Einzelfall hinaus bedeutsam sei und ihre Reichweite im Interesse der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfe. Der von den Beschwerdeführern erhobene Vorwurf der ungenügenden Aufklärung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht werde vom Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG nicht erfasst. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Beschwerdeführer könnten sich trennen, sei keine unzulässige Überraschungsentscheidung. Es gebe auch keine Anhaltspunkte, dass die Ablehnung der erstinstanzlich gestellten Beweisanträge nicht vom Prozessrecht gedeckt sei.

7

6. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde machen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG geltend, weil das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen an die Darlegung der Gründe für die Zulassung der Berufung überspannt habe. Es stelle sowohl im Hinblick auf Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie als auch hinsichtlich Art. 6 GG und Art. 8 EMRK eine abstrakte Frage dar, ob eine aufenthaltsbeendende Entscheidung in Kauf nehmen dürfe, dass eine Familie dauerhaft getrennt leben müsse. Das Verwaltungsgericht habe gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen, indem es in seinem Urteil von der Zumutbarkeit einer Trennung der Beschwerdeführer ausgegangen sei, ohne vorab auf diese Rechtsansicht hinzuweisen. Dadurch hätten die Beschwerdeführer keine Gelegenheit gehabt, eingehender zu ihrer familiären Situation vorzutragen und gegebenenfalls Beweisanträge zu einzelnen Fragen des Überlebens alleinstehender Frauen in Kandahar zu stellen. Mit ihren Entscheidungen verstießen die Gerichte schließlich gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Bei einer Abschiebung, die eine dauerhafte Trennung der Beschwerdeführer zur Folge habe, hätte eine Abwägung mit ihren familiären Belangen stattfinden müssen. Daran fehle es.

8

7. Das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

9

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführer angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

10

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, obwohl sie nicht innerhalb der in § 93 Abs. 1 BVerfGG geregelten Monatsfrist eingelegt und begründet worden ist. Den Beschwerdeführern war insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu gewähren. Sie haben innerhalb der Frist des § 93 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG glaubhaft gemacht, dass sie das zu befördernde Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Post gegeben haben, dass es bei normalem Verlauf der Dinge das Bundesverfassungsgericht fristgerecht hätte erreichen können. Die Verzögerung der Briefbeförderung durch die Deutsche Post AG darf den Beschwerdeführern nicht als Verschulden zugerechnet werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Januar 2003 - 2 BvR 447/02 -, NJW 2003, S. 1516).

11

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG.

12

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfGE 51, 386 <396 f.>; 76, 1 <47>; 80, 81 <93>). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>; 80, 81 <93>). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Be-schluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 231/00 -, InfAuslR 2002, S. 171 <173>; BVerfGK 2, 190 <194>), auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, InfAuslR 2000, S. 67 <68>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 <683>).

13

Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. BVerfGK 7, 49 <56>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 <683>).

14

Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen (vgl. BVerfGE 56, 363 <384>; 79, 51 <63 f.>). Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (vgl. BVerfGK 14, 458 <465>).

15

b) Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Bei der nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu erstellenden Gefahrenprognose ist das Verwaltungsgericht von getrennten Aufenthaltsorten der Beschwerdeführer in Afghanistan ausgegangen. Es hat den Beschwerdeführer zu 1. der Personengruppe der alleinstehenden, arbeitsfähigen Männer zugeordnet, denen Kabul als inländische Fluchtalternative offensteht, während es für die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. eine Rückkehr in die Heimatprovinz Kandahar als zumutbar erachtet hat. Obwohl das Verwaltungsgericht damit seiner Entscheidung zugrunde legt, dass die Beschwerdeführer in Afghanistan ihr künftiges Leben getrennt voneinander führen müssen, fehlt in dem Urteil jede Auseinandersetzung mit den aus Art. 6 GG folgenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an staatliche Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung. Dies zeigt, dass sich das Verwaltungsgericht des Einflusses des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie auf die Auslegung und Anwendung von § 60 Abs. 1 AufenthG (vgl. BVerwGE 90, 364 <369 f.>, zur vergleichbaren früheren Rechtslage) nicht bewusst gewesen ist.

16

c) Das angegriffene Urteil beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der sich aus Art. 6 GG ergebenden Vorgaben zu einer anderen, den Beschwerdeführern günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Kammer hebt deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG das angegriffene Urteil auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zurück. Damit wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts gegenstandslos. Seiner Aufhebung bedarf es nicht, weil von ihm insoweit keine selbstständige Beschwer ausgeht (vgl. BVerfGE 14, 320 <324>; 76, 143 <170>). Auf das Vorliegen der weiteren gerügten Verfassungsverstöße kommt es nicht an.

III.

17

Mit dieser Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

IV.

18

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. Dezember 2017 ist unbegründet, weil die geltend gemachten Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, „ob sich ein alleinstehender, junger, gesunder, afghanischer Mann, der über keinen aufnahmefähigen Familienverband in Afghanistan verfügt, bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit Blick auf die aktuelle Lage ein Existenzminium sichern kann und ob aufgrund der aktuellsten Erkenntnisse die Sicherheitslage in Afghanistan eine kritische Gefahrendichte erreicht hat, die zumindest ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG rechtfertigt.“ Schlechte humanitäre Bedingungen könnten eine Gefahrenlage darstellen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führe. Das Verwaltungsgericht stehe mit seiner Ansicht, er sei in der Lage, sich eine Existenz aufzubauen, auch wenn er keinen aufnahmefähigen Familienverband habe, im Widerspruch zur aktuellen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan sowie teilweise zu behördlich ergangenen Entscheidungen. Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg habe mit Beschluss vom 6. Februar 2017 (Az. A 11 S 164/17) insoweit die Berufung zugelassen. Die aktuellen Auskünfte des Auswärtigen Amts, des UNHCR und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zeigten, dass es entscheidend davon abhänge, ob ein Rückkehrer auf familiäre Strukturen zurückgreifen könne.

Die aufgeworfenen, die Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG betreffenden Fragen führen nicht zur Zulassung der Berufung. Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote verneint und insbesondere ausgeführt, dem Kläger als gesunden und arbeitsfähigen Mann sei ein Bemühen um eine Anstellung auf dem hart umkämpften afghanischen Arbeitsmarkt durchaus zumutbar und er könne zumindest ein kleines Einkommen erreichen (UA S. 16 ff.). Dies gelte umso mehr, als er über mehrere Familienangehörige in Afghanistan verfüge, wohl familieneigene Ländereien im Heimatort vorhanden seien und er seit seinem 14. Lebensjahr dauerhaft in der Landwirtschaft beschäftigt gewesen sei.

Das entspricht der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Dieser schätzt weiterhin die Lage in Afghanistan nicht derart ein, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und deshalb ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (BayVGH, B.v. 4.1.2018 – 13a ZB 17.31652 – juris; B.v. 29.11.2017 – 13a ZB 17.31251 – juris; B.v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris unter Bezugnahme auf U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris und Verweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167). Auch in Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit weiterhin nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, B.v. 29.11.2017 a.a.O.; B.v. 19.6.2017 – 13a ZB 17.30400 – juris; B.v. 4.1.2017 –13a ZB 16.30600 – juris; U.v. 12.2.2015 a.a.O.; U.v. 30.1.2014 – 13a B 13.30279 – juris).

Im Übrigen geht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nicht derart ist, dass jede Überstellung dorthin notwendig Art. 3 EMRK verletzt (vgl. EGMR, U.v. 11.7.2017 – S.M.A./Netherlands, Nr. 46051/13 Rn. 53; U.v. 11.7.2017 – Soleimankheel and others/Netherlands, Nr. 41509/12 Rn. 51; U.v. 11.7.2017 – G.R.S./Netherlands, Nr. 77691/11 Rn. 39; U.v. 11.7.2017 – E.K./Netherlands, Nr. 72586/11 Rn. 67; U.v. 11.7.2017 – E.P. and A.R./Netherlands, Nr. 63104/11 Rn. 80; U.v. 16.5.2017 – M.M./Netherlands, Nr. 15993/09 Rn. 120; U.v. 12.1.2016 – A.G.R./Niederlande, Nr. 13442/08 – NVwZ 2017, 293 Rn. 59). Insoweit hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 9. April 2013 (H. and B./United Kingdom, Nr. 70073/10 Rn. 92 f.) festgestellt, dass es in Afghanistan keine allgemeine Gewaltsituation gibt, die zur Folge hätte, dass allein wegen der Abschiebung einer Person dorthin tatsächlich die Gefahr von Misshandlungen gegeben sei. In den vorgenannten Urteilen hat er angesichts der ihm mittlerweile vorliegenden Informationen an dieser Einschätzung festgehalten.

Die Ausführungen im Zulassungsantrag geben keinen Anlass, im Rahmen eines Berufungsverfahrens in eine erneute Risikobewertung einzutreten. Der Kläger nennt keine neuen Erkenntnisse, die den Schluss rechtfertigen würden, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs überholt wäre. Aus den von ihm zitierten aktuellen Auskünften ergibt sich nicht, dass die humanitäre Situation eine Existenzgründung ausschließen würde. Der letzte – allerdings nicht mehr ganz aktuelle –Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 19. Oktober 2016 (S. 22) geht vielmehr davon aus, dass die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familienbzw. Stammesverbands aufgrund kultureller Bedingungen vor allem in größeren Städten realistisch seien. Die Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 vom 28. Juli 2017 verhält sich hierzu nicht, weist aber darauf hin, dass die afghanische Regierung unter Beteiligung der internationalen Gebergemeinschaft sowie internationaler Organisationen mit der Schaffung einer Koordinierungseinheit (Displacement and Returns Executive Committee) zur Reintegration der Binnenflüchtlinge und Rückkehrer reagiert habe. Ein Großteil der internationalen Gebergemeinschaft habe zudem beschlossen, die Finanzmittel für humanitäre Hilfe im Rahmen eines Hilfsappells des UN-Koordinierungsbüros für humanitäre Angelegenheiten OCHA Ende 2016 aufzustocken (S. 11). Nach den „UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender“ vom 19. April 2016 (S. 10) werden zwar vor dem Hintergrund anhaltender Besorgnis in Bezug auf die Sicherheitslage Empfehlungen für den Schutzbedarf ausgesprochen und verschiedene Risikoprofile aufgezeigt, aber zugleich darauf hingewiesen, dass alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage seien, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben. In diesem Sinn wird auch von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, 30.9.2016, S. 27) berichtet, dass verletzliche Personen über eine unzureichende Existenzgrundlage sowie einen schlechten Zugang zu Lebensmitteln und Unterkunft verfügten. Das Update vom 14. September 2017 weist ebenfalls auf die schwierige Situation der Rückkehrenden hin (S. 32), ohne jedoch weitere Folgerungen daraus zu ziehen. Übereinstimmend mit UNHCR lässt sich hieraus im Rückschluss entnehmen, dass nicht verletzliche Personen – alleinstehende, leistungsfähige Männer – grundsätzlich in der Lage sind, sich eine Existenz aufzubauen. Darüber hinaus hat sich das Verwaltungsgericht mit der konkreten Situation des Klägers befasst und ist zum Ergebnis gelangt, dass er mit seinen Fähigkeiten in der Lage sein werde, sich eine Existenz aufzubauen. Das schließt eine allgemeine Klärung aus. Im Übrigen hängt es wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab, wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen; es entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung (BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226 = NVwZ-RR 2011, 48).

Soweit sich der Kläger auf den Zulassungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (B.v. 6.2.2017 – A 11 S 164/17 – Asylmagazin 2017, 105) bezieht, ergibt sich nichts anderes. Diesem Beschluss lässt sich nur entnehmen, dass grundsätzlich zu klären sei, ob ein alleinstehender junger gesunder afghanischer Mann mit der Herkunftsregion Herat, der sich ab dem Alter von vier Jahren im Iran aufgehalten habe, bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit Blick auf die aktuelle Lage ein Existenzminimum sichern könne. Andere Ausgangsdaten als diejenigen, die der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde liegen, werden nicht genannt.

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteilen vom 9. November 2017 (Az. A 11 S 789/17 – juris) und vom 5. Dezember 2017 (Az. A 11 S 1144/17 – juris) entschieden, dass für einen leistungsfähigen, erwachsenen, afghanischen Mann ohne Unterhaltsverpflichtung, der keine familiären oder sozialen Unterstützungsnetzwerke hat, im Allgemeinen – wenn nicht besondere, individuell erschwerende Umstände hinzukommen – in Afghanistan, insbesondere auch in Kabul, trotz der schlechten humanitären Bedingungen und Sicherheitslage keine Gefahrenlage besteht, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK und infolgedessen zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG führt und dies auch im Falle eines langjährigen Aufenthalts im benachbarten Ausland Afghanistans gilt. Ebenso wenig bestehe für einen leistungsfähigen erwachsenen afghanischen Mann ohne Unterhaltsverpflichtung im Allgemeinen eine ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründende extreme Gefahrenlage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 4 und Aufhebung von Nummer 5 und 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juni 2016 verpflichtet, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II. Die Beklage hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, eine Familie aus Nekbai in der Provinz Kunduz mit einem im Jahr 2015 geborenen und demnächst einem zweiten Kind, sind afghanische Staatsangehörige und schiitische Hazara. Nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Januar 2016 stellten sie am 11. März 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Der Kläger zu 1, der Ehemann und Vater, gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 15. Juni 2016 an, er stamme aus dem Dorf Nekbai in der Provinz Kunduz. In Afghanistan habe er noch zwei Schwestern und im Iran zwei Brüder. Eine Schule habe er nicht besucht und auch keinen Beruf erlernt. Zuletzt habe er als Bauarbeiter gearbeitet. Die Taliban hätten das Dorf besetzt und ihm zweimal Ohrfeigen gegeben. Sie hätten wissen wollen, wer im Dorf Waffen habe und wer Kommandeur sei. Als er noch ein Kind gewesen sei, hätten sie seinen Vater vermutlich wegen dessen Grundbesitz getötet. Ergänzend fügt der Kläger an, im Iran sei ihm im rechten Bein eine Stahlplatte eingesetzt worden. In Deutschland habe er einen Termin zur Operation.

Die Klägerin zu 2, die Ehefrau und Mutter, führte aus, sie sei nicht in die Schule gegangen und habe auch keinen Beruf erlernt und ausgeübt. Im Iran lebten vier Schwestern, zwei Brüder lebten in Deutschland. Ihr Schwiegervater sei Grundbesitzer gewesen, ihr Ehemann habe das Land zusammen mit seinem Bruder geerbt. Davon habe die Familie gelebt und die Reise finanziert. Wirtschaftlich sei es der Familie gut gegangen, aber wegen der Taliban sei ihr Leben in Gefahr gewesen. Diese würden die Männer von zu Hause holen und mitnehmen, einige würden umgebracht werden. Ihr Ehemann sei geschlagen worden und habe Ohrfeigen bekommen.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 21. Juni 2016 wurden die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.) sowie des subsidiären Schutzstatus (3.) und die Anträge auf Asylanerkennung (2.) abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (4.). Den Klägern wurde die Abschiebung angedroht (5., 6.). Zur Begründung ist angeführt, dass sich aus dem Sachvortrag weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ergäben. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes komme nicht in Betracht, weil in Afghanistan kein Konflikt bestehe und keinerlei Anhaltspunkte erkennbar seien, die die Annahme rechtfertigten, dass bei den Klägern im Fall der Rückkehr ein ernsthafter Schaden drohen würde. Unter den derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan seien auch die Anforderungen an den Gefahrenmaßstab nach Art. 3 EMRK nicht erfüllt. Die Umstände, die die Kläger geltend machten, gingen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner hinzunehmen hätten, die in vergleichbaren Situationen lebten. Auch eine individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Sinn von § 60 Abs. 7 AufenthG drohe nicht.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Augsburg verfolgten die Kläger ihr Begehren hinsichtlich nationaler Abschiebungsverbote weiter. In der mündlichen Verhandlung am 18. Oktober 2016 vertieften die Kläger ihr Vorbringen und gaben an, zwei Onkel und zwei Schwestern des Klägers zu 1 hätten bis vor kurzem in ihrem Heimatdorf gelebt. Dann habe es dort Kämpfe gegeben und er habe deshalb keinen Kontakt mehr zu seinen beiden Schwestern. Vor einigen Jahren habe er eine Oberschenkelfraktur erlitten und sei operiert worden. Die eingesetzte Platinstange sei in Deutschland herausgezogen worden. Die Klägerin zu 1 führte aus, dass die Familie den Grundbesitz für die Flucht verkauft habe. Wegen seiner Beinverletzung könne der Kläger nicht als Tagelöhner arbeiten.

Mit Urteil vom 18. Oktober 2016 wurde die Klage abgewiesen. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die allgemeinen Lebensbedingungen seien zumindest nicht in allen Landesteilen Afghanistans so schlecht, dass die Abschiebung einer dreiköpfigen Familie eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde. Insbesondere das Hauptsiedlungsgebiet der Volksgruppe der Hazara, die Provinz Bamiyan, gehöre zu den relativ sicheren Provinzen. Für eine reale Chance, nach einer Rückkehr eine ausreichende Existenzgrundlage für alle Familienmitglieder zu finden, sprächen vor allem die Start- und Reintegrationshilfen nach dem GARP-Programm sowie die Service- und Beratungsleistungen nach dem europäischen Reintegrationsprogramm (ERIN). Insgesamt könnten die Kläger damit Reintegrationshilfen im Gesamtwert von 3.150 € in Anspruch nehmen. In der mündlichen Verhandlung habe der Kläger zu 1 ferner angegeben, dass es ihm gesundheitlich gut gehe. Damit bestehe auch keine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsschutzes mit Beschluss vom 11. Januar 2017 wegen Divergenz zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197; U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212) zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs könnten schlechte humanitäre Bedingungen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führen. Bei einer Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern sei dies der Fall, so dass sie einen Anspruch auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hätten. Eventuelle Hilfen aus den Rückkehrprogrammen könnten kein anderes Ergebnis begründen. Auf diese bestünde kein Rechtsanspruch und sie erschienen nicht ausreichend, um dauerhaft ein Überleben der Familie zu gewährleisten.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. März 2017 verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17).

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Die Kläger zu 1 und 2 als Eltern von bald zwei minderjährigen Kindern befürchten, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, bei der auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist. Dass bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen eine solche Gefahrenlage anzunehmen ist und in der Folge ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG besteht, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit den von den Klägern herangezogenen Divergenzurteilen vom 21. November 2014 entschieden (13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 und 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212). Daran hat sich auch unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse bislang nichts geändert.

Vorliegend müssten die Eltern - nach afghanischen Maßstäben wohl der Vater - bei einer Rückkehr für den Unterhalt der gesamten Familie sorgen. Das ältere Kind, die Klägerin zu 3, ist zwei Jahre alt und ein weiteres Kind wird demnächst geboren. Angesichts dieser beiden kleinen Kindern in betreuungsbedürftigem Alter wird die Ehefrau und Mutter, die Klägerin zu 2, zum Familienunterhalt nicht beitragen können. Zudem ist sie unbestrittenen Angaben zufolge nicht in die Schule gegangen, hat keinen Beruf erlernt und auch keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Damit müsste der Vater alleine den Unterhalt für die ganze Familie erwirtschaften. Im Hinblick auf die derzeitige (wirtschaftliche) Lage in Afghanistan würde er hierzu nicht im Stande sein, zumal auch keine Rücklagen mehr existieren.

Wegen der zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse, die sich bislang nicht nachhaltig verbessert haben, ist bei einer Familie mit minderjährigen Kindern nach wie vor von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen. Das ergibt sich aus den zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblichen Erkenntnismitteln. Dabei zeigt sich deutlich, dass sich die Rahmenbedingungen nicht verbessert haben.

Wurde im Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) noch festgestellt, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessere, es sich in fast allen Bereichen positiv entwickle und die Wirtschaft trotz einer zunehmenden Unsicherheit und Destabilisierung des Landes wachse, so wird in demjenigen vom 19. Oktober 2016 (Stand: September 2016, S. 21 ff. - Lagebericht 2016) ausgeführt, die afghanische Wirtschaft ringe seit Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe geprägt durch eine schwache Investitionstätigkeit, die Abwertung des Afghani gegenüber dem US-Dollar schreite weiter voran und ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Das Vertrauen von Investoren und Verbrauchern in Afghanistan sei weiter gesunken; Ursachen hierfür seien neben der schwierigen Sicherheitslage vor allem in der schleppenden Regierungsbildung zu sehen. Ausländische Investitionen seien in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen; die Rahmenbedingungen für Investoren hätten sich kaum verbessert. Dass die Schaffung von Arbeitsplätzen die zentrale Herausforderung bedeute, wurde bereits im Jahr 2014 berichtet. Hieran hat sich nichts geändert, die Arbeitslosenquote ist dem Lagebericht 2016 zufolge im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Zwar sei sich die afghanische Regierung der Problematik bewusst und habe auch entsprechende Planungen vorgenommen, jedoch seien Erfolge, die auch großflächig in der Bevölkerung spürbar würden, kurzfristig kaum zu erwarten. Ein Problem stelle dar, dass gut ausgebildete und moderat wohlhabende Männer weiterhin bessere Zukunftschancen außerhalb Afghanistans sähen. Die hohe Arbeitslosigkeit werde durch vielfältige Naturkatastrophen verstärkt, so dass die Grundversorgung - wie schon seit Jahren - für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung sei. Für Rückkehrer gelte dies naturgemäß verstärkt. Gerade der Norden - eigentlich die „Kornkammer“ des Landes - sei extremen Natureinflüssen wie Trockenheit, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten hätten dazu geführt, dass dort ca. eine Millionen oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gälten. Zur Unterkunftsmöglichkeit hatte schon der Lagebericht vom Januar 2012 (S. 28 - Lagebericht 2012) angegeben, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Eine Verbesserung wird auch im Lagebericht 2016 nicht gemeldet. Hinsichtlich der medizinischen Versorgung wird erneut ausgeführt, dass sie trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken leide, insbesondere aber an fehlenden Ärzten sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v. a. Hebammen).

Ähnlich verhält es sich mit den Auskünften der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 19 ff. - SFH 2014 und vom 30.9.2016, S. 24 ff. - SFH 2016). Auch im Jahr 2016 wird ausgeführt, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten, 1,7 Millionen Menschen seien ernsthaft von Lebensmittelunsicherheit betroffen. Wie schon 2014 wird darauf hingewiesen, dass die geschwächte Bevölkerung Naturkatastrophen und harten Wintern schutzlos ausgeliefert sei. Zusätzlich werde die Lage durch die anhaltenden Konflikte verschärft. Weiterhin würde die Lebensgrundlage zahlreicher Menschen zerstört, die Anzahl der intern Vertriebenen sei rasant in die Höhe geschnellt, ansteckende Krankheiten nähmen zu und die Kriminalitätsrate steige an. Seit dem Abzug der internationalen Sicherheitskräfte Ende 2014 sei die bereits sehr hohe Arbeitslosigkeit rasant angestiegen. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Zu den gravierendsten sozialen Problemen gehört auch nach dem Bericht von 2016 (S. 24) die Wohnraumknappheit, vor allem in Kabul. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 46% der Bevölkerung (gegenüber 39% nach SFH 2012), zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Schon 2014 wurde berichtet, dass medizinische Hilfe oftmals nicht zu erreichen sei oder nicht bezahlt werden könne (SFH S. 20). Dies wird 2016 bestätigt. Zugang zu den grundlegendsten medizinischen Dienstleistungen hätten nur rund 36% der Bevölkerung, wobei dies ab dem Jahr 2015 wegen der gewaltsamen Konflikte sowie der verbreiteten Armut zusehends schwieriger geworden sei. Die Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen und fehlende Dienstleistungen im Gesundheitsbereich seien direkte Folgen der Gewalt und beeinträchtigten die bereits karge Gesundheitsversorgung der Menschen zusätzlich. Der Gesundheitszustand von Frauen und Kindern bleibe schlecht, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten sowie unter Nomaden. Frauen und Kinder verlören überdurchschnittlich oft das Leben wegen eigentlich heilbarer Krankheiten. Viele Familien könnten sich die Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitseinrichtungen nicht leisten.

Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus den Richtlinien des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016 (UNHCR-Richtlinien 2016). Bereits in den Richtlinien vom 6. August 2013 (S. 9, 29 ff. - UNHCR-Richtlinien 2013) wurde ausgeführt, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedürfe. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Das wird in den Richtlinien 2016 gleichermaßen dargestellt (S. 10). In den Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern vom Dezember 2016 (UNHCR Dezember 2016, S. 2, 4) wird nochmals betont, dass der enorme Anstieg an Rückkehrern zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten geführt habe und es für eine Neuansiedlung ein starkes soziales Netzwerk geben müsse. Weiter wird dargelegt, dass die humanitären Indikatoren in Afghanistan auf einem kritisch niedrigen Niveau seien (UNHCR-Richtlinien 2016, S. 31). Ende 2015 seien 8,1 Mio. Menschen bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 27 Mio. Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen gewesen. Über eine Million Kinder litten an akuter Mangelernährung und 9,1% Prozent der Kinder würden vor ihrem fünften Geburtstag sterben (so auch Lagebericht 2016, S. 13). Der Anteil der Bevölkerung, der unterhalb der nationalen Armutsgrenze lebe, liege nach wie vor bei 35,8%. 1,7 Millionen Afghanen seien von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffen. Besonders schwerwiegend wirke sich der andauernde Konflikt auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung aus, unter anderem aufgrund von direkten Angriffen auf medizinisches Personal und auf Gesundheitseinrichtungen; 36% der Bevölkerung hätten überhaupt keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung.

Zusammenfassend lässt sich den Berichten und Auskünften nicht entnehmen, dass seit dem Jahr 2014 von einer Verbesserung der Situation ausgegangen werden könnte. Wie schon damals ausgeführt, ist unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass - wie bereits erwähnt - die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die beiden kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Angesichts der enorm hohen Arbeitslosigkeit wird es an Arbeitsmöglichkeiten für den Kläger zu 1 fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Erschwerend kommt bei ihm hinzu, dass er weder über eine Schulbildung verfügt noch einen Beruf erlernt hat. Zudem hat er nach einem Unfall gesundheitliche Probleme mit einem Bein, die mögliche Betätigungen weiter einschränken. Familiäre Unterstützung könnten die Kläger nicht erwarten, da die Angehörigen, soweit sie sich nicht in Europa aufhalten, im Iran leben. Zwar hat der Kläger zu 1 von seinem Vater Land geerbt, jedoch wurde hiermit die Ausreise finanziert und es kann der Familie deshalb nicht als Grundlage dienen. Zudem könnten den Berichten zufolge zahlreiche Familien aufgrund von unrechtmäßigen Besetzungen nicht mehr auf ihren Landbesitz zurückkehren und hätten auch kaum Chancen, diesen erfolgreich zurückzufordern (SFH 2016, S. 26). Auch die illegale Beschlagnahmung von Land durch Beamte sowie lokale Machthaber ist der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zufolge verbreitet. Der Kläger zu 1 wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden.

Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dies gelingen kann. Ohne Hilfe würde sich die Familie weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Es kann nicht angenommen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden würden, in der auch Kinder angemessen leben können, insbesondere weil der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2016, S. 21). Aufgrund mangelnder Flächen und erschwinglicher Unterkünfte in städtischen Gebieten sind Rückkehrer häufig gezwungen, in informellen Siedlungen ohne angemessenen Lebensstandard zu leben (UNHCR-Richtlinien 2016, S. 34). Unter Berufung auf UNICEF (United Nations Children’s Fund) wird in den UNHCR-Richtlinien 2016 dargelegt, dass Familien häufig keine andere Wahl hätten, als in Slums zu wohnen, wo sie keinen Zugang zu akzeptablen Wohnbedingungen, Wasser, sanitären Einrichtungen, Gesundheitsversorgung und Bildung hätten. Aufgrund der beschränkt verfügbaren Flächen würden auch wenig geeignete Orte wie die steilen Hänge um Kabul besiedelt. Diese informellen Siedlungen seien durch schwierige naturgegebene Merkmale wie extreme Winter, beschränkten Zugang zu sauberem Wasser und unhygienische Bedingungen geprägt. Angesichts von zwei Kleinkindern fällt das besonders ins Gewicht.

In der Gesamtschau kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass einer Familie mit Kindern unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage im Allgemeinen möglich ist. Vielmehr liegt bei den geschilderten Verhältnissen ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht nach wie vor die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Lebensgrundlage finden würden und keine Unterkunft sowie Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern nach wie vor Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Soweit die Beklagte und das Verwaltungsgericht auf mögliche Unterstützungsleistungen (im Internet abrufbar unter www.bamf.de/rueckkehrfoerderung) verweisen, ergibt sich nichts anderes. Auch die aktuellen Leistungen können nur einen vorübergehenden Ausgleich schaffen. Es ist nach wie vor nicht anzunehmen, dass sie dazu geeignet wären, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten. Zwar sind die Unterstützungsleistungen gegenüber dem Jahr 2014 offenbar ausgeweitet worden. Über das humanitäre Rückkehrprogramm „REAG/GARP“ (Reintegration and Emigration Programme for Asylum Seekers in Germany - REAG und Government Assisted Repatriation Programme - GARP) werden bei freiwilligen Rückkehrern die Transportkosten übernommen, Reisebeihilfen in Höhe von 200,- Euro pro Rückkehrer über 12 Jahre und Starthilfen von 500,- Euro bezahlt. Zusätzlich werden nach dem Reintegrationsprogramm „ERIN“ (European Reintegration Network) als Sachleistungen Reintegrationsleistungen im Wert von maximal 2.000,- Euro gewährt. Schwerpunkte des Programms sind neben der Intensivierung des Dialogs mit den Drittstaaten die individuelle Unterstützung nach der Rückkehr in das Herkunftsland, Hilfestellung bei der Existenzgründung und soziale Begleitung. Finanzielle Mittel erhalten Rückkehrer danach nur aus dem REAG/GARP-Programm und zwar mit Ausnahme einer Starthilfe von 500,- Euro pro Erwachsenen im Wesentlichen für die Kosten der Rückreise. Im Rahmen des ERIN-Programms gibt es keine finanziellen Hilfen, sondern nur tatsächliche Unterstützungsleistungen. Diese beinhalten bei Ankunft Hilfe für die Weiterreise, dringende medizinische Behandlung, kurzfristige Unterkunft in einer Aufnahmeeinrichtung und im Weiteren Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche bzw. Unterstützung bei einer Geschäftsgründung, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Übernahme von Verwaltungskosten, etwa für die Registrierung oder um Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erlangen, sowie verwaltungstechnische Unterstützung in Form von Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen. Wenn man all diese Maßnahmen näher betrachtet, vermögen sie den Wiedereinstieg nach einer Rückkehr zum Teil zu erleichtern. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der möglichen Hilfsleistungen scheint aber zumindest ein geringer Qualifizierungsgrad erforderlich, damit die Programme überhaupt greifen können. Sowohl Arbeitsplatzsuche als auch eine Geschäftsgründung setzen gewisse Grundkenntnisse und -fertigkeiten voraus. Wenn dies der Fall ist, kann im Weiteren unterstützend eingegriffen werden. Fehlende Ausbildung und Qualifikation - wie hier - vermögen die Programme nicht zu ersetzen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es schon generell sehr schwierig ist, sich auch nur einen notdürftigen Unterhalt zu verschaffen. So weist Pro Asyl in einer Stellungnahme vom 16. November 2016 (zur 205. Sitzung der Innenministerkonferenz am 29./30.11.2016 in Saarbrücken) darauf hin, dass sich die Möglichkeiten, sich durch Arbeit selbst zu versorgen, sowohl für Einheimische als auch für Rückkehrer in den Jahren des weitgehenden Abzugs der internationalen Truppen krisenhaft verschärft hätten. Im Übrigen spricht viel dafür, dass es sich allein um eine Starthilfe handelt, die ein menschenwürdiges weiteres Dasein für eine Familie mit minderjährigen Kindern noch nicht sicherstellen kann. Zudem besteht auf die Förderung kein Rechtsanspruch. In der Summe kann deshalb trotz der (anfänglichen) Unterstützung nicht davon ausgegangen werden, dass die Leistungen vorliegend ausreichend wären, um eine unmenschliche Behandlung auszuschließen. Diese Einschätzung deckt sich im Übrigen auch mit derjenigen des ERIN-Programms selbst. Danach haben gewöhnlich nur diese Rückkehrer Chancen, die über spezifische Fähigkeiten verfügten oder qualifizierte Fachkräfte seien. Je niedriger der Ausbildungsstandard und die berufliche Qualifikation seien, desto schlechter und schwieriger sei die Aussicht auf eine berufliche Betätigung (ERIN, Afghanistan Briefing Note, S. 7, abrufbar unter www.bamf.de/rueckkehrfoerderung). Auch soweit finanzielle Unterstützung gewährt wird, ist diese den Angaben von ERIN zufolge angesichts der Lebenshaltungskosten bei Weitem nicht ausreichend. Danach betragen die Wohnungsmieten zwischen 400 und 600 US-$, Nebenkosten 40 US-$ und Lebensunterhalt 500 US-$ (Afghanistan Briefing Note, S. 9). Zudem wurde schon in den genannten Entscheidungen aus dem Jahr 2014 ausgeführt, dass es die Unterstützungsleistungen zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr gibt, aber danach Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat bestehen. Der Lagebericht 2016 (S. 24 f.) spricht nach wie vor von Koordinierungsschwierigkeiten; Hilfe komme nicht immer dort an, wo Rückkehrer sich niedergelassen hätten. Zwar wird diese Aussage im Zusammenhang mit der Beschreibung der Situation von Rückkehrern aus den Nachbarländern gemacht, jedoch ist dem Lagebericht 2016 zufolge auch nur von Norwegen bekannt, dass Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Darüber, ob und inwieweit die Programme tatsächlich greifen, liegen offenbar keine weiteren Informationen vor. Auch der Vertreter des Bundesamts vermochte in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, ob es Erkenntnisse zur tatsächlichen Umsetzung des Reintegrationsprogramms gebe, keine näheren Auskünfte zu erteilen. Allerdings ist schwer vorstellbar, dass im Gegensatz zu den Rückkehrern aus den Nachbarländern hier die Koordinierung problemlos verlaufen sollte. So verweist Pro Asyl in seiner Stellungnahme vom 16. November 2016 darauf, dass die afghanische Regierung nicht in der Lage sei, auch nur die Notversorgung der Rückkehrer aus eigener Kraft oder mit den Mitteln der internationalen Hilfe zu versorgen; faktisch gebe es weder ein Reinte-grationsprogramm noch eine realistische Möglichkeit, ein solches zu schaffen.

Die vom Verwaltungsgericht herangezogene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 26.2.2014 - A 11 S 2519/12 - juris und U.v. 24.7.2013 - A 11 S 697/13 - Asylmagazin 2014, 38) berücksichtigt die neuere Entwicklung nicht. Zudem liegen den Entscheidungen anders gelagerte Sachverhalte zugrunde.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 und unter Abänderung von Nummer 4 und Aufhebung von Nummer 5 und 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juni 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Das Oberverwaltungsgericht prüft den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht. Es berücksichtigt auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Oktober 2016 wird hinsichtlich der Kläger zu 1) bis 4) geändert:

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. Dezember 2015 wird in Nr. 6 aufgehoben. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Kläger, kosovarische Staatsangehörige, begehren die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten. Die Kläger zu 1) und 2) sind die Eltern der im Jahre 2003 geborenen Klägerin zu 3) und des im Jahre 2006 geborenen Klägers zu 4).

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte mit Bescheid vom 21. Dezember 2015 die Asylanträge der Kläger und der im Jahr 2013 geborenen Tochter ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4), drohte unter Ausreiseaufforderung die Abschiebung in den Kosovo innerhalb von 30 Tagen an (Nr. 5) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 11 Abs. 1 AufenthG) auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 6).

Hiergegen erhoben die Kläger und die im Jahr 2013 geborene Tochter - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Klägerin zu 5) - Klage.

Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Beklagte mit Urteil vom 10. Oktober 2016 unter Aufhebung der Nrn. 4 bis 6 des Bescheids festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich aller Kläger vorliegen und stellte das Verfahren nach teilweiser Klagerücknahme im Übrigen ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Kläger hätten als Familieneinheit einen Rechtsanspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, da zumindest der Klägerin zu 5) im Kosovo eine erhebliche konkrete Gefahr für ihre Gesundheit drohe. Aus medizinischer Sicht sei der Aufenthalt der Familie in Deutschland notwendig, um die Gesundheit der Klägerin zu 5) wahren zu können.

Mit Beschluss vom 23. März 2018 hat der Senat im Hinblick auf die Klägerin zu 5) den Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung abgelehnt (21 ZB 16.30610). Damit wurde das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit rechtkräftig. Die vormalige Klägerin zu 5) ist seither im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG.

Mit der vom Senat im Hinblick auf die Kläger zu 1) bis 4) zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, dass individualbezogene Anhaltspunkte für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen bei den Klägern zu 1) bis 4) nicht vorliegen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts fielen unter den von der Beklagten festzustellenden nationalen Abschiebungsschutz keine trennungsbedingten, sondern nur zielstaatsbezogene Beeinträchtigungen. Der Aspekt der zu wahrenden Familieneinheit könne keinen durch die Beklagte für die Person von nahen Angehörigen festzustellenden Abschiebungsschutz vermitteln.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Klagen abzuweisen, soweit ihr bezüglich der Kläger zu 1) bis 4) stattgegeben wurde.

Die Kläger haben im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 28. Juni 2018 wurden die Beteiligten zu einer Entscheidung nach § 130a VwGO angehört.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat größtenteils Erfolg.

Der Senat entscheidet nach vorheriger Anhörung der Beteiligten über die Berufung gemäß § 130a VwGO durch Beschluss, weil er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

1. Die Berufung ist größtenteils begründet.

Die Kläger haben - nach bestandskräftiger Ablehnung des Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts im Urteil vom 10. Oktober 2016 - keinen Anspruch auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG in Bezug auf den Kosovo (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die in Nr. 6 des Bescheids getroffene Befristungsentscheidung gem. § 11 Abs. 2 AufenthG ist hingegen im maßgeblichen Zeitpunkt rechtswidrig (arg. § 77 Abs. 1 AsylG, Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 86), so dass deren Aufhebung im Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis zutrifft (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insoweit ist daher die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

1.1 Den Klägern steht der begehrte nationale Abschiebungsschutz (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) nicht zu. Bei diesen nationalen Abschiebungsverboten handelt es sich - bezogen auf den jeweiligen Abschiebezielstaat - um einen einheitlichen, nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - juris). Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht ein Abschiebungsverbot für die Kläger zu 1) bis 4) allein aus der „Wahrung der Familieneinheit“ im Bundesgebiet hergeleitet, weil es hinsichtlich der im Jahre 2013 geborenen Tochter bzw. Schwester der Kläger aus gesundheitlichen Gründen die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bejaht hat. Darüber hinaus wurden weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren sonstige Umstände vorgetragen, aus denen sich nationaler Abschiebungsschutz in der Person der Kläger zu 1) bis 4) ergeben könnte.

1.1.1 Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens).

§ 60 Abs. 5 AufenthG verweist auf die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten lediglich insoweit, als sich daraus Abschiebungsverbote ergeben, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen (sog. zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote). Konsequenterweise kann das Bundesamt im verwaltungsgerichtlichen Asylrechtsstreit auch nur im Hinblick auf zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote zur Feststellung verpflichtet werden (vgl. BVerwG, U.v. 11.11.1997 - 9 C 13.96 - BVerwGE 105,322 zur Vorgängervorschrift des § 53 Abs. 4 AuslG). Die Ausländerbehörde bleibt demgegenüber für die Durchführung der Abschiebung und dabei auch für die Entscheidung über alle inlandsbezogenen und sonstigen tatsächlichen Vollstreckungshindernisse zuständig. Zu einem solchen ausschließlich von der Ausländerbehörde zu prüfenden Vollstreckungshindernis zählt auch ein etwaiges Verbot durch Abschiebung eine mit Art. 6 GG nicht vereinbare Trennung von Familienmitgliedern zu bewirken (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2012 - 10 B 39.12 - juris). Der Schutz des Familienlebens im Bundesgebiet nach Art. 8 EMRK begründet deshalb kein Abschiebungsverbot, das im Asylverfahren berücksichtigungsfähig ist. Etwaige durch Art. 8 EMRK geschützte Bindungen der Kläger im Bundesgebiet sind allein von der Ausländerbehörde im aufenthaltsrechtlichen Verfahren zu prüfen (vgl. etwa BVerwG, U.v. 27.6.2006 - 1 C 14.05 - juris; VGH BW, U.v. 13.12.2012 - A 2 S 1995/12 - juris).

1.1.2 Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Kosovo liegen nicht vor. Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG). In der Person der Kläger zu 1) bis 4) sind diese tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vorgetragen und nicht ersichtlich. Soweit es um die Aufrechterhaltung des Familienverbandes der Kläger zu 1) bis 4) mit der im Jahre 2013 geborenen Tochter geht, berufen sich die Kläger auf ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, weil der Vollzug der Abschiebung die Verletzung eines geschützten Rechtsguts im Bundesgebiet bedeuten könnte. Derartige Vollstreckungshindernisse sind jedoch - wie ausgeführt - nicht vom Bundesamt im Asylverfahren, sondern von der Ausländerbehörde im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheids im Hinblick auf die Kläger zu 1) bis 4) bestehen nicht (§ 34, § 38 Abs. 1 AsylG).

1.2 Soweit sich die Berufung der Beklagten gegen die Aufhebung der Anordnung in Nr. 6 des Bescheids (Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots) durch das Verwaltungsgericht richtet, ist sie unbegründet. Der Bescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 AufenthG ist von Amts wegen zu befristen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Über die Länge der Frist wird nach Ermessen entschieden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Dabei sind von der zuständigen Behörde - im Fall einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG das Bundesamt, § 75 Nr. 12 AufenthG - u.a. die im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK schutzwürdigen familiären Belange des Ausländers sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die gerichtliche Überprüfung der Befristungsentscheidung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen, so dass das Bundesamt auch während des gerichtlichen Verfahrens eine Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit seiner Befristungsentscheidung und ggf. zur Ergänzung seiner Ermessenserwägungen trifft (für eine mit einer Ausweisungsverfügung der Ausländerbehörde verbundene Befristungsentscheidung: BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 27.16 - juris). Geht man ungeachtet der Rechtsgrundlage für die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt in § 11 Abs. 2 AufenthG vom Vorliegen einer Streitigkeit nach dem Asylgesetz aus (so Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 86 m.w.N.; a.A. Hofmann, Ausländerrecht 2. Aufl. 2016 § 11 Rn. 102), ergibt sich der entsprechende maßgebliche Zeitpunkt aus § 77 Abs. 1 AsylG.

Die behördliche Befristungsentscheidung unterliegt auch als Ermessensentscheidung über § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 27.16 - juris). Die Beklagte hat als wesentliche Ermessenserwägung nicht in ihre Entscheidung eingestellt, dass die im Jahr 2013 geborene Tochter bzw. Schwester der Kläger seit März 2018 im Bundesgebiet eine Aufenthaltserlaubnis besitzt (§ 25 Abs. 3 AufenthG). Die Befristungsentscheidung ist mithin im maßgeblichen Zeitpunkt (arg. § 77 Abs. 1 AsylG) ermessensfehlerhaft und damit aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

2. Die Kosten beider Instanzen haben die Kläger zu tragen, da die Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (§ 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Das Verfahren ist gem. § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

3. Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Kläger ist georgischer Staatsangehöriger. Er wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 21. November 2016, mit dem (u.a.) sein Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt, die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt und die Abschiebung nach Georgien angedroht wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.

Das Verwaltungsgericht Würzburg hat mit Urteil vom 8. September 2017 die (zuletzt) auf Aufhebung des genannten Bescheids und auf Verpflichtung der Beklagten gerichtete Klage, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Der Umstand, dass dem Kläger die Abschiebung nach Georgien, seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn (beide ukrainische Staatsangehörige) hingegen die Abschiebung in die Ukraine angedroht worden sei, greife „in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise in den Schutz von Ehe und Familie“ (Art. 6 GG) ein. Dies sei bereits vom Bundesamt zu beachten und eine „einheitliche Entscheidung“ anzustreben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 18. Oktober 2017 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Der vom Kläger allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Schutz von Ehe und Familie kein vom Bundesamt zu prüfendes zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, sondern ein von der Ausländerbehörde zu beachtendes mögliches inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis darstellt (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 7.12.2004 – 1 C 14/04 – BVerwGE 122, 271 = juris Rn. 29; OVG NRW, B.v. 10.7.2018 – 13 A 1529/18.A – juris Rn. 8 ff. m.w.N.). Auf das Vorbringen des Klägers kommt es daher für die gerichtliche Entscheidung vorliegend nicht an.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor bzw. sind schon nicht dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG). Der Kläger nimmt zum einen Bezug auf die von seiner Mutter in deren Zulassungsverfahren (Az.: 20 ZB 16.30096) geltend gemachten Gründe. Insoweit kann auf den Beschluss des Senats vom gleichen Tag verwiesen werden, mit dem der Zulassungsantrag der Mutter des Klägers abgelehnt wurde.

Soweit der Kläger eigene Zulassungsgründe geltend macht, führen auch diese nicht zum Erfolg.

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) wurde nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechenden Weise dargelegt. Um den Zulassungsgrund der Divergenz darzulegen, muss der Antragsteller nicht nur die Divergenzentscheidung genau benennen, sondern auch darlegen, welcher Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte Rechts- oder Tatsachensatz dazu im Widerspruch steht (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a, Rn. 73 m.w.N.).

a) Der Kläger macht zwar geltend, dass die angegriffene Entscheidung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 2008 (BVerwG 10 C 43.07 = BVerwGE 131, 198, juris) abweiche, weil das Verwaltungsgericht die in seiner Person vorliegenden besonderen Umstände unzutreffend bewertet habe. Hätte das Verwaltungsgericht die Ausführungen im o.g. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts beachtet, so hätte es nach der Auffassung des Klägers individuelle gefahrerhöhende Umstände bejahen und ihm deshalb angesichts der Bürgerkriegssituation in Somalia einen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zusprechen müssen. Damit benennt der Kläger jedoch keinen von einem in der o.g. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz abweichenden abstrakten Rechtssatz, den das Verwaltungsgericht aufgestellt habe. Dies wäre aber zur Darlegung einer Divergenz erforderlich gewesen. Der Kläger übt vielmehr Kritik an der Sachverhaltsermittlung und Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts im Einzelfall. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt im Asylprozess jedoch nach der abschließenden Sonderregelung des § 78 Abs. 3 AsylG nicht in Betracht.

b) Der Kläger macht des Weiteren eine Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juli 2000 (BVerwG 9 C 9.00) geltend, weil es bei der Prüfung von Abschiebungsverboten zugunsten des Klägers von einer gemeinsamen Rückkehr mit der Mutter ausgegangen sei. Da der Vater des Klägers niederländischer Staatsangehöriger sei, in Großbritannien lebe und nach den Aussagen der Mutter in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch Kontakt zum Kläger unterhalte, stehe die familiäre Bindung einer Rückverbringung des Klägers nach Somalia ohne seinen Vater entgegen. Das Verwaltungsgericht hätte deshalb nach der o.g. Entscheidung bei der Prüfung von Abschiebungsverboten darauf abstellen müssen, dass der Kläger alleine nach Somalia zurückkehre. Damit benennt der Kläger erneut keinen von der o.g. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden abstrakten Rechtssatz, den das Verwaltungsgericht aufgestellt habe. Vielmehr übt er erneut Kritik an der Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts im Einzelfall und macht damit der Sache nach ernstliche Zweifel geltend.

2. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war sowie ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist – Klärungsfähigkeit – und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist – Klärungsbedürftigkeit (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Klärungsbedürftig sind nur Fragen, die nicht ohne weiteres aus dem Gesetz zu lösen sind oder durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts oder des Berufungsgerichts geklärt sind (Happ, a.a.O., Rn. 38).

a) Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,

ob es einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts gibt, dass die Familie einer mit (mehreren) nicht-ehelichen Kindern zurückkehrenden somalischen Mutter bereit ist, die Verantwortung für ein männliches Kind dieser Mutter zu übernehmen, wenn der Kindsvater in Großbritannien lebt und die niederländische Staatsangehörigkeit besitzt, oder ob die Familie nicht darauf verweist, dass – nach somalischer Sitte – der Vater für dessen Sohn verantwortlich ist und deshalb jegliche Unterstützung ablehnt.

Dieser Frage kommt keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zu, weil sie sich einer abstrakten Klärung in einem Berufungsverfahren entzieht. Sie zielt vielmehr auf die Feststellung einer konkreten und erheblichen Gefahr für Leib und Leben bzw. einer individuellen Verdichtung der Allgemeingefahr zu einer Extremgefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (ggf. in verfassungskonformer Auslegung) in der Person des Klägers ab. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Wann allgemeine Gefahren im Falle des Fehlens einer politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG – wie hier – zu einem Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG i.V.m. den Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Diese Gefahren müssen dem Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Kläger ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N. = juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Kläger mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zu alldem BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 – BVerwGE 137, 226 = juris). Des Weiteren kann sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG wegenindividueller Gefahren auch aus der Gefahr ergeben, dass sich eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.d.F. des Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung von Asylverfahren vom 11. März 2016 – BGBl. I S. 390, in Kraft getreten am 12.3.2016 – AufenthG n.F.). Unter den vorgenannten Voraussetzungen kann sich eine krankheitsbedingte zielstaatsbezogene Gefahr daraus ergeben, dass die Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat der Abschiebung unzureichend sind (BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – NVwZ 2007, 12 ff.) oder im Einzelfall auch daraus, dass der erkrankte Ausländer eine an sich im Zielstaat verfügbare medizinische Behandlung tatsächlich nicht erlangen kann. Dies kann zum einen der Fall sein, wenn im Herkunftsstaat des Ausländers eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit wegen des geringen Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Zum anderen kann sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betreffende Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann, z.B. wenn eine notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (BVerwG, U.v. 29.10.2002 – 1 C 1/02 – DVBl. 2003, 463).

Diese Feststellungen bedürfen neben einem glaubhaften Vortrag, dem Nachweis eventueller gesundheitlicher Störungen durch qualifizierte ärztliche Atteste auch der umfassenden Würdigung der Lage im Herkunftsland, insbesondere ggf. der medizinischen Versorgung, sowie der individuellen Umstände des Asylantragstellers. Dieser Tatsachenfeststellungs-, Subsumtions- und Wertungsvorgang ist der Rechtsanwendung des Gerichts im Einzelfall überlassen; seine Überprüfung hingegen ist keine Aufgabe des Berufungsgerichts im Rahmen einer Grundsatzrüge. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht im Verfahren der Mutter des Klägers geprüft und ausführlich unter Heranziehung einschlägiger Erkenntnismittel und Würdigung der individuellen Umstände der Klägerin begründet (s. UA S. 13/15 im Verfahren Au 2 K 15.30699), weshalb diese im Falle ihrer Rückkehr nicht mangels ausreichender Lebensgrundlage dem baldigen Hungertod ausgeliefert wäre. Insbesondere hat es ausgeführt, dass die Mutter des Klägers den Schutz ihrer (Groß-)Familie bzw. ihres Clans in Anspruch nehmen könnte. Diese Einschätzung hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Verfahren auf den Kläger übertragen, und zwar unter Berücksichtigung der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen über eine bei ihm diagnostizierte Anpassungsstörung, Störung sozialer Funktionen sowie schweren expressiven und rezeptiven Sprachstörung. Es hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass aus den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht ansatzweise ersichtlich sei, dass der Kläger im Falle einer Abschiebung alsbald schwerste Gesundheitsschäden zu besorgen habe. Auch diese Feststellungen obliegen der tatrichterlichen Beweiswürdigung im Einzelfalle und sind daher einer grundsätzlichen Überprüfung nicht zugänglich.

b) Des Weiteren hält der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam,

ob der im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.07.00 (BVerwG 9 C 9.00) aufgestellte Grundsatz auch auf andere Fallkonstellationen, wie hier die, dass der leibliche Vater die Unionsbürgerschaft hat und familiären Kontakt zum Kind unterhält, zu übertragen ist.

Diese Frage würde sich in einem Berufungsverfahren nicht entscheidungserheblich stellen, weil sie das Vorliegen innerstaatlicher Vollstreckungshindernisse nach Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 EMRK betrifft. Die Trennung der Familie im Falle einer Abschiebung ist daher nicht im asylgerichtlichen Verfahren durch das Verwaltungsgericht und ggf. den Verwaltungsgerichtshof, sondern von der Ausländerbehörde nach § 60a AufenthG unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob der Durchführung der Abschiebung rechtliche Hindernisse entgegenstehen (BVerwG, U.v. 21.9.1999 – 9 C 12.99 – juris Rn. 13 ff.). Auch mittelbare trennungsbedingte Gefahren im Zielstaat der Abschiebung wären von der Ausländerbehörde zu prüfen (BVerwG, U.v. 21.9.1999 – 9 C 12.99 – juris Rn. 9 ff.; U.v. 27.7.2000 – 9 C 9.00 – juris Rn. 11). Zwar darf ein Ausländer nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Über diese Norm werden die Schutzregeln der EMRK in innerstaatliches Recht inkorporiert. Sowohl aus der Systematik als auch der Entstehungsgeschichte folgt jedoch, dass es insoweit nur um zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz geht (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 – juris Rn. 24).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83b AsylG.

Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Die Entscheidung über den Asylantrag ist in allen Angelegenheiten verbindlich, in denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung des internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 rechtserheblich ist. Dies gilt nicht für das Auslieferungsverfahren sowie das Verfahren nach § 58a des Aufenthaltsgesetzes.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

Den Beschwerdeführern wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 6. November 2012 - VG 5 K 23/11.A - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht Cottbus zurückverwiesen.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Januar 2013 - OVG 3 N 5.13 - wird damit gegenstandslos.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 8.000,- € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art. 6 GG zugunsten einer afghanischen Familie.

2

1. Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige. Der 1981 geborene Beschwerdeführer zu 1. und die 1987 geborene Beschwerdeführerin zu 2. reisten im Jahr 2009 in das Bundesgebiet ein, die im März 2011 geborene Beschwerdeführerin zu 3. ist ihr gemeinsames Kind. Die Asylanträge der miteinander verheirateten Beschwerdeführer zu 1. und 2. wurden als unbegründet abgelehnt.

3

2. Mit ihren hiergegen gerichteten Klagen machten die Beschwerdeführer zu 1. und 2. geltend, in Kandahar von den Taliban mit dem Tode bedroht worden zu sein. Weder in ihrer Heimatregion Kandahar noch in einer sonstigen Provinz Afghanistans könne derzeit eine Familie mit Kleinkind ihre Existenz sichern, wenn sie nicht durch einen Familienverband abgesichert und aufgefangen werde. Auch litten die Beschwerdeführer zu 1. und 2. an Erkrankungen, die in Deutschland behandelt werden müssten.

4

3. Das Verwaltungsgericht Cottbus wies die Klagen durch Urteil vom 6. November 2012 zurück. Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. hätten keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG. Der Beschwerdeführer zu 1. könne hinsichtlich der geltend gemachten Verfolgung durch die Taliban auf Kabul als inländische Fluchtalternative verwiesen werden. Von ihm könne vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in Kabul aufhalte, da davon auszugehen sei, dass er dort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinde und insbesondere das Existenzminimum gesichert sei. Für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Staatsangehörige bestehe auch ohne familiären Rückhalt die Möglichkeit, als Tagelöhner mit Aushilfsjobs ein Existenzminimum zu erwirtschaften. Der Beschwerdeführer zu 1. gehöre zu dieser Personengruppe, da er sich um den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. nicht kümmern müsse. Diese könnten in die Heimatregion Kandahar zurückkehren, da ihnen dort keine Verfolgung oder sonst zu berücksichtigende Gefahr drohe. Denn die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. verfügten in Kandahar über familiären Rückhalt, der insoweit an die Stelle des Beschwerdeführers zu 1. treten könne. Es sei auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die vorgetragenen Erkrankungen der Beschwerdeführer zu 1. und 2. im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund zielstaatsbezogener Umstände wesentlich verschlimmern würden.

5

4. Im Berufungszulassungsverfahren rügten die Beschwerdeführer zu 1. und 2., das Verwaltungsgericht habe gegen den in Art. 23 der so genannten Qualifikationsrichtlinie (RL 2004/83/EG) niedergelegten Grundsatz der Wahrung des Familienverbandes verstoßen, indem es den Beschwerdeführern zumute, dauerhaft voneinander getrennt in Kabul und Kandahar leben zu müssen. Auch habe das Verwaltungsgericht seine Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts verletzt, indem es unterstellt habe, die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. könnten ohne Probleme nach Kandahar zurückkehren und würden dort von den Eltern der Beschwerdeführerin zu 2. aufgenommen. Weder habe das Verwaltungsgericht entsprechende Fragen an die Beschwerdeführer gerichtet, noch hätten diese von sich aus darauf eingehen müssen, da die vom Verwaltungsgericht im Urteil zugrundegelegte Trennung der Beschwerdeführer überraschend gewesen sei. Auch die Ablehnung der Beweisanträge hinsichtlich der geltend gemachten Erkrankungen verstoße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör.

6

5. Mit Beschluss vom 24. Januar 2013 lehnte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Dass das Verwaltungsgericht Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie nicht berücksichtigt habe, weise höchstens auf eine materiell unrichtige Entscheidung hin, lasse jedoch nicht erkennen, warum die Vorschrift bei der Entscheidung über ein Abschiebungsverbot für eine Familie mit Kleinkind über den Einzelfall hinaus bedeutsam sei und ihre Reichweite im Interesse der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfe. Der von den Beschwerdeführern erhobene Vorwurf der ungenügenden Aufklärung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht werde vom Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG nicht erfasst. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Beschwerdeführer könnten sich trennen, sei keine unzulässige Überraschungsentscheidung. Es gebe auch keine Anhaltspunkte, dass die Ablehnung der erstinstanzlich gestellten Beweisanträge nicht vom Prozessrecht gedeckt sei.

7

6. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde machen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG geltend, weil das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen an die Darlegung der Gründe für die Zulassung der Berufung überspannt habe. Es stelle sowohl im Hinblick auf Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie als auch hinsichtlich Art. 6 GG und Art. 8 EMRK eine abstrakte Frage dar, ob eine aufenthaltsbeendende Entscheidung in Kauf nehmen dürfe, dass eine Familie dauerhaft getrennt leben müsse. Das Verwaltungsgericht habe gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen, indem es in seinem Urteil von der Zumutbarkeit einer Trennung der Beschwerdeführer ausgegangen sei, ohne vorab auf diese Rechtsansicht hinzuweisen. Dadurch hätten die Beschwerdeführer keine Gelegenheit gehabt, eingehender zu ihrer familiären Situation vorzutragen und gegebenenfalls Beweisanträge zu einzelnen Fragen des Überlebens alleinstehender Frauen in Kandahar zu stellen. Mit ihren Entscheidungen verstießen die Gerichte schließlich gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Bei einer Abschiebung, die eine dauerhafte Trennung der Beschwerdeführer zur Folge habe, hätte eine Abwägung mit ihren familiären Belangen stattfinden müssen. Daran fehle es.

8

7. Das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

9

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführer angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

10

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, obwohl sie nicht innerhalb der in § 93 Abs. 1 BVerfGG geregelten Monatsfrist eingelegt und begründet worden ist. Den Beschwerdeführern war insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu gewähren. Sie haben innerhalb der Frist des § 93 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG glaubhaft gemacht, dass sie das zu befördernde Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Post gegeben haben, dass es bei normalem Verlauf der Dinge das Bundesverfassungsgericht fristgerecht hätte erreichen können. Die Verzögerung der Briefbeförderung durch die Deutsche Post AG darf den Beschwerdeführern nicht als Verschulden zugerechnet werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Januar 2003 - 2 BvR 447/02 -, NJW 2003, S. 1516).

11

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG.

12

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfGE 51, 386 <396 f.>; 76, 1 <47>; 80, 81 <93>). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>; 80, 81 <93>). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Be-schluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 231/00 -, InfAuslR 2002, S. 171 <173>; BVerfGK 2, 190 <194>), auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, InfAuslR 2000, S. 67 <68>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 <683>).

13

Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. BVerfGK 7, 49 <56>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 <683>).

14

Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen (vgl. BVerfGE 56, 363 <384>; 79, 51 <63 f.>). Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (vgl. BVerfGK 14, 458 <465>).

15

b) Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Bei der nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu erstellenden Gefahrenprognose ist das Verwaltungsgericht von getrennten Aufenthaltsorten der Beschwerdeführer in Afghanistan ausgegangen. Es hat den Beschwerdeführer zu 1. der Personengruppe der alleinstehenden, arbeitsfähigen Männer zugeordnet, denen Kabul als inländische Fluchtalternative offensteht, während es für die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. eine Rückkehr in die Heimatprovinz Kandahar als zumutbar erachtet hat. Obwohl das Verwaltungsgericht damit seiner Entscheidung zugrunde legt, dass die Beschwerdeführer in Afghanistan ihr künftiges Leben getrennt voneinander führen müssen, fehlt in dem Urteil jede Auseinandersetzung mit den aus Art. 6 GG folgenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an staatliche Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung. Dies zeigt, dass sich das Verwaltungsgericht des Einflusses des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie auf die Auslegung und Anwendung von § 60 Abs. 1 AufenthG (vgl. BVerwGE 90, 364 <369 f.>, zur vergleichbaren früheren Rechtslage) nicht bewusst gewesen ist.

16

c) Das angegriffene Urteil beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der sich aus Art. 6 GG ergebenden Vorgaben zu einer anderen, den Beschwerdeführern günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Kammer hebt deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG das angegriffene Urteil auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zurück. Damit wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts gegenstandslos. Seiner Aufhebung bedarf es nicht, weil von ihm insoweit keine selbstständige Beschwer ausgeht (vgl. BVerfGE 14, 320 <324>; 76, 143 <170>). Auf das Vorliegen der weiteren gerügten Verfassungsverstöße kommt es nicht an.

III.

17

Mit dieser Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

IV.

18

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

Den Beschwerdeführern wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 6. November 2012 - VG 5 K 23/11.A - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht Cottbus zurückverwiesen.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Januar 2013 - OVG 3 N 5.13 - wird damit gegenstandslos.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 8.000,- € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art. 6 GG zugunsten einer afghanischen Familie.

2

1. Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige. Der 1981 geborene Beschwerdeführer zu 1. und die 1987 geborene Beschwerdeführerin zu 2. reisten im Jahr 2009 in das Bundesgebiet ein, die im März 2011 geborene Beschwerdeführerin zu 3. ist ihr gemeinsames Kind. Die Asylanträge der miteinander verheirateten Beschwerdeführer zu 1. und 2. wurden als unbegründet abgelehnt.

3

2. Mit ihren hiergegen gerichteten Klagen machten die Beschwerdeführer zu 1. und 2. geltend, in Kandahar von den Taliban mit dem Tode bedroht worden zu sein. Weder in ihrer Heimatregion Kandahar noch in einer sonstigen Provinz Afghanistans könne derzeit eine Familie mit Kleinkind ihre Existenz sichern, wenn sie nicht durch einen Familienverband abgesichert und aufgefangen werde. Auch litten die Beschwerdeführer zu 1. und 2. an Erkrankungen, die in Deutschland behandelt werden müssten.

4

3. Das Verwaltungsgericht Cottbus wies die Klagen durch Urteil vom 6. November 2012 zurück. Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. hätten keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG. Der Beschwerdeführer zu 1. könne hinsichtlich der geltend gemachten Verfolgung durch die Taliban auf Kabul als inländische Fluchtalternative verwiesen werden. Von ihm könne vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in Kabul aufhalte, da davon auszugehen sei, dass er dort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinde und insbesondere das Existenzminimum gesichert sei. Für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Staatsangehörige bestehe auch ohne familiären Rückhalt die Möglichkeit, als Tagelöhner mit Aushilfsjobs ein Existenzminimum zu erwirtschaften. Der Beschwerdeführer zu 1. gehöre zu dieser Personengruppe, da er sich um den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. nicht kümmern müsse. Diese könnten in die Heimatregion Kandahar zurückkehren, da ihnen dort keine Verfolgung oder sonst zu berücksichtigende Gefahr drohe. Denn die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. verfügten in Kandahar über familiären Rückhalt, der insoweit an die Stelle des Beschwerdeführers zu 1. treten könne. Es sei auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die vorgetragenen Erkrankungen der Beschwerdeführer zu 1. und 2. im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund zielstaatsbezogener Umstände wesentlich verschlimmern würden.

5

4. Im Berufungszulassungsverfahren rügten die Beschwerdeführer zu 1. und 2., das Verwaltungsgericht habe gegen den in Art. 23 der so genannten Qualifikationsrichtlinie (RL 2004/83/EG) niedergelegten Grundsatz der Wahrung des Familienverbandes verstoßen, indem es den Beschwerdeführern zumute, dauerhaft voneinander getrennt in Kabul und Kandahar leben zu müssen. Auch habe das Verwaltungsgericht seine Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts verletzt, indem es unterstellt habe, die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. könnten ohne Probleme nach Kandahar zurückkehren und würden dort von den Eltern der Beschwerdeführerin zu 2. aufgenommen. Weder habe das Verwaltungsgericht entsprechende Fragen an die Beschwerdeführer gerichtet, noch hätten diese von sich aus darauf eingehen müssen, da die vom Verwaltungsgericht im Urteil zugrundegelegte Trennung der Beschwerdeführer überraschend gewesen sei. Auch die Ablehnung der Beweisanträge hinsichtlich der geltend gemachten Erkrankungen verstoße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör.

6

5. Mit Beschluss vom 24. Januar 2013 lehnte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Dass das Verwaltungsgericht Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie nicht berücksichtigt habe, weise höchstens auf eine materiell unrichtige Entscheidung hin, lasse jedoch nicht erkennen, warum die Vorschrift bei der Entscheidung über ein Abschiebungsverbot für eine Familie mit Kleinkind über den Einzelfall hinaus bedeutsam sei und ihre Reichweite im Interesse der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfe. Der von den Beschwerdeführern erhobene Vorwurf der ungenügenden Aufklärung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht werde vom Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG nicht erfasst. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Beschwerdeführer könnten sich trennen, sei keine unzulässige Überraschungsentscheidung. Es gebe auch keine Anhaltspunkte, dass die Ablehnung der erstinstanzlich gestellten Beweisanträge nicht vom Prozessrecht gedeckt sei.

7

6. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde machen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG geltend, weil das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen an die Darlegung der Gründe für die Zulassung der Berufung überspannt habe. Es stelle sowohl im Hinblick auf Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie als auch hinsichtlich Art. 6 GG und Art. 8 EMRK eine abstrakte Frage dar, ob eine aufenthaltsbeendende Entscheidung in Kauf nehmen dürfe, dass eine Familie dauerhaft getrennt leben müsse. Das Verwaltungsgericht habe gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen, indem es in seinem Urteil von der Zumutbarkeit einer Trennung der Beschwerdeführer ausgegangen sei, ohne vorab auf diese Rechtsansicht hinzuweisen. Dadurch hätten die Beschwerdeführer keine Gelegenheit gehabt, eingehender zu ihrer familiären Situation vorzutragen und gegebenenfalls Beweisanträge zu einzelnen Fragen des Überlebens alleinstehender Frauen in Kandahar zu stellen. Mit ihren Entscheidungen verstießen die Gerichte schließlich gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Bei einer Abschiebung, die eine dauerhafte Trennung der Beschwerdeführer zur Folge habe, hätte eine Abwägung mit ihren familiären Belangen stattfinden müssen. Daran fehle es.

8

7. Das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

9

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführer angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

10

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, obwohl sie nicht innerhalb der in § 93 Abs. 1 BVerfGG geregelten Monatsfrist eingelegt und begründet worden ist. Den Beschwerdeführern war insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu gewähren. Sie haben innerhalb der Frist des § 93 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG glaubhaft gemacht, dass sie das zu befördernde Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Post gegeben haben, dass es bei normalem Verlauf der Dinge das Bundesverfassungsgericht fristgerecht hätte erreichen können. Die Verzögerung der Briefbeförderung durch die Deutsche Post AG darf den Beschwerdeführern nicht als Verschulden zugerechnet werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Januar 2003 - 2 BvR 447/02 -, NJW 2003, S. 1516).

11

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG.

12

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfGE 51, 386 <396 f.>; 76, 1 <47>; 80, 81 <93>). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>; 80, 81 <93>). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Be-schluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 231/00 -, InfAuslR 2002, S. 171 <173>; BVerfGK 2, 190 <194>), auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, InfAuslR 2000, S. 67 <68>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 <683>).

13

Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. BVerfGK 7, 49 <56>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 <683>).

14

Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen (vgl. BVerfGE 56, 363 <384>; 79, 51 <63 f.>). Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (vgl. BVerfGK 14, 458 <465>).

15

b) Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Bei der nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu erstellenden Gefahrenprognose ist das Verwaltungsgericht von getrennten Aufenthaltsorten der Beschwerdeführer in Afghanistan ausgegangen. Es hat den Beschwerdeführer zu 1. der Personengruppe der alleinstehenden, arbeitsfähigen Männer zugeordnet, denen Kabul als inländische Fluchtalternative offensteht, während es für die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. eine Rückkehr in die Heimatprovinz Kandahar als zumutbar erachtet hat. Obwohl das Verwaltungsgericht damit seiner Entscheidung zugrunde legt, dass die Beschwerdeführer in Afghanistan ihr künftiges Leben getrennt voneinander führen müssen, fehlt in dem Urteil jede Auseinandersetzung mit den aus Art. 6 GG folgenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an staatliche Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung. Dies zeigt, dass sich das Verwaltungsgericht des Einflusses des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie auf die Auslegung und Anwendung von § 60 Abs. 1 AufenthG (vgl. BVerwGE 90, 364 <369 f.>, zur vergleichbaren früheren Rechtslage) nicht bewusst gewesen ist.

16

c) Das angegriffene Urteil beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der sich aus Art. 6 GG ergebenden Vorgaben zu einer anderen, den Beschwerdeführern günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Kammer hebt deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG das angegriffene Urteil auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zurück. Damit wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts gegenstandslos. Seiner Aufhebung bedarf es nicht, weil von ihm insoweit keine selbstständige Beschwer ausgeht (vgl. BVerfGE 14, 320 <324>; 76, 143 <170>). Auf das Vorliegen der weiteren gerügten Verfassungsverstöße kommt es nicht an.

III.

17

Mit dieser Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

IV.

18

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 3 und Aufhebung von Nummer 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II.

Die Beklage hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger ¾ und die Beklagte ¼ zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, eine Familie aus K. mit zwei im Jahr 2009 und im Jahr 2012 geborenen Kindern, sind afghanische Staatsangehörige und tadschikische Volkszugehörige. Sie reisten im Juni 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 25. Juni 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Der Kläger zu 1, der Ehemann und Vater, gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 24. Oktober 2012 an, er habe mit seiner Familie zuletzt in K. gelebt. Am 7. Oktober 2011 (12.10.1390) hätten sie Afghanistan verlassen. Seine Eltern lebten noch in K. Sechs Onkel lebten in Deutschland, in Afghanistan seien noch eine 24 Jahre alte Schwester sowie zwei Brüder mit 16 oder 17 und 10 Jahren. Nach dem Abitur habe er zusammen mit seinem Vater ein Geschäft geführt, in dem man verschiedene Zubehörteile zum Bau eines Hauses erhalte. Auf die Frage nach dem Ausreisegrund gab der Kläger zu 1 an, Grund sei die Zukunft seiner Kinder. In Afghanistan gebe es keine Kindergärten, keine richtige Schule, man könne keine richtige Ausbildung machen und jeden Tag gebe es irgendwo ein Attentat. Er wolle nicht, dass seine Kinder in einer Umgebung aufwüchsen, wo nur Krieg und Chaos sei. Seine Familie sei nicht sehr reich, aber auch nicht arm gewesen. Er habe ein Auto, ein Grundstück und den Laden besessen. Dies alles hätten sie für die Zukunft der Kinder aufgegeben. Die Klägerin zu 2, die Ehefrau und Mutter, gab bei ihrer Anhörung an, bis zu ihrer Ausreise habe die Familie in K. gelebt. Die Familie sei bis nach Athen gemeinsam geflohen. Dort hätten sie einen Araber kennengelernt, der sie als seine Ehefrau gemeinsam mit den beiden Kindern mit nach Deutschland genommen habe. Sie sei mit ihm nach Frankfurt am Main geflogen. Am 3. Juni 2012 sei sie mit den Kindern in Deutschland angekommen. Sie habe im Jahr 2008 geheiratet. In Afghanistan lebten noch ihre Eltern in K. sowie vier Schwestern und zwei Brüder. Sie habe an einem staatlichen Institut eine zweijährige Ausbildung zur Erzieherin, zur Kindergärtnerin, absolviert und abgeschlossen. Bis zur Geburt des ersten Kindes habe sie dann sechs Monate im Kindergarten gearbeitet. Afghanistan habe sie wegen der Zukunft ihrer Kinder verlassen. Sie habe sie nicht in den Kindergarten bringen können, sie hätten nicht alleine in die Schule gehen können. Ein Onkel von ihr sei bei einem Attentat umgekommen. Ihr Mann arbeite auch in K. und sie wolle nicht, dass ihm Gleiches passiert. Er habe dort ein Geschäft und verkaufe u. a. Waschbecken und Kommoden. Sie wolle, dass ihre Kinder in Deutschland eine Zukunft hätten.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 wurden die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte abgelehnt (1.) sowie festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (2. und 3.) und den Klägern die Abschiebung angedroht (4.). Zur Begründung ist angeführt, die Kläger hätten eine politische Verfolgung nicht geltend gemacht, sondern sich nur auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan bezogen. Für eine Gefährdung wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken bestünden keine Anhaltspunkte. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor, insbesondere bestehe keine erhebliche individuelle Gefahr aufgrund eines bewaffneten Konflikts. Zudem seien keine stichhaltigen Ausführungen gemacht worden, aus denen sich ergäbe, dass die Familie nach einer Rückkehr mittellos und völlig auf sich gestellt wäre. In der Gesamtschau könne nicht von einer extremen Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgegangen werden.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Regensburg verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 14. April 2014 vertieften die Kläger ihr Vorbringen und gaben an, alle ihre Ersparnisse für die Ausreise aufgewandt zu haben. Weiter habe die Familie Geld vom Vater des Klägers zu 1 bekommen. Bei einer Rückkehr stünde die Familie vor dem Nichts. Außer den Eltern des Klägers zu 1 seien dort keine Verwandten mehr. Die Klägerin zu 2 habe in Afghanistan noch ihre Mutter sowie vier Schwestern und zwei Brüder.

Mit Urteil vom 14. April 2014 wurde die Klage abgewiesen. Dass den Klägern relevante Verfolgungsmaßnahmen drohten, sei weder dargetan, noch sonst ersichtlich. Auch die Voraussetzungen für subsidiären und nationalen Schutz lägen nicht vor. Insbesondere sei ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht deshalb festzustellen, weil es sich um eine Familie mit kleinen Kindern handle. Hier vermittle Nr. C 3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern den Klägern gleichwertigen Schutz vor Abschiebung. Danach würden Straftäter, Personen, bei denen Ausweisungsgründe vorliegen bzw. Sicherheitsbedenken bestehen, sowie alleinstehende, männliche afghanische Staatsangehörige vorrangig zurückgeführt. Die Rückführung anderer Personen sei vorerst zurückzustellen. Letzterem Personenkreis gehöre die Familie an, so dass sie nach Abschluss des Asylverfahrens ebenso eine Duldung erhalten würde wie diejenigen Personen, für die ein förmlicher Abschiebestopp bestehe. Damit sei die Familie hinreichend vor einer Abschiebung nach Afghanistan geschützt. Die Familie sei auch trotz der bekanntermaßen schlechten Sicherheits- und Versorgungslage keiner konkreten landesweiten Gefährdung für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt. Die Eltern seien beide überdurchschnittlich qualifiziert und bei einer Rückkehr sei zumindest damit zu rechnen, dass der Familienverband, der bereits die Ausreise finanziert habe, die Kläger wieder aufnehme und ihnen in der ersten Zeit ein Obdach biete. Zudem verfügten die Kläger noch über andere Familienmitglieder.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Begehrens nach Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots mit Beschluss vom 4. August 2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob für eine Familie mit minderjährigen Kindern bei Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, sie hätten noch zwei sehr kleine Kinder im Alter von erst fünf und zwei Jahren, so dass jedenfalls für die Mutter eine Arbeit nicht ohne weiteres möglich sein werde. Schon mit nur einem Kind sei ihr der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums nicht regelmäßig möglich gewesen. Es sei nicht anzunehmen, dass sie als Kindergärtnerin ohne weiteres ihre beiden Kinder mit zur Arbeit nehmen könne. Der Vater werde nicht im Stande sein, für vier Personen den Unterhalt zu verdienen. Rücklagen existierten nicht mehr, die Eltern hätten beide keine Arbeitsstelle mehr und eine weitere Unterstützung könne nicht mehr gewährt werden. Der Vater der Klägerin zu 2 sei zwischenzeitlich verstorben und die erwachsenen Geschwister hätten kein ausreichendes eigenes Einkommen. Die politische Entscheidung über eine Aussetzung der Abschiebung, die sich jederzeit wieder verändern könne, enthebe das Gericht nicht von der Feststellung zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine erhebliche konkrete Gefahr bestehe darüber hinaus auch deshalb, weil sich die Sicherheitslage erheblich verschlechtert habe. Die Innenministerkonferenz sei der Auffassung, dass zwangsweise Rückführungen weiterhin nur nach umfassender Einzelfallprüfung erfolgen sollten. UNHCR zufolge verschlechtere sich die Situation in Afghanistan zusehends. In K. spitze sich die Lage ebenfalls zu.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

Die Beklagte führt aus, es spreche Erhebliches dafür, dass die in Bayern geltenden Vorgaben als Erlasslage zu sehen seien, die afghanischen Familien mit minderjährigen Kindern einen Schutz vor Abschiebung vermittle. Unabhängig davon bestehe für Familien mit minderjährigen Kindern trotz der allgemein schwierigen humanitären Umstände nicht regelmäßig eine Extremgefahr, zumal auch die Rückkehrförderung zu berücksichtigen sei. Die einem Familienvater obliegende Aufgabe, über seine Person hinaus für die Angehörigen das Existenzminimum zu erwirtschaften, sei weiter kein sich unmittelbar auswirkender Aspekt. Das Abschiebungsschutzrecht gehe von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage aus. Auf die erst mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen könne nicht abgestellt werden. Bei tatsächlicher Existenzgefährdung der vom Erwerbsfähigen abhängigen Angehörigen könne dort ein Abschiebungsverbot vorliegen, durch das dem Erwerbsfähigen als Ausfluss seiner Rechte aus Art. 6 GG dann ein Anspruch auf Fortbestand der familiären Gemeinschaft im Bundesgebiet erwachse. Zudem sei ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Rückkehr und drohender Rechtsgutverletzung erforderlich. Schlechte humanitäre Bedingungen könnten zwar in Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen, aber in Afghanistan sei die allgemeine Lage nicht so ernst, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne. Fraglich sei schon, ob aus Sicht des Gesetzgebers der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG bei einer auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage überhaupt eröffnet sei. Angesichts des besonderen Ausnahmecharakters sei ein Gefährdungsgrad entsprechend der Extremgefahr erforderlich.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Damit kommt es auch auf die Frage nicht an, ob Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, für Familien eine Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG darstellt, die ihnen Schutz vor Abschiebung vermittelt und deshalb die analoge Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausschließt.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Der Kläger zu 1 und 2 als Eltern von zwei minderjährigen Kindern befürchten, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist.

Der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG ist auch bei einer allgemeinen, auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage eröffnet.

Von der Beklagten wird das allerdings bezweifelt, weil der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der vom Bundesverwaltungsgericht bejahten Erweiterung auf Gefährdungen, die nicht staatlich zu verantworten seien (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489), am Konzept von allgemeinen Gefährdungslagen einerseits und individuell gelagerten Schutzgründen andererseits festgehalten habe. Die Formulierung des Art. 3 EMRK, niemand dürfe unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden, lässt zwar nicht erkennen, ob sich diese nur aus konkret gegen den Betroffenen gerichteten Maßnahmen oder auch aus einer schlechten allgemeinen Situation mit unzumutbaren Lebensbedingungen ergeben kann. Eine Unterscheidung zwischen konkreten und allgemeinen Gefahren wird dort jedenfalls nicht vorgenommen. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist (BVerwG, U.v. 31.1.2013 a. a. O.; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952), hält aber eine unmenschliche Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen für möglich. Im Urteil vom 13. Juni 2013 (a. a. O.) ist das Bundesverwaltungsgericht ferner ausdrücklich von der früheren Rechtsprechung abgerückt und hält für das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht länger an der zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 vertretenen Auffassung fest, dass die Vorschrift nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtige, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohten. Nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ seien. Dieses Kriterium sei angemessen, wenn die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut zurückzuführen seien oder auf die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen. Zum anderen könne - wenn Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führten - eine Verletzung darin zu sehen sein, dass es dem Betroffenen nicht mehr gelinge, seine elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen. Zu berücksichtigen seien dabei auch seine Verletzbarkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung seiner Lage in angemessener Zeit. Im Anschluss hieran stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, ob es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen sei, verletze die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergebe, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden. Die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse seien nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der Betroffene wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention ziele hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern, mache die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK aber eine gewisse Flexibilität erforderlich.

Dass der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Regelung von allgemeinen Gefahren im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F. i. V. m. § 60a AufenthG unverändert beibehalten und nicht auf andere Abschiebungsverbote ausgedehnt hat, spricht bei systematischer Auslegung des Gesetzes gegen die vom Bundesamt vertretene Auffassung. Im gewaltenteilenden Rechtsstaat ist die Rechtsprechung nur ausnahmsweise befugt, die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers unbeachtet zu lassen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 zur verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F.). Im Übrigen greift das Bundesamt selbst in bestimmten Fallkonstellationen bei allgemeinen Gefahren ebenso auf § 60 Abs. 5 AufenthG zurück. So kann z. B. nach dem Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. November 2013, Az. M I 4 - 21004/21#5 („Information zur Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aufgrund des Urteils des BVerwG vom 13. Juni 2013“), bei unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt werden.

Bisher nicht geklärt ist, durch welchen Gefährdungsgrad derartige außergewöhnliche Fälle gekennzeichnet sein müssen. Schon von der Gesetzessystematik her kann der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht herangezogen werden. Da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, lassen sich die erhöhten Anforderungen an eine ausreichende Lebensgrundlage im Fall einer internen Schutzalternative ebenso wenig übertragen. Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167) macht jedoch deutlich, dass von einem sehr hohen Niveau auszugehen ist. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne, weist das ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin. Eine solche ist allerdings bei den Klägern gegeben.

Bei einer Rückkehr müssten die Eltern - nach afghanischen Maßstäben wohl der Vater - für den Unterhalt der gesamten Familie sorgen. Der Ehefrau und Mutter war es ihrem glaubhaften Vortrag zufolge wegen des älteren Kindes schon vor der Ausreise nicht möglich, in ihrem Beruf tätig zu sein. Selbst der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums war nicht regelmäßig möglich. Mit nunmehr zwei kleinen Kindern in betreuungsbedürftigem Alter würde ihr die Arbeitsaufnahme somit nicht gelingen. Der Vater müsste daher alleine den Unterhalt für die ganze Familie erwirtschaften. Dazu würde er nicht im Stande sein, zumal auch keine Rücklagen mehr existieren. Der Vater der Klägerin zu 2 ist zwischenzeitlich verstorben, so dass auch insoweit keine Hilfe zu erwarten wäre. Der Kläger zu 1 wäre in der Folge bei Rückkehr auf sich alleine gestellt. Angesichts der Lebensbedingungen in Afghanistan und der Tatsache, dass die Kinder noch in betreuungsbedürftigem Alter sind, würde er zur Sicherung der Existenz für die Familie nicht imstande sein. In der ständigen Rechtsprechung zur Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog (seitU.v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris) hat sich der Verwaltungsgerichtshof zwar schon mit Teilaspekten der humanitären Lage in Afghanistan befasst und ist zum Ergebnis gekommen, dass für einen alleinstehenden Rückkehrer keine Extremgefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Er wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Bei einer Familie mit minderjährigen Kindern ist aber im Hinblick auf die zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse in Afghanistan von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen.

Vorab ist festzuhalten, dass die gesamte Familie in die Bewertung mit einzubeziehen ist. Der Senat geht davon aus, dass die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers zu 1 nicht außer Betracht bleiben können. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass das Abschiebungsschutzrecht von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage ausgehe, trifft das zwar insoweit zu, als das Gesetz generell eine Unterscheidung zwischen allgemeinen und individuell drohenden Gefahren vornimmt. Das schließt aber nicht aus, Unterhaltsverpflichtungen, die dem Betroffenen konkret obliegen, zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob eine gemeinsame oder getrennte Rückkehr von Familienangehörigen zugrunde zu legen ist, geht ebenfalls in diese Richtung (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = InfAuslR 1993, 28; B.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = InfAuslR 2000, 93). Unter Einbeziehung der Bedeutung, welche die deutsche Rechtsordnung dem Schutz von Ehe und Familie beimesse (Art. 6 GG), sei bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohten, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr aller Familienangehörigen auszugehen. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen - Angehörige, die Abschiebungsschutz genießen - könne eine andere Betrachtung geboten sein. Erforderlich sei eine möglichst realitätsnahe Beurteilung der Situation im hypothetischen Rückkehrfall. Für die anzunehmende Ausgangssituation, von der aus die Gefahrenprognose zu erstellen sei, komme es grundsätzlich weder auf bloße Absichtserklärungen der Betroffenen noch auf ihren ausländerrechtlichen Status an. Dies gelte für den jeweiligen Asylbewerber selbst und für die Familienmitglieder. Die Hypothese solle die Realität nur in einem Punkt ersetzen, dem nicht mehr bestehenden Aufenthalt des Asylbewerbers in seinem Heimatstaat. Im Übrigen werde durch sie an dem realen Umfeld, insbesondere den familiären Beziehungen des Asylbewerbers, seinen Rechten und Pflichten, nichts geändert. Eine andere Betrachtungsweise würde sich grundlos von der Realität entfernen. Diese Grundsätze können auf die vorliegende Konstellation übertragen werden. Es wäre ebenso wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der genannten Rechtsprechung nicht in Einklang, wenn man die Unterhaltsverpflichtungen als lediglich mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen außer Betracht ließe.

Wird mithin die Notwendigkeit, dass der Kläger zu 1 für den Unterhalt der gesamten Familie aufkommen muss, zugrunde gelegt, würden die Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt. Die humanitäre Lage dort lässt für sie ein menschenwürdiges Dasein nicht zu.

Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zwar zum einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof geht hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeiten davon aus, dass am ehesten noch junge kräftige Männer, häufig als Tagelöhner, einfache Jobs, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt sei, fänden. In der Auskunft von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012 wird ebenfalls auf die schwierige Arbeitssuche hingewiesen. Die meisten Männer und Jugendlichen würden versuchen, auf nahe gelegenen Märkten als Träger zu arbeiten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 19 - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Nach der Stellungnahme von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i.L.) vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren A 11048/10.OVG) könne das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden (S. 9). Damit würde der Kläger zu 1 unter den gegebenen Umständen den notwendigen Lebensunterhalt nicht erwirtschaften können. Zum einen wird er keine Unterstützung durch seine Ehefrau bekommen, weil seine Kinder ihrer Betreuung bedürfen. Zum anderen wird es an Arbeitsmöglichkeiten für ihn fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Zwar war er vor der Ausreise im Geschäft seines Vaters tätig, jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass er ohne Weiteres an die bereits ausgeübte Tätigkeit anknüpfen könnte. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1 angegeben, er wisse nicht, wie das Geschäft laufe, seitdem er Afghanistan verlassen habe. Sein 18-jähriger Bruder gehe noch zur Schule und arbeite mittlerweile auch in dem Geschäft. Damit wird dieser den Platz des Klägers in dem Betrieb einnehmen, zumal er in einem Alter von 18 Jahren die Schule demnächst abschließen wird. Anhaltspunkte dafür, dass das Geschäft, das auch bislang nur von zwei Personen geführt wurde, Bedarf an einer weiteren dritten Arbeitskraft hätte, bestehen nicht. Somit wäre selbst im Fall der Rückkehr in das väterliche Geschäft nicht zu erwarten, dass der Kläger zu 1 ein Einkommen in einer Größenordnung erzielen könnte, die für den Lebensunterhalt einer ganzen Familie ausreichend wäre. Er wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden. Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch davon auszugehen, dass dies nicht gelingen kann.

Mit Ausnahme der medizinischen Versorgung greift der Lagebericht 2014 (S. 19 f.) keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung nicht gesichert sei. Da somit keine grundlegende Änderung eingetreten ist, wird zu den Einzelaspekten auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Januar 2012 (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 28 - Lagebericht 2012) zurückgegriffen, der die Situation detaillierter beschreibt. Dieser führt hinsichtlich der Unterkunftsmöglichkeiten aus, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Nach der Auskunft von ACCORD vom 1. Juni 2012 leben Zehntausende zurückgekehrter Familien unter schlimmen Bedingungen in Slums mit behelfsmäßigen Unterkünften in und um die afghanischen Städte. Sie müssten mit weniger als zehn Liter Wasser am Tag pro Person auskommen und hätten nicht genügend zu essen. Auch die SFH (S. 19) weist darauf hin, dass die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen gehöre, vor allem in K.. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 39% der Bevölkerung, zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Damit kann nicht angenommen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden würden, in der auch Kinder angemessen leben können. Erschwerend kommt hinzu, dass der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2014, S. 19).

Die Grundversorgung ist nach dem Lagebericht 2014 (S. 20) für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung, für Rückkehrer in besonderem Maße. Die medizinische Versorgung habe sich zwar in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend. In K. gebe es eine gute ärztliche Versorgung in einer deutschen und einer französischen Einrichtung. Im Übrigen sei medizinische Hilfe aber oftmals nicht zu erreichen oder könne nicht bezahlt werden (SFH S. 20). Diese Gesichtspunkte sind vorliegend im Hinblick auf die beiden kleinen Kinder von besonderer Bedeutung. Hinzu kommt, dass nach der SFH (S. 19) die Qualität der Bildungsangebote unzureichend und Gewalt im Umgang mit Kindern weit verbreitet ist. Viele Kinder seien unterernährt; 10% der Kinder würden vor ihrem 5. Geburtstag sterben. Straßenkinder seien jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013, S. 9 - UNHCR-Richtlinien) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Nach einer ergänzenden Darstellung (Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen - Vertretung in Deutschland - vom August 2014) sind 40% der Rückkehrer nicht in der Lage, sich wieder in ihre Heimatorte zu integrieren, rund 60% hätten Schwierigkeiten, sich ein neues Leben in Afghanistan aufzubauen.

Diese Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Insbesondere ist auch mit den neueren Erkenntnismitteln die derzeitige Situation hinreichend abgebildet, so dass es der Einholung weiterer Auskünfte nicht bedarf. Unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, ist die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die beiden kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Bei den geschilderten Verhältnissen liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Unterkunft finden würden und keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Dass die Rechtsprechung zur Extremgefahr für Alleinstehende nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht auf die Frage einer unmenschlichen Behandlung von Familien im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK übertragen werden kann, sondern sich die Wertung unterscheiden muss, zeigt sich auch an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 - hudoc.echr.coe.int, auszugsweise mit inoffizieller Übersetzung des Informationsverbunds Asyl und Migration in Asylmagazin 2014, 424). In der Entscheidung betreffend die Abschiebung einer Familie nach Italien hebt der Gerichtshof vor allem das Kindeswohl hervor. Eine Abschiebung verstoße gegen Art. 3 EMRK, wenn nicht sichergestellt sei, dass die Familieneinheit erhalten bleibe und eine den Bedürfnissen der Kinder entsprechende Aufnahme gewährleistet sei. Auch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder misst Familien mit Kindern besondere Bedeutung zu. In der 199. Sitzung vom 11. bis 13. Juni 2014 wurde deshalb das Bundesministerium des Innern unter anderem um vertiefte Informationen zur spezifischen Rückkehrsituation von Familien gebeten. Nach Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, ist die Rückführung von Familien vorerst ebenfalls zurückgestellt. Dass das Existenzminimum für eine Familie nicht erwirtschaftet werden kann, wird auch durch die Stellungnahme von Dr. Karin Lutze vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigt. Danach könne durch Aushilfsjobs allenfalls das Existenzminimum für eine Person ermöglicht werden (S. 9). Ferner bekräftigt der UNHCR (Richtlinien vom 6.8.2013, S. 9) das grundsätzliche Erfordernis bedeutender Unterstützung. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Damit hat sich die Lage nach der Einschätzung des UNHCR eher verschärft, denn die Richtlinien aus dem Jahr 2010 (S. 15 der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 24.3.2011 - zusammenfassende Übersetzung der UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 17.12.2010, S. 40) gingen noch davon aus, dass alleinstehende Männer und Kernfamilien (single males and nuclear family units) unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft leben könnten.

Soweit die Beklagte auf die gewährten Unterstützungsleistungen verweist, gibt es diese zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr. Danach allerdings bestehen Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat (Lagebericht 2014, S. 20; Auskunft von ACCORD vom 1.6.2012). Aufgrund dieser verwaltungstechnischen Schwierigkeiten kommt die erforderliche Hilfe deshalb oft nicht dort an, wo sich die Rückkehrer niedergelassen haben. Noch schwieriger gestaltet sich die Lage für Familien. Über eine gewisse Starthilfe hinaus ist es nicht möglich, dauerhaft Unterstützung für die gesamte Familie zu bekommen (Auskunft von amnesty international vom 29.9.2009 an den BayVGH im Verfahren 6 B 04.30476). Damit mögen die Leistungen zwar einen vorübergehenden Ausgleich schaffen, sind aber nicht dazu geeignet, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten, insbesondere weil die Grundversorgung schon generell für einen Großteil der afghanischen Bevölkerung eine enorme Herausforderung bedeutet.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 und des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 insoweit (Ablehnung Nr. 3 und Abschiebungsandrohung Nr. 4) zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 3 und Aufhebung von Nummer 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II.

Die Beklage hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger ¾ und die Beklagte ¼ zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, eine Familie aus K. mit zwei im Jahr 2009 und im Jahr 2012 geborenen Kindern, sind afghanische Staatsangehörige und tadschikische Volkszugehörige. Sie reisten im Juni 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 25. Juni 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Der Kläger zu 1, der Ehemann und Vater, gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 24. Oktober 2012 an, er habe mit seiner Familie zuletzt in K. gelebt. Am 7. Oktober 2011 (12.10.1390) hätten sie Afghanistan verlassen. Seine Eltern lebten noch in K. Sechs Onkel lebten in Deutschland, in Afghanistan seien noch eine 24 Jahre alte Schwester sowie zwei Brüder mit 16 oder 17 und 10 Jahren. Nach dem Abitur habe er zusammen mit seinem Vater ein Geschäft geführt, in dem man verschiedene Zubehörteile zum Bau eines Hauses erhalte. Auf die Frage nach dem Ausreisegrund gab der Kläger zu 1 an, Grund sei die Zukunft seiner Kinder. In Afghanistan gebe es keine Kindergärten, keine richtige Schule, man könne keine richtige Ausbildung machen und jeden Tag gebe es irgendwo ein Attentat. Er wolle nicht, dass seine Kinder in einer Umgebung aufwüchsen, wo nur Krieg und Chaos sei. Seine Familie sei nicht sehr reich, aber auch nicht arm gewesen. Er habe ein Auto, ein Grundstück und den Laden besessen. Dies alles hätten sie für die Zukunft der Kinder aufgegeben. Die Klägerin zu 2, die Ehefrau und Mutter, gab bei ihrer Anhörung an, bis zu ihrer Ausreise habe die Familie in K. gelebt. Die Familie sei bis nach Athen gemeinsam geflohen. Dort hätten sie einen Araber kennengelernt, der sie als seine Ehefrau gemeinsam mit den beiden Kindern mit nach Deutschland genommen habe. Sie sei mit ihm nach Frankfurt am Main geflogen. Am 3. Juni 2012 sei sie mit den Kindern in Deutschland angekommen. Sie habe im Jahr 2008 geheiratet. In Afghanistan lebten noch ihre Eltern in K. sowie vier Schwestern und zwei Brüder. Sie habe an einem staatlichen Institut eine zweijährige Ausbildung zur Erzieherin, zur Kindergärtnerin, absolviert und abgeschlossen. Bis zur Geburt des ersten Kindes habe sie dann sechs Monate im Kindergarten gearbeitet. Afghanistan habe sie wegen der Zukunft ihrer Kinder verlassen. Sie habe sie nicht in den Kindergarten bringen können, sie hätten nicht alleine in die Schule gehen können. Ein Onkel von ihr sei bei einem Attentat umgekommen. Ihr Mann arbeite auch in K. und sie wolle nicht, dass ihm Gleiches passiert. Er habe dort ein Geschäft und verkaufe u. a. Waschbecken und Kommoden. Sie wolle, dass ihre Kinder in Deutschland eine Zukunft hätten.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 wurden die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte abgelehnt (1.) sowie festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (2. und 3.) und den Klägern die Abschiebung angedroht (4.). Zur Begründung ist angeführt, die Kläger hätten eine politische Verfolgung nicht geltend gemacht, sondern sich nur auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan bezogen. Für eine Gefährdung wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken bestünden keine Anhaltspunkte. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor, insbesondere bestehe keine erhebliche individuelle Gefahr aufgrund eines bewaffneten Konflikts. Zudem seien keine stichhaltigen Ausführungen gemacht worden, aus denen sich ergäbe, dass die Familie nach einer Rückkehr mittellos und völlig auf sich gestellt wäre. In der Gesamtschau könne nicht von einer extremen Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgegangen werden.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Regensburg verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 14. April 2014 vertieften die Kläger ihr Vorbringen und gaben an, alle ihre Ersparnisse für die Ausreise aufgewandt zu haben. Weiter habe die Familie Geld vom Vater des Klägers zu 1 bekommen. Bei einer Rückkehr stünde die Familie vor dem Nichts. Außer den Eltern des Klägers zu 1 seien dort keine Verwandten mehr. Die Klägerin zu 2 habe in Afghanistan noch ihre Mutter sowie vier Schwestern und zwei Brüder.

Mit Urteil vom 14. April 2014 wurde die Klage abgewiesen. Dass den Klägern relevante Verfolgungsmaßnahmen drohten, sei weder dargetan, noch sonst ersichtlich. Auch die Voraussetzungen für subsidiären und nationalen Schutz lägen nicht vor. Insbesondere sei ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht deshalb festzustellen, weil es sich um eine Familie mit kleinen Kindern handle. Hier vermittle Nr. C 3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern den Klägern gleichwertigen Schutz vor Abschiebung. Danach würden Straftäter, Personen, bei denen Ausweisungsgründe vorliegen bzw. Sicherheitsbedenken bestehen, sowie alleinstehende, männliche afghanische Staatsangehörige vorrangig zurückgeführt. Die Rückführung anderer Personen sei vorerst zurückzustellen. Letzterem Personenkreis gehöre die Familie an, so dass sie nach Abschluss des Asylverfahrens ebenso eine Duldung erhalten würde wie diejenigen Personen, für die ein förmlicher Abschiebestopp bestehe. Damit sei die Familie hinreichend vor einer Abschiebung nach Afghanistan geschützt. Die Familie sei auch trotz der bekanntermaßen schlechten Sicherheits- und Versorgungslage keiner konkreten landesweiten Gefährdung für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt. Die Eltern seien beide überdurchschnittlich qualifiziert und bei einer Rückkehr sei zumindest damit zu rechnen, dass der Familienverband, der bereits die Ausreise finanziert habe, die Kläger wieder aufnehme und ihnen in der ersten Zeit ein Obdach biete. Zudem verfügten die Kläger noch über andere Familienmitglieder.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Begehrens nach Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots mit Beschluss vom 4. August 2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob für eine Familie mit minderjährigen Kindern bei Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, sie hätten noch zwei sehr kleine Kinder im Alter von erst fünf und zwei Jahren, so dass jedenfalls für die Mutter eine Arbeit nicht ohne weiteres möglich sein werde. Schon mit nur einem Kind sei ihr der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums nicht regelmäßig möglich gewesen. Es sei nicht anzunehmen, dass sie als Kindergärtnerin ohne weiteres ihre beiden Kinder mit zur Arbeit nehmen könne. Der Vater werde nicht im Stande sein, für vier Personen den Unterhalt zu verdienen. Rücklagen existierten nicht mehr, die Eltern hätten beide keine Arbeitsstelle mehr und eine weitere Unterstützung könne nicht mehr gewährt werden. Der Vater der Klägerin zu 2 sei zwischenzeitlich verstorben und die erwachsenen Geschwister hätten kein ausreichendes eigenes Einkommen. Die politische Entscheidung über eine Aussetzung der Abschiebung, die sich jederzeit wieder verändern könne, enthebe das Gericht nicht von der Feststellung zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine erhebliche konkrete Gefahr bestehe darüber hinaus auch deshalb, weil sich die Sicherheitslage erheblich verschlechtert habe. Die Innenministerkonferenz sei der Auffassung, dass zwangsweise Rückführungen weiterhin nur nach umfassender Einzelfallprüfung erfolgen sollten. UNHCR zufolge verschlechtere sich die Situation in Afghanistan zusehends. In K. spitze sich die Lage ebenfalls zu.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

Die Beklagte führt aus, es spreche Erhebliches dafür, dass die in Bayern geltenden Vorgaben als Erlasslage zu sehen seien, die afghanischen Familien mit minderjährigen Kindern einen Schutz vor Abschiebung vermittle. Unabhängig davon bestehe für Familien mit minderjährigen Kindern trotz der allgemein schwierigen humanitären Umstände nicht regelmäßig eine Extremgefahr, zumal auch die Rückkehrförderung zu berücksichtigen sei. Die einem Familienvater obliegende Aufgabe, über seine Person hinaus für die Angehörigen das Existenzminimum zu erwirtschaften, sei weiter kein sich unmittelbar auswirkender Aspekt. Das Abschiebungsschutzrecht gehe von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage aus. Auf die erst mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen könne nicht abgestellt werden. Bei tatsächlicher Existenzgefährdung der vom Erwerbsfähigen abhängigen Angehörigen könne dort ein Abschiebungsverbot vorliegen, durch das dem Erwerbsfähigen als Ausfluss seiner Rechte aus Art. 6 GG dann ein Anspruch auf Fortbestand der familiären Gemeinschaft im Bundesgebiet erwachse. Zudem sei ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Rückkehr und drohender Rechtsgutverletzung erforderlich. Schlechte humanitäre Bedingungen könnten zwar in Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen, aber in Afghanistan sei die allgemeine Lage nicht so ernst, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne. Fraglich sei schon, ob aus Sicht des Gesetzgebers der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG bei einer auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage überhaupt eröffnet sei. Angesichts des besonderen Ausnahmecharakters sei ein Gefährdungsgrad entsprechend der Extremgefahr erforderlich.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Damit kommt es auch auf die Frage nicht an, ob Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, für Familien eine Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG darstellt, die ihnen Schutz vor Abschiebung vermittelt und deshalb die analoge Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausschließt.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Der Kläger zu 1 und 2 als Eltern von zwei minderjährigen Kindern befürchten, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist.

Der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG ist auch bei einer allgemeinen, auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage eröffnet.

Von der Beklagten wird das allerdings bezweifelt, weil der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der vom Bundesverwaltungsgericht bejahten Erweiterung auf Gefährdungen, die nicht staatlich zu verantworten seien (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489), am Konzept von allgemeinen Gefährdungslagen einerseits und individuell gelagerten Schutzgründen andererseits festgehalten habe. Die Formulierung des Art. 3 EMRK, niemand dürfe unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden, lässt zwar nicht erkennen, ob sich diese nur aus konkret gegen den Betroffenen gerichteten Maßnahmen oder auch aus einer schlechten allgemeinen Situation mit unzumutbaren Lebensbedingungen ergeben kann. Eine Unterscheidung zwischen konkreten und allgemeinen Gefahren wird dort jedenfalls nicht vorgenommen. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist (BVerwG, U.v. 31.1.2013 a. a. O.; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952), hält aber eine unmenschliche Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen für möglich. Im Urteil vom 13. Juni 2013 (a. a. O.) ist das Bundesverwaltungsgericht ferner ausdrücklich von der früheren Rechtsprechung abgerückt und hält für das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht länger an der zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 vertretenen Auffassung fest, dass die Vorschrift nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtige, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohten. Nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ seien. Dieses Kriterium sei angemessen, wenn die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut zurückzuführen seien oder auf die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen. Zum anderen könne - wenn Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führten - eine Verletzung darin zu sehen sein, dass es dem Betroffenen nicht mehr gelinge, seine elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen. Zu berücksichtigen seien dabei auch seine Verletzbarkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung seiner Lage in angemessener Zeit. Im Anschluss hieran stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, ob es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen sei, verletze die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergebe, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden. Die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse seien nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der Betroffene wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention ziele hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern, mache die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK aber eine gewisse Flexibilität erforderlich.

Dass der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Regelung von allgemeinen Gefahren im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F. i. V. m. § 60a AufenthG unverändert beibehalten und nicht auf andere Abschiebungsverbote ausgedehnt hat, spricht bei systematischer Auslegung des Gesetzes gegen die vom Bundesamt vertretene Auffassung. Im gewaltenteilenden Rechtsstaat ist die Rechtsprechung nur ausnahmsweise befugt, die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers unbeachtet zu lassen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 zur verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F.). Im Übrigen greift das Bundesamt selbst in bestimmten Fallkonstellationen bei allgemeinen Gefahren ebenso auf § 60 Abs. 5 AufenthG zurück. So kann z. B. nach dem Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. November 2013, Az. M I 4 - 21004/21#5 („Information zur Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aufgrund des Urteils des BVerwG vom 13. Juni 2013“), bei unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt werden.

Bisher nicht geklärt ist, durch welchen Gefährdungsgrad derartige außergewöhnliche Fälle gekennzeichnet sein müssen. Schon von der Gesetzessystematik her kann der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht herangezogen werden. Da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, lassen sich die erhöhten Anforderungen an eine ausreichende Lebensgrundlage im Fall einer internen Schutzalternative ebenso wenig übertragen. Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167) macht jedoch deutlich, dass von einem sehr hohen Niveau auszugehen ist. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne, weist das ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin. Eine solche ist allerdings bei den Klägern gegeben.

Bei einer Rückkehr müssten die Eltern - nach afghanischen Maßstäben wohl der Vater - für den Unterhalt der gesamten Familie sorgen. Der Ehefrau und Mutter war es ihrem glaubhaften Vortrag zufolge wegen des älteren Kindes schon vor der Ausreise nicht möglich, in ihrem Beruf tätig zu sein. Selbst der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums war nicht regelmäßig möglich. Mit nunmehr zwei kleinen Kindern in betreuungsbedürftigem Alter würde ihr die Arbeitsaufnahme somit nicht gelingen. Der Vater müsste daher alleine den Unterhalt für die ganze Familie erwirtschaften. Dazu würde er nicht im Stande sein, zumal auch keine Rücklagen mehr existieren. Der Vater der Klägerin zu 2 ist zwischenzeitlich verstorben, so dass auch insoweit keine Hilfe zu erwarten wäre. Der Kläger zu 1 wäre in der Folge bei Rückkehr auf sich alleine gestellt. Angesichts der Lebensbedingungen in Afghanistan und der Tatsache, dass die Kinder noch in betreuungsbedürftigem Alter sind, würde er zur Sicherung der Existenz für die Familie nicht imstande sein. In der ständigen Rechtsprechung zur Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog (seitU.v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris) hat sich der Verwaltungsgerichtshof zwar schon mit Teilaspekten der humanitären Lage in Afghanistan befasst und ist zum Ergebnis gekommen, dass für einen alleinstehenden Rückkehrer keine Extremgefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Er wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Bei einer Familie mit minderjährigen Kindern ist aber im Hinblick auf die zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse in Afghanistan von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen.

Vorab ist festzuhalten, dass die gesamte Familie in die Bewertung mit einzubeziehen ist. Der Senat geht davon aus, dass die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers zu 1 nicht außer Betracht bleiben können. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass das Abschiebungsschutzrecht von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage ausgehe, trifft das zwar insoweit zu, als das Gesetz generell eine Unterscheidung zwischen allgemeinen und individuell drohenden Gefahren vornimmt. Das schließt aber nicht aus, Unterhaltsverpflichtungen, die dem Betroffenen konkret obliegen, zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob eine gemeinsame oder getrennte Rückkehr von Familienangehörigen zugrunde zu legen ist, geht ebenfalls in diese Richtung (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = InfAuslR 1993, 28; B.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = InfAuslR 2000, 93). Unter Einbeziehung der Bedeutung, welche die deutsche Rechtsordnung dem Schutz von Ehe und Familie beimesse (Art. 6 GG), sei bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohten, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr aller Familienangehörigen auszugehen. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen - Angehörige, die Abschiebungsschutz genießen - könne eine andere Betrachtung geboten sein. Erforderlich sei eine möglichst realitätsnahe Beurteilung der Situation im hypothetischen Rückkehrfall. Für die anzunehmende Ausgangssituation, von der aus die Gefahrenprognose zu erstellen sei, komme es grundsätzlich weder auf bloße Absichtserklärungen der Betroffenen noch auf ihren ausländerrechtlichen Status an. Dies gelte für den jeweiligen Asylbewerber selbst und für die Familienmitglieder. Die Hypothese solle die Realität nur in einem Punkt ersetzen, dem nicht mehr bestehenden Aufenthalt des Asylbewerbers in seinem Heimatstaat. Im Übrigen werde durch sie an dem realen Umfeld, insbesondere den familiären Beziehungen des Asylbewerbers, seinen Rechten und Pflichten, nichts geändert. Eine andere Betrachtungsweise würde sich grundlos von der Realität entfernen. Diese Grundsätze können auf die vorliegende Konstellation übertragen werden. Es wäre ebenso wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der genannten Rechtsprechung nicht in Einklang, wenn man die Unterhaltsverpflichtungen als lediglich mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen außer Betracht ließe.

Wird mithin die Notwendigkeit, dass der Kläger zu 1 für den Unterhalt der gesamten Familie aufkommen muss, zugrunde gelegt, würden die Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt. Die humanitäre Lage dort lässt für sie ein menschenwürdiges Dasein nicht zu.

Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zwar zum einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof geht hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeiten davon aus, dass am ehesten noch junge kräftige Männer, häufig als Tagelöhner, einfache Jobs, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt sei, fänden. In der Auskunft von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012 wird ebenfalls auf die schwierige Arbeitssuche hingewiesen. Die meisten Männer und Jugendlichen würden versuchen, auf nahe gelegenen Märkten als Träger zu arbeiten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 19 - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Nach der Stellungnahme von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i.L.) vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren A 11048/10.OVG) könne das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden (S. 9). Damit würde der Kläger zu 1 unter den gegebenen Umständen den notwendigen Lebensunterhalt nicht erwirtschaften können. Zum einen wird er keine Unterstützung durch seine Ehefrau bekommen, weil seine Kinder ihrer Betreuung bedürfen. Zum anderen wird es an Arbeitsmöglichkeiten für ihn fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Zwar war er vor der Ausreise im Geschäft seines Vaters tätig, jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass er ohne Weiteres an die bereits ausgeübte Tätigkeit anknüpfen könnte. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1 angegeben, er wisse nicht, wie das Geschäft laufe, seitdem er Afghanistan verlassen habe. Sein 18-jähriger Bruder gehe noch zur Schule und arbeite mittlerweile auch in dem Geschäft. Damit wird dieser den Platz des Klägers in dem Betrieb einnehmen, zumal er in einem Alter von 18 Jahren die Schule demnächst abschließen wird. Anhaltspunkte dafür, dass das Geschäft, das auch bislang nur von zwei Personen geführt wurde, Bedarf an einer weiteren dritten Arbeitskraft hätte, bestehen nicht. Somit wäre selbst im Fall der Rückkehr in das väterliche Geschäft nicht zu erwarten, dass der Kläger zu 1 ein Einkommen in einer Größenordnung erzielen könnte, die für den Lebensunterhalt einer ganzen Familie ausreichend wäre. Er wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden. Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch davon auszugehen, dass dies nicht gelingen kann.

Mit Ausnahme der medizinischen Versorgung greift der Lagebericht 2014 (S. 19 f.) keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung nicht gesichert sei. Da somit keine grundlegende Änderung eingetreten ist, wird zu den Einzelaspekten auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Januar 2012 (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 28 - Lagebericht 2012) zurückgegriffen, der die Situation detaillierter beschreibt. Dieser führt hinsichtlich der Unterkunftsmöglichkeiten aus, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Nach der Auskunft von ACCORD vom 1. Juni 2012 leben Zehntausende zurückgekehrter Familien unter schlimmen Bedingungen in Slums mit behelfsmäßigen Unterkünften in und um die afghanischen Städte. Sie müssten mit weniger als zehn Liter Wasser am Tag pro Person auskommen und hätten nicht genügend zu essen. Auch die SFH (S. 19) weist darauf hin, dass die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen gehöre, vor allem in K.. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 39% der Bevölkerung, zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Damit kann nicht angenommen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden würden, in der auch Kinder angemessen leben können. Erschwerend kommt hinzu, dass der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2014, S. 19).

Die Grundversorgung ist nach dem Lagebericht 2014 (S. 20) für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung, für Rückkehrer in besonderem Maße. Die medizinische Versorgung habe sich zwar in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend. In K. gebe es eine gute ärztliche Versorgung in einer deutschen und einer französischen Einrichtung. Im Übrigen sei medizinische Hilfe aber oftmals nicht zu erreichen oder könne nicht bezahlt werden (SFH S. 20). Diese Gesichtspunkte sind vorliegend im Hinblick auf die beiden kleinen Kinder von besonderer Bedeutung. Hinzu kommt, dass nach der SFH (S. 19) die Qualität der Bildungsangebote unzureichend und Gewalt im Umgang mit Kindern weit verbreitet ist. Viele Kinder seien unterernährt; 10% der Kinder würden vor ihrem 5. Geburtstag sterben. Straßenkinder seien jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013, S. 9 - UNHCR-Richtlinien) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Nach einer ergänzenden Darstellung (Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen - Vertretung in Deutschland - vom August 2014) sind 40% der Rückkehrer nicht in der Lage, sich wieder in ihre Heimatorte zu integrieren, rund 60% hätten Schwierigkeiten, sich ein neues Leben in Afghanistan aufzubauen.

Diese Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Insbesondere ist auch mit den neueren Erkenntnismitteln die derzeitige Situation hinreichend abgebildet, so dass es der Einholung weiterer Auskünfte nicht bedarf. Unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, ist die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die beiden kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Bei den geschilderten Verhältnissen liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Unterkunft finden würden und keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Dass die Rechtsprechung zur Extremgefahr für Alleinstehende nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht auf die Frage einer unmenschlichen Behandlung von Familien im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK übertragen werden kann, sondern sich die Wertung unterscheiden muss, zeigt sich auch an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 - hudoc.echr.coe.int, auszugsweise mit inoffizieller Übersetzung des Informationsverbunds Asyl und Migration in Asylmagazin 2014, 424). In der Entscheidung betreffend die Abschiebung einer Familie nach Italien hebt der Gerichtshof vor allem das Kindeswohl hervor. Eine Abschiebung verstoße gegen Art. 3 EMRK, wenn nicht sichergestellt sei, dass die Familieneinheit erhalten bleibe und eine den Bedürfnissen der Kinder entsprechende Aufnahme gewährleistet sei. Auch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder misst Familien mit Kindern besondere Bedeutung zu. In der 199. Sitzung vom 11. bis 13. Juni 2014 wurde deshalb das Bundesministerium des Innern unter anderem um vertiefte Informationen zur spezifischen Rückkehrsituation von Familien gebeten. Nach Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, ist die Rückführung von Familien vorerst ebenfalls zurückgestellt. Dass das Existenzminimum für eine Familie nicht erwirtschaftet werden kann, wird auch durch die Stellungnahme von Dr. Karin Lutze vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigt. Danach könne durch Aushilfsjobs allenfalls das Existenzminimum für eine Person ermöglicht werden (S. 9). Ferner bekräftigt der UNHCR (Richtlinien vom 6.8.2013, S. 9) das grundsätzliche Erfordernis bedeutender Unterstützung. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Damit hat sich die Lage nach der Einschätzung des UNHCR eher verschärft, denn die Richtlinien aus dem Jahr 2010 (S. 15 der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 24.3.2011 - zusammenfassende Übersetzung der UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 17.12.2010, S. 40) gingen noch davon aus, dass alleinstehende Männer und Kernfamilien (single males and nuclear family units) unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft leben könnten.

Soweit die Beklagte auf die gewährten Unterstützungsleistungen verweist, gibt es diese zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr. Danach allerdings bestehen Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat (Lagebericht 2014, S. 20; Auskunft von ACCORD vom 1.6.2012). Aufgrund dieser verwaltungstechnischen Schwierigkeiten kommt die erforderliche Hilfe deshalb oft nicht dort an, wo sich die Rückkehrer niedergelassen haben. Noch schwieriger gestaltet sich die Lage für Familien. Über eine gewisse Starthilfe hinaus ist es nicht möglich, dauerhaft Unterstützung für die gesamte Familie zu bekommen (Auskunft von amnesty international vom 29.9.2009 an den BayVGH im Verfahren 6 B 04.30476). Damit mögen die Leistungen zwar einen vorübergehenden Ausgleich schaffen, sind aber nicht dazu geeignet, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten, insbesondere weil die Grundversorgung schon generell für einen Großteil der afghanischen Bevölkerung eine enorme Herausforderung bedeutet.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 und des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 insoweit (Ablehnung Nr. 3 und Abschiebungsandrohung Nr. 4) zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13. April 2017 – A 2 K 4283/16 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Zuerkennung subsidiären Schutzes, hilfsweise die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots und wendet sich gegen eine Abschiebungsandrohung.
Er ist nach eigenen Angaben ein 20 Jahre alter afghanischer Staatsangehöriger vom Stamm der Sadat. Er gibt an, sein Heimatland am 18. August 2015 verlassen zu haben und Anfang Oktober 2015 in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Am 22. August 2016 stellte er einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter und wurde am gleichen Tag durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu seinem Begehren angehört. Hierbei gab er im Wesentlichen an, vor seiner Ausreise mit seinen Eltern in der Provinz Maydan Wardak gelebt zu haben. Er habe in Afghanistan noch zwei Schwestern und zwei Brüder sowie die normale Großfamilie. Er habe als Fahrer mit eigenem Fahrzeug, einem Dreitonner, gearbeitet. Einen Monat vor der Flucht habe er von zwei Männern einen Auftrag für den Transport von Obst nach Kabul bekommen. Ihm sei es vorgekommen, dass die Kisten sehr schwer gewesen seien. Als er sich auf der Strecke die Kisten näher ansah, habe er Waffen gefunden und einen Kommandanten, Sayd Noor Agha, gerufen. Er habe ihm die Kisten übergeben. Auf dem Weg nach Hause sei er von den Auftraggebern angerufen worden. Er habe Angst bekommen und sich zu Hause versteckt. Nach zwei Tagen sei er wieder raus gegangen, da hätten ihn die beiden Männer entführen wollen. Da sei er dann gegangen. Er wisse nicht, wer die Männer seien, aber vermutlich Regierungsgegner wie die Taliban.
Seine Eltern hätten gesagt, dass es schlimmer werden würde, wenn er den Agha eingeschaltet hätte. Er habe sich erst wieder für vier Tage versteckt. Als die Männer erneut gekommen seien, habe er wieder fliehen und sich für zwei Wochen verstecken können. Die Dorfältesten hätten dann aber einen Brief bekommen. Darin habe gestanden, dass sie ihn ausliefern sollten.
Auf Nachfrage, wie die Entführungsversuche ausgesehen hätten, gab der Kläger an, dass er in der Nähe des Obstmarktes mit dem Auto unterwegs gewesen sei. Er habe versucht, schnell zu fliehen. Es seien ungefähr fünf bis sechs Leute gewesen. Sie hätten versucht, den Eingang der Straße zu sperren. Das habe nicht geklappt. Er habe einfach nicht angehalten. Der Kläger zeigte in der Anhörung ein digitales Foto eines Schreibens. Der Brief ist auf den 5. August 2015 datiert und soll von den Mujaheddin stammen.
Mit Bescheid vom 24. August 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf die Anerkennung als Asylberechtigte sowie auch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab. Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung oder nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung nach Afghanistan angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Gegen den ihm mit Schreiben vom 24. August 2016 zugesandten Bescheid erhob der Kläger am 2. September 2016 Klage. Er wurde ergänzend im Termin zur mündlichen Verhandlung angehört. Hierbei gab er u.a. an, dass seine Tätigkeit in Afghanistan der eines Taxifahrers geähnelt habe. Er habe ein koreanisches Fahrzeug gefahren, das Kennzeichen sei 9292 gewesen. Zwei Personen hätten ihn beim Bazar von Jalrez beauftragt, rund 30 Kisten Obst nach Sai Wolat zu fahren. Das sei eine Strecke von 30 Minuten. Er habe gemerkt, dass die Kisten sehr schwer seien. Während der Fahrt habe er angehalten und festgestellt, dass sich in den Kisten Waffen befänden. In anderen Kisten seien Pfirsiche und Melonen gewesen. Die Waffen seien in ihre Einzelteile zerlegte Kalashnikov-Gewehre gewesen. Die Kisten habe er mit dem Werkzeug aufgemacht, mit dem normalerweise die Autoreifen von der Felge löse. Als er die Waffen gesehen habe, sei er in Panik geraten. Er habe einen ihm bekannten Kommandanten, Sayed Noor Agha, angerufen. Dessen Bezirk sei in Barzare Darserahi. Das sei ein kleines Dorf. Sie seien dann einander entgegengefahren. Der Kommandant sei mit vielen Leibwächtern gekommen. In der Polizeistation hätten sie die Kisten ausgeladen. Auf dem Heimweg hätten ihn die Auftraggeber angerufen. Er habe ihnen gesagt, dass er von der Polizei kontrolliert worden sei. Die Männer hätten ihm vorgeworfen, die Polizei gerufen zu haben. Er sei nach Hause und habe große Angst gehabt. Nach zwei Tagen habe er die Arbeit wieder aufgenommen. In Jalrez habe er die zwei Männer wiedergesehen, die hätten ihn aufhalten wollen. Er sei nach Hause geflüchtet. Vier Tage später sei er auf einem anderen Weg zum Markt gefahren. Dort seien ca. 6 Personen auf ihn zugelaufen. Er sei mit dem Wagen entkommen. Ihm sei zu Hause klar geworden, dass er nicht mehr weiter arbeiten könne. Sein Vater habe ihm davon abgeraten, den Kommandanten zu informieren, da ja denkbar sei, dass der mit den Männern unter einer Decke stecke. Sein Vater habe dann gemeint, dass wohl eine große Organisation hinter den Vorfällen stecke. Er habe seine SIM-Karte gewechselt, damit er für die Männer nicht mehr telefonisch erreichbar gewesen sei.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 13. April 2017 ab. Den individuellen Vortrag erachtete es für nicht glaubhaft. Auf den Antrag des Klägers vom 28. Juni 2017, hat der Senat mit Beschluss vom 27. Juli 2017 - zugestellt am 3. August 2017 - die Berufung gegen das am 31. Mai 2017 zugestellte Urteil zugelassen, soweit in dem angefochtenen Urteil die Klage auf Verpflichtung zur Zuerkennung subsidiären Schutzes und auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots sowie gegen die Abschiebungsandrohung abgewiesen worden ist. Die im Tenor des Zulassungsbeschlusses enthaltene Zulassung der Berufung in Bezug auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beruhte auf einem offensichtlichen Schreibversehen.
Mit der Berufungsbegründung vom 28. August 2017 macht der Kläger u.a geltend, dass sich aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes ergebe, dass es in Wardak konkrete Hinweise auf bevorstehende Angriffe gebe. Auch müsse der Kläger befürchten, in Afghanistan sein Existenzminimum nicht erwirtschaften zu können. Aus dem Bericht der Bundesregierung zum Stand der Perspektiven des deutschen Afghanistan-Engagements ergebe sich ebenfalls die schlechte Allgemeinsituation.
Der Kläger beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13. April 2017 - A 2 K 4283/16 - teilweise zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung von Nr. 3 - 5 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. August 2016 zu verpflichten, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ein nationales Abschiebungsverbot bezüglich Afghanistan festzustellen.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Zur Begründung bezieht sie sich auf ihren Bescheid sowie das angegriffene Urteil.
14 
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung verweist der Senat auf das Protokoll.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
16 
Dem Senat liegen die Akten der Beklagten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor.

Entscheidungsgründe

 
17 
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
18 
Dem Kläger kommt weder der geltend gemachte Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes noch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots zu. Die ablehnende Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erweist sich daher als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
I.
19 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes, da er keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsstaat ein ernsthafter Schaden droht, § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Dies gilt für alle drei Varianten des ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 AsylG.
20 
1. Dem Kläger droht weder die Verhängung noch die Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG).
21 
2. Ebenso wenig droht ihm Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Der Kläger bringt nicht mit Erfolg vor, individuell unmittelbar von dem Eintritt eines ernsthaften Schadens bedroht zu sein. Soweit er sich auf die Gefährdungen beruft, die sich aus den allgemeinen Lebensbedingungen in Afghanistan ergeben, fehlt es insoweit bereits an einem Verfolgungsakteur im Sinne des § 3c AsylG und des Art. 6 RL 2011/95/EU.
22 
a) Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die Vorschrift der Umsetzung der RL 2011/95/EU dient, ist sie in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b RL 2011/95/EU auszulegen. Unter Heranziehung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 15b RL 2011/95/EU und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK ist unter einer unmenschlichen Behandlung die absichtliche, d.h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden, die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen, zu verstehen.
23 
EGMR, Urteile vom 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S./Belgien und Griechenland), NVwZ 2011, 413 Rn. 220 m.w.N. sowie vom 11.07.2006 - 54810/00 - (Jalloh/ Deutschland), NJW 2006, 3117 Rn. 67; BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167 Rn. 22 ff. m.w.N.; siehe auch Hailbronner, Ausländerrecht, Mai 2017, § 4 AsylG Rn. 22 ff. und Jarass, Charta der Grundrechte, 3. Aufl. 2016, Art. 4 Rn. 9.
24 
Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Person zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen.
25 
Siehe auch Hailbronner, Ausländerrecht, Mai 2017, § 4 AsylG Rn. 22 ff.
26 
Im Rahmen des subsidiären Schutzes gilt für die Beurteilung der Frage, ob ein ernsthafter Schaden droht, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „... tatsächlich Gefahr liefe ..." des Art. 2f RL 2011/95/EU abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“).
27 
BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454 Rn. 20; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 20.03.2013 - 10 C 23.12 -, NVwZ 2013, 936 Rn. 32.
28 
Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der der Prognose zugrunde zu legen ist, gilt unabhängig davon, ob der Betroffene bereits vor seiner Ausreise einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlitten hat: Ein solcher Umstand stellte aber einen ernsthafter Hinweis dar, dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies folgt aus der Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU.
29 
b) aa) Ausgehend von diesen Maßstäben besteht keine tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Hinblick auf das individuelle Vorbringen des Klägers im Falle seiner Rückkehr. Denn der Senat glaubt dem Kläger nicht, dass er die von ihm berichteten Geschehnisse im Zusammenhang mit einem unfreiwilligen Waffentransport tatsächlich erlebt hat.
30 
Das Gericht trifft seine Entscheidung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Auch im Asylverfahren muss die danach gebotene Überzeugungsgewissheit dergestalt bestehen, dass das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit (nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit) des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangt hat. Wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich der Betroffene insbesondere hinsichtlich der von ihm vorgetragenen Vorgänge im vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel die Glaubhaftmachung, wodurch allerdings das Gericht nicht von einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist. Vielmehr darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen. Es muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind.
31 
Unter Berücksichtigung des beschriebenen Beweisnotstands kommt dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung zu, weswegen allein der Tatsachenvortrag des Schutzsuchenden zum Erfolg der Klage führen kann, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne „glaubhaft" sind, dass sich das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann.
32 
Grundlegend: BVerwG, Urteile vom 16.04.1985 - 9 C 109.84 -, NVwZ 1985, 567, juris Rn. 16 und vom 29.11.1977 - I C 33.71 -, juris, beide m.w.N.; außerdem: BVerwG, Beschlüsse vom 08.02.2011 - 10 B 1.11 -, NVwZ-RR 2011, 382 und vom 08.03.2007 - 1 B 101.06 -, BeckRS 2007, 22701; vgl. dazu auch Stuhlfauth, in: Bader, u.a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 108 VwGO Rn. 8, m.w.N.
33 
So sieht auch Art. 4 Abs. 5 RL 2011/95/EU unter bestimmten Umständen vor, dass die Einlassung des Schutzsuchenden ausreichend sein kann und es keiner Nachweise seiner Aussagen bedarf. Und zwar dann, wenn dieser sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu begründen, alle ihm verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen, und er eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben hat, festgestellt wurde, dass seine Aussagen kohärent und plausibel sind und sie zu den für seinen Fall relevanten, verfügbaren besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen, er internationalen Schutz zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt hat (es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war) und schließlich auch seine generelle Glaubwürdigkeit festgestellt worden ist.
34 
Vgl. dazu EuGH, Urteil vom 22.11.2012 - C-277/11 - (M.M./Irland), NVwZ 2013, 59.
35 
Es ist demzufolge zunächst Sache des Schutzsuchenden, die Gründe für seine Furcht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatstaat Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Erhebliche Widersprüche und Unstimmigkeiten im Vorbringen können dem entgegenstehen, es sei denn, diese können überzeugend aufgelöst werden. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Schutzsuchenden berücksichtigt werden.
36 
Dazu BVerwG, Beschluss vom 21.07.1989 - 9 B 239.89 -, NVwZ 1990, 171, juris Rn. 3 und 4; OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 2632/06.A -, BeckRS 2013, 55090 juris Rn. 59.
37 
Mit anderen Worten: Für die richterliche Überzeugungsbildung ist eine bewertende Gesamtschau des gesamten Vorbringens des Schutzsuchenden unter Berücksichtigung seiner individuellen Aussagekompetenz und seiner Glaubwürdigkeit erforderlich, die die Stimmigkeit des Vorbringens an sich, dessen Detailtiefe und Individualität, sowie dessen Übereinstimmung mit den relevanten und verfügbaren Erkenntnismitteln ebenso berücksichtigt wie die Plausibilität des Vorbringens, an der es etwa fehlen kann, wenn nachvollziehbare Erklärungen fehlen oder unterbleiben, falsche oder missverständliche Urkunden nicht erklärt werden können bzw. wenn Beweise oder Vorbringen ohne nachvollziehbaren Grund verspätet vorgebracht werden.
38 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.01.2018 - A 11 S 241/17 -, juris Rn. 50 ff.; International Association of Refugee Law Judges, Assessment of Credibility in Refugee and Subsidiary Protection claims under the EU Qualification Directive, Judicial criteria and standards, https://www.iarlj.org/images /stories/Credo/Credo_Paper_March 2013-rev1.pdf, Seite 33 f.).
39 
bb) Die Einlassungen des Klägers zu der angeblich erlebten Bedrohung durch zwei Personen, die ihn als Werkzeug für einen Waffentransport benutzt haben sollen, sind nicht glaubhaft, da sie in inhaltlich wesentlichen Teilen nicht kohärent sind und es auch an zentralen Stellen an einer überzeugenden Schilderung der Vorgänge mangelt und also die Einlassung keine hinreichen Substanz aufweist.
40 
Während der Kläger beim Verwaltungsgericht geschildert hatte, dass er nicht alle Kisten geöffnet habe und sich in manchen Kisten Pfirsiche und Melonen, in anderen Waffen, nämlich in ihre Einzelteile zerlegte Kalashnikov-Gewehre, befunden hätten, hat er gegenüber dem Senat angegeben, nur eine Kiste geöffnet zu haben, in der er Waffen und Munition gesehen habe. Die Männer hätten ihm gesagt, dass er Äpfel und Aprikosen transportieren solle. Die - auch auf Vorhalt nicht sinnvoll aufklärbaren - Unterschiede im Einlassungsverhalten hinsichtlich der Anzahl der geöffneten Kisten (eine oder mehrere) und des einmal tatsächlich gesehenen Obsts (Pfirsiche und Melonen) und das sodann nur als Ware benannten Obsts (Äpfel und Aprikosen) sind für den Senat nur dahingehend zu erklären, dass die zentralen Aspekte der Einlassung vom Kläger frei erfunden sind. Die Erklärung des Klägers, er habe beim Verwaltungsgericht nicht von Pfirsichen und Melonen gesprochen, ist erkennbar eine Schutzbehauptung. Insbesondere deswegen, weil die Verhandlung in beiden Instanzen vom gleichen Dolmetscher übertragen worden ist, schließt der Senat eine Verständigungsschwierigkeit mit dem Dolmetscher als Grund für die Abweichung aus. Überdies kann die Schutzbehauptung nicht erklären, weshalb er seinen Angaben beim Verwaltungsgericht zufolge auch Obst in den Kisten gefunden haben will, während er nach seinen letzten Erklärungen nur Waffen vorgefunden haben will.
41 
Die weitere Schilderung der Vorgänge bei der Übergabe der Kisten an den Kommandanten der Polizeistation ist sodann vollständig farblos und inhaltlich substanzlos geblieben, hier schilderte der Kläger allein den Umstand der Übergabe. Weder kamen in seiner Schilderungen Nachfragen zu den Auftraggebern vor, noch gab er sonstige Reaktionen des Kommandanten oder anderer Personen wider. Falls der Polizeikommandant mit den Auftraggebern des Klägers verbündet gewesen sein sollte, wäre zu erwarten gewesen, dass er das Verhalten des Klägers missbilligt hätte. Falls der Polizeikommandant an einer Aufklärung des Waffentransports Interesse gehabt hätte, wären Nachfragen zum Auftraggeber zu erwarten gewesen. In jedem Fall spricht es gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassungen, dass insoweit gar keine Reaktion geschildert worden ist. Dies bestätigt ergänzend, dass die Schilderungen des Klägers nicht der Wahrheit entsprechen können.
42 
Davon ausgehend lässt sich die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ausgehend von den individuellen Schilderungen des Klägers nicht feststellen.
43 
d) Die Gewährung subsidiären Schutzes auf Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt auch nicht unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der schlechten humanitären Situation in Afghanistan in Betracht. Denn es fehlt am erforderlichen Akteur, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c AsylG.
44 
Trotz der inhaltlichen Kongruenz von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG („Als ernsthafter Schaden gilt:... Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ...“) und Art. 3 EMRK („Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“)
45 
vgl. Storey, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Part D III, Art. 15 Rn. 3 f.
46 
führt das Vorliegen der tatsächlichen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK nicht zwingend zu einer Zuerkennung subsidiären Schutzes. Denn es reicht nicht aus, dass die Voraussetzungen eines Tatbestandes nach § 4 Abs. 1 AsylG erfüllt sind. Vielmehr sind - neben § 4 Abs. 2 AsylG - gemäß § 4 Abs. 3 AsylG auch die Anforderungen der § 3c bis 3e AsylG zu beachten, die für den subsidiären Schutz entsprechend gelten. Erforderlich ist daher, dass die Gefahr eines ernsthaften Schadens von einem der in § 3c AsylG genannten Akteure ausgeht, also vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens zu bieten.
47 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris
48 
Es ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, dass ein ernsthafter Schaden im Sinne des Art. 15b RL 2011/95/EU eine Situation nicht erfasst, in der eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung auf fehlende Behandlungsmöglichkeiten einer Krankheit im Herkunftsstaat zurückzuführen ist, solange die notwendige Versorgung nicht absichtlich verweigert wird. Dies folgt u.a. daraus, dass Art. 6 RL 2011/95/EU eine Liste der Akteure enthält, von denen ein ernsthafter Schaden ausgehen kann. Schäden im Sinne des Art. 15 RL 2011/95/EU müssen daher von bestimmten Dritten verursacht werden.
49 
EuGH, Urteil vom 18.12.2014 - C-542/13 - (M´Bodj), NVwZ-RR 2015, 158, insb. Rn. 35 und 41.
50 
Dies bekräftigend hat auch Generalanwalt ausgeführt, aus der Auslegung von Art. 6 RL 2004/83/EG - der Fall betrifft das Vereinigte Königreich - folge, dass die in Rede stehenden ernsthaften Schäden durch das Verhalten eines Dritten verursacht werden müssen. Ein Anspruch auf subsidiären Schutz ist nämlich nicht schon dann begründet, wenn nachgewiesen wird, dass für den Betroffenen bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bestünde. Es muss auch nachgewiesen werden, dass diese Gefahr auf Faktoren beruht, die den Behörden dieses Landes direkt oder indirekt anzulasten und ihnen stets bewusst sind, und zwar entweder weil die Behörden des Staates, dem der Betroffene angehört, ihn persönlich bedrohen oder diese Bedrohung tolerieren, oder weil diese Bedrohung auf unabhängige Gruppen zurückgeht, vor denen die Behörden ihre Staatsangehörigen nicht wirksam schützen können.
51 
GA Bot, Schlussanträge vom 24.10.2017 - C-353/16 - (MP/Vereinigtes Königreich), Rn. 28 - 30.
52 
Insbesondere trifft es nicht zu, dass Art. 3 EMRK eine erweiternde Auslegung von Art 15b RL 2011/95/EU gebieten würde
53 
so aber: Giesler/Wohnig, Uneinheitliche Entscheidungspraxis zu Afghanistan - Eine Untersuchung zur aktuellen Afghanistan-Entscheidungspraxis des BAMF und der Gerichte (Ergänzte Fassung zur Kurzfassung aus Asylmagazin 2017, 223) (asyl.net), dort S. 11.
54 
denn mit einer möglichen Versagung internationalen Schutzes wird unionsrechtlich nicht abschließend darüber entschieden, ob eine Rückführung in den Herkunftsstaat rechtlich zulässig ist, was sich u.a. aus Art. 5 RL 2008/115/EG ergibt. Der zu prüfende Grundsatz der Nichtzurückweisung ist hier umfassend und damit auch auf Art. 3 EMRK bezogen zu verstehen und damit weiter als derjenige aus Art. 33 Abs. 1 GFK.
55 
Vgl. Lutz, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Part C VII, Art. 5 Rn. 9.
56 
Diese Auslegung von Art. 15b RL 2011/95/EU, die der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht,
57 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris, vom 05.12.2017 - A 11 S 1144/17 -, juris und vom 17.01.2018 - A 11 S 241/17 -, juris
58 
steht im Einklang mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung.
59 
VG Berlin, Urteil vom 10.07.2017 - VG 34 K 197.16 A -, juris Rn. 54; VG Lüneburg, Urteil vom 15.05.2017 - 3 A 156/16 -, juris Rn. 51 f.; VG Osnabrück, Urteil vom 15.05.2017 - 1 A 19/17 -, asyl.net; außerdem: EASO, Qualification for International Protection Directive 2011/95/EU) - A judicial analysis, Dezember 2016, S. 109; vgl. auch Hinterberger/Klammer, Abschiebungsverbote aus gesundheitlichen Gründen: Die aktuelle EGMR- und EuGH-Rechtsprechung zum Non-Refoulement und deren Auswirkungen auf die deutsche Rechtslage, NVwZ 2017, 1180 [1181 f.] sowie wohl auch Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 4 Rn. 32 und Hailbronner, Ausländerrecht, Mai 2017, § 60 Rn. 57 zum „nicht in vollem Umfang“ identischen Schutzbereich von § 60 Abs. 5 AufenthG und von § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 RL 2011/95/EU/§ 4 AsylG.
60 
An einem somit erforderlichen Akteur fehlt es vorliegend. Denn die humanitäre Lage und die prekären Lebensumstände sind keinem der genannten Akteure nach § 3c AsylG zuzurechnen.
61 
st. Rspr des erkennenden Senats, VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.01.2018 - A 11 S 1265/17 -, juris Rn. 101 ff.; und vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris Rn. 108, dort zu § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, sowie auch - anknüpfend an die vorgenannte Entscheidung: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/12 -, juris.
62 
Die schlechte Versorgungslage (betreffend Nahrung, Wohnraum, Gesundheitsversorgung) wird durch die schlechte wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans, die dort herrschenden Umweltbedingungen (also insbesondere die schwierigen klimatischen Bedingungen sowie Naturkatastrophen) sowie maßgeblich durch die volatile Sicherheitslage negativ beeinflusst und bestimmt. Insofern ist nicht festzustellen, dass einem der in Betracht kommenden Akteure ein wesentlicher Beitrag direkt oder indirekt anzulasten wäre und eine Verhaltensänderung zu einer unmittelbaren Verbesserung der Lage führen könnte. Insbesondere wird weder die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten noch werden all diese Umstände gezielt herbeigeführt.
63 
Vgl. dazu im Folgenden die Darstellungen zu den Lebensverhältnissen im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK.
64 
Soweit teilweise in der Rechtsprechung vertreten wird, die schlechte humanitäre Lage sei überwiegend durch die seit Jahrzehnten herrschenden bewaffneten Konflikte und damit im Sinne von § 3c AsylG auf Aktionen staatlicher und nicht-staatlicher Konfliktparteien, gegen die der Staat keinen Schutz bieten könne, zurückzuführen,
65 
VG Köln, Urteil vom 12.12.2017 - 5 K 3637/17.A -
66 
übersieht dieser Ansatz gerade, dass die Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und damit auch Art. 15b RL 2011/95/EU eine gewisse Zielgerichtetheit des Verhaltens des Akteurs erfordert
67 
EASO, Qualification for International Protection (Directive 2011/95/EU) - A judicial analysis, Dezember 2016, S. 109;
68 
und daher reine Kausalitätserwägungen hier nicht anspruchsbegründend wirken können. Somit scheidet die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG in Ermangelung eines tauglichen Akteurs aus.
69 
3. Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen nicht vor.
70 
Nach dieser Vorschrift ist subsidiärer Schutz zuzuerkennen, wenn der Ausländer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden in Gestalt einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht.
71 
a) aa) Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist.
72 
EuGH, Urteil vom 30.01.2014 - C-285/12 - Diakité, NVwZ 2014, 573 Rn. 35
73 
bb) Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt aber außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffenen erscheinen lassen.
74 
EuGH, Urteil vom 17.02.2009 - C-465/07 - Elgafaji -, NVwZ 2009, 705 Rn. 43 und vom 30.01.2014 - C-285/12 - Diakité - NVwZ 2014, 573 Rn. 30.
75 
Der für die Annahme einer individuellen Gefahr in diesem Sinne erforderliche Grad willkürlicher Gewalt wird daher umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende zu belegen vermag, dass er aufgrund solcher individueller gefahrerhöhender Umstände spezifisch betroffen ist. Solche persönlichen Umstände können sich z.B. aus dem Beruf des Schutzsuchenden etwa als Arzt oder Journalist ergeben, da diese regelmäßig gezwungen sind, sich nahe an einer Gefahrenquelle aufzuhalten. Ebenso können solche Umstände aber auch aus einer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit herrühren, aufgrund derer der Schutzsuchende zusätzlich der Gefahr gezielter Gewalttaten ausgesetzt ist.
76 
Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.
77 
BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454 Rn. 19 m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 09.03.2017 - 13 A 2575/16.A -, juris Rn. 13; NdsOVG Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris.
78 
Das besonders hohe Niveau kann nicht allein deshalb bejaht werden, weil ein Zustand permanenter Gefährdungen der Bevölkerung und schwerer Menschenrechtsverletzungen im Rahmen des innerstaatlichen Konflikts festgestellt werden. Vielmehr erfordert die Bestimmung der Gefahrendichte eine quantitative Ermittlung der Verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl (Gewaltniveau). Außerdem muss eine wertende Gesamtbetrachtung erfolgen.
79 
BVerwG, Urteile vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn. 23 und vom 13.02.2014 - 10 C 6.13 -, juris Rn. 24; OVG LSA, Urteil vom 23.07.2014 - 3 L 53/12 -, juris Rn. 24 ff.; NdsOVG, Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris.
80 
Das Bundesverwaltungsgericht hatte in den Urteilen vom 17. November 2011
81 
10 C 13.10, Rn. 22 und 10 C 11.10, Rn. 20
82 
- bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres - ein Risiko von 1:800 (0,125 %) bzw. 1:1.000 (0,1 %) verletzt oder getötet zu werden, als weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt angesehen.
83 
Vgl. hieran anknüpfend auch: NdsOVG, Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; OVG LSA, Urteil vom 23.07.2014 - 3 L 53/12 -, Rn. 26, juris.
84 
Im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung sind bei der qualitativen Bewertung insbesondere auch die angewandten Methoden und Taktiken, die in dem Konflikt angewendet werden, die Anzahl der als Konfliktfolge Binnenvertriebenen und die kumulativen Effekte lang andauernder bewaffneter Konflikte und die medizinische Versorgungslage in den Blick zu nehmen.
85 
Vgl. auch EASO, Artikel 15 Buchstabe c der Anerkennungsrichtlinie (2011/95/EU) – Eine richterliche Analyse, Dezember 2014.
86 
Die Bedeutung der kumulativen Effekte lang andauernder bewaffneter Konflikte im Rahmen der Gesamtbetrachtung liegt - jedenfalls auch - darin, die mit zunehmender Konfliktdauer typischer- und vorhersehbarerweise ansteigende Anzahl und die ansteigende Schwere psychischer Erkrankungen als Folge der dauerhaften Bedrohungssituation angemessen zu würdigen. Indes sind solche Folgen schon deswegen nicht bei der quantitativen Betrachtung zu berücksichtigen, weil hier eine angemessene statistische Erfassung im Krisengebiet schlechterdings nicht vorstellbar ist.
87 
cc) Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Denn für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Der Begriff des „tatsächlichen Zielortes der Rückkehr“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH
88 
EuGH, Urteil vom 17.02.2009 - C-465/07 - Elgafaji -, NVwZ 2009, 705 Rn. 40, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167.
89 
ist daher kein rein empirischer Begriff, bei dem auf die tatsächlich wahrscheinlichste oder subjektiv gewollte Rückkehrregion abzustellen ist. Da § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vor den Gefahren eines - nicht notwendig landesweiten - bewaffneten Konflikts im Heimatstaat schützt, kommt bei der Bestimmung des Ortes der (voraussichtlichen) tatsächlichen Rückkehr der Herkunft als Ordnungs- und Zuschreibungsmerkmal eine besondere Bedeutung zu. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann daher auch nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat. Auch eine nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z.B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage) ändert nichts daran, dass diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz behält. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aus.
90 
Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167.
91 
b) Ausgehend von den Angaben des Klägers, vor seiner Ausreise mit seinen Eltern in deren Haus in der Provinz Maydan Wardak gelebt zu haben, ist auf diese Provinz für die Beurteilung des Anspruchs auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG abzustellen. Das dort vorherrschende Ausmaß an Gewalt genügt eindeutig nicht, um eine tatsächliche Gefahr des Erleidens eines ernsthaften Schadens anzunehmen.
92 
Zwischen dem 1. September 2016 und dem 31. Mai 2017 ließen sich 307 sicherheitsrelevante Zwischenfälle in der Provinz feststellen. Davon gingen 223 auf bewaffnete Auseinandersetzungen oder Luftangriffe, 33 auf Explosionen und 23 auf gegen Einzelpersonen gerichtete Gewalt zurück.
93 
EASO, Country of Origin Information Report - Afghanistan Security Situation, December 2017 S. 255.
94 
UNAMA hat für das Jahr 2017 83 Opfer (davon 42 Todesopfer) festgestellt, wobei die meisten dieser Zivilpersonen Opfer von Bodenkämpfen gewesen sind. Die Anzahl der Opfer in der Zivilbevölkerung hat sich damit im Vergleich zum Vorjahr um 35 Prozent reduziert.
95 
UNAMA, Annual Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Februar 2018 S. 67.
96 
Die Opferzahlen sind im Verhältnis von einer Bevölkerungszahl von rund 606.000 Personen
97 
EASO, Country of Origin Information Report – Afghanistan Security Situation, December 2017 S. 252.
98 
gesehen erkennbar nicht geeignet, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass eine jede Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, zu begründen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in den Statistiken von UNAMA alle Vorfälle unberücksichtigt bleiben, die nicht von drei unabhängigen, überprüfbaren Quellen bestätigt werden und daher ausgehend von diesem Ansatz eine Untererfassung der tatsächlichen Vorfälle zwingend vorliegen muss.
99 
vgl. Stahlmann, Gutachten 2018, S. 177.
100 
Denn bei einem von diesen Zahlen ausgehenden rechnerischen Risiko von 0,01 Prozent, als Zivilperson Opfer des Konflikts in Maydan Wardak zu werden, ist auch bei tatsächlich wesentlich höheren Opferzahlen eine tatsächliche Gefahr bei Weitem zu verneinen.
101 
Angesichts dieses bei quantitativer Betrachtung sehr niedrigen Risikos kann die gebotene qualitative Betrachtung im Rahmen der Gesamtbewertung hier auch auf keinen Anspruch des Klägers auf die Gewährung subsidiären Schutzes führen. Denn auch unter Berücksichtigung der mit allein für das Jahr 2017 festzustellenden, extrem hohen Anzahl neuer oder neuerlich Binnenvertriebener in Afghanistan, nämlich über 500.000 Personen,
102 
UNOCHA, Snapshot of Population Movements in 2017.
103 
und in Erwägung des Umstandes, dass der Bevölkerungsanteil, der aufgrund kriegsbedingter Bedrohungen psychisch erkrankt ist, voraussichtlich bei deutlich über 50 Prozent liegen dürfte
104 
Stahlmann, Gutachten 2018, S. 184 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, 5. April 2017, S. 2 f.
105 
lässt sich eine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für den Kläger allein aufgrund seiner Anwesenheit in seiner Heimatprovinz nicht feststellen. Es liegt hier ein Fall vor, bei der das aufgrund quantitativer Betrachtungen festgestellte geringe Risiko, aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen in Maydan Wardak getötet oder körperlich verletzt zu werden, schon die Folge hat, dass die qualitative Betrachtung hinsichtlich der allgemeinen, nicht auf individuellen Umständen (mit-)basierenden Gefährdungslage nicht mehr zur Bejahung des Tatbestandes des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG führen kann,
106 
zu dieser Fallgestaltung: BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454 Rn. 22.
107 
Soweit Stahlmann in ihrem Gutachten vom 28. März 2018 ausführt, es bestehe allein aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan im gesamten Staatsgebiet die Gefahr, einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden,
108 
Stahlmann, Gutachten 2018, S. 9.
109 
handelt es sich insoweit - in Beantwortung der vom Verwaltungsgericht Wiesbaden gestellten Frage - zunächst allein um eine dem erkennenden Senat vorbehaltenen rechtlichen Würdigung, der auch keine Indizwirkung zukommen kann. Die von ihr sodann geschilderten tatsächlichen Umstände zeigen zwar die besonderen Umstände der innerstaatlich bewaffneten Konflikte in Afghanistan auf, lassen aber zur Überzeugung des Senats keine für den Kläger günstigere Beurteilung zu. Denn die Tatsachen betreffen weit überwiegend Umstände, die allein bei der qualitativen Gesamtbetrachtung zu würdigen sind, die sich hier - wie ausgeführt - aufgrund der verhältnismäßig niedrigen Opferzahlen unter keinen Umständen auswirken kann.
II.
110 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots, weder auf der Grundlage von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (1.), noch auf der Grundlage von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (2.).
111 
1. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auf Grund der schlechten humanitären Bedingungen in Afghanistan besteht nicht. Denn die rechtlichen Voraussetzungen (a)) hierfür sind unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse in Afghanistan insgesamt (b)) und der in Kabul als Ankunfts- bzw. Endort der Abschiebung (c)) sowie in Ansehung der der persönlichen Situation des Klägers nicht gegeben (d)).
112 
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein.
113 
aa) Unter dem Begriff der unmenschlichen Behandlung ist die vorsätzliche und beständige Verursachung körperlicher Verletzungen oder physischen oder psychischen Leids zu verstehen, während bei einer erniedrigenden Behandlung nicht die Zufügung von Schmerzen, sondern die Demütigung im Vordergrund steht.
114 
Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen.
115 
Vgl. dazu bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 4 sowie insbesondere auch juris Rn. 71 m.w.N.
116 
Dieses ist immer dann anzunehmen, wenn diese Verhältnisse ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger, nicht staatlicher Akteure, die dem Staat zurechenbar sind, beruhen, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will.
117 
EGMR, Urteile vom 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S./Belgien und Griechenland), NVwZ 2011, 413 und vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681.
118 
Aber auch dann, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, weil es an einem verantwortlichen Akteur fehlt, können schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet dennoch als Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu qualifizieren sein, wenn ganz außerordentliche individuelle Umstände hinzutreten. Es sind also im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtigungsfähig, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen, sondern auch „nichtstaatliche“ Gefahren auf Grund prekärer Lebensbedingungen, wobei dies aber nur in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen in Betracht kommt.
119 
BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 - 10 C 13.12 -, NVwZ 2013, 1167, Rn. 24 f.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 5 sowie insbesondere auch juris Rn. 79 ff.; EGMR, Urteile vom 02.05.1997 - 146/1996/767/ 964 - (D./Vereinigtes Königreich), NVwZ 1998, 161; vom 27.05.2008 - 26565/05 - (N./Vereinigtes Königreich), NVwZ 2008, 1334; vom 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S./Belgien und Griechenland) - NVwZ 2011, 413; vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681 und vom 13.10.2011 - 10611/09 - (Husseini/Schweden), NJOZ 2012, 952.
120 
Wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Urteil vom 13. Dezember 2016
121 
- 41738/10 - (Paposhvili/Belgien), NVwZ 2017, 1187 Rn. 187 und 189,
122 
aber nunmehr ausdrücklich wiederholt auf die allgemeinen Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung hinweist, auf deren Hintergrund die besondere Lage des Betroffenen zu beurteilen ist, wird hinreichend deutlich, dass außergewöhnliche individuelle Umstände bzw. Merkmale auch solche sein können, die eine Person mit anderen Personen teilt, die Träger des gleichen Merkmals sind bzw. sich in einer im Wesentlichen vergleichbaren Lage befinden. Auch in einem solchen Fall kann ausnahmsweise ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu bejahen sein, wenn die Abschiebung zu einer ernsthaften, schnellen und irreversiblen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Betroffenen führen würde, die ein schweres Leiden oder eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zur Folge hätte.
123 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris.
124 
Bei entsprechenden Rahmenbedingungen können schlechte humanitäre Verhältnisse eine Gefahrenlage begründen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führt. Hierbei sind indes eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, darunter etwa der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung sowie die Chance, eine adäquate Unterkunft zu finden, der Zugang zu sanitären Einrichtungen und nicht zuletzt die finanziellen Mittel zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse, auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen usw.
125 
Vgl. dazu ausführlich BayVGH, Urteil vom 23.03.2017 - 13a B 17.30030 -, BeckRS 2017, 113717; dieser auch bereits in seinen Urteilen vom 21.11.2014 – 13a B 14.30285 -, BeckRS 2015, 41010 und - 13a B 14.30284 -; dort jeweils eingehend zur Bejahung von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen bezüglich Familien mit minderjährigen Kindern wegen der Rahmenbedingungen in Afghanistan (m.w.N.).
126 
Vorliegend sind allein die hohen Anforderungen der letztgenannten Fallgestaltung maßgeblich, da die hier unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK relevanten humanitären Verhältnisse in Afghanistan keinem Akteur zuzuordnen sind, sondern auf einer Vielzahl von Faktoren beruhen, darunter die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Versorgungslage betreffend Nahrung, Wohnraum, Gesundheitsversorgung, Umweltbedingungen wie Klima und Naturkatastrophen sowie die Sicherheitslage. Wie bereits ausgeführt ist nicht festzustellen, dass der afghanische Staat, die in Afghanistan aktiven internationalen Streitkräfte oder ein sonstiger (etwa nichtstaatlicher) Akteur die maßgebliche Verantwortung hierfür trügen, insbesondere, dass etwa die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten würde.
127 
so auch schon VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris Rn. 108 sowie auch anknüpfend an die vorgenannte Entscheidung: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/12 -, juris.
128 
bb) Sowohl die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als auch die des Bundesverwaltungsgerichts
129 
- EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681 Rn. 278, 282 f. und BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167 -
130 
machen deutlich, dass ein sehr hohes Schädigungsniveau erforderlich ist, da nur dann ein außergewöhnlicher Fall vorliegt, in dem die humanitären Gründe entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK „zwingend“ sind. So hat das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit, als es die allgemeine Lage in Afghanistan als nicht ausreichend ernst für die Feststellung einer Verletzung des Art. 3 EMRK eingestuft hat, die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation betont.
131 
BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167, insb. Leitsatz 3 -; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris Rn. 19.
132 
Dabei kann aber - schon nach der Gesetzessystematik - der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 5 AufenthG nicht, insbesondere auch nicht analog, herangezogen werden. Da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, lassen sich die ggf. erhöhten Anforderungen an eine ausreichende Lebensgrundlage im Fall einer internen Schutzalternative gemäß § 3e AsylG ebenfalls nicht übertragen.
133 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 180; BayVGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris Rn. 19.
134 
Ein Zusammenhang zwischen Art. 3 EMRK und § 3e AsylG besteht lediglich dergestalt, dass für den Fall, dass die Situation am vermeintlichen Schutzort einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstellte, dieser Schutzort den Anforderungen des § 3e AsylG nicht genügen würde.
135 
Vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 85 m.w.N.
136 
cc) Auch im Rahmen des Art. 3 EMRK ist nach der Rechtsprechung des EGMR eine tatsächliche Gefahr („real risk“) erforderlich, d.h. es muss eine ausreichende reale, nicht nur auf bloßen Spekulationen, denen eine hinreichende Tatsachengrundlage fehlt, gegründete Gefahr („a sufficiently real risk“) bestehen. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung muss danach aufgrund aller Umstände des Falles hinreichend sicher und darf nicht hypothetisch sein.
137 
EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681; Entscheidung vom 22.09.2009 - 30471/08 - (Abdolkhani und Karimnia/Türkei), InfAuslR 2010, 47; Urteil vom 17.07.2008 - 25904/07 - (NA./Vereinigtes Königreich), juris; Urteil vom 28.02.2008 - 37201/06 - (Saadi/Italien), NVwZ 2008, 1330 Rn. 140; vom 27.05.2008 - 26565/05 - (N./Vereinigtes Königreich), NVwZ 2008, 1334 sowie Urteil vom 06.02.2001 - 44599/98 - (Bensaid/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2002, 453.
138 
Um eine tatsächliche Gefahr und also auch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verletzung in den von Art. 3 EMRK geschützten Rechten annehmen zu können, bedarf es keiner überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts.
139 
EGMR, Urteil vom 28.02.2008 - 37201/06 - (Saadi/Italien), NVwZ 2008, 1330 Rn. 140.
140 
Erforderlich aber auch ausreichend ist danach die tatsächliche Gefahr der Folter oder unmenschlichen Behandlung, was dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht.
141 
BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 -, NVwZ 2011, 51 Rn. 22;
142 
Dies bedeutet auch, dass ein gewisser Grad an Mutmaßung dem präventiven Schutzzweck des Art. 3 EMRK immanent sein muss und es hier daher nicht um den eindeutigen, über alle Zweifel erhabenen Beweis gehen kann, dass der Betroffene im Falle seiner Rückkehr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre.
143 
EGMR, Urteil vom 09.01.2018 - 36417/16 - (X/Schweden) Rn. 50.
144 
dd) Des Weiteren ist für die Beurteilung, ob außerordentliche Umstände vorliegen, die - wie hier - nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen und die dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK eine Abschiebung des Ausländers verbieten zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet.
145 
BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167, Leitsatz 2 und EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681, Rn. 265, 301, 309.
146 
Dieser Ankunfts- bzw. Endort der Abschiebung ist hier Kabul.
147 
Vgl. zu den Flugverbindungen nach Afghanistan: Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 25 sowie zu den bislang durchgeführten Abschiebungen nach Kabul (etwa am 15. Dezember 2016, 24. Januar 2017, 23. Februar 2017 und am 28. März 2017): Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 3; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 12 m.w.N.
148 
Unter Berücksichtigung der landesweiten Lebensverhältnisse in Afghanistan und gerade der in Kabul ergibt sich, dass unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Klägers kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegt.
149 
b) Die relevanten Lebensverhältnisse in Afghanistan und die Situation von Rückkehrern gestalten sich wie folgt:
150 
Afghanistan hat insgesamt etwa 27 bis 34 Millionen Einwohner.
151 
Vgl. dazu Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.03.2017, aktualisiert am 27.06.2017, S. 150: 33,3 Millionen; so auch UK Home Office, Country Policy and Information Note. Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 11; vgl. auch „the world fact book“ - Afghanistan auf https://www.cia.gov/ für Juli 2017 geschätzt 34,124,811 Einwohner; ProAsyl, Afghanistan - No safe country for refugees - Mai 2017 -, S. 55: mindestens 31,5 Millionen; Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 18/Rn. 48: mindestens 30 Millionen; Islamic Republic of Afghanistan Central Statistics Organization - Estimated Population of Afghanistan 2017-2018, April 2017, S. 2: 29.724.323; Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 8/Rn. 30: 27 bis 32 Millionen.
152 
Über 40 % der Bevölkerung sind unter 15 Jahre, zwei Drittel unter 25 Jahre alt.
153 
Sam Hall, Urban displaced youth in Kabul - mental health matters, Juni 2016, S. 7.
154 
Geprägt wird das Leben der Menschen im Land von einer schwierigen wirtschaftlichen Situation (aa)) und Versorgungslage (bb)), von prekären humanitären Gegebenheiten (cc)) sowie von einer volatilen Sicherheitslage (dd)). Zudem sehen sich Rückkehrer aus dem westlichen Ausland zusätzlichen Gefahren ausgesetzt (ee)). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass Rückkehrer unter bestimmten Umständen spezielle Unterstützungsmaßnahmen erhalten können (ff)).
155 
aa) Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Es belegte im Jahr 2015 den Platz 171 und im Jahr 2016 den Platz 169 von 187 im Human Development Index. Mindestens 36 % der Bevölkerung des Landes leben unter der Armutsgrenze. Teils wird auch von einer Steigerung von 36 % für die Jahre 2007/2008 auf 39 % für die Jahre 2013/2014 berichtet, wobei ein Leben in Armut nach dem hier verfolgten Ansatz vorliegt, wenn das Einkommen unter der Armutsgrenze von 1.150 Afghani (20 US$) pro Monat liegt. Afghanistan weist im Vergleich mit allen asiatischen Ländern den höchsten Anteil armer Menschen auf. Die Zahl derjenigen, die humanitärer Unterstützung bedurften, hat sich von 2016 bis zum Beginn des Jahres 2017 um 13 % auf 9,3 Millionen erhöht. Dabei gibt es regionale Unterschiede. Sie reichen von einem Anteil von 27,7 % der Bevölkerung, die unter der Armutsgrenze lebt, im Südwesten bis zu 49,7 % im Nordosten.
156 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 21; vgl. auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich - Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 176; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 31 f. m.w.N.; Giesler/Wohnig, Uneinheitliche Entscheidungspraxis zu Afghanistan - Eine Untersuchung zur aktuellen Afghanistan-Entscheidungspraxis des BAMF und der Gerichte (Ergänzte Fassung zur Kurzfassung aus Asylmagazin 2017, 223) (asyl.net), S. 3 Fn. 17; World Food Programme, Country Brief, WFP Assistance, Juli 2017.
157 
Bei einer ohnehin schon zuvor schlechten Lage ist seit dem Jahr 2012 ein massiver Einbruch der Wirtschaft zu verzeichnen.
158 
Dazu Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73 (74) m.w.N.
159 
Sie sieht sich in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 konfrontiert mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90 % (von 140.000 internationalen Soldaten auf rund 14.000). Die Abwertung des Afghani gegenüber dem US-Dollar schreitet - bei gleichzeitiger Deflation - immer weiter voran. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum ist kurzfristig nicht in Sicht.
160 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 21.
161 
Zudem beruht die Wirtschaft zu großen Teilen auf irregulären und illegalen Aktivitäten, darunter der Opiumhandel.
162 
UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 15.
163 
Der Vergleich des Wachstums des Bruttoinlandsprodukts für das Jahr 2012 von 14,4 % mit dem des Jahres 2015, in dem nur noch 0,8 % Wachstum zu verzeichnen waren, macht den für das gesamte Land zu verzeichnenden Einbruch deutlich.
164 
Vgl. dazu Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73 (74) m.w.N. sowie dies. auch in ihrer landeskundlichen Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 12 m.w.N.; siehe auch Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul. Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 20. April 2017, 20.06.2017, S. 5.
165 
Seitdem wird das Wachstum auf ein bis zwei Prozent im Jahr geschätzt.
166 
Stahlmann, Gutachten 2018, S. 221.
167 
Auf Grund der abgeschwächten Konjunktur, unter anderem wegen der mangelnden Sicherheit und der politischen Ungewissheit, steht zu erwarten, dass das Bruttoinlandsprodukt allenfalls geringfügig weiterwachsen kann.
168 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 19 m.w.N.
169 
Diese Wirtschaftslage spiegelt sich auch beim Arbeitsmarkt wider, für den uneinheitliche Zahlen vorliegen.
170 
Vgl. EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 21 zur Bezeichnung der Arbeitsmarktzahlen als schwach und kontrovers ("weak and controversial").
171 
Je nach Quelle und Erfassungsweise werden etwa für das Jahr 2014 Arbeitslosenzahlen von 9,1 % bis 24 % genannt, teils wird - unter Berücksichtigung eines Anteils von 15,3 % unterbeschäftigter Personen - der Anteil der nicht erwerbstätigen Personen sogar mit 40 % angegeben.
172 
Im Einzelnen m.w.N.: EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 21.
173 
Im Jahr 2015 lag die landesweite Arbeitslosenquote bei 40 %. Der Anteil in den Städten war deutlich höher, da die Landwirtschaft, in der rund 60 % - in ländlichen Regionen sogar 70 % der erwerbstätigen Bevölkerung - tätig sind, weiterhin der stabilste Beschäftigungssektor ist.
174 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 21; Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73 (76) m.w.N. sowie dies. auch in ihrer landeskundlichen Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 13 m.w.N.; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2017, S. 2; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2.
175 
Auch für den Zeitraum Ende des Jahres 2016 wurde ein Arbeitslosenanteil mit etwa 40 % geschätzt und die Aussichten als sehr düster bezeichnet.
176 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 21; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 15.
177 
Ebenso werden für die Jugendarbeitslosigkeit sehr unterschiedliche Größenordnungen genannt. So gibt die Weltbank für das Jahr 2014 einen Anteil von 23 % bezüglich junger Frauen und 16 % hinsichtlich junger Männern an (bei 9,1 % für dieses Jahr im Allgemeinen). Die Jugendarbeitslosigkeit in den Städten soll um 50 % höher sein als die städtische Arbeitslosigkeit insgesamt.
178 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 22.
179 
Aktuelle Erhebungen zur Arbeitslosenquote soll es nicht geben.
180 
Stahlmann, Gutachten 2018, S. 222.
181 
Gerade der städtische Arbeitsmarkt ist durch die bereits erwähnten Änderungen des internationalen Engagements geprägt. Dort waren mit der plötzlichen Ankunft internationaler Organisationen zunächst Qualifikationen gefragt, die auf dem lokalen Arbeitskräftemarkt nach den langen Kriegsjahren tatsächlich Mangelware waren – darunter Englischkenntnisse, Arbeitserfahrung mit der in internationalen Organisationen gepflegten Bürokratie und formelle Ausbildungs- und Studienabschlüsse. Außerdem hatte der Bauboom in den Städten, insbesondere im grundlegend zerstörten und rapide wachsenden Kabul, zunächst einen Markt für ungelernte Arbeitskräfte geschaffen.
182 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 13 f. m.w.N.; dies., Asylmagazin 2017, S. 73 (74); zum Arbeitsmarkt in Kabul auch Kohler, InfAuslR 2017, 99 (101) mit Verweis auf Islamic Republic of Afghanistan - Central Statistics Organisation, Socio-Demographic and Economic Survey, Figure 11 und Figure 12, dort allerdings nur für das Jahr 2013.
183 
Damals hatten - in begrenztem Maße - selbst die traditionell familiär organisierten privatwirtschaftlichen Betriebe externe Arbeitskräfte aufgenommen (wenn auch in den Grenzen kriegsbedingter Freund-/Feindschemata, so dass Fremde im Sinne ethnischer, religiöser oder lokaler Zugehörigkeit weiterhin weitgehend ausgeschlossen waren). Diese Entwicklung hat sich allerdings durch den bereits als prägend erwähnten Abzug der internationalen Truppen wieder verflüchtigt. Der Bauboom hat sich als kurzfristig erwiesen und auch der Dienstleistungsbereich ist eingebrochen. Geblieben ist der Umstand, dass zur Erlangung einer der wenigen vorhandenen Arbeitsplätze nicht die schulische oder berufliche Ausbildung, Qualifikation oder Erfahrung ausschlaggebend sind, sondern Beziehungen. Dies gilt für den gesamten Arbeitsmarkt, insbesondere auch für Arbeitsplätze im Staatsdienst.
184 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 14 f. m.w.N.; dies., Asylmagazin 2017, 73 (76); anschaulich hierzu auch die Beispiele von Schuster zur allein durch (teils verwandtschaftliche) Beziehungen gekennzeichnete Einstellungspraxis ohne Rücksicht auf die Qualifikation an der Kabuler Universität und verschiedenen Ministerien: Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 15/Rn. 44; vgl. auch EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 23 und 68; vgl. auch die Beispiele zu Rückkehrern, die trotz Qualifikation mangels Beziehungen keine Beschäftigung fanden: Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 65 ff. m.w.N.; zur „untergeordneten“ Rolle von Eignung, Befähigung und Leistung bei der Verteilung administrativer Ämter auch Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 7.
185 
Gerade im Bereich der Arbeitsplätze für ungelernte Kräfte ist die Konkurrenz immens. Weil der Bausektor eingebrochen ist, erweist es sich als schwieriger, als Hilfsarbeiter oder Tagelöhner ein Auskommen zu finden. Dazu kommt, dass der Druck auf den Arbeitsmarkt vor allem in Städten rapide zugenommen hat, da die nicht konventionell umkämpften Städte wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif zunächst aufgesucht wurden.Dasselbe gilt für die große Mehrheit der unfreiwilligen Rückkehrer aus Pakistan und Iran, wenn sie keine Chance haben, in Herkunftsorte ihrer Familien zurückzukehren. Dieser Zuzug hat sich zwar vor allem in Kabul abgeschwächt, weil der Zugang zu Hilfen in Relation zu den außergewöhnlich hohen Lebenserhaltungskosten so eklatant unzureichend ist und sich die Sicherheitslage so deutlich verschlechtert hat. Der Zuzug besteht jedoch weiter fort und verschärft somit weiterhin auch die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt.
186 
Stahlmann, Gutachten 2018 S. 226 f.
187 
Das vor dem Hintergrund jahrzehntelanger Kriegs- und Konflikterfahrungen und anhaltender Alltagskriminalität als notwendig und bewährt erachtete System von Beziehungen bzw. Netzwerken ist geprägt durch eine Gegenseitigkeit, eine langfristige und belastbare Reziprozität. Wer in der Lage ist, einen Vorteil - etwa einen Arbeitsplatz - zu verschaffen, verknüpft hiermit die Erwartung, jedenfalls langfristig seinerseits einen Vorteil zu erlangen. Ist vom Arbeitssuchenden keine Gegenleistung zu erwarten, weil dieser nicht über die erforderlichen Beziehungen verfügt, ist nicht oder weniger zu erwarten, dass ihm eine Arbeitsstelle vermittelt wird. Ein entsprechendes Netzwerk ist daher der Schlüssel zum Arbeitsmarkt. Zudem gewährleistet das System der Empfehlungen, dass der Arbeitgeber sich sicher sein kann, dass der Arbeitssuchende, dessen örtliche und ethnische Herkunft sowie familiären Hintergrund er auf Grund der Empfehlung kennt, vertrauenswürdig ist.
188 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 67 f.: „Network as key to the job market“; Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 12. m.w.N.; Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 4/Rn. 12.
189 
So äußerten die meisten Arbeitgeber in einer Befragung zu ihrer Einstellungspraxis, sie nutzten das traditionellste System: Freunde (62,6 %) und Familie (57,9 %). Entsprechend beklagen die Arbeitssuchenden unabhängig von ihren Qualifikationen, dass die Vergabe von Arbeitsstellen von persönliche Verbindungen, sog. „wasita“ (wechselseitige Verbindungen zu Personen mit Macht oder Einfluss), abhängig sei. Erforderlich sind „shanaktht“ (jemanden kennen) und „safarish“ (eine Art Empfehlung). Nur etwa 15 % der Arbeitnehmer werden über den örtlichen Bazar angeworben, der größte Teil der Arbeitsplätze wird über Freunde oder Verwandte erlangt.
190 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 67.
191 
Die Beziehungen oder Netzwerke sind vielschichtig. Für manche besteht ihr Netzwerk aus nahen Verwandten, für andere ist es breiter angelegt und kann auch aus Freunden bestehen. Bei Angehörigen der Hazara kommt es vor, dass beim Zuzug in eine neue Stadt ein Netzwerk um die örtliche Moschee oder eine religiöse oder Wohlfahrtseinrichtung konzentriert ist. Ganz allgemein genügt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie allein noch nicht, um ein solides Netzwerk für die Arbeitssuche zu begründen.
192 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 68.
193 
Es findet sich die Aussage, dass Rückkehrer aus Europa aufgrund ihres sozio-politischen Ausschlusses keinen Zugang zu Netzwerken und ihren Ressourcen hätten. Das Konzept einer alleinstehenden Person entsprechend europäischen Verständnisses sei in Afghanistan nicht vorhanden, so dass die Hürden beim Zugang zu sozialen Netzwerken für abgeschobene Asylbewerber aus Europa nicht zu überwinden seien. Es sei für viele Afghanen im Wortsinn nicht „denk-bar“, ohne Zugehörigkeit zu sozialen Netzwerken zu überleben, was an der fundamentalen Bedeutung dieser Netzwerke und Familien im Zugang der Kontrolle von existenziellen Ressourcen liege.Die Macht über Vermittlung von Ressourcen und Sicherheit durch Familien und Netzwerke beruhe u.a. darauf, dass in der vorherrschenden Sozialordnung nicht das Individuum, sondern die Familie als kleinste soziale, ökonomische und politische Einheit verstanden werde. Der Versuch, als Individuum ohne soziale Netzwerke Zugang zu neuen sozialen Netzwerken zu bekommen, sei somit schlicht nicht vorgesehen.
194 
Stahlmann, Gutachten 2018, S. 205 f.
195 
Eine staatliche Arbeitsvermittlung oder gar eine Arbeitslosenunterstützung nach westlichen Vorstellungen gibt es nicht. Allerdings werden freie Stellen im öffentlichen Sektor vom Civil Service Commission Management Directorate der Kommission für Öffentlichen Dienst und Verwaltungsreform online angekündigt. Außerdem bietet eine Nichtregierungsorganisation (ACBAR) Unterstützung für Arbeitssuchende an. Sie befindet sich in Charahi Shaheed, Sherpoor Bezirk in Kabul. Auf ihrer Website besteht die Möglichkeit, sich mit einem Lebenslauf und Motivationsschreiben auf relevante Jobs zu bewerben.
196 
BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage: Medizinische Versorgung in Afghanistan, Unterstützung für Rückkehrer bei Arbeits- und Wohnungssuche, 21.09.2016; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2017, S. 2; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2.
197 
Soweit eine Arbeitsstelle gefunden werden kann
198 
- dazu Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul - Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 12.04.2017, 20.06.2017, S.10; siehe auch EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 22 zum „vulnerable employment“ -,
199 
ist das durchschnittliche Einkommen (insbesondere im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten, dazu sogleich) gering. Das durchschnittliche monatliche Einkommen in Afghanistan wird in verschiedenen Quellen mit 80 bis 120 US$ angegeben, teilweise wird ein Mindestlohn von 95 US$ für nur vorübergehend beschäftigte Arbeitskräfte genannt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass - wie ausgeführt - bei 36 % der afghanischen Bevölkerung der Lohn bei unter 20 US$ pro Monat liegt.
200 
IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2017, S. 2; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 23 f.
201 
Afghanistan bleibt eine hauptsächlich ländliche Gesellschaft, deren Wirtschaft maßgeblich auf der Landwirtschaft basiert. 76 % der Bevölkerung leben in ländlichen Gebieten. Mehr als die Hälfte der Arbeitskräfte des Landes ist im Bereich der Landwirtschaft beschäftigt. 96 % der Produktion bewegt sich im Bereich der Nahrungsmittelverarbeitung, also einem Bereich, der in hohem Maße von der Landwirtschaft abhängig ist.
202 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 22, 32.
203 
Die Landwirtschaft leidet allerdings - neben der problematischen Sicherheitssituation - insbesondere auch unter vielfältigen Naturkatastrophen, weswegen das World Food Programme das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch reagiert. Gerade der Norden - eigentlich die „Kornkammer“ des Landes - ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheit, Überschwemmungen und Erdrutschen ausgesetzt
204 
- Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 23; UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2018, Dezember 2017, S. 16.
205 
bb) Die Versorgungslage in Afghanistan ist schlecht. Wie bereits ausgeführt ist Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt, mit 9,3 Mio. Menschen, die Anfang 2017 auf humanitäre Hilfe angewiesen waren (s.o.). Für das Jahr 2018 geht UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs - von 3,3 Millionen Personen aus, bei denen ein akuter Bedarf an unmittelbar lebensrettender humanitärer Hilfe besteht sowie weiterer 8,7 Millionen Menschen, die einen chronischen Bedarf an Unterstützungsleistungen aufweisen. Dabei kann aus dem Unterschied in der Darstellung von 9,3 Millionen (2017) zu nun 3,3 Millionen (2018) Personen mit dringenden Bedarfen in den Angaben zum Angewiesensein auf humanitäre Hilfe nicht auf eine Verbesserung der Lage geschlossen werden. Denn der Unterschied geht auf eine abweichende Methode der Datenerfassung zurück
206 
UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2018, Dezember 2017, S. 15.
207 
Im Jahr 2016 waren etwa 1,6 Millionen Afghanen (nach den Daten von UNOCHA ein Anteil von 6 %) von schwerwiegender Ernährungsunsicherheit („severely food insecure“) betroffen, bei weiteren 9,7 Millionen Menschen (34 %) war dies in mäßiger Weise der Fall („moderately food insecure“).
208 
UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2017, November 2016, S. 5 f. und 26 sowie die Aufteilung nach Regionen auf S. 21; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 42 m.w.N.; vgl. auch UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 28; dort auch unter Bezugnahme auf UNOCHA der Hinweis auf die Wechselwirkung mit der steigenden Anzahl intern Vertriebener und Rückkehrer, die sich in den städtischen Zentren und Randgebieten sammeln sowie zur erwarteten Anzahl von mehr als einer Million neuer Rückkehrer im Sommer 2017); Ernährungsunsicherheit in den Vorjahren vgl. auch Sam Hall, Urban Poverty Report - A study of poverty, food insecurity and resilience in Afghan Cities, November 2014: S. 6 f., 43, 54 und 56 - die Hälfte der Haushalte in Städten und 68 % der intern Vertriebenen werden als ernsthaft von Ernährungsunsicherheit betroffen beschrieben.
209 
Für das Jahr 2017 war ein Anstieg auf 1,9 Millionen Personen, bei denen von einer schwerwiegenden Ernährungsunsicherheit auszugehen ist, zu verzeichnen. Ausgehend von der ernährungssicherheitsbezogenen Klassifizierung IPC (Integrated food security phase classification) bedeutet dies, dass sie mit einer extremen Nahrungsmittelunterversorgung konfrontiert sind, die zu akuter Mangel- oder Unterernährung mit einer überhöhten Sterblichkeitsrate führt. Weitere 5,6 Millionen Menschen werden der Gruppe zugeordnet, bei der eine akuter Nahrungsmittel und Existenzkrise angenommen wird, was bedeutet, dass eine beachtliche Nahrungsmittelunterversorgung vorliegt oder dass diese Unterversorgung nur durch den Verkauf letzter Vermögenswerte noch abgewendet werden kann. Schließlich ist bei weiteren 10 Millionen Menschen festzustellen, dass diese allein das Minimum der erforderlichen Nahrungsmittelversorgung sicherstellen können und damit eine vollständige Sicherung der Existenzgrundlage nicht gesichert erscheint.
210 
UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2018, Dezember 2017, S. 24.
211 
48 % der Haushalte von intern vertriebenen Personen, die in informellen Siedlungen in Kabul lebten, waren im Dezember 2015 ernsthaft von Ernährungsunsicherheit betroffen.
212 
UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2017, November 2016, S. 7.
213 
Insbesondere die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten haben dazu geführt, dass dort ca. eine Million oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gelten.
214 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 23.
215 
In den Städten allgemein und insbesondere der Hauptstadt Kabul sind die Lebenshaltungskosten im Verhältnis zum Einkommen hoch. So finden sich - jeweils auch abhängig vom Lebensstil - Angaben von 100 bis 150 EUR oder 150 bis 250 US$ für einen alleinstehenden Mann in Kabul
216 
- BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation I: Lebenshaltungskosten in Kabul für alleinstehenden Mann, 09.05.2017; BAMF/ZIRFIOM, ZIRF-Anfrage: Lebenshaltungs-/Mietkosten in Kabul; Taxilizenz, 22.04.2016; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017, S. 188 -
217 
und mindestens 250 bis zu 600 EUR pro Monat für eine Familie, bestehend aus einem Vater und drei Kindern
218 
- BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation II: Lebenshaltungskosten in Kabul für Familie mit Vater und 3 Kindern, 09.05.2017 -,
219 
wobei jeweils noch keine Unterbringungs-/Mietkosten enthalten sind.
220 
Für die Kosten von Wohnraum finden sich - auch abhängig von der Lage - Angaben von einer Monatsmiete für ein Zimmer in Höhe von 100 US$, für ein Einzimmerapartment in Kabul von 88 US$/6.000 Afghani bis zu 146 US$/10.000 Afghani oder auch in Höhe von 160 bis 180 EUR (zuzüglich Nebenkosten von etwa 20 bis 25 EUR/Monat) sowie auch 300 US$. Die Miete für eine Dreizimmerwohnung in Kabul wird mit ca. 300 EUR/Monat bei Nebenkosten in Höhe von etwa 30 EUR angegeben, aber auch Preise von 400 bis 600 US$ zuzüglich Nebenkosten von etwa 40 US$ pro Monat werden genannt.
221 
Schuster, Report for the Upper Tribunal, 08.11.2016, S. 14/Rn. 41; BAMF/ZIRFIOM, ZIRF-Anfrage: Lebenshaltungs-/Mietkosten in Kabul; Taxilizenz, 22.04.2016; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017, S. 188; BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation I: Lebenshaltungskosten in Kabul für alleinstehenden Mann, 09.05.2017; BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation II: Lebenshaltungskosten in Kabul für Familie mit Vater und 3 Kindern, 09.05.2017; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2017, S. 3; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2; Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 16; dies., Asylmagazin 2017, S. 73 (76); vgl. auch Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 16/Rn. 42: Einzelzimmer für 4.000 bis 6.000 Afghani, bei einem Lohnniveau von 4.000 bis 4.500 Afghani pro Monat; EASO, Country of Origin Information Query - Query concerning the situations of returnees to Afghanistan, 22.06.2017, S. 7 m.w.N.: 300 US$.
222 
Die im Vergleich zum realistischer Weise zu erzielenden Einkommen immensen Unterbringungskosten bei gleichzeitig großem Zustrom neuer Einwohner erklären, dass etwa drei Viertel der Menschen in Slums lebt.
223 
Dazu ProAsyl, Afghanistan - No safe country for refugees, Mai 2017, S. 4; Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 16; dies., Asylmagazin 2017, S. 73 (76 f.).
224 
Sofern Wohnraum auf dem freien Markt verfügbar ist, haben in aller Regel wiederum nur diejenigen eine Chance darauf, die einen Bürgen beibringen können und in der Lage sind, bis zu sechs Monatsmieten im Voraus zu bezahlen. Im Rahmen der Wohnungssuche benötigt man also außergewöhnliche finanzielle Ressourcen, um eine Chance auf eine winterfeste Unterkunft zu haben, aber auch die beschriebenen sozialen Netzwerke. Diese sowie der Umstand, dass sich jemand für den künftigen Mieter und dessen vertrauenswürdigen Charakter gleichsam verbürgt, gewährleisten aus Sicht des Vermieters eine gewisse Sicherheit sowie insbesondere auch, dass der Mieter kein „unmoralisches“ Verhalten an den Tag legt und seine Miete zahlen wird.
225 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 16; dies., Asylmagazin 2017, S. 73 (76 f.); Schuster, Report for the Upper Tribunal, 08.11.2016, S. 4/Rn. 12 und auch S. 14/Rn. 41 und S. 15/ Rn. 44 m.w.N.
226 
Es gibt keine NGOs oder öffentliche Organisationen, die bei der Wohnungssuche unterstützen. Immobilienmakler bieten einen entsprechenden Service im Austausch für eine Monatsmiete von Mieter und Vermieter an.
227 
BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage: Medizinische Versorgung in Afghanistan, Unterstützung für Rückkehrer bei Arbeits- und Wohnungssuche, 21.09.2016.
228 
Zwischen den Verhältnissen in den urbanen Zentren und den ländlichen Gebieten Afghanistans herrscht ein eklatantes Gefälle. Es fehlt außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte vielerorts an grundlegender Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport. Der Anteil der Bevölkerung, der Zugang zu Trinkwasser hat, beträgt nur 46 %.
229 
Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage vom 19.10.2016 - Stand September 2016 -, S. 21; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 31.
230 
cc) Verschärft wird die Lage - insbesondere auf dem Arbeits- und dem Wohnungsmarkt - nicht zuletzt aufgrund erheblicher Migrationsbewegungen.
231 
Für das gesamte Land ist eine erhebliche, zudem stetig ansteigende Anzahl an Migranten festzustellen. Es handelt sich sowohl um Binnenvertriebene (internally displaced persons - IDPs), Rückkehrer (insbesondere aus Iran und Pakistan sowie aus dem westlichen Ausland) und Wirtschaftsmigranten.
232 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 40.
233 
Im Jahr 2015 gab es in ganz Afghanistan mindestens 1,1 Millionen Binnenvertriebene.
234 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 21: zwischen 1,1 und 1,2 konfliktinduzierte Binnenflüchtlinge.
235 
Im April 2016 war deren Zahl auf 1,2 Millionen geschätzt worden.
236 
Stahlmann, Asylmagazin 2017, S. 73 (74 f.) m.w.N.;. a.i., My children will die this winter - Afghanistan´s broken promise to the displaced, 31.05.2016, S. 7.
237 
Bis Jahresende wurden 2016 insgesamt 620.000 bis 650.000 Menschen als kriegsbedingt vertrieben ausdrücklich und aktenkundig registriert - das sind dreimal so viele wie 2014 und sechsmal so viele wie 2012.
238 
Stahlmann, Asylmagazin 2017, S. 73 (74) m.w.N.: 623.345; General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017: S. 9 zur Verschlechterung bis ins Jahr 2017 mit Rekordzahlen neuer, konfliktbedingter Binnenvertreibung in Höhe von 651.751 Personen; vgl. auch Bericht des Auswärtigen Amts zur Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017 -, S. 10.
239 
Für das Jahr 2017 hat UNOCHA 501.000 neue Binnenvertriebene festgestellt, wobei sich ein Großteil der Betroffenen in der Provinz Nangarhar aufhalten. Über 100.000 Binnenvertriebene und Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran leben in provisorischen Unterkünften, Zelten oder unter dem freien Himmel.
240 
UNOCHA, Snapshot of Population Movements in 2017, UNOCHA, Humanitarian Bulletin Afghanistan, Issue 73, 1 – 28 February 2018.
241 
Im Jahr 2016 sind etwa eine Million Menschen aus Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei als Rückkehrende auch jene gelten, deren Eltern schon im benachbarten Ausland geboren wurden. Hintergrund ist, dass der Iran vermehrt afghanische Staatsangehörige abschiebt. Nachdem Pakistan im Herbst 2016 entschieden hatte, ab April 2017 keine afghanischen Personen mehr im Land zu dulden, gewährt Pakistan nunmehr auf Antrag afghanischen Staatsangehörigen wieder einen befristeten legalen Aufenthaltsstatus.
242 
UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Inneren - Dezember 2016, S. 4 zum Rekordniveau von interner Flucht und Vertreibung für das Jahr 2016: ca. 372.000 + 242.000 Flüchtlinge aus Pakistan und 420.000 aus dem Iran; Stahlmann, Asylmagazin 2017, S. 73 (74): 1.034.000 Rückkehrer aus Iran und Pakistan; a.i., Amnesty Report 2017 - Afghanistan (Berichtszeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016): S. 1; Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 16 f./Rn. 43; UN General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017: S. 9; UN General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 28.02.2018, S. 11.
243 
Für 2017 hat IOM (bis einschließlich 16. Dezember 2017) über 538.000 Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan erfasst, in den ersten drei Monaten des Jahres 2018 sind über 160.000 Rückkehrer gezählt worden.
244 
IOM, Return of Undocumented Afghans, Weekly Situation Report 10-16 December 2017 und IOM, Return of Undocumented Afghans, Weekly Situation Report 25 -31 March 2018
245 
Plastisch hat der UNHCR die Versorgungs- und humanitäre Situation zusammengefasst. Er beschreibt, dass infolge des allgemein gestiegenen Sicherheitsrisikos - einschließlich der Zunahme der die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen betreffenden Sicherheitsvorfälle - der Zugang zu den betroffenen Menschen für humanitäre Hilfsorganisationen begrenzt ist. Die begrenzte Präsenz jener Organisationen in den vom Konflikt betroffenen Gebieten behindert insbesondere den Zugang zu lebensrettender Unterstützung für die besonders schutzbedürftigen Teile der Bevölkerung. Jahrzehnte der Konflikte und wiederkehrender Naturkatastrophen haben die afghanische Bevölkerung in einen Zustand großer Schutzbedürftigkeit versetzt und die Überlebensmechanismen vieler Menschen erschöpft. Der fortwährende Konflikt greift durch die Zerstörung von Lebensgrundlagen und von Viehbestand, steigende Raten ansteckender Krankheiten, verstärkte Vertreibung, ständige Menschenrechtsverletzungen und höhere Kriminalitätsraten diese Schwachstellen weiter an. Ebenso haben der andauernde Konflikt, schwache Regierungsgewalt sowie ineffiziente oder korrupte Institutionen dazu geführt, dass Vorbereitungsmaßnahmen im Hinblick auf Katastrophen, Risikoreduzierung und Notfallmechanismen Berichten zufolge nicht oder kaum vorhanden sind. In der Folge stellen Naturkatastrophen wie Überflutungen, Schlammlawinen, Erdbeben, Dürren und harte Winter eine weitere Belastung für die Bevölkerung dar, deren Widerstandskraft ohnehin bereits geschwächt wird.
246 
UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 30 f.; vgl. auch UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2017, November 2016, S. 8.
247 
dd) Des Weiteren ist die Situation der Menschen in Afghanistan bestimmt durch eine anhaltend schlechte Sicherheitslage.
248 
Sie ist - bei starken regionalen Unterschieden - anhaltend volatil.
249 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 4. Ruttig in Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul - Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 12.04.2017, 20.06.2017, S. 4 ff.
250 
Afghanistan besetzt auf dem Global Peace Index (GPI) des Jahres 2017 bei den am wenigsten friedlichen Ländern den zweiten Platz hinter Syrien. In der weiteren Beschreibung des GPI wird dazu ausgeführt, die Gesamtbewertung Afghanistans habe sich das sechste Jahr in Folge weiter verschlechtert. Die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen hat beginnend mit den ersten Monaten des Jahres 2017 wieder zugenommen.
251 
UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 14 m.w.N. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 13 f.
252 
Eine Bedrohung für Leib und Leben von Zivilisten geht von den Kampfhandlungen der Konfliktparteien, aber auch von improvisierten Sprengkörpern, von Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. UNAMA gab im Bericht betreffend den Schutz von Zivilisten im bewaffneten Konflikt für das Jahr 2017 eine Zahl von 10.453 zivilen Opfern an, davon 7015 Verletzte und 3438 Tote. Damit stellte UNAMA einen Rückgang der Anzahl ziviler Opfer um 9 Prozent gegenüber dem Jahr 2016 fest, wobei dieser Rückgang fast ausschließlich auf die Zahl der Verletzten, nicht aber auf die Anzahl der getöteten Zivilpersonen zurückzuführen ist. UNAMA nimmt dabei an, dass sich diese Entwicklung auf die weit geringere Anzahl von Kollateralschäden bei Bodenkämpfen zurückführen lässt, da die Zahl der Opfer bei Selbstmord- und anderen Anschlägen weiter auf nunmehr 2.295 (605 Tote und 1.690 Verletzte) angestiegen ist. Dabei ist die Bevölkerung immer dann gefährdet, wenn sie bei Kämpfen der Konfliktparteien zwischen die Fronten gerät oder Opfer improvisierter Sprengsätze wird, die für andere Ziele gedacht waren. Weniger ausschlaggebend ist dagegen, ob die afghanischen Sicherheitskräfte oder die Taliban die Kontrolle über einen Raum ausüben.
253 
Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 8 f. UNAMA, Annual Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Februar 2018, S. 1.
254 
Während zivile Opfer in ländlichen Gebieten vor allem auf Kampfhandlungen, Landminen, improvisierte Sprengsätze und Übergriffe von nicht-staatlichen Gruppen zurückzuführen sind, stellen für die städtische Bevölkerung vor allem Selbstmordanschläge, komplexe Attacken, gezielte Tötungen und Entführungen Bedrohungen dar. Dies gilt insbesondere für Kabul.
255 
Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 9.
256 
Ein großer Teil des Landes wird von regierungsfeindlichen Kräften beherrscht, wobei die jeweilige Vorherrschaft der unterschiedlichen Kräfte ständigem Wandel unterworfen ist. Im ersten Quartal 2017 waren nur etwa 60 % der 407 Distrikte des Landes unter der Kontrolle oder dem Einfluss der afghanischen Regierung, was einen Anstieg um 2,5 Prozentpunkte im Vergleich zum Stand Mitte November 2016, aber einen Rückgang um 11 Prozentpunkte im Vergleich zum ersten Quartal 2016 bedeutet. Die Taliban behaupteten, 16 der 34 Provinzen Afghanistans zu kontrollieren und in nur 89 Distrikten nicht präsent zu sein. In den südlichen Provinzen Helmand, Nimruz, Uruzgan, Zabul, Ghazni würden beinahe alle Distrikte von ihnen kontrolliert bzw. seien zumindest „umkämpft“.
257 
UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 22 f. m.w.N.; siehe auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 27.
258 
Unter dem direkten Einfluss der Taliban standen im dritten Quartal 2016 etwa 2,9 Millionen Menschen, im vierten Quartal waren es noch ungefähr 2,5 Millionen.
259 
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 26 f.
260 
Die afghanische Regierung konnte dabei die Kontrolle über Kabul sowie die Hauptbevölkerungszentren, die meisten Schlüsselverbindungsstrecken, Provinzhauptstädte und die Mehrzahl der Distriktzentren behalten, wobei Distriktzentren und Provinzhauptstädte von Taliban bekämpft bzw. bedroht und diese sich zeitweise der Hauptkommunikationsverbindungen im Land bemächtigt haben, insbesondere in den Provinzen Kunduz und Helmand.
261 
UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 23 m.w.N.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 24.
262 
In Afghanistan - aber auch grenzüberschreitend Richtung Pakistan - sind mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke aktiv, darunter die Taliban, das Haqqani Netzwerk (verbündet mit den Taliban, aber nicht Teil von deren Kernbewegung), der Islamische Staat (auch Daesh) in Gestalt des IS-Zweigs ISKP (auch ISIL-KP) sowie al-Qaida.
263 
Zu den einzelnen Gruppen ausführlich u.a.: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 10 ff. und 27 ff.
264 
Die Sicherheitslage wird außerdem durch den Opiumanbau in Afghanistan beeinträchtigt. Die Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen sowohl die Aufständischen als auch daneben bestehende kriminelle Netzwerke. Die Anbaufläche für Opium vergrößerte sich im Jahr 2016 im Vergleich zu 2015 um 10 % auf etwa 201.000 Hektar und 2017 um 63 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das für das Jahr 2016 geschätzte Volumen der Opiumproduktion betrug 4.800 Tonnen, dasjenige für 2017 bei 9.000 Tonnen. Die Steigerungen erklären sich aus guten Anbaubedingungen bei zugleich weniger effektiven staatlichen Bekämpfungsmaßnahmen aufgrund von fehlenden finanziellen Ressourcen hierfür sowie der schlechten Sicherheitslage.
265 
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 31; General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017, S. 11; UN General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 28.02.2018, S. 32; zur Instabilität infolge des Opiumhandels: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 15.
266 
ee) Rückkehrer aus dem westlichen Ausland - freiwillig Zurückgekehrte aber auch Abgeschobene - sind zusätzlichen Risiken ausgesetzt. Sie sehen sich dem generellen Verdacht gegenüber, ihr Land und ihre religiöse Pflicht verraten zu haben.
267 
Stahlmann, ZAR 2017, 189 (196); dies., Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 4, je m.w.N.; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 97, insb. Rn. 545.
268 
Ein Aufenthalt im westlichen Ausland wird vermehrt dahin wahrgenommen, der Zurückkehrende habe sich der europäischen Kultur und dem Lebensstil angepasst. Es herrscht die Erwartung, der Betroffene werde entsprechendes (Fehl-) Verhalten auch in Afghanistan weiter an den Tag legen, etwa außereheliche Beziehungen, Alkohol- und Drogenkonsum und alle möglichen Varianten von Apostasie. Schon entsprechende Gerüchte können ausreichen, um staatliche Verfolgung, jedenfalls aber Selbstjustiz bis hin zur Bestrafung mit dem Tod - auch durch Angehörige - wegen des vermeintlichen Bruchs kultureller und religiöser Normen auszulösen.
269 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 7 ff. m.w.N., dies., Asylmagazin 2017, 82 (83); Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 22. Januar 2016 zu Afghanistan: Situation einer ledigen Mutter der Hazara-Ethnie in Kabul, 22.01.2016, S. 9 f. sowie US Department of State, Afghanistan 2016 Human Rights Report, 17.03.2017, S. 11; zum Risiko der vermeintlichen „Kontamination“ durch die westliche Lebensweise: Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. S. 4 f./Rn. 13 und dies., Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 19/Rn. 49; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 29 ff. m.w.N.;
270 
Die Unterstützung durch Angehörige und Familie - soweit vorhanden - ist darüber hinaus des Öfteren eingeschränkt, weil die Rückkehr nach Afghanistan als Ausdruck des Versagens trotz des vermeintlich leichten Lebens im Westen verstanden wird und gleichzeitig der Verdacht schwelt, der Zurückkehrende habe womöglich eine schwere Straftat in Europa begangen. Denn nach einer in Afghanistan weit verbreiteten Auffassung schiebt Europa nur Straftäter ab, weshalb ein Abgeschobener im vermeintlich regellosen Europa ein schweres Verbrechen verübt haben müsse.
271 
Stahlmann, Gutachten 2018 S. 301 und dies. Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 9; zum Stigma des Versagens auch Naber, Asylmagazin 2016, 3 (7) und auch Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 35 sowie S. 36 zur Assoziation der Rückkehr mit Kriminalität, je m.w.N.
272 
Außerdem kann einer Unterstützung durch die Familie entgegenstehen, dass diese erhebliche Mittel aufgewendet oder sogar Geld geliehen hat, um die Reise zu finanzieren. Neben dem Vorwurf, der Zurückkehrende habe die erwartete (Versorgungs-) Leistung nicht erbracht, droht auch die Rückforderung durch Kreditgeber, mit der Folge, dass ein Rückkehrer seiner Familie nicht willkommen, sondern „bestenfalls“ nur eine Belastung für diese ist.
273 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 38 und 41.
274 
Des Weiteren wird als Gefahr beschrieben, dass die Taliban die Flucht als ein Verhalten werten, mit dem man sich ihrem Machtanspruch entziehen will. Nachvollziehbar erscheint angesichts dessen, dass von Seiten der Taliban das Interesse bestehen soll, zur allgemeinen Abschreckung diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die sich ihnen entzogen haben.
275 
Stahlmann, ZAR 2017, 189 (196); dies., Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 4 ff., je m.w.N.; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 41 f.; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 33 f. m.w.N.
276 
Entsprechend wird die ohnehin allgemein übliche Überprüfung der Biographie der Rückkehrer durch das neue soziale Umfeld noch sorgfältiger als üblich vorgenommen, da sie wegen ihrer Flucht grundsätzlich verdächtigt werden, sich persönlicher Verfolgung entzogen zu haben - sei es durch militante Gruppierungen oder Privatpersonen.
277 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 5, m.w.N.; ähnlich Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 40 und 43 m.w.N. vgl. auch S. 35 m.w.N. zur Problematik der Diskriminierung/Entlassung bei Bekanntwerden eines vorangegangenen Aufenthalts im westlichen Ausland.
278 
Zudem wird angesichts des - grob verzerrt und übersteigert wahrgenommenen - Reichtums in Europa („Jeder Europäer ist (Euro-)Millionär“) in Afghanistan oft davon ausgegangen, dass Rückkehrer während ihrer Zeit im Westen zu Wohlstand gekommen sind. Sowohl sie selbst als auch ihre Familien laufen daher Gefahr, Opfer von Entführungen zu werden, die lebensbedrohlich sein können, insbesondere wenn nicht gezahlt wird oder werden kann. Das gleiche gilt für bekanntgewordenen Kontakt mit Ausländern.
279 
Stahlmann, Gutachten 2018, S. 321 ff.; dies, ZAR 2017, 189 (198); dies., Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 10 f., je m.w.N.; Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 6 f./Rn. 18 sowie Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 20/Rn. 52; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 29 f. und S. 40, je m.w.N.
280 
Schließlich berichten Rückkehrer von Problemen mit Behörden oder Sicherheitskräften, insbesondere, weil sie als anders aussehend wahrgenommen werden, weil sie keine Tazkira haben, aber auch, weil sie als Sicherheitsrisiko empfunden werden, da sie mangels Ausbildung und mangels Chancen auf Arbeit als potentielle Drogenhändler oder durch bewaffnete regierungsfeindliche Kräfte leicht zu rekrutierende Personen gesehen werden.
281 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 18.
282 
ff) Andererseits können Rückkehrer - anders als die übrige Bevölkerung - von Unterstützungsmaßnahmen profitieren.
283 
Zusammenfassend hierzu: Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 6 f. und Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 19 bis 29.
284 
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet in Deutschland verschiedene Rückkehrhilfen an. Unterstützung in Gestalt von Geldzahlungen können afghanische Rückkehrer, die sich freiwillig in ihr Heimatland zurückbegeben, über zwei Programme des IOM erlangen.
285 
Das REAG/GARP-Programm 2017 („Reintegration and Emigration Program for Asylum-Seekers in Germany“/„Government Assisted Repatriation Program“) gewährt eine Reisebeihilfe (etwa die Übernahme der Beförderungskosten) sowie eine Starthilfe, die für Erwachsene und Jugendliche 500 EUR und für Kinder unter zwölf Jahren 250 EUR beträgt.
286 
IOM, REAG/GARP-Programm 2017, Informationsblatt Projekt „Bundesweite finanzielle Unterstützung freiwilliger Rückkehrer/Innen“ (Juli 2017), S. 1; IOM, REAG/GARP-Programm 2017, Projekt „Bundesweite finanzielle Unterstützung freiwilliger Rückkehrer/Innen“, Merkblatt für deutsche Behörden, Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, Fachberatungsstellen, zentrale Rückkehrberatungsstellen, Ausländerbeauftragte und den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCHR) (Juli 2017), S. 5); IOM, REAG/GARP-Programm 2017, Projekt „Bundesweite finanzielle Unterstützung freiwilliger Rückkehrer/Innen“, Merkblatt für deutsche Behörden, Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, Fachberatungsstellen, zentrale Rückkehrberatungsstellen, Ausländerbeauftragte und den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCHR) (Januar 2017), S. 5.
287 
Darüber hinaus bietet die IOM über das European Reintegration Network (ERIN) das Unterstützungsprogramm ERIN Specific Action Program für Rückkehrer nach Afghanistan an. Dieses hat allerdings - anders als die vorgenannten Programme - keine Geldleistungen zum Gegenstand. Es gewährt Unterstützung nach der Ankunft und bei der Reintegration in Afghanistan, wobei freiwillige Rückkehrer eine umfangreichere Unterstützung („larger re-integration packages”) erhalten als diejenigen, die nicht freiwillig zurückgekehrt sind. Die Inanspruchnahme setzt eine Bewerbung vor der Rückkehr voraus. Angeboten werden ein Empfangs- und Orientierungsservice bei der Ankunft am Flughafen, Unterstützung beim Weitertransport, Empfehlungen zur Sicherstellung der durchgehenden Versorgung mit dringender ärztlicher Behandlung und eine Notfallunterbringung von mindestens einer Woche. Zur weiteren Wiedereingliederung kann die Beratung durch einen IOM-Mitarbeiter in Anspruch genommen werden, der den Rückkehrern und ihren Familien etwa bei der Planung einer Strategie zur Reintegration helfen kann und auch dazu, wie sie die ihnen gewährten nationalen Zuschüsse sinnvoll verwenden können. Möglich sind Hilfestellungen bei Existenzgründungen, die Beratung bei der Suche und Vermittlung von Arbeitsstellen, die Vermittlung in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Unterstützung in sozialen, medizinischen und rechtlichen Angelegenheit oder die Unterstützung bei der Wohnraumbeschaffung. Unterstützungsleistungen werden nicht durch Direktzahlungen, sondern durch Beratungs- und Sachleistungen erbracht. Bei rückgeführten Personen können diese höchstens einen Wert von 700 EUR haben. Als „berücksichtigungsfähige Kriterien“ bei der Prüfung werden existenzsichernde Maßnahmen, individueller medizinischer Bedarf, die Rückkehr weiterer Familienangehöriger, die Dauer des Aufenthalts in Deutschland bzw. der Abwesenheit im Heimatland sowie die Vulnerabilität des Betroffenen genannt. Die Reintegrationsmaßnahmen legen der Rückkehrer und der Mitarbeiter vor Ort individuell fest. Die Unterstützung soll nach drei bis sechs Monaten weitgehend abgeschlossen sein.
288 
Siehe insgesamt: BAMF/ERIN, Programmsteckbrief ERIN - European Reintegration Network, Rückkehrerhilfen (Projektdauer Juni 2016 bis Dezember 2021), 14.08.2017; IOM/ ERIN - European Reintegration Network, Specific Action Program, Afghanistan Briefing Note, 13.03.2017; ERIN/IOM, ERIN - European Reintegration Network, Specific Action Program, Afghanistan Leaflet, 13.03.2017.
289 
Auch von Seiten der afghanischen Regierung gibt es Unterstützungsprogramme für Rückkehrer aus Europa. Im April 2015 hat die afghanische Regierung zunächst eine Hohe Kommission für Migration gegründet und im November 2016 dann ein gesondert auf die Belange von Rückkehrern gerichtetes Komitee (Displacement and Returnees Executive Committee). Dessen Funktion ist es, eine Strategie zur Koordination von humanitären und Entwicklungsprogrammen festzulegen sowie die Entwicklung von Richtlinien zur Unterstützung (u.a.) von Rückkehrern. Dabei geht es nicht nur um die finanzielle Unterstützung des Einzelnen. Damit die Rückkehrer nicht als gescheitert und unfähig zur Leistung des von ihnen erwarteten Beitrags erscheinen, ist auch die finanzielle Unterstützung des familiären bzw. sozialen Umfelds angedacht. Der Ansatz ist allerdings kritisiert worden, etwa weil er die örtliche Korruption nicht berücksichtige.
290 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 28, dort auch zu Unterstützungsangeboten für das Umfeld bzw. die Gemeinschaft der Rückkehrer („a more community-oriented financial support“).
291 
Die derzeit von Seiten der afghanischen Regierung gewährten Hilfen umfassen die Bereiche der Arbeitsvermittlung, des rechtlichen Beistands sowie Fragen von Grund und Boden und Obdach. Die Unterstützung wird nicht von einer einzelnen Institution gewährt, vielmehr muss der Rückkehrer selbst die Initiative ergreifen und sich an die jeweils zuständige Stelle wenden - etwa an das Arbeitsministerium, wenn er Hilfe bei der Arbeitssuche erhalten will. Rückkehrer aus Europa berichten, dass sie nur wenig Unterstützung in irgendeiner Art erhalten hätten, mit Ausnahme einer zweiwöchigen Unterbringung durch die Regierung.
292 
Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 7; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 28.
293 
Schließlich gibt es lokale nichtstaatliche Organisationen, die freiwillige und abgeschobene Rückkehrer unterstützen, etwa IPSO (International Psychosocial Organisation) und AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation). IPSO ist eine in Deutschland ansässige Organisation mit psychosozialen Unterstützungsangeboten (Selbsterfahrungsgruppen, Übungen zum Leben in Afghanistan, Eins-zu-Eins-Beratung, Malen und Handarbeit). AMASO gewährt Rückkehrern - vorwiegend aus nordischen Ländern - die Möglichkeit einer Unterkunft für mehr als zwei Wochen. Außerdem bietet eine örtliche Anwaltskanzlei (freiwilligen) Rückkehrern aus Norwegen ihre Dienstleistungen an. Etablierte Koordinationsmechanismen zur Sicherstellung der benötigten Unterstützung für alle Rückkehrer oder zu deren Gleichbehandlung scheint es allerdings insgesamt nicht zu geben.
294 
Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 7, dort auch S. 10 zu AMASO und IPSO; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 28 f., dort auf S. 53 auch ausführlicher zu IPSO sowie auf S. 64 ausführlicher zur AMASO, dort auch zur Betreuung eines aus Deutschland abgeschobenen, bei einem Bombenanschlag verletzten Rückkehrers.
295 
Eine weitere Unterstützungsleistung können Rückkehrer zudem in Form einer kurzfristigen Unterbringung erlangen. Die IOM bietet in einem sogenannten Empfangszentrum (Jangalak reception centre) eine vorübergehende Unterkunft für höchstens zwei Wochen. Es handelt sich um ein Gebäude auf dem Gelände des Ministeriums für Flüchtlinge und Neuverteilung auf dem Gelände der früheren Jangalak-Fabrik. Dort gibt es 24 Zimmer mit je zwei bis drei Betten. Sowohl freiwillige als auch abgeschobene Rückkehrer können dort unterkommen. Zwölf Mitarbeiter betreuen die Rückkehrer. 2016 nutzten 43 Personen das Angebot. Sie blieben durchschnittlich für sieben Nächte.
296 
Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 9.
297 
Im Rahmen einer entsprechenden Befragung erklärten mehrere Rückkehrer, sie wollten auf das Angebot nicht zurückgreifen, weil sie glaubten, der Aufenthalt dort berge das Risiko, dass sie als Rückkehrer identifiziert würden.
298 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 63.
299 
AMASO hat in einem Facebook-Post vom 8.Oktober 2017 darauf hingewiesen, dass IOM sich nicht mehr um aus Europa abgeschobene Personen kümmere. Stattdessen sorge sich die Aga Khan Development Foundation um die Sicherstellung von Wohnraum in den ersten 14 Tagen nach der Ankunft und zwar im Spinzar Hotel in der Stadtmitte.
300 
Stahlmann, Gutachten 2018 S. 237 f.
301 
c) Für Kabul als Ankunfts- bzw. Endort der Abschiebung lassen sich folgende Unterschiede oder Besonderheiten im Vergleich zu den allgemeinen Feststellungen zu den Lebensverhältnissen in Afghanistan erkennen.
302 
Der Wohnungsmarkt in Kabul erweist sich als sehr angespannt und daher teuer. Die Stadt Kabul hat von der erheblichen, stetig ansteigenden Anzahl an Migranten einen unverhältnismäßig großen Anteil aufgenommen.
303 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 40.
304 
Kabul ist einer der Hauptzielorte der größten Rückkehrbewegung und zugleich auch traditionell ein Zufluchtsgebiet der vom Konflikt betroffenen Binnenvertriebenen insbesondere aus der Zentralregion. Ein erheblicher Anteil der insgesamt 5,7 Millionen Menschen, die nach dem Fall der Taliban aus dem Iran und Pakistan zurückgekehrt waren, und der genannten 1,2 Millionen Binnenvertriebenen hat sich in bzw. um Kabul herum niedergelassen. Zu diesen kommen noch weitere Personen hinzu, etwa ein erheblicher Anteil der im Jahr 2016 aus Pakistan Zurückgekehrten. Ihre Zahl wurde zur Jahresmitte 2016 noch mit 54.600 bemessen. Zum Ende des Jahres 2016 nannte der UNHCR die Zahl ca. 625.000 Rückkehrern aus Pakistan allein für die letzten vier Monate des Jahres 2016. In Zusammenhang mit dieser Entwicklung wird auch die Verlautbarung eines Ministers der afghanischen Regierung (Balkhi) gebracht, Kabul könne nicht alle Personen aus gefährlichen Provinzen aufnehmen, verbunden mit der Bitte, Abschiebungen zu beenden.
305 
Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 18/Rn. 53; Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 16 f./Rn. 43; Stahlmann, Asylmagazin 2017, S. 73 (75); UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Inneren - Dezember 2016, S. 5 zur starken Betroffenheit u.a. von Kabul von der hohen Anzahl an Rückkehrern sowie S. 7 zu Kabul als traditionellem Zufluchtsort.
306 
Ein nicht unerheblicher Teil der Migranten, aber auch der von jeher in Kabul ansässigen Bevölkerung, gehört dabei der Volksgruppe der Hazara an. In Kabul sollen nach Schätzungen über eine Million bzw. bis zu 1,5 Millionen Hazara leben. Die meisten davon sind Vertriebene, die sich erst vor Kurzem dort niedergelassen haben. Sie sind von den negativen Auswirkungen der hohen Arbeitslosigkeit in gleichem Maße wie auch die übrige Bevölkerung betroffen.
307 
Immigration and Refugee Board of Canada, Afghanistan: Situation of Hazara people living in Kabul City, including treatment by society, security situation, and access to employment; security situation for Hazara traveling to areas surrounding Kabul City to access employment, 20.04.2016.
308 
Fast einem Viertel der 55.000 registrierten zurückkehrenden Familien und ein ähnlicher Anteil an nicht dokumentierten Rückkehrern aus Pakistan hat sich in den überfüllten informellen Siedlungen Kabuls niedergelassen. Deswegen bewertet auch der UNHCR im Hinblick auf den Rückgang der wirtschaftlichen Entwicklung in Kabul als Folge des massiven Abzugs der internationalen Streitkräfte im Jahr 2014 die Aufnahmekapazität der Stadt aufgrund begrenzter Möglichkeiten der Existenzsicherung, Marktliquidität, der fehlenden Verfügbarkeit angemessener Unterbringung sowie des mangelnden Zugangs zu grundlegenden Versorgungsleistungen insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen, als äußerst eingeschränkt.
309 
UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Inneren - Dezember 2016, S. 7.
310 
Als Folge des großen Zustroms nach Kabul wird beschrieben, dass die Migranten in besonderem Maße benachteiligt seien und oft in den überfüllten informellen Siedlungen endeten, für die insbesondere für den Winter die Zustände als schrecklich geschildert werden. Diese bestehen großteils aus behelfsmäßigen Zelten oder Lehmhütten ohne geeigneten Schutz vor Kälte und mit beschränktem Zugang zu sauberem Wasser und medizinischer Versorgung. Es wird von mehreren Dutzend Menschen, insbesondere Kindern und älteren Personen, berichtet, die in den Wintermonaten der Jahre 2012 und 2017 wegen der Kälte gestorben sind. Zum anderen führt der immense Zuzug dazu, dass die existenziellen Ressourcen noch stärker umkämpft sind, die Arbeitslosigkeit und die Alltagskriminalität zunehmen.
311 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S.40; Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 15 f.; zu den Zuständen in den informellen Siedlungen auch EASO Country of Origin Information Query - Query concerning the situations of returnees to Afghanistan, 22.06.2015, S. 5 f. m.w.N.; a.i., My children will die this winter - Afghanistan´s broken promise to the displaced, 31.05.2016, S. 17.
312 
Im Übrigen bedeutet eine Wohnung in Kabul zu haben nicht automatisch den Zugang zu Wasser und Strom. Dieser hat sich zwar in den letzten 15 Jahren generell verbessert. Allerdings ist bei der zentralen Wasserversorgung die Wasserqualität schlecht geworden, da Infrastruktur ursprünglich für weit weniger Einwohner ausgelegt war. So funktioniert das öffentliche Wasserleitungssystem nur stundenweise. Zugang zu Leitungswasser haben nur ungefähr 34 % der Einwohner. Die meisten Menschen leben in den Slums und beziehen das Wasser entweder von öffentlichen Pumpen oder selbst angelegten Brunnen, mit denen das Grundwasser angezapft wird. Dessen Stand hat sich zwischenzeitlich von drei bis fünf Metern auf 70 bis 80 Meter Tiefe abgesenkt.
313 
Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul - Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 12.04.2017, 20.06.2017, S. 7; Sam Hall, Urban Poverty Report - A study of poverty, food insecurity and resilience in Afghan Cities, November 2014, S. 49.
314 
Schließlich ist auch die Sicherheitslage in Kabul prekär.
315 
Vgl. dazu: UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 24 f.
316 
Sie war bereits in den vergangenen Jahren geprägt von zahlreichen Anschlägen, insbesondere auf medienwirksame Ziele ausländischer Streitkräfte und Organisationen sowie Regierungseinrichtungen.
317 
Dazu die ausführliche Darstellung bei Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 21 ff./Rn. 59 ff. und dies. Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 7/Rn. 18 sowie auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 6. Juni 2016: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, 06.06.2016; vgl. auch die genannte Entscheidung OVG NRW, Urteil vom 26.08.2014 - 13 A 2998/11 Rn. 207 bis 230 zur damaligen - vor Abzug der internationalen der Streitkräfte liegenden - Sicherheitslage (Rn. 217: „aktuell als stabil eingeschätzt“) und der diesbezüglichen Rolle der Taliban.
318 
In jüngerer Zeit erweist sich die Sicherheitslage weiter als volatil. UNAMA hat für das Jahr 2017 für die gesamte Provinz Kabul 1.831 zivile Opfer registriert (479 Tote und 1.352 Verletzte), was einen Anstieg um 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Kabul war damit die Provinz mit der höchsten Anzahl ziviler Opfer, ist allerdings auch die Provinz mit der höchsten Einwohnerzahl.
319 
UNAMA, Annual Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Februar 2018, Annex III S. 67.
320 
Das Selbstmordattentat, das in Deutschland die meiste Aufmerksamkeit in den Medien erfuhr, war der Anschlag vom 31. Mai 2017 auf die Deutsche Botschaft.
321 
Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 2; vgl. zu den weiteren zahlreichen Vorfällen die Darstellung in der Entscheidung des Senats: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 206 ff.
322 
Auch bei einer Reihe weiterer Anschläge in Kabul wurden Regierungsinstitutionen, internationale Organisationen und Einrichtungen der afghanischen Armee und Polizei angegriffen, wobei viele Angehörige der afghanischen Zivilbevölkerung (u.a. Passanten, Kinder usw.) verletzt und getötet wurden.
323 
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 19. Juni 2017 zu Afghanistan: Sicherheitslage in Kabul, 19.06.2017, S. 3 m.w.N.; vgl. auch dazu die Entscheidung des Senats: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 206 ff.
324 
Im ersten Quartal des Jahres 2018 kam es zu einer Reihe schwerwiegender Anschläge im Kabul. So starben 114 Personen und wurden mindestens 229 verletzt, als ein mit Sprengstoff beladener Rettungswagen am 28. Januar 2018 an einem Kontrollpunkt detonierte. 24 Todesopfer forderte eine Geiselnahme im Hotel Intercontinental am 20. Januar 2018.
325 
UN General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 28.02.2018, S. 7.
326 
Zusammenfassend ist hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage in Kabul
327 
- vgl. hierzu ergänzend die Ausführungen im Urteil des Senats vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 193, sowie auch zu den Verhältnissen in Kabul allgemein: juris Rn. 99 ff. -
328 
festzuhalten, dass sich nicht nur die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle gehäuft hat, sondern - wohl maßgeblich auch wegen „neuen“ regierungsfeindlichen Kräfte (IS/Daesh/ISKP) - als weitere Tendenz festzustellen ist, dass bei Anschlägen nun vermehrt zivile Opfer in Kauf genommen werden und sogar gerade auf die Zivilbevölkerung zielen.
329 
d) Ausgehend von den dargestellten Verhältnissen in Afghanistan insgesamt sowie insbesondere in der Stadt Kabul als End- bzw. Ankunftsort einer Abschiebung ist im Falle des Klägers ein ganz außergewöhnlicher Fall, in dem humanitäre Gründe seiner Abschiebung zwingend entgegensprächen im Sinne von Art. 3 EMRK, nicht festzustellen.
330 
Im Ausgangspunkt ist festzustellen, dass der Senat - wie oben ausgeführt - sich nicht davon überzeugen konnte, dass der Kläger mit einer Gruppe der Mujaheddin oder anderer regierungsfeindlicher Organisationen in Konflikt geraten ist. Deshalb kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass ihm wegen dieses Umstandes und möglicher Nachstellungen die notwendige und für eine Sicherung des Existenzminimums unerlässliche Flexibilität (insbesondere am Arbeitsmarkt) fehlt.
331 
Der Senat geht in seiner Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris), an der er auch in Ansehung der Erwägungen im Gutachten von Stahlmann vom 28. März 2018 festhält, davon aus, dass im Falle leistungsfähiger, erwachsener Männer ohne Unterhaltsverpflichtungen und ohne familiäres oder soziales Netzwerk bei der Rückkehr aus dem westlichen Ausland in Kabul die hohen Anforderungen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG, Art. 3 EMRK nicht erfüllt sind, sofern nicht spezifische individuelle Einschränkungen oder Handicaps festgestellt werden können, was hier jedoch nicht der Fall ist.
332 
(1) Zwar ist die Lage in Kabul prekär. Wie sich aus den vorstehenden Darstellungen ersehen lässt, sind sowohl die wirtschaftlichen Voraussetzungen als auch die humanitären Umstände schlecht. Dasselbe gilt für die in den letzten Jahren stetig schlechter gewordene Sicherheitslage. Dennoch kann nicht für sämtliche Rückkehrer aus dem westlichen Ausland, denen es in Kabul oder in Afghanistan insgesamt an (familiären oder sonstigen) Beziehungen oder an Unterstützungsnetzwerken fehlt, angenommen werden, die schlechten Bedingungen im Land könnten generell und bei allen diesen Rückkehrern ganz außerordentliche individuelle Umstände darstellen und die hohen Anforderungen zur Bejahung des Art. 3 EMRK trotz fehlenden Akteurs erfüllen.
333 
Afghanistan und insbesondere Kabul sind gerade auch in jüngster Zeit mit der Rückkehr einer Vielzahl von Menschen aus dem benachbarten und westlichen Ausland konfrontiert. Dabei stellt sich deren Lage, obwohl die Situation für Rückkehrer schwierig ist, nicht für alle gleichermaßen problematisch dar. Berichte dahin, dass Rückkehrer generell oder aber jedenfalls in sehr großer Zahl und unabhängig von ihrer persönlichen Disposition ihr Existenzminimum nicht sichern könnten, gibt es nicht. Vielmehr sind bestimmte, vulnerable Gruppen wie etwa Familien mit jüngeren Kindern, alleinstehende Frauen, Kranke oder ältere Menschen in besonderem Maße gefährdet, ohne dass aber insgesamt festzustellen wäre, dass die Existenzsicherung oder gar das Überleben für sämtliche Rückkehrer nicht gewährleistet wäre.
334 
Insbesondere trifft dies auch nicht für Rückkehrer aus dem westlichen Ausland, aus Europa oder gar aus Deutschland zu, zumal beispielsweise mit Unterstützung der IOM seit dem Jahr 2003 insgesamt 15.041 Personen aus verschiedenen Ländern Europas (darunter das Vereinigte Königreich, Norwegen, die Niederlande, Deutschland, Schweden, Dänemark, Frankreich, Belgien und Österreich) freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt sind. Allein im Jahr 2016 unterstützte die IOM 6.864 Personen bei ihrer freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan, davon über 3.000 aus Deutschland. Die meisten Rückkehrer (78 % oder 5.382) waren dabei junge Männer, von denen wiederum ein erheblicher Anteil zwischen 19 und 26 Jahren alt war (2.781) oder sogar Jugendliche mit bis zu 18 Jahren (2.101). Die Zahl der zurückgekehrten Familien wird mit 733 angegeben.
335 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 16; Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 2; UN General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017, S. 10.
336 
Neben diesen zahlreichen freiwilligen Rückkehrern gab und gibt es Abschiebungen aus Europa. So wurden im Zeitraum zwischen Oktober 2016 und April 2017 insgesamt 176 Personen aus Europa nach Afghanistan abgeschoben, darunter 106 aus Deutschland, von denen wiederum auch einige keine Verwandten in Kabul oder teilweise auch im gesamten Land hatten.
337 
Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 3 ff.
338 
Vom 31. Mai 2017 bis zum 23. Januar 2018 wurden 68 weitere Personen aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben.
339 
BT-Drs. 19/632 S. 5.
340 
Obwohl diese Rückkehrer sich - wie dargestellt - in Afghanistan vielen Belastungen gegenübersehen und die Situation im Land äußerst schwierig ist, sind den umfangreichen Erkenntnismitteln zur Lage in Afghanistan keine Informationen zu entnehmen, aus denen geschlossen werden könnte, allein der Umstand einer Rückkehr aus dem westlichen Ausland bei fehlenden Netzwerken vor Ort stehe einer Existenzsicherung in Afghanistan bzw. in Kabul (auch nur auf niedriger Stufe) entgegen. Zwar gibt es vereinzelte Rückkehrerberichte, die die oben geschilderte Bandbreite von Problemen betreffen. Erfahrungsberichte oder Schilderungen dahin, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern sowie kinderlose Ehepaare in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger, Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, liegen hingegen nicht vor. Zwar lassen sich für den Senat auch schwerwiegende Nachteile bei Unterkunfts- und Arbeitssuche durchaus nicht ausschließen, eine tatsächliche Gefahr, dass sie eintreten werden, besteht indes nicht. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Situation auch im Falle des Klägers realisieren würde - dass also auch der Kläger entsprechend erkannt würde, dass er infolge dessen tatsächlich keinen Zugang zu einer auch nur einfachen Unterkunft haben würde oder vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen wäre -, vermag der Senat daher nicht festzustellen.
341 
(2) Insbesondere lässt sich aus dem Fehlen eines bereits bestehenden familiären oder sozialen Netzwerks in Kabul nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK herleiten. Ein solches traditionelles Unterstützungsnetzwerk, das durch (unterstützungsfähige und - willige) Mitglieder der (erweiterten) Familie oder ihrer größeren ethnischen Gruppe gebildet wird, ist auch nach Auffassung von UNHCR im Falle von alleinstehenden, leistungsfähigen Männern ohne besonderen Schutzbedarf trotz der schlechten Lebensbedingungen in Afghanistan nicht geboten, um zu verhindern, dass im Falle der Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein kontinuierlicher Prozess in Gang gesetzt wird, in dem sie verelenden und bleibende schwere physische und seelische Schäden davontragen. Denn von diesen kann erwartet werden, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen, wobei allerdings dennoch immer eine einzelfallbezogene Analyse vorzunehmen ist.
342 
UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 10 und S. 99, wobei in der nachfolgenden Stellungnahme des UNHCR vom Dezember 2016 (Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Inneren - Dezember 2016) insofern keine Änderungen der Bewertung vorgenommen wurden (vgl. dort zur Aufrechterhaltung der Erwägungen der Richtlinien vom 19.04.2016: S. 7 f.).
343 
Aus den oben zusammengefasst wiedergegebenen Erwägungen von Stahlmann in ihrem Gutachten vom 28: März 2018 für das Verwaltungsgericht Wiesbaden ergibt sich keine andere Sicht der Dinge. Denn wenn dort festgestellt wird, es sei im Wortsinn für viele Afghanen nicht „denk-bar“, ohne Zugehörigkeit zu sozialen Netzwerken zu überleben, der Versuch, als Individuum ohne soziale Netzwerke Zugang zu neuen sozialen Netzwerken zu bekommen, sei nicht vorgesehen und das Konzept der alleinstehenden Person sei in Afghanistan schlicht nicht vorhanden, dann spricht zwar viel dafür, dass diese Aussagen in ihrer Allgemeinheit zutreffen. Indes beantworten diese Aussagen nicht die Frage, wie es um die Überlebenssicherung von alleinstehenden Rückkehrern steht, wenn diese trotz der fehlenden Vorstellbarkeit des Alleinstehens in größerer Zahl tatsächlich in Afghanistan auftauchen. Hier bleibt es für die vom Senat zu treffende Risikoprognose dabei, dass sich eine tatsächliche Gefahr der zeitnahen Verelendung im Falle der Rückkehr nicht belegen lässt und es sogar überwiegend wahrscheinlich ist, dass eine solche Situation nicht eintreten wird.
344 
Von nicht unerheblicher Bedeutung ist es, ob die Betroffenen eine der beiden in Afghanistan gesprochenen Sprachen (Paschtu und Dari) beherrschen und sich somit hinreichend verständigen können.
345 
Zu diesem Kriterium vgl. BayVGH, Urteil vom 16.01.2014 - 13a B 13.30025 -, Leitsatz sowie juris Rn. 25 (Sicherung des Existenzminimums für einen afghanischen Rückkehrer ohne Kenntnisse einer der Landessprachen verneint, wenn kein Vermögen vorhanden und keine familiäre Unterstützung zu erlangen ist).
346 
Dies ist bei dem Kläger der Fall.
347 
Das Erwirtschaften eines - wenn auch womöglich sehr geringen - Einkommens wird dem Kläger trotz des angespannten Arbeitsmarkts wenigstens als Tagelöhner möglich sein.
348 
Zwar sind die Lebenshaltungskosten für den Kläger in Kabul hoch. Ausgehend von vorstehenden Ausführungen (ohne Unterbringungskosten) sind sie mit mindestens 100 EUR pro Monat zu bemessen, die Mietkosten werden mit mindestens 88 US$ bzw. 4.000 Afghani bzw. 75 EUR pro Monat angegeben
349 
S.o., insbesondere zu den monatlichen Lebenshaltungskosten von mindestens 100 EUR: BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation I: Lebenshaltungskosten in Kabul für alleinstehenden Mann, 09.05.2017 sowie zum Preis von ab 4.000 Afghani für ein Einzelzimmer: Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 16/Rn. 42.
350 
Der Kläger hat die Möglichkeit, zunächst im Jangalak-Zentrum oder ggf. in den von der Aga Khan Development Foundation zur Verfügung gestellten Unterkünften zu wohnen, sich von dort um Arbeit und Unterkunft - beides ggf. auf niedrigem Niveau - zu bemühen und - sollte es nicht anders gehen - vorübergehend in einer der informellen Siedlungen unterzukommen. Dass die fraglos beklagenswerten Zustände in solchen Siedlungen insgesamt flächendeckend derart desolat sind, dass sie gleichsam für jeden Bewohner und damit auch für den kinderlosen Kläger mit den hohen Anforderungen des Art. 3 EMRK nicht zu vereinbaren wären, vermag der Senat nicht festzustellen.
351 
Zwar beschreibt Stahlmann, dass sich die Versorgung mit Trinkwasser, Hygiene- und Sanitäranlage sowie Abwassersystemen in den Slums dramatisch verschlechtert habe und die Krankheitshäufigkeit zunehme.
352 
Stahlmann, Gutachten 2018, S. 163.
353 
Indes lässt sich auch ihren Ausführungen nicht entnehmen, dass gravierende Erkrankungen in einer derartigen Häufigkeit aufträten, dass der Rückschluss, jedem gesunden, arbeitsfähigen Mann drohe eine solche Erkrankung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit rechtlich zulässig wäre. Die schlechten hygienischen Zustände in den informellen Siedlungen alleine reichen nicht aus, um die Schwelle zur tatsächlichen Gefahr einer unmenschlichen Behandlung zu überschreiten. Die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Verfahren M.S.S./ Belgien und Griechenland angewendeten Standards waren zum einen auf Signatarstaaten der Konvention bezogen und mit Asylbewerbern auf eine besonders schutzbedürftige Personengruppe ausgerichtet, deren Wohlergehen im besonderen Maße von der Fürsorge des Aufnahmestaates abhängt.
354 
EGMR, Urteile vom 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S./Belgien und Griechenland), NVwZ 2011, 413 Rn. 249 ff.
355 
Beide Voraussetzungen liegen in der Person des Klägers im Falle seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat nicht vor.
356 
(3) Der Senat geht bei seiner Bewertung der Situation davon aus, dass die dargestellten Rückkehrerhilfen für die Frage der Existenzsicherung des Klägers keine nachhaltige Bedeutung haben können, da sie bestenfalls eine anfängliche Unterstützung bzw. einen nur vorübergehenden Ausgleich schaffen können. Die 500,- EUR, die der Kläger bei einer Entscheidung zur freiwilligen Rückkehr über das REAG/GARP-Programm erhalten würden, vermögen ihm nur eine überschaubare Erleichterung zu bieten. Auch die Leistungen des ERIN-Programms stellt der Senat nicht in die Beurteilung ein. So besteht kein Rechtsanspruch auf diese Leistungen, weswegen unklar ist, ob der Kläger überhaupt Leistungen erhalten würde. Im Übrigen ist auch nicht im Voraus bestimmbar, welche Leistungen im Falle einer Leistungsgewährung vor Ort in Betracht gezogen werden könnten.
357 
Vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -.
358 
Gleiches gilt für die Geldleistungen des im Dezember 2017 neu aufgelegten StarthilfePlus-Programms, auf die ein Rechtsanspruch nicht besteht.
359 
(4) Schließlich ist auch im Hinblick auf die durchaus schwierige Sicherheitslage in Kabul ein Verstoß im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG, Art. 3 EMRK nicht festzustellen. So entspricht die Gefahrendichte in der Provinz Kabul insbesondere nicht der, wie sie im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zur Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) erforderlich wäre.
360 
Zur Heranziehung dieses Kriteriums im Rahmen des Art. 3 EMRK bzw. des § 60 Abs. 5 AufenthG vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteile vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris; vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/19 -, vom 14.08.2013 - A 11 S 688/13 - und vom 24.07.2013 - A 11 S 727/13.
361 
Denn bei einer auf das Jahr 2017 bezogenen rechnerischen Wahrscheinlichkeit von unter 0,07 %, aufgrund willkürlicher Gewalt getötet oder körperlich verletzt zu werden - ausgehend von dem Zahlenmaterial von UNAMA (siehe oben) - und einer Einwohnerzahl von 3.000.000 besteht keine tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen Behandlung allein aufgrund des Ausmaßes vorherrschender Gewalt im Falle einer Rückkehr. Die vermutlich zu niedrigen Angaben von UNAMA (siehe oben) werden hier durch eine konservative Annahme von Einwohnern der Provinz Kabul ausgeglichen. Bei einer qualitativen Bewertung ist aufgrund der Opferzahlen hier - wie auch bei der Heimatregion des Klägers - kein anderes Ergebnis geboten.
362 
Die oben beschriebenen Gefährdungen, denen sich der Kläger als Rückkehrer aus dem europäischen Ausland möglicherweise ausgesetzt sehen wird, führen auf keine tatsächliche Gefahr der unmenschlichen Behandlung. Denn die insbesondere auch von Stahlmann beschriebenen Sicherheitsrisiken für Rückkehrer aus Europa
363 
Stahlmann, Gutachten 2018, S. 299 ff.
364 
lassen allein den Rückschluss auf das bestehende Risiko des Eintritts einer tatsächlichen Gefahr zu. Das bedeutet, dass der Eintritt eines schädigenden Ereignisses zwar durchaus möglich ist, aber die Schwelle zur beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d.h. zur tatsächlichen Gefahr noch nicht überschritten ist. Denn aus den Schilderungen, Feststellungen und Schlussfolgerungen der Sachverständigen lässt sich für den Senat nicht erkennen, dass sich die beschriebenen Risiken bei so vielen Rückkehren realisierten, dass ein jeder Rückkehrer sich der tatsächlichen Gefahr der unmittelbaren Verelendung gegenübersähe. Weder gibt es über eine Häufung solcher Fälle (verlässliche) Berichte noch gibt es andere, aussagekräftige Indizien, die einen Rückschluss auf eine solche tatsächliche Gefahr zuließen.
365 
2. Aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG folgt für den Kläger kein nationales Abschiebungsverbot.
366 
a) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
367 
Dies kann aus individuellen Gründen - etwa wegen drohender An- oder Übergriffe Dritter oder auf Grund von Krankheit - der Fall sein (a)), kommt aber ausnahmsweise auch infolge einer allgemein unsicheren oder wirtschaftlich schlechten Lage im Zielstaat in Betracht (b)).
368 
aa) Vom Tatbestand des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG werden existentielle Gefahren wie Tötung, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung umfasst
369 
- Koch, in: BeckOK Ausländerrecht, Stand 15.08.2016, § 60 Rn. 40; Möller/Stiegeler, in: Hofmann u.a., Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 60 Rn. 33 -,
370 
sowie insbesondere auch solche auf Grund von Krankheit.
371 
Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 12.07.2015 - 1 B 84.16 - Rn. 4 m.w.N. sowie insgesamt auch BVerwG, Urteile vom 17.10.2006 - 1 C 18.05 - NVwZ 2007, 712, juris Rn. 14 ff.; vom 29.10.2002 - 1 C 1.02 - NVwZ 2003, Beilage Nr. I 7, 53 juris Rn. 9; vom 29.07.1999 - 9 C 2.99 -, juris Rn. 7 und vom 25.11.1997 - 9 C 58.96 -, NVwZ 1998, 524.
372 
Dabei reicht es entsprechend dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht aus, wenn eine Verfolgung oder sonstige Rechtsgutverletzung im Bereich des Möglichen liegt. Vielmehr muss sie bei zusammenfassender Bewertung des Sachverhalts und verständiger Würdigung aller objektiven Umstände dahingehend vorliegen, dass bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen eine ernsthafte Furcht vor der Rechtsgutverletzung gerechtfertigt ist, die für eine Rechtsgutverletzung sprechenden Umstände also größeres Gewicht haben als die dagegen sprechenden Tatsachen, wobei auch die Zumutbarkeit eines mit der Rückkehr verbundenen Risikos und der Rang des gefährdeten Rechtsguts von Bedeutung sind.
373 
Vgl. zusammenfassend HTK-AuslR/§ 60 AufenthG/zu Abs. 7 Satz 1 bis 4/ Rn. 8 sowie zum Maßstab bei individuellen Gründen u.a. auch BVerwG, Urteile vom 17.10.2006 - 1 C 18.05 -, NVwZ 2007, 712, juris Rn. 20 und vom 17.10.1995 – 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 1999, juris Rn. 16.
374 
bb) Neben den genannten individuellen Gefahren für Leib und Leben können unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise auch die generell herrschenden Lebensbedingungen im Zielstaat ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen.
375 
Zwar sind allgemeine Gefahren - also auch die die Bevölkerung insgesamt treffenden (schlechten) Lebensbedingungen in einem Land - gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Anordnungen zur vorübergehenden Aussetzung von Abschiebungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen und begründen demnach grundsätzlich kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine Ausnahme liegt aber bei einer extremen Gefahrenlage vor, welche sich wiederum auch aus den den Ausländer erwartenden Lebensbedingungen ergeben kann. So können die im Zielstaat herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage einen Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise begründen, wenn bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extreme Gefahrenlage vorläge. Denn dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Ob dies der Fall ist, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden.
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Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit strengeren Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde.
377 
Dazu u.a. BVerwG, Urteile 13.06.2013 - 10 C 13.12 -, NVwZ 2013, 1489 Rn. 12 f.; vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, Rn. 38.; vom 29.09.2011 – 10 C 24.10 -, NVwZ 2012, 451 Rn. 20; vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, NVwZ 2012, 240 Rn. 22 f. und vom 29.06.2010 - 10 C 10.09 -, juris Rn. 14 f.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, Rn. 28 zu den unterschiedlichen rechtlichen Maßstäben von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG60 Abs. 2 AufenthG a.F.) sowie auch Art. 3 EMRK einerseits und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG andererseits.
378 
Von diesem Maßstab ausgehend gewährt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter dem Gesichtspunkt der extremen Gefahrenlage keinen weitergehenden Schutz, als es § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK tut. Liegen also die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante, extreme Gefahrenlage aus.
379 
b) Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
380 
aa) Zum einen besteht keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Klägers aus individuellen Gründen. Insbesondere bestehen bei ihm keine individuellen Besonderheiten, etwa gesundheitlicher Art.
381 
bb) Zum anderen lässt sich auch aus den dargestellten, schlechten Lebensverhältnissen in Afghanistan ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht begründen. Denn die beschriebenen hohen Anforderungen, aus denen wegen einer extremen Gefahrenlage ausnahmsweise ein solches Abschiebungsverbot hergeleitet werden könnte, liegen nicht vor. So vermögen die - fraglos schlechten - Lebensverhältnisse vorliegend schon keinen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen (s.o.). Dass gerade der Kläger als leistungsfähiger, erwachsener Mann, im Falle einer Rückkehr alsbald sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde, kann der Senat danach nicht festzustellen.
III.
382 
Die Berufung ist daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2, zurückzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
383 
Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gründe

 
17 
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
18 
Dem Kläger kommt weder der geltend gemachte Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes noch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots zu. Die ablehnende Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erweist sich daher als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
I.
19 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes, da er keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsstaat ein ernsthafter Schaden droht, § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Dies gilt für alle drei Varianten des ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 AsylG.
20 
1. Dem Kläger droht weder die Verhängung noch die Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG).
21 
2. Ebenso wenig droht ihm Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Der Kläger bringt nicht mit Erfolg vor, individuell unmittelbar von dem Eintritt eines ernsthaften Schadens bedroht zu sein. Soweit er sich auf die Gefährdungen beruft, die sich aus den allgemeinen Lebensbedingungen in Afghanistan ergeben, fehlt es insoweit bereits an einem Verfolgungsakteur im Sinne des § 3c AsylG und des Art. 6 RL 2011/95/EU.
22 
a) Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die Vorschrift der Umsetzung der RL 2011/95/EU dient, ist sie in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b RL 2011/95/EU auszulegen. Unter Heranziehung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 15b RL 2011/95/EU und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK ist unter einer unmenschlichen Behandlung die absichtliche, d.h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden, die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen, zu verstehen.
23 
EGMR, Urteile vom 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S./Belgien und Griechenland), NVwZ 2011, 413 Rn. 220 m.w.N. sowie vom 11.07.2006 - 54810/00 - (Jalloh/ Deutschland), NJW 2006, 3117 Rn. 67; BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167 Rn. 22 ff. m.w.N.; siehe auch Hailbronner, Ausländerrecht, Mai 2017, § 4 AsylG Rn. 22 ff. und Jarass, Charta der Grundrechte, 3. Aufl. 2016, Art. 4 Rn. 9.
24 
Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Person zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen.
25 
Siehe auch Hailbronner, Ausländerrecht, Mai 2017, § 4 AsylG Rn. 22 ff.
26 
Im Rahmen des subsidiären Schutzes gilt für die Beurteilung der Frage, ob ein ernsthafter Schaden droht, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „... tatsächlich Gefahr liefe ..." des Art. 2f RL 2011/95/EU abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“).
27 
BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454 Rn. 20; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 20.03.2013 - 10 C 23.12 -, NVwZ 2013, 936 Rn. 32.
28 
Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der der Prognose zugrunde zu legen ist, gilt unabhängig davon, ob der Betroffene bereits vor seiner Ausreise einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlitten hat: Ein solcher Umstand stellte aber einen ernsthafter Hinweis dar, dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies folgt aus der Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU.
29 
b) aa) Ausgehend von diesen Maßstäben besteht keine tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Hinblick auf das individuelle Vorbringen des Klägers im Falle seiner Rückkehr. Denn der Senat glaubt dem Kläger nicht, dass er die von ihm berichteten Geschehnisse im Zusammenhang mit einem unfreiwilligen Waffentransport tatsächlich erlebt hat.
30 
Das Gericht trifft seine Entscheidung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Auch im Asylverfahren muss die danach gebotene Überzeugungsgewissheit dergestalt bestehen, dass das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit (nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit) des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangt hat. Wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich der Betroffene insbesondere hinsichtlich der von ihm vorgetragenen Vorgänge im vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel die Glaubhaftmachung, wodurch allerdings das Gericht nicht von einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist. Vielmehr darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen. Es muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind.
31 
Unter Berücksichtigung des beschriebenen Beweisnotstands kommt dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung zu, weswegen allein der Tatsachenvortrag des Schutzsuchenden zum Erfolg der Klage führen kann, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne „glaubhaft" sind, dass sich das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann.
32 
Grundlegend: BVerwG, Urteile vom 16.04.1985 - 9 C 109.84 -, NVwZ 1985, 567, juris Rn. 16 und vom 29.11.1977 - I C 33.71 -, juris, beide m.w.N.; außerdem: BVerwG, Beschlüsse vom 08.02.2011 - 10 B 1.11 -, NVwZ-RR 2011, 382 und vom 08.03.2007 - 1 B 101.06 -, BeckRS 2007, 22701; vgl. dazu auch Stuhlfauth, in: Bader, u.a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 108 VwGO Rn. 8, m.w.N.
33 
So sieht auch Art. 4 Abs. 5 RL 2011/95/EU unter bestimmten Umständen vor, dass die Einlassung des Schutzsuchenden ausreichend sein kann und es keiner Nachweise seiner Aussagen bedarf. Und zwar dann, wenn dieser sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu begründen, alle ihm verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen, und er eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben hat, festgestellt wurde, dass seine Aussagen kohärent und plausibel sind und sie zu den für seinen Fall relevanten, verfügbaren besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen, er internationalen Schutz zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt hat (es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war) und schließlich auch seine generelle Glaubwürdigkeit festgestellt worden ist.
34 
Vgl. dazu EuGH, Urteil vom 22.11.2012 - C-277/11 - (M.M./Irland), NVwZ 2013, 59.
35 
Es ist demzufolge zunächst Sache des Schutzsuchenden, die Gründe für seine Furcht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatstaat Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Erhebliche Widersprüche und Unstimmigkeiten im Vorbringen können dem entgegenstehen, es sei denn, diese können überzeugend aufgelöst werden. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Schutzsuchenden berücksichtigt werden.
36 
Dazu BVerwG, Beschluss vom 21.07.1989 - 9 B 239.89 -, NVwZ 1990, 171, juris Rn. 3 und 4; OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 2632/06.A -, BeckRS 2013, 55090 juris Rn. 59.
37 
Mit anderen Worten: Für die richterliche Überzeugungsbildung ist eine bewertende Gesamtschau des gesamten Vorbringens des Schutzsuchenden unter Berücksichtigung seiner individuellen Aussagekompetenz und seiner Glaubwürdigkeit erforderlich, die die Stimmigkeit des Vorbringens an sich, dessen Detailtiefe und Individualität, sowie dessen Übereinstimmung mit den relevanten und verfügbaren Erkenntnismitteln ebenso berücksichtigt wie die Plausibilität des Vorbringens, an der es etwa fehlen kann, wenn nachvollziehbare Erklärungen fehlen oder unterbleiben, falsche oder missverständliche Urkunden nicht erklärt werden können bzw. wenn Beweise oder Vorbringen ohne nachvollziehbaren Grund verspätet vorgebracht werden.
38 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.01.2018 - A 11 S 241/17 -, juris Rn. 50 ff.; International Association of Refugee Law Judges, Assessment of Credibility in Refugee and Subsidiary Protection claims under the EU Qualification Directive, Judicial criteria and standards, https://www.iarlj.org/images /stories/Credo/Credo_Paper_March 2013-rev1.pdf, Seite 33 f.).
39 
bb) Die Einlassungen des Klägers zu der angeblich erlebten Bedrohung durch zwei Personen, die ihn als Werkzeug für einen Waffentransport benutzt haben sollen, sind nicht glaubhaft, da sie in inhaltlich wesentlichen Teilen nicht kohärent sind und es auch an zentralen Stellen an einer überzeugenden Schilderung der Vorgänge mangelt und also die Einlassung keine hinreichen Substanz aufweist.
40 
Während der Kläger beim Verwaltungsgericht geschildert hatte, dass er nicht alle Kisten geöffnet habe und sich in manchen Kisten Pfirsiche und Melonen, in anderen Waffen, nämlich in ihre Einzelteile zerlegte Kalashnikov-Gewehre, befunden hätten, hat er gegenüber dem Senat angegeben, nur eine Kiste geöffnet zu haben, in der er Waffen und Munition gesehen habe. Die Männer hätten ihm gesagt, dass er Äpfel und Aprikosen transportieren solle. Die - auch auf Vorhalt nicht sinnvoll aufklärbaren - Unterschiede im Einlassungsverhalten hinsichtlich der Anzahl der geöffneten Kisten (eine oder mehrere) und des einmal tatsächlich gesehenen Obsts (Pfirsiche und Melonen) und das sodann nur als Ware benannten Obsts (Äpfel und Aprikosen) sind für den Senat nur dahingehend zu erklären, dass die zentralen Aspekte der Einlassung vom Kläger frei erfunden sind. Die Erklärung des Klägers, er habe beim Verwaltungsgericht nicht von Pfirsichen und Melonen gesprochen, ist erkennbar eine Schutzbehauptung. Insbesondere deswegen, weil die Verhandlung in beiden Instanzen vom gleichen Dolmetscher übertragen worden ist, schließt der Senat eine Verständigungsschwierigkeit mit dem Dolmetscher als Grund für die Abweichung aus. Überdies kann die Schutzbehauptung nicht erklären, weshalb er seinen Angaben beim Verwaltungsgericht zufolge auch Obst in den Kisten gefunden haben will, während er nach seinen letzten Erklärungen nur Waffen vorgefunden haben will.
41 
Die weitere Schilderung der Vorgänge bei der Übergabe der Kisten an den Kommandanten der Polizeistation ist sodann vollständig farblos und inhaltlich substanzlos geblieben, hier schilderte der Kläger allein den Umstand der Übergabe. Weder kamen in seiner Schilderungen Nachfragen zu den Auftraggebern vor, noch gab er sonstige Reaktionen des Kommandanten oder anderer Personen wider. Falls der Polizeikommandant mit den Auftraggebern des Klägers verbündet gewesen sein sollte, wäre zu erwarten gewesen, dass er das Verhalten des Klägers missbilligt hätte. Falls der Polizeikommandant an einer Aufklärung des Waffentransports Interesse gehabt hätte, wären Nachfragen zum Auftraggeber zu erwarten gewesen. In jedem Fall spricht es gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassungen, dass insoweit gar keine Reaktion geschildert worden ist. Dies bestätigt ergänzend, dass die Schilderungen des Klägers nicht der Wahrheit entsprechen können.
42 
Davon ausgehend lässt sich die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ausgehend von den individuellen Schilderungen des Klägers nicht feststellen.
43 
d) Die Gewährung subsidiären Schutzes auf Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt auch nicht unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der schlechten humanitären Situation in Afghanistan in Betracht. Denn es fehlt am erforderlichen Akteur, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c AsylG.
44 
Trotz der inhaltlichen Kongruenz von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG („Als ernsthafter Schaden gilt:... Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ...“) und Art. 3 EMRK („Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“)
45 
vgl. Storey, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Part D III, Art. 15 Rn. 3 f.
46 
führt das Vorliegen der tatsächlichen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK nicht zwingend zu einer Zuerkennung subsidiären Schutzes. Denn es reicht nicht aus, dass die Voraussetzungen eines Tatbestandes nach § 4 Abs. 1 AsylG erfüllt sind. Vielmehr sind - neben § 4 Abs. 2 AsylG - gemäß § 4 Abs. 3 AsylG auch die Anforderungen der § 3c bis 3e AsylG zu beachten, die für den subsidiären Schutz entsprechend gelten. Erforderlich ist daher, dass die Gefahr eines ernsthaften Schadens von einem der in § 3c AsylG genannten Akteure ausgeht, also vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens zu bieten.
47 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris
48 
Es ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, dass ein ernsthafter Schaden im Sinne des Art. 15b RL 2011/95/EU eine Situation nicht erfasst, in der eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung auf fehlende Behandlungsmöglichkeiten einer Krankheit im Herkunftsstaat zurückzuführen ist, solange die notwendige Versorgung nicht absichtlich verweigert wird. Dies folgt u.a. daraus, dass Art. 6 RL 2011/95/EU eine Liste der Akteure enthält, von denen ein ernsthafter Schaden ausgehen kann. Schäden im Sinne des Art. 15 RL 2011/95/EU müssen daher von bestimmten Dritten verursacht werden.
49 
EuGH, Urteil vom 18.12.2014 - C-542/13 - (M´Bodj), NVwZ-RR 2015, 158, insb. Rn. 35 und 41.
50 
Dies bekräftigend hat auch Generalanwalt ausgeführt, aus der Auslegung von Art. 6 RL 2004/83/EG - der Fall betrifft das Vereinigte Königreich - folge, dass die in Rede stehenden ernsthaften Schäden durch das Verhalten eines Dritten verursacht werden müssen. Ein Anspruch auf subsidiären Schutz ist nämlich nicht schon dann begründet, wenn nachgewiesen wird, dass für den Betroffenen bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bestünde. Es muss auch nachgewiesen werden, dass diese Gefahr auf Faktoren beruht, die den Behörden dieses Landes direkt oder indirekt anzulasten und ihnen stets bewusst sind, und zwar entweder weil die Behörden des Staates, dem der Betroffene angehört, ihn persönlich bedrohen oder diese Bedrohung tolerieren, oder weil diese Bedrohung auf unabhängige Gruppen zurückgeht, vor denen die Behörden ihre Staatsangehörigen nicht wirksam schützen können.
51 
GA Bot, Schlussanträge vom 24.10.2017 - C-353/16 - (MP/Vereinigtes Königreich), Rn. 28 - 30.
52 
Insbesondere trifft es nicht zu, dass Art. 3 EMRK eine erweiternde Auslegung von Art 15b RL 2011/95/EU gebieten würde
53 
so aber: Giesler/Wohnig, Uneinheitliche Entscheidungspraxis zu Afghanistan - Eine Untersuchung zur aktuellen Afghanistan-Entscheidungspraxis des BAMF und der Gerichte (Ergänzte Fassung zur Kurzfassung aus Asylmagazin 2017, 223) (asyl.net), dort S. 11.
54 
denn mit einer möglichen Versagung internationalen Schutzes wird unionsrechtlich nicht abschließend darüber entschieden, ob eine Rückführung in den Herkunftsstaat rechtlich zulässig ist, was sich u.a. aus Art. 5 RL 2008/115/EG ergibt. Der zu prüfende Grundsatz der Nichtzurückweisung ist hier umfassend und damit auch auf Art. 3 EMRK bezogen zu verstehen und damit weiter als derjenige aus Art. 33 Abs. 1 GFK.
55 
Vgl. Lutz, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Part C VII, Art. 5 Rn. 9.
56 
Diese Auslegung von Art. 15b RL 2011/95/EU, die der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht,
57 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris, vom 05.12.2017 - A 11 S 1144/17 -, juris und vom 17.01.2018 - A 11 S 241/17 -, juris
58 
steht im Einklang mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung.
59 
VG Berlin, Urteil vom 10.07.2017 - VG 34 K 197.16 A -, juris Rn. 54; VG Lüneburg, Urteil vom 15.05.2017 - 3 A 156/16 -, juris Rn. 51 f.; VG Osnabrück, Urteil vom 15.05.2017 - 1 A 19/17 -, asyl.net; außerdem: EASO, Qualification for International Protection Directive 2011/95/EU) - A judicial analysis, Dezember 2016, S. 109; vgl. auch Hinterberger/Klammer, Abschiebungsverbote aus gesundheitlichen Gründen: Die aktuelle EGMR- und EuGH-Rechtsprechung zum Non-Refoulement und deren Auswirkungen auf die deutsche Rechtslage, NVwZ 2017, 1180 [1181 f.] sowie wohl auch Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 4 Rn. 32 und Hailbronner, Ausländerrecht, Mai 2017, § 60 Rn. 57 zum „nicht in vollem Umfang“ identischen Schutzbereich von § 60 Abs. 5 AufenthG und von § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 RL 2011/95/EU/§ 4 AsylG.
60 
An einem somit erforderlichen Akteur fehlt es vorliegend. Denn die humanitäre Lage und die prekären Lebensumstände sind keinem der genannten Akteure nach § 3c AsylG zuzurechnen.
61 
st. Rspr des erkennenden Senats, VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.01.2018 - A 11 S 1265/17 -, juris Rn. 101 ff.; und vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris Rn. 108, dort zu § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, sowie auch - anknüpfend an die vorgenannte Entscheidung: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/12 -, juris.
62 
Die schlechte Versorgungslage (betreffend Nahrung, Wohnraum, Gesundheitsversorgung) wird durch die schlechte wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans, die dort herrschenden Umweltbedingungen (also insbesondere die schwierigen klimatischen Bedingungen sowie Naturkatastrophen) sowie maßgeblich durch die volatile Sicherheitslage negativ beeinflusst und bestimmt. Insofern ist nicht festzustellen, dass einem der in Betracht kommenden Akteure ein wesentlicher Beitrag direkt oder indirekt anzulasten wäre und eine Verhaltensänderung zu einer unmittelbaren Verbesserung der Lage führen könnte. Insbesondere wird weder die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten noch werden all diese Umstände gezielt herbeigeführt.
63 
Vgl. dazu im Folgenden die Darstellungen zu den Lebensverhältnissen im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK.
64 
Soweit teilweise in der Rechtsprechung vertreten wird, die schlechte humanitäre Lage sei überwiegend durch die seit Jahrzehnten herrschenden bewaffneten Konflikte und damit im Sinne von § 3c AsylG auf Aktionen staatlicher und nicht-staatlicher Konfliktparteien, gegen die der Staat keinen Schutz bieten könne, zurückzuführen,
65 
VG Köln, Urteil vom 12.12.2017 - 5 K 3637/17.A -
66 
übersieht dieser Ansatz gerade, dass die Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und damit auch Art. 15b RL 2011/95/EU eine gewisse Zielgerichtetheit des Verhaltens des Akteurs erfordert
67 
EASO, Qualification for International Protection (Directive 2011/95/EU) - A judicial analysis, Dezember 2016, S. 109;
68 
und daher reine Kausalitätserwägungen hier nicht anspruchsbegründend wirken können. Somit scheidet die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG in Ermangelung eines tauglichen Akteurs aus.
69 
3. Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen nicht vor.
70 
Nach dieser Vorschrift ist subsidiärer Schutz zuzuerkennen, wenn der Ausländer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden in Gestalt einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht.
71 
a) aa) Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist.
72 
EuGH, Urteil vom 30.01.2014 - C-285/12 - Diakité, NVwZ 2014, 573 Rn. 35
73 
bb) Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt aber außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffenen erscheinen lassen.
74 
EuGH, Urteil vom 17.02.2009 - C-465/07 - Elgafaji -, NVwZ 2009, 705 Rn. 43 und vom 30.01.2014 - C-285/12 - Diakité - NVwZ 2014, 573 Rn. 30.
75 
Der für die Annahme einer individuellen Gefahr in diesem Sinne erforderliche Grad willkürlicher Gewalt wird daher umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende zu belegen vermag, dass er aufgrund solcher individueller gefahrerhöhender Umstände spezifisch betroffen ist. Solche persönlichen Umstände können sich z.B. aus dem Beruf des Schutzsuchenden etwa als Arzt oder Journalist ergeben, da diese regelmäßig gezwungen sind, sich nahe an einer Gefahrenquelle aufzuhalten. Ebenso können solche Umstände aber auch aus einer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit herrühren, aufgrund derer der Schutzsuchende zusätzlich der Gefahr gezielter Gewalttaten ausgesetzt ist.
76 
Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.
77 
BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454 Rn. 19 m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 09.03.2017 - 13 A 2575/16.A -, juris Rn. 13; NdsOVG Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris.
78 
Das besonders hohe Niveau kann nicht allein deshalb bejaht werden, weil ein Zustand permanenter Gefährdungen der Bevölkerung und schwerer Menschenrechtsverletzungen im Rahmen des innerstaatlichen Konflikts festgestellt werden. Vielmehr erfordert die Bestimmung der Gefahrendichte eine quantitative Ermittlung der Verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl (Gewaltniveau). Außerdem muss eine wertende Gesamtbetrachtung erfolgen.
79 
BVerwG, Urteile vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn. 23 und vom 13.02.2014 - 10 C 6.13 -, juris Rn. 24; OVG LSA, Urteil vom 23.07.2014 - 3 L 53/12 -, juris Rn. 24 ff.; NdsOVG, Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris.
80 
Das Bundesverwaltungsgericht hatte in den Urteilen vom 17. November 2011
81 
10 C 13.10, Rn. 22 und 10 C 11.10, Rn. 20
82 
- bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres - ein Risiko von 1:800 (0,125 %) bzw. 1:1.000 (0,1 %) verletzt oder getötet zu werden, als weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt angesehen.
83 
Vgl. hieran anknüpfend auch: NdsOVG, Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; OVG LSA, Urteil vom 23.07.2014 - 3 L 53/12 -, Rn. 26, juris.
84 
Im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung sind bei der qualitativen Bewertung insbesondere auch die angewandten Methoden und Taktiken, die in dem Konflikt angewendet werden, die Anzahl der als Konfliktfolge Binnenvertriebenen und die kumulativen Effekte lang andauernder bewaffneter Konflikte und die medizinische Versorgungslage in den Blick zu nehmen.
85 
Vgl. auch EASO, Artikel 15 Buchstabe c der Anerkennungsrichtlinie (2011/95/EU) – Eine richterliche Analyse, Dezember 2014.
86 
Die Bedeutung der kumulativen Effekte lang andauernder bewaffneter Konflikte im Rahmen der Gesamtbetrachtung liegt - jedenfalls auch - darin, die mit zunehmender Konfliktdauer typischer- und vorhersehbarerweise ansteigende Anzahl und die ansteigende Schwere psychischer Erkrankungen als Folge der dauerhaften Bedrohungssituation angemessen zu würdigen. Indes sind solche Folgen schon deswegen nicht bei der quantitativen Betrachtung zu berücksichtigen, weil hier eine angemessene statistische Erfassung im Krisengebiet schlechterdings nicht vorstellbar ist.
87 
cc) Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Denn für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Der Begriff des „tatsächlichen Zielortes der Rückkehr“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH
88 
EuGH, Urteil vom 17.02.2009 - C-465/07 - Elgafaji -, NVwZ 2009, 705 Rn. 40, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167.
89 
ist daher kein rein empirischer Begriff, bei dem auf die tatsächlich wahrscheinlichste oder subjektiv gewollte Rückkehrregion abzustellen ist. Da § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vor den Gefahren eines - nicht notwendig landesweiten - bewaffneten Konflikts im Heimatstaat schützt, kommt bei der Bestimmung des Ortes der (voraussichtlichen) tatsächlichen Rückkehr der Herkunft als Ordnungs- und Zuschreibungsmerkmal eine besondere Bedeutung zu. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann daher auch nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat. Auch eine nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z.B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage) ändert nichts daran, dass diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz behält. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aus.
90 
Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167.
91 
b) Ausgehend von den Angaben des Klägers, vor seiner Ausreise mit seinen Eltern in deren Haus in der Provinz Maydan Wardak gelebt zu haben, ist auf diese Provinz für die Beurteilung des Anspruchs auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG abzustellen. Das dort vorherrschende Ausmaß an Gewalt genügt eindeutig nicht, um eine tatsächliche Gefahr des Erleidens eines ernsthaften Schadens anzunehmen.
92 
Zwischen dem 1. September 2016 und dem 31. Mai 2017 ließen sich 307 sicherheitsrelevante Zwischenfälle in der Provinz feststellen. Davon gingen 223 auf bewaffnete Auseinandersetzungen oder Luftangriffe, 33 auf Explosionen und 23 auf gegen Einzelpersonen gerichtete Gewalt zurück.
93 
EASO, Country of Origin Information Report - Afghanistan Security Situation, December 2017 S. 255.
94 
UNAMA hat für das Jahr 2017 83 Opfer (davon 42 Todesopfer) festgestellt, wobei die meisten dieser Zivilpersonen Opfer von Bodenkämpfen gewesen sind. Die Anzahl der Opfer in der Zivilbevölkerung hat sich damit im Vergleich zum Vorjahr um 35 Prozent reduziert.
95 
UNAMA, Annual Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Februar 2018 S. 67.
96 
Die Opferzahlen sind im Verhältnis von einer Bevölkerungszahl von rund 606.000 Personen
97 
EASO, Country of Origin Information Report – Afghanistan Security Situation, December 2017 S. 252.
98 
gesehen erkennbar nicht geeignet, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass eine jede Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, zu begründen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in den Statistiken von UNAMA alle Vorfälle unberücksichtigt bleiben, die nicht von drei unabhängigen, überprüfbaren Quellen bestätigt werden und daher ausgehend von diesem Ansatz eine Untererfassung der tatsächlichen Vorfälle zwingend vorliegen muss.
99 
vgl. Stahlmann, Gutachten 2018, S. 177.
100 
Denn bei einem von diesen Zahlen ausgehenden rechnerischen Risiko von 0,01 Prozent, als Zivilperson Opfer des Konflikts in Maydan Wardak zu werden, ist auch bei tatsächlich wesentlich höheren Opferzahlen eine tatsächliche Gefahr bei Weitem zu verneinen.
101 
Angesichts dieses bei quantitativer Betrachtung sehr niedrigen Risikos kann die gebotene qualitative Betrachtung im Rahmen der Gesamtbewertung hier auch auf keinen Anspruch des Klägers auf die Gewährung subsidiären Schutzes führen. Denn auch unter Berücksichtigung der mit allein für das Jahr 2017 festzustellenden, extrem hohen Anzahl neuer oder neuerlich Binnenvertriebener in Afghanistan, nämlich über 500.000 Personen,
102 
UNOCHA, Snapshot of Population Movements in 2017.
103 
und in Erwägung des Umstandes, dass der Bevölkerungsanteil, der aufgrund kriegsbedingter Bedrohungen psychisch erkrankt ist, voraussichtlich bei deutlich über 50 Prozent liegen dürfte
104 
Stahlmann, Gutachten 2018, S. 184 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, 5. April 2017, S. 2 f.
105 
lässt sich eine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für den Kläger allein aufgrund seiner Anwesenheit in seiner Heimatprovinz nicht feststellen. Es liegt hier ein Fall vor, bei der das aufgrund quantitativer Betrachtungen festgestellte geringe Risiko, aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen in Maydan Wardak getötet oder körperlich verletzt zu werden, schon die Folge hat, dass die qualitative Betrachtung hinsichtlich der allgemeinen, nicht auf individuellen Umständen (mit-)basierenden Gefährdungslage nicht mehr zur Bejahung des Tatbestandes des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG führen kann,
106 
zu dieser Fallgestaltung: BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454 Rn. 22.
107 
Soweit Stahlmann in ihrem Gutachten vom 28. März 2018 ausführt, es bestehe allein aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan im gesamten Staatsgebiet die Gefahr, einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden,
108 
Stahlmann, Gutachten 2018, S. 9.
109 
handelt es sich insoweit - in Beantwortung der vom Verwaltungsgericht Wiesbaden gestellten Frage - zunächst allein um eine dem erkennenden Senat vorbehaltenen rechtlichen Würdigung, der auch keine Indizwirkung zukommen kann. Die von ihr sodann geschilderten tatsächlichen Umstände zeigen zwar die besonderen Umstände der innerstaatlich bewaffneten Konflikte in Afghanistan auf, lassen aber zur Überzeugung des Senats keine für den Kläger günstigere Beurteilung zu. Denn die Tatsachen betreffen weit überwiegend Umstände, die allein bei der qualitativen Gesamtbetrachtung zu würdigen sind, die sich hier - wie ausgeführt - aufgrund der verhältnismäßig niedrigen Opferzahlen unter keinen Umständen auswirken kann.
II.
110 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots, weder auf der Grundlage von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (1.), noch auf der Grundlage von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (2.).
111 
1. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auf Grund der schlechten humanitären Bedingungen in Afghanistan besteht nicht. Denn die rechtlichen Voraussetzungen (a)) hierfür sind unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse in Afghanistan insgesamt (b)) und der in Kabul als Ankunfts- bzw. Endort der Abschiebung (c)) sowie in Ansehung der der persönlichen Situation des Klägers nicht gegeben (d)).
112 
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein.
113 
aa) Unter dem Begriff der unmenschlichen Behandlung ist die vorsätzliche und beständige Verursachung körperlicher Verletzungen oder physischen oder psychischen Leids zu verstehen, während bei einer erniedrigenden Behandlung nicht die Zufügung von Schmerzen, sondern die Demütigung im Vordergrund steht.
114 
Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen.
115 
Vgl. dazu bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 4 sowie insbesondere auch juris Rn. 71 m.w.N.
116 
Dieses ist immer dann anzunehmen, wenn diese Verhältnisse ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger, nicht staatlicher Akteure, die dem Staat zurechenbar sind, beruhen, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will.
117 
EGMR, Urteile vom 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S./Belgien und Griechenland), NVwZ 2011, 413 und vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681.
118 
Aber auch dann, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, weil es an einem verantwortlichen Akteur fehlt, können schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet dennoch als Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu qualifizieren sein, wenn ganz außerordentliche individuelle Umstände hinzutreten. Es sind also im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtigungsfähig, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen, sondern auch „nichtstaatliche“ Gefahren auf Grund prekärer Lebensbedingungen, wobei dies aber nur in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen in Betracht kommt.
119 
BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 - 10 C 13.12 -, NVwZ 2013, 1167, Rn. 24 f.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 5 sowie insbesondere auch juris Rn. 79 ff.; EGMR, Urteile vom 02.05.1997 - 146/1996/767/ 964 - (D./Vereinigtes Königreich), NVwZ 1998, 161; vom 27.05.2008 - 26565/05 - (N./Vereinigtes Königreich), NVwZ 2008, 1334; vom 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S./Belgien und Griechenland) - NVwZ 2011, 413; vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681 und vom 13.10.2011 - 10611/09 - (Husseini/Schweden), NJOZ 2012, 952.
120 
Wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Urteil vom 13. Dezember 2016
121 
- 41738/10 - (Paposhvili/Belgien), NVwZ 2017, 1187 Rn. 187 und 189,
122 
aber nunmehr ausdrücklich wiederholt auf die allgemeinen Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung hinweist, auf deren Hintergrund die besondere Lage des Betroffenen zu beurteilen ist, wird hinreichend deutlich, dass außergewöhnliche individuelle Umstände bzw. Merkmale auch solche sein können, die eine Person mit anderen Personen teilt, die Träger des gleichen Merkmals sind bzw. sich in einer im Wesentlichen vergleichbaren Lage befinden. Auch in einem solchen Fall kann ausnahmsweise ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu bejahen sein, wenn die Abschiebung zu einer ernsthaften, schnellen und irreversiblen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Betroffenen führen würde, die ein schweres Leiden oder eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zur Folge hätte.
123 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris.
124 
Bei entsprechenden Rahmenbedingungen können schlechte humanitäre Verhältnisse eine Gefahrenlage begründen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führt. Hierbei sind indes eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, darunter etwa der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung sowie die Chance, eine adäquate Unterkunft zu finden, der Zugang zu sanitären Einrichtungen und nicht zuletzt die finanziellen Mittel zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse, auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen usw.
125 
Vgl. dazu ausführlich BayVGH, Urteil vom 23.03.2017 - 13a B 17.30030 -, BeckRS 2017, 113717; dieser auch bereits in seinen Urteilen vom 21.11.2014 – 13a B 14.30285 -, BeckRS 2015, 41010 und - 13a B 14.30284 -; dort jeweils eingehend zur Bejahung von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen bezüglich Familien mit minderjährigen Kindern wegen der Rahmenbedingungen in Afghanistan (m.w.N.).
126 
Vorliegend sind allein die hohen Anforderungen der letztgenannten Fallgestaltung maßgeblich, da die hier unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK relevanten humanitären Verhältnisse in Afghanistan keinem Akteur zuzuordnen sind, sondern auf einer Vielzahl von Faktoren beruhen, darunter die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Versorgungslage betreffend Nahrung, Wohnraum, Gesundheitsversorgung, Umweltbedingungen wie Klima und Naturkatastrophen sowie die Sicherheitslage. Wie bereits ausgeführt ist nicht festzustellen, dass der afghanische Staat, die in Afghanistan aktiven internationalen Streitkräfte oder ein sonstiger (etwa nichtstaatlicher) Akteur die maßgebliche Verantwortung hierfür trügen, insbesondere, dass etwa die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten würde.
127 
so auch schon VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris Rn. 108 sowie auch anknüpfend an die vorgenannte Entscheidung: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/12 -, juris.
128 
bb) Sowohl die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als auch die des Bundesverwaltungsgerichts
129 
- EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681 Rn. 278, 282 f. und BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167 -
130 
machen deutlich, dass ein sehr hohes Schädigungsniveau erforderlich ist, da nur dann ein außergewöhnlicher Fall vorliegt, in dem die humanitären Gründe entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK „zwingend“ sind. So hat das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit, als es die allgemeine Lage in Afghanistan als nicht ausreichend ernst für die Feststellung einer Verletzung des Art. 3 EMRK eingestuft hat, die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation betont.
131 
BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167, insb. Leitsatz 3 -; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris Rn. 19.
132 
Dabei kann aber - schon nach der Gesetzessystematik - der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 5 AufenthG nicht, insbesondere auch nicht analog, herangezogen werden. Da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, lassen sich die ggf. erhöhten Anforderungen an eine ausreichende Lebensgrundlage im Fall einer internen Schutzalternative gemäß § 3e AsylG ebenfalls nicht übertragen.
133 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 180; BayVGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris Rn. 19.
134 
Ein Zusammenhang zwischen Art. 3 EMRK und § 3e AsylG besteht lediglich dergestalt, dass für den Fall, dass die Situation am vermeintlichen Schutzort einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstellte, dieser Schutzort den Anforderungen des § 3e AsylG nicht genügen würde.
135 
Vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 85 m.w.N.
136 
cc) Auch im Rahmen des Art. 3 EMRK ist nach der Rechtsprechung des EGMR eine tatsächliche Gefahr („real risk“) erforderlich, d.h. es muss eine ausreichende reale, nicht nur auf bloßen Spekulationen, denen eine hinreichende Tatsachengrundlage fehlt, gegründete Gefahr („a sufficiently real risk“) bestehen. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung muss danach aufgrund aller Umstände des Falles hinreichend sicher und darf nicht hypothetisch sein.
137 
EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681; Entscheidung vom 22.09.2009 - 30471/08 - (Abdolkhani und Karimnia/Türkei), InfAuslR 2010, 47; Urteil vom 17.07.2008 - 25904/07 - (NA./Vereinigtes Königreich), juris; Urteil vom 28.02.2008 - 37201/06 - (Saadi/Italien), NVwZ 2008, 1330 Rn. 140; vom 27.05.2008 - 26565/05 - (N./Vereinigtes Königreich), NVwZ 2008, 1334 sowie Urteil vom 06.02.2001 - 44599/98 - (Bensaid/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2002, 453.
138 
Um eine tatsächliche Gefahr und also auch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verletzung in den von Art. 3 EMRK geschützten Rechten annehmen zu können, bedarf es keiner überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts.
139 
EGMR, Urteil vom 28.02.2008 - 37201/06 - (Saadi/Italien), NVwZ 2008, 1330 Rn. 140.
140 
Erforderlich aber auch ausreichend ist danach die tatsächliche Gefahr der Folter oder unmenschlichen Behandlung, was dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht.
141 
BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 -, NVwZ 2011, 51 Rn. 22;
142 
Dies bedeutet auch, dass ein gewisser Grad an Mutmaßung dem präventiven Schutzzweck des Art. 3 EMRK immanent sein muss und es hier daher nicht um den eindeutigen, über alle Zweifel erhabenen Beweis gehen kann, dass der Betroffene im Falle seiner Rückkehr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre.
143 
EGMR, Urteil vom 09.01.2018 - 36417/16 - (X/Schweden) Rn. 50.
144 
dd) Des Weiteren ist für die Beurteilung, ob außerordentliche Umstände vorliegen, die - wie hier - nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen und die dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK eine Abschiebung des Ausländers verbieten zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet.
145 
BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167, Leitsatz 2 und EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681, Rn. 265, 301, 309.
146 
Dieser Ankunfts- bzw. Endort der Abschiebung ist hier Kabul.
147 
Vgl. zu den Flugverbindungen nach Afghanistan: Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 25 sowie zu den bislang durchgeführten Abschiebungen nach Kabul (etwa am 15. Dezember 2016, 24. Januar 2017, 23. Februar 2017 und am 28. März 2017): Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 3; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 12 m.w.N.
148 
Unter Berücksichtigung der landesweiten Lebensverhältnisse in Afghanistan und gerade der in Kabul ergibt sich, dass unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Klägers kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegt.
149 
b) Die relevanten Lebensverhältnisse in Afghanistan und die Situation von Rückkehrern gestalten sich wie folgt:
150 
Afghanistan hat insgesamt etwa 27 bis 34 Millionen Einwohner.
151 
Vgl. dazu Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.03.2017, aktualisiert am 27.06.2017, S. 150: 33,3 Millionen; so auch UK Home Office, Country Policy and Information Note. Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 11; vgl. auch „the world fact book“ - Afghanistan auf https://www.cia.gov/ für Juli 2017 geschätzt 34,124,811 Einwohner; ProAsyl, Afghanistan - No safe country for refugees - Mai 2017 -, S. 55: mindestens 31,5 Millionen; Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 18/Rn. 48: mindestens 30 Millionen; Islamic Republic of Afghanistan Central Statistics Organization - Estimated Population of Afghanistan 2017-2018, April 2017, S. 2: 29.724.323; Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 8/Rn. 30: 27 bis 32 Millionen.
152 
Über 40 % der Bevölkerung sind unter 15 Jahre, zwei Drittel unter 25 Jahre alt.
153 
Sam Hall, Urban displaced youth in Kabul - mental health matters, Juni 2016, S. 7.
154 
Geprägt wird das Leben der Menschen im Land von einer schwierigen wirtschaftlichen Situation (aa)) und Versorgungslage (bb)), von prekären humanitären Gegebenheiten (cc)) sowie von einer volatilen Sicherheitslage (dd)). Zudem sehen sich Rückkehrer aus dem westlichen Ausland zusätzlichen Gefahren ausgesetzt (ee)). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass Rückkehrer unter bestimmten Umständen spezielle Unterstützungsmaßnahmen erhalten können (ff)).
155 
aa) Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Es belegte im Jahr 2015 den Platz 171 und im Jahr 2016 den Platz 169 von 187 im Human Development Index. Mindestens 36 % der Bevölkerung des Landes leben unter der Armutsgrenze. Teils wird auch von einer Steigerung von 36 % für die Jahre 2007/2008 auf 39 % für die Jahre 2013/2014 berichtet, wobei ein Leben in Armut nach dem hier verfolgten Ansatz vorliegt, wenn das Einkommen unter der Armutsgrenze von 1.150 Afghani (20 US$) pro Monat liegt. Afghanistan weist im Vergleich mit allen asiatischen Ländern den höchsten Anteil armer Menschen auf. Die Zahl derjenigen, die humanitärer Unterstützung bedurften, hat sich von 2016 bis zum Beginn des Jahres 2017 um 13 % auf 9,3 Millionen erhöht. Dabei gibt es regionale Unterschiede. Sie reichen von einem Anteil von 27,7 % der Bevölkerung, die unter der Armutsgrenze lebt, im Südwesten bis zu 49,7 % im Nordosten.
156 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 21; vgl. auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich - Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 176; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 31 f. m.w.N.; Giesler/Wohnig, Uneinheitliche Entscheidungspraxis zu Afghanistan - Eine Untersuchung zur aktuellen Afghanistan-Entscheidungspraxis des BAMF und der Gerichte (Ergänzte Fassung zur Kurzfassung aus Asylmagazin 2017, 223) (asyl.net), S. 3 Fn. 17; World Food Programme, Country Brief, WFP Assistance, Juli 2017.
157 
Bei einer ohnehin schon zuvor schlechten Lage ist seit dem Jahr 2012 ein massiver Einbruch der Wirtschaft zu verzeichnen.
158 
Dazu Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73 (74) m.w.N.
159 
Sie sieht sich in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 konfrontiert mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90 % (von 140.000 internationalen Soldaten auf rund 14.000). Die Abwertung des Afghani gegenüber dem US-Dollar schreitet - bei gleichzeitiger Deflation - immer weiter voran. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum ist kurzfristig nicht in Sicht.
160 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 21.
161 
Zudem beruht die Wirtschaft zu großen Teilen auf irregulären und illegalen Aktivitäten, darunter der Opiumhandel.
162 
UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 15.
163 
Der Vergleich des Wachstums des Bruttoinlandsprodukts für das Jahr 2012 von 14,4 % mit dem des Jahres 2015, in dem nur noch 0,8 % Wachstum zu verzeichnen waren, macht den für das gesamte Land zu verzeichnenden Einbruch deutlich.
164 
Vgl. dazu Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73 (74) m.w.N. sowie dies. auch in ihrer landeskundlichen Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 12 m.w.N.; siehe auch Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul. Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 20. April 2017, 20.06.2017, S. 5.
165 
Seitdem wird das Wachstum auf ein bis zwei Prozent im Jahr geschätzt.
166 
Stahlmann, Gutachten 2018, S. 221.
167 
Auf Grund der abgeschwächten Konjunktur, unter anderem wegen der mangelnden Sicherheit und der politischen Ungewissheit, steht zu erwarten, dass das Bruttoinlandsprodukt allenfalls geringfügig weiterwachsen kann.
168 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 19 m.w.N.
169 
Diese Wirtschaftslage spiegelt sich auch beim Arbeitsmarkt wider, für den uneinheitliche Zahlen vorliegen.
170 
Vgl. EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 21 zur Bezeichnung der Arbeitsmarktzahlen als schwach und kontrovers ("weak and controversial").
171 
Je nach Quelle und Erfassungsweise werden etwa für das Jahr 2014 Arbeitslosenzahlen von 9,1 % bis 24 % genannt, teils wird - unter Berücksichtigung eines Anteils von 15,3 % unterbeschäftigter Personen - der Anteil der nicht erwerbstätigen Personen sogar mit 40 % angegeben.
172 
Im Einzelnen m.w.N.: EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 21.
173 
Im Jahr 2015 lag die landesweite Arbeitslosenquote bei 40 %. Der Anteil in den Städten war deutlich höher, da die Landwirtschaft, in der rund 60 % - in ländlichen Regionen sogar 70 % der erwerbstätigen Bevölkerung - tätig sind, weiterhin der stabilste Beschäftigungssektor ist.
174 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 21; Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73 (76) m.w.N. sowie dies. auch in ihrer landeskundlichen Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 13 m.w.N.; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2017, S. 2; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2.
175 
Auch für den Zeitraum Ende des Jahres 2016 wurde ein Arbeitslosenanteil mit etwa 40 % geschätzt und die Aussichten als sehr düster bezeichnet.
176 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 21; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 15.
177 
Ebenso werden für die Jugendarbeitslosigkeit sehr unterschiedliche Größenordnungen genannt. So gibt die Weltbank für das Jahr 2014 einen Anteil von 23 % bezüglich junger Frauen und 16 % hinsichtlich junger Männern an (bei 9,1 % für dieses Jahr im Allgemeinen). Die Jugendarbeitslosigkeit in den Städten soll um 50 % höher sein als die städtische Arbeitslosigkeit insgesamt.
178 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 22.
179 
Aktuelle Erhebungen zur Arbeitslosenquote soll es nicht geben.
180 
Stahlmann, Gutachten 2018, S. 222.
181 
Gerade der städtische Arbeitsmarkt ist durch die bereits erwähnten Änderungen des internationalen Engagements geprägt. Dort waren mit der plötzlichen Ankunft internationaler Organisationen zunächst Qualifikationen gefragt, die auf dem lokalen Arbeitskräftemarkt nach den langen Kriegsjahren tatsächlich Mangelware waren – darunter Englischkenntnisse, Arbeitserfahrung mit der in internationalen Organisationen gepflegten Bürokratie und formelle Ausbildungs- und Studienabschlüsse. Außerdem hatte der Bauboom in den Städten, insbesondere im grundlegend zerstörten und rapide wachsenden Kabul, zunächst einen Markt für ungelernte Arbeitskräfte geschaffen.
182 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 13 f. m.w.N.; dies., Asylmagazin 2017, S. 73 (74); zum Arbeitsmarkt in Kabul auch Kohler, InfAuslR 2017, 99 (101) mit Verweis auf Islamic Republic of Afghanistan - Central Statistics Organisation, Socio-Demographic and Economic Survey, Figure 11 und Figure 12, dort allerdings nur für das Jahr 2013.
183 
Damals hatten - in begrenztem Maße - selbst die traditionell familiär organisierten privatwirtschaftlichen Betriebe externe Arbeitskräfte aufgenommen (wenn auch in den Grenzen kriegsbedingter Freund-/Feindschemata, so dass Fremde im Sinne ethnischer, religiöser oder lokaler Zugehörigkeit weiterhin weitgehend ausgeschlossen waren). Diese Entwicklung hat sich allerdings durch den bereits als prägend erwähnten Abzug der internationalen Truppen wieder verflüchtigt. Der Bauboom hat sich als kurzfristig erwiesen und auch der Dienstleistungsbereich ist eingebrochen. Geblieben ist der Umstand, dass zur Erlangung einer der wenigen vorhandenen Arbeitsplätze nicht die schulische oder berufliche Ausbildung, Qualifikation oder Erfahrung ausschlaggebend sind, sondern Beziehungen. Dies gilt für den gesamten Arbeitsmarkt, insbesondere auch für Arbeitsplätze im Staatsdienst.
184 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 14 f. m.w.N.; dies., Asylmagazin 2017, 73 (76); anschaulich hierzu auch die Beispiele von Schuster zur allein durch (teils verwandtschaftliche) Beziehungen gekennzeichnete Einstellungspraxis ohne Rücksicht auf die Qualifikation an der Kabuler Universität und verschiedenen Ministerien: Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 15/Rn. 44; vgl. auch EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 23 und 68; vgl. auch die Beispiele zu Rückkehrern, die trotz Qualifikation mangels Beziehungen keine Beschäftigung fanden: Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 65 ff. m.w.N.; zur „untergeordneten“ Rolle von Eignung, Befähigung und Leistung bei der Verteilung administrativer Ämter auch Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 7.
185 
Gerade im Bereich der Arbeitsplätze für ungelernte Kräfte ist die Konkurrenz immens. Weil der Bausektor eingebrochen ist, erweist es sich als schwieriger, als Hilfsarbeiter oder Tagelöhner ein Auskommen zu finden. Dazu kommt, dass der Druck auf den Arbeitsmarkt vor allem in Städten rapide zugenommen hat, da die nicht konventionell umkämpften Städte wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif zunächst aufgesucht wurden.Dasselbe gilt für die große Mehrheit der unfreiwilligen Rückkehrer aus Pakistan und Iran, wenn sie keine Chance haben, in Herkunftsorte ihrer Familien zurückzukehren. Dieser Zuzug hat sich zwar vor allem in Kabul abgeschwächt, weil der Zugang zu Hilfen in Relation zu den außergewöhnlich hohen Lebenserhaltungskosten so eklatant unzureichend ist und sich die Sicherheitslage so deutlich verschlechtert hat. Der Zuzug besteht jedoch weiter fort und verschärft somit weiterhin auch die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt.
186 
Stahlmann, Gutachten 2018 S. 226 f.
187 
Das vor dem Hintergrund jahrzehntelanger Kriegs- und Konflikterfahrungen und anhaltender Alltagskriminalität als notwendig und bewährt erachtete System von Beziehungen bzw. Netzwerken ist geprägt durch eine Gegenseitigkeit, eine langfristige und belastbare Reziprozität. Wer in der Lage ist, einen Vorteil - etwa einen Arbeitsplatz - zu verschaffen, verknüpft hiermit die Erwartung, jedenfalls langfristig seinerseits einen Vorteil zu erlangen. Ist vom Arbeitssuchenden keine Gegenleistung zu erwarten, weil dieser nicht über die erforderlichen Beziehungen verfügt, ist nicht oder weniger zu erwarten, dass ihm eine Arbeitsstelle vermittelt wird. Ein entsprechendes Netzwerk ist daher der Schlüssel zum Arbeitsmarkt. Zudem gewährleistet das System der Empfehlungen, dass der Arbeitgeber sich sicher sein kann, dass der Arbeitssuchende, dessen örtliche und ethnische Herkunft sowie familiären Hintergrund er auf Grund der Empfehlung kennt, vertrauenswürdig ist.
188 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 67 f.: „Network as key to the job market“; Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 12. m.w.N.; Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 4/Rn. 12.
189 
So äußerten die meisten Arbeitgeber in einer Befragung zu ihrer Einstellungspraxis, sie nutzten das traditionellste System: Freunde (62,6 %) und Familie (57,9 %). Entsprechend beklagen die Arbeitssuchenden unabhängig von ihren Qualifikationen, dass die Vergabe von Arbeitsstellen von persönliche Verbindungen, sog. „wasita“ (wechselseitige Verbindungen zu Personen mit Macht oder Einfluss), abhängig sei. Erforderlich sind „shanaktht“ (jemanden kennen) und „safarish“ (eine Art Empfehlung). Nur etwa 15 % der Arbeitnehmer werden über den örtlichen Bazar angeworben, der größte Teil der Arbeitsplätze wird über Freunde oder Verwandte erlangt.
190 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 67.
191 
Die Beziehungen oder Netzwerke sind vielschichtig. Für manche besteht ihr Netzwerk aus nahen Verwandten, für andere ist es breiter angelegt und kann auch aus Freunden bestehen. Bei Angehörigen der Hazara kommt es vor, dass beim Zuzug in eine neue Stadt ein Netzwerk um die örtliche Moschee oder eine religiöse oder Wohlfahrtseinrichtung konzentriert ist. Ganz allgemein genügt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie allein noch nicht, um ein solides Netzwerk für die Arbeitssuche zu begründen.
192 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 68.
193 
Es findet sich die Aussage, dass Rückkehrer aus Europa aufgrund ihres sozio-politischen Ausschlusses keinen Zugang zu Netzwerken und ihren Ressourcen hätten. Das Konzept einer alleinstehenden Person entsprechend europäischen Verständnisses sei in Afghanistan nicht vorhanden, so dass die Hürden beim Zugang zu sozialen Netzwerken für abgeschobene Asylbewerber aus Europa nicht zu überwinden seien. Es sei für viele Afghanen im Wortsinn nicht „denk-bar“, ohne Zugehörigkeit zu sozialen Netzwerken zu überleben, was an der fundamentalen Bedeutung dieser Netzwerke und Familien im Zugang der Kontrolle von existenziellen Ressourcen liege.Die Macht über Vermittlung von Ressourcen und Sicherheit durch Familien und Netzwerke beruhe u.a. darauf, dass in der vorherrschenden Sozialordnung nicht das Individuum, sondern die Familie als kleinste soziale, ökonomische und politische Einheit verstanden werde. Der Versuch, als Individuum ohne soziale Netzwerke Zugang zu neuen sozialen Netzwerken zu bekommen, sei somit schlicht nicht vorgesehen.
194 
Stahlmann, Gutachten 2018, S. 205 f.
195 
Eine staatliche Arbeitsvermittlung oder gar eine Arbeitslosenunterstützung nach westlichen Vorstellungen gibt es nicht. Allerdings werden freie Stellen im öffentlichen Sektor vom Civil Service Commission Management Directorate der Kommission für Öffentlichen Dienst und Verwaltungsreform online angekündigt. Außerdem bietet eine Nichtregierungsorganisation (ACBAR) Unterstützung für Arbeitssuchende an. Sie befindet sich in Charahi Shaheed, Sherpoor Bezirk in Kabul. Auf ihrer Website besteht die Möglichkeit, sich mit einem Lebenslauf und Motivationsschreiben auf relevante Jobs zu bewerben.
196 
BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage: Medizinische Versorgung in Afghanistan, Unterstützung für Rückkehrer bei Arbeits- und Wohnungssuche, 21.09.2016; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2017, S. 2; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2.
197 
Soweit eine Arbeitsstelle gefunden werden kann
198 
- dazu Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul - Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 12.04.2017, 20.06.2017, S.10; siehe auch EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 22 zum „vulnerable employment“ -,
199 
ist das durchschnittliche Einkommen (insbesondere im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten, dazu sogleich) gering. Das durchschnittliche monatliche Einkommen in Afghanistan wird in verschiedenen Quellen mit 80 bis 120 US$ angegeben, teilweise wird ein Mindestlohn von 95 US$ für nur vorübergehend beschäftigte Arbeitskräfte genannt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass - wie ausgeführt - bei 36 % der afghanischen Bevölkerung der Lohn bei unter 20 US$ pro Monat liegt.
200 
IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2017, S. 2; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 23 f.
201 
Afghanistan bleibt eine hauptsächlich ländliche Gesellschaft, deren Wirtschaft maßgeblich auf der Landwirtschaft basiert. 76 % der Bevölkerung leben in ländlichen Gebieten. Mehr als die Hälfte der Arbeitskräfte des Landes ist im Bereich der Landwirtschaft beschäftigt. 96 % der Produktion bewegt sich im Bereich der Nahrungsmittelverarbeitung, also einem Bereich, der in hohem Maße von der Landwirtschaft abhängig ist.
202 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 22, 32.
203 
Die Landwirtschaft leidet allerdings - neben der problematischen Sicherheitssituation - insbesondere auch unter vielfältigen Naturkatastrophen, weswegen das World Food Programme das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch reagiert. Gerade der Norden - eigentlich die „Kornkammer“ des Landes - ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheit, Überschwemmungen und Erdrutschen ausgesetzt
204 
- Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 23; UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2018, Dezember 2017, S. 16.
205 
bb) Die Versorgungslage in Afghanistan ist schlecht. Wie bereits ausgeführt ist Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt, mit 9,3 Mio. Menschen, die Anfang 2017 auf humanitäre Hilfe angewiesen waren (s.o.). Für das Jahr 2018 geht UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs - von 3,3 Millionen Personen aus, bei denen ein akuter Bedarf an unmittelbar lebensrettender humanitärer Hilfe besteht sowie weiterer 8,7 Millionen Menschen, die einen chronischen Bedarf an Unterstützungsleistungen aufweisen. Dabei kann aus dem Unterschied in der Darstellung von 9,3 Millionen (2017) zu nun 3,3 Millionen (2018) Personen mit dringenden Bedarfen in den Angaben zum Angewiesensein auf humanitäre Hilfe nicht auf eine Verbesserung der Lage geschlossen werden. Denn der Unterschied geht auf eine abweichende Methode der Datenerfassung zurück
206 
UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2018, Dezember 2017, S. 15.
207 
Im Jahr 2016 waren etwa 1,6 Millionen Afghanen (nach den Daten von UNOCHA ein Anteil von 6 %) von schwerwiegender Ernährungsunsicherheit („severely food insecure“) betroffen, bei weiteren 9,7 Millionen Menschen (34 %) war dies in mäßiger Weise der Fall („moderately food insecure“).
208 
UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2017, November 2016, S. 5 f. und 26 sowie die Aufteilung nach Regionen auf S. 21; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 42 m.w.N.; vgl. auch UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 28; dort auch unter Bezugnahme auf UNOCHA der Hinweis auf die Wechselwirkung mit der steigenden Anzahl intern Vertriebener und Rückkehrer, die sich in den städtischen Zentren und Randgebieten sammeln sowie zur erwarteten Anzahl von mehr als einer Million neuer Rückkehrer im Sommer 2017); Ernährungsunsicherheit in den Vorjahren vgl. auch Sam Hall, Urban Poverty Report - A study of poverty, food insecurity and resilience in Afghan Cities, November 2014: S. 6 f., 43, 54 und 56 - die Hälfte der Haushalte in Städten und 68 % der intern Vertriebenen werden als ernsthaft von Ernährungsunsicherheit betroffen beschrieben.
209 
Für das Jahr 2017 war ein Anstieg auf 1,9 Millionen Personen, bei denen von einer schwerwiegenden Ernährungsunsicherheit auszugehen ist, zu verzeichnen. Ausgehend von der ernährungssicherheitsbezogenen Klassifizierung IPC (Integrated food security phase classification) bedeutet dies, dass sie mit einer extremen Nahrungsmittelunterversorgung konfrontiert sind, die zu akuter Mangel- oder Unterernährung mit einer überhöhten Sterblichkeitsrate führt. Weitere 5,6 Millionen Menschen werden der Gruppe zugeordnet, bei der eine akuter Nahrungsmittel und Existenzkrise angenommen wird, was bedeutet, dass eine beachtliche Nahrungsmittelunterversorgung vorliegt oder dass diese Unterversorgung nur durch den Verkauf letzter Vermögenswerte noch abgewendet werden kann. Schließlich ist bei weiteren 10 Millionen Menschen festzustellen, dass diese allein das Minimum der erforderlichen Nahrungsmittelversorgung sicherstellen können und damit eine vollständige Sicherung der Existenzgrundlage nicht gesichert erscheint.
210 
UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2018, Dezember 2017, S. 24.
211 
48 % der Haushalte von intern vertriebenen Personen, die in informellen Siedlungen in Kabul lebten, waren im Dezember 2015 ernsthaft von Ernährungsunsicherheit betroffen.
212 
UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2017, November 2016, S. 7.
213 
Insbesondere die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten haben dazu geführt, dass dort ca. eine Million oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gelten.
214 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 23.
215 
In den Städten allgemein und insbesondere der Hauptstadt Kabul sind die Lebenshaltungskosten im Verhältnis zum Einkommen hoch. So finden sich - jeweils auch abhängig vom Lebensstil - Angaben von 100 bis 150 EUR oder 150 bis 250 US$ für einen alleinstehenden Mann in Kabul
216 
- BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation I: Lebenshaltungskosten in Kabul für alleinstehenden Mann, 09.05.2017; BAMF/ZIRFIOM, ZIRF-Anfrage: Lebenshaltungs-/Mietkosten in Kabul; Taxilizenz, 22.04.2016; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017, S. 188 -
217 
und mindestens 250 bis zu 600 EUR pro Monat für eine Familie, bestehend aus einem Vater und drei Kindern
218 
- BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation II: Lebenshaltungskosten in Kabul für Familie mit Vater und 3 Kindern, 09.05.2017 -,
219 
wobei jeweils noch keine Unterbringungs-/Mietkosten enthalten sind.
220 
Für die Kosten von Wohnraum finden sich - auch abhängig von der Lage - Angaben von einer Monatsmiete für ein Zimmer in Höhe von 100 US$, für ein Einzimmerapartment in Kabul von 88 US$/6.000 Afghani bis zu 146 US$/10.000 Afghani oder auch in Höhe von 160 bis 180 EUR (zuzüglich Nebenkosten von etwa 20 bis 25 EUR/Monat) sowie auch 300 US$. Die Miete für eine Dreizimmerwohnung in Kabul wird mit ca. 300 EUR/Monat bei Nebenkosten in Höhe von etwa 30 EUR angegeben, aber auch Preise von 400 bis 600 US$ zuzüglich Nebenkosten von etwa 40 US$ pro Monat werden genannt.
221 
Schuster, Report for the Upper Tribunal, 08.11.2016, S. 14/Rn. 41; BAMF/ZIRFIOM, ZIRF-Anfrage: Lebenshaltungs-/Mietkosten in Kabul; Taxilizenz, 22.04.2016; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017, S. 188; BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation I: Lebenshaltungskosten in Kabul für alleinstehenden Mann, 09.05.2017; BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation II: Lebenshaltungskosten in Kabul für Familie mit Vater und 3 Kindern, 09.05.2017; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2017, S. 3; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2; Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 16; dies., Asylmagazin 2017, S. 73 (76); vgl. auch Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 16/Rn. 42: Einzelzimmer für 4.000 bis 6.000 Afghani, bei einem Lohnniveau von 4.000 bis 4.500 Afghani pro Monat; EASO, Country of Origin Information Query - Query concerning the situations of returnees to Afghanistan, 22.06.2017, S. 7 m.w.N.: 300 US$.
222 
Die im Vergleich zum realistischer Weise zu erzielenden Einkommen immensen Unterbringungskosten bei gleichzeitig großem Zustrom neuer Einwohner erklären, dass etwa drei Viertel der Menschen in Slums lebt.
223 
Dazu ProAsyl, Afghanistan - No safe country for refugees, Mai 2017, S. 4; Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 16; dies., Asylmagazin 2017, S. 73 (76 f.).
224 
Sofern Wohnraum auf dem freien Markt verfügbar ist, haben in aller Regel wiederum nur diejenigen eine Chance darauf, die einen Bürgen beibringen können und in der Lage sind, bis zu sechs Monatsmieten im Voraus zu bezahlen. Im Rahmen der Wohnungssuche benötigt man also außergewöhnliche finanzielle Ressourcen, um eine Chance auf eine winterfeste Unterkunft zu haben, aber auch die beschriebenen sozialen Netzwerke. Diese sowie der Umstand, dass sich jemand für den künftigen Mieter und dessen vertrauenswürdigen Charakter gleichsam verbürgt, gewährleisten aus Sicht des Vermieters eine gewisse Sicherheit sowie insbesondere auch, dass der Mieter kein „unmoralisches“ Verhalten an den Tag legt und seine Miete zahlen wird.
225 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 16; dies., Asylmagazin 2017, S. 73 (76 f.); Schuster, Report for the Upper Tribunal, 08.11.2016, S. 4/Rn. 12 und auch S. 14/Rn. 41 und S. 15/ Rn. 44 m.w.N.
226 
Es gibt keine NGOs oder öffentliche Organisationen, die bei der Wohnungssuche unterstützen. Immobilienmakler bieten einen entsprechenden Service im Austausch für eine Monatsmiete von Mieter und Vermieter an.
227 
BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage: Medizinische Versorgung in Afghanistan, Unterstützung für Rückkehrer bei Arbeits- und Wohnungssuche, 21.09.2016.
228 
Zwischen den Verhältnissen in den urbanen Zentren und den ländlichen Gebieten Afghanistans herrscht ein eklatantes Gefälle. Es fehlt außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte vielerorts an grundlegender Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport. Der Anteil der Bevölkerung, der Zugang zu Trinkwasser hat, beträgt nur 46 %.
229 
Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage vom 19.10.2016 - Stand September 2016 -, S. 21; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 31.
230 
cc) Verschärft wird die Lage - insbesondere auf dem Arbeits- und dem Wohnungsmarkt - nicht zuletzt aufgrund erheblicher Migrationsbewegungen.
231 
Für das gesamte Land ist eine erhebliche, zudem stetig ansteigende Anzahl an Migranten festzustellen. Es handelt sich sowohl um Binnenvertriebene (internally displaced persons - IDPs), Rückkehrer (insbesondere aus Iran und Pakistan sowie aus dem westlichen Ausland) und Wirtschaftsmigranten.
232 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 40.
233 
Im Jahr 2015 gab es in ganz Afghanistan mindestens 1,1 Millionen Binnenvertriebene.
234 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 21: zwischen 1,1 und 1,2 konfliktinduzierte Binnenflüchtlinge.
235 
Im April 2016 war deren Zahl auf 1,2 Millionen geschätzt worden.
236 
Stahlmann, Asylmagazin 2017, S. 73 (74 f.) m.w.N.;. a.i., My children will die this winter - Afghanistan´s broken promise to the displaced, 31.05.2016, S. 7.
237 
Bis Jahresende wurden 2016 insgesamt 620.000 bis 650.000 Menschen als kriegsbedingt vertrieben ausdrücklich und aktenkundig registriert - das sind dreimal so viele wie 2014 und sechsmal so viele wie 2012.
238 
Stahlmann, Asylmagazin 2017, S. 73 (74) m.w.N.: 623.345; General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017: S. 9 zur Verschlechterung bis ins Jahr 2017 mit Rekordzahlen neuer, konfliktbedingter Binnenvertreibung in Höhe von 651.751 Personen; vgl. auch Bericht des Auswärtigen Amts zur Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017 -, S. 10.
239 
Für das Jahr 2017 hat UNOCHA 501.000 neue Binnenvertriebene festgestellt, wobei sich ein Großteil der Betroffenen in der Provinz Nangarhar aufhalten. Über 100.000 Binnenvertriebene und Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran leben in provisorischen Unterkünften, Zelten oder unter dem freien Himmel.
240 
UNOCHA, Snapshot of Population Movements in 2017, UNOCHA, Humanitarian Bulletin Afghanistan, Issue 73, 1 – 28 February 2018.
241 
Im Jahr 2016 sind etwa eine Million Menschen aus Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei als Rückkehrende auch jene gelten, deren Eltern schon im benachbarten Ausland geboren wurden. Hintergrund ist, dass der Iran vermehrt afghanische Staatsangehörige abschiebt. Nachdem Pakistan im Herbst 2016 entschieden hatte, ab April 2017 keine afghanischen Personen mehr im Land zu dulden, gewährt Pakistan nunmehr auf Antrag afghanischen Staatsangehörigen wieder einen befristeten legalen Aufenthaltsstatus.
242 
UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Inneren - Dezember 2016, S. 4 zum Rekordniveau von interner Flucht und Vertreibung für das Jahr 2016: ca. 372.000 + 242.000 Flüchtlinge aus Pakistan und 420.000 aus dem Iran; Stahlmann, Asylmagazin 2017, S. 73 (74): 1.034.000 Rückkehrer aus Iran und Pakistan; a.i., Amnesty Report 2017 - Afghanistan (Berichtszeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016): S. 1; Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 16 f./Rn. 43; UN General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017: S. 9; UN General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 28.02.2018, S. 11.
243 
Für 2017 hat IOM (bis einschließlich 16. Dezember 2017) über 538.000 Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan erfasst, in den ersten drei Monaten des Jahres 2018 sind über 160.000 Rückkehrer gezählt worden.
244 
IOM, Return of Undocumented Afghans, Weekly Situation Report 10-16 December 2017 und IOM, Return of Undocumented Afghans, Weekly Situation Report 25 -31 March 2018
245 
Plastisch hat der UNHCR die Versorgungs- und humanitäre Situation zusammengefasst. Er beschreibt, dass infolge des allgemein gestiegenen Sicherheitsrisikos - einschließlich der Zunahme der die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen betreffenden Sicherheitsvorfälle - der Zugang zu den betroffenen Menschen für humanitäre Hilfsorganisationen begrenzt ist. Die begrenzte Präsenz jener Organisationen in den vom Konflikt betroffenen Gebieten behindert insbesondere den Zugang zu lebensrettender Unterstützung für die besonders schutzbedürftigen Teile der Bevölkerung. Jahrzehnte der Konflikte und wiederkehrender Naturkatastrophen haben die afghanische Bevölkerung in einen Zustand großer Schutzbedürftigkeit versetzt und die Überlebensmechanismen vieler Menschen erschöpft. Der fortwährende Konflikt greift durch die Zerstörung von Lebensgrundlagen und von Viehbestand, steigende Raten ansteckender Krankheiten, verstärkte Vertreibung, ständige Menschenrechtsverletzungen und höhere Kriminalitätsraten diese Schwachstellen weiter an. Ebenso haben der andauernde Konflikt, schwache Regierungsgewalt sowie ineffiziente oder korrupte Institutionen dazu geführt, dass Vorbereitungsmaßnahmen im Hinblick auf Katastrophen, Risikoreduzierung und Notfallmechanismen Berichten zufolge nicht oder kaum vorhanden sind. In der Folge stellen Naturkatastrophen wie Überflutungen, Schlammlawinen, Erdbeben, Dürren und harte Winter eine weitere Belastung für die Bevölkerung dar, deren Widerstandskraft ohnehin bereits geschwächt wird.
246 
UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 30 f.; vgl. auch UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2017, November 2016, S. 8.
247 
dd) Des Weiteren ist die Situation der Menschen in Afghanistan bestimmt durch eine anhaltend schlechte Sicherheitslage.
248 
Sie ist - bei starken regionalen Unterschieden - anhaltend volatil.
249 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 4. Ruttig in Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul - Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 12.04.2017, 20.06.2017, S. 4 ff.
250 
Afghanistan besetzt auf dem Global Peace Index (GPI) des Jahres 2017 bei den am wenigsten friedlichen Ländern den zweiten Platz hinter Syrien. In der weiteren Beschreibung des GPI wird dazu ausgeführt, die Gesamtbewertung Afghanistans habe sich das sechste Jahr in Folge weiter verschlechtert. Die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen hat beginnend mit den ersten Monaten des Jahres 2017 wieder zugenommen.
251 
UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 14 m.w.N. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 13 f.
252 
Eine Bedrohung für Leib und Leben von Zivilisten geht von den Kampfhandlungen der Konfliktparteien, aber auch von improvisierten Sprengkörpern, von Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. UNAMA gab im Bericht betreffend den Schutz von Zivilisten im bewaffneten Konflikt für das Jahr 2017 eine Zahl von 10.453 zivilen Opfern an, davon 7015 Verletzte und 3438 Tote. Damit stellte UNAMA einen Rückgang der Anzahl ziviler Opfer um 9 Prozent gegenüber dem Jahr 2016 fest, wobei dieser Rückgang fast ausschließlich auf die Zahl der Verletzten, nicht aber auf die Anzahl der getöteten Zivilpersonen zurückzuführen ist. UNAMA nimmt dabei an, dass sich diese Entwicklung auf die weit geringere Anzahl von Kollateralschäden bei Bodenkämpfen zurückführen lässt, da die Zahl der Opfer bei Selbstmord- und anderen Anschlägen weiter auf nunmehr 2.295 (605 Tote und 1.690 Verletzte) angestiegen ist. Dabei ist die Bevölkerung immer dann gefährdet, wenn sie bei Kämpfen der Konfliktparteien zwischen die Fronten gerät oder Opfer improvisierter Sprengsätze wird, die für andere Ziele gedacht waren. Weniger ausschlaggebend ist dagegen, ob die afghanischen Sicherheitskräfte oder die Taliban die Kontrolle über einen Raum ausüben.
253 
Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 8 f. UNAMA, Annual Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Februar 2018, S. 1.
254 
Während zivile Opfer in ländlichen Gebieten vor allem auf Kampfhandlungen, Landminen, improvisierte Sprengsätze und Übergriffe von nicht-staatlichen Gruppen zurückzuführen sind, stellen für die städtische Bevölkerung vor allem Selbstmordanschläge, komplexe Attacken, gezielte Tötungen und Entführungen Bedrohungen dar. Dies gilt insbesondere für Kabul.
255 
Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 9.
256 
Ein großer Teil des Landes wird von regierungsfeindlichen Kräften beherrscht, wobei die jeweilige Vorherrschaft der unterschiedlichen Kräfte ständigem Wandel unterworfen ist. Im ersten Quartal 2017 waren nur etwa 60 % der 407 Distrikte des Landes unter der Kontrolle oder dem Einfluss der afghanischen Regierung, was einen Anstieg um 2,5 Prozentpunkte im Vergleich zum Stand Mitte November 2016, aber einen Rückgang um 11 Prozentpunkte im Vergleich zum ersten Quartal 2016 bedeutet. Die Taliban behaupteten, 16 der 34 Provinzen Afghanistans zu kontrollieren und in nur 89 Distrikten nicht präsent zu sein. In den südlichen Provinzen Helmand, Nimruz, Uruzgan, Zabul, Ghazni würden beinahe alle Distrikte von ihnen kontrolliert bzw. seien zumindest „umkämpft“.
257 
UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 22 f. m.w.N.; siehe auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 27.
258 
Unter dem direkten Einfluss der Taliban standen im dritten Quartal 2016 etwa 2,9 Millionen Menschen, im vierten Quartal waren es noch ungefähr 2,5 Millionen.
259 
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 26 f.
260 
Die afghanische Regierung konnte dabei die Kontrolle über Kabul sowie die Hauptbevölkerungszentren, die meisten Schlüsselverbindungsstrecken, Provinzhauptstädte und die Mehrzahl der Distriktzentren behalten, wobei Distriktzentren und Provinzhauptstädte von Taliban bekämpft bzw. bedroht und diese sich zeitweise der Hauptkommunikationsverbindungen im Land bemächtigt haben, insbesondere in den Provinzen Kunduz und Helmand.
261 
UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 23 m.w.N.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 24.
262 
In Afghanistan - aber auch grenzüberschreitend Richtung Pakistan - sind mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke aktiv, darunter die Taliban, das Haqqani Netzwerk (verbündet mit den Taliban, aber nicht Teil von deren Kernbewegung), der Islamische Staat (auch Daesh) in Gestalt des IS-Zweigs ISKP (auch ISIL-KP) sowie al-Qaida.
263 
Zu den einzelnen Gruppen ausführlich u.a.: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 10 ff. und 27 ff.
264 
Die Sicherheitslage wird außerdem durch den Opiumanbau in Afghanistan beeinträchtigt. Die Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen sowohl die Aufständischen als auch daneben bestehende kriminelle Netzwerke. Die Anbaufläche für Opium vergrößerte sich im Jahr 2016 im Vergleich zu 2015 um 10 % auf etwa 201.000 Hektar und 2017 um 63 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das für das Jahr 2016 geschätzte Volumen der Opiumproduktion betrug 4.800 Tonnen, dasjenige für 2017 bei 9.000 Tonnen. Die Steigerungen erklären sich aus guten Anbaubedingungen bei zugleich weniger effektiven staatlichen Bekämpfungsmaßnahmen aufgrund von fehlenden finanziellen Ressourcen hierfür sowie der schlechten Sicherheitslage.
265 
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 31; General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017, S. 11; UN General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 28.02.2018, S. 32; zur Instabilität infolge des Opiumhandels: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 15.
266 
ee) Rückkehrer aus dem westlichen Ausland - freiwillig Zurückgekehrte aber auch Abgeschobene - sind zusätzlichen Risiken ausgesetzt. Sie sehen sich dem generellen Verdacht gegenüber, ihr Land und ihre religiöse Pflicht verraten zu haben.
267 
Stahlmann, ZAR 2017, 189 (196); dies., Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 4, je m.w.N.; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 97, insb. Rn. 545.
268 
Ein Aufenthalt im westlichen Ausland wird vermehrt dahin wahrgenommen, der Zurückkehrende habe sich der europäischen Kultur und dem Lebensstil angepasst. Es herrscht die Erwartung, der Betroffene werde entsprechendes (Fehl-) Verhalten auch in Afghanistan weiter an den Tag legen, etwa außereheliche Beziehungen, Alkohol- und Drogenkonsum und alle möglichen Varianten von Apostasie. Schon entsprechende Gerüchte können ausreichen, um staatliche Verfolgung, jedenfalls aber Selbstjustiz bis hin zur Bestrafung mit dem Tod - auch durch Angehörige - wegen des vermeintlichen Bruchs kultureller und religiöser Normen auszulösen.
269 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 7 ff. m.w.N., dies., Asylmagazin 2017, 82 (83); Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 22. Januar 2016 zu Afghanistan: Situation einer ledigen Mutter der Hazara-Ethnie in Kabul, 22.01.2016, S. 9 f. sowie US Department of State, Afghanistan 2016 Human Rights Report, 17.03.2017, S. 11; zum Risiko der vermeintlichen „Kontamination“ durch die westliche Lebensweise: Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. S. 4 f./Rn. 13 und dies., Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 19/Rn. 49; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 29 ff. m.w.N.;
270 
Die Unterstützung durch Angehörige und Familie - soweit vorhanden - ist darüber hinaus des Öfteren eingeschränkt, weil die Rückkehr nach Afghanistan als Ausdruck des Versagens trotz des vermeintlich leichten Lebens im Westen verstanden wird und gleichzeitig der Verdacht schwelt, der Zurückkehrende habe womöglich eine schwere Straftat in Europa begangen. Denn nach einer in Afghanistan weit verbreiteten Auffassung schiebt Europa nur Straftäter ab, weshalb ein Abgeschobener im vermeintlich regellosen Europa ein schweres Verbrechen verübt haben müsse.
271 
Stahlmann, Gutachten 2018 S. 301 und dies. Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 9; zum Stigma des Versagens auch Naber, Asylmagazin 2016, 3 (7) und auch Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 35 sowie S. 36 zur Assoziation der Rückkehr mit Kriminalität, je m.w.N.
272 
Außerdem kann einer Unterstützung durch die Familie entgegenstehen, dass diese erhebliche Mittel aufgewendet oder sogar Geld geliehen hat, um die Reise zu finanzieren. Neben dem Vorwurf, der Zurückkehrende habe die erwartete (Versorgungs-) Leistung nicht erbracht, droht auch die Rückforderung durch Kreditgeber, mit der Folge, dass ein Rückkehrer seiner Familie nicht willkommen, sondern „bestenfalls“ nur eine Belastung für diese ist.
273 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 38 und 41.
274 
Des Weiteren wird als Gefahr beschrieben, dass die Taliban die Flucht als ein Verhalten werten, mit dem man sich ihrem Machtanspruch entziehen will. Nachvollziehbar erscheint angesichts dessen, dass von Seiten der Taliban das Interesse bestehen soll, zur allgemeinen Abschreckung diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die sich ihnen entzogen haben.
275 
Stahlmann, ZAR 2017, 189 (196); dies., Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 4 ff., je m.w.N.; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 41 f.; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 33 f. m.w.N.
276 
Entsprechend wird die ohnehin allgemein übliche Überprüfung der Biographie der Rückkehrer durch das neue soziale Umfeld noch sorgfältiger als üblich vorgenommen, da sie wegen ihrer Flucht grundsätzlich verdächtigt werden, sich persönlicher Verfolgung entzogen zu haben - sei es durch militante Gruppierungen oder Privatpersonen.
277 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 5, m.w.N.; ähnlich Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 40 und 43 m.w.N. vgl. auch S. 35 m.w.N. zur Problematik der Diskriminierung/Entlassung bei Bekanntwerden eines vorangegangenen Aufenthalts im westlichen Ausland.
278 
Zudem wird angesichts des - grob verzerrt und übersteigert wahrgenommenen - Reichtums in Europa („Jeder Europäer ist (Euro-)Millionär“) in Afghanistan oft davon ausgegangen, dass Rückkehrer während ihrer Zeit im Westen zu Wohlstand gekommen sind. Sowohl sie selbst als auch ihre Familien laufen daher Gefahr, Opfer von Entführungen zu werden, die lebensbedrohlich sein können, insbesondere wenn nicht gezahlt wird oder werden kann. Das gleiche gilt für bekanntgewordenen Kontakt mit Ausländern.
279 
Stahlmann, Gutachten 2018, S. 321 ff.; dies, ZAR 2017, 189 (198); dies., Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 10 f., je m.w.N.; Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 6 f./Rn. 18 sowie Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 20/Rn. 52; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 29 f. und S. 40, je m.w.N.
280 
Schließlich berichten Rückkehrer von Problemen mit Behörden oder Sicherheitskräften, insbesondere, weil sie als anders aussehend wahrgenommen werden, weil sie keine Tazkira haben, aber auch, weil sie als Sicherheitsrisiko empfunden werden, da sie mangels Ausbildung und mangels Chancen auf Arbeit als potentielle Drogenhändler oder durch bewaffnete regierungsfeindliche Kräfte leicht zu rekrutierende Personen gesehen werden.
281 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 18.
282 
ff) Andererseits können Rückkehrer - anders als die übrige Bevölkerung - von Unterstützungsmaßnahmen profitieren.
283 
Zusammenfassend hierzu: Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 6 f. und Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 19 bis 29.
284 
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet in Deutschland verschiedene Rückkehrhilfen an. Unterstützung in Gestalt von Geldzahlungen können afghanische Rückkehrer, die sich freiwillig in ihr Heimatland zurückbegeben, über zwei Programme des IOM erlangen.
285 
Das REAG/GARP-Programm 2017 („Reintegration and Emigration Program for Asylum-Seekers in Germany“/„Government Assisted Repatriation Program“) gewährt eine Reisebeihilfe (etwa die Übernahme der Beförderungskosten) sowie eine Starthilfe, die für Erwachsene und Jugendliche 500 EUR und für Kinder unter zwölf Jahren 250 EUR beträgt.
286 
IOM, REAG/GARP-Programm 2017, Informationsblatt Projekt „Bundesweite finanzielle Unterstützung freiwilliger Rückkehrer/Innen“ (Juli 2017), S. 1; IOM, REAG/GARP-Programm 2017, Projekt „Bundesweite finanzielle Unterstützung freiwilliger Rückkehrer/Innen“, Merkblatt für deutsche Behörden, Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, Fachberatungsstellen, zentrale Rückkehrberatungsstellen, Ausländerbeauftragte und den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCHR) (Juli 2017), S. 5); IOM, REAG/GARP-Programm 2017, Projekt „Bundesweite finanzielle Unterstützung freiwilliger Rückkehrer/Innen“, Merkblatt für deutsche Behörden, Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, Fachberatungsstellen, zentrale Rückkehrberatungsstellen, Ausländerbeauftragte und den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCHR) (Januar 2017), S. 5.
287 
Darüber hinaus bietet die IOM über das European Reintegration Network (ERIN) das Unterstützungsprogramm ERIN Specific Action Program für Rückkehrer nach Afghanistan an. Dieses hat allerdings - anders als die vorgenannten Programme - keine Geldleistungen zum Gegenstand. Es gewährt Unterstützung nach der Ankunft und bei der Reintegration in Afghanistan, wobei freiwillige Rückkehrer eine umfangreichere Unterstützung („larger re-integration packages”) erhalten als diejenigen, die nicht freiwillig zurückgekehrt sind. Die Inanspruchnahme setzt eine Bewerbung vor der Rückkehr voraus. Angeboten werden ein Empfangs- und Orientierungsservice bei der Ankunft am Flughafen, Unterstützung beim Weitertransport, Empfehlungen zur Sicherstellung der durchgehenden Versorgung mit dringender ärztlicher Behandlung und eine Notfallunterbringung von mindestens einer Woche. Zur weiteren Wiedereingliederung kann die Beratung durch einen IOM-Mitarbeiter in Anspruch genommen werden, der den Rückkehrern und ihren Familien etwa bei der Planung einer Strategie zur Reintegration helfen kann und auch dazu, wie sie die ihnen gewährten nationalen Zuschüsse sinnvoll verwenden können. Möglich sind Hilfestellungen bei Existenzgründungen, die Beratung bei der Suche und Vermittlung von Arbeitsstellen, die Vermittlung in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Unterstützung in sozialen, medizinischen und rechtlichen Angelegenheit oder die Unterstützung bei der Wohnraumbeschaffung. Unterstützungsleistungen werden nicht durch Direktzahlungen, sondern durch Beratungs- und Sachleistungen erbracht. Bei rückgeführten Personen können diese höchstens einen Wert von 700 EUR haben. Als „berücksichtigungsfähige Kriterien“ bei der Prüfung werden existenzsichernde Maßnahmen, individueller medizinischer Bedarf, die Rückkehr weiterer Familienangehöriger, die Dauer des Aufenthalts in Deutschland bzw. der Abwesenheit im Heimatland sowie die Vulnerabilität des Betroffenen genannt. Die Reintegrationsmaßnahmen legen der Rückkehrer und der Mitarbeiter vor Ort individuell fest. Die Unterstützung soll nach drei bis sechs Monaten weitgehend abgeschlossen sein.
288 
Siehe insgesamt: BAMF/ERIN, Programmsteckbrief ERIN - European Reintegration Network, Rückkehrerhilfen (Projektdauer Juni 2016 bis Dezember 2021), 14.08.2017; IOM/ ERIN - European Reintegration Network, Specific Action Program, Afghanistan Briefing Note, 13.03.2017; ERIN/IOM, ERIN - European Reintegration Network, Specific Action Program, Afghanistan Leaflet, 13.03.2017.
289 
Auch von Seiten der afghanischen Regierung gibt es Unterstützungsprogramme für Rückkehrer aus Europa. Im April 2015 hat die afghanische Regierung zunächst eine Hohe Kommission für Migration gegründet und im November 2016 dann ein gesondert auf die Belange von Rückkehrern gerichtetes Komitee (Displacement and Returnees Executive Committee). Dessen Funktion ist es, eine Strategie zur Koordination von humanitären und Entwicklungsprogrammen festzulegen sowie die Entwicklung von Richtlinien zur Unterstützung (u.a.) von Rückkehrern. Dabei geht es nicht nur um die finanzielle Unterstützung des Einzelnen. Damit die Rückkehrer nicht als gescheitert und unfähig zur Leistung des von ihnen erwarteten Beitrags erscheinen, ist auch die finanzielle Unterstützung des familiären bzw. sozialen Umfelds angedacht. Der Ansatz ist allerdings kritisiert worden, etwa weil er die örtliche Korruption nicht berücksichtige.
290 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 28, dort auch zu Unterstützungsangeboten für das Umfeld bzw. die Gemeinschaft der Rückkehrer („a more community-oriented financial support“).
291 
Die derzeit von Seiten der afghanischen Regierung gewährten Hilfen umfassen die Bereiche der Arbeitsvermittlung, des rechtlichen Beistands sowie Fragen von Grund und Boden und Obdach. Die Unterstützung wird nicht von einer einzelnen Institution gewährt, vielmehr muss der Rückkehrer selbst die Initiative ergreifen und sich an die jeweils zuständige Stelle wenden - etwa an das Arbeitsministerium, wenn er Hilfe bei der Arbeitssuche erhalten will. Rückkehrer aus Europa berichten, dass sie nur wenig Unterstützung in irgendeiner Art erhalten hätten, mit Ausnahme einer zweiwöchigen Unterbringung durch die Regierung.
292 
Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 7; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 28.
293 
Schließlich gibt es lokale nichtstaatliche Organisationen, die freiwillige und abgeschobene Rückkehrer unterstützen, etwa IPSO (International Psychosocial Organisation) und AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation). IPSO ist eine in Deutschland ansässige Organisation mit psychosozialen Unterstützungsangeboten (Selbsterfahrungsgruppen, Übungen zum Leben in Afghanistan, Eins-zu-Eins-Beratung, Malen und Handarbeit). AMASO gewährt Rückkehrern - vorwiegend aus nordischen Ländern - die Möglichkeit einer Unterkunft für mehr als zwei Wochen. Außerdem bietet eine örtliche Anwaltskanzlei (freiwilligen) Rückkehrern aus Norwegen ihre Dienstleistungen an. Etablierte Koordinationsmechanismen zur Sicherstellung der benötigten Unterstützung für alle Rückkehrer oder zu deren Gleichbehandlung scheint es allerdings insgesamt nicht zu geben.
294 
Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 7, dort auch S. 10 zu AMASO und IPSO; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 28 f., dort auf S. 53 auch ausführlicher zu IPSO sowie auf S. 64 ausführlicher zur AMASO, dort auch zur Betreuung eines aus Deutschland abgeschobenen, bei einem Bombenanschlag verletzten Rückkehrers.
295 
Eine weitere Unterstützungsleistung können Rückkehrer zudem in Form einer kurzfristigen Unterbringung erlangen. Die IOM bietet in einem sogenannten Empfangszentrum (Jangalak reception centre) eine vorübergehende Unterkunft für höchstens zwei Wochen. Es handelt sich um ein Gebäude auf dem Gelände des Ministeriums für Flüchtlinge und Neuverteilung auf dem Gelände der früheren Jangalak-Fabrik. Dort gibt es 24 Zimmer mit je zwei bis drei Betten. Sowohl freiwillige als auch abgeschobene Rückkehrer können dort unterkommen. Zwölf Mitarbeiter betreuen die Rückkehrer. 2016 nutzten 43 Personen das Angebot. Sie blieben durchschnittlich für sieben Nächte.
296 
Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 9.
297 
Im Rahmen einer entsprechenden Befragung erklärten mehrere Rückkehrer, sie wollten auf das Angebot nicht zurückgreifen, weil sie glaubten, der Aufenthalt dort berge das Risiko, dass sie als Rückkehrer identifiziert würden.
298 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 63.
299 
AMASO hat in einem Facebook-Post vom 8.Oktober 2017 darauf hingewiesen, dass IOM sich nicht mehr um aus Europa abgeschobene Personen kümmere. Stattdessen sorge sich die Aga Khan Development Foundation um die Sicherstellung von Wohnraum in den ersten 14 Tagen nach der Ankunft und zwar im Spinzar Hotel in der Stadtmitte.
300 
Stahlmann, Gutachten 2018 S. 237 f.
301 
c) Für Kabul als Ankunfts- bzw. Endort der Abschiebung lassen sich folgende Unterschiede oder Besonderheiten im Vergleich zu den allgemeinen Feststellungen zu den Lebensverhältnissen in Afghanistan erkennen.
302 
Der Wohnungsmarkt in Kabul erweist sich als sehr angespannt und daher teuer. Die Stadt Kabul hat von der erheblichen, stetig ansteigenden Anzahl an Migranten einen unverhältnismäßig großen Anteil aufgenommen.
303 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 40.
304 
Kabul ist einer der Hauptzielorte der größten Rückkehrbewegung und zugleich auch traditionell ein Zufluchtsgebiet der vom Konflikt betroffenen Binnenvertriebenen insbesondere aus der Zentralregion. Ein erheblicher Anteil der insgesamt 5,7 Millionen Menschen, die nach dem Fall der Taliban aus dem Iran und Pakistan zurückgekehrt waren, und der genannten 1,2 Millionen Binnenvertriebenen hat sich in bzw. um Kabul herum niedergelassen. Zu diesen kommen noch weitere Personen hinzu, etwa ein erheblicher Anteil der im Jahr 2016 aus Pakistan Zurückgekehrten. Ihre Zahl wurde zur Jahresmitte 2016 noch mit 54.600 bemessen. Zum Ende des Jahres 2016 nannte der UNHCR die Zahl ca. 625.000 Rückkehrern aus Pakistan allein für die letzten vier Monate des Jahres 2016. In Zusammenhang mit dieser Entwicklung wird auch die Verlautbarung eines Ministers der afghanischen Regierung (Balkhi) gebracht, Kabul könne nicht alle Personen aus gefährlichen Provinzen aufnehmen, verbunden mit der Bitte, Abschiebungen zu beenden.
305 
Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 18/Rn. 53; Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 16 f./Rn. 43; Stahlmann, Asylmagazin 2017, S. 73 (75); UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Inneren - Dezember 2016, S. 5 zur starken Betroffenheit u.a. von Kabul von der hohen Anzahl an Rückkehrern sowie S. 7 zu Kabul als traditionellem Zufluchtsort.
306 
Ein nicht unerheblicher Teil der Migranten, aber auch der von jeher in Kabul ansässigen Bevölkerung, gehört dabei der Volksgruppe der Hazara an. In Kabul sollen nach Schätzungen über eine Million bzw. bis zu 1,5 Millionen Hazara leben. Die meisten davon sind Vertriebene, die sich erst vor Kurzem dort niedergelassen haben. Sie sind von den negativen Auswirkungen der hohen Arbeitslosigkeit in gleichem Maße wie auch die übrige Bevölkerung betroffen.
307 
Immigration and Refugee Board of Canada, Afghanistan: Situation of Hazara people living in Kabul City, including treatment by society, security situation, and access to employment; security situation for Hazara traveling to areas surrounding Kabul City to access employment, 20.04.2016.
308 
Fast einem Viertel der 55.000 registrierten zurückkehrenden Familien und ein ähnlicher Anteil an nicht dokumentierten Rückkehrern aus Pakistan hat sich in den überfüllten informellen Siedlungen Kabuls niedergelassen. Deswegen bewertet auch der UNHCR im Hinblick auf den Rückgang der wirtschaftlichen Entwicklung in Kabul als Folge des massiven Abzugs der internationalen Streitkräfte im Jahr 2014 die Aufnahmekapazität der Stadt aufgrund begrenzter Möglichkeiten der Existenzsicherung, Marktliquidität, der fehlenden Verfügbarkeit angemessener Unterbringung sowie des mangelnden Zugangs zu grundlegenden Versorgungsleistungen insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen, als äußerst eingeschränkt.
309 
UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Inneren - Dezember 2016, S. 7.
310 
Als Folge des großen Zustroms nach Kabul wird beschrieben, dass die Migranten in besonderem Maße benachteiligt seien und oft in den überfüllten informellen Siedlungen endeten, für die insbesondere für den Winter die Zustände als schrecklich geschildert werden. Diese bestehen großteils aus behelfsmäßigen Zelten oder Lehmhütten ohne geeigneten Schutz vor Kälte und mit beschränktem Zugang zu sauberem Wasser und medizinischer Versorgung. Es wird von mehreren Dutzend Menschen, insbesondere Kindern und älteren Personen, berichtet, die in den Wintermonaten der Jahre 2012 und 2017 wegen der Kälte gestorben sind. Zum anderen führt der immense Zuzug dazu, dass die existenziellen Ressourcen noch stärker umkämpft sind, die Arbeitslosigkeit und die Alltagskriminalität zunehmen.
311 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S.40; Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 15 f.; zu den Zuständen in den informellen Siedlungen auch EASO Country of Origin Information Query - Query concerning the situations of returnees to Afghanistan, 22.06.2015, S. 5 f. m.w.N.; a.i., My children will die this winter - Afghanistan´s broken promise to the displaced, 31.05.2016, S. 17.
312 
Im Übrigen bedeutet eine Wohnung in Kabul zu haben nicht automatisch den Zugang zu Wasser und Strom. Dieser hat sich zwar in den letzten 15 Jahren generell verbessert. Allerdings ist bei der zentralen Wasserversorgung die Wasserqualität schlecht geworden, da Infrastruktur ursprünglich für weit weniger Einwohner ausgelegt war. So funktioniert das öffentliche Wasserleitungssystem nur stundenweise. Zugang zu Leitungswasser haben nur ungefähr 34 % der Einwohner. Die meisten Menschen leben in den Slums und beziehen das Wasser entweder von öffentlichen Pumpen oder selbst angelegten Brunnen, mit denen das Grundwasser angezapft wird. Dessen Stand hat sich zwischenzeitlich von drei bis fünf Metern auf 70 bis 80 Meter Tiefe abgesenkt.
313 
Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul - Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 12.04.2017, 20.06.2017, S. 7; Sam Hall, Urban Poverty Report - A study of poverty, food insecurity and resilience in Afghan Cities, November 2014, S. 49.
314 
Schließlich ist auch die Sicherheitslage in Kabul prekär.
315 
Vgl. dazu: UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 24 f.
316 
Sie war bereits in den vergangenen Jahren geprägt von zahlreichen Anschlägen, insbesondere auf medienwirksame Ziele ausländischer Streitkräfte und Organisationen sowie Regierungseinrichtungen.
317 
Dazu die ausführliche Darstellung bei Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 21 ff./Rn. 59 ff. und dies. Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 7/Rn. 18 sowie auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 6. Juni 2016: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, 06.06.2016; vgl. auch die genannte Entscheidung OVG NRW, Urteil vom 26.08.2014 - 13 A 2998/11 Rn. 207 bis 230 zur damaligen - vor Abzug der internationalen der Streitkräfte liegenden - Sicherheitslage (Rn. 217: „aktuell als stabil eingeschätzt“) und der diesbezüglichen Rolle der Taliban.
318 
In jüngerer Zeit erweist sich die Sicherheitslage weiter als volatil. UNAMA hat für das Jahr 2017 für die gesamte Provinz Kabul 1.831 zivile Opfer registriert (479 Tote und 1.352 Verletzte), was einen Anstieg um 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Kabul war damit die Provinz mit der höchsten Anzahl ziviler Opfer, ist allerdings auch die Provinz mit der höchsten Einwohnerzahl.
319 
UNAMA, Annual Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Februar 2018, Annex III S. 67.
320 
Das Selbstmordattentat, das in Deutschland die meiste Aufmerksamkeit in den Medien erfuhr, war der Anschlag vom 31. Mai 2017 auf die Deutsche Botschaft.
321 
Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 2; vgl. zu den weiteren zahlreichen Vorfällen die Darstellung in der Entscheidung des Senats: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 206 ff.
322 
Auch bei einer Reihe weiterer Anschläge in Kabul wurden Regierungsinstitutionen, internationale Organisationen und Einrichtungen der afghanischen Armee und Polizei angegriffen, wobei viele Angehörige der afghanischen Zivilbevölkerung (u.a. Passanten, Kinder usw.) verletzt und getötet wurden.
323 
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 19. Juni 2017 zu Afghanistan: Sicherheitslage in Kabul, 19.06.2017, S. 3 m.w.N.; vgl. auch dazu die Entscheidung des Senats: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 206 ff.
324 
Im ersten Quartal des Jahres 2018 kam es zu einer Reihe schwerwiegender Anschläge im Kabul. So starben 114 Personen und wurden mindestens 229 verletzt, als ein mit Sprengstoff beladener Rettungswagen am 28. Januar 2018 an einem Kontrollpunkt detonierte. 24 Todesopfer forderte eine Geiselnahme im Hotel Intercontinental am 20. Januar 2018.
325 
UN General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 28.02.2018, S. 7.
326 
Zusammenfassend ist hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage in Kabul
327 
- vgl. hierzu ergänzend die Ausführungen im Urteil des Senats vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 193, sowie auch zu den Verhältnissen in Kabul allgemein: juris Rn. 99 ff. -
328 
festzuhalten, dass sich nicht nur die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle gehäuft hat, sondern - wohl maßgeblich auch wegen „neuen“ regierungsfeindlichen Kräfte (IS/Daesh/ISKP) - als weitere Tendenz festzustellen ist, dass bei Anschlägen nun vermehrt zivile Opfer in Kauf genommen werden und sogar gerade auf die Zivilbevölkerung zielen.
329 
d) Ausgehend von den dargestellten Verhältnissen in Afghanistan insgesamt sowie insbesondere in der Stadt Kabul als End- bzw. Ankunftsort einer Abschiebung ist im Falle des Klägers ein ganz außergewöhnlicher Fall, in dem humanitäre Gründe seiner Abschiebung zwingend entgegensprächen im Sinne von Art. 3 EMRK, nicht festzustellen.
330 
Im Ausgangspunkt ist festzustellen, dass der Senat - wie oben ausgeführt - sich nicht davon überzeugen konnte, dass der Kläger mit einer Gruppe der Mujaheddin oder anderer regierungsfeindlicher Organisationen in Konflikt geraten ist. Deshalb kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass ihm wegen dieses Umstandes und möglicher Nachstellungen die notwendige und für eine Sicherung des Existenzminimums unerlässliche Flexibilität (insbesondere am Arbeitsmarkt) fehlt.
331 
Der Senat geht in seiner Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris), an der er auch in Ansehung der Erwägungen im Gutachten von Stahlmann vom 28. März 2018 festhält, davon aus, dass im Falle leistungsfähiger, erwachsener Männer ohne Unterhaltsverpflichtungen und ohne familiäres oder soziales Netzwerk bei der Rückkehr aus dem westlichen Ausland in Kabul die hohen Anforderungen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG, Art. 3 EMRK nicht erfüllt sind, sofern nicht spezifische individuelle Einschränkungen oder Handicaps festgestellt werden können, was hier jedoch nicht der Fall ist.
332 
(1) Zwar ist die Lage in Kabul prekär. Wie sich aus den vorstehenden Darstellungen ersehen lässt, sind sowohl die wirtschaftlichen Voraussetzungen als auch die humanitären Umstände schlecht. Dasselbe gilt für die in den letzten Jahren stetig schlechter gewordene Sicherheitslage. Dennoch kann nicht für sämtliche Rückkehrer aus dem westlichen Ausland, denen es in Kabul oder in Afghanistan insgesamt an (familiären oder sonstigen) Beziehungen oder an Unterstützungsnetzwerken fehlt, angenommen werden, die schlechten Bedingungen im Land könnten generell und bei allen diesen Rückkehrern ganz außerordentliche individuelle Umstände darstellen und die hohen Anforderungen zur Bejahung des Art. 3 EMRK trotz fehlenden Akteurs erfüllen.
333 
Afghanistan und insbesondere Kabul sind gerade auch in jüngster Zeit mit der Rückkehr einer Vielzahl von Menschen aus dem benachbarten und westlichen Ausland konfrontiert. Dabei stellt sich deren Lage, obwohl die Situation für Rückkehrer schwierig ist, nicht für alle gleichermaßen problematisch dar. Berichte dahin, dass Rückkehrer generell oder aber jedenfalls in sehr großer Zahl und unabhängig von ihrer persönlichen Disposition ihr Existenzminimum nicht sichern könnten, gibt es nicht. Vielmehr sind bestimmte, vulnerable Gruppen wie etwa Familien mit jüngeren Kindern, alleinstehende Frauen, Kranke oder ältere Menschen in besonderem Maße gefährdet, ohne dass aber insgesamt festzustellen wäre, dass die Existenzsicherung oder gar das Überleben für sämtliche Rückkehrer nicht gewährleistet wäre.
334 
Insbesondere trifft dies auch nicht für Rückkehrer aus dem westlichen Ausland, aus Europa oder gar aus Deutschland zu, zumal beispielsweise mit Unterstützung der IOM seit dem Jahr 2003 insgesamt 15.041 Personen aus verschiedenen Ländern Europas (darunter das Vereinigte Königreich, Norwegen, die Niederlande, Deutschland, Schweden, Dänemark, Frankreich, Belgien und Österreich) freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt sind. Allein im Jahr 2016 unterstützte die IOM 6.864 Personen bei ihrer freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan, davon über 3.000 aus Deutschland. Die meisten Rückkehrer (78 % oder 5.382) waren dabei junge Männer, von denen wiederum ein erheblicher Anteil zwischen 19 und 26 Jahren alt war (2.781) oder sogar Jugendliche mit bis zu 18 Jahren (2.101). Die Zahl der zurückgekehrten Familien wird mit 733 angegeben.
335 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 16; Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 2; UN General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017, S. 10.
336 
Neben diesen zahlreichen freiwilligen Rückkehrern gab und gibt es Abschiebungen aus Europa. So wurden im Zeitraum zwischen Oktober 2016 und April 2017 insgesamt 176 Personen aus Europa nach Afghanistan abgeschoben, darunter 106 aus Deutschland, von denen wiederum auch einige keine Verwandten in Kabul oder teilweise auch im gesamten Land hatten.
337 
Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 3 ff.
338 
Vom 31. Mai 2017 bis zum 23. Januar 2018 wurden 68 weitere Personen aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben.
339 
BT-Drs. 19/632 S. 5.
340 
Obwohl diese Rückkehrer sich - wie dargestellt - in Afghanistan vielen Belastungen gegenübersehen und die Situation im Land äußerst schwierig ist, sind den umfangreichen Erkenntnismitteln zur Lage in Afghanistan keine Informationen zu entnehmen, aus denen geschlossen werden könnte, allein der Umstand einer Rückkehr aus dem westlichen Ausland bei fehlenden Netzwerken vor Ort stehe einer Existenzsicherung in Afghanistan bzw. in Kabul (auch nur auf niedriger Stufe) entgegen. Zwar gibt es vereinzelte Rückkehrerberichte, die die oben geschilderte Bandbreite von Problemen betreffen. Erfahrungsberichte oder Schilderungen dahin, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern sowie kinderlose Ehepaare in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger, Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, liegen hingegen nicht vor. Zwar lassen sich für den Senat auch schwerwiegende Nachteile bei Unterkunfts- und Arbeitssuche durchaus nicht ausschließen, eine tatsächliche Gefahr, dass sie eintreten werden, besteht indes nicht. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Situation auch im Falle des Klägers realisieren würde - dass also auch der Kläger entsprechend erkannt würde, dass er infolge dessen tatsächlich keinen Zugang zu einer auch nur einfachen Unterkunft haben würde oder vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen wäre -, vermag der Senat daher nicht festzustellen.
341 
(2) Insbesondere lässt sich aus dem Fehlen eines bereits bestehenden familiären oder sozialen Netzwerks in Kabul nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK herleiten. Ein solches traditionelles Unterstützungsnetzwerk, das durch (unterstützungsfähige und - willige) Mitglieder der (erweiterten) Familie oder ihrer größeren ethnischen Gruppe gebildet wird, ist auch nach Auffassung von UNHCR im Falle von alleinstehenden, leistungsfähigen Männern ohne besonderen Schutzbedarf trotz der schlechten Lebensbedingungen in Afghanistan nicht geboten, um zu verhindern, dass im Falle der Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein kontinuierlicher Prozess in Gang gesetzt wird, in dem sie verelenden und bleibende schwere physische und seelische Schäden davontragen. Denn von diesen kann erwartet werden, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen, wobei allerdings dennoch immer eine einzelfallbezogene Analyse vorzunehmen ist.
342 
UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 10 und S. 99, wobei in der nachfolgenden Stellungnahme des UNHCR vom Dezember 2016 (Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Inneren - Dezember 2016) insofern keine Änderungen der Bewertung vorgenommen wurden (vgl. dort zur Aufrechterhaltung der Erwägungen der Richtlinien vom 19.04.2016: S. 7 f.).
343 
Aus den oben zusammengefasst wiedergegebenen Erwägungen von Stahlmann in ihrem Gutachten vom 28: März 2018 für das Verwaltungsgericht Wiesbaden ergibt sich keine andere Sicht der Dinge. Denn wenn dort festgestellt wird, es sei im Wortsinn für viele Afghanen nicht „denk-bar“, ohne Zugehörigkeit zu sozialen Netzwerken zu überleben, der Versuch, als Individuum ohne soziale Netzwerke Zugang zu neuen sozialen Netzwerken zu bekommen, sei nicht vorgesehen und das Konzept der alleinstehenden Person sei in Afghanistan schlicht nicht vorhanden, dann spricht zwar viel dafür, dass diese Aussagen in ihrer Allgemeinheit zutreffen. Indes beantworten diese Aussagen nicht die Frage, wie es um die Überlebenssicherung von alleinstehenden Rückkehrern steht, wenn diese trotz der fehlenden Vorstellbarkeit des Alleinstehens in größerer Zahl tatsächlich in Afghanistan auftauchen. Hier bleibt es für die vom Senat zu treffende Risikoprognose dabei, dass sich eine tatsächliche Gefahr der zeitnahen Verelendung im Falle der Rückkehr nicht belegen lässt und es sogar überwiegend wahrscheinlich ist, dass eine solche Situation nicht eintreten wird.
344 
Von nicht unerheblicher Bedeutung ist es, ob die Betroffenen eine der beiden in Afghanistan gesprochenen Sprachen (Paschtu und Dari) beherrschen und sich somit hinreichend verständigen können.
345 
Zu diesem Kriterium vgl. BayVGH, Urteil vom 16.01.2014 - 13a B 13.30025 -, Leitsatz sowie juris Rn. 25 (Sicherung des Existenzminimums für einen afghanischen Rückkehrer ohne Kenntnisse einer der Landessprachen verneint, wenn kein Vermögen vorhanden und keine familiäre Unterstützung zu erlangen ist).
346 
Dies ist bei dem Kläger der Fall.
347 
Das Erwirtschaften eines - wenn auch womöglich sehr geringen - Einkommens wird dem Kläger trotz des angespannten Arbeitsmarkts wenigstens als Tagelöhner möglich sein.
348 
Zwar sind die Lebenshaltungskosten für den Kläger in Kabul hoch. Ausgehend von vorstehenden Ausführungen (ohne Unterbringungskosten) sind sie mit mindestens 100 EUR pro Monat zu bemessen, die Mietkosten werden mit mindestens 88 US$ bzw. 4.000 Afghani bzw. 75 EUR pro Monat angegeben
349 
S.o., insbesondere zu den monatlichen Lebenshaltungskosten von mindestens 100 EUR: BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation I: Lebenshaltungskosten in Kabul für alleinstehenden Mann, 09.05.2017 sowie zum Preis von ab 4.000 Afghani für ein Einzelzimmer: Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 16/Rn. 42.
350 
Der Kläger hat die Möglichkeit, zunächst im Jangalak-Zentrum oder ggf. in den von der Aga Khan Development Foundation zur Verfügung gestellten Unterkünften zu wohnen, sich von dort um Arbeit und Unterkunft - beides ggf. auf niedrigem Niveau - zu bemühen und - sollte es nicht anders gehen - vorübergehend in einer der informellen Siedlungen unterzukommen. Dass die fraglos beklagenswerten Zustände in solchen Siedlungen insgesamt flächendeckend derart desolat sind, dass sie gleichsam für jeden Bewohner und damit auch für den kinderlosen Kläger mit den hohen Anforderungen des Art. 3 EMRK nicht zu vereinbaren wären, vermag der Senat nicht festzustellen.
351 
Zwar beschreibt Stahlmann, dass sich die Versorgung mit Trinkwasser, Hygiene- und Sanitäranlage sowie Abwassersystemen in den Slums dramatisch verschlechtert habe und die Krankheitshäufigkeit zunehme.
352 
Stahlmann, Gutachten 2018, S. 163.
353 
Indes lässt sich auch ihren Ausführungen nicht entnehmen, dass gravierende Erkrankungen in einer derartigen Häufigkeit aufträten, dass der Rückschluss, jedem gesunden, arbeitsfähigen Mann drohe eine solche Erkrankung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit rechtlich zulässig wäre. Die schlechten hygienischen Zustände in den informellen Siedlungen alleine reichen nicht aus, um die Schwelle zur tatsächlichen Gefahr einer unmenschlichen Behandlung zu überschreiten. Die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Verfahren M.S.S./ Belgien und Griechenland angewendeten Standards waren zum einen auf Signatarstaaten der Konvention bezogen und mit Asylbewerbern auf eine besonders schutzbedürftige Personengruppe ausgerichtet, deren Wohlergehen im besonderen Maße von der Fürsorge des Aufnahmestaates abhängt.
354 
EGMR, Urteile vom 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S./Belgien und Griechenland), NVwZ 2011, 413 Rn. 249 ff.
355 
Beide Voraussetzungen liegen in der Person des Klägers im Falle seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat nicht vor.
356 
(3) Der Senat geht bei seiner Bewertung der Situation davon aus, dass die dargestellten Rückkehrerhilfen für die Frage der Existenzsicherung des Klägers keine nachhaltige Bedeutung haben können, da sie bestenfalls eine anfängliche Unterstützung bzw. einen nur vorübergehenden Ausgleich schaffen können. Die 500,- EUR, die der Kläger bei einer Entscheidung zur freiwilligen Rückkehr über das REAG/GARP-Programm erhalten würden, vermögen ihm nur eine überschaubare Erleichterung zu bieten. Auch die Leistungen des ERIN-Programms stellt der Senat nicht in die Beurteilung ein. So besteht kein Rechtsanspruch auf diese Leistungen, weswegen unklar ist, ob der Kläger überhaupt Leistungen erhalten würde. Im Übrigen ist auch nicht im Voraus bestimmbar, welche Leistungen im Falle einer Leistungsgewährung vor Ort in Betracht gezogen werden könnten.
357 
Vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -.
358 
Gleiches gilt für die Geldleistungen des im Dezember 2017 neu aufgelegten StarthilfePlus-Programms, auf die ein Rechtsanspruch nicht besteht.
359 
(4) Schließlich ist auch im Hinblick auf die durchaus schwierige Sicherheitslage in Kabul ein Verstoß im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG, Art. 3 EMRK nicht festzustellen. So entspricht die Gefahrendichte in der Provinz Kabul insbesondere nicht der, wie sie im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zur Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) erforderlich wäre.
360 
Zur Heranziehung dieses Kriteriums im Rahmen des Art. 3 EMRK bzw. des § 60 Abs. 5 AufenthG vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteile vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris; vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/19 -, vom 14.08.2013 - A 11 S 688/13 - und vom 24.07.2013 - A 11 S 727/13.
361 
Denn bei einer auf das Jahr 2017 bezogenen rechnerischen Wahrscheinlichkeit von unter 0,07 %, aufgrund willkürlicher Gewalt getötet oder körperlich verletzt zu werden - ausgehend von dem Zahlenmaterial von UNAMA (siehe oben) - und einer Einwohnerzahl von 3.000.000 besteht keine tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen Behandlung allein aufgrund des Ausmaßes vorherrschender Gewalt im Falle einer Rückkehr. Die vermutlich zu niedrigen Angaben von UNAMA (siehe oben) werden hier durch eine konservative Annahme von Einwohnern der Provinz Kabul ausgeglichen. Bei einer qualitativen Bewertung ist aufgrund der Opferzahlen hier - wie auch bei der Heimatregion des Klägers - kein anderes Ergebnis geboten.
362 
Die oben beschriebenen Gefährdungen, denen sich der Kläger als Rückkehrer aus dem europäischen Ausland möglicherweise ausgesetzt sehen wird, führen auf keine tatsächliche Gefahr der unmenschlichen Behandlung. Denn die insbesondere auch von Stahlmann beschriebenen Sicherheitsrisiken für Rückkehrer aus Europa
363 
Stahlmann, Gutachten 2018, S. 299 ff.
364 
lassen allein den Rückschluss auf das bestehende Risiko des Eintritts einer tatsächlichen Gefahr zu. Das bedeutet, dass der Eintritt eines schädigenden Ereignisses zwar durchaus möglich ist, aber die Schwelle zur beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d.h. zur tatsächlichen Gefahr noch nicht überschritten ist. Denn aus den Schilderungen, Feststellungen und Schlussfolgerungen der Sachverständigen lässt sich für den Senat nicht erkennen, dass sich die beschriebenen Risiken bei so vielen Rückkehren realisierten, dass ein jeder Rückkehrer sich der tatsächlichen Gefahr der unmittelbaren Verelendung gegenübersähe. Weder gibt es über eine Häufung solcher Fälle (verlässliche) Berichte noch gibt es andere, aussagekräftige Indizien, die einen Rückschluss auf eine solche tatsächliche Gefahr zuließen.
365 
2. Aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG folgt für den Kläger kein nationales Abschiebungsverbot.
366 
a) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
367 
Dies kann aus individuellen Gründen - etwa wegen drohender An- oder Übergriffe Dritter oder auf Grund von Krankheit - der Fall sein (a)), kommt aber ausnahmsweise auch infolge einer allgemein unsicheren oder wirtschaftlich schlechten Lage im Zielstaat in Betracht (b)).
368 
aa) Vom Tatbestand des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG werden existentielle Gefahren wie Tötung, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung umfasst
369 
- Koch, in: BeckOK Ausländerrecht, Stand 15.08.2016, § 60 Rn. 40; Möller/Stiegeler, in: Hofmann u.a., Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 60 Rn. 33 -,
370 
sowie insbesondere auch solche auf Grund von Krankheit.
371 
Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 12.07.2015 - 1 B 84.16 - Rn. 4 m.w.N. sowie insgesamt auch BVerwG, Urteile vom 17.10.2006 - 1 C 18.05 - NVwZ 2007, 712, juris Rn. 14 ff.; vom 29.10.2002 - 1 C 1.02 - NVwZ 2003, Beilage Nr. I 7, 53 juris Rn. 9; vom 29.07.1999 - 9 C 2.99 -, juris Rn. 7 und vom 25.11.1997 - 9 C 58.96 -, NVwZ 1998, 524.
372 
Dabei reicht es entsprechend dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht aus, wenn eine Verfolgung oder sonstige Rechtsgutverletzung im Bereich des Möglichen liegt. Vielmehr muss sie bei zusammenfassender Bewertung des Sachverhalts und verständiger Würdigung aller objektiven Umstände dahingehend vorliegen, dass bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen eine ernsthafte Furcht vor der Rechtsgutverletzung gerechtfertigt ist, die für eine Rechtsgutverletzung sprechenden Umstände also größeres Gewicht haben als die dagegen sprechenden Tatsachen, wobei auch die Zumutbarkeit eines mit der Rückkehr verbundenen Risikos und der Rang des gefährdeten Rechtsguts von Bedeutung sind.
373 
Vgl. zusammenfassend HTK-AuslR/§ 60 AufenthG/zu Abs. 7 Satz 1 bis 4/ Rn. 8 sowie zum Maßstab bei individuellen Gründen u.a. auch BVerwG, Urteile vom 17.10.2006 - 1 C 18.05 -, NVwZ 2007, 712, juris Rn. 20 und vom 17.10.1995 – 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 1999, juris Rn. 16.
374 
bb) Neben den genannten individuellen Gefahren für Leib und Leben können unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise auch die generell herrschenden Lebensbedingungen im Zielstaat ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen.
375 
Zwar sind allgemeine Gefahren - also auch die die Bevölkerung insgesamt treffenden (schlechten) Lebensbedingungen in einem Land - gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Anordnungen zur vorübergehenden Aussetzung von Abschiebungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen und begründen demnach grundsätzlich kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine Ausnahme liegt aber bei einer extremen Gefahrenlage vor, welche sich wiederum auch aus den den Ausländer erwartenden Lebensbedingungen ergeben kann. So können die im Zielstaat herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage einen Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise begründen, wenn bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extreme Gefahrenlage vorläge. Denn dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Ob dies der Fall ist, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden.
376 
Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit strengeren Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde.
377 
Dazu u.a. BVerwG, Urteile 13.06.2013 - 10 C 13.12 -, NVwZ 2013, 1489 Rn. 12 f.; vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, Rn. 38.; vom 29.09.2011 – 10 C 24.10 -, NVwZ 2012, 451 Rn. 20; vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, NVwZ 2012, 240 Rn. 22 f. und vom 29.06.2010 - 10 C 10.09 -, juris Rn. 14 f.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, Rn. 28 zu den unterschiedlichen rechtlichen Maßstäben von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG60 Abs. 2 AufenthG a.F.) sowie auch Art. 3 EMRK einerseits und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG andererseits.
378 
Von diesem Maßstab ausgehend gewährt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter dem Gesichtspunkt der extremen Gefahrenlage keinen weitergehenden Schutz, als es § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK tut. Liegen also die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante, extreme Gefahrenlage aus.
379 
b) Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
380 
aa) Zum einen besteht keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Klägers aus individuellen Gründen. Insbesondere bestehen bei ihm keine individuellen Besonderheiten, etwa gesundheitlicher Art.
381 
bb) Zum anderen lässt sich auch aus den dargestellten, schlechten Lebensverhältnissen in Afghanistan ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht begründen. Denn die beschriebenen hohen Anforderungen, aus denen wegen einer extremen Gefahrenlage ausnahmsweise ein solches Abschiebungsverbot hergeleitet werden könnte, liegen nicht vor. So vermögen die - fraglos schlechten - Lebensverhältnisse vorliegend schon keinen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen (s.o.). Dass gerade der Kläger als leistungsfähiger, erwachsener Mann, im Falle einer Rückkehr alsbald sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde, kann der Senat danach nicht festzustellen.
III.
382 
Die Berufung ist daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2, zurückzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
383 
Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 3 und Aufhebung von Nummer 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II.

Die Beklage hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger ¾ und die Beklagte ¼ zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, eine Familie aus K. mit zwei im Jahr 2009 und im Jahr 2012 geborenen Kindern, sind afghanische Staatsangehörige und tadschikische Volkszugehörige. Sie reisten im Juni 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 25. Juni 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Der Kläger zu 1, der Ehemann und Vater, gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 24. Oktober 2012 an, er habe mit seiner Familie zuletzt in K. gelebt. Am 7. Oktober 2011 (12.10.1390) hätten sie Afghanistan verlassen. Seine Eltern lebten noch in K. Sechs Onkel lebten in Deutschland, in Afghanistan seien noch eine 24 Jahre alte Schwester sowie zwei Brüder mit 16 oder 17 und 10 Jahren. Nach dem Abitur habe er zusammen mit seinem Vater ein Geschäft geführt, in dem man verschiedene Zubehörteile zum Bau eines Hauses erhalte. Auf die Frage nach dem Ausreisegrund gab der Kläger zu 1 an, Grund sei die Zukunft seiner Kinder. In Afghanistan gebe es keine Kindergärten, keine richtige Schule, man könne keine richtige Ausbildung machen und jeden Tag gebe es irgendwo ein Attentat. Er wolle nicht, dass seine Kinder in einer Umgebung aufwüchsen, wo nur Krieg und Chaos sei. Seine Familie sei nicht sehr reich, aber auch nicht arm gewesen. Er habe ein Auto, ein Grundstück und den Laden besessen. Dies alles hätten sie für die Zukunft der Kinder aufgegeben. Die Klägerin zu 2, die Ehefrau und Mutter, gab bei ihrer Anhörung an, bis zu ihrer Ausreise habe die Familie in K. gelebt. Die Familie sei bis nach Athen gemeinsam geflohen. Dort hätten sie einen Araber kennengelernt, der sie als seine Ehefrau gemeinsam mit den beiden Kindern mit nach Deutschland genommen habe. Sie sei mit ihm nach Frankfurt am Main geflogen. Am 3. Juni 2012 sei sie mit den Kindern in Deutschland angekommen. Sie habe im Jahr 2008 geheiratet. In Afghanistan lebten noch ihre Eltern in K. sowie vier Schwestern und zwei Brüder. Sie habe an einem staatlichen Institut eine zweijährige Ausbildung zur Erzieherin, zur Kindergärtnerin, absolviert und abgeschlossen. Bis zur Geburt des ersten Kindes habe sie dann sechs Monate im Kindergarten gearbeitet. Afghanistan habe sie wegen der Zukunft ihrer Kinder verlassen. Sie habe sie nicht in den Kindergarten bringen können, sie hätten nicht alleine in die Schule gehen können. Ein Onkel von ihr sei bei einem Attentat umgekommen. Ihr Mann arbeite auch in K. und sie wolle nicht, dass ihm Gleiches passiert. Er habe dort ein Geschäft und verkaufe u. a. Waschbecken und Kommoden. Sie wolle, dass ihre Kinder in Deutschland eine Zukunft hätten.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 wurden die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte abgelehnt (1.) sowie festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (2. und 3.) und den Klägern die Abschiebung angedroht (4.). Zur Begründung ist angeführt, die Kläger hätten eine politische Verfolgung nicht geltend gemacht, sondern sich nur auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan bezogen. Für eine Gefährdung wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken bestünden keine Anhaltspunkte. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor, insbesondere bestehe keine erhebliche individuelle Gefahr aufgrund eines bewaffneten Konflikts. Zudem seien keine stichhaltigen Ausführungen gemacht worden, aus denen sich ergäbe, dass die Familie nach einer Rückkehr mittellos und völlig auf sich gestellt wäre. In der Gesamtschau könne nicht von einer extremen Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgegangen werden.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Regensburg verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 14. April 2014 vertieften die Kläger ihr Vorbringen und gaben an, alle ihre Ersparnisse für die Ausreise aufgewandt zu haben. Weiter habe die Familie Geld vom Vater des Klägers zu 1 bekommen. Bei einer Rückkehr stünde die Familie vor dem Nichts. Außer den Eltern des Klägers zu 1 seien dort keine Verwandten mehr. Die Klägerin zu 2 habe in Afghanistan noch ihre Mutter sowie vier Schwestern und zwei Brüder.

Mit Urteil vom 14. April 2014 wurde die Klage abgewiesen. Dass den Klägern relevante Verfolgungsmaßnahmen drohten, sei weder dargetan, noch sonst ersichtlich. Auch die Voraussetzungen für subsidiären und nationalen Schutz lägen nicht vor. Insbesondere sei ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht deshalb festzustellen, weil es sich um eine Familie mit kleinen Kindern handle. Hier vermittle Nr. C 3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern den Klägern gleichwertigen Schutz vor Abschiebung. Danach würden Straftäter, Personen, bei denen Ausweisungsgründe vorliegen bzw. Sicherheitsbedenken bestehen, sowie alleinstehende, männliche afghanische Staatsangehörige vorrangig zurückgeführt. Die Rückführung anderer Personen sei vorerst zurückzustellen. Letzterem Personenkreis gehöre die Familie an, so dass sie nach Abschluss des Asylverfahrens ebenso eine Duldung erhalten würde wie diejenigen Personen, für die ein förmlicher Abschiebestopp bestehe. Damit sei die Familie hinreichend vor einer Abschiebung nach Afghanistan geschützt. Die Familie sei auch trotz der bekanntermaßen schlechten Sicherheits- und Versorgungslage keiner konkreten landesweiten Gefährdung für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt. Die Eltern seien beide überdurchschnittlich qualifiziert und bei einer Rückkehr sei zumindest damit zu rechnen, dass der Familienverband, der bereits die Ausreise finanziert habe, die Kläger wieder aufnehme und ihnen in der ersten Zeit ein Obdach biete. Zudem verfügten die Kläger noch über andere Familienmitglieder.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Begehrens nach Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots mit Beschluss vom 4. August 2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob für eine Familie mit minderjährigen Kindern bei Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, sie hätten noch zwei sehr kleine Kinder im Alter von erst fünf und zwei Jahren, so dass jedenfalls für die Mutter eine Arbeit nicht ohne weiteres möglich sein werde. Schon mit nur einem Kind sei ihr der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums nicht regelmäßig möglich gewesen. Es sei nicht anzunehmen, dass sie als Kindergärtnerin ohne weiteres ihre beiden Kinder mit zur Arbeit nehmen könne. Der Vater werde nicht im Stande sein, für vier Personen den Unterhalt zu verdienen. Rücklagen existierten nicht mehr, die Eltern hätten beide keine Arbeitsstelle mehr und eine weitere Unterstützung könne nicht mehr gewährt werden. Der Vater der Klägerin zu 2 sei zwischenzeitlich verstorben und die erwachsenen Geschwister hätten kein ausreichendes eigenes Einkommen. Die politische Entscheidung über eine Aussetzung der Abschiebung, die sich jederzeit wieder verändern könne, enthebe das Gericht nicht von der Feststellung zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine erhebliche konkrete Gefahr bestehe darüber hinaus auch deshalb, weil sich die Sicherheitslage erheblich verschlechtert habe. Die Innenministerkonferenz sei der Auffassung, dass zwangsweise Rückführungen weiterhin nur nach umfassender Einzelfallprüfung erfolgen sollten. UNHCR zufolge verschlechtere sich die Situation in Afghanistan zusehends. In K. spitze sich die Lage ebenfalls zu.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

Die Beklagte führt aus, es spreche Erhebliches dafür, dass die in Bayern geltenden Vorgaben als Erlasslage zu sehen seien, die afghanischen Familien mit minderjährigen Kindern einen Schutz vor Abschiebung vermittle. Unabhängig davon bestehe für Familien mit minderjährigen Kindern trotz der allgemein schwierigen humanitären Umstände nicht regelmäßig eine Extremgefahr, zumal auch die Rückkehrförderung zu berücksichtigen sei. Die einem Familienvater obliegende Aufgabe, über seine Person hinaus für die Angehörigen das Existenzminimum zu erwirtschaften, sei weiter kein sich unmittelbar auswirkender Aspekt. Das Abschiebungsschutzrecht gehe von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage aus. Auf die erst mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen könne nicht abgestellt werden. Bei tatsächlicher Existenzgefährdung der vom Erwerbsfähigen abhängigen Angehörigen könne dort ein Abschiebungsverbot vorliegen, durch das dem Erwerbsfähigen als Ausfluss seiner Rechte aus Art. 6 GG dann ein Anspruch auf Fortbestand der familiären Gemeinschaft im Bundesgebiet erwachse. Zudem sei ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Rückkehr und drohender Rechtsgutverletzung erforderlich. Schlechte humanitäre Bedingungen könnten zwar in Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen, aber in Afghanistan sei die allgemeine Lage nicht so ernst, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne. Fraglich sei schon, ob aus Sicht des Gesetzgebers der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG bei einer auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage überhaupt eröffnet sei. Angesichts des besonderen Ausnahmecharakters sei ein Gefährdungsgrad entsprechend der Extremgefahr erforderlich.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Damit kommt es auch auf die Frage nicht an, ob Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, für Familien eine Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG darstellt, die ihnen Schutz vor Abschiebung vermittelt und deshalb die analoge Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausschließt.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Der Kläger zu 1 und 2 als Eltern von zwei minderjährigen Kindern befürchten, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist.

Der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG ist auch bei einer allgemeinen, auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage eröffnet.

Von der Beklagten wird das allerdings bezweifelt, weil der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der vom Bundesverwaltungsgericht bejahten Erweiterung auf Gefährdungen, die nicht staatlich zu verantworten seien (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489), am Konzept von allgemeinen Gefährdungslagen einerseits und individuell gelagerten Schutzgründen andererseits festgehalten habe. Die Formulierung des Art. 3 EMRK, niemand dürfe unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden, lässt zwar nicht erkennen, ob sich diese nur aus konkret gegen den Betroffenen gerichteten Maßnahmen oder auch aus einer schlechten allgemeinen Situation mit unzumutbaren Lebensbedingungen ergeben kann. Eine Unterscheidung zwischen konkreten und allgemeinen Gefahren wird dort jedenfalls nicht vorgenommen. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist (BVerwG, U.v. 31.1.2013 a. a. O.; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952), hält aber eine unmenschliche Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen für möglich. Im Urteil vom 13. Juni 2013 (a. a. O.) ist das Bundesverwaltungsgericht ferner ausdrücklich von der früheren Rechtsprechung abgerückt und hält für das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht länger an der zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 vertretenen Auffassung fest, dass die Vorschrift nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtige, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohten. Nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ seien. Dieses Kriterium sei angemessen, wenn die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut zurückzuführen seien oder auf die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen. Zum anderen könne - wenn Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führten - eine Verletzung darin zu sehen sein, dass es dem Betroffenen nicht mehr gelinge, seine elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen. Zu berücksichtigen seien dabei auch seine Verletzbarkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung seiner Lage in angemessener Zeit. Im Anschluss hieran stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, ob es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen sei, verletze die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergebe, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden. Die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse seien nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der Betroffene wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention ziele hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern, mache die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK aber eine gewisse Flexibilität erforderlich.

Dass der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Regelung von allgemeinen Gefahren im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F. i. V. m. § 60a AufenthG unverändert beibehalten und nicht auf andere Abschiebungsverbote ausgedehnt hat, spricht bei systematischer Auslegung des Gesetzes gegen die vom Bundesamt vertretene Auffassung. Im gewaltenteilenden Rechtsstaat ist die Rechtsprechung nur ausnahmsweise befugt, die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers unbeachtet zu lassen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 zur verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F.). Im Übrigen greift das Bundesamt selbst in bestimmten Fallkonstellationen bei allgemeinen Gefahren ebenso auf § 60 Abs. 5 AufenthG zurück. So kann z. B. nach dem Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. November 2013, Az. M I 4 - 21004/21#5 („Information zur Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aufgrund des Urteils des BVerwG vom 13. Juni 2013“), bei unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt werden.

Bisher nicht geklärt ist, durch welchen Gefährdungsgrad derartige außergewöhnliche Fälle gekennzeichnet sein müssen. Schon von der Gesetzessystematik her kann der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht herangezogen werden. Da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, lassen sich die erhöhten Anforderungen an eine ausreichende Lebensgrundlage im Fall einer internen Schutzalternative ebenso wenig übertragen. Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167) macht jedoch deutlich, dass von einem sehr hohen Niveau auszugehen ist. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne, weist das ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin. Eine solche ist allerdings bei den Klägern gegeben.

Bei einer Rückkehr müssten die Eltern - nach afghanischen Maßstäben wohl der Vater - für den Unterhalt der gesamten Familie sorgen. Der Ehefrau und Mutter war es ihrem glaubhaften Vortrag zufolge wegen des älteren Kindes schon vor der Ausreise nicht möglich, in ihrem Beruf tätig zu sein. Selbst der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums war nicht regelmäßig möglich. Mit nunmehr zwei kleinen Kindern in betreuungsbedürftigem Alter würde ihr die Arbeitsaufnahme somit nicht gelingen. Der Vater müsste daher alleine den Unterhalt für die ganze Familie erwirtschaften. Dazu würde er nicht im Stande sein, zumal auch keine Rücklagen mehr existieren. Der Vater der Klägerin zu 2 ist zwischenzeitlich verstorben, so dass auch insoweit keine Hilfe zu erwarten wäre. Der Kläger zu 1 wäre in der Folge bei Rückkehr auf sich alleine gestellt. Angesichts der Lebensbedingungen in Afghanistan und der Tatsache, dass die Kinder noch in betreuungsbedürftigem Alter sind, würde er zur Sicherung der Existenz für die Familie nicht imstande sein. In der ständigen Rechtsprechung zur Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog (seitU.v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris) hat sich der Verwaltungsgerichtshof zwar schon mit Teilaspekten der humanitären Lage in Afghanistan befasst und ist zum Ergebnis gekommen, dass für einen alleinstehenden Rückkehrer keine Extremgefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Er wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Bei einer Familie mit minderjährigen Kindern ist aber im Hinblick auf die zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse in Afghanistan von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen.

Vorab ist festzuhalten, dass die gesamte Familie in die Bewertung mit einzubeziehen ist. Der Senat geht davon aus, dass die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers zu 1 nicht außer Betracht bleiben können. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass das Abschiebungsschutzrecht von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage ausgehe, trifft das zwar insoweit zu, als das Gesetz generell eine Unterscheidung zwischen allgemeinen und individuell drohenden Gefahren vornimmt. Das schließt aber nicht aus, Unterhaltsverpflichtungen, die dem Betroffenen konkret obliegen, zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob eine gemeinsame oder getrennte Rückkehr von Familienangehörigen zugrunde zu legen ist, geht ebenfalls in diese Richtung (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = InfAuslR 1993, 28; B.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = InfAuslR 2000, 93). Unter Einbeziehung der Bedeutung, welche die deutsche Rechtsordnung dem Schutz von Ehe und Familie beimesse (Art. 6 GG), sei bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohten, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr aller Familienangehörigen auszugehen. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen - Angehörige, die Abschiebungsschutz genießen - könne eine andere Betrachtung geboten sein. Erforderlich sei eine möglichst realitätsnahe Beurteilung der Situation im hypothetischen Rückkehrfall. Für die anzunehmende Ausgangssituation, von der aus die Gefahrenprognose zu erstellen sei, komme es grundsätzlich weder auf bloße Absichtserklärungen der Betroffenen noch auf ihren ausländerrechtlichen Status an. Dies gelte für den jeweiligen Asylbewerber selbst und für die Familienmitglieder. Die Hypothese solle die Realität nur in einem Punkt ersetzen, dem nicht mehr bestehenden Aufenthalt des Asylbewerbers in seinem Heimatstaat. Im Übrigen werde durch sie an dem realen Umfeld, insbesondere den familiären Beziehungen des Asylbewerbers, seinen Rechten und Pflichten, nichts geändert. Eine andere Betrachtungsweise würde sich grundlos von der Realität entfernen. Diese Grundsätze können auf die vorliegende Konstellation übertragen werden. Es wäre ebenso wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der genannten Rechtsprechung nicht in Einklang, wenn man die Unterhaltsverpflichtungen als lediglich mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen außer Betracht ließe.

Wird mithin die Notwendigkeit, dass der Kläger zu 1 für den Unterhalt der gesamten Familie aufkommen muss, zugrunde gelegt, würden die Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt. Die humanitäre Lage dort lässt für sie ein menschenwürdiges Dasein nicht zu.

Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zwar zum einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof geht hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeiten davon aus, dass am ehesten noch junge kräftige Männer, häufig als Tagelöhner, einfache Jobs, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt sei, fänden. In der Auskunft von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012 wird ebenfalls auf die schwierige Arbeitssuche hingewiesen. Die meisten Männer und Jugendlichen würden versuchen, auf nahe gelegenen Märkten als Träger zu arbeiten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 19 - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Nach der Stellungnahme von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i.L.) vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren A 11048/10.OVG) könne das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden (S. 9). Damit würde der Kläger zu 1 unter den gegebenen Umständen den notwendigen Lebensunterhalt nicht erwirtschaften können. Zum einen wird er keine Unterstützung durch seine Ehefrau bekommen, weil seine Kinder ihrer Betreuung bedürfen. Zum anderen wird es an Arbeitsmöglichkeiten für ihn fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Zwar war er vor der Ausreise im Geschäft seines Vaters tätig, jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass er ohne Weiteres an die bereits ausgeübte Tätigkeit anknüpfen könnte. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1 angegeben, er wisse nicht, wie das Geschäft laufe, seitdem er Afghanistan verlassen habe. Sein 18-jähriger Bruder gehe noch zur Schule und arbeite mittlerweile auch in dem Geschäft. Damit wird dieser den Platz des Klägers in dem Betrieb einnehmen, zumal er in einem Alter von 18 Jahren die Schule demnächst abschließen wird. Anhaltspunkte dafür, dass das Geschäft, das auch bislang nur von zwei Personen geführt wurde, Bedarf an einer weiteren dritten Arbeitskraft hätte, bestehen nicht. Somit wäre selbst im Fall der Rückkehr in das väterliche Geschäft nicht zu erwarten, dass der Kläger zu 1 ein Einkommen in einer Größenordnung erzielen könnte, die für den Lebensunterhalt einer ganzen Familie ausreichend wäre. Er wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden. Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch davon auszugehen, dass dies nicht gelingen kann.

Mit Ausnahme der medizinischen Versorgung greift der Lagebericht 2014 (S. 19 f.) keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung nicht gesichert sei. Da somit keine grundlegende Änderung eingetreten ist, wird zu den Einzelaspekten auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Januar 2012 (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 28 - Lagebericht 2012) zurückgegriffen, der die Situation detaillierter beschreibt. Dieser führt hinsichtlich der Unterkunftsmöglichkeiten aus, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Nach der Auskunft von ACCORD vom 1. Juni 2012 leben Zehntausende zurückgekehrter Familien unter schlimmen Bedingungen in Slums mit behelfsmäßigen Unterkünften in und um die afghanischen Städte. Sie müssten mit weniger als zehn Liter Wasser am Tag pro Person auskommen und hätten nicht genügend zu essen. Auch die SFH (S. 19) weist darauf hin, dass die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen gehöre, vor allem in K.. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 39% der Bevölkerung, zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Damit kann nicht angenommen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden würden, in der auch Kinder angemessen leben können. Erschwerend kommt hinzu, dass der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2014, S. 19).

Die Grundversorgung ist nach dem Lagebericht 2014 (S. 20) für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung, für Rückkehrer in besonderem Maße. Die medizinische Versorgung habe sich zwar in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend. In K. gebe es eine gute ärztliche Versorgung in einer deutschen und einer französischen Einrichtung. Im Übrigen sei medizinische Hilfe aber oftmals nicht zu erreichen oder könne nicht bezahlt werden (SFH S. 20). Diese Gesichtspunkte sind vorliegend im Hinblick auf die beiden kleinen Kinder von besonderer Bedeutung. Hinzu kommt, dass nach der SFH (S. 19) die Qualität der Bildungsangebote unzureichend und Gewalt im Umgang mit Kindern weit verbreitet ist. Viele Kinder seien unterernährt; 10% der Kinder würden vor ihrem 5. Geburtstag sterben. Straßenkinder seien jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013, S. 9 - UNHCR-Richtlinien) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Nach einer ergänzenden Darstellung (Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen - Vertretung in Deutschland - vom August 2014) sind 40% der Rückkehrer nicht in der Lage, sich wieder in ihre Heimatorte zu integrieren, rund 60% hätten Schwierigkeiten, sich ein neues Leben in Afghanistan aufzubauen.

Diese Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Insbesondere ist auch mit den neueren Erkenntnismitteln die derzeitige Situation hinreichend abgebildet, so dass es der Einholung weiterer Auskünfte nicht bedarf. Unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, ist die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die beiden kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Bei den geschilderten Verhältnissen liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Unterkunft finden würden und keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Dass die Rechtsprechung zur Extremgefahr für Alleinstehende nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht auf die Frage einer unmenschlichen Behandlung von Familien im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK übertragen werden kann, sondern sich die Wertung unterscheiden muss, zeigt sich auch an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 - hudoc.echr.coe.int, auszugsweise mit inoffizieller Übersetzung des Informationsverbunds Asyl und Migration in Asylmagazin 2014, 424). In der Entscheidung betreffend die Abschiebung einer Familie nach Italien hebt der Gerichtshof vor allem das Kindeswohl hervor. Eine Abschiebung verstoße gegen Art. 3 EMRK, wenn nicht sichergestellt sei, dass die Familieneinheit erhalten bleibe und eine den Bedürfnissen der Kinder entsprechende Aufnahme gewährleistet sei. Auch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder misst Familien mit Kindern besondere Bedeutung zu. In der 199. Sitzung vom 11. bis 13. Juni 2014 wurde deshalb das Bundesministerium des Innern unter anderem um vertiefte Informationen zur spezifischen Rückkehrsituation von Familien gebeten. Nach Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, ist die Rückführung von Familien vorerst ebenfalls zurückgestellt. Dass das Existenzminimum für eine Familie nicht erwirtschaftet werden kann, wird auch durch die Stellungnahme von Dr. Karin Lutze vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigt. Danach könne durch Aushilfsjobs allenfalls das Existenzminimum für eine Person ermöglicht werden (S. 9). Ferner bekräftigt der UNHCR (Richtlinien vom 6.8.2013, S. 9) das grundsätzliche Erfordernis bedeutender Unterstützung. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Damit hat sich die Lage nach der Einschätzung des UNHCR eher verschärft, denn die Richtlinien aus dem Jahr 2010 (S. 15 der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 24.3.2011 - zusammenfassende Übersetzung der UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 17.12.2010, S. 40) gingen noch davon aus, dass alleinstehende Männer und Kernfamilien (single males and nuclear family units) unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft leben könnten.

Soweit die Beklagte auf die gewährten Unterstützungsleistungen verweist, gibt es diese zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr. Danach allerdings bestehen Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat (Lagebericht 2014, S. 20; Auskunft von ACCORD vom 1.6.2012). Aufgrund dieser verwaltungstechnischen Schwierigkeiten kommt die erforderliche Hilfe deshalb oft nicht dort an, wo sich die Rückkehrer niedergelassen haben. Noch schwieriger gestaltet sich die Lage für Familien. Über eine gewisse Starthilfe hinaus ist es nicht möglich, dauerhaft Unterstützung für die gesamte Familie zu bekommen (Auskunft von amnesty international vom 29.9.2009 an den BayVGH im Verfahren 6 B 04.30476). Damit mögen die Leistungen zwar einen vorübergehenden Ausgleich schaffen, sind aber nicht dazu geeignet, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten, insbesondere weil die Grundversorgung schon generell für einen Großteil der afghanischen Bevölkerung eine enorme Herausforderung bedeutet.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 und des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 insoweit (Ablehnung Nr. 3 und Abschiebungsandrohung Nr. 4) zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. April 2014 wird der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13. Februar 2014 hinsichtlich Nummer 4 und 5 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II.

Die Beklage hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger ¾ und die Beklagte ¼ zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, ein Vater mit zwei im Jahr 2007 und im Jahr 2011 geborenen Söhnen, sind afghanische Staatsangehörige und tadschikische Volkszugehörige. Sie reisten am 27. November 2012 von I. kommend auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein und stellten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 10. Dezember 2012 Asylantrag.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 8. Januar 2013 gab der Kläger zu 1, der Vater, an, er spreche Dari und Farsi und sei Tadschike. Er habe nur einmal zwei Monate und einmal 40 Tage in Afghanistan gelebt und im Übrigen bis zur Ausreise in die Türkei in S. im Iran. Seine Ehefrau sei Iranerin. Vor ca. zweieinhalb Monaten sei die Familie bis zur iranischtürkischen Grenze mit dem Auto gefahren, wo sie sich bei der Flüchtlingsorganisation der UNO in Ankara gemeldet hätten. Er habe mit gefälschten Pässen nach Deutschland fliegen können, seine Frau sei jedoch aufgehalten worden. Er habe noch Verwandtschaft in Europa, in Kanada und im Iran. In Afghanistan lebten noch drei Onkel väterlicherseits, eine Tante mütterlicherseits, mehrere Cousins und Cousinen, zwei Schwestern und ein Bruder. Er habe vier Klassen Grundschule besucht. In selbstständiger Tätigkeit habe er den Beton für Hochhäuser geliefert. Für iranische Verhältnisse habe er sehr gut verdient. Auf die Frage nach seinem Verfolgungsschicksal trug der Kläger vor, sein Vater sei vor 30 Jahren wegen des Krieges in den Iran geflüchtet. Dort hätten sie zusammengelebt, bis seine Eltern vor fünf Jahren nach Afghanistan zurückgekehrt seien. Er und seine Kinder hätten keine Dokumente vom iranischen Staat erhalten. Der früher ausgehändigte Flüchtlingsausweis sei mit der Rückkehr seines Vaters nach Afghanistan ungültig geworden. Er habe seine Ehefrau traditionell geheiratet, jedoch sei die Hochzeit im Iran nicht anerkannt worden. Sein Schwager, der beim iranischen Militär arbeite, sei gegen die Hochzeit gewesen. Er sei zweimal ins Gefängnis gekommen, da sein Schwager gegen ihn ausgesagt bzw. ihn angezeigt habe. Zudem habe ihn sein Schwager erpresst und Schutzgeld verlangt, damit er ihn nicht weiter an die Behörden verraten werde. Nachdem er das erste Mal im Gefängnis gewesen sei, habe er viele seiner Kunden verloren. Das zweite Mal sei er wegen eines gefälschten iranischen Passes verhaftet worden. Nach der Entlassung sei er von seinem Schwager und den iranischen Behörden weiter schikaniert worden, so dass er keine andere Möglichkeit gesehen habe, außer den Iran zu verlassen. Nach Afghanistan könne er wegen des Kriegs in vielen Regionen nicht fliehen. Außerdem sei seine Ehefrau Iranerin.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 13. Februar 2014 wurden die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (1.), die Anträge auf Asylanerkennung abgelehnt (2.), der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (3.) sowie festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (4.) und die Abschiebung angedroht (5.). Nach dem Sachvorbringen bestünden keine Anhaltspunkte für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Asylanerkennung. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes lägen nicht vor, insbesondere keine ernsthafte individuelle Bedrohung aufgrund eines bewaffneten Konflikts in der Herkunftsstadt Kabul. Nationale Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor, zumal die Kläger auch keiner extremen allgemeinen Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt seien. Sie hätten keine stichhaltigen Ausführungen gemacht, dass sie, anders als die gesellschaftlichen Verhältnisse im Herkunftsland erwarten ließen, nach einer Rückkehr mittellos und völlig auf sich gestellt wären. Sie hätten auch die Möglichkeit, Kontakt mit Familienmitgliedern in Afghanistan aufzunehmen.

Mit der an das Verwaltungsgericht München gerichteten Klage verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 15. April 2014 erklärte der Kläger zu 1, wenn er nach Afghanistan zurückkehren würde, würde der Bruder fragen, ob er wegen des Besitzes käme. Sein Platz sei im Iran und nicht in Afghanistan. Außerdem sei seine Ehefrau nicht bereit, nach Afghanistan zu gehen. Die Ausreise habe er durch den Verkauf seines Hauses und seines Autos finanziert. Nachdem seine Ehefrau in der Türkei nicht in das Flugzeug gekommen sei, sei sie wieder in den Iran zurückgekehrt. Mit seinem Onkel in Afghanistan habe er Schwierigkeiten wegen einer Besitzauseinandersetzung. Sein Vater sei herzkrank und werde von seinen Brüdern finanziell unterstützt. Mit Urteil vom 15. April 2014 wurde die Klage abgewiesen.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Begehrens nach Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots mit Beschluss vom 4. August 2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob bei afghanischen Familien mit minderjährigen Kindern als Auslandsrückkehrer eine erhebliche konkrete Gefahr gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht.

Zur Begründung ihrer Berufung beziehen sich die Kläger auf ihren Zulassungsantrag, in dem sie sich der Verneinung eines national begründeten Abschiebungsverbots widersetzen.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 13. Februar 2014 und Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. April 2014 zu verpflichten, bei den Klägern ein national begründetes Abschiebungshindernis festzustellen.

Die Beklagte entgegnet, aufgrund der bayerischen Erlasslage dürfte es auf die Frage, ob bei einer Familie mit minderjährigen Kindern eine Extremgefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 AufenthG bestehe, nicht ankommen. Nach den ausländerrechtlichen Verwaltungsvorschriften sei die Rückführung aller dort nicht genannten Personengruppen, zu der auch die Kläger gehörten, vorerst zurückzustellen. Unabhängig davon bestehe für Familien mit minderjährigen Kindern trotz der allgemein schwierigen humanitären Umstände nicht regelmäßig eine Extremgefahr, zumal auch die Rückkehrförderung zu berücksichtigen sei. Die einem Familienvater obliegende Aufgabe, über seine Person hinaus für die Angehörigen das Existenzminimum zu erwirtschaften, sei zudem kein sich unmittelbar auswirkender Aspekt. Das Abschiebungsschutzrecht gehe von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage aus. Auf die erst mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen könne nicht abgestellt werden. Bei tatsächlicher Existenzgefährdung der vom Erwerbsfähigen abhängigen Angehörigen könne dort ein Abschiebungsverbot vorliegen, durch das dem Erwerbsfähigen als Ausfluss seiner Rechte aus Art. 6 GG dann ein Anspruch auf Fortbestand der familiären Gemeinschaft im Bundesgebiet erwachse. Zudem sei ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Rückkehr und drohender Rechtsgutverletzung erforderlich. Schlechte humanitäre Bedingungen könnten zwar in Ausnahmefällen in Bezug Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen, aber in Afghanistan sei die allgemeine Lage nicht so ernst, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne. Fraglich sei schon, ob aus Sicht des Gesetzgebers der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG bei einer auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage überhaupt eröffnet sei. Angesichts des besonderen Ausnahmecharakters sei ein Gefährdungsgrad entsprechend der Extremgefahr erforderlich.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger weisen darauf hin, dass nach der Erlasslage alleinstehende männliche afghanische Staatsangehörige vorrangig zurückzuführen seien. Auch wenn die Rückführung anderer Personen vorerst zurückzustellen sei, bedeute dies nicht, dass Abschiebungen ausgesetzt seien. Vielmehr sei, wie die Beklagte selbst ausführe, ein entsprechender Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Freien Wähler mit Beschluss vom 5. Februar 2014 abgelehnt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U. v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Damit kommt es auch auf die Frage nicht an, ob Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, für Familien eine Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG darstellt, die ihnen Schutz vor Abschiebung vermittelt und deshalb die analoge Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausschließt.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Der Kläger zu 1 als Vater von zwei minderjährigen Kindern befürchtet, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist.

Der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG ist auch bei einer allgemeinen, auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage eröffnet.

Von der Beklagten wird das allerdings bezweifelt, weil der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der vom Bundesverwaltungsgericht bejahten Erweiterung auf Gefährdungen, die nicht staatlich zu verantworten seien (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167; U. v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489), am Konzept von allgemeinen Gefährdungslagen einerseits und individuell gelagerten Schutzgründen andererseits festgehalten habe. Die Formulierung des Art. 3 EMRK, niemand dürfe unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden, lässt zwar nicht erkennen, ob sich diese nur aus konkret gegen den Betroffenen gerichteten Maßnahmen oder auch aus einer schlechten allgemeinen Situation mit unzumutbaren Lebensbedingungen ergeben kann. Eine Unterscheidung zwischen konkreten und allgemeinen Gefahren wird dort jedenfalls nicht vorgenommen. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist (BVerwG, U. v. 31.1.2013 a. a. O.; U. v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U. v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U. v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U. v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952), hält aber eine unmenschliche Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen für möglich. Im Urteil vom 13. Juni 2013 (a. a. O.) ist das Bundesverwaltungsgericht ferner ausdrücklich von der früheren Rechtsprechung abgerückt und hält für das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht länger an der zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 vertretenen Auffassung fest, dass die Vorschrift nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtige, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohten. Nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum Einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ seien. Dieses Kriterium sei angemessen, wenn die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut zurückzuführen sei oder auf die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen. Zum Anderen könne - wenn Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führten - eine Verletzung darin zu sehen sein, dass es dem Betroffenen nicht mehr gelinge, seine elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen. Zu berücksichtigen seien dabei auch seine Verletzbarkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung seiner Lage in angemessener Zeit. Im Anschluss hieran stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, ob es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen sei, verletze die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergebe, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden. Die sozioökonomischen und humanitären Verhältnisse seien nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der Betroffene wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention ziele hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern, mache die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK aber eine gewisse Flexibilität erforderlich.

Dass der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Regelung von allgemeinen Gefahren im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F. i. V. m. § 60a AufenthG unverändert beibehalten und nicht auf andere Abschiebungsverbote ausgedehnt hat, spricht bei systematischer Auslegung des Gesetzes gegen die vom Bundesamt vertretene Auffassung. Im gewaltenteilenden Rechtsstaat ist die Rechtsprechung nur ausnahmsweise befugt, die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers unbeachtet zu lassen (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 zur verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F.). Im Übrigen greift das Bundesamt selbst in bestimmten Fallkonstellationen bei allgemeinen Gefahren ebenso auf § 60 Abs. 5 AufenthG zurück. So kann z. B. nach dem Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. November 2013, Az. M I 4 - 21004/21#5 („Information zur Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aufgrund des Urteils des BVerwG vom 13. Juni 2013“), bei unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt werden.

Bisher nicht geklärt ist, durch welchen Gefährdungsgrad derartige außergewöhnliche Fälle gekennzeichnet sein müssen. Schon von der Gesetzessystematik her kann der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht herangezogen werden. Da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, lassen sich die erhöhten Anforderungen an eine ausreichende Lebensgrundlage im Fall einer internen Schutzalternative ebenso wenig übertragen. Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167) macht jedoch deutlich, dass von einem sehr hohen Niveau auszugehen ist. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne, weist das ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin. Eine solche ist allerdings bei den Klägern gegeben.

Der Kläger zu 1 würde zusammen mit seinen beiden Kindern, den Klägern zu 2 und 3, zurückkehren und müsste für sich selbst sowie die Kinder sorgen. Die Ehefrau und Mutter hält sich nach den Angaben des Klägers zu 1 in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof in Italien auf, so dass er insoweit keine Hilfe hätte. Nach glaubhaftem Vortrag kann er zudem weder von seinen Eltern noch von seinen Schwiegereltern Unterstützung bekommen. Seine Eltern sind wegen Familienstreitigkeiten wieder in den Iran gezogen, sein Vater ist zudem krank und selbst hilfsbedürftig. Die Schwiegereltern stammen aus dem Iran. Den Angaben des Klägers zu 1 zufolge war er bereits zweimal im Gefängnis, nachdem ihn sein Schwager, der gegen die Hochzeit gewesen sei, wegen seines illegalen Aufenthalts im Iran angezeigt habe. In Afghanistan wird er von dem Teil seiner Familie, der dort verblieben ist, nicht akzeptiert. Außerdem gibt es Erbauseinandersetzungen. Damit könnte der Kläger zu 1 von niemandem Hilfe erwarten, sondern wäre in der Folge bei Rückkehr auf sich alleine gestellt. Angesichts der Lebensbedingungen in Afghanistan und der Tatsache, dass die Kinder noch in betreuungsbedürftigem Alter sind, würde er zur Sicherung der Existenz für die Familie nicht imstande sein. In der ständigen Rechtsprechung zur Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog (seitU. v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U. v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris) hat sich der Verwaltungsgerichtshof zwar schon mit Teilaspekten der humanitären Lage in Afghanistan befasst und ist zum Ergebnis gekommen, dass für einen alleinstehenden Rückkehrer keine Extremgefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Er wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Bei einer Familie mit minderjährigen Kindern ist aber im Hinblick auf die zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse in Afghanistan von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen.

Vorab ist festzuhalten, dass die Kinder in die Bewertung mit einzubeziehen sind. Der Senat geht davon aus, dass die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers zu 1 nicht außer Betracht bleiben können. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass das Abschiebungsschutzrecht von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage ausgehe, trifft das zwar insoweit zu, als das Gesetz generell eine Unterscheidung zwischen allgemeinen und individuell drohenden Gefahren vornimmt. Das schließt aber nicht aus, Unterhaltsverpflichtungen, die dem Betroffenen konkret obliegen, zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob eine gemeinsame oder getrennte Rückkehr von Familienangehörigen zugrunde zu legen ist, geht ebenfalls in diese Richtung (BVerwG, U. v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = InfAuslR 1993, 28; B. v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = InfAuslR 2000, 93). Unter Einbeziehung der Bedeutung, welche die deutsche Rechtsordnung dem Schutz von Ehe und Familie beimesse (Art. 6 GG), sei bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohten, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr aller Familienangehörigen auszugehen. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen - Angehörige, die Abschiebungsschutz genießen - könne eine andere Betrachtung geboten sein. Erforderlich sei eine möglichst realitätsnahe Beurteilung der Situation im hypothetischen Rückkehrfall. Für die anzunehmende Ausgangssituation, von der aus die Gefahrenprognose zu erstellen sei, komme es grundsätzlich weder auf bloße Absichtserklärungen der Betroffenen noch auf ihren ausländerrechtlichen Status an. Dies gelte für den jeweiligen Asylbewerber selbst und für die Familienmitglieder. Die Hypothese solle die Realität nur in einem Punkt ersetzen, dem nicht mehr bestehenden Aufenthalt des Asylbewerbers in seinem Heimatstaat. Im Übrigen werde durch sie an dem realen Umfeld, insbesondere den familiären Beziehungen des Asylbewerbers, seinen Rechten und Pflichten, nichts geändert. Eine andere Betrachtungsweise würde sich grundlos von der Realität entfernen. Diese Grundsätze können auf die vorliegende Konstellation übertragen werden. Es wäre ebenso wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der genannten Rechtsprechung nicht in Einklang, wenn man die Unterhaltsverpflichtungen als lediglich mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen außer Betracht ließe.

Wird mithin die Notwendigkeit, dass der Kläger zu 1 für den Unterhalt der Familie aufkommen muss, zugrunde gelegt, würden die Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt. Die humanitäre Lage dort lässt für sie ein menschenwürdiges Dasein nicht zu.

Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zwar zum Einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof geht hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeiten davon aus, dass am ehesten noch junge kräftige Männer, häufig als Tagelöhner, einfache Jobs, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt sei, fänden. In der Auskunft von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012 wird ebenfalls auf die schwierige Arbeitssuche hingewiesen. Die meisten Männer und Jugendlichen würden versuchen, auf nahe gelegenen Märkten als Träger zu arbeiten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5. Oktober 2014, S. 19 - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Nach der Stellungnahme von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i. L.) vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren A 11048/10.OVG) könne das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden (S. 9). Damit würde der Kläger zu 1 unter den gegebenen Umständen den notwendigen Lebensunterhalt nicht erwirtschaften können. Zum Einen bedürfen seine Kinder der Betreuung. Zum Anderen wird es an Arbeitsmöglichkeiten für den Kläger zu 1 fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Zwar war er im Iran selbstständig tätig und hat dort nach seinen Angaben sehr gut verdient, jedoch verfügt er weder über eine qualifizierte Ausbildung noch kann er in Afghanistan an die bereits ausgeübte Tätigkeit anknüpfen. Er wäre vielmehr gezwungen, für sich und seine beiden Kinder eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm dort entsprechende Kontakte und Hilfen zur Verfügung stehen.

Mit Ausnahme der medizinischen Versorgung greift der Lagebericht 2014 (S. 19 f.) keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung nicht gesichert sei. Da somit keine grundlegende Änderung eingetreten ist, wird zu den Einzelaspekten auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Januar 2012 (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 28 - Lagebericht 2012) zurückgegriffen, der die Situation detaillierter beschreibt. Dieser führt hinsichtlich der Unterkunftsmöglichkeiten aus, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Nach der Auskunft von ACCORD vom 1. Juni 2012 leben Zehntausende zurückgekehrter Familien unter schlimmen Bedingungen in Slums mit behelfsmäßigen Unterkünften in und um die afghanischen Städte. Sie müssten mit weniger als zehn Liter Wasser am Tag pro Person auskommen und hätten nicht genügend zu essen. Auch die SFH (S. 19) weist darauf hin, dass die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen gehöre, vor allem in Kabul. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 39% der Bevölkerung, zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden werden, in der auch Kinder angemessen leben können. Erschwerend kommt hinzu, dass der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2014, S. 19).

Die Grundversorgung ist nach dem Lagebericht 2014 (S. 20) für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung, für Rückkehrer in besonderem Maße. Die medizinische Versorgung habe sich zwar in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend. In Kabul gebe es eine gute ärztliche Versorgung in einer deutschen und einer französischen Einrichtung. Im Übrigen sei medizinische Hilfe aber oftmals nicht zu erreichen oder könne nicht bezahlt werden (SFH S. 20). Diese Gesichtspunkte sind vorliegend im Hinblick auf die beiden kleinen Kinder von besonderer Bedeutung. Hinzu kommt, dass nach der SFH (S. 19) die Qualität der Bildungsangebote unzureichend und Gewalt im Umgang mit Kindern weit verbreitet ist. Viele Kinder seien unterernährt; 10% der Kinder würden vor ihrem 5. Geburtstag sterben. Straßenkinder seien jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 9 - UNHCR-Richtlinien) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Nach einer ergänzenden Darstellung (Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen - Vertretung in Deutschland - vom August 2014) sind 40% der Rückkehrer nicht in der Lage, sich wieder in ihre Heimatorte zu integrieren, rund 60% hätten Schwierigkeiten, sich ein neues Leben in Afghanistan aufzubauen.

Diese Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Insbesondere ist auch mit den neueren Erkenntnismitteln die derzeitige Situation hinreichend abgebildet, so dass es der Einholung weiterer Auskünfte nicht bedarf. Unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, ist die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass sie ohne die Ehefrau bzw. Mutter abgeschoben würden, somit also eine Betreuungsperson nicht zur Verfügung stünde. Bei den geschilderten Verhältnissen liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Unterkunft finden würden und keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen zu hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen werden. Ohne Hilfe werden sie sich weder ernähren können noch sind die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern Gefahr laufen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U. v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Dass die Rechtsprechung zur Extremgefahr für Alleinstehende nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht auf die Frage einer unmenschlichen Behandlung von Familien im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK übertragen werden kann, sondern sich die Wertung unterscheiden muss, zeigt sich auch an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 - hudoc.echr.coe.int, auszugsweise mit inoffizieller Übersetzung des Informationsverbunds Asyl und Migration in Asylmagazin 2014, 424). In der Entscheidung betreffend die Abschiebung einer Familie nach Italien hebt der Gerichtshof vor allem das Kindeswohl hervor. Eine Abschiebung verstoße gegen Art. 3 EMRK, wenn nicht sichergestellt sei, dass die Familieneinheit erhalten bleibe und eine den Bedürfnissen der Kinder entsprechende Aufnahme gewährleistet sei. Auch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder misst Familien mit Kindern besondere Bedeutung zu. In der 199. Sitzung vom 11. bis 13. Juni 2014 wurde deshalb das Bundesministerium des Innern unter anderem um vertiefte Informationen zur spezifischen Rückkehrsituation von Familien gebeten. Nach Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, ist die Rückführung von Familien vorerst ebenfalls zurückgestellt. Dass das Existenzminimum für eine Familie nicht erwirtschaftet werden kann, wird auch durch die Stellungnahme von Dr. K. L. vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigt. Danach könne durch Aushilfsjobs allenfalls das Existenzminimum für eine Person ermöglicht werden (S. 9). Ferner bekräftigt der UNHCR (Richtlinien vom 6.8.2013, S. 9) das grundsätzliche Erfordernis bedeutender Unterstützung. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Damit hat sich die Lage nach der Einschätzung des UNHCR eher verschärft, denn die Richtlinien aus dem Jahr 2010 (S. 15 der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 24.3.2011 - zusammenfassende Übersetzung der UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 17.12.2010, S. 40) gingen noch davon aus, dass alleinstehende Männer und Kernfamilien (single males and nuclear family units) unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft leben könnten.

Soweit die Beklagte auf die gewährten Unterstützungsleistungen verweist, gibt es diese zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr. Danach allerdings bestehen Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat (Lagebericht 2014, S. 20; Auskunft von ACCORD vom 1.6.2012). Aufgrund dieser verwaltungstechnischen Schwierigkeiten kommt die erforderliche Hilfe deshalb oft nicht dort an, wo sich die Rückkehrer niedergelassen haben. Noch schwieriger gestaltet sich die Lage für Familien. Über eine gewisse Starthilfe hinaus ist es nicht möglich, dauerhaft Unterstützung für die gesamte Familie zu bekommen (Auskunft von amnesty international vom 29.9.2009 an den BayVGH im Verfahren 6 B 04.30476). Damit mögen die Leistungen zwar einen vorübergehenden Ausgleich schaffen, sind aber nicht dazu geeignet, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten, insbesondere weil die Grundversorgung schon generell für einen Großteil der afghanischen Bevölkerung eine enorme Herausforderung bedeutet.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. April 2014 und Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13. Februar 2014 insoweit (Ablehnung Nr. 4 und Abschiebungsandrohung Nr. 5) zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 4 und Aufhebung von Nummer 5 und 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juni 2016 verpflichtet, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II. Die Beklage hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, eine Familie aus Nekbai in der Provinz Kunduz mit einem im Jahr 2015 geborenen und demnächst einem zweiten Kind, sind afghanische Staatsangehörige und schiitische Hazara. Nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Januar 2016 stellten sie am 11. März 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Der Kläger zu 1, der Ehemann und Vater, gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 15. Juni 2016 an, er stamme aus dem Dorf Nekbai in der Provinz Kunduz. In Afghanistan habe er noch zwei Schwestern und im Iran zwei Brüder. Eine Schule habe er nicht besucht und auch keinen Beruf erlernt. Zuletzt habe er als Bauarbeiter gearbeitet. Die Taliban hätten das Dorf besetzt und ihm zweimal Ohrfeigen gegeben. Sie hätten wissen wollen, wer im Dorf Waffen habe und wer Kommandeur sei. Als er noch ein Kind gewesen sei, hätten sie seinen Vater vermutlich wegen dessen Grundbesitz getötet. Ergänzend fügt der Kläger an, im Iran sei ihm im rechten Bein eine Stahlplatte eingesetzt worden. In Deutschland habe er einen Termin zur Operation.

Die Klägerin zu 2, die Ehefrau und Mutter, führte aus, sie sei nicht in die Schule gegangen und habe auch keinen Beruf erlernt und ausgeübt. Im Iran lebten vier Schwestern, zwei Brüder lebten in Deutschland. Ihr Schwiegervater sei Grundbesitzer gewesen, ihr Ehemann habe das Land zusammen mit seinem Bruder geerbt. Davon habe die Familie gelebt und die Reise finanziert. Wirtschaftlich sei es der Familie gut gegangen, aber wegen der Taliban sei ihr Leben in Gefahr gewesen. Diese würden die Männer von zu Hause holen und mitnehmen, einige würden umgebracht werden. Ihr Ehemann sei geschlagen worden und habe Ohrfeigen bekommen.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 21. Juni 2016 wurden die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.) sowie des subsidiären Schutzstatus (3.) und die Anträge auf Asylanerkennung (2.) abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (4.). Den Klägern wurde die Abschiebung angedroht (5., 6.). Zur Begründung ist angeführt, dass sich aus dem Sachvortrag weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ergäben. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes komme nicht in Betracht, weil in Afghanistan kein Konflikt bestehe und keinerlei Anhaltspunkte erkennbar seien, die die Annahme rechtfertigten, dass bei den Klägern im Fall der Rückkehr ein ernsthafter Schaden drohen würde. Unter den derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan seien auch die Anforderungen an den Gefahrenmaßstab nach Art. 3 EMRK nicht erfüllt. Die Umstände, die die Kläger geltend machten, gingen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner hinzunehmen hätten, die in vergleichbaren Situationen lebten. Auch eine individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Sinn von § 60 Abs. 7 AufenthG drohe nicht.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Augsburg verfolgten die Kläger ihr Begehren hinsichtlich nationaler Abschiebungsverbote weiter. In der mündlichen Verhandlung am 18. Oktober 2016 vertieften die Kläger ihr Vorbringen und gaben an, zwei Onkel und zwei Schwestern des Klägers zu 1 hätten bis vor kurzem in ihrem Heimatdorf gelebt. Dann habe es dort Kämpfe gegeben und er habe deshalb keinen Kontakt mehr zu seinen beiden Schwestern. Vor einigen Jahren habe er eine Oberschenkelfraktur erlitten und sei operiert worden. Die eingesetzte Platinstange sei in Deutschland herausgezogen worden. Die Klägerin zu 1 führte aus, dass die Familie den Grundbesitz für die Flucht verkauft habe. Wegen seiner Beinverletzung könne der Kläger nicht als Tagelöhner arbeiten.

Mit Urteil vom 18. Oktober 2016 wurde die Klage abgewiesen. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die allgemeinen Lebensbedingungen seien zumindest nicht in allen Landesteilen Afghanistans so schlecht, dass die Abschiebung einer dreiköpfigen Familie eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde. Insbesondere das Hauptsiedlungsgebiet der Volksgruppe der Hazara, die Provinz Bamiyan, gehöre zu den relativ sicheren Provinzen. Für eine reale Chance, nach einer Rückkehr eine ausreichende Existenzgrundlage für alle Familienmitglieder zu finden, sprächen vor allem die Start- und Reintegrationshilfen nach dem GARP-Programm sowie die Service- und Beratungsleistungen nach dem europäischen Reintegrationsprogramm (ERIN). Insgesamt könnten die Kläger damit Reintegrationshilfen im Gesamtwert von 3.150 € in Anspruch nehmen. In der mündlichen Verhandlung habe der Kläger zu 1 ferner angegeben, dass es ihm gesundheitlich gut gehe. Damit bestehe auch keine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsschutzes mit Beschluss vom 11. Januar 2017 wegen Divergenz zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197; U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212) zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs könnten schlechte humanitäre Bedingungen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führen. Bei einer Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern sei dies der Fall, so dass sie einen Anspruch auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hätten. Eventuelle Hilfen aus den Rückkehrprogrammen könnten kein anderes Ergebnis begründen. Auf diese bestünde kein Rechtsanspruch und sie erschienen nicht ausreichend, um dauerhaft ein Überleben der Familie zu gewährleisten.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. März 2017 verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17).

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Die Kläger zu 1 und 2 als Eltern von bald zwei minderjährigen Kindern befürchten, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, bei der auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist. Dass bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen eine solche Gefahrenlage anzunehmen ist und in der Folge ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG besteht, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit den von den Klägern herangezogenen Divergenzurteilen vom 21. November 2014 entschieden (13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 und 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212). Daran hat sich auch unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse bislang nichts geändert.

Vorliegend müssten die Eltern - nach afghanischen Maßstäben wohl der Vater - bei einer Rückkehr für den Unterhalt der gesamten Familie sorgen. Das ältere Kind, die Klägerin zu 3, ist zwei Jahre alt und ein weiteres Kind wird demnächst geboren. Angesichts dieser beiden kleinen Kindern in betreuungsbedürftigem Alter wird die Ehefrau und Mutter, die Klägerin zu 2, zum Familienunterhalt nicht beitragen können. Zudem ist sie unbestrittenen Angaben zufolge nicht in die Schule gegangen, hat keinen Beruf erlernt und auch keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Damit müsste der Vater alleine den Unterhalt für die ganze Familie erwirtschaften. Im Hinblick auf die derzeitige (wirtschaftliche) Lage in Afghanistan würde er hierzu nicht im Stande sein, zumal auch keine Rücklagen mehr existieren.

Wegen der zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse, die sich bislang nicht nachhaltig verbessert haben, ist bei einer Familie mit minderjährigen Kindern nach wie vor von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen. Das ergibt sich aus den zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblichen Erkenntnismitteln. Dabei zeigt sich deutlich, dass sich die Rahmenbedingungen nicht verbessert haben.

Wurde im Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) noch festgestellt, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessere, es sich in fast allen Bereichen positiv entwickle und die Wirtschaft trotz einer zunehmenden Unsicherheit und Destabilisierung des Landes wachse, so wird in demjenigen vom 19. Oktober 2016 (Stand: September 2016, S. 21 ff. - Lagebericht 2016) ausgeführt, die afghanische Wirtschaft ringe seit Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe geprägt durch eine schwache Investitionstätigkeit, die Abwertung des Afghani gegenüber dem US-Dollar schreite weiter voran und ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Das Vertrauen von Investoren und Verbrauchern in Afghanistan sei weiter gesunken; Ursachen hierfür seien neben der schwierigen Sicherheitslage vor allem in der schleppenden Regierungsbildung zu sehen. Ausländische Investitionen seien in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen; die Rahmenbedingungen für Investoren hätten sich kaum verbessert. Dass die Schaffung von Arbeitsplätzen die zentrale Herausforderung bedeute, wurde bereits im Jahr 2014 berichtet. Hieran hat sich nichts geändert, die Arbeitslosenquote ist dem Lagebericht 2016 zufolge im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Zwar sei sich die afghanische Regierung der Problematik bewusst und habe auch entsprechende Planungen vorgenommen, jedoch seien Erfolge, die auch großflächig in der Bevölkerung spürbar würden, kurzfristig kaum zu erwarten. Ein Problem stelle dar, dass gut ausgebildete und moderat wohlhabende Männer weiterhin bessere Zukunftschancen außerhalb Afghanistans sähen. Die hohe Arbeitslosigkeit werde durch vielfältige Naturkatastrophen verstärkt, so dass die Grundversorgung - wie schon seit Jahren - für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung sei. Für Rückkehrer gelte dies naturgemäß verstärkt. Gerade der Norden - eigentlich die „Kornkammer“ des Landes - sei extremen Natureinflüssen wie Trockenheit, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten hätten dazu geführt, dass dort ca. eine Millionen oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gälten. Zur Unterkunftsmöglichkeit hatte schon der Lagebericht vom Januar 2012 (S. 28 - Lagebericht 2012) angegeben, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Eine Verbesserung wird auch im Lagebericht 2016 nicht gemeldet. Hinsichtlich der medizinischen Versorgung wird erneut ausgeführt, dass sie trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken leide, insbesondere aber an fehlenden Ärzten sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v. a. Hebammen).

Ähnlich verhält es sich mit den Auskünften der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 19 ff. - SFH 2014 und vom 30.9.2016, S. 24 ff. - SFH 2016). Auch im Jahr 2016 wird ausgeführt, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten, 1,7 Millionen Menschen seien ernsthaft von Lebensmittelunsicherheit betroffen. Wie schon 2014 wird darauf hingewiesen, dass die geschwächte Bevölkerung Naturkatastrophen und harten Wintern schutzlos ausgeliefert sei. Zusätzlich werde die Lage durch die anhaltenden Konflikte verschärft. Weiterhin würde die Lebensgrundlage zahlreicher Menschen zerstört, die Anzahl der intern Vertriebenen sei rasant in die Höhe geschnellt, ansteckende Krankheiten nähmen zu und die Kriminalitätsrate steige an. Seit dem Abzug der internationalen Sicherheitskräfte Ende 2014 sei die bereits sehr hohe Arbeitslosigkeit rasant angestiegen. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Zu den gravierendsten sozialen Problemen gehört auch nach dem Bericht von 2016 (S. 24) die Wohnraumknappheit, vor allem in Kabul. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 46% der Bevölkerung (gegenüber 39% nach SFH 2012), zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Schon 2014 wurde berichtet, dass medizinische Hilfe oftmals nicht zu erreichen sei oder nicht bezahlt werden könne (SFH S. 20). Dies wird 2016 bestätigt. Zugang zu den grundlegendsten medizinischen Dienstleistungen hätten nur rund 36% der Bevölkerung, wobei dies ab dem Jahr 2015 wegen der gewaltsamen Konflikte sowie der verbreiteten Armut zusehends schwieriger geworden sei. Die Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen und fehlende Dienstleistungen im Gesundheitsbereich seien direkte Folgen der Gewalt und beeinträchtigten die bereits karge Gesundheitsversorgung der Menschen zusätzlich. Der Gesundheitszustand von Frauen und Kindern bleibe schlecht, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten sowie unter Nomaden. Frauen und Kinder verlören überdurchschnittlich oft das Leben wegen eigentlich heilbarer Krankheiten. Viele Familien könnten sich die Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitseinrichtungen nicht leisten.

Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus den Richtlinien des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016 (UNHCR-Richtlinien 2016). Bereits in den Richtlinien vom 6. August 2013 (S. 9, 29 ff. - UNHCR-Richtlinien 2013) wurde ausgeführt, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedürfe. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Das wird in den Richtlinien 2016 gleichermaßen dargestellt (S. 10). In den Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern vom Dezember 2016 (UNHCR Dezember 2016, S. 2, 4) wird nochmals betont, dass der enorme Anstieg an Rückkehrern zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten geführt habe und es für eine Neuansiedlung ein starkes soziales Netzwerk geben müsse. Weiter wird dargelegt, dass die humanitären Indikatoren in Afghanistan auf einem kritisch niedrigen Niveau seien (UNHCR-Richtlinien 2016, S. 31). Ende 2015 seien 8,1 Mio. Menschen bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 27 Mio. Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen gewesen. Über eine Million Kinder litten an akuter Mangelernährung und 9,1% Prozent der Kinder würden vor ihrem fünften Geburtstag sterben (so auch Lagebericht 2016, S. 13). Der Anteil der Bevölkerung, der unterhalb der nationalen Armutsgrenze lebe, liege nach wie vor bei 35,8%. 1,7 Millionen Afghanen seien von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffen. Besonders schwerwiegend wirke sich der andauernde Konflikt auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung aus, unter anderem aufgrund von direkten Angriffen auf medizinisches Personal und auf Gesundheitseinrichtungen; 36% der Bevölkerung hätten überhaupt keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung.

Zusammenfassend lässt sich den Berichten und Auskünften nicht entnehmen, dass seit dem Jahr 2014 von einer Verbesserung der Situation ausgegangen werden könnte. Wie schon damals ausgeführt, ist unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass - wie bereits erwähnt - die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die beiden kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Angesichts der enorm hohen Arbeitslosigkeit wird es an Arbeitsmöglichkeiten für den Kläger zu 1 fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Erschwerend kommt bei ihm hinzu, dass er weder über eine Schulbildung verfügt noch einen Beruf erlernt hat. Zudem hat er nach einem Unfall gesundheitliche Probleme mit einem Bein, die mögliche Betätigungen weiter einschränken. Familiäre Unterstützung könnten die Kläger nicht erwarten, da die Angehörigen, soweit sie sich nicht in Europa aufhalten, im Iran leben. Zwar hat der Kläger zu 1 von seinem Vater Land geerbt, jedoch wurde hiermit die Ausreise finanziert und es kann der Familie deshalb nicht als Grundlage dienen. Zudem könnten den Berichten zufolge zahlreiche Familien aufgrund von unrechtmäßigen Besetzungen nicht mehr auf ihren Landbesitz zurückkehren und hätten auch kaum Chancen, diesen erfolgreich zurückzufordern (SFH 2016, S. 26). Auch die illegale Beschlagnahmung von Land durch Beamte sowie lokale Machthaber ist der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zufolge verbreitet. Der Kläger zu 1 wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden.

Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dies gelingen kann. Ohne Hilfe würde sich die Familie weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Es kann nicht angenommen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden würden, in der auch Kinder angemessen leben können, insbesondere weil der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2016, S. 21). Aufgrund mangelnder Flächen und erschwinglicher Unterkünfte in städtischen Gebieten sind Rückkehrer häufig gezwungen, in informellen Siedlungen ohne angemessenen Lebensstandard zu leben (UNHCR-Richtlinien 2016, S. 34). Unter Berufung auf UNICEF (United Nations Children’s Fund) wird in den UNHCR-Richtlinien 2016 dargelegt, dass Familien häufig keine andere Wahl hätten, als in Slums zu wohnen, wo sie keinen Zugang zu akzeptablen Wohnbedingungen, Wasser, sanitären Einrichtungen, Gesundheitsversorgung und Bildung hätten. Aufgrund der beschränkt verfügbaren Flächen würden auch wenig geeignete Orte wie die steilen Hänge um Kabul besiedelt. Diese informellen Siedlungen seien durch schwierige naturgegebene Merkmale wie extreme Winter, beschränkten Zugang zu sauberem Wasser und unhygienische Bedingungen geprägt. Angesichts von zwei Kleinkindern fällt das besonders ins Gewicht.

In der Gesamtschau kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass einer Familie mit Kindern unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage im Allgemeinen möglich ist. Vielmehr liegt bei den geschilderten Verhältnissen ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht nach wie vor die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Lebensgrundlage finden würden und keine Unterkunft sowie Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern nach wie vor Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Soweit die Beklagte und das Verwaltungsgericht auf mögliche Unterstützungsleistungen (im Internet abrufbar unter www.bamf.de/rueckkehrfoerderung) verweisen, ergibt sich nichts anderes. Auch die aktuellen Leistungen können nur einen vorübergehenden Ausgleich schaffen. Es ist nach wie vor nicht anzunehmen, dass sie dazu geeignet wären, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten. Zwar sind die Unterstützungsleistungen gegenüber dem Jahr 2014 offenbar ausgeweitet worden. Über das humanitäre Rückkehrprogramm „REAG/GARP“ (Reintegration and Emigration Programme for Asylum Seekers in Germany - REAG und Government Assisted Repatriation Programme - GARP) werden bei freiwilligen Rückkehrern die Transportkosten übernommen, Reisebeihilfen in Höhe von 200,- Euro pro Rückkehrer über 12 Jahre und Starthilfen von 500,- Euro bezahlt. Zusätzlich werden nach dem Reintegrationsprogramm „ERIN“ (European Reintegration Network) als Sachleistungen Reintegrationsleistungen im Wert von maximal 2.000,- Euro gewährt. Schwerpunkte des Programms sind neben der Intensivierung des Dialogs mit den Drittstaaten die individuelle Unterstützung nach der Rückkehr in das Herkunftsland, Hilfestellung bei der Existenzgründung und soziale Begleitung. Finanzielle Mittel erhalten Rückkehrer danach nur aus dem REAG/GARP-Programm und zwar mit Ausnahme einer Starthilfe von 500,- Euro pro Erwachsenen im Wesentlichen für die Kosten der Rückreise. Im Rahmen des ERIN-Programms gibt es keine finanziellen Hilfen, sondern nur tatsächliche Unterstützungsleistungen. Diese beinhalten bei Ankunft Hilfe für die Weiterreise, dringende medizinische Behandlung, kurzfristige Unterkunft in einer Aufnahmeeinrichtung und im Weiteren Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche bzw. Unterstützung bei einer Geschäftsgründung, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Übernahme von Verwaltungskosten, etwa für die Registrierung oder um Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erlangen, sowie verwaltungstechnische Unterstützung in Form von Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen. Wenn man all diese Maßnahmen näher betrachtet, vermögen sie den Wiedereinstieg nach einer Rückkehr zum Teil zu erleichtern. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der möglichen Hilfsleistungen scheint aber zumindest ein geringer Qualifizierungsgrad erforderlich, damit die Programme überhaupt greifen können. Sowohl Arbeitsplatzsuche als auch eine Geschäftsgründung setzen gewisse Grundkenntnisse und -fertigkeiten voraus. Wenn dies der Fall ist, kann im Weiteren unterstützend eingegriffen werden. Fehlende Ausbildung und Qualifikation - wie hier - vermögen die Programme nicht zu ersetzen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es schon generell sehr schwierig ist, sich auch nur einen notdürftigen Unterhalt zu verschaffen. So weist Pro Asyl in einer Stellungnahme vom 16. November 2016 (zur 205. Sitzung der Innenministerkonferenz am 29./30.11.2016 in Saarbrücken) darauf hin, dass sich die Möglichkeiten, sich durch Arbeit selbst zu versorgen, sowohl für Einheimische als auch für Rückkehrer in den Jahren des weitgehenden Abzugs der internationalen Truppen krisenhaft verschärft hätten. Im Übrigen spricht viel dafür, dass es sich allein um eine Starthilfe handelt, die ein menschenwürdiges weiteres Dasein für eine Familie mit minderjährigen Kindern noch nicht sicherstellen kann. Zudem besteht auf die Förderung kein Rechtsanspruch. In der Summe kann deshalb trotz der (anfänglichen) Unterstützung nicht davon ausgegangen werden, dass die Leistungen vorliegend ausreichend wären, um eine unmenschliche Behandlung auszuschließen. Diese Einschätzung deckt sich im Übrigen auch mit derjenigen des ERIN-Programms selbst. Danach haben gewöhnlich nur diese Rückkehrer Chancen, die über spezifische Fähigkeiten verfügten oder qualifizierte Fachkräfte seien. Je niedriger der Ausbildungsstandard und die berufliche Qualifikation seien, desto schlechter und schwieriger sei die Aussicht auf eine berufliche Betätigung (ERIN, Afghanistan Briefing Note, S. 7, abrufbar unter www.bamf.de/rueckkehrfoerderung). Auch soweit finanzielle Unterstützung gewährt wird, ist diese den Angaben von ERIN zufolge angesichts der Lebenshaltungskosten bei Weitem nicht ausreichend. Danach betragen die Wohnungsmieten zwischen 400 und 600 US-$, Nebenkosten 40 US-$ und Lebensunterhalt 500 US-$ (Afghanistan Briefing Note, S. 9). Zudem wurde schon in den genannten Entscheidungen aus dem Jahr 2014 ausgeführt, dass es die Unterstützungsleistungen zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr gibt, aber danach Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat bestehen. Der Lagebericht 2016 (S. 24 f.) spricht nach wie vor von Koordinierungsschwierigkeiten; Hilfe komme nicht immer dort an, wo Rückkehrer sich niedergelassen hätten. Zwar wird diese Aussage im Zusammenhang mit der Beschreibung der Situation von Rückkehrern aus den Nachbarländern gemacht, jedoch ist dem Lagebericht 2016 zufolge auch nur von Norwegen bekannt, dass Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Darüber, ob und inwieweit die Programme tatsächlich greifen, liegen offenbar keine weiteren Informationen vor. Auch der Vertreter des Bundesamts vermochte in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, ob es Erkenntnisse zur tatsächlichen Umsetzung des Reintegrationsprogramms gebe, keine näheren Auskünfte zu erteilen. Allerdings ist schwer vorstellbar, dass im Gegensatz zu den Rückkehrern aus den Nachbarländern hier die Koordinierung problemlos verlaufen sollte. So verweist Pro Asyl in seiner Stellungnahme vom 16. November 2016 darauf, dass die afghanische Regierung nicht in der Lage sei, auch nur die Notversorgung der Rückkehrer aus eigener Kraft oder mit den Mitteln der internationalen Hilfe zu versorgen; faktisch gebe es weder ein Reinte-grationsprogramm noch eine realistische Möglichkeit, ein solches zu schaffen.

Die vom Verwaltungsgericht herangezogene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 26.2.2014 - A 11 S 2519/12 - juris und U.v. 24.7.2013 - A 11 S 697/13 - Asylmagazin 2014, 38) berücksichtigt die neuere Entwicklung nicht. Zudem liegen den Entscheidungen anders gelagerte Sachverhalte zugrunde.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 und unter Abänderung von Nummer 4 und Aufhebung von Nummer 5 und 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juni 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da der Zulassungsantrag aus nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 16. November 2017 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, „ob der Zustand, den heranwachsende Rückkehrer nach Afghanistan, denen seitens des Jugendamts Hilfe für junge Erwachsene nach § 41 SGB VIII gewährt wurde, derzeit in Afghanistan vorfinden, deren Rechte nach Art. 3 EMRK verletzt und diesen daher Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG zuzuerkennen sind.“ Dies treffe insbesondere auf heranwachsende Asylbewerber zu, die über lange Zeit mit ihrer Familie im Iran gelebt hätten und keinerlei soziale wie familiäre Anknüpfungspunkte an Afghanistan hätten. Aus den bisherigen Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofs ergebe sich nicht, ob dessen Beurteilung sich gleichermaßen auf hilfsbedürftige Heranwachsende und Volljährige beziehe. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei äußerst angespannt. Bei Minderjährigen seien vielfach Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG ausgesprochen worden. Dies müsse auch für hilfsbedürftige Heranwachsende gelten. Das Verwaltungsgericht habe den aktuellen Bericht des UNHCR an das Bundesinnenministerium vom Dezember 2016 nicht beachtet. Danach sei im Laufe des Jahres eine Verschärfung des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts eingetreten. Materialien des UNHCR käme ein hervorgehobener Stellenwert zu.

Das Verwaltungsgericht hat die Voraussetzungen von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG und damit einen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes verneint (UA S. 6 ff.). Ob ein bewaffneter Konflikt vorliege, könne dahinstehen, weil sich keine hinreichende Verdichtung zu einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben ergebe. Auch bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Anhaltspunkte, dass der Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit gravierender eingeschränkt sei oder sein Entwicklungsstand nicht altersentsprechend wäre, lägen nicht vor. Die in Aussicht gestellte Fortführung von Jugendhilfeleistungen würde diese Einschätzung nicht erschüttern. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor (UA S. 16 ff.).

Das entspricht der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Dieser geht weiterhin davon aus, dass für keine Region Afghanistans die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorliegen. Auch führt die Lage in Afghanistan nicht dazu, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG oder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (für die Zentralregion mit Kabul: BayVGH, B.v. 8.11.2017 – 13a ZB 17.30615 – juris; B.v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris unter Bezugnahme auf U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris und Verweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167). Geklärt ist zudem in Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit weiterhin nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, B.v. 8.11.2017 – 13a ZB 17.30615 – juris; B.v. 19.6.2017 –13a ZB 17.30400 – juris; B.v. 4.1.2017 –13a ZB 16.30600 – juris; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris; U.v. 30.1.2014 – 13a B 13.30279 – juris). Auf ein familiäres Netzwerk kommt es nicht an.

Soweit der Kläger darauf verweist, etwas anderes müsse gelten, wenn „Hilfe für junge Volljährige“ nach § 41 SGB VIII gewährt werde, lässt sich dies nicht allgemein klären. Zutreffend ist, dass die genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (nur) einen gesunden volljährigen afghanischen Staatsangehörigen betrifft. Ist dies nicht der Fall, bedarf es einer Einzelfallprüfung, inwieweit der Betreffende zur Sicherung seines Lebensunterhalts in der Lage ist. Damit entzieht sich die aufgeworfene Frage einer grundsätzlichen Klärung. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht in einer Gesamtschau auch unter Würdigung einer in Aussicht gestellten Fortführung von Jugendhilfeleistungen die Voraussetzungen für die Sicherung des Lebensunterhalts des Klägers als günstig beurteilt (UA S. 8 f.). Der besondere Schutz für Kinder im Ausländer- und Asylrecht (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 13a B 17.30011 – NVwZ-RR 2017, 986) kommt Volljährigen nicht zu.

Auch die weiteren klägerischen Ausführungen insbesondere zur Verschlechterung der Sicherheitslage bieten keinen Anlass, im Rahmen eines Berufungsverfahrens in eine erneute Risikobewertung einzutreten. Sie berücksichtigen nicht die Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, wann eine für die Gewährung subsidiären Schutzes notwendige erhebliche individuelle Gefährdung anzunehmen sein kann (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – BVerwGE 136, 360 = NVwZ 2011, 56). Danach bedarf es für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte einer wertenden Gesamtbetrachtung auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos (BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – NVwZ-RR 2014, 487; U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – NVwZ 2012, 454). Ausgehend von mindestens 27 Millionen Einwohnern (vielfach wird eine höhere Bevölkerungszahl angenommen) und von 11.418 Opfern in Afghanistan (nach UNAMA) liegt die Gefahrendichte im Jahr 2016 landesweit erheblich unter 0,12% oder 1:800. Selbst dieses Risiko wäre weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt (BVerwG, B.v. 17.11.2011 a.a.O. Rn. 23). Die Zahlen für 2017 bewegen sich – soweit bekannt – in etwa in der gleichen Größenordnung.

Soweit der UNHCR im Dezember 2016 (Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern) unter Bezugnahme auf die UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016 und in weiteren Publikationen auf die Verschlechterung der Sicherheitslage hinweist, folgt hieraus nichts anderes. Vor dem Hintergrund anhaltender Besorgnis in Bezug auf die Sicherheitslage werden dort Empfehlungen für den Schutzbedarf ausgesprochen und verschiedene Risikoprofile aufgezeigt, ohne dass Zahlen genannt würden, die die bisherige Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs in Frage stellen könnten. Die dortige Bewertung beruht zudem auf den vom UNHCR selbst angelegten Maßstäben. Des Weiteren sind auch nach dessen Auffassung alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben (Richtlinien vom 19.4.2016, S. 10).

Im Übrigen geht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nicht derart ist, dass jede Überstellung dorthin notwendig Art. 3 EMRK verletzt (vgl. EGMR, U.v. 11.7.2017 – S.M.A./Netherlands, Nr. 46051/13 Rn. 53; U.v. 11.7.2017 – Soleimankheel and others/Netherlands, Nr. 41509/12 Rn. 51; U.v. 11.7.2017 – G.R.S./Netherlands, Nr. 77691/11 Rn. 39; U.v. 11.7.2017 – E.K./Netherlands, Nr. 72586/11 Rn. 67; U.v. 11.7.2017 – E.P. and A.R./Netherlands, Nr. 63104/11 Rn. 80; U.v. 16.5.2017 – M.M./Netherlands, Nr. 15993/09 Rn. 120; U.v. 12.1.2016 – A.G.R./Niederlande, Nr. 13442/08 – NVwZ 2017, 293 Rn. 59). Insoweit hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 9. April 2013 (H. and B./United Kingdom, Nr. 70073/10 Rn. 92 f.) festgestellt, dass es in Afghanistan keine allgemeine Gewaltsituation gibt, die zur Folge hätte, dass allein wegen der Abschiebung einer Person dorthin tatsächlich die Gefahr von Misshandlungen gegeben sei. In den vorgenannten Urteilen hat er angesichts der ihm mittlerweile vorliegenden Informationen an dieser Einschätzung festgehalten. Aus den sonstigen Ausführungen und Hinweisen auf Stellungnahmen im Zulassungsantrag ergeben sich ebenfalls keine anderen Ausgangsdaten, die darauf schließen ließen, dass die vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Erkenntnisse zwischenzeitlich unrichtig oder überholt wären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 4 und Aufhebung von Nummer 5 und 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juni 2016 verpflichtet, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II. Die Beklage hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, eine Familie aus Nekbai in der Provinz Kunduz mit einem im Jahr 2015 geborenen und demnächst einem zweiten Kind, sind afghanische Staatsangehörige und schiitische Hazara. Nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Januar 2016 stellten sie am 11. März 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Der Kläger zu 1, der Ehemann und Vater, gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 15. Juni 2016 an, er stamme aus dem Dorf Nekbai in der Provinz Kunduz. In Afghanistan habe er noch zwei Schwestern und im Iran zwei Brüder. Eine Schule habe er nicht besucht und auch keinen Beruf erlernt. Zuletzt habe er als Bauarbeiter gearbeitet. Die Taliban hätten das Dorf besetzt und ihm zweimal Ohrfeigen gegeben. Sie hätten wissen wollen, wer im Dorf Waffen habe und wer Kommandeur sei. Als er noch ein Kind gewesen sei, hätten sie seinen Vater vermutlich wegen dessen Grundbesitz getötet. Ergänzend fügt der Kläger an, im Iran sei ihm im rechten Bein eine Stahlplatte eingesetzt worden. In Deutschland habe er einen Termin zur Operation.

Die Klägerin zu 2, die Ehefrau und Mutter, führte aus, sie sei nicht in die Schule gegangen und habe auch keinen Beruf erlernt und ausgeübt. Im Iran lebten vier Schwestern, zwei Brüder lebten in Deutschland. Ihr Schwiegervater sei Grundbesitzer gewesen, ihr Ehemann habe das Land zusammen mit seinem Bruder geerbt. Davon habe die Familie gelebt und die Reise finanziert. Wirtschaftlich sei es der Familie gut gegangen, aber wegen der Taliban sei ihr Leben in Gefahr gewesen. Diese würden die Männer von zu Hause holen und mitnehmen, einige würden umgebracht werden. Ihr Ehemann sei geschlagen worden und habe Ohrfeigen bekommen.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 21. Juni 2016 wurden die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.) sowie des subsidiären Schutzstatus (3.) und die Anträge auf Asylanerkennung (2.) abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (4.). Den Klägern wurde die Abschiebung angedroht (5., 6.). Zur Begründung ist angeführt, dass sich aus dem Sachvortrag weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ergäben. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes komme nicht in Betracht, weil in Afghanistan kein Konflikt bestehe und keinerlei Anhaltspunkte erkennbar seien, die die Annahme rechtfertigten, dass bei den Klägern im Fall der Rückkehr ein ernsthafter Schaden drohen würde. Unter den derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan seien auch die Anforderungen an den Gefahrenmaßstab nach Art. 3 EMRK nicht erfüllt. Die Umstände, die die Kläger geltend machten, gingen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner hinzunehmen hätten, die in vergleichbaren Situationen lebten. Auch eine individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Sinn von § 60 Abs. 7 AufenthG drohe nicht.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Augsburg verfolgten die Kläger ihr Begehren hinsichtlich nationaler Abschiebungsverbote weiter. In der mündlichen Verhandlung am 18. Oktober 2016 vertieften die Kläger ihr Vorbringen und gaben an, zwei Onkel und zwei Schwestern des Klägers zu 1 hätten bis vor kurzem in ihrem Heimatdorf gelebt. Dann habe es dort Kämpfe gegeben und er habe deshalb keinen Kontakt mehr zu seinen beiden Schwestern. Vor einigen Jahren habe er eine Oberschenkelfraktur erlitten und sei operiert worden. Die eingesetzte Platinstange sei in Deutschland herausgezogen worden. Die Klägerin zu 1 führte aus, dass die Familie den Grundbesitz für die Flucht verkauft habe. Wegen seiner Beinverletzung könne der Kläger nicht als Tagelöhner arbeiten.

Mit Urteil vom 18. Oktober 2016 wurde die Klage abgewiesen. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die allgemeinen Lebensbedingungen seien zumindest nicht in allen Landesteilen Afghanistans so schlecht, dass die Abschiebung einer dreiköpfigen Familie eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde. Insbesondere das Hauptsiedlungsgebiet der Volksgruppe der Hazara, die Provinz Bamiyan, gehöre zu den relativ sicheren Provinzen. Für eine reale Chance, nach einer Rückkehr eine ausreichende Existenzgrundlage für alle Familienmitglieder zu finden, sprächen vor allem die Start- und Reintegrationshilfen nach dem GARP-Programm sowie die Service- und Beratungsleistungen nach dem europäischen Reintegrationsprogramm (ERIN). Insgesamt könnten die Kläger damit Reintegrationshilfen im Gesamtwert von 3.150 € in Anspruch nehmen. In der mündlichen Verhandlung habe der Kläger zu 1 ferner angegeben, dass es ihm gesundheitlich gut gehe. Damit bestehe auch keine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsschutzes mit Beschluss vom 11. Januar 2017 wegen Divergenz zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197; U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212) zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs könnten schlechte humanitäre Bedingungen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führen. Bei einer Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern sei dies der Fall, so dass sie einen Anspruch auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hätten. Eventuelle Hilfen aus den Rückkehrprogrammen könnten kein anderes Ergebnis begründen. Auf diese bestünde kein Rechtsanspruch und sie erschienen nicht ausreichend, um dauerhaft ein Überleben der Familie zu gewährleisten.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. März 2017 verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17).

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Die Kläger zu 1 und 2 als Eltern von bald zwei minderjährigen Kindern befürchten, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, bei der auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist. Dass bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen eine solche Gefahrenlage anzunehmen ist und in der Folge ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG besteht, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit den von den Klägern herangezogenen Divergenzurteilen vom 21. November 2014 entschieden (13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 und 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212). Daran hat sich auch unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse bislang nichts geändert.

Vorliegend müssten die Eltern - nach afghanischen Maßstäben wohl der Vater - bei einer Rückkehr für den Unterhalt der gesamten Familie sorgen. Das ältere Kind, die Klägerin zu 3, ist zwei Jahre alt und ein weiteres Kind wird demnächst geboren. Angesichts dieser beiden kleinen Kindern in betreuungsbedürftigem Alter wird die Ehefrau und Mutter, die Klägerin zu 2, zum Familienunterhalt nicht beitragen können. Zudem ist sie unbestrittenen Angaben zufolge nicht in die Schule gegangen, hat keinen Beruf erlernt und auch keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Damit müsste der Vater alleine den Unterhalt für die ganze Familie erwirtschaften. Im Hinblick auf die derzeitige (wirtschaftliche) Lage in Afghanistan würde er hierzu nicht im Stande sein, zumal auch keine Rücklagen mehr existieren.

Wegen der zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse, die sich bislang nicht nachhaltig verbessert haben, ist bei einer Familie mit minderjährigen Kindern nach wie vor von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen. Das ergibt sich aus den zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblichen Erkenntnismitteln. Dabei zeigt sich deutlich, dass sich die Rahmenbedingungen nicht verbessert haben.

Wurde im Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) noch festgestellt, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessere, es sich in fast allen Bereichen positiv entwickle und die Wirtschaft trotz einer zunehmenden Unsicherheit und Destabilisierung des Landes wachse, so wird in demjenigen vom 19. Oktober 2016 (Stand: September 2016, S. 21 ff. - Lagebericht 2016) ausgeführt, die afghanische Wirtschaft ringe seit Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe geprägt durch eine schwache Investitionstätigkeit, die Abwertung des Afghani gegenüber dem US-Dollar schreite weiter voran und ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Das Vertrauen von Investoren und Verbrauchern in Afghanistan sei weiter gesunken; Ursachen hierfür seien neben der schwierigen Sicherheitslage vor allem in der schleppenden Regierungsbildung zu sehen. Ausländische Investitionen seien in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen; die Rahmenbedingungen für Investoren hätten sich kaum verbessert. Dass die Schaffung von Arbeitsplätzen die zentrale Herausforderung bedeute, wurde bereits im Jahr 2014 berichtet. Hieran hat sich nichts geändert, die Arbeitslosenquote ist dem Lagebericht 2016 zufolge im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Zwar sei sich die afghanische Regierung der Problematik bewusst und habe auch entsprechende Planungen vorgenommen, jedoch seien Erfolge, die auch großflächig in der Bevölkerung spürbar würden, kurzfristig kaum zu erwarten. Ein Problem stelle dar, dass gut ausgebildete und moderat wohlhabende Männer weiterhin bessere Zukunftschancen außerhalb Afghanistans sähen. Die hohe Arbeitslosigkeit werde durch vielfältige Naturkatastrophen verstärkt, so dass die Grundversorgung - wie schon seit Jahren - für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung sei. Für Rückkehrer gelte dies naturgemäß verstärkt. Gerade der Norden - eigentlich die „Kornkammer“ des Landes - sei extremen Natureinflüssen wie Trockenheit, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten hätten dazu geführt, dass dort ca. eine Millionen oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gälten. Zur Unterkunftsmöglichkeit hatte schon der Lagebericht vom Januar 2012 (S. 28 - Lagebericht 2012) angegeben, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Eine Verbesserung wird auch im Lagebericht 2016 nicht gemeldet. Hinsichtlich der medizinischen Versorgung wird erneut ausgeführt, dass sie trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken leide, insbesondere aber an fehlenden Ärzten sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v. a. Hebammen).

Ähnlich verhält es sich mit den Auskünften der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 19 ff. - SFH 2014 und vom 30.9.2016, S. 24 ff. - SFH 2016). Auch im Jahr 2016 wird ausgeführt, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten, 1,7 Millionen Menschen seien ernsthaft von Lebensmittelunsicherheit betroffen. Wie schon 2014 wird darauf hingewiesen, dass die geschwächte Bevölkerung Naturkatastrophen und harten Wintern schutzlos ausgeliefert sei. Zusätzlich werde die Lage durch die anhaltenden Konflikte verschärft. Weiterhin würde die Lebensgrundlage zahlreicher Menschen zerstört, die Anzahl der intern Vertriebenen sei rasant in die Höhe geschnellt, ansteckende Krankheiten nähmen zu und die Kriminalitätsrate steige an. Seit dem Abzug der internationalen Sicherheitskräfte Ende 2014 sei die bereits sehr hohe Arbeitslosigkeit rasant angestiegen. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Zu den gravierendsten sozialen Problemen gehört auch nach dem Bericht von 2016 (S. 24) die Wohnraumknappheit, vor allem in Kabul. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 46% der Bevölkerung (gegenüber 39% nach SFH 2012), zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Schon 2014 wurde berichtet, dass medizinische Hilfe oftmals nicht zu erreichen sei oder nicht bezahlt werden könne (SFH S. 20). Dies wird 2016 bestätigt. Zugang zu den grundlegendsten medizinischen Dienstleistungen hätten nur rund 36% der Bevölkerung, wobei dies ab dem Jahr 2015 wegen der gewaltsamen Konflikte sowie der verbreiteten Armut zusehends schwieriger geworden sei. Die Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen und fehlende Dienstleistungen im Gesundheitsbereich seien direkte Folgen der Gewalt und beeinträchtigten die bereits karge Gesundheitsversorgung der Menschen zusätzlich. Der Gesundheitszustand von Frauen und Kindern bleibe schlecht, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten sowie unter Nomaden. Frauen und Kinder verlören überdurchschnittlich oft das Leben wegen eigentlich heilbarer Krankheiten. Viele Familien könnten sich die Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitseinrichtungen nicht leisten.

Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus den Richtlinien des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016 (UNHCR-Richtlinien 2016). Bereits in den Richtlinien vom 6. August 2013 (S. 9, 29 ff. - UNHCR-Richtlinien 2013) wurde ausgeführt, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedürfe. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Das wird in den Richtlinien 2016 gleichermaßen dargestellt (S. 10). In den Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern vom Dezember 2016 (UNHCR Dezember 2016, S. 2, 4) wird nochmals betont, dass der enorme Anstieg an Rückkehrern zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten geführt habe und es für eine Neuansiedlung ein starkes soziales Netzwerk geben müsse. Weiter wird dargelegt, dass die humanitären Indikatoren in Afghanistan auf einem kritisch niedrigen Niveau seien (UNHCR-Richtlinien 2016, S. 31). Ende 2015 seien 8,1 Mio. Menschen bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 27 Mio. Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen gewesen. Über eine Million Kinder litten an akuter Mangelernährung und 9,1% Prozent der Kinder würden vor ihrem fünften Geburtstag sterben (so auch Lagebericht 2016, S. 13). Der Anteil der Bevölkerung, der unterhalb der nationalen Armutsgrenze lebe, liege nach wie vor bei 35,8%. 1,7 Millionen Afghanen seien von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffen. Besonders schwerwiegend wirke sich der andauernde Konflikt auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung aus, unter anderem aufgrund von direkten Angriffen auf medizinisches Personal und auf Gesundheitseinrichtungen; 36% der Bevölkerung hätten überhaupt keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung.

Zusammenfassend lässt sich den Berichten und Auskünften nicht entnehmen, dass seit dem Jahr 2014 von einer Verbesserung der Situation ausgegangen werden könnte. Wie schon damals ausgeführt, ist unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass - wie bereits erwähnt - die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die beiden kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Angesichts der enorm hohen Arbeitslosigkeit wird es an Arbeitsmöglichkeiten für den Kläger zu 1 fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Erschwerend kommt bei ihm hinzu, dass er weder über eine Schulbildung verfügt noch einen Beruf erlernt hat. Zudem hat er nach einem Unfall gesundheitliche Probleme mit einem Bein, die mögliche Betätigungen weiter einschränken. Familiäre Unterstützung könnten die Kläger nicht erwarten, da die Angehörigen, soweit sie sich nicht in Europa aufhalten, im Iran leben. Zwar hat der Kläger zu 1 von seinem Vater Land geerbt, jedoch wurde hiermit die Ausreise finanziert und es kann der Familie deshalb nicht als Grundlage dienen. Zudem könnten den Berichten zufolge zahlreiche Familien aufgrund von unrechtmäßigen Besetzungen nicht mehr auf ihren Landbesitz zurückkehren und hätten auch kaum Chancen, diesen erfolgreich zurückzufordern (SFH 2016, S. 26). Auch die illegale Beschlagnahmung von Land durch Beamte sowie lokale Machthaber ist der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zufolge verbreitet. Der Kläger zu 1 wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden.

Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dies gelingen kann. Ohne Hilfe würde sich die Familie weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Es kann nicht angenommen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden würden, in der auch Kinder angemessen leben können, insbesondere weil der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2016, S. 21). Aufgrund mangelnder Flächen und erschwinglicher Unterkünfte in städtischen Gebieten sind Rückkehrer häufig gezwungen, in informellen Siedlungen ohne angemessenen Lebensstandard zu leben (UNHCR-Richtlinien 2016, S. 34). Unter Berufung auf UNICEF (United Nations Children’s Fund) wird in den UNHCR-Richtlinien 2016 dargelegt, dass Familien häufig keine andere Wahl hätten, als in Slums zu wohnen, wo sie keinen Zugang zu akzeptablen Wohnbedingungen, Wasser, sanitären Einrichtungen, Gesundheitsversorgung und Bildung hätten. Aufgrund der beschränkt verfügbaren Flächen würden auch wenig geeignete Orte wie die steilen Hänge um Kabul besiedelt. Diese informellen Siedlungen seien durch schwierige naturgegebene Merkmale wie extreme Winter, beschränkten Zugang zu sauberem Wasser und unhygienische Bedingungen geprägt. Angesichts von zwei Kleinkindern fällt das besonders ins Gewicht.

In der Gesamtschau kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass einer Familie mit Kindern unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage im Allgemeinen möglich ist. Vielmehr liegt bei den geschilderten Verhältnissen ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht nach wie vor die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Lebensgrundlage finden würden und keine Unterkunft sowie Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern nach wie vor Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Soweit die Beklagte und das Verwaltungsgericht auf mögliche Unterstützungsleistungen (im Internet abrufbar unter www.bamf.de/rueckkehrfoerderung) verweisen, ergibt sich nichts anderes. Auch die aktuellen Leistungen können nur einen vorübergehenden Ausgleich schaffen. Es ist nach wie vor nicht anzunehmen, dass sie dazu geeignet wären, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten. Zwar sind die Unterstützungsleistungen gegenüber dem Jahr 2014 offenbar ausgeweitet worden. Über das humanitäre Rückkehrprogramm „REAG/GARP“ (Reintegration and Emigration Programme for Asylum Seekers in Germany - REAG und Government Assisted Repatriation Programme - GARP) werden bei freiwilligen Rückkehrern die Transportkosten übernommen, Reisebeihilfen in Höhe von 200,- Euro pro Rückkehrer über 12 Jahre und Starthilfen von 500,- Euro bezahlt. Zusätzlich werden nach dem Reintegrationsprogramm „ERIN“ (European Reintegration Network) als Sachleistungen Reintegrationsleistungen im Wert von maximal 2.000,- Euro gewährt. Schwerpunkte des Programms sind neben der Intensivierung des Dialogs mit den Drittstaaten die individuelle Unterstützung nach der Rückkehr in das Herkunftsland, Hilfestellung bei der Existenzgründung und soziale Begleitung. Finanzielle Mittel erhalten Rückkehrer danach nur aus dem REAG/GARP-Programm und zwar mit Ausnahme einer Starthilfe von 500,- Euro pro Erwachsenen im Wesentlichen für die Kosten der Rückreise. Im Rahmen des ERIN-Programms gibt es keine finanziellen Hilfen, sondern nur tatsächliche Unterstützungsleistungen. Diese beinhalten bei Ankunft Hilfe für die Weiterreise, dringende medizinische Behandlung, kurzfristige Unterkunft in einer Aufnahmeeinrichtung und im Weiteren Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche bzw. Unterstützung bei einer Geschäftsgründung, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Übernahme von Verwaltungskosten, etwa für die Registrierung oder um Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erlangen, sowie verwaltungstechnische Unterstützung in Form von Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen. Wenn man all diese Maßnahmen näher betrachtet, vermögen sie den Wiedereinstieg nach einer Rückkehr zum Teil zu erleichtern. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der möglichen Hilfsleistungen scheint aber zumindest ein geringer Qualifizierungsgrad erforderlich, damit die Programme überhaupt greifen können. Sowohl Arbeitsplatzsuche als auch eine Geschäftsgründung setzen gewisse Grundkenntnisse und -fertigkeiten voraus. Wenn dies der Fall ist, kann im Weiteren unterstützend eingegriffen werden. Fehlende Ausbildung und Qualifikation - wie hier - vermögen die Programme nicht zu ersetzen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es schon generell sehr schwierig ist, sich auch nur einen notdürftigen Unterhalt zu verschaffen. So weist Pro Asyl in einer Stellungnahme vom 16. November 2016 (zur 205. Sitzung der Innenministerkonferenz am 29./30.11.2016 in Saarbrücken) darauf hin, dass sich die Möglichkeiten, sich durch Arbeit selbst zu versorgen, sowohl für Einheimische als auch für Rückkehrer in den Jahren des weitgehenden Abzugs der internationalen Truppen krisenhaft verschärft hätten. Im Übrigen spricht viel dafür, dass es sich allein um eine Starthilfe handelt, die ein menschenwürdiges weiteres Dasein für eine Familie mit minderjährigen Kindern noch nicht sicherstellen kann. Zudem besteht auf die Förderung kein Rechtsanspruch. In der Summe kann deshalb trotz der (anfänglichen) Unterstützung nicht davon ausgegangen werden, dass die Leistungen vorliegend ausreichend wären, um eine unmenschliche Behandlung auszuschließen. Diese Einschätzung deckt sich im Übrigen auch mit derjenigen des ERIN-Programms selbst. Danach haben gewöhnlich nur diese Rückkehrer Chancen, die über spezifische Fähigkeiten verfügten oder qualifizierte Fachkräfte seien. Je niedriger der Ausbildungsstandard und die berufliche Qualifikation seien, desto schlechter und schwieriger sei die Aussicht auf eine berufliche Betätigung (ERIN, Afghanistan Briefing Note, S. 7, abrufbar unter www.bamf.de/rueckkehrfoerderung). Auch soweit finanzielle Unterstützung gewährt wird, ist diese den Angaben von ERIN zufolge angesichts der Lebenshaltungskosten bei Weitem nicht ausreichend. Danach betragen die Wohnungsmieten zwischen 400 und 600 US-$, Nebenkosten 40 US-$ und Lebensunterhalt 500 US-$ (Afghanistan Briefing Note, S. 9). Zudem wurde schon in den genannten Entscheidungen aus dem Jahr 2014 ausgeführt, dass es die Unterstützungsleistungen zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr gibt, aber danach Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat bestehen. Der Lagebericht 2016 (S. 24 f.) spricht nach wie vor von Koordinierungsschwierigkeiten; Hilfe komme nicht immer dort an, wo Rückkehrer sich niedergelassen hätten. Zwar wird diese Aussage im Zusammenhang mit der Beschreibung der Situation von Rückkehrern aus den Nachbarländern gemacht, jedoch ist dem Lagebericht 2016 zufolge auch nur von Norwegen bekannt, dass Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Darüber, ob und inwieweit die Programme tatsächlich greifen, liegen offenbar keine weiteren Informationen vor. Auch der Vertreter des Bundesamts vermochte in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, ob es Erkenntnisse zur tatsächlichen Umsetzung des Reintegrationsprogramms gebe, keine näheren Auskünfte zu erteilen. Allerdings ist schwer vorstellbar, dass im Gegensatz zu den Rückkehrern aus den Nachbarländern hier die Koordinierung problemlos verlaufen sollte. So verweist Pro Asyl in seiner Stellungnahme vom 16. November 2016 darauf, dass die afghanische Regierung nicht in der Lage sei, auch nur die Notversorgung der Rückkehrer aus eigener Kraft oder mit den Mitteln der internationalen Hilfe zu versorgen; faktisch gebe es weder ein Reinte-grationsprogramm noch eine realistische Möglichkeit, ein solches zu schaffen.

Die vom Verwaltungsgericht herangezogene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 26.2.2014 - A 11 S 2519/12 - juris und U.v. 24.7.2013 - A 11 S 697/13 - Asylmagazin 2014, 38) berücksichtigt die neuere Entwicklung nicht. Zudem liegen den Entscheidungen anders gelagerte Sachverhalte zugrunde.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 und unter Abänderung von Nummer 4 und Aufhebung von Nummer 5 und 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juni 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 3 und Aufhebung von Nummer 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II.

Die Beklage hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger ¾ und die Beklagte ¼ zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, eine Familie aus K. mit zwei im Jahr 2009 und im Jahr 2012 geborenen Kindern, sind afghanische Staatsangehörige und tadschikische Volkszugehörige. Sie reisten im Juni 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 25. Juni 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Der Kläger zu 1, der Ehemann und Vater, gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 24. Oktober 2012 an, er habe mit seiner Familie zuletzt in K. gelebt. Am 7. Oktober 2011 (12.10.1390) hätten sie Afghanistan verlassen. Seine Eltern lebten noch in K. Sechs Onkel lebten in Deutschland, in Afghanistan seien noch eine 24 Jahre alte Schwester sowie zwei Brüder mit 16 oder 17 und 10 Jahren. Nach dem Abitur habe er zusammen mit seinem Vater ein Geschäft geführt, in dem man verschiedene Zubehörteile zum Bau eines Hauses erhalte. Auf die Frage nach dem Ausreisegrund gab der Kläger zu 1 an, Grund sei die Zukunft seiner Kinder. In Afghanistan gebe es keine Kindergärten, keine richtige Schule, man könne keine richtige Ausbildung machen und jeden Tag gebe es irgendwo ein Attentat. Er wolle nicht, dass seine Kinder in einer Umgebung aufwüchsen, wo nur Krieg und Chaos sei. Seine Familie sei nicht sehr reich, aber auch nicht arm gewesen. Er habe ein Auto, ein Grundstück und den Laden besessen. Dies alles hätten sie für die Zukunft der Kinder aufgegeben. Die Klägerin zu 2, die Ehefrau und Mutter, gab bei ihrer Anhörung an, bis zu ihrer Ausreise habe die Familie in K. gelebt. Die Familie sei bis nach Athen gemeinsam geflohen. Dort hätten sie einen Araber kennengelernt, der sie als seine Ehefrau gemeinsam mit den beiden Kindern mit nach Deutschland genommen habe. Sie sei mit ihm nach Frankfurt am Main geflogen. Am 3. Juni 2012 sei sie mit den Kindern in Deutschland angekommen. Sie habe im Jahr 2008 geheiratet. In Afghanistan lebten noch ihre Eltern in K. sowie vier Schwestern und zwei Brüder. Sie habe an einem staatlichen Institut eine zweijährige Ausbildung zur Erzieherin, zur Kindergärtnerin, absolviert und abgeschlossen. Bis zur Geburt des ersten Kindes habe sie dann sechs Monate im Kindergarten gearbeitet. Afghanistan habe sie wegen der Zukunft ihrer Kinder verlassen. Sie habe sie nicht in den Kindergarten bringen können, sie hätten nicht alleine in die Schule gehen können. Ein Onkel von ihr sei bei einem Attentat umgekommen. Ihr Mann arbeite auch in K. und sie wolle nicht, dass ihm Gleiches passiert. Er habe dort ein Geschäft und verkaufe u. a. Waschbecken und Kommoden. Sie wolle, dass ihre Kinder in Deutschland eine Zukunft hätten.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 wurden die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte abgelehnt (1.) sowie festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (2. und 3.) und den Klägern die Abschiebung angedroht (4.). Zur Begründung ist angeführt, die Kläger hätten eine politische Verfolgung nicht geltend gemacht, sondern sich nur auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan bezogen. Für eine Gefährdung wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken bestünden keine Anhaltspunkte. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor, insbesondere bestehe keine erhebliche individuelle Gefahr aufgrund eines bewaffneten Konflikts. Zudem seien keine stichhaltigen Ausführungen gemacht worden, aus denen sich ergäbe, dass die Familie nach einer Rückkehr mittellos und völlig auf sich gestellt wäre. In der Gesamtschau könne nicht von einer extremen Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgegangen werden.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Regensburg verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 14. April 2014 vertieften die Kläger ihr Vorbringen und gaben an, alle ihre Ersparnisse für die Ausreise aufgewandt zu haben. Weiter habe die Familie Geld vom Vater des Klägers zu 1 bekommen. Bei einer Rückkehr stünde die Familie vor dem Nichts. Außer den Eltern des Klägers zu 1 seien dort keine Verwandten mehr. Die Klägerin zu 2 habe in Afghanistan noch ihre Mutter sowie vier Schwestern und zwei Brüder.

Mit Urteil vom 14. April 2014 wurde die Klage abgewiesen. Dass den Klägern relevante Verfolgungsmaßnahmen drohten, sei weder dargetan, noch sonst ersichtlich. Auch die Voraussetzungen für subsidiären und nationalen Schutz lägen nicht vor. Insbesondere sei ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht deshalb festzustellen, weil es sich um eine Familie mit kleinen Kindern handle. Hier vermittle Nr. C 3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern den Klägern gleichwertigen Schutz vor Abschiebung. Danach würden Straftäter, Personen, bei denen Ausweisungsgründe vorliegen bzw. Sicherheitsbedenken bestehen, sowie alleinstehende, männliche afghanische Staatsangehörige vorrangig zurückgeführt. Die Rückführung anderer Personen sei vorerst zurückzustellen. Letzterem Personenkreis gehöre die Familie an, so dass sie nach Abschluss des Asylverfahrens ebenso eine Duldung erhalten würde wie diejenigen Personen, für die ein förmlicher Abschiebestopp bestehe. Damit sei die Familie hinreichend vor einer Abschiebung nach Afghanistan geschützt. Die Familie sei auch trotz der bekanntermaßen schlechten Sicherheits- und Versorgungslage keiner konkreten landesweiten Gefährdung für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt. Die Eltern seien beide überdurchschnittlich qualifiziert und bei einer Rückkehr sei zumindest damit zu rechnen, dass der Familienverband, der bereits die Ausreise finanziert habe, die Kläger wieder aufnehme und ihnen in der ersten Zeit ein Obdach biete. Zudem verfügten die Kläger noch über andere Familienmitglieder.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Begehrens nach Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots mit Beschluss vom 4. August 2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob für eine Familie mit minderjährigen Kindern bei Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, sie hätten noch zwei sehr kleine Kinder im Alter von erst fünf und zwei Jahren, so dass jedenfalls für die Mutter eine Arbeit nicht ohne weiteres möglich sein werde. Schon mit nur einem Kind sei ihr der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums nicht regelmäßig möglich gewesen. Es sei nicht anzunehmen, dass sie als Kindergärtnerin ohne weiteres ihre beiden Kinder mit zur Arbeit nehmen könne. Der Vater werde nicht im Stande sein, für vier Personen den Unterhalt zu verdienen. Rücklagen existierten nicht mehr, die Eltern hätten beide keine Arbeitsstelle mehr und eine weitere Unterstützung könne nicht mehr gewährt werden. Der Vater der Klägerin zu 2 sei zwischenzeitlich verstorben und die erwachsenen Geschwister hätten kein ausreichendes eigenes Einkommen. Die politische Entscheidung über eine Aussetzung der Abschiebung, die sich jederzeit wieder verändern könne, enthebe das Gericht nicht von der Feststellung zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine erhebliche konkrete Gefahr bestehe darüber hinaus auch deshalb, weil sich die Sicherheitslage erheblich verschlechtert habe. Die Innenministerkonferenz sei der Auffassung, dass zwangsweise Rückführungen weiterhin nur nach umfassender Einzelfallprüfung erfolgen sollten. UNHCR zufolge verschlechtere sich die Situation in Afghanistan zusehends. In K. spitze sich die Lage ebenfalls zu.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

Die Beklagte führt aus, es spreche Erhebliches dafür, dass die in Bayern geltenden Vorgaben als Erlasslage zu sehen seien, die afghanischen Familien mit minderjährigen Kindern einen Schutz vor Abschiebung vermittle. Unabhängig davon bestehe für Familien mit minderjährigen Kindern trotz der allgemein schwierigen humanitären Umstände nicht regelmäßig eine Extremgefahr, zumal auch die Rückkehrförderung zu berücksichtigen sei. Die einem Familienvater obliegende Aufgabe, über seine Person hinaus für die Angehörigen das Existenzminimum zu erwirtschaften, sei weiter kein sich unmittelbar auswirkender Aspekt. Das Abschiebungsschutzrecht gehe von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage aus. Auf die erst mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen könne nicht abgestellt werden. Bei tatsächlicher Existenzgefährdung der vom Erwerbsfähigen abhängigen Angehörigen könne dort ein Abschiebungsverbot vorliegen, durch das dem Erwerbsfähigen als Ausfluss seiner Rechte aus Art. 6 GG dann ein Anspruch auf Fortbestand der familiären Gemeinschaft im Bundesgebiet erwachse. Zudem sei ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Rückkehr und drohender Rechtsgutverletzung erforderlich. Schlechte humanitäre Bedingungen könnten zwar in Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen, aber in Afghanistan sei die allgemeine Lage nicht so ernst, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne. Fraglich sei schon, ob aus Sicht des Gesetzgebers der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG bei einer auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage überhaupt eröffnet sei. Angesichts des besonderen Ausnahmecharakters sei ein Gefährdungsgrad entsprechend der Extremgefahr erforderlich.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Damit kommt es auch auf die Frage nicht an, ob Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, für Familien eine Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG darstellt, die ihnen Schutz vor Abschiebung vermittelt und deshalb die analoge Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausschließt.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Der Kläger zu 1 und 2 als Eltern von zwei minderjährigen Kindern befürchten, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist.

Der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG ist auch bei einer allgemeinen, auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage eröffnet.

Von der Beklagten wird das allerdings bezweifelt, weil der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der vom Bundesverwaltungsgericht bejahten Erweiterung auf Gefährdungen, die nicht staatlich zu verantworten seien (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489), am Konzept von allgemeinen Gefährdungslagen einerseits und individuell gelagerten Schutzgründen andererseits festgehalten habe. Die Formulierung des Art. 3 EMRK, niemand dürfe unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden, lässt zwar nicht erkennen, ob sich diese nur aus konkret gegen den Betroffenen gerichteten Maßnahmen oder auch aus einer schlechten allgemeinen Situation mit unzumutbaren Lebensbedingungen ergeben kann. Eine Unterscheidung zwischen konkreten und allgemeinen Gefahren wird dort jedenfalls nicht vorgenommen. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist (BVerwG, U.v. 31.1.2013 a. a. O.; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952), hält aber eine unmenschliche Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen für möglich. Im Urteil vom 13. Juni 2013 (a. a. O.) ist das Bundesverwaltungsgericht ferner ausdrücklich von der früheren Rechtsprechung abgerückt und hält für das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht länger an der zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 vertretenen Auffassung fest, dass die Vorschrift nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtige, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohten. Nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ seien. Dieses Kriterium sei angemessen, wenn die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut zurückzuführen seien oder auf die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen. Zum anderen könne - wenn Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führten - eine Verletzung darin zu sehen sein, dass es dem Betroffenen nicht mehr gelinge, seine elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen. Zu berücksichtigen seien dabei auch seine Verletzbarkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung seiner Lage in angemessener Zeit. Im Anschluss hieran stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, ob es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen sei, verletze die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergebe, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden. Die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse seien nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der Betroffene wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention ziele hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern, mache die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK aber eine gewisse Flexibilität erforderlich.

Dass der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Regelung von allgemeinen Gefahren im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F. i. V. m. § 60a AufenthG unverändert beibehalten und nicht auf andere Abschiebungsverbote ausgedehnt hat, spricht bei systematischer Auslegung des Gesetzes gegen die vom Bundesamt vertretene Auffassung. Im gewaltenteilenden Rechtsstaat ist die Rechtsprechung nur ausnahmsweise befugt, die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers unbeachtet zu lassen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 zur verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F.). Im Übrigen greift das Bundesamt selbst in bestimmten Fallkonstellationen bei allgemeinen Gefahren ebenso auf § 60 Abs. 5 AufenthG zurück. So kann z. B. nach dem Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. November 2013, Az. M I 4 - 21004/21#5 („Information zur Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aufgrund des Urteils des BVerwG vom 13. Juni 2013“), bei unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt werden.

Bisher nicht geklärt ist, durch welchen Gefährdungsgrad derartige außergewöhnliche Fälle gekennzeichnet sein müssen. Schon von der Gesetzessystematik her kann der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht herangezogen werden. Da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, lassen sich die erhöhten Anforderungen an eine ausreichende Lebensgrundlage im Fall einer internen Schutzalternative ebenso wenig übertragen. Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167) macht jedoch deutlich, dass von einem sehr hohen Niveau auszugehen ist. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne, weist das ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin. Eine solche ist allerdings bei den Klägern gegeben.

Bei einer Rückkehr müssten die Eltern - nach afghanischen Maßstäben wohl der Vater - für den Unterhalt der gesamten Familie sorgen. Der Ehefrau und Mutter war es ihrem glaubhaften Vortrag zufolge wegen des älteren Kindes schon vor der Ausreise nicht möglich, in ihrem Beruf tätig zu sein. Selbst der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums war nicht regelmäßig möglich. Mit nunmehr zwei kleinen Kindern in betreuungsbedürftigem Alter würde ihr die Arbeitsaufnahme somit nicht gelingen. Der Vater müsste daher alleine den Unterhalt für die ganze Familie erwirtschaften. Dazu würde er nicht im Stande sein, zumal auch keine Rücklagen mehr existieren. Der Vater der Klägerin zu 2 ist zwischenzeitlich verstorben, so dass auch insoweit keine Hilfe zu erwarten wäre. Der Kläger zu 1 wäre in der Folge bei Rückkehr auf sich alleine gestellt. Angesichts der Lebensbedingungen in Afghanistan und der Tatsache, dass die Kinder noch in betreuungsbedürftigem Alter sind, würde er zur Sicherung der Existenz für die Familie nicht imstande sein. In der ständigen Rechtsprechung zur Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog (seitU.v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris) hat sich der Verwaltungsgerichtshof zwar schon mit Teilaspekten der humanitären Lage in Afghanistan befasst und ist zum Ergebnis gekommen, dass für einen alleinstehenden Rückkehrer keine Extremgefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Er wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Bei einer Familie mit minderjährigen Kindern ist aber im Hinblick auf die zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse in Afghanistan von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen.

Vorab ist festzuhalten, dass die gesamte Familie in die Bewertung mit einzubeziehen ist. Der Senat geht davon aus, dass die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers zu 1 nicht außer Betracht bleiben können. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass das Abschiebungsschutzrecht von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage ausgehe, trifft das zwar insoweit zu, als das Gesetz generell eine Unterscheidung zwischen allgemeinen und individuell drohenden Gefahren vornimmt. Das schließt aber nicht aus, Unterhaltsverpflichtungen, die dem Betroffenen konkret obliegen, zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob eine gemeinsame oder getrennte Rückkehr von Familienangehörigen zugrunde zu legen ist, geht ebenfalls in diese Richtung (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = InfAuslR 1993, 28; B.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = InfAuslR 2000, 93). Unter Einbeziehung der Bedeutung, welche die deutsche Rechtsordnung dem Schutz von Ehe und Familie beimesse (Art. 6 GG), sei bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohten, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr aller Familienangehörigen auszugehen. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen - Angehörige, die Abschiebungsschutz genießen - könne eine andere Betrachtung geboten sein. Erforderlich sei eine möglichst realitätsnahe Beurteilung der Situation im hypothetischen Rückkehrfall. Für die anzunehmende Ausgangssituation, von der aus die Gefahrenprognose zu erstellen sei, komme es grundsätzlich weder auf bloße Absichtserklärungen der Betroffenen noch auf ihren ausländerrechtlichen Status an. Dies gelte für den jeweiligen Asylbewerber selbst und für die Familienmitglieder. Die Hypothese solle die Realität nur in einem Punkt ersetzen, dem nicht mehr bestehenden Aufenthalt des Asylbewerbers in seinem Heimatstaat. Im Übrigen werde durch sie an dem realen Umfeld, insbesondere den familiären Beziehungen des Asylbewerbers, seinen Rechten und Pflichten, nichts geändert. Eine andere Betrachtungsweise würde sich grundlos von der Realität entfernen. Diese Grundsätze können auf die vorliegende Konstellation übertragen werden. Es wäre ebenso wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der genannten Rechtsprechung nicht in Einklang, wenn man die Unterhaltsverpflichtungen als lediglich mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen außer Betracht ließe.

Wird mithin die Notwendigkeit, dass der Kläger zu 1 für den Unterhalt der gesamten Familie aufkommen muss, zugrunde gelegt, würden die Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt. Die humanitäre Lage dort lässt für sie ein menschenwürdiges Dasein nicht zu.

Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zwar zum einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof geht hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeiten davon aus, dass am ehesten noch junge kräftige Männer, häufig als Tagelöhner, einfache Jobs, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt sei, fänden. In der Auskunft von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012 wird ebenfalls auf die schwierige Arbeitssuche hingewiesen. Die meisten Männer und Jugendlichen würden versuchen, auf nahe gelegenen Märkten als Träger zu arbeiten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 19 - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Nach der Stellungnahme von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i.L.) vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren A 11048/10.OVG) könne das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden (S. 9). Damit würde der Kläger zu 1 unter den gegebenen Umständen den notwendigen Lebensunterhalt nicht erwirtschaften können. Zum einen wird er keine Unterstützung durch seine Ehefrau bekommen, weil seine Kinder ihrer Betreuung bedürfen. Zum anderen wird es an Arbeitsmöglichkeiten für ihn fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Zwar war er vor der Ausreise im Geschäft seines Vaters tätig, jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass er ohne Weiteres an die bereits ausgeübte Tätigkeit anknüpfen könnte. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1 angegeben, er wisse nicht, wie das Geschäft laufe, seitdem er Afghanistan verlassen habe. Sein 18-jähriger Bruder gehe noch zur Schule und arbeite mittlerweile auch in dem Geschäft. Damit wird dieser den Platz des Klägers in dem Betrieb einnehmen, zumal er in einem Alter von 18 Jahren die Schule demnächst abschließen wird. Anhaltspunkte dafür, dass das Geschäft, das auch bislang nur von zwei Personen geführt wurde, Bedarf an einer weiteren dritten Arbeitskraft hätte, bestehen nicht. Somit wäre selbst im Fall der Rückkehr in das väterliche Geschäft nicht zu erwarten, dass der Kläger zu 1 ein Einkommen in einer Größenordnung erzielen könnte, die für den Lebensunterhalt einer ganzen Familie ausreichend wäre. Er wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden. Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch davon auszugehen, dass dies nicht gelingen kann.

Mit Ausnahme der medizinischen Versorgung greift der Lagebericht 2014 (S. 19 f.) keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung nicht gesichert sei. Da somit keine grundlegende Änderung eingetreten ist, wird zu den Einzelaspekten auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Januar 2012 (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 28 - Lagebericht 2012) zurückgegriffen, der die Situation detaillierter beschreibt. Dieser führt hinsichtlich der Unterkunftsmöglichkeiten aus, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Nach der Auskunft von ACCORD vom 1. Juni 2012 leben Zehntausende zurückgekehrter Familien unter schlimmen Bedingungen in Slums mit behelfsmäßigen Unterkünften in und um die afghanischen Städte. Sie müssten mit weniger als zehn Liter Wasser am Tag pro Person auskommen und hätten nicht genügend zu essen. Auch die SFH (S. 19) weist darauf hin, dass die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen gehöre, vor allem in K.. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 39% der Bevölkerung, zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Damit kann nicht angenommen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden würden, in der auch Kinder angemessen leben können. Erschwerend kommt hinzu, dass der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2014, S. 19).

Die Grundversorgung ist nach dem Lagebericht 2014 (S. 20) für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung, für Rückkehrer in besonderem Maße. Die medizinische Versorgung habe sich zwar in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend. In K. gebe es eine gute ärztliche Versorgung in einer deutschen und einer französischen Einrichtung. Im Übrigen sei medizinische Hilfe aber oftmals nicht zu erreichen oder könne nicht bezahlt werden (SFH S. 20). Diese Gesichtspunkte sind vorliegend im Hinblick auf die beiden kleinen Kinder von besonderer Bedeutung. Hinzu kommt, dass nach der SFH (S. 19) die Qualität der Bildungsangebote unzureichend und Gewalt im Umgang mit Kindern weit verbreitet ist. Viele Kinder seien unterernährt; 10% der Kinder würden vor ihrem 5. Geburtstag sterben. Straßenkinder seien jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013, S. 9 - UNHCR-Richtlinien) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Nach einer ergänzenden Darstellung (Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen - Vertretung in Deutschland - vom August 2014) sind 40% der Rückkehrer nicht in der Lage, sich wieder in ihre Heimatorte zu integrieren, rund 60% hätten Schwierigkeiten, sich ein neues Leben in Afghanistan aufzubauen.

Diese Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Insbesondere ist auch mit den neueren Erkenntnismitteln die derzeitige Situation hinreichend abgebildet, so dass es der Einholung weiterer Auskünfte nicht bedarf. Unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, ist die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die beiden kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Bei den geschilderten Verhältnissen liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Unterkunft finden würden und keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Dass die Rechtsprechung zur Extremgefahr für Alleinstehende nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht auf die Frage einer unmenschlichen Behandlung von Familien im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK übertragen werden kann, sondern sich die Wertung unterscheiden muss, zeigt sich auch an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 - hudoc.echr.coe.int, auszugsweise mit inoffizieller Übersetzung des Informationsverbunds Asyl und Migration in Asylmagazin 2014, 424). In der Entscheidung betreffend die Abschiebung einer Familie nach Italien hebt der Gerichtshof vor allem das Kindeswohl hervor. Eine Abschiebung verstoße gegen Art. 3 EMRK, wenn nicht sichergestellt sei, dass die Familieneinheit erhalten bleibe und eine den Bedürfnissen der Kinder entsprechende Aufnahme gewährleistet sei. Auch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder misst Familien mit Kindern besondere Bedeutung zu. In der 199. Sitzung vom 11. bis 13. Juni 2014 wurde deshalb das Bundesministerium des Innern unter anderem um vertiefte Informationen zur spezifischen Rückkehrsituation von Familien gebeten. Nach Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, ist die Rückführung von Familien vorerst ebenfalls zurückgestellt. Dass das Existenzminimum für eine Familie nicht erwirtschaftet werden kann, wird auch durch die Stellungnahme von Dr. Karin Lutze vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigt. Danach könne durch Aushilfsjobs allenfalls das Existenzminimum für eine Person ermöglicht werden (S. 9). Ferner bekräftigt der UNHCR (Richtlinien vom 6.8.2013, S. 9) das grundsätzliche Erfordernis bedeutender Unterstützung. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Damit hat sich die Lage nach der Einschätzung des UNHCR eher verschärft, denn die Richtlinien aus dem Jahr 2010 (S. 15 der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 24.3.2011 - zusammenfassende Übersetzung der UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 17.12.2010, S. 40) gingen noch davon aus, dass alleinstehende Männer und Kernfamilien (single males and nuclear family units) unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft leben könnten.

Soweit die Beklagte auf die gewährten Unterstützungsleistungen verweist, gibt es diese zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr. Danach allerdings bestehen Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat (Lagebericht 2014, S. 20; Auskunft von ACCORD vom 1.6.2012). Aufgrund dieser verwaltungstechnischen Schwierigkeiten kommt die erforderliche Hilfe deshalb oft nicht dort an, wo sich die Rückkehrer niedergelassen haben. Noch schwieriger gestaltet sich die Lage für Familien. Über eine gewisse Starthilfe hinaus ist es nicht möglich, dauerhaft Unterstützung für die gesamte Familie zu bekommen (Auskunft von amnesty international vom 29.9.2009 an den BayVGH im Verfahren 6 B 04.30476). Damit mögen die Leistungen zwar einen vorübergehenden Ausgleich schaffen, sind aber nicht dazu geeignet, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten, insbesondere weil die Grundversorgung schon generell für einen Großteil der afghanischen Bevölkerung eine enorme Herausforderung bedeutet.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 und des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 insoweit (Ablehnung Nr. 3 und Abschiebungsandrohung Nr. 4) zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.