Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2019 - 13a ZB 17.31160

bei uns veröffentlicht am11.02.2019
vorgehend
Verwaltungsgericht Regensburg, RN 8 K 16.31535, 17.07.2017

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. Juli 2017 hat keinen Erfolg. Zulassungsgründe nach § 78 Abs. 3 AsylG sind nicht gegeben.

Der Kläger hat seinen Zulassungsantrag damit begründet, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe. So sei klärungsbedürftig, „ob Familienangehörige, die alleine ins Bundesgebiet eingereist sind, jedoch unterhaltspflichtig für eine im Heimatland verbliebene Familie sind, die auch auf Transferleistungen des Familienangehörigen angewiesen ist, ebenso [wie Familien, die gemeinsam ins Bundesgebiet eingereist sind,] einen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG zugesprochen bekommen.“ So sei die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 13a B 17.30030 - AuAS 2017, 175 - juris), wonach eine Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern nach Afghanistan aufgrund der dortigen schlechten humanitären Bedingungen derzeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK darstelle, richtigerweise auch für Väter wie ihn von Relevanz, die allein nach Deutschland gekommen seien, jedoch eine Ehefrau und Kinder im Heimatland hätten. Er könne daher nicht - wie durch das Verwaltungsgericht angenommen (UA S. 12) - als alleinstehender männlicher Afghane behandelt werden, da er bei Rückkehr ins Heimatland für die Ehefrau und sechs minderjährige Kinder unterhaltspflichtig sei. Die Ehefrau könne aufgrund der Betreuungsbedürftigkeit der Kinder nicht durch Erwerbstätigkeit zum Lebensunterhalt der Familie beitragen; unabhängig davon dürfe sie als Frau aufgrund kultureller afghanischer Gepflogenheiten auch gar nicht arbeiten. Der Unterhalt für seine in Afghanistan lebende Familie könne er derzeit nur dadurch sichern, dass er monatlich durchschnittlich etwa EUR 200,- nach Afghanistan überweise. Diese Transferleistungen würden bei seiner Rückkehr ins Heimatland denknotwendig entfallen, die Versorgung der Familie mit Lebensmitteln oder Medikamenten wäre sodann nicht mehr gewährleistet. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus etwaigen Rückkehrhilfen, diese würden nur vorübergehend den Lebensunterhalt der Familie sichern. Soweit er in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht angegeben habe, dass ein Onkel derzeit die Familie in Afghanistan unterstütze, bedeute dies nur, dass dieser der Familie Wohnraum biete. Weiterhin sei auf einen Berufungszulassungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW, B.v. 24.7.2017 - A 11 S 1647/17 - juris) zu verweisen, soweit es die Frage betreffe, ob er und seine Familie in anderen Großstädten Afghanistans ihr Existenzminimum sichern könnten. Ferner stelle sich mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 13.12.2016 - 41738/10 - NVwZ 2017, 1187 - juris) die Frage, „ob [es] im Falle einer Abschiebung des Klägers zu einem ernsthaften, schnellen und unumkehrbaren Verfall der Existenzbedingungen des Klägers und seiner Familie kommt, die zu intensivem Leiden oder einer signifikanten Verkürzung der Lebenserwartung führt.“ Ebenfalls stelle sich die Frage, ob „davon ausgegangen werden [kann], dass der Kläger tatsächlich bei einer Rückkehr ins Heimatland unmittelbar eine Arbeit findet, die es ihm ermöglicht, eine achtköpfige Familie unmittelbar zu versorgen, sei es mit Nahrungsmitteln oder mit sonstigen finanziellen Unterstützungen, die eine medizinische Behandlung ermöglichen.“. Er habe zwar Kenntnisse in der Autoreparatur und habe auch 2015 in Peshawar (Pakistan) eine Anstellung gefunden; jedoch sei vorliegend auf Afghanistan abzustellen. Insoweit sei angesichts der dortigen desolaten wirtschaftlichen Situation nicht davon auszugehen, dass er in Afghanistan unmittelbar eine Anstellung als Kfz-Mechaniker finden würde, die ihm die Sicherung des Lebensunterhalts seiner Familie ermöglichen würde. Angesichts des Umstands, dass er keinerlei finanzielle Rücklagen habe, könne er auch nicht einfach „aus dem Nichts“ eine Kfz-Werkstatt eröffnen.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36). Die Grundsatzfrage muss nach Maßgabe des Verwaltungsgerichtsurteils rechtlich aufgearbeitet sein. Dies erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2013 - 13a ZB 12.30470 - juris Rn. 4 m.w.N.).

Hiervon ausgehend hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.

Die erste klägerseitig aufgeworfene Frage ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Es ergibt sich bei verständiger Würdigung ohne weiteres aus der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur fehlenden Rückkehrmöglichkeit afghanischer Familien mit minderjährigen Kindern, dass diese nicht auf Asylbewerber übertragbar ist, die allein in das Bundesgebiet eingereist sind, jedoch im Heimatland eine Familie mit minderjährigen Kindern haben, der sie unterhaltsverpflichtet sind.

Die klägerseitig angesprochene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geht davon aus, dass unter den derzeitigen Rahmenbedingungen in Afghanistan - vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung - die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für kleine Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Bei den geschilderten Verhältnissen liegt im Allgemeinen ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für Familien mit minderjährigen Kindern besteht die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Unterkunft finden würden und keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass Familien mit minderjährigen Kindern Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (vgl. EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 13a B 17.30030 - AuAS 2017, 175 - juris Rn. 27; siehe zuletzt auch BayVGH, U.v. 21.11.2018 - 13a B 18.30632).

Diese Rechtsprechung ist nicht auf Asylbewerber übertragbar, die allein in das Bundesgebiet eingereist sind, jedoch im Heimatland eine Familie mit minderjährigen Kindern haben, der sie unterhaltspflichtet sind.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685 - EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Dem Wortlaut des § 60 Abs. 5 AufenthG („darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich … ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist“) lässt sich unmittelbar entnehmen, dass Anknüpfungspunkt die Abschiebung des jeweiligen Ausländers und damit lediglich auf die abzuschiebende Person abzustellen ist, im Heimatland verbliebene Familienmitglieder bleiben insoweit grundsätzlich außer Betracht. Der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf es hierzu nicht. Einen möglichen Schutzstatus kann nur derjenige erhalten, der abgeschoben werden soll und der in seiner Person die Anforderungen einer entsprechenden Gefahrenlage erfüllt (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2004 - 1 C 27.03 - NVwZ 2004, 1371 - juris Rn. 9 zu § 53 Abs. 6 AuslG; BayVGH, U.v. 21.9.2009 - 21 B 08.30221 - juris Rn. 13-16). Dass der Kläger in der Lage sein wird, in Afghanistan sein Existenzminimum sicherzustellen, hat das Verwaltungsgericht im Urteil festgestellt (UA S. 12; vgl. zum Ganzen bereits BayVGH, B.v. 16.3.2018 - 13a ZB 17.30260).

Unabhängig davon wird bereits aus dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. März 2017 (13a B 17.30030 - AuAS 2017, 175 - juris Rn. 27: „Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern“; Hervorhebung nicht im Original) deutlich, dass dieser zugrunde liegt, dass eine Familie mit minderjährigen Kindern ihre Lebensgrundlage in Afghanistan aufgegeben hat und sodann gemeinsam nach Deutschland gereist ist, um dort einen Asylantrag zu stellen; denn (nur) eine solche Familie müsste sich bei Rückkehr ins Heimatland dort eine menschenwürdige Lebensgrundlage wieder neu schaffen. Anders verhält es sich jedoch, soweit nur der Vater in das Bundesgebiet eingereist ist, um hier einen Asylantrag zu stellen, die Kernfamilie (Ehefrau, Kinder) hingegen im Heimatland verblieben ist. Denn hier besteht im Heimatland grundsätzlich noch eine familiäre Versorgungsstruktur nebst Unterkunft und damit eine Lebensgrundlage fort, in die der jeweilige Asylbewerber - so auch der hiesige Kläger - zurückkehren kann, ohne sich und seiner Familie unter besonderen Schwierigkeiten eine wirtschaftliche Existenz gänzlich neu schaffen zu müssen. Mit Blick auf den Verbleib der Kernfamilie im Heimatland besteht in dieser Konstellation der Rückkehr nur des Vaters grundsätzlich nicht in gleichem Maße die Gefahr, dass die Kernfamilie keine adäquate Unterkunft finden würde und keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen hätte; denn die Ehefrau und die Kinder haben ja auch in der Abwesenheit des Vaters ihr Existenzminimum in Afghanistan bestreiten können, im Allgemeinen - so auch im Fall des Klägers - durch Unterstützung der Großfamilie. In diesem Zusammenhang kann auch der klägerische Verweis darauf nicht überzeugen, dass der Unterhalt der Familie im Heimatland oft - so auch in seinem Fall - maßgeblich nur durch Transferleistungen des Asylbewerbers aus Deutschland sichergestellt werde. Würde man dem folgen, so würde dies im Ergebnis ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG für eine Vielzahl alleinreisender Afghanen begründen, für das letztlich allein wirtschaftliche Gründe in Form einer erforderlichen Versorgung der Kernfamilie im Heimatland bestünden. Dies entspräche jedoch ersichtlich weder dem Wortlaut der Norm (siehe oben) noch der gesetzlichen Intention in § 60 Abs. 5 AufenthG. Denn die Vorschrift soll verhindern, dass aus Deutschland in ihr Heimatland zurückgeführte Personen nach Rückkehr in eine im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention stehende Gefahrenlage geraten. Ziel ist jedoch insoweit nicht, mittelbar den Lebensunterhalt von im Heimatland verbliebenen Familienmitgliedern zu sichern, die niemals im Bundesgebiet gewesen sind. Dementsprechend sind im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG bei der Rückkehrprognose etwaige Unterhaltspflichten grundsätzlich nur berücksichtigungsfähig, soweit es mit dem Unterhaltspflichtigen eingereiste Familienmitglieder betrifft (vgl. allg. BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 - juris Rn. 20 f.).

Soweit es die weiteren klägerseitig aufgeworfenen Fragen betrifft, so sind diese bereits nicht grundsätzlich klärungsfähig, da sie sich ausweislich ihrer Formulierung ersichtlich allein auf den Einzelfall des Klägers beziehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 78 Rechtsmittel


(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen di

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(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 4 und Aufhebung von Nummer 5 und 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juni 2016 verpflichtet, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II. Die Beklage hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, eine Familie aus Nekbai in der Provinz Kunduz mit einem im Jahr 2015 geborenen und demnächst einem zweiten Kind, sind afghanische Staatsangehörige und schiitische Hazara. Nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Januar 2016 stellten sie am 11. März 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Der Kläger zu 1, der Ehemann und Vater, gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 15. Juni 2016 an, er stamme aus dem Dorf Nekbai in der Provinz Kunduz. In Afghanistan habe er noch zwei Schwestern und im Iran zwei Brüder. Eine Schule habe er nicht besucht und auch keinen Beruf erlernt. Zuletzt habe er als Bauarbeiter gearbeitet. Die Taliban hätten das Dorf besetzt und ihm zweimal Ohrfeigen gegeben. Sie hätten wissen wollen, wer im Dorf Waffen habe und wer Kommandeur sei. Als er noch ein Kind gewesen sei, hätten sie seinen Vater vermutlich wegen dessen Grundbesitz getötet. Ergänzend fügt der Kläger an, im Iran sei ihm im rechten Bein eine Stahlplatte eingesetzt worden. In Deutschland habe er einen Termin zur Operation.

Die Klägerin zu 2, die Ehefrau und Mutter, führte aus, sie sei nicht in die Schule gegangen und habe auch keinen Beruf erlernt und ausgeübt. Im Iran lebten vier Schwestern, zwei Brüder lebten in Deutschland. Ihr Schwiegervater sei Grundbesitzer gewesen, ihr Ehemann habe das Land zusammen mit seinem Bruder geerbt. Davon habe die Familie gelebt und die Reise finanziert. Wirtschaftlich sei es der Familie gut gegangen, aber wegen der Taliban sei ihr Leben in Gefahr gewesen. Diese würden die Männer von zu Hause holen und mitnehmen, einige würden umgebracht werden. Ihr Ehemann sei geschlagen worden und habe Ohrfeigen bekommen.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 21. Juni 2016 wurden die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.) sowie des subsidiären Schutzstatus (3.) und die Anträge auf Asylanerkennung (2.) abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (4.). Den Klägern wurde die Abschiebung angedroht (5., 6.). Zur Begründung ist angeführt, dass sich aus dem Sachvortrag weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ergäben. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes komme nicht in Betracht, weil in Afghanistan kein Konflikt bestehe und keinerlei Anhaltspunkte erkennbar seien, die die Annahme rechtfertigten, dass bei den Klägern im Fall der Rückkehr ein ernsthafter Schaden drohen würde. Unter den derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan seien auch die Anforderungen an den Gefahrenmaßstab nach Art. 3 EMRK nicht erfüllt. Die Umstände, die die Kläger geltend machten, gingen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner hinzunehmen hätten, die in vergleichbaren Situationen lebten. Auch eine individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Sinn von § 60 Abs. 7 AufenthG drohe nicht.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Augsburg verfolgten die Kläger ihr Begehren hinsichtlich nationaler Abschiebungsverbote weiter. In der mündlichen Verhandlung am 18. Oktober 2016 vertieften die Kläger ihr Vorbringen und gaben an, zwei Onkel und zwei Schwestern des Klägers zu 1 hätten bis vor kurzem in ihrem Heimatdorf gelebt. Dann habe es dort Kämpfe gegeben und er habe deshalb keinen Kontakt mehr zu seinen beiden Schwestern. Vor einigen Jahren habe er eine Oberschenkelfraktur erlitten und sei operiert worden. Die eingesetzte Platinstange sei in Deutschland herausgezogen worden. Die Klägerin zu 1 führte aus, dass die Familie den Grundbesitz für die Flucht verkauft habe. Wegen seiner Beinverletzung könne der Kläger nicht als Tagelöhner arbeiten.

Mit Urteil vom 18. Oktober 2016 wurde die Klage abgewiesen. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die allgemeinen Lebensbedingungen seien zumindest nicht in allen Landesteilen Afghanistans so schlecht, dass die Abschiebung einer dreiköpfigen Familie eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde. Insbesondere das Hauptsiedlungsgebiet der Volksgruppe der Hazara, die Provinz Bamiyan, gehöre zu den relativ sicheren Provinzen. Für eine reale Chance, nach einer Rückkehr eine ausreichende Existenzgrundlage für alle Familienmitglieder zu finden, sprächen vor allem die Start- und Reintegrationshilfen nach dem GARP-Programm sowie die Service- und Beratungsleistungen nach dem europäischen Reintegrationsprogramm (ERIN). Insgesamt könnten die Kläger damit Reintegrationshilfen im Gesamtwert von 3.150 € in Anspruch nehmen. In der mündlichen Verhandlung habe der Kläger zu 1 ferner angegeben, dass es ihm gesundheitlich gut gehe. Damit bestehe auch keine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsschutzes mit Beschluss vom 11. Januar 2017 wegen Divergenz zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197; U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212) zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs könnten schlechte humanitäre Bedingungen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führen. Bei einer Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern sei dies der Fall, so dass sie einen Anspruch auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hätten. Eventuelle Hilfen aus den Rückkehrprogrammen könnten kein anderes Ergebnis begründen. Auf diese bestünde kein Rechtsanspruch und sie erschienen nicht ausreichend, um dauerhaft ein Überleben der Familie zu gewährleisten.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. März 2017 verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17).

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Die Kläger zu 1 und 2 als Eltern von bald zwei minderjährigen Kindern befürchten, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, bei der auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist. Dass bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen eine solche Gefahrenlage anzunehmen ist und in der Folge ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG besteht, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit den von den Klägern herangezogenen Divergenzurteilen vom 21. November 2014 entschieden (13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 und 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212). Daran hat sich auch unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse bislang nichts geändert.

Vorliegend müssten die Eltern - nach afghanischen Maßstäben wohl der Vater - bei einer Rückkehr für den Unterhalt der gesamten Familie sorgen. Das ältere Kind, die Klägerin zu 3, ist zwei Jahre alt und ein weiteres Kind wird demnächst geboren. Angesichts dieser beiden kleinen Kindern in betreuungsbedürftigem Alter wird die Ehefrau und Mutter, die Klägerin zu 2, zum Familienunterhalt nicht beitragen können. Zudem ist sie unbestrittenen Angaben zufolge nicht in die Schule gegangen, hat keinen Beruf erlernt und auch keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Damit müsste der Vater alleine den Unterhalt für die ganze Familie erwirtschaften. Im Hinblick auf die derzeitige (wirtschaftliche) Lage in Afghanistan würde er hierzu nicht im Stande sein, zumal auch keine Rücklagen mehr existieren.

Wegen der zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse, die sich bislang nicht nachhaltig verbessert haben, ist bei einer Familie mit minderjährigen Kindern nach wie vor von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen. Das ergibt sich aus den zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblichen Erkenntnismitteln. Dabei zeigt sich deutlich, dass sich die Rahmenbedingungen nicht verbessert haben.

Wurde im Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) noch festgestellt, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessere, es sich in fast allen Bereichen positiv entwickle und die Wirtschaft trotz einer zunehmenden Unsicherheit und Destabilisierung des Landes wachse, so wird in demjenigen vom 19. Oktober 2016 (Stand: September 2016, S. 21 ff. - Lagebericht 2016) ausgeführt, die afghanische Wirtschaft ringe seit Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe geprägt durch eine schwache Investitionstätigkeit, die Abwertung des Afghani gegenüber dem US-Dollar schreite weiter voran und ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Das Vertrauen von Investoren und Verbrauchern in Afghanistan sei weiter gesunken; Ursachen hierfür seien neben der schwierigen Sicherheitslage vor allem in der schleppenden Regierungsbildung zu sehen. Ausländische Investitionen seien in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen; die Rahmenbedingungen für Investoren hätten sich kaum verbessert. Dass die Schaffung von Arbeitsplätzen die zentrale Herausforderung bedeute, wurde bereits im Jahr 2014 berichtet. Hieran hat sich nichts geändert, die Arbeitslosenquote ist dem Lagebericht 2016 zufolge im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Zwar sei sich die afghanische Regierung der Problematik bewusst und habe auch entsprechende Planungen vorgenommen, jedoch seien Erfolge, die auch großflächig in der Bevölkerung spürbar würden, kurzfristig kaum zu erwarten. Ein Problem stelle dar, dass gut ausgebildete und moderat wohlhabende Männer weiterhin bessere Zukunftschancen außerhalb Afghanistans sähen. Die hohe Arbeitslosigkeit werde durch vielfältige Naturkatastrophen verstärkt, so dass die Grundversorgung - wie schon seit Jahren - für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung sei. Für Rückkehrer gelte dies naturgemäß verstärkt. Gerade der Norden - eigentlich die „Kornkammer“ des Landes - sei extremen Natureinflüssen wie Trockenheit, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten hätten dazu geführt, dass dort ca. eine Millionen oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gälten. Zur Unterkunftsmöglichkeit hatte schon der Lagebericht vom Januar 2012 (S. 28 - Lagebericht 2012) angegeben, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Eine Verbesserung wird auch im Lagebericht 2016 nicht gemeldet. Hinsichtlich der medizinischen Versorgung wird erneut ausgeführt, dass sie trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken leide, insbesondere aber an fehlenden Ärzten sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v. a. Hebammen).

Ähnlich verhält es sich mit den Auskünften der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 19 ff. - SFH 2014 und vom 30.9.2016, S. 24 ff. - SFH 2016). Auch im Jahr 2016 wird ausgeführt, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten, 1,7 Millionen Menschen seien ernsthaft von Lebensmittelunsicherheit betroffen. Wie schon 2014 wird darauf hingewiesen, dass die geschwächte Bevölkerung Naturkatastrophen und harten Wintern schutzlos ausgeliefert sei. Zusätzlich werde die Lage durch die anhaltenden Konflikte verschärft. Weiterhin würde die Lebensgrundlage zahlreicher Menschen zerstört, die Anzahl der intern Vertriebenen sei rasant in die Höhe geschnellt, ansteckende Krankheiten nähmen zu und die Kriminalitätsrate steige an. Seit dem Abzug der internationalen Sicherheitskräfte Ende 2014 sei die bereits sehr hohe Arbeitslosigkeit rasant angestiegen. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Zu den gravierendsten sozialen Problemen gehört auch nach dem Bericht von 2016 (S. 24) die Wohnraumknappheit, vor allem in Kabul. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 46% der Bevölkerung (gegenüber 39% nach SFH 2012), zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Schon 2014 wurde berichtet, dass medizinische Hilfe oftmals nicht zu erreichen sei oder nicht bezahlt werden könne (SFH S. 20). Dies wird 2016 bestätigt. Zugang zu den grundlegendsten medizinischen Dienstleistungen hätten nur rund 36% der Bevölkerung, wobei dies ab dem Jahr 2015 wegen der gewaltsamen Konflikte sowie der verbreiteten Armut zusehends schwieriger geworden sei. Die Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen und fehlende Dienstleistungen im Gesundheitsbereich seien direkte Folgen der Gewalt und beeinträchtigten die bereits karge Gesundheitsversorgung der Menschen zusätzlich. Der Gesundheitszustand von Frauen und Kindern bleibe schlecht, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten sowie unter Nomaden. Frauen und Kinder verlören überdurchschnittlich oft das Leben wegen eigentlich heilbarer Krankheiten. Viele Familien könnten sich die Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitseinrichtungen nicht leisten.

Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus den Richtlinien des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016 (UNHCR-Richtlinien 2016). Bereits in den Richtlinien vom 6. August 2013 (S. 9, 29 ff. - UNHCR-Richtlinien 2013) wurde ausgeführt, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedürfe. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Das wird in den Richtlinien 2016 gleichermaßen dargestellt (S. 10). In den Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern vom Dezember 2016 (UNHCR Dezember 2016, S. 2, 4) wird nochmals betont, dass der enorme Anstieg an Rückkehrern zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten geführt habe und es für eine Neuansiedlung ein starkes soziales Netzwerk geben müsse. Weiter wird dargelegt, dass die humanitären Indikatoren in Afghanistan auf einem kritisch niedrigen Niveau seien (UNHCR-Richtlinien 2016, S. 31). Ende 2015 seien 8,1 Mio. Menschen bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 27 Mio. Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen gewesen. Über eine Million Kinder litten an akuter Mangelernährung und 9,1% Prozent der Kinder würden vor ihrem fünften Geburtstag sterben (so auch Lagebericht 2016, S. 13). Der Anteil der Bevölkerung, der unterhalb der nationalen Armutsgrenze lebe, liege nach wie vor bei 35,8%. 1,7 Millionen Afghanen seien von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffen. Besonders schwerwiegend wirke sich der andauernde Konflikt auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung aus, unter anderem aufgrund von direkten Angriffen auf medizinisches Personal und auf Gesundheitseinrichtungen; 36% der Bevölkerung hätten überhaupt keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung.

Zusammenfassend lässt sich den Berichten und Auskünften nicht entnehmen, dass seit dem Jahr 2014 von einer Verbesserung der Situation ausgegangen werden könnte. Wie schon damals ausgeführt, ist unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass - wie bereits erwähnt - die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die beiden kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Angesichts der enorm hohen Arbeitslosigkeit wird es an Arbeitsmöglichkeiten für den Kläger zu 1 fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Erschwerend kommt bei ihm hinzu, dass er weder über eine Schulbildung verfügt noch einen Beruf erlernt hat. Zudem hat er nach einem Unfall gesundheitliche Probleme mit einem Bein, die mögliche Betätigungen weiter einschränken. Familiäre Unterstützung könnten die Kläger nicht erwarten, da die Angehörigen, soweit sie sich nicht in Europa aufhalten, im Iran leben. Zwar hat der Kläger zu 1 von seinem Vater Land geerbt, jedoch wurde hiermit die Ausreise finanziert und es kann der Familie deshalb nicht als Grundlage dienen. Zudem könnten den Berichten zufolge zahlreiche Familien aufgrund von unrechtmäßigen Besetzungen nicht mehr auf ihren Landbesitz zurückkehren und hätten auch kaum Chancen, diesen erfolgreich zurückzufordern (SFH 2016, S. 26). Auch die illegale Beschlagnahmung von Land durch Beamte sowie lokale Machthaber ist der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zufolge verbreitet. Der Kläger zu 1 wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden.

Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dies gelingen kann. Ohne Hilfe würde sich die Familie weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Es kann nicht angenommen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden würden, in der auch Kinder angemessen leben können, insbesondere weil der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2016, S. 21). Aufgrund mangelnder Flächen und erschwinglicher Unterkünfte in städtischen Gebieten sind Rückkehrer häufig gezwungen, in informellen Siedlungen ohne angemessenen Lebensstandard zu leben (UNHCR-Richtlinien 2016, S. 34). Unter Berufung auf UNICEF (United Nations Children’s Fund) wird in den UNHCR-Richtlinien 2016 dargelegt, dass Familien häufig keine andere Wahl hätten, als in Slums zu wohnen, wo sie keinen Zugang zu akzeptablen Wohnbedingungen, Wasser, sanitären Einrichtungen, Gesundheitsversorgung und Bildung hätten. Aufgrund der beschränkt verfügbaren Flächen würden auch wenig geeignete Orte wie die steilen Hänge um Kabul besiedelt. Diese informellen Siedlungen seien durch schwierige naturgegebene Merkmale wie extreme Winter, beschränkten Zugang zu sauberem Wasser und unhygienische Bedingungen geprägt. Angesichts von zwei Kleinkindern fällt das besonders ins Gewicht.

In der Gesamtschau kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass einer Familie mit Kindern unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage im Allgemeinen möglich ist. Vielmehr liegt bei den geschilderten Verhältnissen ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht nach wie vor die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Lebensgrundlage finden würden und keine Unterkunft sowie Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern nach wie vor Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Soweit die Beklagte und das Verwaltungsgericht auf mögliche Unterstützungsleistungen (im Internet abrufbar unter www.bamf.de/rueckkehrfoerderung) verweisen, ergibt sich nichts anderes. Auch die aktuellen Leistungen können nur einen vorübergehenden Ausgleich schaffen. Es ist nach wie vor nicht anzunehmen, dass sie dazu geeignet wären, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten. Zwar sind die Unterstützungsleistungen gegenüber dem Jahr 2014 offenbar ausgeweitet worden. Über das humanitäre Rückkehrprogramm „REAG/GARP“ (Reintegration and Emigration Programme for Asylum Seekers in Germany - REAG und Government Assisted Repatriation Programme - GARP) werden bei freiwilligen Rückkehrern die Transportkosten übernommen, Reisebeihilfen in Höhe von 200,- Euro pro Rückkehrer über 12 Jahre und Starthilfen von 500,- Euro bezahlt. Zusätzlich werden nach dem Reintegrationsprogramm „ERIN“ (European Reintegration Network) als Sachleistungen Reintegrationsleistungen im Wert von maximal 2.000,- Euro gewährt. Schwerpunkte des Programms sind neben der Intensivierung des Dialogs mit den Drittstaaten die individuelle Unterstützung nach der Rückkehr in das Herkunftsland, Hilfestellung bei der Existenzgründung und soziale Begleitung. Finanzielle Mittel erhalten Rückkehrer danach nur aus dem REAG/GARP-Programm und zwar mit Ausnahme einer Starthilfe von 500,- Euro pro Erwachsenen im Wesentlichen für die Kosten der Rückreise. Im Rahmen des ERIN-Programms gibt es keine finanziellen Hilfen, sondern nur tatsächliche Unterstützungsleistungen. Diese beinhalten bei Ankunft Hilfe für die Weiterreise, dringende medizinische Behandlung, kurzfristige Unterkunft in einer Aufnahmeeinrichtung und im Weiteren Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche bzw. Unterstützung bei einer Geschäftsgründung, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Übernahme von Verwaltungskosten, etwa für die Registrierung oder um Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erlangen, sowie verwaltungstechnische Unterstützung in Form von Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen. Wenn man all diese Maßnahmen näher betrachtet, vermögen sie den Wiedereinstieg nach einer Rückkehr zum Teil zu erleichtern. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der möglichen Hilfsleistungen scheint aber zumindest ein geringer Qualifizierungsgrad erforderlich, damit die Programme überhaupt greifen können. Sowohl Arbeitsplatzsuche als auch eine Geschäftsgründung setzen gewisse Grundkenntnisse und -fertigkeiten voraus. Wenn dies der Fall ist, kann im Weiteren unterstützend eingegriffen werden. Fehlende Ausbildung und Qualifikation - wie hier - vermögen die Programme nicht zu ersetzen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es schon generell sehr schwierig ist, sich auch nur einen notdürftigen Unterhalt zu verschaffen. So weist Pro Asyl in einer Stellungnahme vom 16. November 2016 (zur 205. Sitzung der Innenministerkonferenz am 29./30.11.2016 in Saarbrücken) darauf hin, dass sich die Möglichkeiten, sich durch Arbeit selbst zu versorgen, sowohl für Einheimische als auch für Rückkehrer in den Jahren des weitgehenden Abzugs der internationalen Truppen krisenhaft verschärft hätten. Im Übrigen spricht viel dafür, dass es sich allein um eine Starthilfe handelt, die ein menschenwürdiges weiteres Dasein für eine Familie mit minderjährigen Kindern noch nicht sicherstellen kann. Zudem besteht auf die Förderung kein Rechtsanspruch. In der Summe kann deshalb trotz der (anfänglichen) Unterstützung nicht davon ausgegangen werden, dass die Leistungen vorliegend ausreichend wären, um eine unmenschliche Behandlung auszuschließen. Diese Einschätzung deckt sich im Übrigen auch mit derjenigen des ERIN-Programms selbst. Danach haben gewöhnlich nur diese Rückkehrer Chancen, die über spezifische Fähigkeiten verfügten oder qualifizierte Fachkräfte seien. Je niedriger der Ausbildungsstandard und die berufliche Qualifikation seien, desto schlechter und schwieriger sei die Aussicht auf eine berufliche Betätigung (ERIN, Afghanistan Briefing Note, S. 7, abrufbar unter www.bamf.de/rueckkehrfoerderung). Auch soweit finanzielle Unterstützung gewährt wird, ist diese den Angaben von ERIN zufolge angesichts der Lebenshaltungskosten bei Weitem nicht ausreichend. Danach betragen die Wohnungsmieten zwischen 400 und 600 US-$, Nebenkosten 40 US-$ und Lebensunterhalt 500 US-$ (Afghanistan Briefing Note, S. 9). Zudem wurde schon in den genannten Entscheidungen aus dem Jahr 2014 ausgeführt, dass es die Unterstützungsleistungen zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr gibt, aber danach Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat bestehen. Der Lagebericht 2016 (S. 24 f.) spricht nach wie vor von Koordinierungsschwierigkeiten; Hilfe komme nicht immer dort an, wo Rückkehrer sich niedergelassen hätten. Zwar wird diese Aussage im Zusammenhang mit der Beschreibung der Situation von Rückkehrern aus den Nachbarländern gemacht, jedoch ist dem Lagebericht 2016 zufolge auch nur von Norwegen bekannt, dass Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Darüber, ob und inwieweit die Programme tatsächlich greifen, liegen offenbar keine weiteren Informationen vor. Auch der Vertreter des Bundesamts vermochte in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, ob es Erkenntnisse zur tatsächlichen Umsetzung des Reintegrationsprogramms gebe, keine näheren Auskünfte zu erteilen. Allerdings ist schwer vorstellbar, dass im Gegensatz zu den Rückkehrern aus den Nachbarländern hier die Koordinierung problemlos verlaufen sollte. So verweist Pro Asyl in seiner Stellungnahme vom 16. November 2016 darauf, dass die afghanische Regierung nicht in der Lage sei, auch nur die Notversorgung der Rückkehrer aus eigener Kraft oder mit den Mitteln der internationalen Hilfe zu versorgen; faktisch gebe es weder ein Reinte-grationsprogramm noch eine realistische Möglichkeit, ein solches zu schaffen.

Die vom Verwaltungsgericht herangezogene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 26.2.2014 - A 11 S 2519/12 - juris und U.v. 24.7.2013 - A 11 S 697/13 - Asylmagazin 2014, 38) berücksichtigt die neuere Entwicklung nicht. Zudem liegen den Entscheidungen anders gelagerte Sachverhalte zugrunde.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 und unter Abänderung von Nummer 4 und Aufhebung von Nummer 5 und 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juni 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 4 und Aufhebung von Nummer 5 und 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juni 2016 verpflichtet, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II. Die Beklage hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, eine Familie aus Nekbai in der Provinz Kunduz mit einem im Jahr 2015 geborenen und demnächst einem zweiten Kind, sind afghanische Staatsangehörige und schiitische Hazara. Nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Januar 2016 stellten sie am 11. März 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Der Kläger zu 1, der Ehemann und Vater, gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 15. Juni 2016 an, er stamme aus dem Dorf Nekbai in der Provinz Kunduz. In Afghanistan habe er noch zwei Schwestern und im Iran zwei Brüder. Eine Schule habe er nicht besucht und auch keinen Beruf erlernt. Zuletzt habe er als Bauarbeiter gearbeitet. Die Taliban hätten das Dorf besetzt und ihm zweimal Ohrfeigen gegeben. Sie hätten wissen wollen, wer im Dorf Waffen habe und wer Kommandeur sei. Als er noch ein Kind gewesen sei, hätten sie seinen Vater vermutlich wegen dessen Grundbesitz getötet. Ergänzend fügt der Kläger an, im Iran sei ihm im rechten Bein eine Stahlplatte eingesetzt worden. In Deutschland habe er einen Termin zur Operation.

Die Klägerin zu 2, die Ehefrau und Mutter, führte aus, sie sei nicht in die Schule gegangen und habe auch keinen Beruf erlernt und ausgeübt. Im Iran lebten vier Schwestern, zwei Brüder lebten in Deutschland. Ihr Schwiegervater sei Grundbesitzer gewesen, ihr Ehemann habe das Land zusammen mit seinem Bruder geerbt. Davon habe die Familie gelebt und die Reise finanziert. Wirtschaftlich sei es der Familie gut gegangen, aber wegen der Taliban sei ihr Leben in Gefahr gewesen. Diese würden die Männer von zu Hause holen und mitnehmen, einige würden umgebracht werden. Ihr Ehemann sei geschlagen worden und habe Ohrfeigen bekommen.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 21. Juni 2016 wurden die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.) sowie des subsidiären Schutzstatus (3.) und die Anträge auf Asylanerkennung (2.) abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (4.). Den Klägern wurde die Abschiebung angedroht (5., 6.). Zur Begründung ist angeführt, dass sich aus dem Sachvortrag weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ergäben. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes komme nicht in Betracht, weil in Afghanistan kein Konflikt bestehe und keinerlei Anhaltspunkte erkennbar seien, die die Annahme rechtfertigten, dass bei den Klägern im Fall der Rückkehr ein ernsthafter Schaden drohen würde. Unter den derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan seien auch die Anforderungen an den Gefahrenmaßstab nach Art. 3 EMRK nicht erfüllt. Die Umstände, die die Kläger geltend machten, gingen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner hinzunehmen hätten, die in vergleichbaren Situationen lebten. Auch eine individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Sinn von § 60 Abs. 7 AufenthG drohe nicht.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Augsburg verfolgten die Kläger ihr Begehren hinsichtlich nationaler Abschiebungsverbote weiter. In der mündlichen Verhandlung am 18. Oktober 2016 vertieften die Kläger ihr Vorbringen und gaben an, zwei Onkel und zwei Schwestern des Klägers zu 1 hätten bis vor kurzem in ihrem Heimatdorf gelebt. Dann habe es dort Kämpfe gegeben und er habe deshalb keinen Kontakt mehr zu seinen beiden Schwestern. Vor einigen Jahren habe er eine Oberschenkelfraktur erlitten und sei operiert worden. Die eingesetzte Platinstange sei in Deutschland herausgezogen worden. Die Klägerin zu 1 führte aus, dass die Familie den Grundbesitz für die Flucht verkauft habe. Wegen seiner Beinverletzung könne der Kläger nicht als Tagelöhner arbeiten.

Mit Urteil vom 18. Oktober 2016 wurde die Klage abgewiesen. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die allgemeinen Lebensbedingungen seien zumindest nicht in allen Landesteilen Afghanistans so schlecht, dass die Abschiebung einer dreiköpfigen Familie eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde. Insbesondere das Hauptsiedlungsgebiet der Volksgruppe der Hazara, die Provinz Bamiyan, gehöre zu den relativ sicheren Provinzen. Für eine reale Chance, nach einer Rückkehr eine ausreichende Existenzgrundlage für alle Familienmitglieder zu finden, sprächen vor allem die Start- und Reintegrationshilfen nach dem GARP-Programm sowie die Service- und Beratungsleistungen nach dem europäischen Reintegrationsprogramm (ERIN). Insgesamt könnten die Kläger damit Reintegrationshilfen im Gesamtwert von 3.150 € in Anspruch nehmen. In der mündlichen Verhandlung habe der Kläger zu 1 ferner angegeben, dass es ihm gesundheitlich gut gehe. Damit bestehe auch keine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsschutzes mit Beschluss vom 11. Januar 2017 wegen Divergenz zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197; U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212) zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs könnten schlechte humanitäre Bedingungen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führen. Bei einer Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern sei dies der Fall, so dass sie einen Anspruch auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hätten. Eventuelle Hilfen aus den Rückkehrprogrammen könnten kein anderes Ergebnis begründen. Auf diese bestünde kein Rechtsanspruch und sie erschienen nicht ausreichend, um dauerhaft ein Überleben der Familie zu gewährleisten.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. März 2017 verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17).

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Die Kläger zu 1 und 2 als Eltern von bald zwei minderjährigen Kindern befürchten, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, bei der auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist. Dass bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen eine solche Gefahrenlage anzunehmen ist und in der Folge ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG besteht, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit den von den Klägern herangezogenen Divergenzurteilen vom 21. November 2014 entschieden (13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 und 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212). Daran hat sich auch unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse bislang nichts geändert.

Vorliegend müssten die Eltern - nach afghanischen Maßstäben wohl der Vater - bei einer Rückkehr für den Unterhalt der gesamten Familie sorgen. Das ältere Kind, die Klägerin zu 3, ist zwei Jahre alt und ein weiteres Kind wird demnächst geboren. Angesichts dieser beiden kleinen Kindern in betreuungsbedürftigem Alter wird die Ehefrau und Mutter, die Klägerin zu 2, zum Familienunterhalt nicht beitragen können. Zudem ist sie unbestrittenen Angaben zufolge nicht in die Schule gegangen, hat keinen Beruf erlernt und auch keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Damit müsste der Vater alleine den Unterhalt für die ganze Familie erwirtschaften. Im Hinblick auf die derzeitige (wirtschaftliche) Lage in Afghanistan würde er hierzu nicht im Stande sein, zumal auch keine Rücklagen mehr existieren.

Wegen der zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse, die sich bislang nicht nachhaltig verbessert haben, ist bei einer Familie mit minderjährigen Kindern nach wie vor von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen. Das ergibt sich aus den zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblichen Erkenntnismitteln. Dabei zeigt sich deutlich, dass sich die Rahmenbedingungen nicht verbessert haben.

Wurde im Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) noch festgestellt, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessere, es sich in fast allen Bereichen positiv entwickle und die Wirtschaft trotz einer zunehmenden Unsicherheit und Destabilisierung des Landes wachse, so wird in demjenigen vom 19. Oktober 2016 (Stand: September 2016, S. 21 ff. - Lagebericht 2016) ausgeführt, die afghanische Wirtschaft ringe seit Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe geprägt durch eine schwache Investitionstätigkeit, die Abwertung des Afghani gegenüber dem US-Dollar schreite weiter voran und ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Das Vertrauen von Investoren und Verbrauchern in Afghanistan sei weiter gesunken; Ursachen hierfür seien neben der schwierigen Sicherheitslage vor allem in der schleppenden Regierungsbildung zu sehen. Ausländische Investitionen seien in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen; die Rahmenbedingungen für Investoren hätten sich kaum verbessert. Dass die Schaffung von Arbeitsplätzen die zentrale Herausforderung bedeute, wurde bereits im Jahr 2014 berichtet. Hieran hat sich nichts geändert, die Arbeitslosenquote ist dem Lagebericht 2016 zufolge im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Zwar sei sich die afghanische Regierung der Problematik bewusst und habe auch entsprechende Planungen vorgenommen, jedoch seien Erfolge, die auch großflächig in der Bevölkerung spürbar würden, kurzfristig kaum zu erwarten. Ein Problem stelle dar, dass gut ausgebildete und moderat wohlhabende Männer weiterhin bessere Zukunftschancen außerhalb Afghanistans sähen. Die hohe Arbeitslosigkeit werde durch vielfältige Naturkatastrophen verstärkt, so dass die Grundversorgung - wie schon seit Jahren - für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung sei. Für Rückkehrer gelte dies naturgemäß verstärkt. Gerade der Norden - eigentlich die „Kornkammer“ des Landes - sei extremen Natureinflüssen wie Trockenheit, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten hätten dazu geführt, dass dort ca. eine Millionen oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gälten. Zur Unterkunftsmöglichkeit hatte schon der Lagebericht vom Januar 2012 (S. 28 - Lagebericht 2012) angegeben, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Eine Verbesserung wird auch im Lagebericht 2016 nicht gemeldet. Hinsichtlich der medizinischen Versorgung wird erneut ausgeführt, dass sie trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken leide, insbesondere aber an fehlenden Ärzten sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v. a. Hebammen).

Ähnlich verhält es sich mit den Auskünften der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 19 ff. - SFH 2014 und vom 30.9.2016, S. 24 ff. - SFH 2016). Auch im Jahr 2016 wird ausgeführt, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten, 1,7 Millionen Menschen seien ernsthaft von Lebensmittelunsicherheit betroffen. Wie schon 2014 wird darauf hingewiesen, dass die geschwächte Bevölkerung Naturkatastrophen und harten Wintern schutzlos ausgeliefert sei. Zusätzlich werde die Lage durch die anhaltenden Konflikte verschärft. Weiterhin würde die Lebensgrundlage zahlreicher Menschen zerstört, die Anzahl der intern Vertriebenen sei rasant in die Höhe geschnellt, ansteckende Krankheiten nähmen zu und die Kriminalitätsrate steige an. Seit dem Abzug der internationalen Sicherheitskräfte Ende 2014 sei die bereits sehr hohe Arbeitslosigkeit rasant angestiegen. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Zu den gravierendsten sozialen Problemen gehört auch nach dem Bericht von 2016 (S. 24) die Wohnraumknappheit, vor allem in Kabul. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 46% der Bevölkerung (gegenüber 39% nach SFH 2012), zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Schon 2014 wurde berichtet, dass medizinische Hilfe oftmals nicht zu erreichen sei oder nicht bezahlt werden könne (SFH S. 20). Dies wird 2016 bestätigt. Zugang zu den grundlegendsten medizinischen Dienstleistungen hätten nur rund 36% der Bevölkerung, wobei dies ab dem Jahr 2015 wegen der gewaltsamen Konflikte sowie der verbreiteten Armut zusehends schwieriger geworden sei. Die Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen und fehlende Dienstleistungen im Gesundheitsbereich seien direkte Folgen der Gewalt und beeinträchtigten die bereits karge Gesundheitsversorgung der Menschen zusätzlich. Der Gesundheitszustand von Frauen und Kindern bleibe schlecht, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten sowie unter Nomaden. Frauen und Kinder verlören überdurchschnittlich oft das Leben wegen eigentlich heilbarer Krankheiten. Viele Familien könnten sich die Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitseinrichtungen nicht leisten.

Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus den Richtlinien des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016 (UNHCR-Richtlinien 2016). Bereits in den Richtlinien vom 6. August 2013 (S. 9, 29 ff. - UNHCR-Richtlinien 2013) wurde ausgeführt, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedürfe. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Das wird in den Richtlinien 2016 gleichermaßen dargestellt (S. 10). In den Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern vom Dezember 2016 (UNHCR Dezember 2016, S. 2, 4) wird nochmals betont, dass der enorme Anstieg an Rückkehrern zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten geführt habe und es für eine Neuansiedlung ein starkes soziales Netzwerk geben müsse. Weiter wird dargelegt, dass die humanitären Indikatoren in Afghanistan auf einem kritisch niedrigen Niveau seien (UNHCR-Richtlinien 2016, S. 31). Ende 2015 seien 8,1 Mio. Menschen bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 27 Mio. Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen gewesen. Über eine Million Kinder litten an akuter Mangelernährung und 9,1% Prozent der Kinder würden vor ihrem fünften Geburtstag sterben (so auch Lagebericht 2016, S. 13). Der Anteil der Bevölkerung, der unterhalb der nationalen Armutsgrenze lebe, liege nach wie vor bei 35,8%. 1,7 Millionen Afghanen seien von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffen. Besonders schwerwiegend wirke sich der andauernde Konflikt auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung aus, unter anderem aufgrund von direkten Angriffen auf medizinisches Personal und auf Gesundheitseinrichtungen; 36% der Bevölkerung hätten überhaupt keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung.

Zusammenfassend lässt sich den Berichten und Auskünften nicht entnehmen, dass seit dem Jahr 2014 von einer Verbesserung der Situation ausgegangen werden könnte. Wie schon damals ausgeführt, ist unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass - wie bereits erwähnt - die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die beiden kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Angesichts der enorm hohen Arbeitslosigkeit wird es an Arbeitsmöglichkeiten für den Kläger zu 1 fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Erschwerend kommt bei ihm hinzu, dass er weder über eine Schulbildung verfügt noch einen Beruf erlernt hat. Zudem hat er nach einem Unfall gesundheitliche Probleme mit einem Bein, die mögliche Betätigungen weiter einschränken. Familiäre Unterstützung könnten die Kläger nicht erwarten, da die Angehörigen, soweit sie sich nicht in Europa aufhalten, im Iran leben. Zwar hat der Kläger zu 1 von seinem Vater Land geerbt, jedoch wurde hiermit die Ausreise finanziert und es kann der Familie deshalb nicht als Grundlage dienen. Zudem könnten den Berichten zufolge zahlreiche Familien aufgrund von unrechtmäßigen Besetzungen nicht mehr auf ihren Landbesitz zurückkehren und hätten auch kaum Chancen, diesen erfolgreich zurückzufordern (SFH 2016, S. 26). Auch die illegale Beschlagnahmung von Land durch Beamte sowie lokale Machthaber ist der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zufolge verbreitet. Der Kläger zu 1 wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden.

Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dies gelingen kann. Ohne Hilfe würde sich die Familie weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Es kann nicht angenommen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden würden, in der auch Kinder angemessen leben können, insbesondere weil der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2016, S. 21). Aufgrund mangelnder Flächen und erschwinglicher Unterkünfte in städtischen Gebieten sind Rückkehrer häufig gezwungen, in informellen Siedlungen ohne angemessenen Lebensstandard zu leben (UNHCR-Richtlinien 2016, S. 34). Unter Berufung auf UNICEF (United Nations Children’s Fund) wird in den UNHCR-Richtlinien 2016 dargelegt, dass Familien häufig keine andere Wahl hätten, als in Slums zu wohnen, wo sie keinen Zugang zu akzeptablen Wohnbedingungen, Wasser, sanitären Einrichtungen, Gesundheitsversorgung und Bildung hätten. Aufgrund der beschränkt verfügbaren Flächen würden auch wenig geeignete Orte wie die steilen Hänge um Kabul besiedelt. Diese informellen Siedlungen seien durch schwierige naturgegebene Merkmale wie extreme Winter, beschränkten Zugang zu sauberem Wasser und unhygienische Bedingungen geprägt. Angesichts von zwei Kleinkindern fällt das besonders ins Gewicht.

In der Gesamtschau kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass einer Familie mit Kindern unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage im Allgemeinen möglich ist. Vielmehr liegt bei den geschilderten Verhältnissen ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht nach wie vor die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Lebensgrundlage finden würden und keine Unterkunft sowie Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern nach wie vor Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Soweit die Beklagte und das Verwaltungsgericht auf mögliche Unterstützungsleistungen (im Internet abrufbar unter www.bamf.de/rueckkehrfoerderung) verweisen, ergibt sich nichts anderes. Auch die aktuellen Leistungen können nur einen vorübergehenden Ausgleich schaffen. Es ist nach wie vor nicht anzunehmen, dass sie dazu geeignet wären, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten. Zwar sind die Unterstützungsleistungen gegenüber dem Jahr 2014 offenbar ausgeweitet worden. Über das humanitäre Rückkehrprogramm „REAG/GARP“ (Reintegration and Emigration Programme for Asylum Seekers in Germany - REAG und Government Assisted Repatriation Programme - GARP) werden bei freiwilligen Rückkehrern die Transportkosten übernommen, Reisebeihilfen in Höhe von 200,- Euro pro Rückkehrer über 12 Jahre und Starthilfen von 500,- Euro bezahlt. Zusätzlich werden nach dem Reintegrationsprogramm „ERIN“ (European Reintegration Network) als Sachleistungen Reintegrationsleistungen im Wert von maximal 2.000,- Euro gewährt. Schwerpunkte des Programms sind neben der Intensivierung des Dialogs mit den Drittstaaten die individuelle Unterstützung nach der Rückkehr in das Herkunftsland, Hilfestellung bei der Existenzgründung und soziale Begleitung. Finanzielle Mittel erhalten Rückkehrer danach nur aus dem REAG/GARP-Programm und zwar mit Ausnahme einer Starthilfe von 500,- Euro pro Erwachsenen im Wesentlichen für die Kosten der Rückreise. Im Rahmen des ERIN-Programms gibt es keine finanziellen Hilfen, sondern nur tatsächliche Unterstützungsleistungen. Diese beinhalten bei Ankunft Hilfe für die Weiterreise, dringende medizinische Behandlung, kurzfristige Unterkunft in einer Aufnahmeeinrichtung und im Weiteren Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche bzw. Unterstützung bei einer Geschäftsgründung, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Übernahme von Verwaltungskosten, etwa für die Registrierung oder um Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erlangen, sowie verwaltungstechnische Unterstützung in Form von Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen. Wenn man all diese Maßnahmen näher betrachtet, vermögen sie den Wiedereinstieg nach einer Rückkehr zum Teil zu erleichtern. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der möglichen Hilfsleistungen scheint aber zumindest ein geringer Qualifizierungsgrad erforderlich, damit die Programme überhaupt greifen können. Sowohl Arbeitsplatzsuche als auch eine Geschäftsgründung setzen gewisse Grundkenntnisse und -fertigkeiten voraus. Wenn dies der Fall ist, kann im Weiteren unterstützend eingegriffen werden. Fehlende Ausbildung und Qualifikation - wie hier - vermögen die Programme nicht zu ersetzen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es schon generell sehr schwierig ist, sich auch nur einen notdürftigen Unterhalt zu verschaffen. So weist Pro Asyl in einer Stellungnahme vom 16. November 2016 (zur 205. Sitzung der Innenministerkonferenz am 29./30.11.2016 in Saarbrücken) darauf hin, dass sich die Möglichkeiten, sich durch Arbeit selbst zu versorgen, sowohl für Einheimische als auch für Rückkehrer in den Jahren des weitgehenden Abzugs der internationalen Truppen krisenhaft verschärft hätten. Im Übrigen spricht viel dafür, dass es sich allein um eine Starthilfe handelt, die ein menschenwürdiges weiteres Dasein für eine Familie mit minderjährigen Kindern noch nicht sicherstellen kann. Zudem besteht auf die Förderung kein Rechtsanspruch. In der Summe kann deshalb trotz der (anfänglichen) Unterstützung nicht davon ausgegangen werden, dass die Leistungen vorliegend ausreichend wären, um eine unmenschliche Behandlung auszuschließen. Diese Einschätzung deckt sich im Übrigen auch mit derjenigen des ERIN-Programms selbst. Danach haben gewöhnlich nur diese Rückkehrer Chancen, die über spezifische Fähigkeiten verfügten oder qualifizierte Fachkräfte seien. Je niedriger der Ausbildungsstandard und die berufliche Qualifikation seien, desto schlechter und schwieriger sei die Aussicht auf eine berufliche Betätigung (ERIN, Afghanistan Briefing Note, S. 7, abrufbar unter www.bamf.de/rueckkehrfoerderung). Auch soweit finanzielle Unterstützung gewährt wird, ist diese den Angaben von ERIN zufolge angesichts der Lebenshaltungskosten bei Weitem nicht ausreichend. Danach betragen die Wohnungsmieten zwischen 400 und 600 US-$, Nebenkosten 40 US-$ und Lebensunterhalt 500 US-$ (Afghanistan Briefing Note, S. 9). Zudem wurde schon in den genannten Entscheidungen aus dem Jahr 2014 ausgeführt, dass es die Unterstützungsleistungen zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr gibt, aber danach Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat bestehen. Der Lagebericht 2016 (S. 24 f.) spricht nach wie vor von Koordinierungsschwierigkeiten; Hilfe komme nicht immer dort an, wo Rückkehrer sich niedergelassen hätten. Zwar wird diese Aussage im Zusammenhang mit der Beschreibung der Situation von Rückkehrern aus den Nachbarländern gemacht, jedoch ist dem Lagebericht 2016 zufolge auch nur von Norwegen bekannt, dass Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Darüber, ob und inwieweit die Programme tatsächlich greifen, liegen offenbar keine weiteren Informationen vor. Auch der Vertreter des Bundesamts vermochte in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, ob es Erkenntnisse zur tatsächlichen Umsetzung des Reintegrationsprogramms gebe, keine näheren Auskünfte zu erteilen. Allerdings ist schwer vorstellbar, dass im Gegensatz zu den Rückkehrern aus den Nachbarländern hier die Koordinierung problemlos verlaufen sollte. So verweist Pro Asyl in seiner Stellungnahme vom 16. November 2016 darauf, dass die afghanische Regierung nicht in der Lage sei, auch nur die Notversorgung der Rückkehrer aus eigener Kraft oder mit den Mitteln der internationalen Hilfe zu versorgen; faktisch gebe es weder ein Reinte-grationsprogramm noch eine realistische Möglichkeit, ein solches zu schaffen.

Die vom Verwaltungsgericht herangezogene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 26.2.2014 - A 11 S 2519/12 - juris und U.v. 24.7.2013 - A 11 S 697/13 - Asylmagazin 2014, 38) berücksichtigt die neuere Entwicklung nicht. Zudem liegen den Entscheidungen anders gelagerte Sachverhalte zugrunde.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 und unter Abänderung von Nummer 4 und Aufhebung von Nummer 5 und 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juni 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 23. Januar 2017 wird der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 16. September 2016 hinsichtlich den Nummern 4 bis 6 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan festzustellen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der nach eigenen Angaben am 1. Januar 1985 in Ghazni (Afghanistan) geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger mit Volkszugehörigkeit der Hazara und schiitischer Religionszugehörigkeit. Er ist religiös mit seiner am 1. Januar 1993 geborenen Ehefrau verheiratet und hat mit dieser eine am 1. Januar 2005 geborene Tochter sowie zwei am 1. Januar 2009 und am 1. Januar 2012 geborene Söhne. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erwartete die Ehefrau das vierte Kind. Seinen Angaben zufolge reiste der Kläger am 10. November 2015 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 8. Juni 2016 gemeinsam mit seiner Ehefrau einen Asylantrag stellte.

Im Protokoll über die persönliche Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 29. Juni 2016 befindet sich ein Vermerk, wonach der Kläger angebe, nur religiös geheiratet zu haben. Die Akte der Lebensgefährtin werde unter gesondertem Aktenzeichen bearbeitet, da keine standesamtliche Eheschließungsurkunde vorliege.

Im Übrigen führte der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung aus, dass er seit ca. 20 Jahren im Iran lebe. Seine Familie habe ursprünglich in Ghazni gewohnt. Dort hätten seine Eltern gelebt, bevor sie Afghanistan verlassen hätten. Es sei ca. 9 Monate her, dass er den Iran verlassen habe. Er sei über die Türkei, Griechenland, Serbien und Kroatien gereist. Seine Eltern, drei Brüder und eine Schwester lebten im Iran, Verwandte in Afghanistan habe er keine. Er habe nie eine Schule besucht und könne nicht lesen und schreiben. Er habe in der Landwirtschaft als Helfer gearbeitet. Seine wirtschaftliche Situation im Iran sei durchschnittlich gewesen. Die Familie habe im Iran ein Haus gemietet. Die Reise in die Bundesrepublik Deutschland habe insgesamt 6.000 EUR gekostet. 3.000 EUR seien für den Schlepper bis zur türkischen Grenze und danach nochmals 3.000 EUR bis nach Griechenland angefallen. Bei dem Geld habe es sich um sein Erspartes gehandelt. Zu seinen Asylgründen führte der Kläger aus, dass er, als seine Familie Afghanistan verlassen habe, noch ein Kind gewesen sei. Er könne sich an die Gründe nicht erinnern. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil er dort keine Verwandten habe. Im Iran habe er keine Dokumente erhalten; seine Kinder hätten im Iran nicht in die Schule gehen können. Sein Problem bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre, dass er dort niemanden kenne und kein Eigentum besitze. Probleme habe er in Afghanistan nie gehabt.

Mit Bescheid vom 16. September 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge des Klägers auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Nrn. 1 und 2). Nr. 3 des Bescheides bestimmt, dass dem Kläger auch der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt werde. Nr. 4 bestimmt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im Falle des Klägers nicht vorlägen. In Nr. 5 wird der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. Nr. 6 setzt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung fest. In den Gründen wird ausgeführt, dass der Kläger kein Flüchtling im Sinne des § 3 Asylgesetz (AsylG) sei. Eine staatlich zu verantwortende Verfolgung sei nicht vorgebracht worden. Er habe keine Verfolgungsgründe geltend gemacht, die an ein Merkmal des § 3 AsylG anknüpften. Im Übrigen habe sich der Kläger bereits seit 20 Jahren nicht mehr in Afghanistan aufgehalten. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Auch lägen keine Abschiebungsverbote vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Gegen den Bescheid vom 16. September 2016 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 30. September 2016 Klage erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 16. September 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Mit Urteil vom 23. Januar 2017 hat das Verwaltungsgericht Augsburg die Klage abgewiesen (Au 5 K 16.32008). Unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) wurde zur Begründung u.a. ausgeführt, dass das Gericht kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Falle des Klägers zu erkennen vermochte. Da die Familienangehörigen des Klägers - seine Ehefrau und die drei minderjährigen Kinder - in der Bundesrepublik Deutschland über ein Bleiberecht verfügten, sei im maßgeblichen Zeitpunkt auf die Rückkehr des Klägers als Einzelperson außerhalb seines Familienverbundes abzustellen. Insoweit drohe dem Kläger keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben wegen der allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan. Der Kläger sei volljährig und leide, soweit ersichtlich, nicht unter gesundheitlichen Einschränkungen. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger sein Existenzminimum bei einer Rückkehr nach Afghanistan durchaus sichern könne. Dass der Kläger Teil einer Familie mit drei minderjährigen Kindern sei, vermöge an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Die übrigen Familienangehörigen des Klägers verfügten - soweit ersichtlich - in der Bundesrepublik Deutschland über ein Bleiberecht. Damit sei nicht von einer Rückkehr des Klägers im Familienverbund nach Afghanistan auszugehen, was eine andere rechtliche Wertung nahelege. Sollte sich die Familie gleichwohl dazu entscheiden, mit dem Kläger zurück nach Afghanistan bzw. Kabul zurückzukehren, um die Familieneinheit zu wahren, handle es sich um eine freiwillige Rückkehr, die zu keiner anderen Beurteilung der Gefahrenprognose mit Blick auf den Kläger führen könne. Damit liege aber mit der Wahrung der Familieneinheit (Art. 6 GG) ein sog. inlandsbezogenes Abschiebungshindernis vor, dessen Prüfung allein der Ausländerbehörde obliege und somit bei der Beurteilung des zielstaatbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG von vornherein keine Berücksichtigung finde.

Mit Beschluss vom 16. März 2018 wurde vom Senat die Berufung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots zugelassen (13a ZB 17.30291).

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, auch für den Fall, dass er als Familienvater vom Rest der Familie getrennt und er als Einzelperson betrachtet werde, müssten die Grundsätze der Familienrechtsprechung des Senats (BayVGH, U.v. 23.7.2017 - 13a B 17.30030) gelten. Unter deren Zugrundelegung sei es ausgeschlossen, hinsichtlich des Bestehens eines nationalen Abschiebeverbots ausschließlich auf den Kläger abzustellen. Es sei zu beachten, dass Familienangehörige wegen des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 GG nur gemeinsam mit ihren Kindern und ihrem Ehepartner nach Afghanistan zurückkehren könnten (BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - juris). Ihre einzelne und isolierte Rückkehr sei weder realistisch noch von Rechts wegen einzufordern. Bei der anzustellenden Prognose, welche Gefahren bei einer Rückkehr im Heimatstaat drohten, sei regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr aller Familienangehöriger auszugehen. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen, wie bei Angehörigen, die als politisch Verfolgte Abschiebungsschutz genössen, könne eine andere Betrachtung geboten sein (BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - juris Rn. 11). Ein derartiger Ausnahmefall sei hier nicht zu erkennen. Es sei nicht sichergestellt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan den Lebensunterhalt für sich und seine Familie erwirtschaften könne. Hinzu komme, dass er über keinen eine Rückkehr unterstützenden Familienverband verfüge. Er wäre bei einer Rückkehr nach Afghanistan mehr oder minder auf sich allein gestellt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus eventuellen Hilfen aus den Rückkehrerprogrammen REAG/GARP bzw. ERIN. Bei REAG belaufe sich die Reisebeihilfe auf 500 EUR. Bei GARP erhalte er eine Starthilfe von 500 EUR. Bei ERIN werde freiwilligen Rückkehrern eine Sachleistungsbeihilfe im Umfang von 2.000 EUR gewährt. In Anbetracht der Schwierigkeiten auf dem hart umkämpften Arbeitsmarkt, erschienen die Rückkehrhilfen, auf die überdies kein Rechtsanspruch bestehe, nicht ausreichend, um dauerhaft ein Überleben der Familie in Afghanistan zu gewährleisten. Im Übrigen hat der Kläger ein Vaterschaftsgutachten vom 19. Oktober 2018 vorgelegt, wonach er der biologische Vater der am 1. Januar 2005 in Teheran geborenen Tochter ist.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 23. Januar 2017 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 16. September 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt zur Begründung aus, die Familienangehörigen des Klägers hätten mit Bescheid des Bundesamts vom 15. September 2016 unter dem Aktenzeichen 6779510-1-423 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt bekommen und seien im Besitz von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 AsylG lägen nicht vor, da in Afghanistan zu keinem Zeitpunkt die klägerische Familie oder eine staatlich anerkannte Ehe mit der Mutter der gemeinsamen Kinder bestanden habe. Es könne daher prognostisch nicht von einem - im hypothetischen Rückkehrfall - vom Kläger auch für seine Angehörigen sicherzustellenden Auskommen ausgegangen werden. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG erfüllt sein könnten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei es unzulässig, eine Gefahrenprognose aufzustellen, die eine nicht realitätsgerechte Lage simuliere. Insbesondere sei geklärt, dass für den Fall, dass einem Familienmitglied ein Bleiberecht oder auch nur Abschiebungsschutz zuerkannt worden sei, bei der Gefährdungsprognose keine gemeinsame Rückkehr mit anderen Mitgliedern der Kernfamilie zu unterstellen sei (BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00). So verhalte es sich auch vorliegend, so dass der Kläger einem alleinstehenden Mann gleichzustellen sei. Da keine Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit ersichtlich seien, sei mit der gefestigten Spruchpraxis des Senats (BayVGH, B.v. 12.4.2018 - 13a ZB 18.30135 - juris Rn. 5) davon auszugehen, dass dem Kläger die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit jedenfalls in einem solchen Umfang möglich wäre, dass für seine Person weder eine Extremgefährdung feststellbar sei noch eine Abschiebung sich ohne weiteres als Verletzung des Art. 3 EMRK darstelle. Ergänzend werde auf die Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts verwiesen (SächsOVG, U.v. 3.7.2018 - 1 A 215/18.A - juris Rn. 26 f.). Hiernach müsse bei nationalen Abschiebungsverboten aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG stets geprüft werden, ob der Schutztatbestand in der Person eines jedes Familienmitglieds tatsächlich vorliege. Hieran änderten auch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nichts; denn allein die Ausländerbehörden - nicht das Bundesamt - hätten bei der Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse darüber zu befinden, ob eine Abschiebung mit dem Schutz der Familie aus Art. 6 GG vereinbar sei. Ausgehend von dieser Rechtsprechung sei somit aus Rechtsgründen bei der Rückkehrprognose richtigerweise ein anderer Ansatz geboten als derjenige, den der Verwaltungsgerichtshof bei Familien mit minderjährigen Kindern bisher zugrunde gelegt habe. Sollte der Verwaltungsgerichtshof hingegen an seinen bisherigen prognostischen Maßstäben festhalten und die Rückkehrsituation im Fall des Klägers der Konstellation einer Familie mit minderjährigen Kindern gleicherachten (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 13a B 17.30030 - juris), werde die Zulassung der Revision beantragt, um die umstrittene Rechtsfrage zu klären, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen bei der Rückkehrprognose Auswirkungen von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK einzubeziehen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 21. November 2018 verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) verpflichtet, festzustellen, dass bei dem Kläger das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 = juris Rn. 16 und 17).

Der streitgegenständliche Anspruch ergibt sich zwar nicht aus dem Umstand, dass der Ehefrau des Klägers und den 2005, 2009 und 2012 geborenen gemeinsamen Kindern mit Bescheid des Bundesamts vom 15. September 2016 unter dem Aktenzeichen 6779510-1-423 bestandskräftig die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist. Insoweit gilt, dass § 26 AsylG ausweislich seines Wortlauts auf den im vorliegenden Berufungsverfahren allein streitgegenständlichen Anspruch auf ein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG keine Anwendung findet; ein nationales Abschiebungsverbot muss vielmehr stets in der Person des jeweiligen Betroffenen selbst begründet sein (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2004 - 1 C 27.03 - NVwZ 2004, 1371 - juris Rn. 9 zu § 53 Abs. 6 AuslG; BayVGH, U.v. 21.9.2009 - 21 B 08.30221 - juris Rn. 13-16). Hinzu kommt, dass § 26 Abs. 1 Nr. 1 AsylG voraussetzt, dass neben dem Vorliegen einer Ehe im Herkunftsland eine tatsächliche Lebensgemeinschaft bestanden haben muss (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1992 - 9 C 61.91 - NVwZ 1993, 792 = juris Rn. 7), was vorliegend aber nicht der Fall ist.

Im Fall des Klägers sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG gegeben. Insoweit gilt, dass die mit dem Kläger in Deutschland zusammenlebende Ehefrau des Klägers und die gemeinsamen Kinder vorliegend im Rahmen der gebotenen Gefahrenprognose bei Rückkehr ins Heimatland zu berücksichtigen sind.

Im Rahmen der Prüfung, ob der Abschiebung eines erfolglosen Asylbewerbers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegenstehen, ist der Gefahrenprognose eine möglichst realitätsnahe, wenngleich notwendig hypothetische Rückkehrsituation zugrunde zu legen. Insoweit gelten im Rahmen der Gefahrenprognose des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG die Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht zur asylrechtlichen Verfolgungsprognose entwickelt hat (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190), entsprechend. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist für die Gefahrenprognose die Sach- und Rechtslage im nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt entscheidend, wobei absehbare Entwicklungen zu berücksichtigen sind (siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 - juris Rn. 10/12).

Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohen, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr mit den Familienangehörigen auszugehen, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 - juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 - juris Rn. 14).

Eine gemeinsame Rückkehr mit Familienangehörigen, die aufgrund rechtskräftiger Feststellung zu § 3 AsylG als politisch Verfolgte Abschiebungsschutz genießen, kann hingegen im Regelfall nicht angenommen werden. Es widerspräche dem damit zugleich verbindlich festgestellten Flüchtlingsstatus, auch bei einem solchen Sachverhalt die gemeinsame Rückkehr des erfolglosen Asylbewerbers mit seinen als politische Flüchtlinge anerkannten Angehörigen zu unterstellen. Dies wäre zudem wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der Rechtsprechung zum Erfordernis einer möglichst realitätsnahen Beurteilung der Situation im - hypothetischen - Rückkehrfall nicht in Einklang (siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 - juris Rn. 10; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 - juris Rn. 10 f.). Nichts anderes kann dann gelten, wenn die bleibeberechtigten Eltern oder Familienangehörigen auf absehbare Zeit wegen individueller Gefährdung von Leib und Leben i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG oder eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG nicht in ihr Heimatland zurückkehren können (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 - juris Rn. 10).

Soweit einzelne Familienangehörige wegen eines bestehenden Bleiberechts oder festgestellten Abschiebungsschutzes auf absehbare Zeit in Deutschland verbleiben werden, ist die (inlandsbezogene) Frage, ob die mit einer Durchführung der Abschiebung einhergehende Trennung der Familie im Lichte von Art. 6 GG zulässig ist, nicht vom Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern ausschließlich von der Ausländerbehörde im Rahmen der ihr obliegenden Prüfung etwaiger Vollstreckungshindernisse nach § 60a Abs. 2 AufenthG zu entscheiden; diese hat hierbei auch die weiteren (mittelbaren) Folgen der Trennung im Abschiebungszielstaat - etwa eine drohende Existenzgefährdung - zu berücksichtigen (siehe zum Ganzen: BVerwG, B.v. 10.10.2012 - 10 B 39.12 - InfAuslR 2013, 42 - juris Rn. 4; U.v. 7.12.2004 - 1 C 14.04 - BVerwGE 122, 271 = NVwZ 2005, 704 - juris Rn. 29; B.v. 23.10.2001 - 1 B 169.01 - juris Rn. 2; U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 - juris Rn. 11; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 - juris Rn. 13-17; BayVGH, B.v. 11.10.2018 - 21 B 18.30691 - juris Rn. 19 f.; B.v. 31.7.2018 - 15 ZB 17.31491 - juris Rn. 7; B.v. 31.7.2017 - 20 ZB 16.30094 - juris Rn. 11-13).

Allerdings vermag der in diesem Kontext erfolgte Verweis der Beklagten auf die Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (SächsOVG, U.v. 3.7.2018 - 1 A 215/18.A - juris Rn. 26 f.) nicht zu überzeugen. Hier hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht im Fall einer afghanischen Familie der Ehefrau und den zwei Töchtern Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG zuerkannt, während dem Ehemann kein Schutzstatus zuerkannt wurde. Begründet wurde dies damit, dass auch bei Klagen von Familienmitgliedern stets geprüft werden müsse, ob ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in der Person eines jeden Klägers tatsächlich vorliege. Dieser Judikatur folgt der Senat im Ergebnis nicht, da sie im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht. Zwar trifft es zu, dass die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG - wie ausgeführt - stets hinsichtlich jeder Einzelperson zu prüfen sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2004 - 1 C 27.03 - NVwZ 2004, 1371 - juris Rn. 9 zu § 53 Abs. 6 AuslG). Dieser Aspekt ist jedoch unabhängig von der Frage zu sehen, welche (Begleit-)Personen im Rahmen der Prüfung von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in die Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des jeweiligen Ausländers in sein Heimatland einzustellen sind. Insoweit gilt - wie ausgeführt - nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr eines Ausländers mit den Familienangehörigen auszugehen ist, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 - juris Rn. 14); dieser Grundsatz gilt auch bei der Prüfung eines nationalen Abschiebungsverbots (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 - juris Rn. 10 zu § 53 Abs. 6 AuslG). Es geht bei dieser Frage aber gerade nicht darum, ob die in Deutschland zu erwartende Trennung der Familienmitglieder mit Art. 6 GG vereinbar ist, sondern darum, wie sich die hypothetische Situation im Zielstaat darstellen wird. Soweit das Sächsische Oberverwaltungsgericht zur Begründung seiner abweichenden Rechtsansicht seinerseits auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verweist, nach der die Vereinbarkeit einer Abschiebung mit dem in Art. 6 GG und Art. 8 EMRK verfassungs- und völkerrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie und des Erziehungsrechts der Eltern durch das Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht zu prüfen sei, so überzeugt auch dies nicht, da diese Aussage des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Zusammenhang gerissen ist. Richtigerweise ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen der Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des Ausländers als erster Schritt der zu berücksichtigende (Begleit-)Personenkreis zu bestimmen; auf dieser (hypothetischen) Ebene wird die Frage einer Vereinbarkeit der Trennung der Familie mit Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK vom Bundesverwaltungsgericht auch dann nicht thematisiert, wenn einzelne Familienmitglieder bei der Rückkehrprognose außer Betracht bleiben, da sie ein bestandskräftiges Bleiberecht im Bundesgebiet haben (vgl. etwa BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 - juris Rn. 11 f.). Allein im Zusammenhang mit letztgenannten Fällen hat das Bundesverwaltungsgericht sodann bei der nachfolgenden Gefahrenprognose ausgeführt, dass die inlandsbezogene Frage einer Vereinbarkeit der Trennung der Familie mit Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK nicht durch das Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern nur durch die Ausländerbehörde im Rahmen von § 60a Abs. 2 AufenthG zu prüfen ist (BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 11; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 15-17). Auf die vorgelagerte Frage der Bestimmung des im Rahmen der Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des jeweiligen Ausländers zu berücksichtigenden (Begleit-)Personenkreises bezieht sich die vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bezug genommene Aussage des Bundesverwaltungsgerichts somit nicht.

Zwar wurde vorliegend den Familienmitgliedern des Klägers mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamts vom 15. September 2016 ein Bleiberecht in Deutschland in Form des Flüchtlingsschutzes zuerkannt. Trotz dieses verbindlich festgestellten Schutzstatus ist aber von einer gemeinsamen Rückkehr des Klägers mit seinen Familienangehörigen in sein Heimatland auszugehen. Die Rechtsprechung zum Erfordernis einer möglichst realitätsnahen Beurteilung der Situation im - hypothetischen - Rückkehrfall (BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11) beruht maßgeblich auf einem durch das Bundesamt verbindlich festgestellten Schutzstatus anderer Familienmitglieder (vgl. § 6 Satz 1 AsylG). Diese kann jedoch als Ausnahme vom Grundsatz, dass bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohen, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr mit den Familienangehörigen auszugehen ist, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 = juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 - juris Rn. 14), keine Anwendung finden, wenn das Bundesamt unter Verstoß gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK das Asylgesuch einzelner Personen aus einem Familienverband materiell isoliert betrachtet und zum Teil einen Schutzstatus zuerkennt, zu einem anderen Teil ablehnt. Eine solche Trennung des Familienverbands ohne sachlichen Grund kann bei der gebotenen Ermittlung der realitätsnahen Rückkehrsituation nicht unberücksichtigt bleiben. Zwar mag es dem verbindlich festgestellten Schutztatbestand widersprechen, wenn gleichwohl eine gemeinsame Rückkehr unterstellt würde. Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass die Einbeziehung des Merkmals der Gemeinschaftlichkeit des Aufenthalts in die Rückkehrprognose durch das räumliche Zusammenleben der Familie nahegelegt wird, das durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt wird (vgl. BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 = juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 - juris Rn. 14). Diesem verfassungsrechtlichen Schutzgut würde eine Hypothese zuwiderlaufen, mit der von vornherein der isolierte Heimataufenthalt eines der im Familienverband zusammenlebenden Familienmitglieder, nicht aber die Gemeinschaftlichkeit dieses Aufenthalts mit den anderen Angehörigen des Familienverbandes unterstellt würde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Behörden, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Insoweit vermag allein die verfahrensrechtliche Trennung der Asylverfahren von Familienmitgliedern durch das Bundesamt nicht zu einer materiellrechtlichen Änderung der im Regelfall auf die Familieneinheit abstellenden Rückkehrprognose zu führen, wenn hierfür nicht im Einzelfall sachliche Gründe von hinreichendem Gewicht vorliegen. Andernfalls wäre das Bundesamt in der Lage, allein durch die verfahrenstechnische Trennung der Asylverfahren der Ehefrau mit Kindern vom Asylverfahren des Ehemanns, gegen die wegen § 44a VwGO kein isolierter Rechtsschutz eröffnet ist, die materiellrechtliche Rückkehrprognose für den Ehemann im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG maßgeblich zu verändern, da diesem ohne Unterhaltspflichten gegenüber der Ehefrau und den Kindern als alleinstehenden, arbeitsfähigen Mann die Erwirtschaftung seines Existenzminimums voraussichtlich eher gelingen kann als bei einer Rückkehr der gesamten Familie. Letztendlich wäre der Ausgang des Verfahrens des Familienvaters von Zufälligkeiten abhängig, ob und wann über seinen Antrag und die Anträge seiner übrigen Familienangehörigen jeweils entschieden wird. Es würde daher dem Schutz von Ehe und Familie im Sinn von Art. 6 GG widersprechen, einen einheitlichen Familienverband ohne erkennbaren Grund materiellrechtlich getrennt zu betrachten und von der isolierten Rückkehr eines Mitglieds der Kernfamilie auszugehen. Eine sachlich nicht gerechtfertigte isolierte Betrachtung von Familienmitgliedern erfordert nach alledem eine Einschränkung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dergestalt, dass bei der Ermittlung der realitätsnahen Rückkehrsituation trotz festgestelltem Schutzstatus einzelner Familienmitglieder von einer Rückkehr im Familienverband auszugehen ist.

Auch der Umstand, dass der Kläger und seine Ehefrau keine standesamtliche Eheschließungsurkunde vorlegen können und auch nach eigenen Angaben lediglich nach religiösem Ritus geheiratet haben, vermag die Trennung der Verfahren und vor allem eine getrennte Rückkehrprognose nicht zu rechtfertigen. Insoweit besteht zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau bzw. Lebensgefährtin und den gemeinsamen Kindern eine familiäre Beziehung, die sich auch in der tatsächlichen Lebensgemeinschaft ausdrückt und damit als Familie ebenfalls unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK steht. Hinsichtlich der Kinder ist weder bestritten noch sind Zweifel ersichtlich, dass diese die gemeinschaftlichen Kinder des Klägers und seiner Ehefrau sind, zumal für die Tochter ein positives Vaterschaftsgutachten vom 19. Oktober 2018 vorgelegt wurde.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685; Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung kann sich aus einer allgemeinen Situation der Gewalt im Zielstaat ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 25). Soweit - wie in Afghanistan - ein für die Verhältnisse eindeutig maßgeblich verantwortlicher Akteur fehlt, können in ganz außergewöhnlichen Fällen auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 9: „nur in besonderen Ausnahmefällen“; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489 = juris Rn. 25; U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 = juris Rn. 25 unter Bezugnahme auf EGMR, U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681 - Rn. 278 ff.; BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 = juris Rn. 17; VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 176 f.; OVG NW, B.v. 14.3.2018 - 13 A 341/18.A - juris Rn. 19 f.).

Für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse im Zielstaat ist keine Extremgefahr wie im Rahmen der verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderlich (BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 13). Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen vielmehr ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ erreichen; diese Voraussetzung kann erfüllt sein, wenn der Ausländer nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls im Zielstaat der Abschiebung seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten kann (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 11). Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (U.v. 28.6.2011, a.a.O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167) macht letztlich deutlich, dass von einem sehr hohen Gefahrenniveau auszugehen ist; nur dann liegt ein „ganz außergewöhnlicher Fall“ vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind (BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 = juris Rn. 19; VGH BW, U.v. 11.4.2018 - A 11 S 1729/17 - juris Rn. 128-131).

Auch im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen; erforderlich aber auch ausreichend ist daher die tatsächliche Gefahr („real risk“) einer unmenschlichen Behandlung (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 = NVwZ 2011, 51 - juris Rn. 22). Bei der Prüfung einer Verletzung von Art. 3 EMRK ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung an dem Ort droht, an dem die Abschiebung endet (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 26).

Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen in Afghanistan weisen eine Intensität auf, bei der auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist, wenn der Kläger mit seiner Ehefrau und den drei, bald vier Kindern nach Afghanistan zurückkehren müsste. Dass bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen eine solche Gefahrenlage anzunehmen ist und in der Folge ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG besteht, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Urteilen vom 21. November 2014 entschieden (13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 = juris und 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212 = juris) und dies mit Urteil vom 23. März 2017 (13a B 17.30030 - AuAS 2017, 175 = juris Rn. 14) bestätigt. Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ist in seinem Urteil vom 3. November 2017 zu dem Ergebnis gelant, dass die in Afghanistan derzeit herrschenden schlechten humanitären Bedingungen eine auf die Bevölkerungsgruppe von Familien mit jüngeren Kindern bezogene Gefahrenlage darstellen, die im Allgemeinen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK und infolgedessen zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG führen (VGH BW, U.v. 3.11.2017 - A 11 S 1704/17 - juris). Daran hat sich auch unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse nichts geändert.

Dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. Mai 2018 ist zu entnehmen, dass Afghanistan weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt sei (Human Development Index 2016: Platz 169 von 188 Staaten). Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum sei kurzfristig nicht in Sicht (2017: 2,6 v.H.). Nach Angaben der Weltbank sei die Arbeitslosenquote zwischen 2008 und 2014 von 25 v.H. auf 39 v.H. gestiegen. Die Grundversorgung sei für große Teile der afghanischen Bevölkerung - insbesondere Rückkehrer - weiterhin eine tägliche Herausforderung. Laut UNOCHA benötigen 9,3 Mio. Menschen - ein Drittel der afghanischen Bevölkerung - humanitäre Hilfe (z.B. Unterkunft, Nahrung, sauberes Trinkwasser und medizinische Versorgung). Die hohe Arbeitslosigkeit werde verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen, für 2018 sei eine Dürre vorausgesagt worden. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten hätten dazu geführt, dass dort ca. eine Million oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gelten würden. Jedoch habe die afghanische Regierung 2017 mit der Umsetzung eines Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. Seit 2002 seien laut UNHCR 5,8 Mio. afghanische Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt, Afghanistan erlebe die größte Rückkehrbewegung der Welt. Das Fehlen lokaler Netzwerke könne Rückkehrern die Reintegration stark erschweren, da von diesen etwa der Zugang zum Arbeitsmarkt maßgeblich abhänge (siehe zum Ganzen: Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan v. 31.5.2018, S. 25/28).

Laut einem Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) vom 1. Juni 2018 stünden in den Großstädten Kabul, Herat und Ma-zar-e-Sharif Unterkünfte und Nahrung grundsätzlich zur Verfügung, sofern der Lebensunterhalt gewährleistet sei. Zugang zu angemessener Unterkunft sei jedoch eine Herausforderung. Die Mehrheit der städtischen Unterkünfte seien als Slums einzustufen. Flüchtlinge lebten in der Regel in Flüchtlingssiedlungen. Die Städte böten jedoch auch die Option billigen Wohnens in sog. „Teehäusern“. Zugang zu Trinkwasser sei in den Städten oft eine Herausforderung, insbesondere in den Slums und Flüchtlingssiedlungen in Kabul; in Mazar-e-Sharif und Herat hätten hingegen die meisten Menschen besseren Zugang zu Wasserquellen sowie sanitären Anlagen. In Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif seien auch Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung vorhanden; diese seien aufgrund des Anstiegs der Zahl der Flüchtlinge und Rückkehrer jedoch überlastet. Das Fehlen finanzieller Mittel sei eine große Hürde beim Zugang zur Gesundheitsversorgung. Aufgrund der Wirtschafts- und Sicherheitslage bestehe eine hohe Arbeitslosenquote, insbesondere bei städtischen Jugendlichen. Zusätzliche Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt sei das Ergebnis der steigenden Zahl von Flüchtlingen. Städtische Armut sei weit verbreitet und steige an. In diesem Umfeld hänge die Fähigkeit zur Gewährleistung des Lebensunterhalts überwiegend vom Zugang zu Unterstützungsnetzwerken - etwa Verwandten, Freunden oder Kollegen - oder zu finanziellen Mitteln ab (siehe zum Ganzen: EASO, Country Guidance: Afghanistan, 1.6.2018, S. 104 f.).

Ausweislich des Länderinformationsblatts Afghanistan des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29. Juni 2018 seien von den 2.1 Mio. Personen, die in informellen Siedlungen lebten, 44 v.H. Rückkehrer. Die Zustände in diesen Siedlungen seien unterdurchschnittlich und besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81 v.H. der Menschen in informellen Siedlungen seien Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26 v.H. hätten keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24 v.H. lebten in überfüllten Haushalten. Rückkehrer erhielten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehrten, und internationalen Organisationen (z.B. IOM, UNHCR) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (z.B. IPSO und AMASO), die die Reintegration in Afghanistan finanziell, durch Bereitstellung von Unterkunft, Nahrungsmitteln oder sonstigen Sachleistungen sowie durch Beratung unterstützten. Gleichwohl sei die Möglichkeit der Rückkehr zur Familie oder einer sonstigen Gemeinschaft mangels konkreter staatlicher Unterbringungen für Rückkehrer der zentrale Faktor. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellten die afghanische Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung (zwei Wochen). Ein fehlendes familiäres Netzwerk stelle eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar; Unterstützungsnetzwerke könnten sich auch aus der Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder Religion sowie aus „professionellen“ (Kollegen, Kommilitonen etc.) oder politischen Verbindungen ergeben (siehe zum Ganzen: BFA, Länderinformationsblatt Afghanistan v. 29.6.2018, S. 314-316, 327-331).

Nach den aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 seien die humanitären Indikatoren in Afghanistan auf einem kritisch niedrigen Niveau. Ende 2017 sei bezüglich 3,3 Mio. Afghanen ein akuter Bedarf an humanitärer Hilfe festgestellt worden; nunmehr kämen weitere 8,7 Mio. Afghanen hinzu, die langfristiger humanitärer Hilfe bedürften. Über 1,6 Mio. Kinder litten Berichten zufolge an akuter Mangelernährung, wobei die Kindersterblichkeitsrate mit 70 auf 1.000 Geburten zu den höchsten in der Welt zähle. Ferner habe sich der Anteil der Bevölkerung, die laut Berichten unterhalb der Armutsgrenze lebe, auf 55 v.H. (2016/17) erhöht, von zuvor 33,7 v.H. (2007/08) bzw. 38,3 v.H. (2011/12). 1,9 Mio. Afghanen seien von ernsthafter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. Geschätzte 45 v.H. der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu Trinkwasser, 4,5 Mio. Menschen hätten keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung. In den nördlichen und westlichen Teilen Afghanistans herrsche die seit Jahrzehnten schlimmste Dürre, weshalb die Landwirtschaft als Folge des kumulativen Effekts jahrelanger geringer Niederschlagsmengen zusammenbreche. 54 v.H. der Binnenvertriebenen (Internally Displaced Persons - IDPs) hielten sich in den Provinzhauptstädten Afghanistans auf, was den Druck auf die ohnehin überlasteten Dienstleistungen und Infrastruktur weiter erhöhe und die Konkurrenz um Ressourcen zwischen der Aufnahmegemeinschaft und den Neuankömmlingen verstärke; die bereits an ihre Grenze gelangten Aufnahmekapazitäten der Provinz- und Distriktszentren seien extrem belastet. Dies gelte gerade in der durch Rückkehrer und Flüchtlinge rapide wachsenden Hauptstadt Kabul (Anfang 2016: geschätzt 3 Mio. Einwohner). Flüchtlinge seien zu negativen Bewältigungsstrategien gezwungen wie etwa Kinderarbeit, früher Verheiratung sowie weniger und schlechtere Nahrung. Laut einer Erhebung aus 2016/17 lebten 72,4 v.H. der städtischen Bevölkerung Afghanistans in Slums, informellen Siedlungen oder unzulänglichen Wohnverhältnissen. Im Januar 2017 sei berichtet worden, dass 55 v.H. der Haushalte in den informellen Siedlungen Kabuls mit ungesicherter Nahrungsmittelversorgung konfrontiert gewesen seien (siehe zum Ganzen: UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 30.8.2018, S. 36 f., 125 f.).

Auch laut einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 12. September 2018 böten die informellen Siedlungen in den afghanischen Städten meist einen schlechten oder keinen Zugang zu Basisdienstleistungen und Infrastruktur (Elektrizität, sauberes Wasser, Nahrungsmittel, sanitäre Einrichtungen, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen). Die Unterkünfte seien meist behelfsmäßig gebaut und könnten nur bedingt vor Kälte, Hitze und Feuchtigkeit schützen. Die Lebensbedingungen von Rückkehrern lägen unter den normalen Standards. Laut einer Studie seien 87 v.H. der IDPs und 84 v.H. der Rückkehrer von Lebensmittelknappheit betroffen. Ob es Rückkehrer schafften, sich in Afghanistan wieder zu integrieren, hänge nicht zuletzt vom Vorhandensein von Unterstützungsnetzwerken ab. In Kabul (geschätzte Einwohnerzahl: 3,8 - 7 Mio.) habe der schnelle Bevölkerungsanstieg rasch zu einer Überforderung der vorhandenen Infrastruktur sowie der Kapazitäten für Grunddienstleistungen geführt. Die humanitäre Lage spitze sich insbesondere in großen Städten zu, weil sich dort IDPs und Rückkehrer konzentrierten, die eine Existenzgrundlage und Zugang zu bereits stark überlasteten Grunddienstleistungen suchten. Laut Amnesty International sei die Aufnahmekapazität - insbesondere in den größeren Städten - aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage, der sehr bescheidenen Möglichkeiten, eine Existenzsicherung sowie angemessene Unterkunft zu finden, sowie des mangelnden Zugangs zu überstrapazierten Grunddienstleistungen „äußerst eingeschränkt“ (siehe zum Ganzen: SFH, Afghanistan: Gefährdungsprofile - Update, 12.9.2018, S. 20-22).

Auch die aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 gehen letztlich weiterhin (vgl. bereits UNHCR, Richtlinien v. 19.4.2016, S. 99) davon aus, dass nur alleinstehende leistungsfähige afghanische Männer sowie verheiratete Paare in erwerbsfähigem Alter als Rückkehrer grundsätzlich auch ohne ein Unterstützungsnetzwerk ihren zumutbaren Lebensunterhalt in Afghanistan sicherstellen können, soweit im Einzelfall keine besonderen Gefährdungsfaktoren gegeben sind. Diese Personen könnten unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen (siehe zum Ganzen: UNHCR, a.a.O., S. 125; vgl. bereits BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 9; vgl. auch VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 422 f.). Zum selben Ergebnis gelangt auch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen in seinem Bericht vom 1. Juni 2018 (EASO, a.a.O., S. 106).

Zusammenfassend lässt sich den Berichten und Auskünften nicht entnehmen, dass seit dem Jahr 2014 von einer Verbesserung der Situation ausgegangen werden könnte. Wie schon damals ausgeführt, ist unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall des Klägers wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die drei, bald vier kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Angesichts der enorm hohen Arbeitslosigkeit wird es an Arbeitsmöglichkeiten für den Kläger fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Familiäre Unterstützung könnte die Familie nicht erwarten, da die Angehörigen im Iran leben. Der Kläger wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden.

Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dies gelingen kann. Ohne Hilfe würde sich die Familie weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Es kann nicht angenommen werden, dass die Familie eine adäquate Unterkunft finden würde, in der auch Kinder angemessen leben können, insbesondere weil der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2018, S. 25). Das Fehlen einer effizienten Städtepolitik und wirksamer Regelwerke sowie eine schwache und ineffektive Regierungsführung haben nach den UNHCR-Richtlinien 2018 zufolge zu einem Anstieg der Armut und Ungleichheit in städtischen Gebieten geführt und befindet sich ein großer Anteil der städtischen Haushalte mit mittlerem und niedrigem Einkommen Berichten zufolge in informellen Siedlungen in schlechter Lage und mit mangelnder Anbindung an Versorgungsdienste (UNHCR-Richtlinien 2018 S. 39). Nach einer vom UNHCR wiedergegebenen Umfrage zu den Lebensbedingungen in Afghanistan für 2016/2017 leben 72,4 Prozent der städtischen Bevölkerung Afghanistans in Slums, informellen Siedlungen oder anderweitig unter unzumutbaren Wohnverhältnissen (UNHCR-Richtlinien 2018 S. 39).

Der Senat hat bereits in seinen Urteilen vom 23. März 2017 und vom 21. November 2014 festgestellt, dass mögliche Unterstützungsleistungen zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr einen vorübergehenden Ausgleich zu schaffen vermögen, aber nicht dazu geeignet sind, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten (BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 13a B 17.30030 - AuAS 2017, 175 = juris Rn. 24; U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 = juris Rn. 29; vgl. auch VGH BW, U.v. 3.11.2017 - A 11 S 1704/17 - juris Rn. 486). Neuere und anderslautende Erkenntnisse hierzu sind weder ersichtlich noch hat solche die Beklagte vorgetragen.

In der Gesamtschau kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass einer Familie mit Kindern unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage im Allgemeinen möglich ist. Vielmehr liegt bei den geschilderten Verhältnissen ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für den Kläger mit seiner Familie besteht nach wie vor die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Lebensgrundlage finden würden und keine Unterkunft sowie Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern nach wie vor Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Insoweit kommt auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu dem Ergebnis, dass in ganz Afghanistan kein Ort ersichtlich ist, an dem eine Familie in mit Art. 3 EMRK vereinbaren Verhältnissen leben könnte, wenn nicht auf Grund der individuellen Situation - etwa wegen besonderer persönlicher oder sonstiger (Ver-)Bindungen oder eines Netzwerks am betreffenden Ort - die Existenzsicherung dort gewährleistet wäre (VGH BW, U.v. 3.11.2017 - A 11 S 1704/17 - juris Rn. 492).

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 23. Januar 2017 und Aufhebung von Nummern 4 bis 6 des Bescheids des Bundesamts vom 16. September 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommt. Ob und inwieweit der Schutz von Ehe- und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG die Annahme einer gemeinsamen Rückkehr der Kernfamilie auch in Fällen gebieten kann, in denen die übrigen Familienmitglieder bei identischer Fluchtgeschichte einen Schutzstatus erhalten haben, ist höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt. Insbesondere das Sächsische Oberverwaltungsgericht ist der Auffassung, dass bei § 60 Abs. 5 AufenthG geprüft werden müsse, ob ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot in der Person eines jeden Familienmitglieds vorliege, wobei aus seiner Sicht in diesem Kontext der Schutz der Familie nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK keine ausschlaggebende Rolle spiele (U.v. 3.7.2018 - 1 A 215/18.A - juris).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 4 und Aufhebung von Nummer 5 und 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juni 2016 verpflichtet, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II. Die Beklage hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, eine Familie aus Nekbai in der Provinz Kunduz mit einem im Jahr 2015 geborenen und demnächst einem zweiten Kind, sind afghanische Staatsangehörige und schiitische Hazara. Nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Januar 2016 stellten sie am 11. März 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Der Kläger zu 1, der Ehemann und Vater, gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 15. Juni 2016 an, er stamme aus dem Dorf Nekbai in der Provinz Kunduz. In Afghanistan habe er noch zwei Schwestern und im Iran zwei Brüder. Eine Schule habe er nicht besucht und auch keinen Beruf erlernt. Zuletzt habe er als Bauarbeiter gearbeitet. Die Taliban hätten das Dorf besetzt und ihm zweimal Ohrfeigen gegeben. Sie hätten wissen wollen, wer im Dorf Waffen habe und wer Kommandeur sei. Als er noch ein Kind gewesen sei, hätten sie seinen Vater vermutlich wegen dessen Grundbesitz getötet. Ergänzend fügt der Kläger an, im Iran sei ihm im rechten Bein eine Stahlplatte eingesetzt worden. In Deutschland habe er einen Termin zur Operation.

Die Klägerin zu 2, die Ehefrau und Mutter, führte aus, sie sei nicht in die Schule gegangen und habe auch keinen Beruf erlernt und ausgeübt. Im Iran lebten vier Schwestern, zwei Brüder lebten in Deutschland. Ihr Schwiegervater sei Grundbesitzer gewesen, ihr Ehemann habe das Land zusammen mit seinem Bruder geerbt. Davon habe die Familie gelebt und die Reise finanziert. Wirtschaftlich sei es der Familie gut gegangen, aber wegen der Taliban sei ihr Leben in Gefahr gewesen. Diese würden die Männer von zu Hause holen und mitnehmen, einige würden umgebracht werden. Ihr Ehemann sei geschlagen worden und habe Ohrfeigen bekommen.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 21. Juni 2016 wurden die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.) sowie des subsidiären Schutzstatus (3.) und die Anträge auf Asylanerkennung (2.) abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (4.). Den Klägern wurde die Abschiebung angedroht (5., 6.). Zur Begründung ist angeführt, dass sich aus dem Sachvortrag weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ergäben. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes komme nicht in Betracht, weil in Afghanistan kein Konflikt bestehe und keinerlei Anhaltspunkte erkennbar seien, die die Annahme rechtfertigten, dass bei den Klägern im Fall der Rückkehr ein ernsthafter Schaden drohen würde. Unter den derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan seien auch die Anforderungen an den Gefahrenmaßstab nach Art. 3 EMRK nicht erfüllt. Die Umstände, die die Kläger geltend machten, gingen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner hinzunehmen hätten, die in vergleichbaren Situationen lebten. Auch eine individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Sinn von § 60 Abs. 7 AufenthG drohe nicht.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Augsburg verfolgten die Kläger ihr Begehren hinsichtlich nationaler Abschiebungsverbote weiter. In der mündlichen Verhandlung am 18. Oktober 2016 vertieften die Kläger ihr Vorbringen und gaben an, zwei Onkel und zwei Schwestern des Klägers zu 1 hätten bis vor kurzem in ihrem Heimatdorf gelebt. Dann habe es dort Kämpfe gegeben und er habe deshalb keinen Kontakt mehr zu seinen beiden Schwestern. Vor einigen Jahren habe er eine Oberschenkelfraktur erlitten und sei operiert worden. Die eingesetzte Platinstange sei in Deutschland herausgezogen worden. Die Klägerin zu 1 führte aus, dass die Familie den Grundbesitz für die Flucht verkauft habe. Wegen seiner Beinverletzung könne der Kläger nicht als Tagelöhner arbeiten.

Mit Urteil vom 18. Oktober 2016 wurde die Klage abgewiesen. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die allgemeinen Lebensbedingungen seien zumindest nicht in allen Landesteilen Afghanistans so schlecht, dass die Abschiebung einer dreiköpfigen Familie eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde. Insbesondere das Hauptsiedlungsgebiet der Volksgruppe der Hazara, die Provinz Bamiyan, gehöre zu den relativ sicheren Provinzen. Für eine reale Chance, nach einer Rückkehr eine ausreichende Existenzgrundlage für alle Familienmitglieder zu finden, sprächen vor allem die Start- und Reintegrationshilfen nach dem GARP-Programm sowie die Service- und Beratungsleistungen nach dem europäischen Reintegrationsprogramm (ERIN). Insgesamt könnten die Kläger damit Reintegrationshilfen im Gesamtwert von 3.150 € in Anspruch nehmen. In der mündlichen Verhandlung habe der Kläger zu 1 ferner angegeben, dass es ihm gesundheitlich gut gehe. Damit bestehe auch keine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsschutzes mit Beschluss vom 11. Januar 2017 wegen Divergenz zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197; U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212) zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs könnten schlechte humanitäre Bedingungen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führen. Bei einer Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern sei dies der Fall, so dass sie einen Anspruch auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hätten. Eventuelle Hilfen aus den Rückkehrprogrammen könnten kein anderes Ergebnis begründen. Auf diese bestünde kein Rechtsanspruch und sie erschienen nicht ausreichend, um dauerhaft ein Überleben der Familie zu gewährleisten.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. März 2017 verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17).

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Die Kläger zu 1 und 2 als Eltern von bald zwei minderjährigen Kindern befürchten, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, bei der auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist. Dass bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen eine solche Gefahrenlage anzunehmen ist und in der Folge ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG besteht, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit den von den Klägern herangezogenen Divergenzurteilen vom 21. November 2014 entschieden (13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 und 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212). Daran hat sich auch unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse bislang nichts geändert.

Vorliegend müssten die Eltern - nach afghanischen Maßstäben wohl der Vater - bei einer Rückkehr für den Unterhalt der gesamten Familie sorgen. Das ältere Kind, die Klägerin zu 3, ist zwei Jahre alt und ein weiteres Kind wird demnächst geboren. Angesichts dieser beiden kleinen Kindern in betreuungsbedürftigem Alter wird die Ehefrau und Mutter, die Klägerin zu 2, zum Familienunterhalt nicht beitragen können. Zudem ist sie unbestrittenen Angaben zufolge nicht in die Schule gegangen, hat keinen Beruf erlernt und auch keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Damit müsste der Vater alleine den Unterhalt für die ganze Familie erwirtschaften. Im Hinblick auf die derzeitige (wirtschaftliche) Lage in Afghanistan würde er hierzu nicht im Stande sein, zumal auch keine Rücklagen mehr existieren.

Wegen der zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse, die sich bislang nicht nachhaltig verbessert haben, ist bei einer Familie mit minderjährigen Kindern nach wie vor von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen. Das ergibt sich aus den zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblichen Erkenntnismitteln. Dabei zeigt sich deutlich, dass sich die Rahmenbedingungen nicht verbessert haben.

Wurde im Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) noch festgestellt, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessere, es sich in fast allen Bereichen positiv entwickle und die Wirtschaft trotz einer zunehmenden Unsicherheit und Destabilisierung des Landes wachse, so wird in demjenigen vom 19. Oktober 2016 (Stand: September 2016, S. 21 ff. - Lagebericht 2016) ausgeführt, die afghanische Wirtschaft ringe seit Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe geprägt durch eine schwache Investitionstätigkeit, die Abwertung des Afghani gegenüber dem US-Dollar schreite weiter voran und ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Das Vertrauen von Investoren und Verbrauchern in Afghanistan sei weiter gesunken; Ursachen hierfür seien neben der schwierigen Sicherheitslage vor allem in der schleppenden Regierungsbildung zu sehen. Ausländische Investitionen seien in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen; die Rahmenbedingungen für Investoren hätten sich kaum verbessert. Dass die Schaffung von Arbeitsplätzen die zentrale Herausforderung bedeute, wurde bereits im Jahr 2014 berichtet. Hieran hat sich nichts geändert, die Arbeitslosenquote ist dem Lagebericht 2016 zufolge im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Zwar sei sich die afghanische Regierung der Problematik bewusst und habe auch entsprechende Planungen vorgenommen, jedoch seien Erfolge, die auch großflächig in der Bevölkerung spürbar würden, kurzfristig kaum zu erwarten. Ein Problem stelle dar, dass gut ausgebildete und moderat wohlhabende Männer weiterhin bessere Zukunftschancen außerhalb Afghanistans sähen. Die hohe Arbeitslosigkeit werde durch vielfältige Naturkatastrophen verstärkt, so dass die Grundversorgung - wie schon seit Jahren - für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung sei. Für Rückkehrer gelte dies naturgemäß verstärkt. Gerade der Norden - eigentlich die „Kornkammer“ des Landes - sei extremen Natureinflüssen wie Trockenheit, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten hätten dazu geführt, dass dort ca. eine Millionen oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gälten. Zur Unterkunftsmöglichkeit hatte schon der Lagebericht vom Januar 2012 (S. 28 - Lagebericht 2012) angegeben, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Eine Verbesserung wird auch im Lagebericht 2016 nicht gemeldet. Hinsichtlich der medizinischen Versorgung wird erneut ausgeführt, dass sie trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken leide, insbesondere aber an fehlenden Ärzten sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v. a. Hebammen).

Ähnlich verhält es sich mit den Auskünften der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 19 ff. - SFH 2014 und vom 30.9.2016, S. 24 ff. - SFH 2016). Auch im Jahr 2016 wird ausgeführt, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten, 1,7 Millionen Menschen seien ernsthaft von Lebensmittelunsicherheit betroffen. Wie schon 2014 wird darauf hingewiesen, dass die geschwächte Bevölkerung Naturkatastrophen und harten Wintern schutzlos ausgeliefert sei. Zusätzlich werde die Lage durch die anhaltenden Konflikte verschärft. Weiterhin würde die Lebensgrundlage zahlreicher Menschen zerstört, die Anzahl der intern Vertriebenen sei rasant in die Höhe geschnellt, ansteckende Krankheiten nähmen zu und die Kriminalitätsrate steige an. Seit dem Abzug der internationalen Sicherheitskräfte Ende 2014 sei die bereits sehr hohe Arbeitslosigkeit rasant angestiegen. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Zu den gravierendsten sozialen Problemen gehört auch nach dem Bericht von 2016 (S. 24) die Wohnraumknappheit, vor allem in Kabul. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 46% der Bevölkerung (gegenüber 39% nach SFH 2012), zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Schon 2014 wurde berichtet, dass medizinische Hilfe oftmals nicht zu erreichen sei oder nicht bezahlt werden könne (SFH S. 20). Dies wird 2016 bestätigt. Zugang zu den grundlegendsten medizinischen Dienstleistungen hätten nur rund 36% der Bevölkerung, wobei dies ab dem Jahr 2015 wegen der gewaltsamen Konflikte sowie der verbreiteten Armut zusehends schwieriger geworden sei. Die Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen und fehlende Dienstleistungen im Gesundheitsbereich seien direkte Folgen der Gewalt und beeinträchtigten die bereits karge Gesundheitsversorgung der Menschen zusätzlich. Der Gesundheitszustand von Frauen und Kindern bleibe schlecht, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten sowie unter Nomaden. Frauen und Kinder verlören überdurchschnittlich oft das Leben wegen eigentlich heilbarer Krankheiten. Viele Familien könnten sich die Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitseinrichtungen nicht leisten.

Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus den Richtlinien des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016 (UNHCR-Richtlinien 2016). Bereits in den Richtlinien vom 6. August 2013 (S. 9, 29 ff. - UNHCR-Richtlinien 2013) wurde ausgeführt, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedürfe. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Das wird in den Richtlinien 2016 gleichermaßen dargestellt (S. 10). In den Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern vom Dezember 2016 (UNHCR Dezember 2016, S. 2, 4) wird nochmals betont, dass der enorme Anstieg an Rückkehrern zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten geführt habe und es für eine Neuansiedlung ein starkes soziales Netzwerk geben müsse. Weiter wird dargelegt, dass die humanitären Indikatoren in Afghanistan auf einem kritisch niedrigen Niveau seien (UNHCR-Richtlinien 2016, S. 31). Ende 2015 seien 8,1 Mio. Menschen bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 27 Mio. Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen gewesen. Über eine Million Kinder litten an akuter Mangelernährung und 9,1% Prozent der Kinder würden vor ihrem fünften Geburtstag sterben (so auch Lagebericht 2016, S. 13). Der Anteil der Bevölkerung, der unterhalb der nationalen Armutsgrenze lebe, liege nach wie vor bei 35,8%. 1,7 Millionen Afghanen seien von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffen. Besonders schwerwiegend wirke sich der andauernde Konflikt auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung aus, unter anderem aufgrund von direkten Angriffen auf medizinisches Personal und auf Gesundheitseinrichtungen; 36% der Bevölkerung hätten überhaupt keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung.

Zusammenfassend lässt sich den Berichten und Auskünften nicht entnehmen, dass seit dem Jahr 2014 von einer Verbesserung der Situation ausgegangen werden könnte. Wie schon damals ausgeführt, ist unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass - wie bereits erwähnt - die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die beiden kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Angesichts der enorm hohen Arbeitslosigkeit wird es an Arbeitsmöglichkeiten für den Kläger zu 1 fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Erschwerend kommt bei ihm hinzu, dass er weder über eine Schulbildung verfügt noch einen Beruf erlernt hat. Zudem hat er nach einem Unfall gesundheitliche Probleme mit einem Bein, die mögliche Betätigungen weiter einschränken. Familiäre Unterstützung könnten die Kläger nicht erwarten, da die Angehörigen, soweit sie sich nicht in Europa aufhalten, im Iran leben. Zwar hat der Kläger zu 1 von seinem Vater Land geerbt, jedoch wurde hiermit die Ausreise finanziert und es kann der Familie deshalb nicht als Grundlage dienen. Zudem könnten den Berichten zufolge zahlreiche Familien aufgrund von unrechtmäßigen Besetzungen nicht mehr auf ihren Landbesitz zurückkehren und hätten auch kaum Chancen, diesen erfolgreich zurückzufordern (SFH 2016, S. 26). Auch die illegale Beschlagnahmung von Land durch Beamte sowie lokale Machthaber ist der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zufolge verbreitet. Der Kläger zu 1 wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden.

Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dies gelingen kann. Ohne Hilfe würde sich die Familie weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Es kann nicht angenommen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden würden, in der auch Kinder angemessen leben können, insbesondere weil der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2016, S. 21). Aufgrund mangelnder Flächen und erschwinglicher Unterkünfte in städtischen Gebieten sind Rückkehrer häufig gezwungen, in informellen Siedlungen ohne angemessenen Lebensstandard zu leben (UNHCR-Richtlinien 2016, S. 34). Unter Berufung auf UNICEF (United Nations Children’s Fund) wird in den UNHCR-Richtlinien 2016 dargelegt, dass Familien häufig keine andere Wahl hätten, als in Slums zu wohnen, wo sie keinen Zugang zu akzeptablen Wohnbedingungen, Wasser, sanitären Einrichtungen, Gesundheitsversorgung und Bildung hätten. Aufgrund der beschränkt verfügbaren Flächen würden auch wenig geeignete Orte wie die steilen Hänge um Kabul besiedelt. Diese informellen Siedlungen seien durch schwierige naturgegebene Merkmale wie extreme Winter, beschränkten Zugang zu sauberem Wasser und unhygienische Bedingungen geprägt. Angesichts von zwei Kleinkindern fällt das besonders ins Gewicht.

In der Gesamtschau kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass einer Familie mit Kindern unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage im Allgemeinen möglich ist. Vielmehr liegt bei den geschilderten Verhältnissen ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht nach wie vor die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Lebensgrundlage finden würden und keine Unterkunft sowie Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern nach wie vor Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Soweit die Beklagte und das Verwaltungsgericht auf mögliche Unterstützungsleistungen (im Internet abrufbar unter www.bamf.de/rueckkehrfoerderung) verweisen, ergibt sich nichts anderes. Auch die aktuellen Leistungen können nur einen vorübergehenden Ausgleich schaffen. Es ist nach wie vor nicht anzunehmen, dass sie dazu geeignet wären, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten. Zwar sind die Unterstützungsleistungen gegenüber dem Jahr 2014 offenbar ausgeweitet worden. Über das humanitäre Rückkehrprogramm „REAG/GARP“ (Reintegration and Emigration Programme for Asylum Seekers in Germany - REAG und Government Assisted Repatriation Programme - GARP) werden bei freiwilligen Rückkehrern die Transportkosten übernommen, Reisebeihilfen in Höhe von 200,- Euro pro Rückkehrer über 12 Jahre und Starthilfen von 500,- Euro bezahlt. Zusätzlich werden nach dem Reintegrationsprogramm „ERIN“ (European Reintegration Network) als Sachleistungen Reintegrationsleistungen im Wert von maximal 2.000,- Euro gewährt. Schwerpunkte des Programms sind neben der Intensivierung des Dialogs mit den Drittstaaten die individuelle Unterstützung nach der Rückkehr in das Herkunftsland, Hilfestellung bei der Existenzgründung und soziale Begleitung. Finanzielle Mittel erhalten Rückkehrer danach nur aus dem REAG/GARP-Programm und zwar mit Ausnahme einer Starthilfe von 500,- Euro pro Erwachsenen im Wesentlichen für die Kosten der Rückreise. Im Rahmen des ERIN-Programms gibt es keine finanziellen Hilfen, sondern nur tatsächliche Unterstützungsleistungen. Diese beinhalten bei Ankunft Hilfe für die Weiterreise, dringende medizinische Behandlung, kurzfristige Unterkunft in einer Aufnahmeeinrichtung und im Weiteren Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche bzw. Unterstützung bei einer Geschäftsgründung, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Übernahme von Verwaltungskosten, etwa für die Registrierung oder um Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erlangen, sowie verwaltungstechnische Unterstützung in Form von Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen. Wenn man all diese Maßnahmen näher betrachtet, vermögen sie den Wiedereinstieg nach einer Rückkehr zum Teil zu erleichtern. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der möglichen Hilfsleistungen scheint aber zumindest ein geringer Qualifizierungsgrad erforderlich, damit die Programme überhaupt greifen können. Sowohl Arbeitsplatzsuche als auch eine Geschäftsgründung setzen gewisse Grundkenntnisse und -fertigkeiten voraus. Wenn dies der Fall ist, kann im Weiteren unterstützend eingegriffen werden. Fehlende Ausbildung und Qualifikation - wie hier - vermögen die Programme nicht zu ersetzen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es schon generell sehr schwierig ist, sich auch nur einen notdürftigen Unterhalt zu verschaffen. So weist Pro Asyl in einer Stellungnahme vom 16. November 2016 (zur 205. Sitzung der Innenministerkonferenz am 29./30.11.2016 in Saarbrücken) darauf hin, dass sich die Möglichkeiten, sich durch Arbeit selbst zu versorgen, sowohl für Einheimische als auch für Rückkehrer in den Jahren des weitgehenden Abzugs der internationalen Truppen krisenhaft verschärft hätten. Im Übrigen spricht viel dafür, dass es sich allein um eine Starthilfe handelt, die ein menschenwürdiges weiteres Dasein für eine Familie mit minderjährigen Kindern noch nicht sicherstellen kann. Zudem besteht auf die Förderung kein Rechtsanspruch. In der Summe kann deshalb trotz der (anfänglichen) Unterstützung nicht davon ausgegangen werden, dass die Leistungen vorliegend ausreichend wären, um eine unmenschliche Behandlung auszuschließen. Diese Einschätzung deckt sich im Übrigen auch mit derjenigen des ERIN-Programms selbst. Danach haben gewöhnlich nur diese Rückkehrer Chancen, die über spezifische Fähigkeiten verfügten oder qualifizierte Fachkräfte seien. Je niedriger der Ausbildungsstandard und die berufliche Qualifikation seien, desto schlechter und schwieriger sei die Aussicht auf eine berufliche Betätigung (ERIN, Afghanistan Briefing Note, S. 7, abrufbar unter www.bamf.de/rueckkehrfoerderung). Auch soweit finanzielle Unterstützung gewährt wird, ist diese den Angaben von ERIN zufolge angesichts der Lebenshaltungskosten bei Weitem nicht ausreichend. Danach betragen die Wohnungsmieten zwischen 400 und 600 US-$, Nebenkosten 40 US-$ und Lebensunterhalt 500 US-$ (Afghanistan Briefing Note, S. 9). Zudem wurde schon in den genannten Entscheidungen aus dem Jahr 2014 ausgeführt, dass es die Unterstützungsleistungen zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr gibt, aber danach Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat bestehen. Der Lagebericht 2016 (S. 24 f.) spricht nach wie vor von Koordinierungsschwierigkeiten; Hilfe komme nicht immer dort an, wo Rückkehrer sich niedergelassen hätten. Zwar wird diese Aussage im Zusammenhang mit der Beschreibung der Situation von Rückkehrern aus den Nachbarländern gemacht, jedoch ist dem Lagebericht 2016 zufolge auch nur von Norwegen bekannt, dass Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Darüber, ob und inwieweit die Programme tatsächlich greifen, liegen offenbar keine weiteren Informationen vor. Auch der Vertreter des Bundesamts vermochte in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, ob es Erkenntnisse zur tatsächlichen Umsetzung des Reintegrationsprogramms gebe, keine näheren Auskünfte zu erteilen. Allerdings ist schwer vorstellbar, dass im Gegensatz zu den Rückkehrern aus den Nachbarländern hier die Koordinierung problemlos verlaufen sollte. So verweist Pro Asyl in seiner Stellungnahme vom 16. November 2016 darauf, dass die afghanische Regierung nicht in der Lage sei, auch nur die Notversorgung der Rückkehrer aus eigener Kraft oder mit den Mitteln der internationalen Hilfe zu versorgen; faktisch gebe es weder ein Reinte-grationsprogramm noch eine realistische Möglichkeit, ein solches zu schaffen.

Die vom Verwaltungsgericht herangezogene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 26.2.2014 - A 11 S 2519/12 - juris und U.v. 24.7.2013 - A 11 S 697/13 - Asylmagazin 2014, 38) berücksichtigt die neuere Entwicklung nicht. Zudem liegen den Entscheidungen anders gelagerte Sachverhalte zugrunde.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2016 und unter Abänderung von Nummer 4 und Aufhebung von Nummer 5 und 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juni 2016 zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 3 und Aufhebung von Nummer 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II.

Die Beklage hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger ¾ und die Beklagte ¼ zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, eine Familie aus K. mit zwei im Jahr 2009 und im Jahr 2012 geborenen Kindern, sind afghanische Staatsangehörige und tadschikische Volkszugehörige. Sie reisten im Juni 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 25. Juni 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Der Kläger zu 1, der Ehemann und Vater, gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 24. Oktober 2012 an, er habe mit seiner Familie zuletzt in K. gelebt. Am 7. Oktober 2011 (12.10.1390) hätten sie Afghanistan verlassen. Seine Eltern lebten noch in K. Sechs Onkel lebten in Deutschland, in Afghanistan seien noch eine 24 Jahre alte Schwester sowie zwei Brüder mit 16 oder 17 und 10 Jahren. Nach dem Abitur habe er zusammen mit seinem Vater ein Geschäft geführt, in dem man verschiedene Zubehörteile zum Bau eines Hauses erhalte. Auf die Frage nach dem Ausreisegrund gab der Kläger zu 1 an, Grund sei die Zukunft seiner Kinder. In Afghanistan gebe es keine Kindergärten, keine richtige Schule, man könne keine richtige Ausbildung machen und jeden Tag gebe es irgendwo ein Attentat. Er wolle nicht, dass seine Kinder in einer Umgebung aufwüchsen, wo nur Krieg und Chaos sei. Seine Familie sei nicht sehr reich, aber auch nicht arm gewesen. Er habe ein Auto, ein Grundstück und den Laden besessen. Dies alles hätten sie für die Zukunft der Kinder aufgegeben. Die Klägerin zu 2, die Ehefrau und Mutter, gab bei ihrer Anhörung an, bis zu ihrer Ausreise habe die Familie in K. gelebt. Die Familie sei bis nach Athen gemeinsam geflohen. Dort hätten sie einen Araber kennengelernt, der sie als seine Ehefrau gemeinsam mit den beiden Kindern mit nach Deutschland genommen habe. Sie sei mit ihm nach Frankfurt am Main geflogen. Am 3. Juni 2012 sei sie mit den Kindern in Deutschland angekommen. Sie habe im Jahr 2008 geheiratet. In Afghanistan lebten noch ihre Eltern in K. sowie vier Schwestern und zwei Brüder. Sie habe an einem staatlichen Institut eine zweijährige Ausbildung zur Erzieherin, zur Kindergärtnerin, absolviert und abgeschlossen. Bis zur Geburt des ersten Kindes habe sie dann sechs Monate im Kindergarten gearbeitet. Afghanistan habe sie wegen der Zukunft ihrer Kinder verlassen. Sie habe sie nicht in den Kindergarten bringen können, sie hätten nicht alleine in die Schule gehen können. Ein Onkel von ihr sei bei einem Attentat umgekommen. Ihr Mann arbeite auch in K. und sie wolle nicht, dass ihm Gleiches passiert. Er habe dort ein Geschäft und verkaufe u. a. Waschbecken und Kommoden. Sie wolle, dass ihre Kinder in Deutschland eine Zukunft hätten.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 wurden die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte abgelehnt (1.) sowie festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (2. und 3.) und den Klägern die Abschiebung angedroht (4.). Zur Begründung ist angeführt, die Kläger hätten eine politische Verfolgung nicht geltend gemacht, sondern sich nur auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan bezogen. Für eine Gefährdung wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken bestünden keine Anhaltspunkte. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor, insbesondere bestehe keine erhebliche individuelle Gefahr aufgrund eines bewaffneten Konflikts. Zudem seien keine stichhaltigen Ausführungen gemacht worden, aus denen sich ergäbe, dass die Familie nach einer Rückkehr mittellos und völlig auf sich gestellt wäre. In der Gesamtschau könne nicht von einer extremen Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgegangen werden.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Regensburg verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 14. April 2014 vertieften die Kläger ihr Vorbringen und gaben an, alle ihre Ersparnisse für die Ausreise aufgewandt zu haben. Weiter habe die Familie Geld vom Vater des Klägers zu 1 bekommen. Bei einer Rückkehr stünde die Familie vor dem Nichts. Außer den Eltern des Klägers zu 1 seien dort keine Verwandten mehr. Die Klägerin zu 2 habe in Afghanistan noch ihre Mutter sowie vier Schwestern und zwei Brüder.

Mit Urteil vom 14. April 2014 wurde die Klage abgewiesen. Dass den Klägern relevante Verfolgungsmaßnahmen drohten, sei weder dargetan, noch sonst ersichtlich. Auch die Voraussetzungen für subsidiären und nationalen Schutz lägen nicht vor. Insbesondere sei ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht deshalb festzustellen, weil es sich um eine Familie mit kleinen Kindern handle. Hier vermittle Nr. C 3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern den Klägern gleichwertigen Schutz vor Abschiebung. Danach würden Straftäter, Personen, bei denen Ausweisungsgründe vorliegen bzw. Sicherheitsbedenken bestehen, sowie alleinstehende, männliche afghanische Staatsangehörige vorrangig zurückgeführt. Die Rückführung anderer Personen sei vorerst zurückzustellen. Letzterem Personenkreis gehöre die Familie an, so dass sie nach Abschluss des Asylverfahrens ebenso eine Duldung erhalten würde wie diejenigen Personen, für die ein förmlicher Abschiebestopp bestehe. Damit sei die Familie hinreichend vor einer Abschiebung nach Afghanistan geschützt. Die Familie sei auch trotz der bekanntermaßen schlechten Sicherheits- und Versorgungslage keiner konkreten landesweiten Gefährdung für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt. Die Eltern seien beide überdurchschnittlich qualifiziert und bei einer Rückkehr sei zumindest damit zu rechnen, dass der Familienverband, der bereits die Ausreise finanziert habe, die Kläger wieder aufnehme und ihnen in der ersten Zeit ein Obdach biete. Zudem verfügten die Kläger noch über andere Familienmitglieder.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Begehrens nach Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots mit Beschluss vom 4. August 2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob für eine Familie mit minderjährigen Kindern bei Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, sie hätten noch zwei sehr kleine Kinder im Alter von erst fünf und zwei Jahren, so dass jedenfalls für die Mutter eine Arbeit nicht ohne weiteres möglich sein werde. Schon mit nur einem Kind sei ihr der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums nicht regelmäßig möglich gewesen. Es sei nicht anzunehmen, dass sie als Kindergärtnerin ohne weiteres ihre beiden Kinder mit zur Arbeit nehmen könne. Der Vater werde nicht im Stande sein, für vier Personen den Unterhalt zu verdienen. Rücklagen existierten nicht mehr, die Eltern hätten beide keine Arbeitsstelle mehr und eine weitere Unterstützung könne nicht mehr gewährt werden. Der Vater der Klägerin zu 2 sei zwischenzeitlich verstorben und die erwachsenen Geschwister hätten kein ausreichendes eigenes Einkommen. Die politische Entscheidung über eine Aussetzung der Abschiebung, die sich jederzeit wieder verändern könne, enthebe das Gericht nicht von der Feststellung zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine erhebliche konkrete Gefahr bestehe darüber hinaus auch deshalb, weil sich die Sicherheitslage erheblich verschlechtert habe. Die Innenministerkonferenz sei der Auffassung, dass zwangsweise Rückführungen weiterhin nur nach umfassender Einzelfallprüfung erfolgen sollten. UNHCR zufolge verschlechtere sich die Situation in Afghanistan zusehends. In K. spitze sich die Lage ebenfalls zu.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

Die Beklagte führt aus, es spreche Erhebliches dafür, dass die in Bayern geltenden Vorgaben als Erlasslage zu sehen seien, die afghanischen Familien mit minderjährigen Kindern einen Schutz vor Abschiebung vermittle. Unabhängig davon bestehe für Familien mit minderjährigen Kindern trotz der allgemein schwierigen humanitären Umstände nicht regelmäßig eine Extremgefahr, zumal auch die Rückkehrförderung zu berücksichtigen sei. Die einem Familienvater obliegende Aufgabe, über seine Person hinaus für die Angehörigen das Existenzminimum zu erwirtschaften, sei weiter kein sich unmittelbar auswirkender Aspekt. Das Abschiebungsschutzrecht gehe von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage aus. Auf die erst mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen könne nicht abgestellt werden. Bei tatsächlicher Existenzgefährdung der vom Erwerbsfähigen abhängigen Angehörigen könne dort ein Abschiebungsverbot vorliegen, durch das dem Erwerbsfähigen als Ausfluss seiner Rechte aus Art. 6 GG dann ein Anspruch auf Fortbestand der familiären Gemeinschaft im Bundesgebiet erwachse. Zudem sei ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Rückkehr und drohender Rechtsgutverletzung erforderlich. Schlechte humanitäre Bedingungen könnten zwar in Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen, aber in Afghanistan sei die allgemeine Lage nicht so ernst, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne. Fraglich sei schon, ob aus Sicht des Gesetzgebers der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG bei einer auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage überhaupt eröffnet sei. Angesichts des besonderen Ausnahmecharakters sei ein Gefährdungsgrad entsprechend der Extremgefahr erforderlich.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Damit kommt es auch auf die Frage nicht an, ob Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, für Familien eine Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG darstellt, die ihnen Schutz vor Abschiebung vermittelt und deshalb die analoge Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausschließt.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Der Kläger zu 1 und 2 als Eltern von zwei minderjährigen Kindern befürchten, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist.

Der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG ist auch bei einer allgemeinen, auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage eröffnet.

Von der Beklagten wird das allerdings bezweifelt, weil der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der vom Bundesverwaltungsgericht bejahten Erweiterung auf Gefährdungen, die nicht staatlich zu verantworten seien (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489), am Konzept von allgemeinen Gefährdungslagen einerseits und individuell gelagerten Schutzgründen andererseits festgehalten habe. Die Formulierung des Art. 3 EMRK, niemand dürfe unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden, lässt zwar nicht erkennen, ob sich diese nur aus konkret gegen den Betroffenen gerichteten Maßnahmen oder auch aus einer schlechten allgemeinen Situation mit unzumutbaren Lebensbedingungen ergeben kann. Eine Unterscheidung zwischen konkreten und allgemeinen Gefahren wird dort jedenfalls nicht vorgenommen. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist (BVerwG, U.v. 31.1.2013 a. a. O.; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952), hält aber eine unmenschliche Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen für möglich. Im Urteil vom 13. Juni 2013 (a. a. O.) ist das Bundesverwaltungsgericht ferner ausdrücklich von der früheren Rechtsprechung abgerückt und hält für das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht länger an der zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 vertretenen Auffassung fest, dass die Vorschrift nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtige, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohten. Nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ seien. Dieses Kriterium sei angemessen, wenn die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut zurückzuführen seien oder auf die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen. Zum anderen könne - wenn Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führten - eine Verletzung darin zu sehen sein, dass es dem Betroffenen nicht mehr gelinge, seine elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen. Zu berücksichtigen seien dabei auch seine Verletzbarkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung seiner Lage in angemessener Zeit. Im Anschluss hieran stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, ob es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen sei, verletze die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergebe, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden. Die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse seien nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der Betroffene wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention ziele hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern, mache die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK aber eine gewisse Flexibilität erforderlich.

Dass der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Regelung von allgemeinen Gefahren im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F. i. V. m. § 60a AufenthG unverändert beibehalten und nicht auf andere Abschiebungsverbote ausgedehnt hat, spricht bei systematischer Auslegung des Gesetzes gegen die vom Bundesamt vertretene Auffassung. Im gewaltenteilenden Rechtsstaat ist die Rechtsprechung nur ausnahmsweise befugt, die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers unbeachtet zu lassen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 zur verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F.). Im Übrigen greift das Bundesamt selbst in bestimmten Fallkonstellationen bei allgemeinen Gefahren ebenso auf § 60 Abs. 5 AufenthG zurück. So kann z. B. nach dem Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. November 2013, Az. M I 4 - 21004/21#5 („Information zur Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aufgrund des Urteils des BVerwG vom 13. Juni 2013“), bei unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt werden.

Bisher nicht geklärt ist, durch welchen Gefährdungsgrad derartige außergewöhnliche Fälle gekennzeichnet sein müssen. Schon von der Gesetzessystematik her kann der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht herangezogen werden. Da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, lassen sich die erhöhten Anforderungen an eine ausreichende Lebensgrundlage im Fall einer internen Schutzalternative ebenso wenig übertragen. Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167) macht jedoch deutlich, dass von einem sehr hohen Niveau auszugehen ist. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne, weist das ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin. Eine solche ist allerdings bei den Klägern gegeben.

Bei einer Rückkehr müssten die Eltern - nach afghanischen Maßstäben wohl der Vater - für den Unterhalt der gesamten Familie sorgen. Der Ehefrau und Mutter war es ihrem glaubhaften Vortrag zufolge wegen des älteren Kindes schon vor der Ausreise nicht möglich, in ihrem Beruf tätig zu sein. Selbst der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums war nicht regelmäßig möglich. Mit nunmehr zwei kleinen Kindern in betreuungsbedürftigem Alter würde ihr die Arbeitsaufnahme somit nicht gelingen. Der Vater müsste daher alleine den Unterhalt für die ganze Familie erwirtschaften. Dazu würde er nicht im Stande sein, zumal auch keine Rücklagen mehr existieren. Der Vater der Klägerin zu 2 ist zwischenzeitlich verstorben, so dass auch insoweit keine Hilfe zu erwarten wäre. Der Kläger zu 1 wäre in der Folge bei Rückkehr auf sich alleine gestellt. Angesichts der Lebensbedingungen in Afghanistan und der Tatsache, dass die Kinder noch in betreuungsbedürftigem Alter sind, würde er zur Sicherung der Existenz für die Familie nicht imstande sein. In der ständigen Rechtsprechung zur Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog (seitU.v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris) hat sich der Verwaltungsgerichtshof zwar schon mit Teilaspekten der humanitären Lage in Afghanistan befasst und ist zum Ergebnis gekommen, dass für einen alleinstehenden Rückkehrer keine Extremgefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Er wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Bei einer Familie mit minderjährigen Kindern ist aber im Hinblick auf die zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse in Afghanistan von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen.

Vorab ist festzuhalten, dass die gesamte Familie in die Bewertung mit einzubeziehen ist. Der Senat geht davon aus, dass die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers zu 1 nicht außer Betracht bleiben können. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass das Abschiebungsschutzrecht von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage ausgehe, trifft das zwar insoweit zu, als das Gesetz generell eine Unterscheidung zwischen allgemeinen und individuell drohenden Gefahren vornimmt. Das schließt aber nicht aus, Unterhaltsverpflichtungen, die dem Betroffenen konkret obliegen, zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob eine gemeinsame oder getrennte Rückkehr von Familienangehörigen zugrunde zu legen ist, geht ebenfalls in diese Richtung (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = InfAuslR 1993, 28; B.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = InfAuslR 2000, 93). Unter Einbeziehung der Bedeutung, welche die deutsche Rechtsordnung dem Schutz von Ehe und Familie beimesse (Art. 6 GG), sei bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohten, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr aller Familienangehörigen auszugehen. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen - Angehörige, die Abschiebungsschutz genießen - könne eine andere Betrachtung geboten sein. Erforderlich sei eine möglichst realitätsnahe Beurteilung der Situation im hypothetischen Rückkehrfall. Für die anzunehmende Ausgangssituation, von der aus die Gefahrenprognose zu erstellen sei, komme es grundsätzlich weder auf bloße Absichtserklärungen der Betroffenen noch auf ihren ausländerrechtlichen Status an. Dies gelte für den jeweiligen Asylbewerber selbst und für die Familienmitglieder. Die Hypothese solle die Realität nur in einem Punkt ersetzen, dem nicht mehr bestehenden Aufenthalt des Asylbewerbers in seinem Heimatstaat. Im Übrigen werde durch sie an dem realen Umfeld, insbesondere den familiären Beziehungen des Asylbewerbers, seinen Rechten und Pflichten, nichts geändert. Eine andere Betrachtungsweise würde sich grundlos von der Realität entfernen. Diese Grundsätze können auf die vorliegende Konstellation übertragen werden. Es wäre ebenso wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der genannten Rechtsprechung nicht in Einklang, wenn man die Unterhaltsverpflichtungen als lediglich mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen außer Betracht ließe.

Wird mithin die Notwendigkeit, dass der Kläger zu 1 für den Unterhalt der gesamten Familie aufkommen muss, zugrunde gelegt, würden die Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt. Die humanitäre Lage dort lässt für sie ein menschenwürdiges Dasein nicht zu.

Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zwar zum einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof geht hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeiten davon aus, dass am ehesten noch junge kräftige Männer, häufig als Tagelöhner, einfache Jobs, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt sei, fänden. In der Auskunft von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012 wird ebenfalls auf die schwierige Arbeitssuche hingewiesen. Die meisten Männer und Jugendlichen würden versuchen, auf nahe gelegenen Märkten als Träger zu arbeiten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 19 - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Nach der Stellungnahme von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i.L.) vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren A 11048/10.OVG) könne das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden (S. 9). Damit würde der Kläger zu 1 unter den gegebenen Umständen den notwendigen Lebensunterhalt nicht erwirtschaften können. Zum einen wird er keine Unterstützung durch seine Ehefrau bekommen, weil seine Kinder ihrer Betreuung bedürfen. Zum anderen wird es an Arbeitsmöglichkeiten für ihn fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Zwar war er vor der Ausreise im Geschäft seines Vaters tätig, jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass er ohne Weiteres an die bereits ausgeübte Tätigkeit anknüpfen könnte. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1 angegeben, er wisse nicht, wie das Geschäft laufe, seitdem er Afghanistan verlassen habe. Sein 18-jähriger Bruder gehe noch zur Schule und arbeite mittlerweile auch in dem Geschäft. Damit wird dieser den Platz des Klägers in dem Betrieb einnehmen, zumal er in einem Alter von 18 Jahren die Schule demnächst abschließen wird. Anhaltspunkte dafür, dass das Geschäft, das auch bislang nur von zwei Personen geführt wurde, Bedarf an einer weiteren dritten Arbeitskraft hätte, bestehen nicht. Somit wäre selbst im Fall der Rückkehr in das väterliche Geschäft nicht zu erwarten, dass der Kläger zu 1 ein Einkommen in einer Größenordnung erzielen könnte, die für den Lebensunterhalt einer ganzen Familie ausreichend wäre. Er wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden. Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch davon auszugehen, dass dies nicht gelingen kann.

Mit Ausnahme der medizinischen Versorgung greift der Lagebericht 2014 (S. 19 f.) keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung nicht gesichert sei. Da somit keine grundlegende Änderung eingetreten ist, wird zu den Einzelaspekten auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Januar 2012 (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 28 - Lagebericht 2012) zurückgegriffen, der die Situation detaillierter beschreibt. Dieser führt hinsichtlich der Unterkunftsmöglichkeiten aus, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Nach der Auskunft von ACCORD vom 1. Juni 2012 leben Zehntausende zurückgekehrter Familien unter schlimmen Bedingungen in Slums mit behelfsmäßigen Unterkünften in und um die afghanischen Städte. Sie müssten mit weniger als zehn Liter Wasser am Tag pro Person auskommen und hätten nicht genügend zu essen. Auch die SFH (S. 19) weist darauf hin, dass die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen gehöre, vor allem in K.. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 39% der Bevölkerung, zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Damit kann nicht angenommen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden würden, in der auch Kinder angemessen leben können. Erschwerend kommt hinzu, dass der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2014, S. 19).

Die Grundversorgung ist nach dem Lagebericht 2014 (S. 20) für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung, für Rückkehrer in besonderem Maße. Die medizinische Versorgung habe sich zwar in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend. In K. gebe es eine gute ärztliche Versorgung in einer deutschen und einer französischen Einrichtung. Im Übrigen sei medizinische Hilfe aber oftmals nicht zu erreichen oder könne nicht bezahlt werden (SFH S. 20). Diese Gesichtspunkte sind vorliegend im Hinblick auf die beiden kleinen Kinder von besonderer Bedeutung. Hinzu kommt, dass nach der SFH (S. 19) die Qualität der Bildungsangebote unzureichend und Gewalt im Umgang mit Kindern weit verbreitet ist. Viele Kinder seien unterernährt; 10% der Kinder würden vor ihrem 5. Geburtstag sterben. Straßenkinder seien jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013, S. 9 - UNHCR-Richtlinien) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Nach einer ergänzenden Darstellung (Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen - Vertretung in Deutschland - vom August 2014) sind 40% der Rückkehrer nicht in der Lage, sich wieder in ihre Heimatorte zu integrieren, rund 60% hätten Schwierigkeiten, sich ein neues Leben in Afghanistan aufzubauen.

Diese Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Insbesondere ist auch mit den neueren Erkenntnismitteln die derzeitige Situation hinreichend abgebildet, so dass es der Einholung weiterer Auskünfte nicht bedarf. Unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, ist die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die beiden kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Bei den geschilderten Verhältnissen liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Unterkunft finden würden und keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Dass die Rechtsprechung zur Extremgefahr für Alleinstehende nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht auf die Frage einer unmenschlichen Behandlung von Familien im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK übertragen werden kann, sondern sich die Wertung unterscheiden muss, zeigt sich auch an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 - hudoc.echr.coe.int, auszugsweise mit inoffizieller Übersetzung des Informationsverbunds Asyl und Migration in Asylmagazin 2014, 424). In der Entscheidung betreffend die Abschiebung einer Familie nach Italien hebt der Gerichtshof vor allem das Kindeswohl hervor. Eine Abschiebung verstoße gegen Art. 3 EMRK, wenn nicht sichergestellt sei, dass die Familieneinheit erhalten bleibe und eine den Bedürfnissen der Kinder entsprechende Aufnahme gewährleistet sei. Auch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder misst Familien mit Kindern besondere Bedeutung zu. In der 199. Sitzung vom 11. bis 13. Juni 2014 wurde deshalb das Bundesministerium des Innern unter anderem um vertiefte Informationen zur spezifischen Rückkehrsituation von Familien gebeten. Nach Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, ist die Rückführung von Familien vorerst ebenfalls zurückgestellt. Dass das Existenzminimum für eine Familie nicht erwirtschaftet werden kann, wird auch durch die Stellungnahme von Dr. Karin Lutze vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigt. Danach könne durch Aushilfsjobs allenfalls das Existenzminimum für eine Person ermöglicht werden (S. 9). Ferner bekräftigt der UNHCR (Richtlinien vom 6.8.2013, S. 9) das grundsätzliche Erfordernis bedeutender Unterstützung. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Damit hat sich die Lage nach der Einschätzung des UNHCR eher verschärft, denn die Richtlinien aus dem Jahr 2010 (S. 15 der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 24.3.2011 - zusammenfassende Übersetzung der UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 17.12.2010, S. 40) gingen noch davon aus, dass alleinstehende Männer und Kernfamilien (single males and nuclear family units) unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft leben könnten.

Soweit die Beklagte auf die gewährten Unterstützungsleistungen verweist, gibt es diese zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr. Danach allerdings bestehen Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat (Lagebericht 2014, S. 20; Auskunft von ACCORD vom 1.6.2012). Aufgrund dieser verwaltungstechnischen Schwierigkeiten kommt die erforderliche Hilfe deshalb oft nicht dort an, wo sich die Rückkehrer niedergelassen haben. Noch schwieriger gestaltet sich die Lage für Familien. Über eine gewisse Starthilfe hinaus ist es nicht möglich, dauerhaft Unterstützung für die gesamte Familie zu bekommen (Auskunft von amnesty international vom 29.9.2009 an den BayVGH im Verfahren 6 B 04.30476). Damit mögen die Leistungen zwar einen vorübergehenden Ausgleich schaffen, sind aber nicht dazu geeignet, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten, insbesondere weil die Grundversorgung schon generell für einen Großteil der afghanischen Bevölkerung eine enorme Herausforderung bedeutet.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 und des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 insoweit (Ablehnung Nr. 3 und Abschiebungsandrohung Nr. 4) zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.