Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2014 - 22 ZB 14.652

bei uns veröffentlicht am03.07.2014
vorgehend
Verwaltungsgericht Regensburg, RO 7 K 13.1626, 13.02.2014

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III.

Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 16.102 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich als Betreiberin einer Windkraftanlage gegen die Höhe der festgesetzten Ersatzzahlung für eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch eine Windkraftanlage. Diese soll in 120 m Entfernung zum bisherigen Standort eine dort bestehende Windkraftanlage ersetzen (Repowering).

Mit Bescheid vom 17. Dezember 1997 i. d. F. vom 11. Juli 2000 erhielt die Klägerin die bauaufsichtliche Genehmigung für eine Windkraftanlage mit einer Gesamthöhe von 99,8 m, die im Jahr 2000 in Betrieb genommen wurde. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22. August 2013 erhielt die Klägerin die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage auf demselben Grundstück, aber in ca. 120 m Entfernung vom bisherigen Standort der Windkraftanlage. Die neue Windkraftanlage soll eine Gesamthöhe von 200 m haben. Nach Nr. 3.8.1 des Bescheides ist für den Eingriff in das Landschaftsbild eine Ersatzzahlung von 32.205 Euro zu leisten.

Die Klägerin erhob gegen die Nebenbestimmung Nr. 3.8.1 des Bescheids vom 22. August 2013 Teilanfechtungsklage, soweit die Ersatzzahlung 16.102,50 Euro übersteigt. Nach Nr. 9.3.3 des Bayerischen Windkrafterlasses (Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen vom 20.12.2011, Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien des Innern, für Wissenschaft, Forschung und Kunst, der Finanzen, für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, für Umwelt und Gesundheit sowie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) sei auch im Fall des Repowering eine Reduzierung der abschließend errechneten Ersatzzahlung um 50%, unabhängig von der jeweiligen Gebietskulisse, vorgesehen.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 13. Februar 2014 ab. Die Ermäßigungsregel sei nicht anwendbar, denn die entsprechende Passage im Windkrafterlass (dort S. 39) differenziere nach der „Gebietskulisse Windkraft Kategorie Grün“ oder einem Vorranggebiet für Windkraftanlagen einerseits sowie sonstigen Standorten für Windkraftanlagen andererseits. Es handele sich daher nicht um eine standortunabhängige, allein wegen des Repowerings anwendbare Reduzierungsregelung. Die erforderliche Gebietskulisse sei bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids nicht erfüllt gewesen. Abgesehen davon sei ein Aufschlag für die nun wesentlich verlängerte Betriebszeit geboten.

Die Klägerin hat die Zulassung der Berufung beantragt und macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache und eine grundsätzliche Bedeutung geltend. Der Windkrafterlass sei als Verwaltungsvorschrift vom Wortlaut her auszulegen. Nach dem Wortlaut beinhalte Nr. 9.3.3 des Windkrafterlasses eine doppelte „oder“-Alternative, auch nach der Systematik solle das Repowering als Sondertatbestand gegenüber den Tatbeständen hinsichtlich der Gebietskulisse und des Vorranggebiets gelten. Sonst wäre auch die vorangestellte Regelung bezüglich der Höhendifferenz sachwidrig. Denn würde - wie dem Wortlaut zu entnehmen sei - allein auf die Höhendifferenz für die Berechnung einer zusätzlichen Ersatzzahlung abgestellt, würde eine höhere Windkraftanlage behandelt wie eine kleine neue Windkraftanlage, ohne dass die Vorbelastung berücksichtigt werde. Das Repowering bedeute eine geringere Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und sei damit der „Gebietskulisse Windkraft Kategorie Grün“ vergleichbar. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts komme kein Aufschlag für die Betriebszeitverlängerung in Betracht, denn schon die Genehmigung der bisherigen Windkraftanlage sei unbefristet erteilt worden. Besondere rechtliche Schwierigkeiten ergäben sich aus der problematischen Auslegung der Reduzierungsregelung. Grundsätzliche Bedeutung habe auch die Frage, ob für das Repowering ein eigener Ermäßigungstatbestand anzunehmen sei.

Der Beklagte tritt dem Antrag entgegen und verweist darauf, der Windkrafterlass sei nicht wie eine Norm auslegbar, sondern als Verwaltungsvorschrift nach dem wirklichen Willen des Vorschriftengebers zu betrachten. Die tatsächliche Handhabung folge dabei der Weisung des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz, welches in einer E-Mail seine Auffassung deutlich gemacht habe. Da die Behörden im Freistaat Bayern diese Vorgabe auch nicht unterschiedlich handhabten, könne die Klägerin auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung keine andere Behandlung beanspruchen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus den insoweit maßgeblichen Darlegungen der Klägerin (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergeben sich die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht.

Solche Zweifel bestehen dann, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 124 Rn. 7 m. w. N.). Diese schlüssigen Gegenargumente müssen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb offener Frist vorgebracht werden. Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B.v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 - NVwZ 2010, 634/641; Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 124a Rn. 62 f.).

Soweit die Klägerin gegen die Auslegung von Nr. 9.3.3 des Windkrafterlasses durch das Verwaltungsgericht anführt, methodisch sei diese ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift wie eine Norm auszulegen, ergeben sich daraus keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Dieser Einwand ist nicht zutreffend; Nr. 9.3.3 des Windkrafterlasses ist nicht wie eine Rechtsnorm auszulegen.

Bei der Auslegung von ermessenslenkenden oder gesetzesinterpretierenden, den Gesetzesvollzug vereinheitlichenden Vorschriften kommt dem wirklichen Willen des Erklärenden und ihrer tatsächlichen Handhabung, also der vom Urheber gebilligten oder geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis, besondere Bedeutung zu. Daher haben nachgeordnete Behörden bei Unklarheiten durch Rückfrage den Willen der übergeordneten Behörde zu ermitteln (vgl. BVerwG, U.v. 19.9.2000 - 1 C 19/99 - juris Rn. 17; BVerwG, U.v. 15.11.2011 - 1 C 21/10 - juris Rn. 14). Nr. 9.3.3 des Windkrafterlasses stellt eine solche gesetzesinterpretierende Verwaltungsvorschrift dar. Es handelt sich um keine Rechtsverordnung nach § 15 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG, auch nicht um eine solche des Landesrechts. Es handelt sich auch nicht um eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift, weil § 15 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG nicht auf eine entsprechende administrative Beurteilungsermächtigung hindeuten, sondern auf Verordnungsermächtigungen bzw. Landesrecht. Davon ist der Vorschriftengeber des Windkrafterlasses ausgegangen, wie folgender Absatz zeigt: „Zur Sicherstellung eines einheitlichen Vollzugs und zur Erleichterung der Genehmigungsverfahren sowie zur Steuerung der vorgeschalteten Planungen geben wir die nachfolgenden Orientierungshilfen und Hinweise“ (Windkrafterlass, S. 4). Eine Normsetzungs- oder Normkonkretisierungskompetenz hat er erkennbar nicht beansprucht.

Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung von Nr. 9.3.3 des Windkrafterlasses (Urteil vom 13.2.2014, S. 39 letzter Absatz) berücksichtigt diese rechtliche Einordnung und stützt sich zu Recht auf die mit Email vom 4. Februar 2014 (VG-Akte Bl. 106) kund getane Auffassung des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz. Dass diese Auffassung von den Genehmigungsbehörden in Bayern allgemein beachtet wird und Grundlage eines einheitlichen Vollzugs ist, hat die Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Dass Nr. 9.3.3 des Windkrafterlasses grundsätzlich gegen höherrangiges Recht verstoßen könnte, hat die Klägerin nicht dargelegt. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass die durch Nr. 9.3.3 des Windkrafterlasses für ganz Bayern gegebenen Anwendungshinweise einschließlich der darin auf bestimmte Standorte begrenzten Begünstigung des Repowering nicht mit § 15 Abs. 6 Satz 3 BNatSchG vereinbar wären.

Die Klägerin hat allerdings geltend gemacht, es sei sachlich nicht gerechtfertigt und daher möglicherweise ein Rechtsverstoß, die erstmalige Errichtung einer Windkraftanlage mit einer Erneuerung im Zuge des Repowering gleichzustellen.

Die Gründe für diese Gleichbehandlung liegen indessen auf der Hand: Die Beeinträchtigung der Landschaft soll minimiert werden, wozu Errichtungsformen oder Standorte finanziell begünstigt werden sollen, die mit einer geringeren Beeinträchtigung der Landschaft einhergehen. Windkraftanlagen sollen bevorzugt dort errichtet werden, wo die Landschaft weniger schutzbedürftig ist, so dass es auf die Art der Errichtung (Ersterrichtung oder Erneuerung durch Repowering) nicht ankommt.

Dass Nr. 9.3.3 des Windkrafterlasses zu Folge bei im Zuge des Repowering erneuerten Anlagen nur die Höhendifferenz ausgleichspflichtig ist, eine erneuerte Windkraftanlage also behandelt wird wie eine neue kleine Windkraftanlage (in Höhe der Höhendifferenz), entbehrt entgegen der Auffassung der Klägerin mit Blick auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG nicht eines sachlichen Grundes. Die vorhandene Windkraftanlage stellt zwar bereits eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes dar, die aber - worauf auch die Klägerin in anderem Zusammenhang hinweist - bereits bei ihrer Errichtung in vollem Umfang ausgleichspflichtig war und ausgeglichen worden ist, so dass die hierfür geleistete Ersatzzahlung in vollem Umfang anrechenbar bleiben muss. Aus Gründen der Praktikabilität werden die Ersatzzahlungen für die vorhandene und für die erneuerte Windkraftanlage nicht gesondert errechnet und voneinander abgezogen, sondern wird lediglich die Höhendifferenz in Ansatz gebracht. Die Klägerin hat nicht dargelegt, weshalb dies zu beanstanden sein sollte.

Die von der Klägerin sinngemäß für erforderlich gehaltene Differenzierung nach Ersterrichtung und Erneuerung (Repowering) einer Windkraftanlage, weil beim Repowering eine vorbelastete Landschaft beeinträchtigt werde, bei der Neuerrichtung hingegen eine unbelastete Landschaft, ist rechtlich nicht geboten. Weder findet eine Neuerrichtung generell in unbelasteter Landschaft statt, noch stellt eine bereits vorhandene Windkraftanlage mit niedrigerer Höhe stets bereits eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes dar. Die begrenzte Differenzierung im Windkrafterlass hält sich im Rahmen der Befugnis zur praktikablen Pauschalierung von abstrakt-generellen Vorgaben. Eine unbegrenzte Begünstigung des Repowering wäre zwar aus Sicht der Antragstellerin wünschenswert, ist aber rechtlich nicht geboten.

Auf die von der Klägerin weiter aufgeworfene Frage, auf welchen Standort hinsichtlich der Gebietskulisse abzustellen sei, jenen der neuen oder jenen der alten Windkraftanlage, kommt es nicht entscheidungserheblich an, da nicht dargelegt ist, dass sich die beiden Standorte auf demselben Grundstück insoweit unterscheiden.

2. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nach dem Vorstehenden nicht vor.

3. Soweit die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht, hat sie nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt, welche Tatsachen- oder Rechtsfrage vorliegend erstens entscheidungserheblich, zweitens klärungsbedürftig und drittens über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (zum Erfordernis des kumulativen Vorliegens dieser Voraussetzungen vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 124 Rn. 35-40).

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

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(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Tenor

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde wird auf 250.000 € (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) festgesetzt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 RVG).

Tatbestand

1

Die Kläger, ein moldawisches Ehepaar und seine beiden minderjährigen Kinder, begehren die Erteilung einer Aufnahmezusage als jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion.

2

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte ihre entsprechenden Anträge mit Bescheid vom 20. April 2009 ab und führte zur Begründung aus, die Kläger erfüllten nicht die Aufnahmevoraussetzungen nach der Anordnung des Bundesministerium des Innern vom 24. Mai 2007. Danach könnten - in Anknüpfung an das Nationalitätenrecht in der ehemaligen Sowjetunion - als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden, die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität seien oder von mindestens einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammten. Aus den von den Klägern vorgelegten und vor 1990 ausgestellten staatlichen Personenstandsurkunden ergebe sich nur die jüdische Nationalität eines Großelternteils des Klägers zu 1.

3

Die hiergegen erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 11. März 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Bei der auf § 23 Abs. 2 AufenthG gestützten Anordnung des Bundesministeriums des Innern über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion vom 24. Mai 2007 in der Fassung vom 22. Juli 2009 handele es sich um eine innerdienstliche Richtlinie, die unmittelbar keine Rechte und Pflichten für Ausländer begründe. Die ablehnende Entscheidung des Bundesamts könne vom Gericht daher lediglich auf eine mögliche Verletzung des Willkürverbots bzw. des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes überprüft werden. Die in dem angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommende Auffassung, wonach der in der Anordnung geforderte Nachweis der jüdischen Nationalität oder der Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil nicht durch Urkunden der Großeltern oder die jüdische Abstammungslehre erbracht werden könne, beruhe mit Wissen und Wollen des Bundesministeriums des Innern auf einer einheitlichen und durchgängigen Verwaltungspraxis und verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

4

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 15. November 2010 den Berufungen der Kläger im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids des Bundesamts zur Neubescheidung verpflichtet. Er hat dies wie folgt begründet: Zwar bestehe kein (Rechts-)Anspruch, von einer Regelung nach § 23 Abs. 2 AufenthG erfasst zu werden. Mache das Bundesministerium des Innern jedoch von der dort normierten Ermächtigung Gebrauch, müsse sein Handeln rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen und bestehe ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die festgelegten Aufnahmekriterien nach Maßgabe des Gleichheitssatzes, des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Rechtsstaatsgebots. Ergehe die Anordnung in Gestalt einer Verwaltungsvorschrift, entfalte sie im Rahmen ihrer die Ermächtigungsgrundlage konkretisierenden Funktion Außenwirkung. Es unterliege deshalb gerichtlicher Kontrolle, ob und in welchem Umfang die Voraussetzungen ihrer Anwendung gegeben seien. Mache die Exekutive von ihrer Befugnis zur autonomen Rechtssetzung mittels der Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften Gebrauch, gebe sie zu erkennen, dass sie eine Selbstbindung kraft eigenen Normsetzungswillens eingehe, aufgrund dessen ein Anspruch auf Einhaltung des Zugesagten erwachse. In Anwendung dieses Prüfungsrahmens könne ein Anspruch auf Erteilung einer Aufnahmezusage vorliegend nicht unter Hinweis auf Nr. I 2 Buchst. a der Anordnung verneint werden. Danach genüge die jüdische Abstammung. Aus der vom Kläger zu 1 vorgelegten Geburtsurkunde seiner Mutter ergebe sich, dass er von einem jüdischen Großelternteil abstamme. Entgegen der Auffassung der Beklagten müsse er nicht die jüdische Nationalität seiner Mutter nachweisen. Die Behauptung einer abweichenden Verwaltungspraxis rechtfertige keine andere Beurteilung. Dem Bundesamt stehe eine autonome, vom Wortlaut der Vorschrift abweichende Interpretation nicht zu. Sie stünde in Widerspruch zu den eigenen Leitvorstellungen und wäre ermessensfehlerhaft. Dies gelte auch, wenn man mit der Beklagten davon ausgehe, dass es sich bei der Anordnung lediglich um eine Willenserklärung handele. Auch dann wäre sie angesichts ihrer Kundgabe nach außen und der existenziellen Auswirkungen für die Betroffenen aus objektiver Empfängersicht auszulegen. Aus den gewählten Anknüpfungskriterien ergebe sich, dass der Kreis der Begünstigten bezogen auf den jeweiligen Familienverband möglichst weit gefasst werden sollte, um ein willkürliches Auseinanderreißen zu verhindern.

5

Die Beklagte wendet sich mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision gegen ihre Verpflichtung zur Neubescheidung. Zur Begründung macht sie insbesondere geltend, das Berufungsgericht habe den Rechtscharakter und die gerichtliche Überprüfbarkeit der auf § 23 Abs. 2 AufenthG gestützten Anordnung über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer verkannt. Auf diese seien die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Anordnungen nach § 32 AuslG 1990 entwickelten Grundsätze übertragbar. Das Berufungsgericht hätte die Anordnung daher nicht selbst auslegen dürfen. Nach ständiger Verwaltungspraxis setze die Erteilung einer Aufnahmezusage den Nachweis entweder der eigenen jüdischen Nationalität oder der jüdischen Nationalität eines Elternteils durch vor 1990 ausgestellte staatliche Personenstandsurkunden voraus.

6

Die Kläger treten der Revision entgegen und verteidigen das angegriffene Urteil.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt. Er ist ebenfalls der Auffassung, dass das Berufungsgericht die Anordnung nicht abweichend von der Praxis der Beklagten auslegen durfte.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat unter Verstoß gegen Bundesrecht die Anordnung des Bundesministeriums des Innern über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion mit Ausnahme der Baltischen Staaten vom 24. Mai 2007 in der Fassung vom 22. Juli 2009 - Anordnung - wie einen Rechtssatz behandelt und daraus mit Blick auf die jüdische Abstammung des Klägers zu 1 einen Anspruch der Kläger auf Neubescheidung ihrer Anträge auf Erteilung einer Aufnahmezusage hergeleitet (1.). Das angegriffene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - hat die Anträge der Kläger ermessensfehlerfrei und ohne Verletzung ihres Anspruchs auf Gleichbehandlung abgelehnt (2.). Auf die Revision der Beklagten ist das Urteil des Berufungsgerichts daher zu ändern und sind die Berufungen der Kläger in vollem Umfang zurückzuweisen.

9

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können die Kläger unmittelbar aus der auf § 23 Abs. 2 AufenthG gestützten Anordnung des Bundesministeriums des Innern über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer keinen Anspruch auf Neubescheidung herleiten. Nach dieser Anordnung können als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden, die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität sind oder von mindestens einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammen (I 2. Buchst. a der Anordnung). Der dabei verwendete Begriff der "jüdischen Nationalität" beruht auf einer Besonderheit in der ehemaligen Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten. Diese unterscheiden zwischen der Staatsangehörigkeit und der Nationalität. Das Judentum wird der Nationalität zugerechnet, die in staatlichen Personenstandsurkunden angegeben ist.

10

Das Aufenthaltsgesetz gewährt keinen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Aufnahme aus dem Ausland. Gemäß § 22 AufenthG kann ein Ausländer im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen im Ermessenswege aus dem Ausland aufgenommen werden. Außerdem kann das Bundesministerium des Innern nach der - mit dem Siebten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 16. Mai 2007 (BGBl I S. 748) eingeführten - Neuregelung in § 23 Abs. 2 AufenthG zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Dass der Gesetzgeber es für erforderlich angesehen hat, die Anordnungsbefugnis des Bundesministeriums des Innern ausdrücklich zu regeln, und sie in § 23 Abs. 2 AufenthG zugleich als Voraussetzung für die Erteilung einer Aufnahmezusage durch das Bundesamt ausgestaltet hat, besagt nichts darüber, wie eine solche Anordnung rechtlich einzuordnen ist.

11

Sinn und Zweck der Regelung in § 23 Abs. 2 AufenthG besteht darin, einen gesetzlichen Rahmen und das Verfahren zu schaffen, um bestimmten Gruppen von noch nicht eingereisten Ausländern zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Hierdurch kann bei Aufnahmeentscheidungen, die typischerweise eine größere Zahl von Ausländern in gleicher oder vergleichbarer Weise betreffen, ein gleichmäßiger Verwaltungsvollzug sichergestellt werden. Nach den Gesetzesmaterialien enthält § 23 Abs. 2 AufenthG daher eine der Anordnungsbefugnis der Länder nach § 23 Abs. 1 AufenthG nachgebildete Anordnungsbefugnis des Bundes, derer es wegen der gleichzeitigen Verlagerung der Zuständigkeit für das Aufnahmeverfahren von den Ländern auf den Bund (vgl. § 75 Nr. 8 AufenthG) bedurfte, da Anordnungen der Länder als Rechtsgrundlage für den Bundesvollzug nicht in Betracht kommen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BTDrucks 16/4444 S. 6).

12

Ob das Bundesministerium des Innern nach § 23 Abs. 2 AufenthG eine Anordnung erlässt, steht in seinem Ermessen ("kann"). Dieses Ermessen ist lediglich durch das im Gesetz genannte Motiv ("zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland") dahin begrenzt, dass eine Anordnung nicht aus anderen Gründen erlassen werden darf. Dabei ergibt sich aus der Natur der Sache, dass das Bundesministerium des Innern bei der Definition der besonders gelagerten politischen Interessen der Bundesrepublik und der Festlegung der Aufnahmekriterien weitgehend frei ist. Es handelt sich hierbei um eine politische Leitentscheidung, die - entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rechtscharakter vergleichbarer Anordnungen (vgl. Urteil vom 19. September 2000 - BVerwG 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 63 zur Anordnungsbefugnis einer obersten Landesbehörde nach der Vorgängerregelung zu § 23 Abs. 1 AufenthG in § 32 AuslG 1990) - grundsätzlich keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Das Bundesministerium des Innern kann im Rahmen seines Entschließungs- und Auswahlermessens den von einer Anordnung erfassten Personenkreis bestimmen. Es kann dabei positive Kriterien (Erteilungsvoraussetzungen) und negative Kriterien (Ausschlussgründe) aufstellen. Ein Anspruch des einzelnen Ausländers, von einer Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG erfasst zu werden, besteht nicht (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O. <66>).

13

Neben der Festlegung der für die Erteilung einer Aufnahmezusage zu erfüllenden Voraussetzungen enthalten Anordnungen nach § 23 Abs. 2 AufenthG zugleich die Weisung an das Bundesamt, einem Ausländer bei Erfüllung der Aufnahmevoraussetzungen eine Aufnahmezusage zu erteilen. Hierdurch wird das Aufnahmeermessen, dessen Ausübung in den Fällen des § 23 Abs. 2 AufenthG dem Bundesamt obliegt, intern gebunden. Als innerdienstliche, das behördliche Ermessen lenkende Richtlinie begründet eine Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG für die von ihr begünstigten Ausländer keinen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufnahmezusage. Sie bindet unmittelbar nur das Bundesamt bei der Ausübung seines Aufnahmeermessens. Selbst soweit das Bundesministerium des Innern in einer Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG Wendungen benutzt, die an Rechtsansprüche erinnern, kennzeichnet dies lediglich den Grad der verwaltungsinternen Bindung. Gegenüber dem Ausländer bleibt die Entscheidung über die Erteilung einer Aufnahmezusage eine Ermessensentscheidung des Bundesamts (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O.).

14

Handelt es sich bei der Anordnung über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer um eine innerdienstliche Richtlinie, unterliegt sie auch nicht wie eine Rechtsnorm einer eigenständigen richterlichen Auslegung. Als eine das Ermessen lenkende Willenserklärung des Bundesministeriums des Innern gegenüber dem Bundesamt ist sie vielmehr unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Erklärenden und ihrer tatsächlichen Handhabung, d.h. der vom Urheber gebilligten und geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis, auszulegen und anzuwenden. Bei Unklarheiten hat das Bundesamt den wirklichen Willen des Bundesministeriums des Innern - ggf. durch Rückfrage - zu ermitteln (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O. <67>).

15

Außenwirkung kommt der Anordnung nur mittelbar zu über die Verpflichtung der Behörden und Gerichte zur Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG, wenn und soweit sich eine der Richtlinie entsprechende Behördenpraxis tatsächlich herausgebildet hat (sog. Selbstbindung der Verwaltung). Weicht das Bundesamt im Einzelfall von der konkreten Handhabung der Anordnung ab, erwächst dem Ausländer aus Art. 3 Abs. 1 GG ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Gleichbehandlung nach Maßgabe der tatsächlichen Anwendung der Anordnung. Denn der Sinn der Regelung besteht gerade darin, eine einheitliche Aufnahmepraxis zu erreichen. Die Gerichte haben daher nachzuprüfen, ob der Gleichheitssatz bei der Anwendung der Anordnung durch das Bundesamt gewahrt worden ist (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O. <67>).

16

Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts, wonach die Anordnung im Rahmen ihrer die Ermächtigungsgrundlage konkretisierenden Funktion unmittelbar rechtliche Außenwirkung entfalte und daher wie ein Gesetz aus sich heraus auszulegen und anzuwenden sei und den Begünstigten einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch gewähre, überzeugt nicht. Sie berücksichtigt nicht, dass es sich bei Anordnungen nach § 23 Abs. 2 AufenthG nicht um normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, sondern um das behördliche Ermessen lenkende politische Leitentscheidungen handelt. Sie dienen nicht dem Schutz und der Verwirklichung von Grundrechten der hierdurch begünstigten Ausländer, sondern der Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik. Der politische Charakter einer nach § 23 Abs. 2 AufenthG erlassenen Anordnung verbietet eine Auslegung, die ihr entgegen der Intention ihres Urhebers und der tatsächlichen Verwaltungspraxis einen weitergehenden Anwendungsbereich zuweist. Der Anwendungsbereich kann auch nicht mit Verhältnismäßigkeitserwägungen ausgeweitet werden. Denn es steht grundsätzlich allein im weiten - allenfalls durch das Rechtsstaatsgebot und das Willkürverbot begrenzten - Ermessen der Exekutive zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen über die im Aufenthaltsgesetz zum Schutz individueller Rechte normierten Zuwanderungsmöglichkeiten hinaus zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik bestimmte Gruppen von Ausländern aus dem Ausland aufgenommen werden. Da die Betroffenen nach Art. 3 Abs. 1 GG einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Gleichbehandlung im Rahmen der bestehenden Verwaltungspraxis haben, ist die fehlende Außenwirkung und gerichtliche Überprüfbarkeit von Anordnungen nach § 23 Abs. 2 AufenthG auch mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu beanstanden.

17

Die Kläger können daher unmittelbar aus der Anordnung des Bundesministeriums des Innern keine Rechte herleiten. Diese regelt verwaltungsintern, unter welchen Voraussetzungen das Bundesamt Juden aus der ehemaligen Sowjetunion im Ermessenswege eine Aufnahmezusage erteilen darf, indem sie den begünstigten Personenkreis durch positive Erteilungsvoraussetzungen und negative Ausschlussgründe näher eingrenzt. Zu den positiven Erteilungsvoraussetzungen zählt u.a. das Erfordernis, dass als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden können, die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität sind oder von mindestens einem jüdischen Elternteil abstammen. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht das Kriterium der "Abstammung von einem jüdischen Elternteil" aus sich heraus und ungeachtet der tatsächlichen Verwaltungspraxis der Beklagten dahingehend ausgelegt, dass hierfür der Nachweis der Abstammung von einem jüdischen Großelternteil genügt, und daraus einen Neubescheidungsanspruch der Kläger hergeleitet. Als Teil einer ermessenslenkenden Richtlinie unterliegen die in der Anordnung festgelegten Aufnahmevoraussetzungen keiner eigenständigen richterlichen Auslegung und begründen keinen unmittelbaren Anspruch. Sie sind nach den obigen Ausführungen vielmehr allein nach Maßgabe der vom Bundesministerium des Innern gebilligten Verwaltungspraxis des Bundesamts auszulegen und anzuwenden (dies entspricht auch der h.M. im Schrifttum, vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Band 2, Stand September 2011, § 23 Rn. 37 f. und 13 ff.; Hailbronner, AuslR, Stand September 2011, § 23 AufenthG Rn. 23 und 8 ff.).

18

2. Die Kläger haben auch nicht aus anderen Gründen einen Anspruch auf Neubescheidung ihrer Anträge auf Erteilung einer Aufnahmezusage. Das Bundesamt hat die Anträge ermessensfehlerfrei abgelehnt. Die Ablehnung verletzt mit Blick auf die bestehende Verwaltungspraxis nicht den Anspruch der Kläger auf Gleichbehandlung nach Maßgabe der bestehenden Verwaltungspraxis.

19

Dabei steht einem Durchentscheiden zu Lasten der Kläger nicht entgegen, dass das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine tatrichterlichen Feststellungen zur tatsächlichen Handhabung der in der Anordnung festgelegten Aufnahmevoraussetzungen getroffen hat. Das Bundesverwaltungsgericht ist als Revisionsgericht zwar grundsätzlich nur zur Rechtskontrolle berufen. Gleichwohl ist ihm im Rahmen einer sinnvollen Prozessführung in Ausnahmefällen auch die Berücksichtigung von der Vorinstanz nicht nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellter Tatsachen möglich, etwa wenn diese - wie hier - erstmals aufgrund einer von der Vorinstanz abweichenden Rechtsauffassung des Revisionsgerichts entscheidungserheblich werden, sie zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehen und keiner Beurteilung durch das Berufungsgericht bedürfen und sich der Rechtsstreit hierdurch endgültig erledigt (vgl. hierzu auch Eichberger, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 21. Ergänzungslieferung 2011, § 137 Rn. 188 ff. m.w.N. aus der Rspr des BVerwG).

20

Nach dem von den Klägern nicht bestrittenen und nach Aktenlage nicht anzuzweifelnden Vortrag der Beklagten geht das Bundesamt in ständiger, vom Bundesministerium des Innern gebilligter Praxis bei der Entscheidung über Anträge auf Erteilung einer Aufnahmezusage für jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion davon aus, dass für eine Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil allein der Nachweis der jüdischen Nationalität eines Großelternteils nicht genügt, sondern die jüdische Nationalität eines Elternteils nachgewiesen werden muss. Die Beklagte hat bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass das Bundesamt in Kontinuität mit der Verwaltungspraxis des früher zuständigen Auswärtigen Amtes bezüglich der Abstammung von einem jüdischen Elternteil auf dessen jüdische Nationalität abstellt und die jüdische Nationalität eines Großelternteils nicht genügt. Auch dem erstinstanzlichen Urteil ist zu entnehmen, dass nach der vom Wissen und Wollen des Bundesministeriums des Innern getragenen einheitlichen Verwaltungspraxis des Bundesamts der Nachweis der Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil nicht durch Urkunden der Großeltern, die jüdische Abstammungslehre o.ä. erbracht werden kann (UA S. 11). Dem sind die Kläger nicht entgegengetreten. Sie haben auch nichts vorgetragen, was für eine abweichende Verwaltungspraxis sprechen könnte.

21

Die Kläger haben weder ihre eigene jüdische Nationalität noch die eines Elternteils durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden nachgewiesen. Hinweise für eine eigene jüdische Nationalität ergeben sich für den Kläger zu 1 zwar aus den im Verfahren vorgelegten Geburtsurkunden seiner Kinder, der Kläger zu 3 und 4, aus den Jahren 2002 und 2008 und einem moldawischen Urteil aus dem Jahr 2007. Ungeachtet der Frage, welcher Beweiswert diesen Urkunden zukommt, handelt es sich hierbei aber nicht um vor 1990 ausgestellte Urkunden. Die Kläger haben auch nicht ihre Abstammung von mindestens einem Elternteil jüdischer Nationalität durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden nachgewiesen. Der - 1987 neu ausgestellten - Geburtsurkunde der Großmutter des Klägers zu 1 mütterlicherseits und der - 1986 neu ausgestellten - Geburtsurkunde seiner Mutter ist zwar zu entnehmen, dass die Großmutter von Eltern jüdischer Nationalität abstammte und selbst jüdischer Nationalität war. Daraus ergibt sich aber nur, dass die Mutter des Klägers zu 1 von einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammt. Da der Großvater des Klägers zu 1 mütterlicherseits moldawischer Nationalität war, stand ihr nach dem sowjetischen Nationalitätenrecht bezüglich ihrer eigenen Nationalität bei Erhalt des ersten sowjetischen Inlandspasses mit Vollendung des 16. Lebensjahrs ein Wahlrecht zwischen der jüdischen Nationalität ihrer Mutter und der moldawischen Nationalität ihres Vaters zu. Dass die Mutter des Klägers zu 1 dieses Wahlrecht zugunsten der jüdischen Nationalität ausgeübt hat, wurde nicht durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden nachgewiesen. Soweit sie in der - 1999 neu ausgestellten - Geburtsurkunde des Klägers zu 1 mit jüdischer Nationalität eingetragen ist, reicht dies in zeitlicher Hinsicht nicht aus.

22

Die Ablehnung der Erteilung einer Aufnahmezusage verletzt daher mit Blick auf die bestehende Verwaltungspraxis nicht den Anspruch der Kläger auf Gleichbehandlung. Insoweit unterscheidet sich der Fall des Klägers zu 1 auch von dem seiner Mutter und seines Bruders, die beide in Deutschland Aufnahme gefunden haben. Denn seine Mutter konnte anhand der vorgelegten - vor 1990 ausgestellten - Personenstandsurkunden nachweisen, dass sie von einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammt, und sein Bruder fand lediglich als in das Aufnahmeverfahren der Mutter einbezogener Familienangehöriger Aufnahme.

23

Dahinstehen kann, ob die in der Anordnung festgelegten Aufnahmevoraussetzungen in ihrer konkreten Anwendung durch das Bundesamt inhaltlich zumindest einer verwaltungsgerichtlichen Willkürkontrolle unterliegen. Dies bedarf hier keiner Vertiefung. Nach den obigen Darlegungen liegt die Aufnahme bestimmter Gruppen von Ausländern nach § 23 Abs. 2 AufenthG im weiten politischen Ermessen der Exekutive. Die Beschränkung der Aufnahme auf Ausländer, die bestimmte Aufnahmekriterien erfüllen, und der damit verbundene Ausschluss von Ausländern, die diese Kriterien nicht erfüllen, kann daher allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen willkürlich sein, wenn für die vorgenommene Differenzierung keinerlei nachvollziehbare Gründe ersichtlich sind. Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

24

Nach der tatsächlichen Handhabung der Anordnung werden gegenwärtig nur Personen aus der ehemaligen Sowjetunion aufgenommen, die durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden entweder ihre eigene jüdische Nationalität oder die eines Elternteils nachweisen können. Hierdurch ist der Kreis der Aufnahmeberechtigten von vornherein auf Personen begrenzt, die in der Sowjetunion wegen der in ihren Personenstandsdokumenten eingetragenen jüdischen Nationalität entweder selbst in besonderem Maße der Gefahr antisemitischer Pressionen ausgesetzt waren oder als Abkömmlinge ersten Grades einen besonders engen familiären Bezug zum Schicksal dieses Personenkreises haben. Dass der Nachweis der jüdischen Nationalität inzwischen nur noch durch vor 1990 ausgestellte Urkunden erbracht werden kann, stellt zwar gegenüber der früheren Regelung im Teilrunderlass des Auswärtigen Amtes vom 25. März 1997 eine Änderung dar. Der zwingende Ausschluss neuerer Urkunden ist aber darauf zurückzuführen, dass nach den langjährigen Erfahrungen des Auswärtigen Amtes nach 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden nur eine geringe Beweiskraft zukommt. Etwaigen sich aus den Aufnahmevoraussetzungen ergebenden familiären Härten wird im Übrigen durch die Erstreckung der Aufnahme auf (nichtjüdische) Ehegatten und minderjährige ledige Kinder Rechnung getragen (vgl. I 4 der Anordnung).

(1) Der Verursacher eines Eingriffs ist verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen. Beeinträchtigungen sind vermeidbar, wenn zumutbare Alternativen, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erreichen, gegeben sind. Soweit Beeinträchtigungen nicht vermieden werden können, ist dies zu begründen.

(2) Der Verursacher ist verpflichtet, unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). Ausgeglichen ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Ersetzt ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in dem betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist. Festlegungen von Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen für Gebiete im Sinne des § 20 Absatz 2 Nummer 1 bis 4 und in Bewirtschaftungsplänen nach § 32 Absatz 5, von Maßnahmen nach § 34 Absatz 5 und § 44 Absatz 5 Satz 3 dieses Gesetzes sowie von Maßnahmen in Maßnahmenprogrammen im Sinne des § 82 des Wasserhaushaltsgesetzes stehen der Anerkennung solcher Maßnahmen als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht entgegen. Bei der Festsetzung von Art und Umfang der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind die Programme und Pläne nach den §§ 10 und 11 zu berücksichtigen.

(3) Bei der Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen, insbesondere sind für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden nur im notwendigen Umfang in Anspruch zu nehmen. Es ist vorrangig zu prüfen, ob der Ausgleich oder Ersatz auch durch Maßnahmen zur Entsiegelung, durch Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen, die der dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes dienen, erbracht werden kann, um möglichst zu vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung genommen werden.

(4) Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind in dem jeweils erforderlichen Zeitraum zu unterhalten und rechtlich zu sichern. Der Unterhaltungszeitraum ist durch die zuständige Behörde im Zulassungsbescheid festzusetzen. Verantwortlich für Ausführung, Unterhaltung und Sicherung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist der Verursacher oder dessen Rechtsnachfolger.

(5) Ein Eingriff darf nicht zugelassen oder durchgeführt werden, wenn die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen sind und die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft anderen Belangen im Range vorgehen.

(6) Wird ein Eingriff nach Absatz 5 zugelassen oder durchgeführt, obwohl die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen sind, hat der Verursacher Ersatz in Geld zu leisten. Die Ersatzzahlung bemisst sich nach den durchschnittlichen Kosten der nicht durchführbaren Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich der erforderlichen durchschnittlichen Kosten für deren Planung und Unterhaltung sowie die Flächenbereitstellung unter Einbeziehung der Personal- und sonstigen Verwaltungskosten. Sind diese nicht feststellbar, bemisst sich die Ersatzzahlung nach Dauer und Schwere des Eingriffs unter Berücksichtigung der dem Verursacher daraus erwachsenden Vorteile. Die Ersatzzahlung ist von der zuständigen Behörde im Zulassungsbescheid oder, wenn der Eingriff von einer Behörde durchgeführt wird, vor der Durchführung des Eingriffs festzusetzen. Die Zahlung ist vor der Durchführung des Eingriffs zu leisten. Es kann ein anderer Zeitpunkt für die Zahlung festgelegt werden; in diesem Fall soll eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Die Ersatzzahlung ist zweckgebunden für Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege möglichst in dem betroffenen Naturraum zu verwenden, für die nicht bereits nach anderen Vorschriften eine rechtliche Verpflichtung besteht.

(7) Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere zur Kompensation von Eingriffen zu regeln, insbesondere

1.
zu Inhalt, Art und Umfang von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich Maßnahmen zur Entsiegelung, zur Wiedervernetzung von Lebensräumen und zur Bewirtschaftung und Pflege sowie zur Festlegung diesbezüglicher Standards, insbesondere für vergleichbare Eingriffsarten,
2.
die Höhe der Ersatzzahlung und das Verfahren zu ihrer Erhebung.
Solange und soweit das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit von seiner Ermächtigung keinen Gebrauch macht, richtet sich das Nähere zur Kompensation von Eingriffen nach Landesrecht, soweit dieses den vorstehenden Absätzen nicht widerspricht.

(8) Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere zur Vermeidung von Beeinträchtigungen im Sinne von Absatz 1 Satz 1 sowie zur Kompensation von Eingriffen im Sinne von Absatz 7 Satz 1 zu regeln, soweit die Verordnung und Vorschriften dieses Kapitels ausschließlich durch die Bundesverwaltung, insbesondere bundeseigene Verwaltung oder bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts, ausgeführt werden. Die Rechtsverordnung ist bis zum 1. März 2020 dem Bundestag zuzuleiten. Sie kann durch Beschluss des Bundestages geändert oder abgelehnt werden. Der Beschluss des Bundestages wird dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zugeleitet. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit ist bei der Verkündung der Rechtsverordnung an den Beschluss gebunden. Hat sich der Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang einer Rechtsverordnung nicht mit ihr befasst, so wird die unveränderte Rechtsverordnung dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zur Verkündung zugeleitet. Absatz 7 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.