Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 03. Juni 2016 - 9 ZB 12.30404

bei uns veröffentlicht am03.06.2016
vorgehend
Verwaltungsgericht Augsburg, 6 K 12.30237, 03.09.2012

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Das Verwaltungsgericht wies seine Asylklage mit Urteil vom 3. September 2012 ab. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Klägers. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend.

II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG), die ihr der Kläger beimisst.

Die als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, ob eine Gruppenverfolgung von Kurden in der Türkei gegeben ist, ist nicht klärungsbedürftig.

a) Die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. BVerwG, B. v. 16.11.2015 - 1 B 76.15 - juris Rn. 4 unter Hinweis auf BVerwG, U. v. 21.4.2009 - 10 C 11.08 - juris Rn. 13 m. w. N.). Danach kann sich die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt, nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religion anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - ferner eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten. Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d. h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss.

b) Die Tatsachenfrage, ob anhand der maßgeblichen rechtlichen Voraussetzungen eine Gruppenverfolgung von Kurden in der Türkei vorliegt, ist nach der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Erkenntnisquelle (Lagebericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei vom 8.4.2011) - mit der sich das Zulassungsvorbringen nicht substantiiert auseinandersetzt - sowie in der obergerichtlichen Rechtsprechung ebenfalls ausreichend geklärt. Danach unterliegen Kurden in keinem Landesteil der Türkei einer Gruppenverfolgung im vorgenannten Sinn. Dessen ungeachtet steht Kurden in der West-Türkei trotz der auch dort problematischen Sicherheitslage und der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen eine inländische Fluchtalternative offen (vgl. SächsOVG, U. v. 7.4.2016 - 3 A 557/13.A; BayVGH, B. v. 22.9.2015 - 9 ZB 14.30399; OVG NW, B. v. 29.7.2014 - 8 A 1678/13.A; VGH BW, U. v. 27.8.2013 - A 12 S 561//13; OVG LSA, U. v. 14.3.2012 - 3 L 152/09; OVG Saarl, U. v. 25.8.2011 - 3 A 35/10 sämtliche juris und jeweils m. w. N.).

c) Die allgemein gehaltenen Darlegungen des Klägers zu einem Bericht des „Forum solidarisches und friedliches Augsburg“ vom 21. Februar 2012 mit dem Titel „Kurdenverfolgung und Anzeige gegen Erdogan“ über Angriffe des türkischen Militärs auf Zivilpersonen in der türkischirakischen Grenzregion lassen weder eine Gruppenverfolgung der Kurden nach den zuvor genannten Maßstäben erkennen noch weisen sie einen Bezug zu den persönlichen Umständen des Klägers auf, der zuletzt mit seinem Bruder ein Restaurant in Istanbul betrieben hatte.

d) Die einzelfallbezogene Kritik an der tatrichterlichen Würdigung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht ist nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen.

2. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (st. Rspr., vgl. BVerfG, B. v. 14.6.1960 - 2 BvR 96/60 - BVerfGE 11, 218 = juris Rn. 5). Dem das ist das Verwaltungsgericht nachgekommen.

a) Die eingangs aufgestellte Behauptung, das Verwaltungsgericht habe das Sachvorbringen nicht zur Kenntnis genommen, wird mit dem weiteren Zulassungsvorbringen teilweise entkräftet. Denn der Kläger führt selbst aus, dass das Verwaltungsgericht auf seine Darlegungen eingehe und die Repressalien durch die Polizei als wahr unterstelle. Er bemängelt aber, dass das Verwaltungsgericht dennoch zu dem Ergebnis komme, dies habe keine asylrechtliche Relevanz. Damit erschöpft sich das Vorbringen in einer Kritik an der Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht. Die klägerische Behauptung, das Verwaltungsgericht habe den vorgetragenen tatsächlichen Umständen nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen, vermag aber grundsätzlich keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu begründen (vgl. BayVGH, B. v. 18.12.2015 - 9 ZB 15.50140 - juris Rn. 3 m. w. N.; BVerfG, E. v. 11.9.2015 - 2 BvR 1586/15 - juris Rn. 4 m. w. N.).

b) Auch das Vorbringen zu den beruflichen und wirtschaftlichen Benachteiligungen, die der Kläger aufgrund seiner kurdischen Volkszugehörigkeit und seiner Behinderung erleiden müsse, lassen keinen Gehörsverstoß erkennen.

Das Verwaltungsgericht hat die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers zur Kenntnis genommen und sich hiermit in seiner Entscheidung auch umfassend auseinandergesetzt. Dies stellt auch der Kläger nicht infrage; er ist aber der Ansicht, das Verwaltungsgericht habe die Verknüpfung der beiden Schicksale („kurdische Abstammung und Behinderung“) nicht berücksichtigt. Damit erschöpft sich das Zulassungsvorbringen wiederum in einer Kritik an der Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht, die einen Verstoß gegen die Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht zu begründen vermag. Davon abgesehen trifft die Kritik auch in der Sache nicht zu. Soweit es die behaupteten Maßnahmen der Polizei betrifft, weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass die geschilderten polizeilichen Maßnahmen nach den Angaben des Klägers auf dessen kurdische Volkszugehörigkeit abgezielt hätten und nicht auf seine Behinderung. Was die behauptete berufliche und wirtschaftliche Benachteiligung anbelangt, hat das Verwaltungsgericht eine dahingehende allgemeine Gefahr, der Kläger könne sein Existenzminimum nicht sichern, aufgrund der sozialen Sicherungssysteme in der Türkei für ausgeschlossen erachtet. Es hat dies auch in Bezug auf die kurdische Volkszugehörigkeit des Klägers gewürdigt, aber festgestellt, dass sich aus den zugrunde liegenden Erkenntnismitteln keine Anhaltspunkte dafür ergäben, dass Kurden insoweit benachteiligt würden.

c) Soweit der Kläger darauf hinweist, dass das Verwaltungsgericht seine Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung vom 28. August 2012 (Wahrunterstellung bzw. Unerheblichkeit) abgelehnt hat, lässt das hierauf gestützte Zulassungsvorbringen ebenfalls keinen Gehörsverstoß erkennen.

Insbesondere trifft der Einwand nicht zu, das Verwaltungsgericht habe nicht ausgeführt, warum es in den vom Kläger dargelegten Eingriffen in dessen berufliche und wirtschaftliche Betätigung aufgrund seiner kurdischen Abstammung und seiner Behinderung keine asylrechtliche Verfolgung sehe. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, der Vortrag des Klägers habe selbst bei Wahrunterstellung keine asylrechtliche Relevanz, weil danach sein Leben oder seine Freiheit nicht wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sei. Der Kläger sei zumindest in Istanbul integriert gewesen und habe dort ein Restaurant betrieben. Soweit der Kläger dennoch eine Beeinträchtigung seiner beruflichen Betätigung sieht, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Feststellungen des Bundesamts im Bescheid vom 5. Juli 2012 hingewiesen und im Übrigen eine extreme individuelle Gefahrenlage wegen fehlender Sicherung des Existenzminimums verneint, weil der Kläger selbst dann, wenn er keine Arbeit finden würde, Anspruch auf Sozialleistungen habe und keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit diese Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnten. Mit diesen Ausführungen setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander.

d) Die Darlegungen zum Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, wonach das Verwaltungsgericht nicht detailliert auf die im Klageverfahren vorgelegten Berichte (sämtlich „Spiegel Online“) eingegangen sei, führen nicht zur Zulassung der Berufung wegen eines Gehörsverstoßes.

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht zwar, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte brauchen aber nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfG, E. v. 11.9.2015 - 2 BvR 433/15 - juris Rn. 9 m. w. N.). Abgesehen davon, dass die in Bezug genommenen Berichte („Türkei weist syrische Flüchtlinge ab“, „Neun Tote bei Bombenanschlag in der Türkei“, „Kurdische Rebellen entführen Abgeordneten“ und „Armee stoppt Suche nach verschlepptem Parlamentarier“), die belegen sollen, „dass es in den letzten Monaten erneut zu erheblichen Spannungen und Kämpfen zwischen der PKK und der türkischen Regierung bzw. dem Militär kam und der Kurdenkonflikt sich verschärft hat“, schon nicht geeignet sind, die zuvor genannten Voraussetzungen für eine Gruppenverfolgung - insbesondere die zu fordernde Verfolgungsdichte - zu belegen, hat das Verwaltungsgericht die berichteten Ereignisse nicht infrage gestellt, sondern sich in den Entscheidungsgründen mit den Spannungen in den kurdisch geprägten Regionen bzw. mit der Situation in dem ehemaligen Heimatgebiet des Klägers u. a. aufgrund des Flüchtlingszustroms aus Syrien und die eventuell verschärfte Situation im Zusammenhang mit der PKK auseinander gesetzt. Es hat einen hieraus folgenden Anspruch des Klägers auf Flüchtlingsanerkennung verneint, weil der Kläger seit 2002/2003 nicht mehr in diesem Gebiet gelebt habe, sondern in Istanbul. Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b AsylG. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG). Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 78 Rechtsmittel


(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 80 Ausschluss der Beschwerde


Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 138


Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn1.das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,2.bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes aus

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(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung (§ 78 Abs. 4 AsylVfG) hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. Es liegt weder ein gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 VwGO erheblicher Verfahrensmangel vor noch kommt der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) zu. Die beantragte Zulassung der Berufung wegen Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts scheitert bereits daran, dass eine Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) lediglich benannt wird, inhaltlich aber hierzu nichts ausgeführt wird, so dass dieser Zulassungsgrund nicht in einer dem Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG genügenden Weise ausgeführt wird.

1. Die geltend gemachte Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.

Der Kläger macht geltend, dass das Verwaltungsgericht fehlerhaft von der Widersprüchlichkeit seines Vortrags ausgegangen sei, verkannt habe, dass sein Verfolgungsschicksal bereits über fünf Jahre zurückliege, den weiteren Geschehensverlauf falsch bewertet habe und zu Unrecht eine Gruppenverfolgung abgelehnt habe. Darüber hinaus sei das Verwaltungsgericht fehlerhaft davon ausgegangen, dass nicht ableitbar sei, worauf die Verwundungen, die augenscheinlich festgestellt worden seien, zurückzuführen seien und insoweit ein Sachverständigengutachten einzuholen gewesen wäre. Schließlich habe das Verwaltungsgericht wegen fehlerhafter Annahme der Unglaubwürdigkeit des Klägers zu Unrecht eine ernsthafte Gefahr für Leib und Leben des Klägers verneint. Auch die Annahme, es bestehe kein bewaffneter Konflikt in der kurdischen Herkunftsregion des Klägers sei fehlerhaft. Aus diesem Vorbringen ergibt sich jedoch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat sich mit den wesentlichen Argumenten des Klagevortrags zu befassen, wenn sie entscheidungserheblich sind. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann allerdings nur dann festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BayVGH, B. v. 16.7.2015 - 13a ZB 15.30028 - juris Rn. 4; Kraft in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 138 Rn. 31 f). Das Verwaltungsgericht setzt sich hier jedoch in den Urteilsgründen mit sämtlichen vom Kläger vorgetragenen Aspekten auseinander. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass ein entscheidungserheblicher Vortrag des Klägers unberücksichtigt geblieben oder nicht gewürdigt worden ist. Auch mit den Ausführungen, es bestehe aufgrund der aktuellen Entwicklungen ein bewaffneter Konflikt im kurdischen Herkunftsgebiet des Klägers, wird insoweit nur die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils angezweifelt. Mit seinem Vortrag wendet sich der Kläger daher in Wirklichkeit im Gewand einer Gehörsrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, was auch aus den Formulierungen im Zulassungsvorbringen eindeutig zum Ausdruck kommt. Das Asylverfahrensrecht kennt jedoch in § 78 Abs. 3 AsylVfG - im Gegensatz zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO - den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung nicht (BayVGH, B. v. 24.7.2015 - 9 ZB 14.30457 - juris Rn. 13).

Soweit im Zulassungsvorbringen angeführt wird, das Verwaltungsgericht hätte zur Frage, worauf die Verwundungen zurückzuführen sind, ein Sachverständigengutachten einholen müssen, ergibt sich daraus ebenfalls keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Denn das Verwaltungsgericht hat über die sichtbaren Verletzungen des Klägers Beweis durch Augenscheinnahme erhoben und - unabhängig von der Frage, woher die Verletzungen stammen - die Erkenntnisse im Rahmen der Beweiswürdigung und der Würdigung des Aussageverhaltens bewertet. Abgesehen davon, dass der anwaltlich vertretene Kläger insoweit keinen Beweisantrag gestellt hat und damit nicht alle ihm eröffneten prozessualen und faktischen Möglichkeiten genutzt hat, sich rechtzeitig Gehör zu verschaffen (Kraft in Eyermann, a. a. O., § 138 Rn. 35), wird auch insoweit nur die freie Beweiswürdigung (Art. 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) des Gerichts angegriffen. Dies stellt jedoch keinen Zulassungsgrund gemäß § 78 Abs. 3 AsylVfG dar. Es ist auch nicht ersichtlich oder dargelegt, weshalb sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung auch ohne entsprechendes Beweisbegehren des anwaltlich vertretenen Klägers hätte aufdrängen müssen.

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG).

Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen wird. Erforderlich ist die Formulierung einer konkreten Tatsachen- oder Rechtsfrage und das Aufzeigen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist, sowie weshalb dieser Frage eine allgemeine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 9 ZB 10.30236 - juris Rn. 7; BayVGH, B. v. 30.3.2015 -13a ZB 15.30052 - juris Rn. 2). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht. Die als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob kurdische Volkszugehörige, die in einer ausweglosen Situation aus ihrer Heimatregion fliehen mussten, um nicht weiter den ständigen Übergriffen der türkischen Sicherheitsbehörden ausgesetzt zu sein, tatsächlich keiner Verfolgung ausgesetzt sind und eventuell im Westen eine inländische Fluchtalternative haben und ob ihnen im Falle einer Rückkehr in der Türkei die Gefahr droht, unmenschlich behandelt und inhaftiert zu werden, ist maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls abhängig und im Übrigen durch die obergerichtliche Rechtsprechung geklärt (vgl. SächsOVG, U. v. 22.11.2014 - A 3 A 519/12 - juris; VGH BW, U. v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris; OVG NW, U. v. 2.7.2013 - 8 A 2632/06.A - juris; BayVGH, U. v. 27.4.2012 - 9 B 08.30203 - juris). Darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf, so dass von einem Berufungsverfahren daher kein weiterer Ertrag zu erwarten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. Mai 2013 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 6.6.1995 mit einem Lkw in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 12.6.1995 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung seines Asylantrags gab er an, anlässlich des Newrozfestes 1994 von Soldaten bei einer Kontrolle festgenommen worden zu sein, wobei man ihm vorgeworfen habe, mit seinem Minibus PKK-Anhänger und Lebensmittel für diese zu transportieren. Man habe ihn zu einer Militärstation gebracht und zwei Tage lang verhört, wobei er mit einem Gewehrkolben geschlagen worden sei. Dabei habe er einen Bruch der Wangenknochen davongetragen. Mangels konkreter Beweise sei er wieder freigelassen worden. Anlässlich der Verhaftung seien seine Personalien registriert worden. In den darauffolgenden Monaten sei er- wie auch die anderen männlichen Bewohner seines Heimatdorfes - unter massiven Drohungen aufgefordert worden, das Amt eines Dorfschützers zu übernehmen. Da er nicht Dorfschützer habe werden wollen und keinen anderen Ausweg gesehen habe, habe er sich zur Ausreise entschlossen. Kurz vor seiner Ausreise sei er bei einer allgemeinen Kontrolle in Istanbul erneut von Sicherheitskräften mitgenommen und nach einer Überprüfung seiner Personalien erheblich misshandelt worden.

Mit Bescheid vom 27.6.1995 lehnte das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - den Asylantrag des Klägers ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorlägen. Im Anschluss an die hiergegen erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht des Saarlandes die Beklagte mit Urteil vom 20.12.1999 - 6 K 136/98.A - festzustellen, dass der Abschiebung des Klägers in die Türkei ein Abschiebungsverbot gemäß § 51 Abs. 1 AuslG entgegensteht. Zur Begründung war in dem Urteil ausgeführt, der Kläger habe glaubhaft machen können, in seiner Heimatregion einer Unterstützung der PKK verdächtigt und bei den Heimatbehörden als Verdächtiger registriert worden zu sein. Personen, die den türkischen Behörden als Sympathisanten linksorientierter und separatistischer kurdischer Organisationen bekannt geworden bzw. in einen entsprechenden Verdacht geraten seien, müssten im Rahmen von polizeilichen Ermittlungen in der Türkei mit der Anwendung von Folterpraktiken rechnen, die darauf abzielten, sie wegen ihrer politischen Überzeugung zu treffen. Bei einer Rückkehr in die Türkei bestehe im Falle des Klägers die Gefahr, erneut festgenommen und dabei auch Foltermaßnahmen unterworfen zu werden.

Daraufhin stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 10.3.2000 fest, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliegen.

Mit Verfügung vom 27.5.2008 wurde ein Widerrufsverfahren eingeleitet. Dem Kläger wurde mit Schreiben vom 28.5.2008, zugestellt am 29.5.2008, Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, wovon dieser mit Schriftsatz vom 19.6.2008 Gebrauch machte. Mit Bescheid vom 17.7.2008 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 10.3.2000 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Ergänzend wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Zur Begründung wurde in dem Bescheid ausgeführt, seit der Ausreise des Klägers hätten sich Rechtslage und Menschenrechtssituation in der Türkei deutlich zum Positiven verändert. Die Gründe für die frühere Schutzgewährung seien daher heute entfallen. Türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit, die sich Verfolgungsmaßnahmen wegen tatsächlicher, unterstellter oder vermeintlicher Unterstützung der kurdischen Guerilla mit Bedarfsartikeln, Beherbergung o.ä., oder dem Zwang zur Übernahme eines Dorfschützeramtes, dem Zwang zur Zusammenarbeit mit den Sicherheitskräften oder sonstigen Repressalien im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den Sicherheitskräften durch Flucht ins Ausland entzogen und in der Bundesrepublik Deutschland Schutz vor Verfolgung erhalten hätten, seien heute bei einer Rückkehr in die Türkei mit hinreichender Sicherheit keinen Repressalien dieser Art bzw. staatlichen Maßnahmen in diesem Zusammenhang mehr ausgesetzt. Zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe gemäß § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG, aus denen der Kläger die Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ablehnen könnte, lägen nicht vor.

Gegen diesen Widerrufsbescheid, der am 18.7.2008 als Einschreiben zur Post gegeben wurde, hat der Kläger am 4.8.2008 Klage erhoben. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, die Verhältnisse in der Türkei hätten sich nicht so wesentlich geändert, dass sich die Prognose drohender politischer Verfolgung im Falle seiner Rückkehr in die Türkei nicht mehr treffen ließe. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts in dem Urteil vom 20.12.1999 habe er die Türkei vorverfolgt verlassen, so dass vorliegend der herabgesetzte Wahrscheinlichkeitsmaßstab gelte. Die Voraussetzungen der Flüchtlingsanerkennung könnten dementsprechend nur dann wegfallen, wenn er vor künftiger Verfolgung hinreichend sicher sei. Ungeachtet dessen, dass sich die Menschenrechtslage in der Türkei in Teilen verbessert haben möge, sei der Reformprozess keineswegs so weit fortgeschritten, dass eine menschenrechtswidrige Behandlung des Klägers durch türkische Sicherheitsorgane mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne. Soweit überhaupt von einem Mentalitätswandel gesprochen werden könne, habe dieser nicht alle Teile von Polizei, Verwaltung und Justiz vollständig erfasst. Nach wie vor werde Folter angewandt, was insbesondere damit zusammenhänge, dass es an einer effizienten Strafverfolgung gegenüber folternden Beamten fehle. Auch würden erfolterte Geständnisse weiterhin in Gerichtsverfahren als Beweis verwertet. Von einer verfestigten und nachhaltigen Veränderung der Menschenrechtssituation in der Türkei, welche Voraussetzung für einen Widerruf sei, könne daher nicht ausgegangen werden. Hinzu komme, dass im Zuge des aktuellen Widererstarkens von PKK-Aktivitäten entschiedenere Maßnahmen zu deren Bekämpfung gefordert würden. Im Falle des Klägers stehe rechtskräftig fest, dass er vor seiner Ausreise in seiner Heimatregion der Unterstützung der PKK verdächtigt worden und deswegen dort registriert gewesen sei. Selbst in Istanbul sei er deshalb festgenommen und mehrstündigen Misshandlungen ausgesetzt gewesen. Vor erneuten Übergriffen durch die Sicherheitskräfte, insbesondere vor Verhören, die mit Misshandlungen verbunden seien, sei er keineswegs hinreichend sicher. Da er seinerzeit verdächtigt worden sei, die PKK zu unterstützen, würde auch heute noch der Verdacht bestehen, dass er sich während seines langen Auslandsaufenthalts für die PKK betätigt habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gab der Kläger ergänzend an, in der Bundesrepublik Deutschland wie alle anderen Kurden an Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen zu haben.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 17.7.2008 aufzuheben.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Ausführungen in ihrem angefochtenen Bescheid beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13.5.2009 ergangenem Urteil hat das Verwaltungsgericht des Saarlandes die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es im Wesentlichen, das Bundesamt habe zu Recht angenommen, dass die in dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 20.12.1999 hinsichtlich des Klägers für die Türkei bejahten Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG zwischenzeitlich entfallen seien. Zwar sei der Kläger nach den Feststellungen in dem genannten Urteil vorverfolgt ausgereist; indes sei er nunmehr vor künftiger Verfolgung hinreichend sicher. Der Kläger habe wegen seiner Weigerung, Dorfschützer zu werden, heute keine politische Verfolgung mehr zu vergegenwärtigen. Insoweit hätten sich die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse in der Türkei seit dem Erlass des nunmehr aufgehobenen Bescheides maßgeblich zugunsten des Klägers geändert. Allerdings müssten Personen, die den türkischen Behörden als Sympathisanten bzw. Unterstützer linksorientierter oder separatistischer Organisationen bekannt geworden bzw. in einen entsprechenden ernsthaften Verdacht geraten seien, im Rahmen von polizeilichen Ermittlungen in der Türkei mit der Anwendung von Folterpraktiken rechnen, die darauf abzielten, sie wegen ihrer politischen Überzeugung zu treffen und die dem türkischen Staat auch zurechenbar seien. Ein individualisierter, d.h. konkret auf die Person des Klägers bezogener Verdacht der PKK-Unterstützung von Seiten der türkischen Sicherheitskräfte liege jedoch nicht vor. Insoweit sei zunächst maßgeblich, dass der Kläger selbst nie behauptet habe, die PKK unterstützt zu haben. Allein deshalb, weil ihm vor seiner Ausreise im Jahr 1995 wegen der Ablehnung des ihm angetragenen Dorfschützeramtes - wie vielen anderen auch - pauschal unterstellt worden sei, die PKK zu unterstützen, müsse der Kläger heute nicht mehr befürchten, im Falle einer Rückkehr als „Separatist“ behandelt und deshalb Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. Von Bedeutung sei hierbei, dass Personen, die das Dorfschützeramt abgelehnt hätten, mangels strafrechtlicher Relevanz nicht mit Fahndungsmaßnahmen zu rechnen hätten. Hinzu komme, dass mittlerweile - aufgrund einer Anordnung des türkischen Innenministeriums aus dem Jahr 2000 - keine Dorfschützer mehr rekrutiert würden und sich die Lage auch insofern geändert habe. Unter diesen veränderten Umständen und unter Berücksichtigung des langen Zeitablaufs seit seiner Ausreise rechtfertige allein die damalige Weigerung des Klägers, das Dorfschützeramt zu übernehmen, nicht die Annahme, für ihn bestehe die konkrete Gefahr, in einem polizeilichen Verhör Misshandlungen ausgesetzt zu werden, weil man ihn verdächtigen würde, die PKK zu unterstützen. Ein gegen den Kläger selbst gerichteter, hinreichend konkreter Verdacht einer Unterstützung der PKK ergebe sich auch nicht aus seinem sonstigen Vorbringen. Soweit er vorgetragen habe, ihm sei anlässlich des Newrozfestes 1994 vorgeworfen worden, mit seinem Minibus PKK-Anhänger zu transportieren, sei dies - ebenso wie die Versuche, die Bevölkerung zu der Übernahme des Dorfschützeramtes zu bewegen - im Zusammenhang mit dem allgemeinen und im Südosten der Türkei weit verbreiteten Druck auf die Bevölkerung bei der Bekämpfung der PKK zu sehen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seinerzeit von den Heimatbehörden als Sympathisant bzw. Unterstützer der PKK registriert worden sei, seien diesem Vorbringen nicht zu entnehmen.

Gegen das ihm am 25.5.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.6.2009 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat mit Beschluss vom 16.2.2010 - 3 A 383/09 - entsprochen hat.

Zur Begründung der Berufung führte der Kläger mit am 9.3.2010 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG) seien nicht entfallen. Aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 20.12.1999 stehe rechtskräftig fest, dass er in seiner Heimatregion der Unterstützung der PKK verdächtigt worden und deshalb dort registriert gewesen sei. Selbst in Istanbul sei er deshalb festgenommen und mehrstündigen Misshandlungen ausgesetzt worden. Demgemäß sei er auch im Westen der Türkei latent der Gefahr erneuter Festnahmen und Misshandlungen ausgesetzt gewesen. Demzufolge gelte bei der Beurteilung der Frage, ob die Anerkennungsvoraussetzungen entfallen seien, der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Zu Unrecht habe sich das angegriffene Urteil darauf beschränkt, die Voraussetzungen der Anerkennung als deshalb entfallen anzusehen, weil der Kläger wegen seiner Weigerung, Dorfschützer zu werden, keine politische Verfolgung mehr zu vergegenwärtigen habe. Im Hinblick darauf, dass gegenüber dem Kläger ein individualisierter, d.h. konkret auf seine Person bezogener Verdacht der PKK-Unterstützung auf Seiten der türkischen Sicherheitskräfte vorgelegen habe, sei auch heute noch davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr in die Türkei vor politischer Verfolgung nicht hinreichend sicher sei. Auch heute noch müssten Personen, die den türkischen Behörden als Sympathisanten bzw. Unterstützer linksorientierter oder separatistischer Organisationen bekannt geworden bzw. in einen entsprechenden ernsthaften Verdacht geraten seien, im Rahmen von polizeilichen Ermittlungen in der Türkei mit der Anwendung von Folterpraktiken rechnen, die darauf abzielten, sie wegen ihrer politischen Überzeugung zu treffen und die dem türkischen Staat auch zurechenbar seien. Von einer nachhaltigen und verfestigten Verbesserung der Menschenrechtslage könne in der Türkei nach wie vor nicht ausgegangen werden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13.5.2009 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 6 K 742/08 - den Bescheid der Beklagten vom 17.7.2008 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, nach dem Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei des Auswärtigen Amtes vom 29.6.2009 sei davon auszugehen, dass der als vorverfolgt geltende Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei hinreichend sicher vor erneuter Verfolgung sei. Nach diesem Lagebericht sei dem Auswärtigen Amt in den letzten Jahren kein Fall bekannt geworden, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt worden sei. Dies gelte auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen. Seitens türkischer Menschenrechtsorganisationen sei ebenfalls kein Fall benannt worden, in dem politisch nicht in Erscheinung getretene Rückkehrer oder exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen menschenrechtswidriger Behandlung durch staatliche Stellen ausgesetzt gewesen seien. Dies entspreche auch den Auskünften zahlreicher anderer europäischer Staaten.

Aufgrund eines Runderlasses des türkischen Innenministeriums vom 18.12.2004 dürften keine Suchvermerke mehr ins Personenstandsregister eingetragen werden. Angaben türkischer Behörden zufolge seien Mitte Februar 2005 alle bestehenden Suchvermerke in den Personenstandsregistern gelöscht worden.

Nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung sei zudem zu berücksichtigten, dass bei Prüfung eines fortbestehenden Anspruchs auf die Flüchtlingsanerkennung nicht mehr auf das richterrechtlich entwickelte Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe abzustellen sei, vielmehr darauf, ob die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 QualRL widerlegt sei. Diese könne im Einzelfall selbst dann widerlegt sein, wenn nach herkömmlicher Betrachtung keine hinreichende Sicherheit im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bestünde. Umgekehrt gelte allerdings weiter, dass in jedem Fall, in dem hinreichende Sicherheit festzustellen sei, immer auch das Kriterium der Widerlegung der durch Art. 4 Abs. 4 QualRL ausgelösten Vermutung erfüllt sei, weil in diesem Fall entsprechend stichhaltige Gründe vorlägen.

Gemäß Beschlüssen vom 16.7.2010 und 10.9.2010 hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung von Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes, von amnesty international sowie des Sachverständigen Kamil Taylan. Wegen der Einzelheiten sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die vorgenannten Beschlüsse sowie die entsprechenden Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes vom 13.10.2010, von amnesty international vom 31.1.2011 und von Kamil Taylan vom 11.2.2011 verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Verfahrens 6 K 136/98.A des Verwaltungsgerichts des Saarlandes sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Ausländerbehörde Bezug genommen, welcher ebenso wie die bei Gericht geführte Dokumentation Türkei, insbesondere hinsichtlich der in der Anlage zur Sitzungsniederschrift bezeichneten Teile, Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 17.7.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zu dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sind die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG für den Widerruf der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. gegeben. Das Bundesamt hat auch zu Recht festgestellt, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Widerrufsentscheidung ist § 73 AsylVfG in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2.9.2008 (BGBl. I S. 1798).

Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die – hier streitgegenständliche - Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (i. S. d. § 60 Abs. 1 AufenthG bzw. bis zum 1.1.2005 des § 51 Abs. 1 AuslG) unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Nach § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG gilt Satz 2 nicht, wenn sich der Ausländer auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in den Staat abzulehnen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.

Zunächst ist festzustellen, dass der Widerruf nicht an einem formellen Mangel leidet. Er entspricht insoweit den maßgeblichen Anforderungen des § 73 AsylVfG. Insbesondere ist die beabsichtigte Entscheidung über den Widerruf entsprechend § 73 Abs. 4 AsylVfG dem Kläger zuvor schriftlich mitgeteilt und ihm Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden. Auch begegnet die angefochtene Entscheidung weder im Hinblick auf die Unverzüglichkeit des Widerrufs im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG noch im Hinblick auf die Jahresfrist nach § 49 Abs. 2 Satz 2, § 48 Abs. 4 VwVfG Bedenken. Das Gebot der Unverzüglichkeit dient nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausschließlich öffentlichen Interessen, so dass ein etwaiger Verstoß dagegen keine Rechte des betroffenen Ausländers verletzt

vgl. BVerwG, Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 -, BVerwGE 126, 243.

Das Bundesverwaltungsgericht hat auch bereits entschieden, dass die Jahresfrist nach § 49 Abs. 2 Satz 2, § 48 Abs. 4 VwVfG jedenfalls in den Fällen keine Anwendung findet, in denen - wie hier - die Flüchtlingsanerkennung innerhalb der Drei-Jahres-Frist des § 73 Abs. 2 a AsylVfG widerrufen wird

vgl. BVerwG, Urteil vom 12.6.2007 - 10 C 24.07 -, Buchholz 204.25 § 73 AsylVfG Nr. 28 m.w.N..

Diese Vorschrift enthält eine bereichsspezifische Sonderregelung, welche die allgemeine Widerrufsfrist nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz verdrängt und auch für Altanerkennungen gilt.

Der angefochtene Bescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil das Bundesamt kein Ermessen ausgeübt hat. Nach § 73 Abs. 7 AsylVfG ist in Fällen wie dem vorliegenden keine Ermessensentscheidung erforderlich

Vgl. ausführlich BVerwG, Urteile v. 24.2.2011 – 10 C 3/10 – u.a. sowie Urteile v. 1.6.2011 – 10 C 10.10 – u. – 10 C 25.10 -, juris.

Das Bundesamt hat im Ergebnis auch zu Recht das Vorliegen der materiell-rechtlichen Widerrufsvoraussetzungen nach § 73 Abs. 1 AsylVfG bejaht, der im Lichte der Richtlinie 2004/83/EG des Rates der Europäischen Union vom 29.4.2004 (sog. „Qualifikationsrichtlinie“) und unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Grundsatzurteil vom 2.3.2010 (Rs C-175/08, C-176/08, C-178/08 und C-179/08, Abdulla u.a. - InfAuslR 2010, 188) auszulegen ist und zwar auch in Fällen, in denen die zugrunde liegenden Schutzanträge - wie hier - vor dem Inkrafttreten der Richtlinie gestellt worden sind.

Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft insbesondere zu widerrufen, wenn in Anbetracht einer erheblichen und nicht nur vorübergehenden Veränderung der Umstände im Herkunftsland diejenigen Umstände, aufgrund derer der Betreffende begründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG genannten Gründe hatte und als Flüchtling anerkannt worden war, weggefallen sind und er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor „Verfolgung“ im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG haben muss

vgl. dazu im Einzelnen BVerwG, Urteil v. 24.2.2011 – 10 C 3/10 –, a.a.O..

In seinen jüngsten Urteilen vom 1.6.2011 – 10 C 10.10 und 10 C 25.10 – hat das Bundesverwaltungsgericht insoweit nochmals hervorgehoben, dass eine erhebliche Veränderung der verfolgungsbegründenden Umstände im vorgenannten Sinne voraussetzt, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland mit Blick auf die Faktoren, aus denen die zur Flüchtlingsanerkennung führende Verfolgungsgefahr hergeleitet worden ist, deutlich und wesentlich geändert haben. In der vergleichenden Betrachtung der Umstände im Zeitpunkt der Flüchtlingsanerkennung und der für den Widerruf gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Sachlage muss sich durch neue Tatsachen eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben. Die Neubeurteilung einer im Kern unveränderten Sachlage reicht nicht aus, selbst dann nicht, wenn die andere Beurteilung auf erst nachträglich bekannt gewordenen oder neuen Erkenntnismitteln beruht

vgl. zu letzterem auch BVerwG, Urteil vom 1.11.2005 -1 C 21/04 -, DVBl. 2006, 511.

Es muss feststehen, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung führten, beseitigt sind und diese Beseitigung als dauerhaft angesehen werden kann. Ändern sich die der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände und erscheint die ursprüngliche Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG deshalb nicht mehr als begründet, kann der Betreffende es nicht mehr ablehnen, den Schutz seines Herkunftslands in Anspruch zu nehmen, soweit er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor „Verfolgung“ im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie haben muss. Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dabei dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offen zu legen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweisen muss, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist. Für den nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie dem Mitgliedstaat obliegenden Nachweis, dass eine Person nicht länger Flüchtling ist, reicht nicht aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt kurzzeitig keine begründete Furcht vor Verfolgung (mehr) besteht. Die erforderliche dauerhafte Veränderung verlangt dem Mitgliedstaat vielmehr den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen für die Prognose ab, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d.h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen im Herkunftsstaat nachhaltiger Schutz geboten wird, nicht (erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. Eine Garantie der Kontinuität veränderter politischer Verhältnisse auf unabsehbarer Zeit kann indes nicht verlangt werden.

Die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft wegen Veränderungen im Herkunftsland verhält sich grundsätzlich spiegelbildlich zur Anerkennung. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit des Weiteren ausgeführt, dass wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft seit der Umsetzung der in Art. 11 und 14 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben an der bisherigen, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung zu § 73 AsylVfG nicht mehr festgehalten werden kann, vielmehr unionsrechtlich beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose nunmehr ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab im Sinne einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit gilt, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung erlitten hat. Die Richtlinie 2004/83/EG kennt nur diesen einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zur Beurteilung der Verfolgungsgefahr unabhängig davon, in welchem Stadium - Zuerkennen oder Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft - diese geprüft wird

vgl. zu allem Vorstehenden BVerwG, Urteile vom 1.6.2011 – 10 C 10.10 u. 10 C 25.10 – m.w.N. sowie EuGH, Urt. vom 2.3.2010, Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a., juris.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist demnach bei der Prüfung eines fortbestehenden Anspruchs auf die Flüchtlingsanerkennung nicht mehr auf den Maßstab einer hinreichenden Sicherheit vor weiterer Verfolgung abzustellen. Das Bundesverwaltungsgericht ist in den vorgenannten Entscheidungen vielmehr von seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung verlangt wurde, dass eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen war, ausdrücklich abgerückt.

Der sog. herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit ist insoweit durch die Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ersetzt worden, die gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 11 AufenthG sowohl für den Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG als auch für die weiteren unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsverbote des § 60 AufenthG gilt

vgl. BVerwG, Urteile vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 -, OVG Münster, Urteil vom 17.8.2010 - 8 A 4063/06.A -, juris.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der spätere Wegfall der Verfolgungsgefahr durch einen Wechsel oder eine Änderung der politischen Verhältnisse im Heimatstaat zwar den Hauptanwendungsfall des § 73 Abs. 1 AsylVfG darstellt, die Anwendung dieser Bestimmung aber nicht hierauf beschränkt ist, vielmehr der nachträgliche Wegfall aller Voraussetzungen für die Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung hiervon erfasst wird, etwa auch Veränderungen in der Person des Begünstigten

vgl. dazu ausführlich OVG Niedersachsen, Urt. v. 11.8.2010 - 11 LB 405/08 -, juris.

Die zuständigen Behörden und Gerichte müssen sich mit Blick auf die individuelle Lage des Flüchtlings vergewissern, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.2.2011 - 10 C 5/10 - sowie EuGH, Urteil vom 2.3.2010 a.a.O.;

Dementsprechend ist bei der nach den vorgenannten Kriterien gebotenen Prüfung, ob die Anerkennungsvoraussetzungen nachträglich im Sinne des § 73 Abs. 1 AsylVfG weggefallen sind, die allgemeine Situation im Heimatstaat des Berechtigten in den Blick zu nehmen, hierauf aufbauend aber auf die individuelle Situation des als Flüchtling anerkannten Ausländers abzustellen, dem dieser Status wieder entzogen werden soll. In Abhängigkeit von den Umständen, die zur Zuerkennung des jeweiligen Schutzstatus geführt haben, sind auch die Anforderungen an die Verbesserung der Lage im Heimatstaat und an eine Gefährdung im Falle einer Rückkehr individuell zu bewerten. Entscheidend für einen Widerruf ist die Feststellung, dass sich die für die Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse erheblich und nicht nur vorübergehend verbessert haben und deshalb jedenfalls im Falle des konkret betroffenen Flüchtlings keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer erneuten Verfolgung mehr besteht. Hingegen ist für den Widerruf nicht erforderlich, dass im Herkunftsland des betroffenen Ausländers nunmehr umfassender Schutz vor Verfolgung gewährt wird oder es zumindest bei allen Angehörigen der Gruppe, der auch der betroffene Ausländer angehört, zu keinen asyl- bzw. flüchtlingsrelevanten Übergriffen mehr kommt

vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 11.8.2010 - 11 LB 405/08 -, juris.

Ist eine grundlegende Änderung der verfolgungsrelevanten Umstände im vorgenannten Sinne zu bejahen, so ist es für den Widerruf des Weiteren unerheblich, ob die Flüchtlingsanerkennung zu Recht erfolgt war

vgl. BVerwG, Urteil vom 25.8.2004 - 1 C 22.03 -, NVwZ 2005, 89.

Ausgehend davon ist ein Wegfall der der Flüchtlingsanerkennung des Klägers zugrunde liegenden Verfolgungsgefahr anzunehmen.

Der Kläger wurde mit Bescheid vom 10.3.2000 als Flüchtling anerkannt, weil das Verwaltungsgericht des Saarlandes in dem Urteil vom 20.12.1999 - 6 K 136/98.A - davon ausgegangen war, dass der Kläger in seiner Heimatregion einer Unterstützung der PKK verdächtigt worden und bei den Heimatbehörden als Verdächtiger registriert gewesen sei. Im Jahre 1994 sei er anlässlich des Newrozfestes bei einer Verkehrskontrolle festgenommen und unter dem Vorwurf, mit seinem Minibus PKK-Mitglieder und Lebensmittel für diese transportiert zu haben, zwei Tage lang verhört worden. Er sei mit dem Gewehrkolben geschlagen worden, so dass er einen Bruch der Wangenknochen davon getragen habe. Kurz vor seiner Ausreise sei er bei einer allgemeinen Kontrolle in Istanbul erneut von Sicherheitskräften mitgenommen und nach einer Überprüfung seiner Personalien erheblich misshandelt worden.

Diese die Verfolgungsfurcht des Klägers begründenden Umstände können als dauerhaft beseitigt angesehen werden.

Seit der Flüchtlingsanerkennung des Klägers im März 2000 haben sich - wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt - Rechtslage und Menschenrechtssituation in der Türkei - nicht zuletzt mit Blick auf den angestrebten EU-Beitritt des Landes - deutlich zum Positiven verändert, so dass im konkreten Fall des Klägers – auch unter Berücksichtigung der vorgetragenen exilpolitischen Aktivitäten – keine beachtliche Gefahr von politischer Verfolgung mehr besteht.

Die rechtliche Entwicklung der vergangenen Jahre in der Türkei ist gekennzeichnet durch einen tiefgreifenden Reformprozess, der wesentliche Teile der Rechtsordnung (besonders im Strafrecht, aber auch im Zivil- oder Verfassungsrecht) erfasst hat und auf große Teile der Gesellschaft ausstrahlt

vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Lagebericht) vom 8.4.2011.

Zwischen 2002 und 2005 wurden insgesamt acht Reformpakete zur Änderung der Verfassung, der Strafprozessordnung und weiterer Gesetzte verabschiedet

vgl. ai, Länderbericht Türkei, Stand: Dezember 2010 sowie

ai Report 2011: zur weltweiten Lage der Menschenrechte (Türkei).

Abgesehen von der Beendigung des Notstandsregimes, in dessen Folge die Verfahrensgarantien gegenüber den Sicherheitsbehörden in den hiervon betroffenen Gegenden massiv eingeschränkt waren, sind insbesondere die gesetzlichen Schutzmaßnahmen wie die Regeln über die Verstärkung der Verteidigerrechte, den Zugang zu einem Rechtsbeistand, die zeitlichen Vorgaben bis zur obligatorischen Vorführung eines Festgenommenen vor ein Gericht, die Regeln über die ärztliche Untersuchung eines Festgenommenen und die Straferhöhung für Foltertäter zu nennen

vgl. Fortschrittsbericht der EU vom 6.11.2007; Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 8.4.2011; European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT), Bericht vom 6.9.2006, S. 11 f., http://www.cpt.coe.int/documents/tur/2006-30-inf-eng.pdf.

Zu dem Reformpaket gehören auch die Ausweitung der Minderheitenrechte vor allem für die Kurden und die Stärkung von Meinungsfreiheit. Die türkische Regierung hat zudem wiederholt betont, dass sie gegenüber Folter eine „Null-Toleranz“-Politik verfolge. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird insoweit gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die entsprechenden zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid vom 17.7.2008 verwiesen.

Das politische System insgesamt hat sich in den letzten Jahren verändert. Die Bedeutung des Militärs und der Sicherheitskräfte ist zurückgegangen

vgl. Auswärtiges Amt Lagebericht Türkei vom 8.4.2011

Im Jahr 2010 fand ein Verfassungsreferendum statt, das weitere Fortschritte vorsieht. Insbesondere wurde eine Individualbeschwerdemöglichkeit vor dem Verfassungsgericht eingeführt. Das Verfassungsgericht wurde zudem mit der Gerichtsbarkeit auch gegenüber den Oberbefehlshabern des Militärs, welche bislang vor den Zivilgerichten fehlte, betraut

vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 8.4.2011, S. 6.

Auch hat sich die allgemeine Sicherheitslage in den Kurdengebieten im Südosten der Türkei verbessert. Das Notstandsregime, das in 13 Provinzen galt, wurde mit der Aufhebung des Notstands in den letzten Notstandsprovinzen Diyarbakir und Sirnak im November 2002 beendet. Ein Teil der abgewanderten oder infolge der militärischen Maßnahmen zur Bekämpfung der PKK zwangsevakuierten Bevölkerung hat danach begonnen, in die Heimat zurückzukehren

vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte Türkei vom 11.1.2007 und vom 3.5.2005.

Die türkische Regierung hat erkannt, dass die Probleme im Südosten nicht allein mit militärischen Mitteln überwunden werden können. So wurden außer der geplanten wirtschaftlichen Aufbauhilfe für die strukturschwachen Gebiete im Südosten im Rahmen des Programms zur demokratischen Öffnung, das derzeit allerdings zum Stillstand gekommen ist, der kurdischen Bevölkerung kulturelle Rechte in Bezug auf die kurdische Sprache eingeräumt, wie Fernsehsendungen auf kurdisch und Lehr- und Studienangebote für die kurdische Sprache

vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 8.4.2011, S. 11, 12.

Allerdings wird in den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen übereinstimmend nach wie vor von Defiziten, insbesondere im rechtsstaatlichen Bereich, im Bereich der Meinungs- und Pressefreiheit sowie im Bereich der Achtung der Menschenrechte durch die Sicherheitsbehörden berichtet. Der türkischen Regierung ist es bislang nicht gelungen, Folter und Misshandlung vollständig zu unterbinden. Vor allem beim Auflösen von Demonstrationen kam es bis in jüngste Zeit zu übermäßiger Gewaltanwendung. Es gibt zudem Anzeichen dafür, dass die im Falle einer Festnahme vorgesehenen gesetzlichen Schutzinstrumentarien zuweilen unbeachtet bleiben. Die Ahndung von Misshandlung und Folter ist noch nicht zufriedenstellend

vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 8.4.2011, S. 7 ff.; Schweizer Flüchtlingshilfe, Helmut Oberdiek, Türkei, update: Aktuelle Entwicklungen, 9.10.2008; Fortschrittsbericht Türkei der EU vom 6.11.2007; ai, Länderbericht Türkei, Stand: Dezember 2010; U.S. Departement of State, 2010, Human Rights Report: Turkey vom 8.4.2011, http://www.state.gov/g/drl/rls/hrrtt/2010/eur/154455.htm.

So berichtet etwa das Auswärtige Amt, dass Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit, welche verfassungsrechtlich garantiert seien, nach wie vor aufgrund verschiedener, teils unklarer Rechtsbestimmungen Einschränkungen unterlägen. Ehemalige Tabuthemen, etwa die Kurdenfrage betreffend, könnten jedoch mittlerweile offener diskutiert werden. Auch lägen weiterhin Hinweise vor, dass die verfassungsrechtlich verankerte Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz sowie die rechtsstaatlichen Garantien im Strafverfahren nicht immer konsequent eingehalten würden

vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 8.4.2011.

Des Weiteren sei es der türkischen Regierung trotz zahlreicher gesetzgeberischer Maßnahmen zur Verhinderung von Folter (etwa auch der Erhöhung der Strafandrohung) und trotz nachweisbarer Verbesserungen bislang nicht gelungen, Folter und Misshandlung vollständig zu unterbinden. Seit 2008 habe sich jedoch die vormals zögerliche Haltung bezüglich der Verfolgung von Soldaten, Gendarmen und Polizeibeamten nachweisbar verbessert, wenn es auch vor allem mangels Kooperation der Behörden bei der Tatsachenfeststellung nur in Einzelfällen tatsächlich zu Verurteilungen gekommen sei. Nach Angaben von Menschenrechtsverbänden sei jedoch die Zahl der Beschwerden und offiziellen Vorwürfe, die in Zusammenhang mit mutmaßlichen Folter- und Misshandlungsfällen stehen, 2010 landesweit zurückgegangen. So seien bis Ende November 2010 insgesamt 161 (2009: 252, 2088: 269) Personen registriert worden, die im selben Jahr gefoltert oder unmenschlich behandelt worden seien. Hinsichtlich der Folter in Gefängnissen habe sich die Situation in den letzten Jahren erheblich verbessert; es würden weiterhin Einzelfälle zur Anzeige gebracht, vor allem in Gestalt von körperlicher Misshandlung und psychischem Druck wie Anschreien und Beleidigungen. Straflosigkeit der Täter in Folterfällen sei weiterhin ein ernst zu nehmendes Problem. Auch kämen nach wie vor willkürliche kurzfristige Festnahmen, etwa im Rahmen von Demonstrationen vor, die von offizieller Seite regelmäßig mit dem Hinweis auf die angebliche Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bzw. Verbreitung von Propaganda einer kriminellen Organisation gerechtfertigt würden. Des Weiteren sei es 2010 zu über 27 sog. extra-legalen Tötungen durch Sicherheitskräfte gekommen

vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 8.4.2011.

Die vorstehend dargestellten Erkenntnisse des Auswärtigen Amtes stimmen in den Grundzügen mit denjenigen von amnesty international überein, wenn auch etwa die Anzahl der im Jahr 2010 verzeichneten Folteropfer von der vom Auswärtigen Amt mitgeteilten Zahl abweicht und ai die mitgeteilten Fakten etwas kritischer bewertet. Auch nach Angaben von ai gab es in der Türkei seit etwa 2002 verstärkte Bemühungen, den Beitrittsprozess zur EU durch Reformen in den Bereichen Demokratie und Menschenrechte voranzubringen. Seit Mitte 2005 sei jedoch eine deutliche Verlangsamung der Reformbemühungen festzustellen, in einigen Bereichen habe es sogar Rückschritte gegeben. Durchaus vorhandene Ansätze zu einer politischen Lösung der Kurdenfrage seien ebenfalls ins Stocken geraten. Geprägt seien die Auseinandersetzungen um die Rechte der Kurden auch von den Aktivitäten der PKK, die nicht nur - inzwischen mit reduzierter Intensität - einen bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat führe, sondern auch, zumindest in der Vergangenheit vor Bombenanschlägen gegen die Zivilbevölkerung nicht zurückgeschreckt sei. Die Reformpakete, die in den Jahren 2002 bis 2005 verabschiedet worden seien, hätten wichtige Mechanismen zum Schutz Festgenommener vor Folter enthalten. Dennoch seien auch danach noch Folter und Misshandlungen in Polizeihaft, außerhalb offizieller Haftorte und auch in Gefängnissen zu verzeichnen. Die im Jahre 2010 umgesetzten Änderungen der Verfassung und des Antiterrorgesetzes seien ein weiterer Schritt hin zum Schutz der Menschenrechte gewesen, der notwendige grundlegende Wandel sei damit jedoch nicht vollzogen worden. Ermittlungen und Strafverfahren gegen Beamte mit Polizeibefugnissen in Folterfällen seien noch immer ineffektiv, wenn auch inzwischen eine vielbeachtete Verurteilung von Polizisten zu hohen Haftstrafen stattgefunden habe, die den Tod eines Festgenommenen verursacht hätten. Die Meinungsfreiheit werde in der Türkei noch immer durch zahlreiche Gesetze und deren sehr weite Auslegung durch die Gerichte eingeschränkt.

vgl. ai, Länderbericht Türkei, Stand: Dezember 2010 sowie

ai Report 2011: zur weltweiten Lage der Menschenrechte (Türkei).

Ähnlich wie ai äußert sich auch Helmut Oberdiek für die Schweizerische Flüchtlingshilfe

vgl. Oberdiek, Türkei, Zur aktuellen Situation – Oktober 2007.

Neben demnach immer noch vorkommenden Fällen von Folter und Misshandlungen ist nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen auch die Kurdenfrage nach wie vor ein Problem der türkischen Innenpolitik. Zur Entwicklung in den letzten Jahren sowie der Stellung der PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen kann zunächst auf die entsprechenden ausführlichen Darlegungen im angefochtenen Bescheid verwiesen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO). Auch aus den neueren Erkenntnissen geht hervor, dass in den kurdisch geprägten Regionen im Südosten des Landes trotz der von Staatspräsident Gül und Ministerpräsident Ergodan im Jahr 2009 initiierten „Demokratischen Öffnung“ (zuvor „Kurdischen Öffnung“), die auf eine Lösung der Probleme des Südostens zielte und politische, wirtschaftliche und soziokulturelle Maßnahmen beinhaltete, weiterhin Spannungen zu verzeichnen sind. So wurden etwa in der Provinz Diyarbakir, aus der der Kläger stammt, auch in jüngerer Zeit Versammlungen gewaltsam aufgelöst und von Menschenrechtsorganisationen kritisch bewertete (Massen)Prozesse wegen des Verdachts der PKK-Unterstützung eingeleitet. Immer noch gibt es Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften. Allerdings haben diese sich im Vergleich zu den 90er Jahren in erheblichem Umfang reduziert und betreffen auch nicht die gesamte von Kurden bewohnte Region. Insgesamt hat sich die Härte des Einsatzes der Sicherheitskräfte, die bei ihrem Kampf gegen die PKK in den 90er Jahren die Bevölkerung im Südosten erheblich in Mitleidenschaft gezogen hatten, in den letzten Jahren deutlich verringert.

vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 8.4.2011; sowie zusammenfassendes Protokoll der Gesprächsreise von Rechtsanwalt Tahir Elci im Juni 2010.

Die Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bieten keinen Anlass zu einer anderen Bewertung.

Zusammenfassend ist demnach festzuhalten, dass in der Türkei seit der Flüchtlingsanerkennung des Klägers tiefgreifende Reformen stattgefunden haben und die gesetzgeberischen und politischen Maßnahmen der letzten 10 Jahre im Hinblick auf die Menschenrechtslage deutliche Veränderungen zum Positiven bewirkt haben, auch wenn, wie dargelegt, die erreichten Standards in verschiedener Hinsicht nicht denen Westeuropas entsprechen. Der Reformprozess dauert inzwischen schon ca. ein Jahrzehnt an und wird prinzipiell weitergeführt. Die Türkei strebt nach wie vor eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union an und hat sich daher den sog. Kopenhagener Kriterien unterworfen. Der Reformprozess unterliegt insofern einer Kontrolle, als die Europäische Union turnusgemäß über die erreichten Fortschritte berichtet und den Fortschrittsbericht veröffentlicht. Von daher sind die seit der Flüchtlingsanerkennung des Klägers in der Türkei stattgefundenen Veränderungen durchaus als dauerhaft einzustufen, auch wenn es – wie ai und Helmut Oberdiek anmerken – in Einzelpunkten im Laufe der Jahre auch Rückschritte gegeben hat und der Reformprozess, was die Lösung der Kurdenfrage betrifft, seit Mai 2010 stagniert.

Ob angesichts der dargestellten Verhältnisse in der Türkei allerdings generell die Feststellung getroffen werden kann, dass - wie im angefochtenen Bescheid angenommen - türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit, die sich Verfolgungsmaßnahmen wegen tatsächlicher, unterstellter oder vermeintlicher Unterstützung der kurdischen Guerilla mit Bedarfsartikeln, Beherbergung oder ähnlichem, oder dem Zwang zur Übernahme eines Dorfschützeramtes oder sonstiger Repressalien im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den Sicherheitskräften durch Flucht ins Ausland entzogen hatten, heute bei einer Rückkehr in die Türkei mit hinreichender Sicherheit keinen Repressalien dieser Art bzw. staatlichen Maßnahmen in diesem Zusammenhang mehr ausgesetzt sind, erscheint fraglich. Dies kann jedoch vorliegend dahinstehen.

Denn für den Widerruf einer Flüchtlingsanerkennung ist - wie dargelegt - nicht die Feststellung erforderlich, dass es im Heimatland des betroffenen Ausländers ausnahmslos oder zumindest bei allen Angehörigen der Gruppe, der der betroffene Ausländer angehört, zu keinen asyl- bzw. flüchtlingsrelevanten Übergriffen mehr kommt. Vielmehr ist in Abhängigkeit von den konkreten Umständen, die zur Zuerkennung des jeweiligen Schutzstatus geführt haben, festzustellen, dass sich diese Verhältnisse erheblich und nicht nur vorübergehend verbessert haben und dass deshalb jedenfalls der konkret betroffene vorverfolgte Asylberechtigte nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erneute Verfolgung zu befürchten hat

vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 11.8.2010 - 11 LB 405/08 - sowie Beschluss vom 12.4.2010 - 11 LA 54/10 -; in diesem Sinne wohl auch BVerwG, Urt. v. 24.2 2011 – 10 C 5/10 -, juris, wonach sich die zuständigen Behörden und Gerichte mit Blick auf die individuelle Lage des Flüchtlings vergewissern müssen, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können.

Bezogen auf die individuelle Situation des Klägers haben die vorstehend dargestellten Änderungen der Rechtslage und Menschenrechtssituation in der Türkei und die damit einhergehende Entspannung der Verhältnisse auch im Südosten des Landes seit der Flüchtlingsanerkennung aber jedenfalls eine solche Auswirkung, dass nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass der Kläger im Zusammenhang mit den Vorgängen, die 1994 und 1995 zu Misshandlungen führten, weiterhin bzw. erneut polizeiliche oder sonstige behördliche Maßnahmen von asylerheblicher Intensität befürchten muss. Als Flüchtling anerkannt wurde der Kläger – wie ausgeführt - vor allem im Hinblick auf die Annahme, dass er 1994 bei den Heimatbehörden als möglicher Sympathisant der PKK registriert war, weil man ihn verdächtigte, für diese Transporte durchzuführen. Bei der anzustellenden Prognose einer dem Kläger heute noch drohenden Verfolgungsgefahr fällt zunächst ins Gewicht, dass die dem Kläger im Jahr 1994 vorgehaltenen vermeintlichen Unterstützungshandlungen für die PKK in Gestalt gelegentlicher Transportfahrten nur untergeordneter Natur waren und es – da der Vorwurf eigenen Angaben des Klägers zufolge unbegründet war - dafür auch keinerlei Beweise gab, weshalb man ihn jeweils nach kurzer Zeit auch wieder freigelassen habe. Zudem liegen die Vorwürfe mittlerweile mehr als sechzehn Jahre zurück. Darüber hinaus wäre die dem Kläger ehemals vorgeworfene Unterstützung der PKK durch gelegentliche Transportfahrten heute nach türkischem Strafrecht ohnehin nicht mehr zu verfolgen. In Betracht gekommen wäre zur vermeintlichen Tatzeit insoweit eine Bestrafung gemäß Art. 169 Türkisches StGB (TStGB) von 1926 wegen Unterstützung einer bewaffneten Organisation und zwar mit einer Strafe von 4,5 bis 7,5 Jahren (Art. 159 i.V.m. Art. 4, 5 Antiterrorgesetz). Diese Tat wäre aber unter die Amnestie vom 21.12.2000 durch das Gesetz Nr. 4616 (betreffend bedingte Freilassungen und die Aussetzung von Strafverfahren sowie von der Vollstreckung von Strafen im Falle von bis zum 23. April 1999 begangener Straftaten) gefallen. Diese gewährte einen Straferlass von zehn Jahren, was bei Straftaten mit einer Strafe unter zehn Jahren eine Straffreistellung bedeutete

vgl. Gutachten Dr. Silvia Tellenbach an das VG Osnabrück vom 26.11.2006 sowie an das VG Freiburg vom 4.6.2007; Serafettin Kaya an VG Berlin vom 9.8.2006 und an OVG Nordrhein-Westfalen vom 9.6.2009 und vom 22.7.2009.

Auch nach Angaben des Sachverständigen Kamil Taylan in seinem Gutachten für den Senat vom 11.2.2011 ist die vom Kläger in diesem Verfahren berichtete tatsächliche oder vermeintliche Unterstützung der PKK mit Bedarfsartikeln, Beherbergung von PKK-Aktivisten o.ä. in den 90er Jahren heute als Delikt im Sinne des TStGB verjährt. Diese Verjährung betrifft nach den Ausführungen des Sachverständigen auch die Ablehnung eines Dorfschützeramtes bzw. einer Zusammenarbeit mit den türkischen Sicherheitskräften, „auch durch Flucht ins Ausland“.

Damit wären die dem Kläger im Jahr 1994 unterstellten gelegentlichen Transporte von PKK-Anhängern bzw. Lebensmitteln für die PKK mittlerweile jedenfalls straffrei.

Auch sind dem Gutachter Kamil Taylan keine aktuellen Verfahren gegen in die Türkei zurückgekehrte Personen bekannt, die, wie der Kläger, bis Ende der 90er Jahre in den Verdacht geraten sind, die PKK mit Bedarfsartikeln, Beherbergungen oder ähnlichem unterstützt zu haben und deswegen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren

vgl. Kamil Taylan, Gutachten an das OVG des Saarlandes vom 11.2.2011.

Damit vergleichbar hält auch der Gutachter Serafettin Kaya die Gefahr für eine im Jahr 1995 wegen der Unterstützung der TDKP in Verdacht geratene Person, die, ebenso wie vorliegend der Kläger, nicht verurteilt worden war, im Falle einer Rückkehr nicht für beachtlich wahrscheinlich

vgl. Serafettin Kaya, Gutachten an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 9.6.2009 und vom 22.7.2009.

Soweit der Kläger darüber hinaus als mitursächlich für seine Ausreise angegeben hat, dass er sich dem auf ihn ausgeübten Druck zur Übernahme des Dorfschützer-amtes habe entziehen wollen, was allerdings ausweislich der Entscheidungsgründe des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 20.12.1999 für die Flüchtlingsanerkennung des Klägers nicht von Bedeutung war, droht ihm in diesem Zusammenhang im Falle einer Rückkehr ebenfalls keine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass die Ablehnung der Übernahme des Dorfschützeramtes keine strafrechtliche Relevanz besitzt

vgl. ai an OVG Münster vom 17.12.2004.

Darüber hinaus haben sich die Verhältnisse in der Türkei seit der Ausreise des Klägers auch betreffend die Dorfschützerproblematik grundlegend geändert, so dass nicht angenommen werden kann, dass der Kläger heute insoweit nochmals Beeinträchtigungen ausgesetzt sein könnte. Denn seit dem Frühjahr 2000 wird das System der Dorfschützer in der zuvor praktizierten Form nicht mehr aufrecht erhalten. Mit Runderlass des Innenministeriums an die Gouverneursämter der Provinzen vom 24.4.2000 wurde angeordnet, dass keine neuen „vorläufigen“ Dorfschützer mehr eingestellt werden. Durch Kündigung, Tod oder andere Gründe freiwerdende Stellen vorläufiger Dorfschützer werden nicht mehr besetzt

vgl. Serafettin Kaya, Gutachten vom 28.1. 2007 an das VG Aachen; ai an OVG Münster vom 17.12.2004.

Diese Anordnung des Innenministeriums wird seitdem ersichtlich auch eingehalten. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Anordnung in absehbarer Zeit außer Kraft gesetzt wird oder ihre Bedeutung verliert. Denn die Bedingungen, deretwegen das Dorfschützersystem seinerseits geschaffen und ausgebaut wurde, haben sich - wie oben bereits ausgeführt - inzwischen wesentlich geändert. Das Mitte der 80er Jahre geschaffene und in den 90er Jahren weiter ausgebaute System diente u. a. dazu, die Dorfbewohner in den vier Notstandsprovinzen (Diyarbakir, Hakkari, Mardin, Siirt) und später - entsprechend der Ausweitung der Guerillatätigkeit - auch in weiteren Provinzen mit starker kurdischer Bevölkerung als „verlängerten Arm“ der Sicherheitskräfte vor Ort zu rekrutieren und damit zugleich die kurdische Bevölkerung zu spalten. Seit der Entspannung der Situation und dem Rückgang der Guerillatätigkeit im Südosten der Türkei und der von der türkischen Regierung verfolgten Politik der sog. „demokratischen Öffnung“ wurden neue Dorfschützer nicht mehr benötigt, so dass die türkischen Sicherheitskräfte auch keinen Druck mehr auf die Bevölkerung zur Rekrutierung auszuüben brauchten, auch wenn das Dorfschützersystem nicht insgesamt abgeschafft wurde. Letzteres liegt u.a. daran, dass eine vollständige und zügige Abschaffung der Dorfschützer eine erhebliche Unruhe in den kurdischen Provinzen mit sich brächte, weil damit viele - zudem bisher staatsloyale - Kurden ihren auskömmlichen Broterwerb bis hin zu ihrer Rentenberechtigung verlören.

vgl. ai, Gutachten vom 18.7.2003 an VG Frankfurt; vgl. zu alledem auch ausführlich OVG Koblenz, Urteil vom 17.12.2010 - 10 A 10911/10 -, juris.

Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass der Kläger wegen seiner Weigerung, Dorfschützer zu werden, heute keine politische Verfolgung mehr zu befürchten hat.

Nichts anderes ist im Hinblick auf die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers anzunehmen, welche sich nach dessen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht darauf beschränkten, wie alle anderen Kurden an Veranstaltungen und Demonstrationen teilzunehmen. Dabei handelt es sich eindeutig um eine Betätigung niedrigen Profils. Die bloße Beteiligung an Veranstaltungen und Demonstrationen stellt kein Verhalten dar, das sich von demjenigen der meisten in Deutschland lebenden Kurden aus der Türkei unterscheidet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes begründet jedoch nur eine exponierte exilpolitische Betätigung, d. h. eine Tätigkeit in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation bzw. besonders publizitätsträchtige Aktivitäten im Falle einer Rückkehr eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr

vgl. etwa OVG des Saarlandes, Urteile vom 3.4.2008 - 2 A 312/07 -, juris und vom 28.9.2005 - 2 R 1/05 - m.w.N., juris; sowie Beschluss vom 21.12.2009 - 3 A 275/09 -.

Neuere Erkenntnisse, die Anlass zu einer anderen Beurteilung böten, liegen nicht vor. Vielmehr führt etwa das Auswärtige Amt in seinem jüngsten Lagebericht vom 8.4.2011 ebenso wie bereits in verschiedenen vorangegangenen Lageberichten bzw. Stellungnahmen aus, dass (nur) türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, Gefahr laufen, dass sich die Sicherheitsbehörden und die Justiz mit Ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Insbesondere Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen würden, müssten mit strafrechtlicher Verfolgung durch den Staat rechnen. Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange seien nur dann strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen nach dem türkischen Strafgesetzbuch gewertet werden könnten, was vorliegend jedoch nicht erkennbar ist.

Ist somit bereits nach den vorangegangenen Ausführungen nicht zu erwarten, dass die türkischen Sicherheitskräfte heute noch ein Interesse an der Person des Klägers haben, so findet dies eine weitere Bestätigung in den vom Senat eingeholten Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes und von Kamil Taylan.

So hat das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme vom 13.10.2010 zu den im Beweisbeschluss des Senats vom 16.7.2010 gestellten Fragen mitgeteilt, dass Nachforschungen eines beauftragten Vertrauensanwalts im Falle des Klägers ergeben hätten, dass an den maßgeblichen Orten, nämlich am Ort der personenstandsamtlichen Registrierung und am letzten Wohnort des Klägers keine behördlichen Vorgänge gegen ihn vorhanden seien. Auch bei der Sicherheitsdirektion Istanbul und der Oberstaatsanwaltschaft Istanbul sei der Kläger nicht aktenkundig. Es habe auch kein Fahndungsersuchen nach ihm festgestellt werden können. Im Hinblick darauf seien keine Hinweise dafür vorhanden, dass der Kläger bei Rückkehr in die Türkei in den Fokus der türkischen Sicherheitskräfte geraten könnte bzw. mit staatlichen Repressalien wegen der behaupteten früheren Aktivitäten zu rechnen hätte.

Auch der Sachverständige Taylan bestätigt in seiner Stellungnahme vom 11.2.2011, über türkische Anwälte in Erfahrung gebracht zu haben, dass über den Kläger in zentralen Fahndungsregistern keine Einträge vorhanden seien, d. h., dass der Kläger nicht zur Fahndung ausgeschrieben sei, auch kein Haftbefehl gegen ihn existiere und derzeit auch kein Strafverfahren gegen ihn anhängig sei. Es könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der Kläger bei einer eventuellen Rückkehr in die Türkei wegen seiner Aktivitäten in den 90er Jahren politisch verfolgt werde. Es sei auch derzeit kein einziges Verfahren in der Türkei bekannt, worin ein Rückkehrer wegen Verfehlungen, wie sie dem Kläger vorgeworfen worden seien, angeklagt sei oder sich in U-Haft befinde bzw. deswegen sonstigen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen wäre. Ein Verfahren gegen einen zurückkehrenden türkischen Staatsangehörigen, der im Jahre 1994 in den Verdacht geraten war, die PKK durch Transportfahrten unterstützt zu haben, hält der Gutachter wegen der Verjährung dieser Taten für ausgeschlossen, auch wenn die betroffene Person damals kurzfristig festgenommen und misshandelt worden sowie in ihrer Heimatregion als Verdächtiger registriert war.

Dafür, dass – wie das Auswärtige Amt und Kamil Taylan festgestellt haben – der Kläger in der Türkei tatsächlich nicht mehr als Verdächtiger bzw. Sympathisant der PKK registriert ist, spricht im Übrigen auch, dass aufgrund eines Runderlasses des türkischen Innenministeriums vom 18.12.2004 keine Suchvermerke mehr ins Personenstandregister eingetragen werden und Angaben türkischer Behörden zufolge Mitte Februar 2009 alle bestehenden Suchvermerke in den Personenstandsregister gelöscht wurden

vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 8.4.2011.

Der darüber hinausgehenden Anmerkung des Sachverständigen Taylan in seiner Stellungnahme vom 11.2.2011, wonach mit Blick darauf, dass der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland als Unterstützer und Sympathisant der PKK aktiv gewesen sei, die Gefahr einer politischen Verfolgung „nicht gänzlich ausgeschlossen“ werden könne, lässt sich die erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit einer dem Kläger weiterhin drohenden politischen Verfolgung ebenfalls nicht entnehmen. Die Gefahr einer solchen Verfolgung erachtet auch Kamil Taylan wörtlich als „sehr gering“ bzw. „verschwindend klein“; er vermag sie angesichts der seiner Meinung nach „chaotischen Verhältnisse in der türkischen Justiz“ nur nicht ganz auszuschließen. Eine so hohe Prognosesicherheit, dass eine Verfolgungsgefahr ohne jeden Zweifel ausgeschlossen werden kann, was letztlich einen kaum zu gewährleistenden Schutzstandard bedeutete, wird jedoch für die Annahme eines Wegfalls der Anerkennungsvoraussetzungen nicht gefordert. Vielmehr hätte bei dem vom Gutachter umschriebenen Wahrscheinlichkeitsgrad nach der früheren Rechtsprechung sogar eine hinreichende Verfolgungssicherheit bejaht werden können. Nach dieser Rechtsprechung konnte vom Fehlen hinreichender Sicherheit vor der Wiederholung von Verfolgungshandlungen nicht schon bei jeder noch so geringen Möglichkeit abermaligen Verfolgungseintritts ausgegangen werden. Vielmehr war über eine „theoretische“ Möglichkeit hinaus erforderlich, dass objektive Anhaltspunkte einen Übergriff als nicht ganz entfernt und damit als durchaus „reale“ Möglichkeit erscheinen ließen

vgl. BVerwG, Urt. v. 8.9.1992 – 9 C 62.91 -, NVwZ 1993, 191 f.

Auch amnesty international hält zumindest eine gerichtliche Verfolgung aufgrund der dem Kläger früher vorgeworfenen Aktivitäten für nicht wahrscheinlich. Auch ansonsten lässt sich der Stellungnahme vom 31.1.2011 an den Senat, welche sich auf allgemeine Ausführungen zur Gefährdungslage von Rückkehrern beschränkt, ohne jedoch die individuelle Situation des Klägers näher zu beleuchten, eine dem Kläger im Rückkehrfalle mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung nicht entnehmen. Dies gilt zunächst, soweit ai ganz allgemein die Gefahr sieht, dass einreisende ehemalige Asylsuchende bereits während der Dauer der im Regelfall erfolgenden Erkundigungen bei den Heimatbehörden misshandelt werden. Der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer solchen allen Rückkehrern, und damit auch dem Kläger, drohenden Gefahr steht entgegen, dass in den letzten Jahren konkrete derartige Fälle nicht verzeichnet wurden.

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist diesem in den letzten Jahren kein Fall bekannt geworden, in den ein aus Deutschland in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt worden sei; dies gelte auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen. Auch seitens türkischer Menschenrechtsorganisationen sei kein Fall genannt worden, in dem politisch nicht in Erscheinung getretene Rückkehrer oder exponierte Mitglieder oder führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen menschenrechtswidriger Behandlung durch staatliche Stellen ausgesetzt gewesen seien. Nach Auskunft der Vertretungen von EU-Mitgliedstaaten in Ankara (Dänemark, Schweden, Niederlande, Frankreich, England, auch der Kommission) sowie von Norwegen, der Schweiz und den USA im Frühjahr 2011 sei auch diesen aus jüngerer Zeit kein Fall bekannt, in dem exponierte Mitglieder, führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen sowie als solche eingestufte Rückkehrer unmenschlicher Behandlung oder Folter ausgesetzt gewesen seien

vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 8.4.2011.

Konkrete Fälle, die den vorgenannten Feststellungen des Auswärtigen Amtes entgegen stehen, hat auch ai nicht benannt. Von daher kann jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass dem Kläger schon allein während einer routinemäßigen Nachfrage bei den Behörden seines Heimatortes Misshandlungen drohen. Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes, wonach zurückkehrende Asylbewerber jedenfalls nicht routinemäßig - d.h. ohne Vorliegen von Besonderheiten - bei der Wiedereinreise in die Türkei inhaftiert bzw. asylerheblichen Misshandlungen ausgesetzt werden

vgl. etwa Urteil vom 28.9.2005 - 2 R 1/05 - m.w.N., juris.

Soweit ai darüber hinaus die Gefahr eines Verhörs - und in diesem Zusammenhang auch von Folter - sieht, sobald gegen den Rückkehrer ein Eintrag oder ein polizeiinterner Suchbefehl vorliegt, ist eine diesbezüglich beachtlich wahrscheinliche Gefährdung des Klägers ebenfalls nicht anzunehmen, weil der Kläger - wie oben dargelegt - nach entsprechenden überzeugenden Angaben des Auswärtigen Amtes und des Sachverständigen Taylan in der Türkei derzeit nicht aktenkundig ist und keine behördlichen Vorgänge über ihn existieren. Die von ai lediglich in theoretischer Weise in den Blick genommen Risikofaktoren eines noch bestehenden Suchinteresses sind nach den Feststellungen des Auswärtigen Amtes und des Sachverständigen Taylan im Falle des Klägers vielmehr zu verneinen.

Nach alledem ist ein aktuelles Interesse der türkischen Sicherheitskräfte an dem Kläger (und damit einhergehend die Gefahr weiterer Ermittlungen und Misshandlungen) nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, vielmehr nahezu auszuschließen.

Soweit der Kläger die Befürchtung geäußert hat, dass die türkischen Sicherheitskräfte gegen eine in der jüngeren Zeit wieder verstärkt militärisch operierende PKK nochmals nachhaltig vorgehen und dies zu einer erneuten Verschlechterung der Verhältnisse in seiner Heimatregion führen könnte, bietet dies keinen Anlass zu der Annahme, dass eine langjährig zurückliegende Unterstützung der PKK relativ geringfügiger Art, wie sie bei dem Kläger vermutet wurde, im Falle einer Rückkehr Anlass für weitergehende Behelligungen sein könnte, nachdem in diesem Zusammenhang keinerlei behördliche Vorgänge und Registrierungen hinsichtlich des Klägers mehr vorliegen.

Schließlich droht dem Kläger auch im Hinblick auf seine kurdische Volkszugehörigkeit bei einer Rückkehr keine Gefährdung. Eine Gruppenverfolgung von Kurden lag weder im Zeitpunkt der Flüchtlingsanerkennung des Klägers vor noch kann hiervon aktuell ausgegangen werden. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats

vgl. Urteile vom 28.9.2005 - 2 R 1/05 -, vom 16.12.2004 - 2 R 1/04 - und vom 29.3.2000 - 9 R 10/98 -, juris.

und auch aller weiteren Obergerichte, welche im angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt wurde. Auf diesen wird insoweit Bezug genommen. Weiterer Darlegungen bedarf dies nicht, da sich der Kläger im anhängigen Verfahren auch nicht auf eine asylrelevante Gruppenverfolgung von Kurden berufen hat.

Haben sich nach alledem im Falle des Klägers die für die Flüchtlingsanerkennung maßgeblichen Verhältnisse seither erheblich verändert, steht der Annahme des nachträglichen Wegfalls der die Flüchtlingsanerkennung begründenden Umstände schließlich auch nicht die gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG anwendbare Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG entgegen, wonach die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

Diese Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit einer Verfolgung bzw. des Eintritts eines sonstigen ernsthaften Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen

vgl. BVerwG, Urteile vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 - m.w.N., juris.

Die Beweislast liegt insoweit bei der Beklagten.

Zwar hat der Senat keinen Anlass die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers in Zweifel zu ziehen, wonach er im Rahmen einer zweitägigen Festnahme im Jahr 1994 mit einem Gewehrkolben geschlagen wurde, dabei einen Bruch der Wangenknochen erlitt und auch anlässlich eines mehrstündigen Verhörs in Istanbul im Jahre 1995 erneut misshandelt wurde, wovon auch das Verwaltungsgericht des Saarlandes in seinem Urteil vom 20.12.1999 - 6 K 136/98.A - ausgegangen ist. Von daher liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG formulierten Vermutung vor. Ausgehend von den vorstehend dargestellten Veränderungen der Rechtslage und Menschenrechtssituation in der Türkei, insbesondere den oben dargestellten, dem Kläger zu Gute kommenden Amnestie- bzw Verjährungsregelungen sowie der Tatsache, dass derzeit in der Türkei bezüglich des Klägers keinerlei Fahndungsersuchen, Registereintragungen oder sonstige behördliche Vorgänge wegen des Verdachts einer Unterstützung der PKK mehr existieren, sprechen jedoch stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Denn die in der Türkei trotz der durchgeführten Reformen im Einzelfall nicht auszuschließende Gefahr der Folter besteht vor allem bei Ermittlungen der türkischen Sicherheitskräfte gegen bestimmte Personen wegen der Verdächtigung, politische Straftaten begangen zu haben. Für solche Ermittlungen gegen den Kläger besteht nach dem Vorgesagten aber kein Anlass mehr.

Nach den vorstehenden Ausführungen ist auch ohne Weiteres anzunehmen, dass die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nicht nur vorübergehender Natur ist, vielmehr die Faktoren, die die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können. Angesichts der dem Kläger zugute kommenden Amnestie- bzw. Verjährungsregelungen sowie des im Zuge der Beweiserhebung des Senats zu Tage getretenen gänzlich fehlenden aktuellen Interesses der türkischen Behörden an der Person des Klägers ist nicht erkennbar, dass diesem auf absehbare Zeit erneute Verfolgung drohen könnte. Dies umfasst zugleich die Feststellung, dass die türkische Regierung in den letzten Jahren geeignete Schritte unternommen hat, um die der Flüchtlingsanerkennung des Klägers zugrunde liegende Verfolgung dauerhaft zu verhindern. Aufgrund der vorgenannten Maßnahmen (insbesondere der Amnestie- und Verjährungsregelungen sowie des Beseitigens von Registereintragungen) ist davon auszugehen, dass der Kläger in der Türkei nunmehr vor weiteren Verfolgungsmaßnahmen nachhaltig geschützt ist.

Sind danach aufgrund einer erheblichen und nicht nur vorübergehenden Veränderung der Verhältnisse in der Türkei diejenigen Umstände weggefallen, auf denen die begründete Furcht vor Verfolgung und die Flüchtlingsanerkennung des Klägers beruhten, ergibt sich daraus zwangsläufig, dass die Rechtskraft des zur Anerkennung verpflichtenden Urteils einem Widerruf nicht entgegensteht. Denn bei einer solchen wesentlichen Veränderung der Sachlage endet auch die Rechtskraft des Urteils.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger wegen anderer Umstände begründete Furcht vor Verfolgung haben müsste, hat dieser nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

Hat die Beklagte demnach im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Kläger wegen einer erheblichen und dauerhaften Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände keine begründete Furcht vor Verfolgung mehr haben muss, war vom Widerruf auch nicht gemäß § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG wegen zwingender auf früheren Verfolgungen beruhender Gründe abzusehen. Solche zwingenden, auf früheren Verfolgungen beruhenden Gründe, um eine Rückkehr in die Türkei abzulehnen, liegen im Falle des Klägers nicht vor. Mit § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG wird insbesondere der psychischen Sondersituation Rechnung getragen, in dem sich ein Asylberechtigter befindet, welcher ein besonders schweres, nachhaltig wirkendes Verfolgungsschicksal erlitten hat und dem es deshalb selbst lange Jahre danach ungeachtet der veränderten Verhältnisse im Heimatland nicht zumutbar ist, in den früheren Verfolgungsstaat zurückzukehren. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG ist demnach, dass Nachwirkungen früherer Verfolgungsmaßnahmen vorliegen, die zur Unzumutbarkeit der Rückkehr in die Türkei auch dann führen, wenn - wie hier - eine Verfolgung nicht mehr droht

vgl. BVerwG, Urteil vom 1.11.2005 - 1 C 24.04 in DVBl. 2006, S. 511.

Eine derartige Sachlage ist im Falle des Klägers nicht gegeben. Zwar ist der Kläger vor seiner Ausreise körperlich misshandelt worden. Jedoch hat er weder vorgetragen noch ist erkennbar, dass er dabei derart schwere physische oder psychische Schäden davon getragen hat, dass diese auch derzeit noch in einem erheblichen Umfang nachwirken, so dass ihm eine Rückkehr nicht angesonnen werden könnte. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger zwar angegeben, die erlittenen Misshandlungen nicht vergessen zu können. Dies reicht jedoch zur Annahme einer Unzumutbarkeit der Rückkehr in die Türkei nicht aus, zumal der Kläger sich offenkundig vorrangig um die Zukunft seiner Kinder und auch die wirtschaftliche Lage der Familie sorgte.

Hat die Beklagte demnach die im Bescheid vom 10.3.2000 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, zu Recht widerrufen, ist auch die weitere Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen, zu Recht ergangen. Die Beklagte hat im Rahmen des Widerrufsverfahrens zu Recht auch über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG entschieden. Insoweit sowie zu den Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Eine nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 AufenthG im Falle einer Rückkehr drohende Gefährdung kommt ausgehend vom Vorbringen des Klägers ebenfalls nur mit Blick auf die geäußerte Befürchtung erneuter staatlicher Repressionen im Zusammenhang mit den Vorgängen vor der Ausreise in Betracht. Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen, auf die verwiesen werden kann, kann insoweit jedoch nicht von einer beachtlichen Verfolgungsgefahr ausgegangen werden.

Schließlich ist auch die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, rechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat geht insoweit davon aus, dass die ohne Einschränkung gegen den gesamten Bescheid vom 17.7.2008 erhobene Anfechtungsklage auch gegen diese Feststellung gerichtet ist. Ungeachtet der Frage des richtigen Rechtsbehelfs kann auch hier zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen werden. Ergänzend wird folgendes hinzugefügt: Auch bei der Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ist stets der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen.

vgl. BVerwG, Urteile vom 24.4.2010 - 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 -.

Ausgehend vom Sachvortrag des Klägers kommt auch hier lediglich eine ihm im Rückkehrfalle drohende Gefahr erneuter Folter bzw. Misshandlung durch türkische Sicherheitskräfte in Betracht. Eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende derartige Gefahr ist jedoch nach den vorangegangenen Darlegungen, auf die auch hier Bezug genommen werden kann, nicht anzunehmen. Die Vermutungsregelung des auch im Rahmen der Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG anwendbaren Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG wirkt sich auch hier nicht zugunsten es Klägers aus, da - wie ausgeführt - stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Dementsprechend liegt weder ein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 2 oder Abs. 5 AufenthG noch ein solches im Sinne des nachrangig zu prüfenden § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Für sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 3 AufenthG, § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG oder § 60 Abs. 4 AufenthG sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.

Die Berufung des Klägers wird daher zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83 b AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 17.7.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zu dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sind die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG für den Widerruf der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. gegeben. Das Bundesamt hat auch zu Recht festgestellt, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Widerrufsentscheidung ist § 73 AsylVfG in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2.9.2008 (BGBl. I S. 1798).

Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die – hier streitgegenständliche - Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (i. S. d. § 60 Abs. 1 AufenthG bzw. bis zum 1.1.2005 des § 51 Abs. 1 AuslG) unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Nach § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG gilt Satz 2 nicht, wenn sich der Ausländer auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in den Staat abzulehnen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.

Zunächst ist festzustellen, dass der Widerruf nicht an einem formellen Mangel leidet. Er entspricht insoweit den maßgeblichen Anforderungen des § 73 AsylVfG. Insbesondere ist die beabsichtigte Entscheidung über den Widerruf entsprechend § 73 Abs. 4 AsylVfG dem Kläger zuvor schriftlich mitgeteilt und ihm Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden. Auch begegnet die angefochtene Entscheidung weder im Hinblick auf die Unverzüglichkeit des Widerrufs im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG noch im Hinblick auf die Jahresfrist nach § 49 Abs. 2 Satz 2, § 48 Abs. 4 VwVfG Bedenken. Das Gebot der Unverzüglichkeit dient nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausschließlich öffentlichen Interessen, so dass ein etwaiger Verstoß dagegen keine Rechte des betroffenen Ausländers verletzt

vgl. BVerwG, Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 -, BVerwGE 126, 243.

Das Bundesverwaltungsgericht hat auch bereits entschieden, dass die Jahresfrist nach § 49 Abs. 2 Satz 2, § 48 Abs. 4 VwVfG jedenfalls in den Fällen keine Anwendung findet, in denen - wie hier - die Flüchtlingsanerkennung innerhalb der Drei-Jahres-Frist des § 73 Abs. 2 a AsylVfG widerrufen wird

vgl. BVerwG, Urteil vom 12.6.2007 - 10 C 24.07 -, Buchholz 204.25 § 73 AsylVfG Nr. 28 m.w.N..

Diese Vorschrift enthält eine bereichsspezifische Sonderregelung, welche die allgemeine Widerrufsfrist nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz verdrängt und auch für Altanerkennungen gilt.

Der angefochtene Bescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil das Bundesamt kein Ermessen ausgeübt hat. Nach § 73 Abs. 7 AsylVfG ist in Fällen wie dem vorliegenden keine Ermessensentscheidung erforderlich

Vgl. ausführlich BVerwG, Urteile v. 24.2.2011 – 10 C 3/10 – u.a. sowie Urteile v. 1.6.2011 – 10 C 10.10 – u. – 10 C 25.10 -, juris.

Das Bundesamt hat im Ergebnis auch zu Recht das Vorliegen der materiell-rechtlichen Widerrufsvoraussetzungen nach § 73 Abs. 1 AsylVfG bejaht, der im Lichte der Richtlinie 2004/83/EG des Rates der Europäischen Union vom 29.4.2004 (sog. „Qualifikationsrichtlinie“) und unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Grundsatzurteil vom 2.3.2010 (Rs C-175/08, C-176/08, C-178/08 und C-179/08, Abdulla u.a. - InfAuslR 2010, 188) auszulegen ist und zwar auch in Fällen, in denen die zugrunde liegenden Schutzanträge - wie hier - vor dem Inkrafttreten der Richtlinie gestellt worden sind.

Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft insbesondere zu widerrufen, wenn in Anbetracht einer erheblichen und nicht nur vorübergehenden Veränderung der Umstände im Herkunftsland diejenigen Umstände, aufgrund derer der Betreffende begründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG genannten Gründe hatte und als Flüchtling anerkannt worden war, weggefallen sind und er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor „Verfolgung“ im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG haben muss

vgl. dazu im Einzelnen BVerwG, Urteil v. 24.2.2011 – 10 C 3/10 –, a.a.O..

In seinen jüngsten Urteilen vom 1.6.2011 – 10 C 10.10 und 10 C 25.10 – hat das Bundesverwaltungsgericht insoweit nochmals hervorgehoben, dass eine erhebliche Veränderung der verfolgungsbegründenden Umstände im vorgenannten Sinne voraussetzt, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland mit Blick auf die Faktoren, aus denen die zur Flüchtlingsanerkennung führende Verfolgungsgefahr hergeleitet worden ist, deutlich und wesentlich geändert haben. In der vergleichenden Betrachtung der Umstände im Zeitpunkt der Flüchtlingsanerkennung und der für den Widerruf gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Sachlage muss sich durch neue Tatsachen eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben. Die Neubeurteilung einer im Kern unveränderten Sachlage reicht nicht aus, selbst dann nicht, wenn die andere Beurteilung auf erst nachträglich bekannt gewordenen oder neuen Erkenntnismitteln beruht

vgl. zu letzterem auch BVerwG, Urteil vom 1.11.2005 -1 C 21/04 -, DVBl. 2006, 511.

Es muss feststehen, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung führten, beseitigt sind und diese Beseitigung als dauerhaft angesehen werden kann. Ändern sich die der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände und erscheint die ursprüngliche Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG deshalb nicht mehr als begründet, kann der Betreffende es nicht mehr ablehnen, den Schutz seines Herkunftslands in Anspruch zu nehmen, soweit er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor „Verfolgung“ im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie haben muss. Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dabei dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offen zu legen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweisen muss, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist. Für den nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie dem Mitgliedstaat obliegenden Nachweis, dass eine Person nicht länger Flüchtling ist, reicht nicht aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt kurzzeitig keine begründete Furcht vor Verfolgung (mehr) besteht. Die erforderliche dauerhafte Veränderung verlangt dem Mitgliedstaat vielmehr den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen für die Prognose ab, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d.h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen im Herkunftsstaat nachhaltiger Schutz geboten wird, nicht (erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. Eine Garantie der Kontinuität veränderter politischer Verhältnisse auf unabsehbarer Zeit kann indes nicht verlangt werden.

Die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft wegen Veränderungen im Herkunftsland verhält sich grundsätzlich spiegelbildlich zur Anerkennung. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit des Weiteren ausgeführt, dass wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft seit der Umsetzung der in Art. 11 und 14 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben an der bisherigen, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung zu § 73 AsylVfG nicht mehr festgehalten werden kann, vielmehr unionsrechtlich beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose nunmehr ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab im Sinne einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit gilt, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung erlitten hat. Die Richtlinie 2004/83/EG kennt nur diesen einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zur Beurteilung der Verfolgungsgefahr unabhängig davon, in welchem Stadium - Zuerkennen oder Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft - diese geprüft wird

vgl. zu allem Vorstehenden BVerwG, Urteile vom 1.6.2011 – 10 C 10.10 u. 10 C 25.10 – m.w.N. sowie EuGH, Urt. vom 2.3.2010, Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a., juris.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist demnach bei der Prüfung eines fortbestehenden Anspruchs auf die Flüchtlingsanerkennung nicht mehr auf den Maßstab einer hinreichenden Sicherheit vor weiterer Verfolgung abzustellen. Das Bundesverwaltungsgericht ist in den vorgenannten Entscheidungen vielmehr von seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung verlangt wurde, dass eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen war, ausdrücklich abgerückt.

Der sog. herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit ist insoweit durch die Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ersetzt worden, die gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 11 AufenthG sowohl für den Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG als auch für die weiteren unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsverbote des § 60 AufenthG gilt

vgl. BVerwG, Urteile vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 -, OVG Münster, Urteil vom 17.8.2010 - 8 A 4063/06.A -, juris.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der spätere Wegfall der Verfolgungsgefahr durch einen Wechsel oder eine Änderung der politischen Verhältnisse im Heimatstaat zwar den Hauptanwendungsfall des § 73 Abs. 1 AsylVfG darstellt, die Anwendung dieser Bestimmung aber nicht hierauf beschränkt ist, vielmehr der nachträgliche Wegfall aller Voraussetzungen für die Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung hiervon erfasst wird, etwa auch Veränderungen in der Person des Begünstigten

vgl. dazu ausführlich OVG Niedersachsen, Urt. v. 11.8.2010 - 11 LB 405/08 -, juris.

Die zuständigen Behörden und Gerichte müssen sich mit Blick auf die individuelle Lage des Flüchtlings vergewissern, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.2.2011 - 10 C 5/10 - sowie EuGH, Urteil vom 2.3.2010 a.a.O.;

Dementsprechend ist bei der nach den vorgenannten Kriterien gebotenen Prüfung, ob die Anerkennungsvoraussetzungen nachträglich im Sinne des § 73 Abs. 1 AsylVfG weggefallen sind, die allgemeine Situation im Heimatstaat des Berechtigten in den Blick zu nehmen, hierauf aufbauend aber auf die individuelle Situation des als Flüchtling anerkannten Ausländers abzustellen, dem dieser Status wieder entzogen werden soll. In Abhängigkeit von den Umständen, die zur Zuerkennung des jeweiligen Schutzstatus geführt haben, sind auch die Anforderungen an die Verbesserung der Lage im Heimatstaat und an eine Gefährdung im Falle einer Rückkehr individuell zu bewerten. Entscheidend für einen Widerruf ist die Feststellung, dass sich die für die Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse erheblich und nicht nur vorübergehend verbessert haben und deshalb jedenfalls im Falle des konkret betroffenen Flüchtlings keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer erneuten Verfolgung mehr besteht. Hingegen ist für den Widerruf nicht erforderlich, dass im Herkunftsland des betroffenen Ausländers nunmehr umfassender Schutz vor Verfolgung gewährt wird oder es zumindest bei allen Angehörigen der Gruppe, der auch der betroffene Ausländer angehört, zu keinen asyl- bzw. flüchtlingsrelevanten Übergriffen mehr kommt

vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 11.8.2010 - 11 LB 405/08 -, juris.

Ist eine grundlegende Änderung der verfolgungsrelevanten Umstände im vorgenannten Sinne zu bejahen, so ist es für den Widerruf des Weiteren unerheblich, ob die Flüchtlingsanerkennung zu Recht erfolgt war

vgl. BVerwG, Urteil vom 25.8.2004 - 1 C 22.03 -, NVwZ 2005, 89.

Ausgehend davon ist ein Wegfall der der Flüchtlingsanerkennung des Klägers zugrunde liegenden Verfolgungsgefahr anzunehmen.

Der Kläger wurde mit Bescheid vom 10.3.2000 als Flüchtling anerkannt, weil das Verwaltungsgericht des Saarlandes in dem Urteil vom 20.12.1999 - 6 K 136/98.A - davon ausgegangen war, dass der Kläger in seiner Heimatregion einer Unterstützung der PKK verdächtigt worden und bei den Heimatbehörden als Verdächtiger registriert gewesen sei. Im Jahre 1994 sei er anlässlich des Newrozfestes bei einer Verkehrskontrolle festgenommen und unter dem Vorwurf, mit seinem Minibus PKK-Mitglieder und Lebensmittel für diese transportiert zu haben, zwei Tage lang verhört worden. Er sei mit dem Gewehrkolben geschlagen worden, so dass er einen Bruch der Wangenknochen davon getragen habe. Kurz vor seiner Ausreise sei er bei einer allgemeinen Kontrolle in Istanbul erneut von Sicherheitskräften mitgenommen und nach einer Überprüfung seiner Personalien erheblich misshandelt worden.

Diese die Verfolgungsfurcht des Klägers begründenden Umstände können als dauerhaft beseitigt angesehen werden.

Seit der Flüchtlingsanerkennung des Klägers im März 2000 haben sich - wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt - Rechtslage und Menschenrechtssituation in der Türkei - nicht zuletzt mit Blick auf den angestrebten EU-Beitritt des Landes - deutlich zum Positiven verändert, so dass im konkreten Fall des Klägers – auch unter Berücksichtigung der vorgetragenen exilpolitischen Aktivitäten – keine beachtliche Gefahr von politischer Verfolgung mehr besteht.

Die rechtliche Entwicklung der vergangenen Jahre in der Türkei ist gekennzeichnet durch einen tiefgreifenden Reformprozess, der wesentliche Teile der Rechtsordnung (besonders im Strafrecht, aber auch im Zivil- oder Verfassungsrecht) erfasst hat und auf große Teile der Gesellschaft ausstrahlt

vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Lagebericht) vom 8.4.2011.

Zwischen 2002 und 2005 wurden insgesamt acht Reformpakete zur Änderung der Verfassung, der Strafprozessordnung und weiterer Gesetzte verabschiedet

vgl. ai, Länderbericht Türkei, Stand: Dezember 2010 sowie

ai Report 2011: zur weltweiten Lage der Menschenrechte (Türkei).

Abgesehen von der Beendigung des Notstandsregimes, in dessen Folge die Verfahrensgarantien gegenüber den Sicherheitsbehörden in den hiervon betroffenen Gegenden massiv eingeschränkt waren, sind insbesondere die gesetzlichen Schutzmaßnahmen wie die Regeln über die Verstärkung der Verteidigerrechte, den Zugang zu einem Rechtsbeistand, die zeitlichen Vorgaben bis zur obligatorischen Vorführung eines Festgenommenen vor ein Gericht, die Regeln über die ärztliche Untersuchung eines Festgenommenen und die Straferhöhung für Foltertäter zu nennen

vgl. Fortschrittsbericht der EU vom 6.11.2007; Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 8.4.2011; European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT), Bericht vom 6.9.2006, S. 11 f., http://www.cpt.coe.int/documents/tur/2006-30-inf-eng.pdf.

Zu dem Reformpaket gehören auch die Ausweitung der Minderheitenrechte vor allem für die Kurden und die Stärkung von Meinungsfreiheit. Die türkische Regierung hat zudem wiederholt betont, dass sie gegenüber Folter eine „Null-Toleranz“-Politik verfolge. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird insoweit gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die entsprechenden zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid vom 17.7.2008 verwiesen.

Das politische System insgesamt hat sich in den letzten Jahren verändert. Die Bedeutung des Militärs und der Sicherheitskräfte ist zurückgegangen

vgl. Auswärtiges Amt Lagebericht Türkei vom 8.4.2011

Im Jahr 2010 fand ein Verfassungsreferendum statt, das weitere Fortschritte vorsieht. Insbesondere wurde eine Individualbeschwerdemöglichkeit vor dem Verfassungsgericht eingeführt. Das Verfassungsgericht wurde zudem mit der Gerichtsbarkeit auch gegenüber den Oberbefehlshabern des Militärs, welche bislang vor den Zivilgerichten fehlte, betraut

vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 8.4.2011, S. 6.

Auch hat sich die allgemeine Sicherheitslage in den Kurdengebieten im Südosten der Türkei verbessert. Das Notstandsregime, das in 13 Provinzen galt, wurde mit der Aufhebung des Notstands in den letzten Notstandsprovinzen Diyarbakir und Sirnak im November 2002 beendet. Ein Teil der abgewanderten oder infolge der militärischen Maßnahmen zur Bekämpfung der PKK zwangsevakuierten Bevölkerung hat danach begonnen, in die Heimat zurückzukehren

vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte Türkei vom 11.1.2007 und vom 3.5.2005.

Die türkische Regierung hat erkannt, dass die Probleme im Südosten nicht allein mit militärischen Mitteln überwunden werden können. So wurden außer der geplanten wirtschaftlichen Aufbauhilfe für die strukturschwachen Gebiete im Südosten im Rahmen des Programms zur demokratischen Öffnung, das derzeit allerdings zum Stillstand gekommen ist, der kurdischen Bevölkerung kulturelle Rechte in Bezug auf die kurdische Sprache eingeräumt, wie Fernsehsendungen auf kurdisch und Lehr- und Studienangebote für die kurdische Sprache

vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 8.4.2011, S. 11, 12.

Allerdings wird in den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen übereinstimmend nach wie vor von Defiziten, insbesondere im rechtsstaatlichen Bereich, im Bereich der Meinungs- und Pressefreiheit sowie im Bereich der Achtung der Menschenrechte durch die Sicherheitsbehörden berichtet. Der türkischen Regierung ist es bislang nicht gelungen, Folter und Misshandlung vollständig zu unterbinden. Vor allem beim Auflösen von Demonstrationen kam es bis in jüngste Zeit zu übermäßiger Gewaltanwendung. Es gibt zudem Anzeichen dafür, dass die im Falle einer Festnahme vorgesehenen gesetzlichen Schutzinstrumentarien zuweilen unbeachtet bleiben. Die Ahndung von Misshandlung und Folter ist noch nicht zufriedenstellend

vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 8.4.2011, S. 7 ff.; Schweizer Flüchtlingshilfe, Helmut Oberdiek, Türkei, update: Aktuelle Entwicklungen, 9.10.2008; Fortschrittsbericht Türkei der EU vom 6.11.2007; ai, Länderbericht Türkei, Stand: Dezember 2010; U.S. Departement of State, 2010, Human Rights Report: Turkey vom 8.4.2011, http://www.state.gov/g/drl/rls/hrrtt/2010/eur/154455.htm.

So berichtet etwa das Auswärtige Amt, dass Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit, welche verfassungsrechtlich garantiert seien, nach wie vor aufgrund verschiedener, teils unklarer Rechtsbestimmungen Einschränkungen unterlägen. Ehemalige Tabuthemen, etwa die Kurdenfrage betreffend, könnten jedoch mittlerweile offener diskutiert werden. Auch lägen weiterhin Hinweise vor, dass die verfassungsrechtlich verankerte Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz sowie die rechtsstaatlichen Garantien im Strafverfahren nicht immer konsequent eingehalten würden

vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 8.4.2011.

Des Weiteren sei es der türkischen Regierung trotz zahlreicher gesetzgeberischer Maßnahmen zur Verhinderung von Folter (etwa auch der Erhöhung der Strafandrohung) und trotz nachweisbarer Verbesserungen bislang nicht gelungen, Folter und Misshandlung vollständig zu unterbinden. Seit 2008 habe sich jedoch die vormals zögerliche Haltung bezüglich der Verfolgung von Soldaten, Gendarmen und Polizeibeamten nachweisbar verbessert, wenn es auch vor allem mangels Kooperation der Behörden bei der Tatsachenfeststellung nur in Einzelfällen tatsächlich zu Verurteilungen gekommen sei. Nach Angaben von Menschenrechtsverbänden sei jedoch die Zahl der Beschwerden und offiziellen Vorwürfe, die in Zusammenhang mit mutmaßlichen Folter- und Misshandlungsfällen stehen, 2010 landesweit zurückgegangen. So seien bis Ende November 2010 insgesamt 161 (2009: 252, 2088: 269) Personen registriert worden, die im selben Jahr gefoltert oder unmenschlich behandelt worden seien. Hinsichtlich der Folter in Gefängnissen habe sich die Situation in den letzten Jahren erheblich verbessert; es würden weiterhin Einzelfälle zur Anzeige gebracht, vor allem in Gestalt von körperlicher Misshandlung und psychischem Druck wie Anschreien und Beleidigungen. Straflosigkeit der Täter in Folterfällen sei weiterhin ein ernst zu nehmendes Problem. Auch kämen nach wie vor willkürliche kurzfristige Festnahmen, etwa im Rahmen von Demonstrationen vor, die von offizieller Seite regelmäßig mit dem Hinweis auf die angebliche Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bzw. Verbreitung von Propaganda einer kriminellen Organisation gerechtfertigt würden. Des Weiteren sei es 2010 zu über 27 sog. extra-legalen Tötungen durch Sicherheitskräfte gekommen

vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 8.4.2011.

Die vorstehend dargestellten Erkenntnisse des Auswärtigen Amtes stimmen in den Grundzügen mit denjenigen von amnesty international überein, wenn auch etwa die Anzahl der im Jahr 2010 verzeichneten Folteropfer von der vom Auswärtigen Amt mitgeteilten Zahl abweicht und ai die mitgeteilten Fakten etwas kritischer bewertet. Auch nach Angaben von ai gab es in der Türkei seit etwa 2002 verstärkte Bemühungen, den Beitrittsprozess zur EU durch Reformen in den Bereichen Demokratie und Menschenrechte voranzubringen. Seit Mitte 2005 sei jedoch eine deutliche Verlangsamung der Reformbemühungen festzustellen, in einigen Bereichen habe es sogar Rückschritte gegeben. Durchaus vorhandene Ansätze zu einer politischen Lösung der Kurdenfrage seien ebenfalls ins Stocken geraten. Geprägt seien die Auseinandersetzungen um die Rechte der Kurden auch von den Aktivitäten der PKK, die nicht nur - inzwischen mit reduzierter Intensität - einen bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat führe, sondern auch, zumindest in der Vergangenheit vor Bombenanschlägen gegen die Zivilbevölkerung nicht zurückgeschreckt sei. Die Reformpakete, die in den Jahren 2002 bis 2005 verabschiedet worden seien, hätten wichtige Mechanismen zum Schutz Festgenommener vor Folter enthalten. Dennoch seien auch danach noch Folter und Misshandlungen in Polizeihaft, außerhalb offizieller Haftorte und auch in Gefängnissen zu verzeichnen. Die im Jahre 2010 umgesetzten Änderungen der Verfassung und des Antiterrorgesetzes seien ein weiterer Schritt hin zum Schutz der Menschenrechte gewesen, der notwendige grundlegende Wandel sei damit jedoch nicht vollzogen worden. Ermittlungen und Strafverfahren gegen Beamte mit Polizeibefugnissen in Folterfällen seien noch immer ineffektiv, wenn auch inzwischen eine vielbeachtete Verurteilung von Polizisten zu hohen Haftstrafen stattgefunden habe, die den Tod eines Festgenommenen verursacht hätten. Die Meinungsfreiheit werde in der Türkei noch immer durch zahlreiche Gesetze und deren sehr weite Auslegung durch die Gerichte eingeschränkt.

vgl. ai, Länderbericht Türkei, Stand: Dezember 2010 sowie

ai Report 2011: zur weltweiten Lage der Menschenrechte (Türkei).

Ähnlich wie ai äußert sich auch Helmut Oberdiek für die Schweizerische Flüchtlingshilfe

vgl. Oberdiek, Türkei, Zur aktuellen Situation – Oktober 2007.

Neben demnach immer noch vorkommenden Fällen von Folter und Misshandlungen ist nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen auch die Kurdenfrage nach wie vor ein Problem der türkischen Innenpolitik. Zur Entwicklung in den letzten Jahren sowie der Stellung der PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen kann zunächst auf die entsprechenden ausführlichen Darlegungen im angefochtenen Bescheid verwiesen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO). Auch aus den neueren Erkenntnissen geht hervor, dass in den kurdisch geprägten Regionen im Südosten des Landes trotz der von Staatspräsident Gül und Ministerpräsident Ergodan im Jahr 2009 initiierten „Demokratischen Öffnung“ (zuvor „Kurdischen Öffnung“), die auf eine Lösung der Probleme des Südostens zielte und politische, wirtschaftliche und soziokulturelle Maßnahmen beinhaltete, weiterhin Spannungen zu verzeichnen sind. So wurden etwa in der Provinz Diyarbakir, aus der der Kläger stammt, auch in jüngerer Zeit Versammlungen gewaltsam aufgelöst und von Menschenrechtsorganisationen kritisch bewertete (Massen)Prozesse wegen des Verdachts der PKK-Unterstützung eingeleitet. Immer noch gibt es Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften. Allerdings haben diese sich im Vergleich zu den 90er Jahren in erheblichem Umfang reduziert und betreffen auch nicht die gesamte von Kurden bewohnte Region. Insgesamt hat sich die Härte des Einsatzes der Sicherheitskräfte, die bei ihrem Kampf gegen die PKK in den 90er Jahren die Bevölkerung im Südosten erheblich in Mitleidenschaft gezogen hatten, in den letzten Jahren deutlich verringert.

vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 8.4.2011; sowie zusammenfassendes Protokoll der Gesprächsreise von Rechtsanwalt Tahir Elci im Juni 2010.

Die Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bieten keinen Anlass zu einer anderen Bewertung.

Zusammenfassend ist demnach festzuhalten, dass in der Türkei seit der Flüchtlingsanerkennung des Klägers tiefgreifende Reformen stattgefunden haben und die gesetzgeberischen und politischen Maßnahmen der letzten 10 Jahre im Hinblick auf die Menschenrechtslage deutliche Veränderungen zum Positiven bewirkt haben, auch wenn, wie dargelegt, die erreichten Standards in verschiedener Hinsicht nicht denen Westeuropas entsprechen. Der Reformprozess dauert inzwischen schon ca. ein Jahrzehnt an und wird prinzipiell weitergeführt. Die Türkei strebt nach wie vor eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union an und hat sich daher den sog. Kopenhagener Kriterien unterworfen. Der Reformprozess unterliegt insofern einer Kontrolle, als die Europäische Union turnusgemäß über die erreichten Fortschritte berichtet und den Fortschrittsbericht veröffentlicht. Von daher sind die seit der Flüchtlingsanerkennung des Klägers in der Türkei stattgefundenen Veränderungen durchaus als dauerhaft einzustufen, auch wenn es – wie ai und Helmut Oberdiek anmerken – in Einzelpunkten im Laufe der Jahre auch Rückschritte gegeben hat und der Reformprozess, was die Lösung der Kurdenfrage betrifft, seit Mai 2010 stagniert.

Ob angesichts der dargestellten Verhältnisse in der Türkei allerdings generell die Feststellung getroffen werden kann, dass - wie im angefochtenen Bescheid angenommen - türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit, die sich Verfolgungsmaßnahmen wegen tatsächlicher, unterstellter oder vermeintlicher Unterstützung der kurdischen Guerilla mit Bedarfsartikeln, Beherbergung oder ähnlichem, oder dem Zwang zur Übernahme eines Dorfschützeramtes oder sonstiger Repressalien im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den Sicherheitskräften durch Flucht ins Ausland entzogen hatten, heute bei einer Rückkehr in die Türkei mit hinreichender Sicherheit keinen Repressalien dieser Art bzw. staatlichen Maßnahmen in diesem Zusammenhang mehr ausgesetzt sind, erscheint fraglich. Dies kann jedoch vorliegend dahinstehen.

Denn für den Widerruf einer Flüchtlingsanerkennung ist - wie dargelegt - nicht die Feststellung erforderlich, dass es im Heimatland des betroffenen Ausländers ausnahmslos oder zumindest bei allen Angehörigen der Gruppe, der der betroffene Ausländer angehört, zu keinen asyl- bzw. flüchtlingsrelevanten Übergriffen mehr kommt. Vielmehr ist in Abhängigkeit von den konkreten Umständen, die zur Zuerkennung des jeweiligen Schutzstatus geführt haben, festzustellen, dass sich diese Verhältnisse erheblich und nicht nur vorübergehend verbessert haben und dass deshalb jedenfalls der konkret betroffene vorverfolgte Asylberechtigte nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erneute Verfolgung zu befürchten hat

vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 11.8.2010 - 11 LB 405/08 - sowie Beschluss vom 12.4.2010 - 11 LA 54/10 -; in diesem Sinne wohl auch BVerwG, Urt. v. 24.2 2011 – 10 C 5/10 -, juris, wonach sich die zuständigen Behörden und Gerichte mit Blick auf die individuelle Lage des Flüchtlings vergewissern müssen, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können.

Bezogen auf die individuelle Situation des Klägers haben die vorstehend dargestellten Änderungen der Rechtslage und Menschenrechtssituation in der Türkei und die damit einhergehende Entspannung der Verhältnisse auch im Südosten des Landes seit der Flüchtlingsanerkennung aber jedenfalls eine solche Auswirkung, dass nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass der Kläger im Zusammenhang mit den Vorgängen, die 1994 und 1995 zu Misshandlungen führten, weiterhin bzw. erneut polizeiliche oder sonstige behördliche Maßnahmen von asylerheblicher Intensität befürchten muss. Als Flüchtling anerkannt wurde der Kläger – wie ausgeführt - vor allem im Hinblick auf die Annahme, dass er 1994 bei den Heimatbehörden als möglicher Sympathisant der PKK registriert war, weil man ihn verdächtigte, für diese Transporte durchzuführen. Bei der anzustellenden Prognose einer dem Kläger heute noch drohenden Verfolgungsgefahr fällt zunächst ins Gewicht, dass die dem Kläger im Jahr 1994 vorgehaltenen vermeintlichen Unterstützungshandlungen für die PKK in Gestalt gelegentlicher Transportfahrten nur untergeordneter Natur waren und es – da der Vorwurf eigenen Angaben des Klägers zufolge unbegründet war - dafür auch keinerlei Beweise gab, weshalb man ihn jeweils nach kurzer Zeit auch wieder freigelassen habe. Zudem liegen die Vorwürfe mittlerweile mehr als sechzehn Jahre zurück. Darüber hinaus wäre die dem Kläger ehemals vorgeworfene Unterstützung der PKK durch gelegentliche Transportfahrten heute nach türkischem Strafrecht ohnehin nicht mehr zu verfolgen. In Betracht gekommen wäre zur vermeintlichen Tatzeit insoweit eine Bestrafung gemäß Art. 169 Türkisches StGB (TStGB) von 1926 wegen Unterstützung einer bewaffneten Organisation und zwar mit einer Strafe von 4,5 bis 7,5 Jahren (Art. 159 i.V.m. Art. 4, 5 Antiterrorgesetz). Diese Tat wäre aber unter die Amnestie vom 21.12.2000 durch das Gesetz Nr. 4616 (betreffend bedingte Freilassungen und die Aussetzung von Strafverfahren sowie von der Vollstreckung von Strafen im Falle von bis zum 23. April 1999 begangener Straftaten) gefallen. Diese gewährte einen Straferlass von zehn Jahren, was bei Straftaten mit einer Strafe unter zehn Jahren eine Straffreistellung bedeutete

vgl. Gutachten Dr. Silvia Tellenbach an das VG Osnabrück vom 26.11.2006 sowie an das VG Freiburg vom 4.6.2007; Serafettin Kaya an VG Berlin vom 9.8.2006 und an OVG Nordrhein-Westfalen vom 9.6.2009 und vom 22.7.2009.

Auch nach Angaben des Sachverständigen Kamil Taylan in seinem Gutachten für den Senat vom 11.2.2011 ist die vom Kläger in diesem Verfahren berichtete tatsächliche oder vermeintliche Unterstützung der PKK mit Bedarfsartikeln, Beherbergung von PKK-Aktivisten o.ä. in den 90er Jahren heute als Delikt im Sinne des TStGB verjährt. Diese Verjährung betrifft nach den Ausführungen des Sachverständigen auch die Ablehnung eines Dorfschützeramtes bzw. einer Zusammenarbeit mit den türkischen Sicherheitskräften, „auch durch Flucht ins Ausland“.

Damit wären die dem Kläger im Jahr 1994 unterstellten gelegentlichen Transporte von PKK-Anhängern bzw. Lebensmitteln für die PKK mittlerweile jedenfalls straffrei.

Auch sind dem Gutachter Kamil Taylan keine aktuellen Verfahren gegen in die Türkei zurückgekehrte Personen bekannt, die, wie der Kläger, bis Ende der 90er Jahre in den Verdacht geraten sind, die PKK mit Bedarfsartikeln, Beherbergungen oder ähnlichem unterstützt zu haben und deswegen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren

vgl. Kamil Taylan, Gutachten an das OVG des Saarlandes vom 11.2.2011.

Damit vergleichbar hält auch der Gutachter Serafettin Kaya die Gefahr für eine im Jahr 1995 wegen der Unterstützung der TDKP in Verdacht geratene Person, die, ebenso wie vorliegend der Kläger, nicht verurteilt worden war, im Falle einer Rückkehr nicht für beachtlich wahrscheinlich

vgl. Serafettin Kaya, Gutachten an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 9.6.2009 und vom 22.7.2009.

Soweit der Kläger darüber hinaus als mitursächlich für seine Ausreise angegeben hat, dass er sich dem auf ihn ausgeübten Druck zur Übernahme des Dorfschützer-amtes habe entziehen wollen, was allerdings ausweislich der Entscheidungsgründe des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 20.12.1999 für die Flüchtlingsanerkennung des Klägers nicht von Bedeutung war, droht ihm in diesem Zusammenhang im Falle einer Rückkehr ebenfalls keine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass die Ablehnung der Übernahme des Dorfschützeramtes keine strafrechtliche Relevanz besitzt

vgl. ai an OVG Münster vom 17.12.2004.

Darüber hinaus haben sich die Verhältnisse in der Türkei seit der Ausreise des Klägers auch betreffend die Dorfschützerproblematik grundlegend geändert, so dass nicht angenommen werden kann, dass der Kläger heute insoweit nochmals Beeinträchtigungen ausgesetzt sein könnte. Denn seit dem Frühjahr 2000 wird das System der Dorfschützer in der zuvor praktizierten Form nicht mehr aufrecht erhalten. Mit Runderlass des Innenministeriums an die Gouverneursämter der Provinzen vom 24.4.2000 wurde angeordnet, dass keine neuen „vorläufigen“ Dorfschützer mehr eingestellt werden. Durch Kündigung, Tod oder andere Gründe freiwerdende Stellen vorläufiger Dorfschützer werden nicht mehr besetzt

vgl. Serafettin Kaya, Gutachten vom 28.1. 2007 an das VG Aachen; ai an OVG Münster vom 17.12.2004.

Diese Anordnung des Innenministeriums wird seitdem ersichtlich auch eingehalten. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Anordnung in absehbarer Zeit außer Kraft gesetzt wird oder ihre Bedeutung verliert. Denn die Bedingungen, deretwegen das Dorfschützersystem seinerseits geschaffen und ausgebaut wurde, haben sich - wie oben bereits ausgeführt - inzwischen wesentlich geändert. Das Mitte der 80er Jahre geschaffene und in den 90er Jahren weiter ausgebaute System diente u. a. dazu, die Dorfbewohner in den vier Notstandsprovinzen (Diyarbakir, Hakkari, Mardin, Siirt) und später - entsprechend der Ausweitung der Guerillatätigkeit - auch in weiteren Provinzen mit starker kurdischer Bevölkerung als „verlängerten Arm“ der Sicherheitskräfte vor Ort zu rekrutieren und damit zugleich die kurdische Bevölkerung zu spalten. Seit der Entspannung der Situation und dem Rückgang der Guerillatätigkeit im Südosten der Türkei und der von der türkischen Regierung verfolgten Politik der sog. „demokratischen Öffnung“ wurden neue Dorfschützer nicht mehr benötigt, so dass die türkischen Sicherheitskräfte auch keinen Druck mehr auf die Bevölkerung zur Rekrutierung auszuüben brauchten, auch wenn das Dorfschützersystem nicht insgesamt abgeschafft wurde. Letzteres liegt u.a. daran, dass eine vollständige und zügige Abschaffung der Dorfschützer eine erhebliche Unruhe in den kurdischen Provinzen mit sich brächte, weil damit viele - zudem bisher staatsloyale - Kurden ihren auskömmlichen Broterwerb bis hin zu ihrer Rentenberechtigung verlören.

vgl. ai, Gutachten vom 18.7.2003 an VG Frankfurt; vgl. zu alledem auch ausführlich OVG Koblenz, Urteil vom 17.12.2010 - 10 A 10911/10 -, juris.

Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass der Kläger wegen seiner Weigerung, Dorfschützer zu werden, heute keine politische Verfolgung mehr zu befürchten hat.

Nichts anderes ist im Hinblick auf die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers anzunehmen, welche sich nach dessen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht darauf beschränkten, wie alle anderen Kurden an Veranstaltungen und Demonstrationen teilzunehmen. Dabei handelt es sich eindeutig um eine Betätigung niedrigen Profils. Die bloße Beteiligung an Veranstaltungen und Demonstrationen stellt kein Verhalten dar, das sich von demjenigen der meisten in Deutschland lebenden Kurden aus der Türkei unterscheidet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes begründet jedoch nur eine exponierte exilpolitische Betätigung, d. h. eine Tätigkeit in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation bzw. besonders publizitätsträchtige Aktivitäten im Falle einer Rückkehr eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr

vgl. etwa OVG des Saarlandes, Urteile vom 3.4.2008 - 2 A 312/07 -, juris und vom 28.9.2005 - 2 R 1/05 - m.w.N., juris; sowie Beschluss vom 21.12.2009 - 3 A 275/09 -.

Neuere Erkenntnisse, die Anlass zu einer anderen Beurteilung böten, liegen nicht vor. Vielmehr führt etwa das Auswärtige Amt in seinem jüngsten Lagebericht vom 8.4.2011 ebenso wie bereits in verschiedenen vorangegangenen Lageberichten bzw. Stellungnahmen aus, dass (nur) türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, Gefahr laufen, dass sich die Sicherheitsbehörden und die Justiz mit Ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Insbesondere Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen würden, müssten mit strafrechtlicher Verfolgung durch den Staat rechnen. Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange seien nur dann strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen nach dem türkischen Strafgesetzbuch gewertet werden könnten, was vorliegend jedoch nicht erkennbar ist.

Ist somit bereits nach den vorangegangenen Ausführungen nicht zu erwarten, dass die türkischen Sicherheitskräfte heute noch ein Interesse an der Person des Klägers haben, so findet dies eine weitere Bestätigung in den vom Senat eingeholten Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes und von Kamil Taylan.

So hat das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme vom 13.10.2010 zu den im Beweisbeschluss des Senats vom 16.7.2010 gestellten Fragen mitgeteilt, dass Nachforschungen eines beauftragten Vertrauensanwalts im Falle des Klägers ergeben hätten, dass an den maßgeblichen Orten, nämlich am Ort der personenstandsamtlichen Registrierung und am letzten Wohnort des Klägers keine behördlichen Vorgänge gegen ihn vorhanden seien. Auch bei der Sicherheitsdirektion Istanbul und der Oberstaatsanwaltschaft Istanbul sei der Kläger nicht aktenkundig. Es habe auch kein Fahndungsersuchen nach ihm festgestellt werden können. Im Hinblick darauf seien keine Hinweise dafür vorhanden, dass der Kläger bei Rückkehr in die Türkei in den Fokus der türkischen Sicherheitskräfte geraten könnte bzw. mit staatlichen Repressalien wegen der behaupteten früheren Aktivitäten zu rechnen hätte.

Auch der Sachverständige Taylan bestätigt in seiner Stellungnahme vom 11.2.2011, über türkische Anwälte in Erfahrung gebracht zu haben, dass über den Kläger in zentralen Fahndungsregistern keine Einträge vorhanden seien, d. h., dass der Kläger nicht zur Fahndung ausgeschrieben sei, auch kein Haftbefehl gegen ihn existiere und derzeit auch kein Strafverfahren gegen ihn anhängig sei. Es könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der Kläger bei einer eventuellen Rückkehr in die Türkei wegen seiner Aktivitäten in den 90er Jahren politisch verfolgt werde. Es sei auch derzeit kein einziges Verfahren in der Türkei bekannt, worin ein Rückkehrer wegen Verfehlungen, wie sie dem Kläger vorgeworfen worden seien, angeklagt sei oder sich in U-Haft befinde bzw. deswegen sonstigen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen wäre. Ein Verfahren gegen einen zurückkehrenden türkischen Staatsangehörigen, der im Jahre 1994 in den Verdacht geraten war, die PKK durch Transportfahrten unterstützt zu haben, hält der Gutachter wegen der Verjährung dieser Taten für ausgeschlossen, auch wenn die betroffene Person damals kurzfristig festgenommen und misshandelt worden sowie in ihrer Heimatregion als Verdächtiger registriert war.

Dafür, dass – wie das Auswärtige Amt und Kamil Taylan festgestellt haben – der Kläger in der Türkei tatsächlich nicht mehr als Verdächtiger bzw. Sympathisant der PKK registriert ist, spricht im Übrigen auch, dass aufgrund eines Runderlasses des türkischen Innenministeriums vom 18.12.2004 keine Suchvermerke mehr ins Personenstandregister eingetragen werden und Angaben türkischer Behörden zufolge Mitte Februar 2009 alle bestehenden Suchvermerke in den Personenstandsregister gelöscht wurden

vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 8.4.2011.

Der darüber hinausgehenden Anmerkung des Sachverständigen Taylan in seiner Stellungnahme vom 11.2.2011, wonach mit Blick darauf, dass der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland als Unterstützer und Sympathisant der PKK aktiv gewesen sei, die Gefahr einer politischen Verfolgung „nicht gänzlich ausgeschlossen“ werden könne, lässt sich die erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit einer dem Kläger weiterhin drohenden politischen Verfolgung ebenfalls nicht entnehmen. Die Gefahr einer solchen Verfolgung erachtet auch Kamil Taylan wörtlich als „sehr gering“ bzw. „verschwindend klein“; er vermag sie angesichts der seiner Meinung nach „chaotischen Verhältnisse in der türkischen Justiz“ nur nicht ganz auszuschließen. Eine so hohe Prognosesicherheit, dass eine Verfolgungsgefahr ohne jeden Zweifel ausgeschlossen werden kann, was letztlich einen kaum zu gewährleistenden Schutzstandard bedeutete, wird jedoch für die Annahme eines Wegfalls der Anerkennungsvoraussetzungen nicht gefordert. Vielmehr hätte bei dem vom Gutachter umschriebenen Wahrscheinlichkeitsgrad nach der früheren Rechtsprechung sogar eine hinreichende Verfolgungssicherheit bejaht werden können. Nach dieser Rechtsprechung konnte vom Fehlen hinreichender Sicherheit vor der Wiederholung von Verfolgungshandlungen nicht schon bei jeder noch so geringen Möglichkeit abermaligen Verfolgungseintritts ausgegangen werden. Vielmehr war über eine „theoretische“ Möglichkeit hinaus erforderlich, dass objektive Anhaltspunkte einen Übergriff als nicht ganz entfernt und damit als durchaus „reale“ Möglichkeit erscheinen ließen

vgl. BVerwG, Urt. v. 8.9.1992 – 9 C 62.91 -, NVwZ 1993, 191 f.

Auch amnesty international hält zumindest eine gerichtliche Verfolgung aufgrund der dem Kläger früher vorgeworfenen Aktivitäten für nicht wahrscheinlich. Auch ansonsten lässt sich der Stellungnahme vom 31.1.2011 an den Senat, welche sich auf allgemeine Ausführungen zur Gefährdungslage von Rückkehrern beschränkt, ohne jedoch die individuelle Situation des Klägers näher zu beleuchten, eine dem Kläger im Rückkehrfalle mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung nicht entnehmen. Dies gilt zunächst, soweit ai ganz allgemein die Gefahr sieht, dass einreisende ehemalige Asylsuchende bereits während der Dauer der im Regelfall erfolgenden Erkundigungen bei den Heimatbehörden misshandelt werden. Der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer solchen allen Rückkehrern, und damit auch dem Kläger, drohenden Gefahr steht entgegen, dass in den letzten Jahren konkrete derartige Fälle nicht verzeichnet wurden.

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist diesem in den letzten Jahren kein Fall bekannt geworden, in den ein aus Deutschland in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt worden sei; dies gelte auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen. Auch seitens türkischer Menschenrechtsorganisationen sei kein Fall genannt worden, in dem politisch nicht in Erscheinung getretene Rückkehrer oder exponierte Mitglieder oder führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen menschenrechtswidriger Behandlung durch staatliche Stellen ausgesetzt gewesen seien. Nach Auskunft der Vertretungen von EU-Mitgliedstaaten in Ankara (Dänemark, Schweden, Niederlande, Frankreich, England, auch der Kommission) sowie von Norwegen, der Schweiz und den USA im Frühjahr 2011 sei auch diesen aus jüngerer Zeit kein Fall bekannt, in dem exponierte Mitglieder, führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen sowie als solche eingestufte Rückkehrer unmenschlicher Behandlung oder Folter ausgesetzt gewesen seien

vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 8.4.2011.

Konkrete Fälle, die den vorgenannten Feststellungen des Auswärtigen Amtes entgegen stehen, hat auch ai nicht benannt. Von daher kann jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass dem Kläger schon allein während einer routinemäßigen Nachfrage bei den Behörden seines Heimatortes Misshandlungen drohen. Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes, wonach zurückkehrende Asylbewerber jedenfalls nicht routinemäßig - d.h. ohne Vorliegen von Besonderheiten - bei der Wiedereinreise in die Türkei inhaftiert bzw. asylerheblichen Misshandlungen ausgesetzt werden

vgl. etwa Urteil vom 28.9.2005 - 2 R 1/05 - m.w.N., juris.

Soweit ai darüber hinaus die Gefahr eines Verhörs - und in diesem Zusammenhang auch von Folter - sieht, sobald gegen den Rückkehrer ein Eintrag oder ein polizeiinterner Suchbefehl vorliegt, ist eine diesbezüglich beachtlich wahrscheinliche Gefährdung des Klägers ebenfalls nicht anzunehmen, weil der Kläger - wie oben dargelegt - nach entsprechenden überzeugenden Angaben des Auswärtigen Amtes und des Sachverständigen Taylan in der Türkei derzeit nicht aktenkundig ist und keine behördlichen Vorgänge über ihn existieren. Die von ai lediglich in theoretischer Weise in den Blick genommen Risikofaktoren eines noch bestehenden Suchinteresses sind nach den Feststellungen des Auswärtigen Amtes und des Sachverständigen Taylan im Falle des Klägers vielmehr zu verneinen.

Nach alledem ist ein aktuelles Interesse der türkischen Sicherheitskräfte an dem Kläger (und damit einhergehend die Gefahr weiterer Ermittlungen und Misshandlungen) nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, vielmehr nahezu auszuschließen.

Soweit der Kläger die Befürchtung geäußert hat, dass die türkischen Sicherheitskräfte gegen eine in der jüngeren Zeit wieder verstärkt militärisch operierende PKK nochmals nachhaltig vorgehen und dies zu einer erneuten Verschlechterung der Verhältnisse in seiner Heimatregion führen könnte, bietet dies keinen Anlass zu der Annahme, dass eine langjährig zurückliegende Unterstützung der PKK relativ geringfügiger Art, wie sie bei dem Kläger vermutet wurde, im Falle einer Rückkehr Anlass für weitergehende Behelligungen sein könnte, nachdem in diesem Zusammenhang keinerlei behördliche Vorgänge und Registrierungen hinsichtlich des Klägers mehr vorliegen.

Schließlich droht dem Kläger auch im Hinblick auf seine kurdische Volkszugehörigkeit bei einer Rückkehr keine Gefährdung. Eine Gruppenverfolgung von Kurden lag weder im Zeitpunkt der Flüchtlingsanerkennung des Klägers vor noch kann hiervon aktuell ausgegangen werden. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats

vgl. Urteile vom 28.9.2005 - 2 R 1/05 -, vom 16.12.2004 - 2 R 1/04 - und vom 29.3.2000 - 9 R 10/98 -, juris.

und auch aller weiteren Obergerichte, welche im angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt wurde. Auf diesen wird insoweit Bezug genommen. Weiterer Darlegungen bedarf dies nicht, da sich der Kläger im anhängigen Verfahren auch nicht auf eine asylrelevante Gruppenverfolgung von Kurden berufen hat.

Haben sich nach alledem im Falle des Klägers die für die Flüchtlingsanerkennung maßgeblichen Verhältnisse seither erheblich verändert, steht der Annahme des nachträglichen Wegfalls der die Flüchtlingsanerkennung begründenden Umstände schließlich auch nicht die gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG anwendbare Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG entgegen, wonach die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

Diese Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit einer Verfolgung bzw. des Eintritts eines sonstigen ernsthaften Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen

vgl. BVerwG, Urteile vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 - m.w.N., juris.

Die Beweislast liegt insoweit bei der Beklagten.

Zwar hat der Senat keinen Anlass die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers in Zweifel zu ziehen, wonach er im Rahmen einer zweitägigen Festnahme im Jahr 1994 mit einem Gewehrkolben geschlagen wurde, dabei einen Bruch der Wangenknochen erlitt und auch anlässlich eines mehrstündigen Verhörs in Istanbul im Jahre 1995 erneut misshandelt wurde, wovon auch das Verwaltungsgericht des Saarlandes in seinem Urteil vom 20.12.1999 - 6 K 136/98.A - ausgegangen ist. Von daher liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG formulierten Vermutung vor. Ausgehend von den vorstehend dargestellten Veränderungen der Rechtslage und Menschenrechtssituation in der Türkei, insbesondere den oben dargestellten, dem Kläger zu Gute kommenden Amnestie- bzw Verjährungsregelungen sowie der Tatsache, dass derzeit in der Türkei bezüglich des Klägers keinerlei Fahndungsersuchen, Registereintragungen oder sonstige behördliche Vorgänge wegen des Verdachts einer Unterstützung der PKK mehr existieren, sprechen jedoch stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Denn die in der Türkei trotz der durchgeführten Reformen im Einzelfall nicht auszuschließende Gefahr der Folter besteht vor allem bei Ermittlungen der türkischen Sicherheitskräfte gegen bestimmte Personen wegen der Verdächtigung, politische Straftaten begangen zu haben. Für solche Ermittlungen gegen den Kläger besteht nach dem Vorgesagten aber kein Anlass mehr.

Nach den vorstehenden Ausführungen ist auch ohne Weiteres anzunehmen, dass die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nicht nur vorübergehender Natur ist, vielmehr die Faktoren, die die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können. Angesichts der dem Kläger zugute kommenden Amnestie- bzw. Verjährungsregelungen sowie des im Zuge der Beweiserhebung des Senats zu Tage getretenen gänzlich fehlenden aktuellen Interesses der türkischen Behörden an der Person des Klägers ist nicht erkennbar, dass diesem auf absehbare Zeit erneute Verfolgung drohen könnte. Dies umfasst zugleich die Feststellung, dass die türkische Regierung in den letzten Jahren geeignete Schritte unternommen hat, um die der Flüchtlingsanerkennung des Klägers zugrunde liegende Verfolgung dauerhaft zu verhindern. Aufgrund der vorgenannten Maßnahmen (insbesondere der Amnestie- und Verjährungsregelungen sowie des Beseitigens von Registereintragungen) ist davon auszugehen, dass der Kläger in der Türkei nunmehr vor weiteren Verfolgungsmaßnahmen nachhaltig geschützt ist.

Sind danach aufgrund einer erheblichen und nicht nur vorübergehenden Veränderung der Verhältnisse in der Türkei diejenigen Umstände weggefallen, auf denen die begründete Furcht vor Verfolgung und die Flüchtlingsanerkennung des Klägers beruhten, ergibt sich daraus zwangsläufig, dass die Rechtskraft des zur Anerkennung verpflichtenden Urteils einem Widerruf nicht entgegensteht. Denn bei einer solchen wesentlichen Veränderung der Sachlage endet auch die Rechtskraft des Urteils.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger wegen anderer Umstände begründete Furcht vor Verfolgung haben müsste, hat dieser nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

Hat die Beklagte demnach im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Kläger wegen einer erheblichen und dauerhaften Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände keine begründete Furcht vor Verfolgung mehr haben muss, war vom Widerruf auch nicht gemäß § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG wegen zwingender auf früheren Verfolgungen beruhender Gründe abzusehen. Solche zwingenden, auf früheren Verfolgungen beruhenden Gründe, um eine Rückkehr in die Türkei abzulehnen, liegen im Falle des Klägers nicht vor. Mit § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG wird insbesondere der psychischen Sondersituation Rechnung getragen, in dem sich ein Asylberechtigter befindet, welcher ein besonders schweres, nachhaltig wirkendes Verfolgungsschicksal erlitten hat und dem es deshalb selbst lange Jahre danach ungeachtet der veränderten Verhältnisse im Heimatland nicht zumutbar ist, in den früheren Verfolgungsstaat zurückzukehren. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG ist demnach, dass Nachwirkungen früherer Verfolgungsmaßnahmen vorliegen, die zur Unzumutbarkeit der Rückkehr in die Türkei auch dann führen, wenn - wie hier - eine Verfolgung nicht mehr droht

vgl. BVerwG, Urteil vom 1.11.2005 - 1 C 24.04 in DVBl. 2006, S. 511.

Eine derartige Sachlage ist im Falle des Klägers nicht gegeben. Zwar ist der Kläger vor seiner Ausreise körperlich misshandelt worden. Jedoch hat er weder vorgetragen noch ist erkennbar, dass er dabei derart schwere physische oder psychische Schäden davon getragen hat, dass diese auch derzeit noch in einem erheblichen Umfang nachwirken, so dass ihm eine Rückkehr nicht angesonnen werden könnte. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger zwar angegeben, die erlittenen Misshandlungen nicht vergessen zu können. Dies reicht jedoch zur Annahme einer Unzumutbarkeit der Rückkehr in die Türkei nicht aus, zumal der Kläger sich offenkundig vorrangig um die Zukunft seiner Kinder und auch die wirtschaftliche Lage der Familie sorgte.

Hat die Beklagte demnach die im Bescheid vom 10.3.2000 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, zu Recht widerrufen, ist auch die weitere Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen, zu Recht ergangen. Die Beklagte hat im Rahmen des Widerrufsverfahrens zu Recht auch über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG entschieden. Insoweit sowie zu den Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Eine nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 AufenthG im Falle einer Rückkehr drohende Gefährdung kommt ausgehend vom Vorbringen des Klägers ebenfalls nur mit Blick auf die geäußerte Befürchtung erneuter staatlicher Repressionen im Zusammenhang mit den Vorgängen vor der Ausreise in Betracht. Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen, auf die verwiesen werden kann, kann insoweit jedoch nicht von einer beachtlichen Verfolgungsgefahr ausgegangen werden.

Schließlich ist auch die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, rechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat geht insoweit davon aus, dass die ohne Einschränkung gegen den gesamten Bescheid vom 17.7.2008 erhobene Anfechtungsklage auch gegen diese Feststellung gerichtet ist. Ungeachtet der Frage des richtigen Rechtsbehelfs kann auch hier zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen werden. Ergänzend wird folgendes hinzugefügt: Auch bei der Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ist stets der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen.

vgl. BVerwG, Urteile vom 24.4.2010 - 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 -.

Ausgehend vom Sachvortrag des Klägers kommt auch hier lediglich eine ihm im Rückkehrfalle drohende Gefahr erneuter Folter bzw. Misshandlung durch türkische Sicherheitskräfte in Betracht. Eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende derartige Gefahr ist jedoch nach den vorangegangenen Darlegungen, auf die auch hier Bezug genommen werden kann, nicht anzunehmen. Die Vermutungsregelung des auch im Rahmen der Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG anwendbaren Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG wirkt sich auch hier nicht zugunsten es Klägers aus, da - wie ausgeführt - stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Dementsprechend liegt weder ein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 2 oder Abs. 5 AufenthG noch ein solches im Sinne des nachrangig zu prüfenden § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Für sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 3 AufenthG, § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG oder § 60 Abs. 4 AufenthG sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.

Die Berufung des Klägers wird daher zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83 b AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Die allein geltend gemachte Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) greift nicht durch. Der Kläger zeigt keinen Gehörsverstoß auf.

Der Kläger macht geltend, das Verwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es sein Vorbringen zur Reiseunfähigkeit und Suizidalität ignoriert, aus dem Zusammenhang gerissen und letztlich die fachkundige Stellungnahme des sachverständigen Zeugen als irrelevant bezeichnet habe. Die Anamnese des sachverständigen Zeugen habe nicht wegen unklarer Angaben des Klägers als fehlerhaft unterstellt werden dürfen. Aus diesem Vorbringen ergibt sich jedoch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat sich mit den wesentlichen Argumenten des Klagevortrags zu befassen, wenn sie entscheidungserheblich sind. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann allerdings nur dann festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BayVGH, B. v. 22.9.2015 - 9 ZB 15.30080 - juris Rn. 5 m. w. N.). Das Verwaltungsgericht setzt sich hier jedoch in den Urteilsgründen mit sämtlichen vom Kläger vorgetragenen Aspekten auseinander. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass ein entscheidungserheblicher Vortrag des Klägers unberücksichtigt geblieben oder nicht gewürdigt worden ist. Vielmehr stellt das Verwaltungsgericht darauf ab, dass der Vortrag des Klägers widersprüchlich, nicht glaubhaft und nicht nachvollziehbar sei und begründet dies im Rahmen des Urteils. Es bewertet den Vortrag des Klägers zu seiner psychischen Erkrankung, seiner Reiseunfähigkeit und Suizidalität im Rahmen der Beweiswürdigung und kommt unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger insbesondere den den fachärztlichen Stellungnahmen zugrunde liegenden Selbstmordversuch im Gefängnis in Portugal im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht vorgetragen hat, in freier Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO) zu dem Ergebnis, dass insgesamt die der erhöhten Selbstmordgefährdung zugrunde liegenden Tatsachen nicht glaubhaft sind. Mit seinem Vortrag wendet sich der Kläger daher in Wirklichkeit im Gewand einer Gehörsrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Einwände gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts sind aber dem sachlichen Recht zuzurechnen (vgl. BVerwG, B. v. 1.2.2010 - 10 B 21/09 - juris Rn. 13). Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann grundsätzlich nicht die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör begründen (BayVGH, B. v. 20.8.2015 - 13a ZB 15.30062 - juris Rn. 12). Das Asylverfahrensrecht kennt in § 78 Abs. 3 AsylG - im Gegensatz zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO - den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung nicht (BayVGH, B. v. 22.9.2015 - 9 ZB 14.30399 - juris Rn. 4). Abgesehen davon, dass der anwaltlich vertretene Kläger keinen Beweisantrag gestellt hat, ist auch nicht ersichtlich oder dargelegt, dass sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung auch ohne entsprechendes Beweisbegehren des anwaltlich vertretenen Klägers hätte aufdrängen müssen (vgl. BayVGH, B. v. 22.9.2015 - 9 ZB 14.30399 - juris Rn. 5).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), denn sie ist unzulässig.

2

1. Die Verfassungsbeschwerde wahrt nicht die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG.

3

a) Der angegriffene Beschluss des Kammergerichts vom 23. Juni 2015 über die Haftbeschwerde gegen die Fortdauer von Untersuchungshaft ist der Verteidigung am 26. Juni 2015 zugegangen. Der Beschwerdeführer legte die Verfassungsbeschwerde indes erst nach Ablauf der Monatsfrist am 26. August 2015 ein.

4

b) Die von dem Beschwerdeführer erhobene Anhörungsrüge (§ 33a StPO) war nicht geeignet, die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde offen zu halten. Sie gehörte nicht zum Rechtsweg, denn sie war von vornherein aussichtslos (vgl. BVerfGE 5, 17 <19>; 48, 341 <344>; BVerfGK 7, 115 <116>; 11, 203 <205 ff.>; 20, 300 <302 ff.>). Der Beschwerdeführer konnte aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen des Kammergerichts in der Entscheidung vom 23. Juni 2015 zu den Bedingungen des Vollzugs der Untersuchungshaft und zum Haftgrund der Fluchtgefahr von vornherein nicht im Ungewissen darüber sein, dass sein Rechtsbehelf ohne Erfolg bleiben würde, denn er beanstandete im Gewand der Anhörungsrüge tatsächlich nur die Richtigkeit der Ausführungen des Beschwerdegerichts. Die Behauptung, das Gericht habe den vorgetragenen tatsächlichen Umständen nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen, vermag grundsätzlich keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu begründen (vgl. BVerfGK 11, 203 <207>). Die Anhörungsrüge dient nicht dazu, das Gericht unabhängig vom Vorliegen eines Gehörsverstoßes zur Überprüfung einer dem Rechtsbehelfsführer ungünstigen Rechtsauffassung zu veranlassen (vgl. BVerfGK 7, 115 <116>; 13, 480 <481 f.>; 20, 300 <303 f.>).

5

2. Soweit der Beschwerdeführer die Unverhältnismäßigkeit der Fortdauer der Untersuchungshaft mit der Verfassungswidrigkeit der Haftbedingungen begründet, ist die Verfassungsbeschwerde auch deshalb unzulässig, weil sie dem Grundsatz der Subsidiarität nicht gerecht wird.

6

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen zur Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergriffen werden, um die jeweils geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 68, 384 <388 f.>; 77, 381 <401>; 81, 97 <102>; 107, 395 <414>; stRspr.). Nach diesen Maßstäben hätte der Beschwerdeführer zunächst Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren nach § 119 Abs. 5, § 119a StPO in Anspruch nehmen müssen.

7

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

8

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.