Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gestützte Antrag, der ausschließlich anhand seiner fristgemäßen Begründung vom Senat der rechtlichen Überprüfung zu unterziehen ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), rechtfertigt keine Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 9. November 2017, durch das das Verwaltungsgericht die Klage auf Zulassung zur Zusatzqualifizierung für die Lehrtätigkeit in Integrationskursen gemäß § 15 IntV abgewiesen und den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. August 2016 und den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 28. November 2016 bestätigt hat. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO liegen nicht vor.

1. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (z.B. BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546/547 - juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2010 - 7 AV 4/03 - DVBl 2004, 838/839 - juris). Dies ist in Ansehung der Antragsbegründung nicht der Fall.

Der Kläger macht geltend, die Ermächtigungsgrundlage des § 43 Abs. 4 AufenthG reiche nicht aus, um die Berufsfreiheit durch eine von der Beklagten erstellte Matrix von festgelegten Zulassungskriterien einzuschränken. Da der Kläger kein abgeschlossenes Studium Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache vorweisen könne, müsse er vor seiner Zulassung zur Lehrtätigkeit an einer Qualifizierung der Beklagten nach § 15 Abs. 2 IntV teilnehmen. Die Auswahlkriterien für diese Qualifizierung seien weder gesetzlich noch in der Integrationsverordnung, sondern lediglich in der Matrix der Beklagten auf ihrer Internetseite geregelt. Dadurch werde der Kläger in unzulässiger Weise in seiner Berufswahlfreiheit beschränkt. Die vom Bundesamt erstellte Matrix genüge auch nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Gleichbehandlungsgebot. Der Kläger erlange aufgrund seiner Ausbildung als Versicherungsbetriebswirt (DVA) das Qualifikationsniveau 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR-Niveau). Die Matrix der Beklagten genüge nicht dem Bestimmtheitsgebot und sei nicht geeignet, eine Gleichbehandlung von Bewerbern für die Zulassung als Lehrkraft sicherzustellen. Das Verwaltungsgericht hätte über die Frage des vom Kläger erreichten DQR-Niveaus Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erheben müssen. Es stelle sich die Frage, wer überhaupt Sprachlehrerfahrung in der Erwachsenenbildung aufweisen könnte, um für die Zusatzqualifizierung zugelassen zu werden, da Sprachlehrerfahrungen außerhalb ehrenamtlicher Tätigkeit und Hospitationen praktisch nicht erbracht werden könnten. Der Kläger habe im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit wesentlich kompliziertere Lehrinhalte vermittelt. Er müsse daher für die Zusatzqualifikation der Beklagten zugelassen werden. In § 15 Abs. 2 IntV sei eine Beschränkung der möglichen Qualifikationen nicht vorgesehen.

Das Zulassungsvorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu begründen.

Nach § 43 Abs. 1 und 2 Satz 1 AufenthG wird die Integration von im Bundesgebiet lebenden Ausländern durch ein Grundangebot zur Integration (Integrationskurs) gefördert. Gemäß § 43 Abs. 3 Satz 2 AufenthG wird der Integrationskurs vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) koordiniert und durchgeführt, das sich hierzu privater und öffentlicher Träger bedienen kann. In § 43 Abs. 4 Satz 1 AufenthG wird die Bundesregierung ermächtigt, nähere Einzelheiten des Integrationskurses, insbesondere die Grundstruktur, die Dauer, die Lerninhalte und die Durchführung der Kurse, die Vorgaben bezüglich der Auswahl und Zulassung der Kursträger sowie die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen für die ordnungsgemäße und erfolgreiche Teilnahme und ihre Bescheinigung einschließlich der Kostentragung sowie die erforderliche Datenübermittlung zwischen den beteiligten Stellen und die Datenverarbeitung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach § 88a Absatz 1 und 1a durch eine Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu regeln. Der Entwurfsbegründung, wonach die Regelungsermächtigung nach § 43 Abs. 4 AufenthG darauf abzielt, bestehende Förderangebote verschiedener staatlicher Einrichtungen und freier Träger aufeinander abzustimmen, ist die zentrale Rolle und Verantwortung des Bundesamtes bei der Durchführung der Integrationskurse zu entnehmen (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 87).

Die Bundesregierung hat durch den Erlass der Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler - Integrationskursverordnung (IntV) - vom 1. Januar 2005 (BGBl I 2004, 3370) von der Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht.

Gemäß § 15 Abs. 1 IntV müssen Lehrkräfte, die in Integrationskursen Deutsch als Zweitsprache unterrichten, ein erfolgreich abgeschlossenes Studium in den Studienfächern Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache vorweisen. Die von dieser Rechtsvorschrift geforderten Voraussetzungen erfüllt der Kläger nach der zutreffenden Feststellung des Verwaltungsgerichts nicht.

Nach § 15 Abs. 2 IntV ist, soweit diese fachlichen Qualifikationen nicht vorliegen, eine Zulassung zur Lehrtätigkeit möglich, wenn die Lehrkraft an einer vom Bundesamt vorgegebenen Qualifizierung teilgenommen hat. Der Zugang zu der vorgegebenen Qualifizierung ist in der Verordnung selbst nicht geregelt, jedoch haben die bundesamtlichen Regelungen zu den Qualifikationsanforderungen an die Lehrkräfte von Integrationskursen in § 43 Abs. 4 Satz 1 AufenthG unter Berücksichtigung der umfassenden Verantwortung und Koordinierungsaufgabe des Bundesamtes nach § 43 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auch in Wahrung des Wesentlichkeitsgrundsatzes nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage.

Die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen im Gesetz zu bestimmen, soll gewährleisten, dass der Bürger schon aus der gesetzlichen Ermächtigung erkennen und vorhersehen kann, was ihm gegenüber zulässig sein soll und welchen möglichen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können. Die Ermächtigungsnorm muss aber in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein und muss nur hinreichend bestimmt sein. Dazu genügt es, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Norm. Welche Anforderungen an das Maß der erforderlichen Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind, lässt sich nicht allgemein festlegen. Das notwendige Ausmaß der Bestimmtheit richtet sich insbesondere nach der Intensität der Auswirkungen und der Grundrechtsrelevanz der Regelung für die Betroffenen. Greift die Regelung erheblich in dessen Rechtsstellung ein, sind höhere Anforderungen an den Grad der Bestimmtheit der Ermächtigung zu stellen, als wenn es sich um einen Regelungsbereich handelt, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert (BVerfG, B.v. 21.9.2016 - 2 BvL 1/15 - BVerfGE 143, 38 Rn. 54 ff.; BayVGH, U.v. 19.6.2018 - 11 N 17.1693 - juris Rn. 26).

Mit der Ermächtigungsnorm des § 43 Abs. 4 Satz 1 AufenthG wollte der Gesetzgeber den Verordnungsgeber zur Regelung von „Einzelheiten des Integrationskurses“, seiner „Grundstruktur“ und der „Lerninhalte“ sowie der „Vorgaben bezüglich der Auswahl und Zulassung der Kursträger“ insbesondere unter systematischer Berücksichtigung der umfassenden Durchführungs- und Koordinationsverantwortung des Bundesamtes sowie der aufenthaltsrechtlichen Bedeutung der Integrationskurse erkennbar auch zur Regelung von Qualifikationsanforderungen an die jeweiligen Lehrpersonen im Interesse einer einheitlichen Grundstruktur und Ausgestaltung der Integrationskurse ermächtigen. Durch das Zuwanderungsgesetz wurde in § 43 AufenthG erstmals die Förderung der Integration als staatliche Aufgabe normiert. Ziel der Neuregelung war es daher, einen staatlich organisierten Integrationskurs einzuführen, ein Recht auf Teilnahme einzuräumen, die Zuständigkeiten auf Bundesebene zu bündeln, um bestehende Integrationsangebote von Bund, Ländern und Gemeinden zu harmonisieren und zu koordinieren und neue Ansätze der Integrationsförderung zu schaffen (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 86 ff.). Die Rechtsverordnung soll Rahmenvorgaben für die Grundstruktur der Integrationskurse im Sinne eines Mindeststandards für die Anfangsorientierung der Ausländer definieren und weitere Einzelheiten des Integrationskurses zum Zwecke einer bundesweit einheitlichen Festlegung regeln (vgl. Entwurfsbegründung BT-Drs. 15/420, S. 87). Indem in § 43 Abs. 3 Satz 1 AufenthG als Ziel des Integrationskurses die Erlangung ausreichender Sprachkenntnisse definiert wird, ergibt sich hieraus bereits das Erfordernis an bestimmte Qualifikationsanforderungen der Lehrpersonen. Aufgrund des umfassenden Regelungsauftrages in § 43 Abs. 4 AufenthG und der gesetzlichen Normierung des Ziels des Integrationskurses in § 43 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist § 43 Abs. 4 AufenthG entgegen dem Zulassungsvorbringen als hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zur Regelung von Qualifikationsanforderungen an die Lehrpersonen von Integrationskursen anzusehen.

Dem ist der Verordnungsgeber in § 15 IntV nachgekommen, indem in Absatz 1 der Vorschrift als Qualifikationsanforderung an Lehrkräfte ein erfolgreich abgeschlossenes Studium Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache gefordert wird. Der Erfolg von Integrationskursen, an den aufenthaltsrechtliche Wirkungen anknüpfen, setzt qualifizierte Lehrkräfte voraus, die sich neben hoher pädagogischer und interkultureller Kompetenz durch hohe sprachfachliche Qualifikation auszeichnen. Zur Gewährleistung einer der Formalqualifikation nach § 15 Abs. 1 IntV gleichrangigen Qualifikation sieht § 15 Abs. 2 IntV eine Zusatzqualifizierung durch das Bundesamt vor. Dass der Verordnungsgeber nicht voraussetzungslos jedem Bewerber eine Teilnahme an einer Zusatzqualifizierung und damit eine Zulassungsmöglichkeit zur Berufsausübung als Lehrkraft in Integrationskursen ermöglichen wollte, kann auch § 15 Abs. 2 IntV selbst trotz seiner weiten Fassung hinreichend deutlich entnommen werden, wenn eine Zusammenschau mit § 15 Abs. 1 IntV erfolgt. Im Hinblick darauf, dass die fachliche Ausgangsqualifikation des jeweiligen Bewerbers in Verbindung mit der vom Bundesamt vorgegebenen zusätzlichen Qualifizierung zu einem den Anforderungen des § 15 Abs. 1 IntV vergleichbaren Ausbildungs- und Leistungsstand führen muss, sind an die Ausgangsqualifikation adäquate Anforderungen zu stellen. Im Interesse der Sicherstellung einer adäquaten fachlichen Qualifikation der Lehrkräfte hat das Bundesamt unter Hinzuziehung eines Expertengremiums mit Vertretern aus Wissenschaft und Praxis und unter Beteiligung des Bundesministeriums des Innern die Zulassungskriterien für die Zusatzqualifizierung nach § 15 Abs. 2 IntV in einem generellen Regelwerk (Matrix) erarbeitet und festgelegt. Die vom Bundesamt aufgestellte Matrix dient darüber hinaus dazu, einen gleichmäßigen Verwaltungsvollzug sicherzustellen.

Die Matrix ist auf den Internetseiten des Bundesamts veröffentlicht und statuiert neben Regelungen zu einer verkürzten Zusatzqualifizierung und zum Verzicht auf eine Zusatzqualifizierung bei besonderen Voraussetzungen die Zugangsvoraussetzungen zur unverkürzten Zusatzqualifizierung im Umfang von 140 Unterrichtseinheiten. Hiernach werden für den Weg einer Zulassung als Lehrkraft über eine unverkürzte Zusatzqualifizierung minimal ein Hochschulabschluss oder ein sprachlicher Berufsabschluss kumulativ zu dem Nachweis praktischer Erfahrung als Sprachlehrer in der Erwachsenenbildung im Umfang von 500 Unterrichtseinheiten vorausgesetzt, wobei Äquivalenzen laut Deutschem Qualifikationsrahmen (DQR) mindestens der Stufe 6 einem Hochschulabschluss gleichgestellt sind. Die 500 Unterrichtseinheiten Sprachlehrerfahrung sind verzichtbar, soweit es sich um einen Hochschulabschluss in Pädagogik/Sozialpädagogik/Sonderpädagogik, Erwachsenenbildung, Erziehungswissenschaften, Psychologie oder um einen Hochschulabschluss nebst anderen Zertifikaten über Deutsch als Fremd- bzw. Zweitsprache (DaF/DaZ-Zertifikate) handelt.

Auch mit Blick auf die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass zur Gewährleistung eines hochwertigen Lehrangebots in den Integrationskursen subjektive Anforderungen an die Lehrkräfte gestellt werden.

Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet das Recht, Beruf und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann die Berufsausübung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. Die Regelungsbefugnis erstreckt sich - in unterschiedlicher Intensität - auf die Berufsausübung und die Berufs- bzw. Ausbildungswahl. Sie ist um der Berufsausübung willen gegeben und darf nur unter diesem Blickpunkt allenfalls auch in die Freiheit der Berufswahl eingreifen. Inhaltlich ist sie umso freier, je mehr sie reine Ausübungsregelung ist, umso enger begrenzt, je mehr sie auch die Berufswahl berührt (vgl. grundlegend BVerfGE 7, 377 [sog. Apothekenurteil]). Während die Freiheit der Berufsausübung bereits beschränkt werden kann, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen, darf die Freiheit der Berufswahl nur eingeschränkt werden, soweit der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert. Wird der Zugang zu einem Beruf von Voraussetzungen abhängig gemacht, die in der Person des Betreffenden begründet sind und die von ihm beeinflusst werden können (subjektive Zulassungsvoraussetzungen, etwa die Erfüllung bestimmter Leistungsanforderungen), muss die Beschränkung dem Schutz von Gemeinschaftsgütern dienen, die das Grundrecht der Berufsfreiheit des Einzelnen überragen.

Angesichts dieser abgestuften Anforderungen an Eingriffe in Berufswahl und Berufsausübung erfordert die verfassungsrechtliche Beurteilung von Veränderungen des Tätigkeitsspektrums eine Zuordnung zu diesen Ausprägungen der Berufsfreiheit. Für berufliche Spezialisierungen erweist sich als vorentscheidend, ob ein neuer, speziellerer Beruf ergriffen werden soll oder ob das nunmehr wahrgenommene Tätigkeitsfeld trotz Verengung des Tätigkeitsspektrums weiterhin als Teil des allgemein gefassten Berufes zu verstehen ist. In der ersten Fallgruppe tangieren gesetzliche Eingriffe den Berufswahl-, in der zweiten Gruppe den Berufsausübungsaspekt (vgl. Mann in Sachs, GG Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 82). Auch Tätigkeitserweiterungen können sich als integrative Modalität eines bereits ausgeübten Berufes oder als Zuwahl eines eigenständigen Zweitberufes darstellen. Unterfällt eine erstrebte berufliche Betätigung einem anderen, weiter gespannten Berufsbild, so ist regelmäßig von einem unselbständigen Teil eines Berufes auszugehen. Nicht jede Erweiterung des beruflichen Betätigungsfeldes stellt eine Berufswahlentscheidung mit den daraus abzuleitenden höheren Anforderungen des Verfassungsrechts an die Reglementierung solcher Lebenssachverhalte dar (vgl. OVG NRW, B.v. 24.10.2016 - 6 B 819/16 - juris Rn. 13). Gegenüber subjektiven Zulassungsvoraussetzungen stellen sich Beschränkungen der freien Wahl des Arbeitsplatzes für den Einzelnen in der Regel weniger einschneidend dar als Eingriffe in die Berufswahl. Erst recht folgt aus dem Grundrecht der freien Berufswahl kein Recht auf einen bestimmten Arbeitsplatz, kein Anspruch gegenüber einem privaten oder öffentlichen Arbeitgeber auf Einstellung. Mit der Berufswahlfreiheit ist kein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl verbunden (vgl. BVerfG, U.v. 24.4.1991 - 1 BvR 1341/90 - BVerfGE 84, 133-160).

Nach diesen Maßgaben ist bei der Zusatzqualifizierung nach § 15 Abs. 2 IntV schon in Anbetracht des zeitlichen Umfangs der Nachqualifizierung von maximal 140 Unterrichtseinheiten nicht von einer eigenständigen Berufsausbildung auszugehen. Prägend für eine Ausbildungsstätte ist, dass sie aufbauend auf eine schulische Bildung berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt. Demgegenüber soll die Zusatzqualifizierung nach § 15 Abs. 2 IntV ausgehend von einer bestehenden beruflichen Qualifizierung eine Spezialisierung bewirken, damit ein dem Abschluss nach § 15 Abs. 1 IntV adäquates Qualifikationsniveau erreicht werden kann. Der Zugang zur Zusatzqualifikation stellt sich nicht als neues Berufsbild, sondern als berufsimmanente Weiterqualifizierung dar.

Auch ist die berufliche Betätigung als Lehrkraft in Integrationskursen trotz der bundesweit einheitlichen Regelung und Monopolstellung des Bundesamtes aufgrund der gesetzlich gewünschten zentralen Koordinierungsfunktion bei der Durchführung von Integrationskursen nicht als eigenständiges Berufsbild, sondern vielmehr als besondere Modalität eines ausgeübten Berufes und als Arbeitsplatzregelung zu bewerten. Die angestrebte berufliche Betätigung ist ein Unterfall des weiter gespannten Berufsbildes des Lehrberufs.

Die in § 15 IntV geregelten Qualifikationsanforderungen an Lehrkräfte in Integrationskursen dienen dem Gemeinwohl und sind zur erfolgreichen Integration von Ausländern in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland erforderlich und nicht unverhältnismäßig. Die Sprachvermittlung an Migranten stellt - wie ausgeführt - an die Qualifikation der Lehrkräfte besondere Anforderungen. Im Interesse eines bundesweit einheitlichen Qualifikationsniveaus sowie eines einheitlichen Verwaltungsvollzugs ist es daher erforderlich und angemessen, entsprechende Qualifikationsanforderungen an Lehrkräfte in Integrationskursen festzulegen. Dass in § 15 Abs. 2 IntV keine Regelungen zur Ausgangsqualifikation für die Zusatzqualifizierung getroffen wurden, erweist sich insoweit als unschädlich, als in Zusammenschau mit § 15 Abs. 1 IntV erkennbar ist, dass mit der Zusatzqualifizierung ein dem Abschluss nach § 15 Abs. 1 IntV vergleichbares Qualifikationsniveau erreicht werden soll.

Die zulässigerweise an ihn gestellten Anforderungen erfüllt der Kläger nicht.

Dahinstehen kann, ob der Kläger mit seiner beruflichen Qualifikation „Versicherungsbetriebswirt (DVA)“, als einem nach Auskunft der Deutschen Versicherungsakademie vom 6. September 2016 rein brancheninternen Abschluss über einen einem Hochschulabschluss äquivalenten Abschluss entsprechend Stufe 6 des Deutschem Qualifikationsrahmen (DQR) verfügt. Den im Falle des Klägers für die Zulassung zur Zusatzqualifizierung neben einem Hochschulabschluss erforderlichen Nachweis von 500 Unterrichtseinheiten an Sprachlehrerfahrung in der Erwachsenenbildung hat der Kläger jedenfalls - worauf das Verwaltungsgericht schließlich zu Recht hinweist - nicht erbracht. Die im Zulassungsvorbringen vertretene Auffassung, der Kläger habe im Rahmen seiner Weiterbildung „Trainerausbildung Vertrieb und Marketing“ wesentlich kompliziertere Sachverhalte vermittelt, und eine Sprachlehrerfahrung sei außerhalb einer ehrenamtlichen Tätigkeit und Hospitationen nicht zu erlangen, ist unzutreffend bzw. nicht nachvollziehbar, zumal Sprachlehrerfahrungen in mannigfaltiger Form auch außerhalb des ehrenamtlichen Bereichs erbracht werden können (z.B. Sprachschulen, Erwachsenenbildungsstätten). Dass bei Fehlen eines pädagogischen Hochschulabschlusses eine Sprachlehrerfahrung in einem Umfang von 500 Unterrichtseinheiten gefordert wird, dient der Gewährleistung der pädagogigschen Eignung und eines hochwertigen Lehrangebots in den Integrationskursen und stellt sich insoweit als sachgerechtes Kriterium dar, eine fehlende pädagogische Hochschulausbildung zu kompensieren. Schulungstätigkeiten im Bereich Vertrieb und Marketing sind nicht geeignet, eine Sprachlehrtätigkeit in der Erwachsenenbildung zu ersetzen.

Eine im Zulassungsvorbringen nicht näher substantiierte Ungleichbehandlung des Klägers durch Anwendung der vom Bundesamt aufgestellten Matrix ist nicht ersichtlich. Insbesondere erscheint im Hinblick auf die erforderliche pädagogische Eignung und interkulturelle Kompetenz ein Abstellen auf eine Lehrerfahrung in einem bestimmten Umfang als sachgerechtes Differenzierungskriterium.

2. Auch eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen der vom Kläger geltend gemachten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten kommt nicht in Betracht. Denn solche Schwierigkeiten sind bereits nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2017 - 15 ZB 16.673 - juris Rn. 42 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nach dem Zulassungsvortrag des Klägers, der sich darin erschöpft, dass die in der Matrix geforderte Sprachlehrerfahrung in der Erwachsenenbildung rein tatsächlich nicht erfüllt werden könne, vorliegend nicht erfüllt.

3. Gleiches gilt für den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine im angestrebten Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat, wobei zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 5, Abs. 5 Satz 2 VwGO) die Frage nicht nur auszuformulieren, sondern zudem auch substantiiert auszuführen ist, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72 m.w.N.). Die unsubstantiierte Behauptung, eine Sprachlehrerfahrung in der Erwachsenenbildung sei nicht zu erbringen, genügt dem nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung entspricht §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG); mit seinem Zugang wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

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(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Lehrkräfte, die im Integrationskurs unterrichten, müssen über eine Zulassung des Bundesamtes verfügen. Die Erteilung einer Zulassung bedarf eines Antrags beim Bundesamt. Das Bundesamt erteilt auf Antrag eine Zulassung zur Lehrtätigkeit in Integrationskursen, wenn folgende Voraussetzungen nachgewiesen werden:

1.
erfolgreich abgeschlossenes Studium Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache oder eine vom Bundesamt anerkannte gleichwertige fachliche Qualifikation,
2.
Deutschkenntnisse mindestens auf dem Sprachniveau C1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen,
3.
eine für die Vermittlung der Ziele nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 ausreichende fachliche Qualifikation und
4.
persönliche Eignung für die Vermittlung der Ziele nach § 3 Absatz 1.
Dem Antrag ist zur Berücksichtigung im Rahmen der Prüfung der persönlichen Eignung nach Satz 3 Nummer 4 ein Bekenntnis des Antragstellenden zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland beizufügen.

(2) Lehrkräfte, die in Alphabetisierungskursen unterrichten, müssen über eine ergänzende Zulassung des Bundesamtes verfügen. Die Erteilung einer Zulassung bedarf eines Antrags beim Bundesamt. Die Zulassung für die Unterrichtung von Alphabetisierungskursen wird vom Bundesamt erteilt, wenn eine ausreichende fachliche Qualifikation und Eignung nachgewiesen wird.

(3) Das Bundesamt kann die methodisch-didaktische Fortbildung von Lehrkräften fördern. Um Zusatzqualifizierungen des Bundesamtes anbieten zu dürfen, muss die jeweilige Einrichtung über eine Zulassung des Bundesamtes verfügen.

(4) Prüfer, die Prüfungen gemäß § 17 Absatz 1 Nummer 1 abnehmen, müssen Kenntnisse zur Bewertung von Sprachkompetenzen und Unterrichtserfahrung mit der Zielgruppe nachweisen. Es wird vermutet, dass ein Prüfer über diese Qualifikationen verfügt, wenn er im Besitz einer gültigen Prüferlizenz „Deutsch-Test für Zuwanderer“ des vom Bundesamt nach § 17 Absatz 1 Satz 5 beauftragten Testinstituts ist. Voraussetzung für den Einsatz als Prüfer ist die Zulassung als Lehrkraft nach Absatz 1.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

2. ...

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, mit dem sein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil zurückgewiesen wurde. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte er eine Reduzierung der von ihm für das Jahr 2001 geforderten Abgaben für ein ärztliches Versorgungswerk angestrebt.

2

1. § 20 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Berliner Ärzteversorgung in der Fassung vom 1. April 2000 verpflichtet jedes Mitglied zur Leistung von Versorgungsabgaben, sofern Einkünfte aus ärztlicher Berufsausübung erzielt werden. Als allgemeine Versorgungsabgabe ist eine "Normalabgabe" zu zahlen, die gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung dem höchsten Pflichtbeitrag zur Angestelltenversicherung im gleichen Jahr entspricht. Als Mindestabgabe ist der 0,2-fache Betrag der Normalabgabe zu zahlen. In ständiger Verwaltungspraxis mussten im streitgegenständlichen Zeitraum Mitglieder, deren Einkommen 2.000 DM pro Monat unterschritt, nur einen reduzierten Versorgungsbeitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes der Rentenversicherung der Angestellten erbringen (im Folgenden: Härtefallregelung).

3

Im Jahr 2001 belief sich der höchste Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung der Angestellten auf 1.661,70 DM (849,61 €).

4

2. Der Beschwerdeführer ist Arzt und war aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Ärztekammer, der Beklagten des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagte) auch Mitglied der von ihr eingerichteten Ärzteversorgung.

5

Auf Grundlage eines Honorarvertrags war der Beschwerdeführer ab Juli 2000 als Bereitschaftsarzt für eine Privatklinik tätig. Da er zunächst weniger als 2.000 DM pro Monat verdiente, beantragte er bei der Beklagten eine Beitragsreduzierung auf Basis der Härtefallregelung, die diese mit Bescheid von Februar 2001 ab Januar 2000 gewährte. Für den Zeitraum ab Januar 2001 setzte die Beklagte gegenüber dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der Härtefallregelung einen monatlichen Beitrag von 81,20 DM fest. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Bereitschaftsarzt endete mit Ablauf des Monats Oktober 2001. Das letzte Honorar wurde im November 2001 ausgezahlt. Für den Rest des Jahres 2001 erzielte der Beschwerdeführer keine Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit mehr.

6

a) Nachdem der Beschwerdeführer den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vorgelegt hatte, aus dem sich Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 20.291 DM (10.374,62 €) ergaben, setzte die Beklagte im Mai 2003 für das Jahr 2001 bezüglich der Monate Januar bis Oktober 2001, ausgehend vom 0,2-fachen der Normalabgabe, einen monatlichen Beitrag von jeweils 169,92 € fest. Unter Berücksichtigung bereits gezahlter Beiträge und vorhandener Guthaben forderte sie vom Beschwerdeführer zugleich eine Nachzahlung in Höhe von 1.206,79 €. Der gegen die Höhe der Abgabe gerichtete Widerspruch des Beschwerdeführers blieb erfolglos.

7

b) Mit seiner daraufhin erhobenen Klage verlangte der Beschwerdeführer eine Reduzierung des Nachzahlungsbetrags auf 485,52 €, weil er der Härtefallregelung unterfalle. Sein monatliches Einkommen unterschreite die Grenze von 2.000 DM, weil das erst im November 2001 ausgezahlte Honorar nicht mehr als Einkommen berücksichtigt werden dürfe.

8

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Beklagte habe die Versorgungsabgaben für 2001 in der zutreffenden Höhe festgesetzt. Die Härtefallregelung könnte nicht zugunsten des Beschwerdeführers angewendet werden, weil sein monatliches Einkommen mehr als 2.000 DM pro Monat betragen habe. Abzustellen sei auf das Einkommen, das sich aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebe. Weder habe der Beschwerdeführer belegen können, dass in den im Steuerbescheid ausgewiesenen Einkünften auch Einkommen aus dem Jahr 2000 enthalten sei, noch komme es für das von Januar bis Oktober 2001 erarbeitete Einkommen auf den Zeitpunkt des Zuflusses an. Da nur für die Dauer der ärztlichen Tätigkeit Abgaben zu leisten seien, habe die Beklagte den 2001 verdienten Betrag auch richtigerweise lediglich auf 10 statt auf 12 Monate verteilt.

9

c) Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beantragte der Beschwerdeführer die Zulassung der Berufung. Er berief sich hierbei ausdrücklich auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Verwaltungsgericht sei nicht befugt gewesen, das ihm erst im November zugeflossene Einkommen zu berücksichtigten, weil es auf den Zufluss des Entgelts während der Dauer der Beschäftigung ankomme. Weiter sei zu erwähnen, dass die Beklagte ihre Forderung auch bei Anwendung des Entstehungsprinzips nicht begründen könne; denn in diesem Fall müssten von seinen einkommensteuerrechtlich für das Jahr 2001 ermittelten Einkünften aus selbständiger Arbeit seine während der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschafteten Honorare in Höhe von 985,50 DM abgezogen werden, wodurch nur noch Jahreseinkünfte von 19.305 DM verblieben. Dies führe ebenfalls zur Anwendung der Härtefallregelung. Der Beschwerdeführer bezog sich dabei auf bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Unterlagen. Seinem Schriftsatz war darüber hinaus als Anlage ein von Januar 2010 datierendes Schreiben der Rechtsnachfolgerin der Klinik, für die er tätig gewesen war, beigefügt, aus dem sich ergab, dass der Beschwerdeführer im Monat Dezember 2000 am 2., 9., 25., 28. und 31. Dezember Dienste absolviert hatte.

10

d) Das Oberverwaltungsgericht wies den Zulassungsantrag zurück. Die Berufung sei nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zuzulassen, weil ein Divergenzfall nicht gegeben sei. Auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils in Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden nicht. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts sei sowohl mit Wortlaut als auch mit Sinn und Zweck der Satzung vereinbar. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, die sein Einkommen im Jahr 2001 beträfen, seien in Bezug auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht entscheidungserheblich. Nichts anderes ergebe sich, wenn man zu seinen Gunsten unterstelle, dass er insoweit ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung habe geltend machen wollen; denn in diesem Fall sei durch die bloße Vorlage eines Honorarvertrags nicht nachgewiesen, dass im Januar 2001 Honorare für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit gezahlt worden seien.

11

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.

12

a) Die Nichtzulassung der Berufung verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG, hilfsweise gegen Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG als allgemeines Prozessgrundrecht auf ein faires Gerichtsverfahren. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sei erfüllt, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Falsch sei schon, dass das Gericht auf das Entstehungsprinzip abgestellt habe, denn maßgebend sei das Zuflussprinzip. Das ihm erst im November 2001 zugegangene Honorar dürfe daher nicht mitberücksichtigt werden. Selbst bei Anwendung des Entstehungsprinzips müsse aber zu seinen Gunsten die Härtefallregelung eingreifen; auch dann liege sein durchschnittliches Monatseinkommen während des maßgeblichen Zeitraums unter der Grenze von 2.000 DM. Es müsse nämlich das Honorar, das in der zweiten Dezemberhälfte des Jahres 2000 von ihm erwirtschaftet worden sei, aus dem Einkommen, das sich aus dem Steuerbescheid 2001 ergebe, herausgerechnet werden.

13

b) Auch die Ablehnung der weiteren Zulassungsgründe verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Im Übrigen verletze die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Art. 3 Abs. 1 GG als Gleichbehandlungsgebot und Willkürverbot.

14

4. Der Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin und der Ärztekammer Berlin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

II.

15

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist zudem offensichtlich begründet.

16

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2010 verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG.

17

a) Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; stRspr). Die Vorschrift erfordert zwar keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 49, 329 <343>; 83, 24 <31>; 87, 48 <61>; 92, 365 <410>; 96, 27 <39>; stRspr); eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 65, 76 <90>; 96, 27 <39>; stRspr). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Sehen die prozessrechtlichen Vorschriften - wie §§ 124, 124a VwGO - die Möglichkeit vor, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, so verbietet Art. 19 Abs. 4 GG eine Auslegung und Anwendung dieser Rechtsnormen, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Vor diesem Hintergrund dürfen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthaltene Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils immer schon dann erfüllt, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris, Rn. 15).

18

b) Diese Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht verkannt und den Zugang des Beschwerdeführers zur Berufungsinstanz dadurch in unzumutbarer Weise verkürzt.

19

aa) Verfassungsrechtlich nicht haltbar ist schon der rechtliche Ausgangspunkt des Oberverwaltungsgerichts, eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO komme nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer nicht "nachgewiesen" habe, dass im Januar 2001 gezahltes Honorar auch Einkommen für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit enthalte. Des Nachweises einer solchen Behauptung durch den Antragsteller bedarf es im Berufungszulassungsverfahren gerade nicht. Schlüssige Gegenargumente liegen vielmehr bereits dann vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist. Ob tatsächliche Umstände, die ein Antragsteller schlüssig behauptet, auch wirklich gegeben sind, muss bei Unklarheiten nach Zulassung der Berufung während des sich anschließenden Berufungsverfahrens im Rahmen der Amtsermittlung geklärt werden. Es ist nicht zulässig, diese Prüfung ins Zulassungsverfahren vorzuverlagern und damit die eigentlich erforderliche Beweisaufnahme zu umgehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 2009 - 1 BvR 812/09 -, juris, Rn. 22).

20

bb) Der fehlerhafte rechtliche Ansatz des Oberverwaltungsgerichts führt auch zu einem verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Ergebnis. Das Gericht hätte die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zulassen müssen, weil der Beschwerdeführer im Berufungszulassungsverfahren eine das verwaltungsgerichtliche Urteil tragende Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat.

21

(1) Das Verwaltungsgericht geht, unter Zugrundelegung der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten, davon aus, dass ein Kammermitglied Anspruch auf einen (reduzierten) Beitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes zur Rentenversicherung der Angestellten hat, sofern es einen Monatsverdienst von weniger als 2.000 DM erzielt. Für den Beschwerdeführer verneint das Gericht dann einen solchen, die 2.000 DM-Grenze unterschreitenden Verdienst pro Monat, weil die von ihm im Jahr 2001 erzielten Einnahmen von 20.291 DM auf 10 Monate, nämlich den Zeitraum von Januar bis einschließlich Oktober 2001, zu verteilen seien. Denn die Einnahmen könnten nur auf die Monate verteilt werden, in denen sie erarbeitet worden seien; auf den Zeitpunkt des Zuflusses komme es nicht an. Für die Höhe der Einnahmen stützt sich das Verwaltungsgericht auf die aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebende Einkommenshöhe, unterstellt also, dass die sich aus dem Einkommensteuerbescheid ergebenden Einnahmen vom Beschwerdeführer in dem Zeitraum von Januar bis Oktober 2001 erarbeitet worden sind und stützt seine Entscheidung auf diese Annahme.

22

(2) Demgegenüber hat der Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung eingewandt, in den Einnahmen, die in dem Einkommensteuerbescheid 2001 ausgewiesen seien, seien auch Verdienste aus dem Jahr 2000 enthalten, und zwar Honorare in Höhe von 985,50 DM, die er durch seine ärztliche Tätigkeit in der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschaftet habe. Zum Beleg seiner Behauptung hat er das Schreiben von Januar 2010, wonach er im Dezember 2000 an fünf Tagen Dienste wahrgenommen hat, vorgelegt. Darüber hinaus hat er vorgetragen, aufgrund des klinikinternen Abrechnungsmodus sei das Honorar während seiner Tätigkeit immer jeweils von Monatsmitte zu Monatsmitte berechnet und anschließend ausgezahlt worden. Da hiernach für die Monate Januar bis Oktober 2001 nur noch ein Einkommen von 19.305 DM verbleibe - also weniger als 2.000 DM monatlich - sei die Härtefallklausel schon aus diesem Grunde auf ihn anzuwenden.

23

(3) Damit hat der Beschwerdeführer die Prämisse des Verwaltungsgerichts, in dem aus dem Steuerbescheid ergebenden Einkommen seien keine Einnahmen aus dem Jahre 2000 enthalten, mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Denn auf Grundlage der Behauptungen des Beschwerdeführers, die er zudem mit dem Schreiben von Januar 2010 belegt hat, erscheint es nicht lediglich als möglich, sondern sogar als nahe liegend, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts im Steuerbescheid des Jahres 2001 als Einkommen auch Honorar berücksichtigt war, das der Beschwerdeführer im Dezember 2000 erarbeitet hatte. Dafür spricht nicht nur das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sein Honorar in einem Abrechnungsmodus von Monatsmitte bis Monatsmitte berechnet und ausbezahlt wurde. Auch aus verwaltungspraktischen Gründen erscheint es wenig wahrscheinlich, dass insbesondere für eine ab dem 25. Dezember 2000, also während der Weihnachtsfeiertage und danach, geleistete Arbeit die Vergütung noch im selben Monat überwiesen werden konnte. Anhaltspunkte für eine Zahlung des Honorars im Voraus oder für Abschlagszahlungen gibt es nicht.

24

(4) Die Tatsachenfeststellungen, die der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen in Frage stellt, sind auch rechtlich erheblich. Denn das Verwaltungsgericht hätte, wären die Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffend, seiner Klage jedenfalls teilweise stattgeben müssen. In diesem Fall hätte sich nämlich für 2001 ein in diesem Jahr "erarbeitetes" Honorar von lediglich 19.305,50 DM ergeben, weil 985,50 DM als Honorar für Dienste im Dezember 2000 von dem im Steuerbescheid 2001 ausgewiesenen Einkommen von 20.291 DM abzuziehen gewesen wären. Für die zehnmonatige ärztliche Tätigkeit des Beschwerdeführers im Jahr 2001 hätte sein monatlicher Verdienst folglich nur noch 1.930,55 DM betragen und damit die 2.000 DM-Grenze unterschritten. Nach der vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsauffassung - die vom Oberverwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss auch nicht in Zweifel gezogen wird - wäre bei diesem geringen Einkommen die Härtefallregelung anzuwenden gewesen. Da sich die monatlichen Abgaben dementsprechend nur nach dem hälftigen Beitragssatz der Rentenversicherung für Angestellte, also der Hälfte von damals 19,1 %, errechnen würden, hätten sich diese nicht wie von der Beklagten festgesetzt auf - umgerechnet - 169,92 € belaufen, sondern lediglich auf 94,27 €. Auch die geltend gemachte Nachforderung würde sich entsprechend verringern.

25

cc) Dem Beschwerdeführer kann auch nicht entgegengehalten werden, er habe den Zulassungsgrund im Berufungszulassungsverfahren nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere ist es unschädlich, dass er in dem Zulassungsschriftsatz die von ihm vorgebrachten Argumente keinem beziehungsweise jedenfalls nicht dem zutreffenden Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugeordnet hat. Denn für eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung eines oder mehrerer Berufungszulassungsgründe ist es nicht notwendig, dass der Antragsteller ausdrücklich einen der in § 124 Abs. 2 VwGO normierten Zulassungsgründe oder die dort angeführten tatbestandlichen Voraussetzungen benennt. Ebenso ist es kein Hindernis, wenn der Antragsteller sein Vorbringen unter dem falschen Berufungszulassungsgrund erörtert oder verschiedene Gesichtspunkte, die bei unterschiedlichen Zulassungsgründen im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO relevant sein können, miteinander vermengt. Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet das den Zulassungsantrag prüfende Gericht nämlich dazu, den Vortrag des jeweiligen Antragstellers angemessen zu würdigen und durch sachgerechte Auslegung selbstständig zu ermitteln, welche Zulassungsgründe der Sache nach geltend gemacht werden und welche Einwände welchen Zulassungsgründen zuzuordnen sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010 - 1 BvR 2309/09 -, juris, Rn. 13; vgl. insoweit auch BVerfGK 5, 369 <375 f.>). Erst dann, wenn aus einer nicht auf einzelne Zulassungsgründe zugeschnittenen Begründung auch durch Auslegung nicht eindeutig ermittelt werden kann, auf welchen Zulassungsgrund der Antrag gestützt wird, stellt die Verwerfung des Antrags als unzulässig keine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zur Berufungsinstanz dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010, a.a.O., Rn. 13). Dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers ohne Schwierigkeiten dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuordnen lässt, folgt hier schon daraus, dass es vom Oberverwaltungsgericht unter diesem Gesichtspunkt geprüft wurde. Eine solche Zuordnung lag im Übrigen auch auf der Hand, weil die Ausführungen des Beschwerdeführers nur zu diesem Zulassungsgrund passen.

26

c) Die weiteren Argumente, die der Beschwerdeführer gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils vorgebracht hat, sind allerdings nicht geeignet, einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG zu begründen. Dass das Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf diese Einwände das Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verneint hat, lässt keine Grundrechtsverletzung erkennen. Der Beschwerdeführer hat schon nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Zufluss des Einkommens erst nach dem Ablauf des Zeitraums der Tätigkeit sei unschädlich - maßgeblich sei vielmehr der Zeitpunkt des Erarbeitens -, fehlerhaft sein sollte. Der Ansatz des Gerichts, allein an den Tätigkeitszeitraum anzuknüpfen und den Zuflusszeitpunkt als unerheblich anzusehen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

27

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) sei nicht gegeben, gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen könnte. Die Gründe, mit denen das Gericht das Vorliegen des Zulassungsgrundes ablehnt, sind gut nachvollziehbar. Dass sie den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG nicht genügen könnten, ist nicht zu erkennen.

28

Eine Berufung auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) scheitert schließlich unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität schon daran, dass sich der Beschwerdeführer auf diesen Grund im Berufungszulassungsverfahren weder ausdrücklich noch der Sache nach berufen hat.

29

2. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Ob der Beschluss auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verstößt, kann daher offenbleiben.

30

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Die Integration von rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Bundesrepublik Deutschland wird gefördert und gefordert.

(2) Eingliederungsbemühungen von Ausländern werden durch ein Grundangebot zur Integration (Integrationskurs) unterstützt. Ziel des Integrationskurses ist, den Ausländern die Sprache, die Rechtsordnung, die Kultur und die Geschichte in Deutschland erfolgreich zu vermitteln. Ausländer sollen dadurch mit den Lebensverhältnissen im Bundesgebiet so weit vertraut werden, dass sie ohne die Hilfe oder Vermittlung Dritter in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens selbständig handeln können.

(3) Der Integrationskurs umfasst einen Basis- und einen Aufbausprachkurs von jeweils gleicher Dauer zur Erlangung ausreichender Sprachkenntnisse sowie einen Orientierungskurs zur Vermittlung von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland. Der Integrationskurs wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge koordiniert und durchgeführt, das sich hierzu privater oder öffentlicher Träger bedienen kann. Für die Teilnahme am Integrationskurs sollen Kosten in angemessenem Umfang unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit erhoben werden. Zur Zahlung ist auch derjenige verpflichtet, der dem Ausländer zur Gewährung des Lebensunterhalts verpflichtet ist.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nähere Einzelheiten des Integrationskurses, insbesondere die Grundstruktur, die Dauer, die Lerninhalte und die Durchführung der Kurse, die Vorgaben bezüglich der Auswahl und Zulassung der Kursträger sowie die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen für die ordnungsgemäße und erfolgreiche Teilnahme und ihre Bescheinigung einschließlich der Kostentragung, sowie die Datenverarbeitung nach § 88a Absatz 1 und 1a durch eine Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu regeln. Hiervon ausgenommen sind die Prüfungs- und Nachweismodalitäten der Abschlusstests zu den Integrationskursen, die das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates regelt.

(5) (weggefallen)

(1) Lehrkräfte, die im Integrationskurs unterrichten, müssen über eine Zulassung des Bundesamtes verfügen. Die Erteilung einer Zulassung bedarf eines Antrags beim Bundesamt. Das Bundesamt erteilt auf Antrag eine Zulassung zur Lehrtätigkeit in Integrationskursen, wenn folgende Voraussetzungen nachgewiesen werden:

1.
erfolgreich abgeschlossenes Studium Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache oder eine vom Bundesamt anerkannte gleichwertige fachliche Qualifikation,
2.
Deutschkenntnisse mindestens auf dem Sprachniveau C1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen,
3.
eine für die Vermittlung der Ziele nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 ausreichende fachliche Qualifikation und
4.
persönliche Eignung für die Vermittlung der Ziele nach § 3 Absatz 1.
Dem Antrag ist zur Berücksichtigung im Rahmen der Prüfung der persönlichen Eignung nach Satz 3 Nummer 4 ein Bekenntnis des Antragstellenden zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland beizufügen.

(2) Lehrkräfte, die in Alphabetisierungskursen unterrichten, müssen über eine ergänzende Zulassung des Bundesamtes verfügen. Die Erteilung einer Zulassung bedarf eines Antrags beim Bundesamt. Die Zulassung für die Unterrichtung von Alphabetisierungskursen wird vom Bundesamt erteilt, wenn eine ausreichende fachliche Qualifikation und Eignung nachgewiesen wird.

(3) Das Bundesamt kann die methodisch-didaktische Fortbildung von Lehrkräften fördern. Um Zusatzqualifizierungen des Bundesamtes anbieten zu dürfen, muss die jeweilige Einrichtung über eine Zulassung des Bundesamtes verfügen.

(4) Prüfer, die Prüfungen gemäß § 17 Absatz 1 Nummer 1 abnehmen, müssen Kenntnisse zur Bewertung von Sprachkompetenzen und Unterrichtserfahrung mit der Zielgruppe nachweisen. Es wird vermutet, dass ein Prüfer über diese Qualifikationen verfügt, wenn er im Besitz einer gültigen Prüferlizenz „Deutsch-Test für Zuwanderer“ des vom Bundesamt nach § 17 Absatz 1 Satz 5 beauftragten Testinstituts ist. Voraussetzung für den Einsatz als Prüfer ist die Zulassung als Lehrkraft nach Absatz 1.

(1) Die Integration von rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Bundesrepublik Deutschland wird gefördert und gefordert.

(2) Eingliederungsbemühungen von Ausländern werden durch ein Grundangebot zur Integration (Integrationskurs) unterstützt. Ziel des Integrationskurses ist, den Ausländern die Sprache, die Rechtsordnung, die Kultur und die Geschichte in Deutschland erfolgreich zu vermitteln. Ausländer sollen dadurch mit den Lebensverhältnissen im Bundesgebiet so weit vertraut werden, dass sie ohne die Hilfe oder Vermittlung Dritter in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens selbständig handeln können.

(3) Der Integrationskurs umfasst einen Basis- und einen Aufbausprachkurs von jeweils gleicher Dauer zur Erlangung ausreichender Sprachkenntnisse sowie einen Orientierungskurs zur Vermittlung von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland. Der Integrationskurs wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge koordiniert und durchgeführt, das sich hierzu privater oder öffentlicher Träger bedienen kann. Für die Teilnahme am Integrationskurs sollen Kosten in angemessenem Umfang unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit erhoben werden. Zur Zahlung ist auch derjenige verpflichtet, der dem Ausländer zur Gewährung des Lebensunterhalts verpflichtet ist.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nähere Einzelheiten des Integrationskurses, insbesondere die Grundstruktur, die Dauer, die Lerninhalte und die Durchführung der Kurse, die Vorgaben bezüglich der Auswahl und Zulassung der Kursträger sowie die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen für die ordnungsgemäße und erfolgreiche Teilnahme und ihre Bescheinigung einschließlich der Kostentragung, sowie die Datenverarbeitung nach § 88a Absatz 1 und 1a durch eine Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu regeln. Hiervon ausgenommen sind die Prüfungs- und Nachweismodalitäten der Abschlusstests zu den Integrationskursen, die das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates regelt.

(5) (weggefallen)

(1) Lehrkräfte, die im Integrationskurs unterrichten, müssen über eine Zulassung des Bundesamtes verfügen. Die Erteilung einer Zulassung bedarf eines Antrags beim Bundesamt. Das Bundesamt erteilt auf Antrag eine Zulassung zur Lehrtätigkeit in Integrationskursen, wenn folgende Voraussetzungen nachgewiesen werden:

1.
erfolgreich abgeschlossenes Studium Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache oder eine vom Bundesamt anerkannte gleichwertige fachliche Qualifikation,
2.
Deutschkenntnisse mindestens auf dem Sprachniveau C1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen,
3.
eine für die Vermittlung der Ziele nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 ausreichende fachliche Qualifikation und
4.
persönliche Eignung für die Vermittlung der Ziele nach § 3 Absatz 1.
Dem Antrag ist zur Berücksichtigung im Rahmen der Prüfung der persönlichen Eignung nach Satz 3 Nummer 4 ein Bekenntnis des Antragstellenden zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland beizufügen.

(2) Lehrkräfte, die in Alphabetisierungskursen unterrichten, müssen über eine ergänzende Zulassung des Bundesamtes verfügen. Die Erteilung einer Zulassung bedarf eines Antrags beim Bundesamt. Die Zulassung für die Unterrichtung von Alphabetisierungskursen wird vom Bundesamt erteilt, wenn eine ausreichende fachliche Qualifikation und Eignung nachgewiesen wird.

(3) Das Bundesamt kann die methodisch-didaktische Fortbildung von Lehrkräften fördern. Um Zusatzqualifizierungen des Bundesamtes anbieten zu dürfen, muss die jeweilige Einrichtung über eine Zulassung des Bundesamtes verfügen.

(4) Prüfer, die Prüfungen gemäß § 17 Absatz 1 Nummer 1 abnehmen, müssen Kenntnisse zur Bewertung von Sprachkompetenzen und Unterrichtserfahrung mit der Zielgruppe nachweisen. Es wird vermutet, dass ein Prüfer über diese Qualifikationen verfügt, wenn er im Besitz einer gültigen Prüferlizenz „Deutsch-Test für Zuwanderer“ des vom Bundesamt nach § 17 Absatz 1 Satz 5 beauftragten Testinstituts ist. Voraussetzung für den Einsatz als Prüfer ist die Zulassung als Lehrkraft nach Absatz 1.

(1) Die Integration von rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Bundesrepublik Deutschland wird gefördert und gefordert.

(2) Eingliederungsbemühungen von Ausländern werden durch ein Grundangebot zur Integration (Integrationskurs) unterstützt. Ziel des Integrationskurses ist, den Ausländern die Sprache, die Rechtsordnung, die Kultur und die Geschichte in Deutschland erfolgreich zu vermitteln. Ausländer sollen dadurch mit den Lebensverhältnissen im Bundesgebiet so weit vertraut werden, dass sie ohne die Hilfe oder Vermittlung Dritter in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens selbständig handeln können.

(3) Der Integrationskurs umfasst einen Basis- und einen Aufbausprachkurs von jeweils gleicher Dauer zur Erlangung ausreichender Sprachkenntnisse sowie einen Orientierungskurs zur Vermittlung von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland. Der Integrationskurs wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge koordiniert und durchgeführt, das sich hierzu privater oder öffentlicher Träger bedienen kann. Für die Teilnahme am Integrationskurs sollen Kosten in angemessenem Umfang unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit erhoben werden. Zur Zahlung ist auch derjenige verpflichtet, der dem Ausländer zur Gewährung des Lebensunterhalts verpflichtet ist.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nähere Einzelheiten des Integrationskurses, insbesondere die Grundstruktur, die Dauer, die Lerninhalte und die Durchführung der Kurse, die Vorgaben bezüglich der Auswahl und Zulassung der Kursträger sowie die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen für die ordnungsgemäße und erfolgreiche Teilnahme und ihre Bescheinigung einschließlich der Kostentragung, sowie die Datenverarbeitung nach § 88a Absatz 1 und 1a durch eine Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu regeln. Hiervon ausgenommen sind die Prüfungs- und Nachweismodalitäten der Abschlusstests zu den Integrationskursen, die das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates regelt.

(5) (weggefallen)

(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.

(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.

(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.

(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.

Tenor

§ 10 Absatz 1 und 3 des Gesetzes zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft über die besondere Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen und über die Verkehrsbezeichnung und Kennzeichnung von Fleisch von bis zu zwölf Monate alten Rindern (Rindfleischetikettierungsgesetz) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes vom 17. November 2000 (Bundesgesetzblatt I Seite 1510) ist mit Artikel 103 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 sowie mit Artikel 80 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob § 10 Abs. 1 und 3 des Rindfleischetikettierungsgesetzes (RiFlEtikettG) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

I.

2

1. Nach § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes vom 17. November 2000 (BGBl I S. 1510) wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 zuwiderhandelt, soweit eine Rechtsverordnung nach Absatz 3, in der das zuständige Bundesministerium die als Straftat nach Absatz 1 zu ahndenden Tatbestände bezeichnet, für einen bestimmten Tatbestand auf die Strafvorschrift des Absatzes 1 verweist.

3

2. Die vom vorlegenden Landgericht für verfassungswidrig gehaltene Vorschrift war zunächst als § 10 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 RiFlEtikettG im Rindfleischetikettierungsgesetz vom 26. Februar 1998 (BGBl I S. 380) enthalten, mit dem die Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates vom 21. April 1997 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen (ABl EG Nr. L 117 vom 7. Mai 1997, S. 1) in Deutschland umgesetzt worden war. Die für das Ausgangsverfahren relevante Fassung erhielt § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes vom 17. November 2000 (BGBl I S. 1510), das der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juli 2000 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates (ABl EG Nr. L 204 vom 11. August 2000, S. 1) diente.

4

3. Die allgemeinen Vorschriften des Systems zur obligatorischen Etikettierung von Rindfleisch, dessen Herkunft seit dem 1. Januar 2002 vollständig anzugeben ist, enthält Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000. Dieser lautet:

(1) Marktteilnehmer und Organisationen, die Rindfleisch in der Gemeinschaft vermarkten, müssen dies gemäß den Vorschriften dieses Artikels etikettieren.

Mit dem obligatorischen Etikettierungssystem wird gewährleistet, dass zwischen der Kennzeichnung des Schlachtkörpers, der Schlachtkörperviertel oder der Fleischstücke einerseits und dem Einzeltier bzw. - wenn dies zur Kontrolle der Richtigkeit der Angaben auf dem Etikett ausreicht - der betreffenden Gruppe von Tieren andererseits eine Verbindung besteht.

(2) Auf dem Etikett sind folgende Angaben zu machen:

a) eine Referenznummer oder ein Referenzcode, mit dem die Verbindung zwischen dem Fleisch und dem Tier bzw. den Tieren gewährleistet wird. Diese Nummer kann die Kennnummer des Tieres, von dem das Fleisch stammt, oder die Kennnummer einer Gruppe von Tieren sein;

b) die Zulassungsnummer des Schlachthofs, in dem das Tier oder die Tiergruppe geschlachtet wurde, und der Mitgliedstaat oder das Drittland, in dem der Schlachthof liegt. Die Angabe muss lauten: "Geschlachtet in: (Name des Mitgliedstaats oder des Drittlands) (Zulassungsnummer)";

c) die Zulassungsnummer des Zerlegungsbetriebs, in dem der Schlachtkörper oder die Gruppe von Schlachtkörpern zerlegt wurden, und der Mitgliedstaat oder das Drittland, in dem der Zerlegungsbetrieb liegt. Die Angabe muss lauten: "Zerlegt in: (Name des Mitgliedstaats oder des Drittlands) (Zulassungsnummer)".

(3) Mitgliedstaaten, in denen über das Kennzeichnungs- und Registrierungssystem für Rinder gemäß Titel I ausreichende Angaben vorliegen, können jedoch bis zum 31. Dezember 2001 für Fleisch von Rindern, die in ihrem Hoheitsgebiet geboren, gemästet und geschlachtet wurden, vorschreiben, dass auf dem Etikett zusätzliche Angaben gemacht werden müssen.

(4) Ein obligatorisches System im Sinne des Absatzes 3 darf nicht zu Störungen des Handels zwischen den Mitgliedstaaten führen.

Die Durchführungsbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten gelten, die Absatz 3 anwenden wollen, bedürfen der vorherigen Zustimmung der Kommission.

(5) a) Ab 1. Januar 2002 sind von den Marktteilnehmern und Organisationen zusätzlich folgende Angaben auf den Etiketten zu machen:

i) Mitgliedstaat oder Drittland, in dem das Tier geboren wurde,

ii) Mitgliedstaaten oder Drittländer, in denen die Mast durchgeführt wurde,

iii) Mitgliedstaat oder Drittland, in dem die Schlachtung erfolgt ist,

b) Erfolgten Geburt, Aufzucht und Schlachtung der Tiere, von denen das Fleisch stammt,

i) in ein und demselben Mitgliedstaat, so kann die Angabe wie folgt lauten: "Herkunft: (Name des Mitgliedstaats)";

ii) in ein und demselben Drittland, so kann die Angabe wie folgt lauten: "Herkunft: (Name des Drittlandes)".

5

4. Da Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 820/97 ebenso wie die insofern gleichlautende Folgevorschrift des Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 vorsah, dass die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zur Einhaltung der Verordnung treffen und etwaige Sanktionen, die die Mitgliedstaaten verhängen, in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verstoßes stehen müssen, wurde die Blankettstrafvorschrift des § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG geschaffen (BTDrucks 13/8052, S. 7).

6

5. § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG bezog sich in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 26. Februar 1998 ausdrücklich auf die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 820/97 in der jeweils geltenden Fassung, soweit sie die besondere Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen betraf, sowie auf die "zu ihrer Durchführung erlassenen Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft". Diese Bezugnahme wurde durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes vom 17. November 2000 (BGBl I S. 1510) durch die Formulierung "Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen" ersetzt. Letztere wurde durch das Gesetz zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes und des Düngegesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl I S. 2539) auf "Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie über die Verkehrsbezeichnung und Kennzeichnung von Fleisch von bis zu zwölf Monate alten Rindern" erweitert.

7

6. Durch § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG wurde das zuständige Bundesministerium (vgl. nunmehr § 3a Abs. 3 RiFlEtikettG) ermächtigt, durch Rechtsverordnung die als Straftat zu ahndenden Tatbestände zu bezeichnen. Diese Bezeichnung erfolgte durch Erlass der Verordnung zur Durchsetzung des Rindfleischetikettierungsrechts (Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung - RiFlEtikettStrV) vom 5. März 2001 (BGBl I S. 339), zuletzt geändert durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung vom 22. Juli 2015 (BGBl I S. 1407).

8

7. Die vom vorlegenden Landgericht als verfassungswidrig erachtete Vorschrift des § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG und der ihren Anwendungsbereich regelnde § 1 RiFlEtikettG lauteten zum für das Ausgangsverfahren relevanten Tatzeitpunkt am 15. März 2010:

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz dient der Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie über die Verkehrsbezeichnung und Kennzeichnung von Fleisch von bis zu zwölf Monate alten Rindern.

(2) Unberührt von den Vorschriften dieses Gesetzes und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen bleiben die Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelrechts, des Handelsklassenrechts, des Lebensmittelspezialitätenrechts und des Markenrechts.

§ 10 Strafvorschriften

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 zuwiderhandelt, soweit eine Rechtsverordnung nach Absatz 3 für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Das Bundesministerium wird ermächtigt, soweit es zur Durchsetzung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft erforderlich ist, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Tatbestände zu bezeichnen, die als Straftat nach Absatz 1 zu ahnden sind.

9

8. § 1 RiFlEtikettStrV lautete am 15. März 2010:

§ 1 Durchsetzung der Angaben bei der obligatorischen Etikettierung von Rindfleisch

(1) Nach § 10 Abs. 1 des Rindfleischetikettierungsgesetzes wird bestraft, wer gegen die Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 17. Juli 2000 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates (ABl. EG Nr. L 204 S. 1), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006 (ABl. EU Nr. L 363 S. 1), verstößt, indem er

1. entgegen Artikel 13 Abs. 1 Unterabs. 1 in Verbindung mit

a) Abs. 2 Buchstabe a Satz 1, Buchstabe b oder c, Artikel 14 Satz 1 oder

b) Abs. 5 Buchstabe a, dieser in Verbindung mit Artikel 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1825/2000 der Kommission vom 25. August 2000 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen (ABl. EG Nr. L 216 S. 8), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 275/2007 der Kommission vom 15. März 2007 (ABl. EU Nr. L 76 S. 12),

jeweils auch in Verbindung mit Artikel 5a Abs. 1, Artikel 5b oder 5c Abs. 1 oder 2 Unterabs. 1 oder 2 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1825/2000 Rindfleisch nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig etikettiert,

2. entgegen Artikel 13 Abs. 1 Unterabs. 1 in Verbindung mit

a) Abs. 2 Buchstabe a Satz 1, Artikel 14 Satz 1 oder

b) Abs. 5 Buchstabe a Nr. iii, dieser in Verbindung mit Artikel 14 Satz 2,

Rinderhackfleisch nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig etikettiert,

3. entgegen Artikel 15 in die Gemeinschaft eingeführtes Rindfleisch nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig etikettiert.

(2) Wer eine in Absatz 1 bezeichnete Handlung fahrlässig begeht, handelt nach § 11 Abs. 1 des Rindfleischetikettierungsgesetzes ordnungswidrig.

II.

10

1. Mit Urteil vom 31. Mai 2012 sprach das Amtsgericht Tiergarten den geständigen Angeklagten des Ausgangsverfahrens des vorsätzlichen Verstoßes gegen das Rindfleischetikettierungsgesetz schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 250 Tagessätzen zu je 100 Euro. Der Angeklagte hatte es als Betriebsinhaber einer Dönerproduktion GmbH in B…, die eine Zulassung als Zerlege- und Handelsbetrieb von Geflügelfleisch und als Herstellungsbetrieb für Fleischzubereitungen ("Hackfleisch-Drehspieße nach Döner-Art" und Geflügelfleisch-Drehspieße) als Tiefkühl- und Frischwaren aus Geflügel-, Rind- und Lammfleisch (exklusive die Herstellung von Ciclik) besaß, welche aber nicht die Zerlegung von und den Handel mit rohem Rindfleisch umfasste, am 15. März 2010 unterlassen, im Warenausgangskühlraum lagernde 60 kg frischen Rindfleischs zu etikettieren und weitere, in kleineren Gebinden abgepackte 106 kg frischen Rindfleischs richtig zu etikettieren. Auf den Etiketten des abgepackten frischen Rindfleischs fehlten die Referenznummer oder der Referenzcode und zum Teil die Zulassungsnummern des Schlacht- und des Zerlegungsbetriebs. Letztere waren auch an Hand der Buchführungsbelege und der im Betrieb erforderlichen Dokumentation nicht nachvollziehbar. Zudem handelte es sich bei dem Fleisch beider Mengen um reines, nicht behandeltes, insbesondere nicht gewürztes Rindfleisch und damit auch nicht um von der Zulassung der Gesellschaft umfasste Rindfleischerzeugnisse.

11

2. Das Landgericht Berlin hat gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Berufungshauptverhandlung ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG mit Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar und daher nichtig ist. Seine Entscheidung hänge davon ab, ob § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG verfassungsgemäß sei oder nicht. Wäre § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, müsste der Angeklagte aufgrund seines wissentlichen und willentlichen zum Teil partiellen, zum Teil vollständigen Unterlassens der Etikettierung der festgestellten Rindfleischmengen gemäß §§ 1, 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 RiFlEtikettStrV und Art. 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 schuldig gesprochen werden. Im Falle der Verfassungswidrigkeit wäre der Angeklagte hingegen aus Rechtsgründen unter Aufhebung des angefochtenen Urteils von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen freizusprechen.

12

Das vorlegende Gericht ist von der Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG überzeugt. Seine Auffassung stützt es im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:

13

a) Bei § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG handele es sich um ein Blankettstrafgesetz, das gegen Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG verstoße, weil es das strafbare Verhalten nicht nachvollziehbar umschreibe und auch keine durch Auslegung ermittelbare Maxime erkennen lasse, anhand derer die Adressaten der Norm ihr Verhalten ausrichten könnten.

14

Der Gesetzgeber habe sich zur Beschreibung des unter Strafe gestellten Gesetzesverstoßes einer doppelten Verweisung bedient. Zum einen verweise er in § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG auf "Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie über die Verkehrsbezeichnung und Kennzeichnung von Fleisch von bis zu zwölf Monate alten Rindern", zum anderen auf die Bestimmungen der nach § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG durch das zuständige Bundesministerium zu erlassenden Rechtsverordnung. Zwar sei Blankettstrafgesetzgebung, insbesondere bei Bezugnahme auf Inhalte von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union, im Grundsatz zulässig, doch lasse die dynamische Verweisung auf das in § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG nur formelhaft umschriebene Gemeinschaftsrecht nicht erkennen, welche Rechtsakte konkret davon erfasst sein sollten und was diese regelten. Auch der Inhalt der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 könne zur Ermittlung des Normbefehls des § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG nicht herangezogen werden, da der Gesetzgeber durch die Übertragung der Auswahl der als strafwürdig anzusehenden Tatbestände auf den nationalen Verordnungsgeber in § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG deutlich gemacht habe, dass nicht unterschiedslos der komplette Regelungsgehalt jeglicher Verordnung in diesem Rechtsgebiet erfasst sein solle. Auf Fachwissen der dem Regelungsbereich unterworfenen Fachkreise könne nicht abgestellt werden, weil es nicht um die Interpretation normativer gewerbespezifischer Begriffe gehe, sondern um die dieser Interpretation vorgelagerte Bestimmung, welche Normen überhaupt gelten sollten.

15

b) Die Verordnungsermächtigung des § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG verstoße gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG.

16

Der Gesetzgeber habe sich in unzulässiger Weise seiner Rechtsetzungskompetenz und -pflicht aus Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 GG begeben, Raum für exekutive Strafrechtssetzung geschaffen und dadurch den Gewaltenteilungsgrundsatz verletzt. Statt die Voraussetzungen der Strafbarkeit in einem förmlichen Gesetz hinreichend deutlich zu umschreiben und lediglich deren nähere Beschreibung über eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmte Verordnungsermächtigung der Exekutive zu überlassen, habe der Gesetzgeber sich durch die auf der ersten Verweisungsebene des § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG erfolgte Bezugnahme auf die auf der Gemeinschaftsebene erlassenen Rechtsakte über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen auf einen hinsichtlich des Strafrechts nicht hinreichend demokratisch legitimierten Rechtsetzungsakt bezogen und auf der zweiten Verweisungsebene über § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG dem nationalen Verordnungsgeber als ebenfalls demokratisch nicht unmittelbar legitimiertem Akteur Strafrechtssetzungskompetenz zugesprochen. Der Gesetzgeber habe nicht über das "Ob" der Strafbarkeit entschieden, sondern es ohne jede Beschränkung dem nationalen Verordnungsgeber übertragen, unter Verwendung einer Rückverweisungsklausel gemeinschaftsrechtliche Normen zu benennen, deren Verletzung strafbewehrt sein solle. Damit könne dieser aufgrund der dynamischen Verweisung auf das Gemeinschaftsrecht zeitlich unbeschränkt und ohne Einbindung des Gesetzgebers strafrechtsetzend tätig werden.

III.

17

Zu der Vorlage hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft namens der Bundesregierung Stellung genommen. Der Bundestag, der Bundesrat und die Länderregierungen haben von einer Stellungnahme abgesehen.

18

Die Bundesregierung hält die vorgelegte Vorschrift für verfassungskonform. Soweit das vorlegende Gericht den Straftatbestand für nicht hinreichend bestimmt halte, weil der Verweis auf das Gemeinschaftsrecht dynamisch sei, verkenne es, dass die insoweit maßgebliche nationale Verordnungsregelung statisch auf EU-Verordnungen Bezug nehme. Das Gericht verkenne zudem, dass dem Verordnungsgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Spezifizierungsbefugnis eingeräumt werden könne, wovon § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG in zulässiger Weise Gebrauch mache. Dem Verordnungsgeber werde durch den begrenzten Anwendungsbereich des Gesetzes und die Maßgabe, die Sanktionierung müsse zur Durchsetzung der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft erforderlich sein, nur ein geringer Entscheidungsspielraum eingeräumt, zumal die Strafandrohung im unteren Bereich zu verorten sei, so dass keine erhöhten Bestimmtheitsanforderungen bestünden. Auch dürfe für die Prüfung der Bestimmtheit einer Strafnorm auf das Fachwissen der betroffenen Kreise abgestellt werden, für die es auf der Hand liege, dass es sich bei dem Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen um die Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 handele. Hinzu komme, dass dem Normadressaten durch die im Nebenstrafrecht verbreitete Verwendung einer so genannten Rückverweisungsklausel das Auffinden der strafbewehrten Tatbestände deutlich erleichtert werde. Der weitere Einwand, dass dem Verordnungsgeber durch solche Rückverweisungsklauseln die Entscheidung über das "Ob" der Strafbarkeit übertragen werde, gehe fehl, da der Gesetzgeber durch die Ermächtigungsklausel zu erkennen gebe, dass das Gemeinschaftsrecht aus seiner Sicht eine strafrechtliche Bewehrung gebiete, und auch der Verordnungsgeber an europäisches Recht gebunden und ihm folglich keine Wahlfreiheit über die Strafbewehrung eingeräumt sei.

IV.

19

Die Präsidentin des Bundesgerichtshofs hat mitgeteilt, dass die Strafsenate mit den streitigen Rechtsvorschriften noch nicht befasst gewesen sind und von einer weitergehenden Stellungnahme abgesehen haben. Der Generalbundesanwalt, der Deutsche Richterbund, die Neue Richtervereinigung, der Deutsche Anwaltverein und die Bundesrechtsanwaltskammer haben sich wie folgt geäußert:

20

1. Der Generalbundesanwalt hält die Vorschrift des § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG für verfassungsgemäß.

21

Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Art. 103 Abs. 2 GG an die Bestimmtheit des Strafgesetzes seien noch gewahrt. Es sei unschädlich, dass § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG keine explizite Verweisung auf einen bestimmten Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union enthalte, da eine hinreichende Eingrenzung durch den erforderlichen Bezug zum Regelungsgegenstand der Verweisungsnormen gegeben und für den Normadressaten bei verständiger Würdigung und unter zulässiger Heranziehung des gesteigerten Wissens der betroffenen Fachkreise der Bereich der Strafbarkeit noch hinreichend erkennbar und vorhersehbar sei. Zudem enthielten die primär in Bezug genommenen Gebote des Art. 13 Abs. 1 und Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 jeweils klare und präzise Vorgaben zu Art und Umfang der Etikettierungspflichten, die dem Normadressaten kaum Interpretationsspielräume über den Umfang seiner Pflichten ließen.

22

Ein Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG sei nicht erkennbar. Verweisungen auf Unionsrecht seien nicht anders zu beurteilen als solche auf nationales Recht, da die Kompetenz des nationalen parlamentarischen Gesetzgebers weitgehend unangetastet bleibe, wenn er selbst die Reichweite der Strafandrohung festlege und dem Unionsgesetzgeber lediglich die Konkretisierung des tatbestandlichen Verbotes überlasse. Eine unter dem Gesichtspunkt des Demokratieprinzips unzulässige pauschale Blankoermächtigung liege nicht vor. Auch die Gestaltungsmacht des nationalen Verordnungsgebers sei in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise hinreichend begrenzt, zum einen aufgrund der in § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG statuierten Bedingung der Erforderlichkeit, zum anderen deshalb, weil der dem europarechtlichen Loyalitätsgebot des Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtete Gesetzgeber durch die Rückverweisungsklausel nur die tatsächliche Ausgestaltung seiner Grundsatzentscheidung, eine Strafbewehrung vorzusehen, von dem hinzutretenden Rechtsakt des Verordnungsgebers abhängig gemacht habe.

23

2. Der Deutsche Richterbund sieht das Bestimmtheitsgebot für Strafnormen durch § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG nicht verletzt, äußert aber zu § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG Bedenken, ob es noch verfassungsgemäß sei, dem Verordnungsgeber die Entscheidung zu überlassen, welche Tatbestände des europäischen Rechts im nationalen Recht strafbar sein sollten.

24

3. Nach Auffassung der Neuen Richtervereinigung verstößt § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG durch die doppelte Verweisung auf Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft und auf eine zu erlassende nationale Rechtsverordnung gegen die Gewährleistungsinhalte der Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Bestimmtheitsgebot sei verletzt, weil das mit Strafe bedrohte Verhalten durch § 10 RiFlEtikettG aufgrund der Globalverweisung auf das gesamte unmittelbar geltende Gemeinschaftsrecht nicht hinreichend präzise gesetzlich bestimmt werde. Zudem sei das Delegationsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG verletzt. Da die durch § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG erlaubte Rückverweisung nicht nur deklaratorisch sei, ergebe sich die eigentliche Strafbarkeit vorliegend erst aus der Rechtsverordnung, so dass letztlich die Exekutive über die Strafbarkeit entscheide.

25

4. Der Deutsche Anwaltverein hält § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG für verfassungswidrig, weil die Voraussetzungen der Strafbarkeit angesichts des zugunsten des Verordnungsgebers eröffneten Spielraums nicht aus der gesetzlichen Ermächtigung, sondern erst aus der auf sie gestützten Verordnung voraussehbar seien. Es könne nicht von einer bloßen Spezifizierung des Tatbestandes gesprochen werden, wenn das Gesetz wie vorliegend einen Tatbestand nicht oder nur in höchst abstraktem Sinn definiere und Kern dieses ohnehin nur rudimentär beschriebenen Tatbestandes eine dynamische Verweisung auf das Unionsrecht sei. Denn dadurch komme es zu einer aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht hinnehmbaren versteckten Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen. Zudem ahnde § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG bloßen Verwaltungsungehorsam gegebenenfalls mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, so dass strenge Anforderungen an die erforderliche Bestimmtheit zu stellen seien, die vorliegend aber nicht erfüllt seien.

26

5. Auch nach Ansicht der Bundesrechtsanwaltskammer ist § 10 RiFlEtikettG verfassungswidrig. Die Blankettverweisung in § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG lasse nicht hinreichend klar erkennen, auf welche Normen verwiesen werde, da die Vorschrift weder eine Bezugsnorm bezeichne, noch das zu schützende Rechtsgut und das Regelungsziel konkret beschreibe, während die Verweisung in § 1 RiFlEtikettG lediglich auf das Regelungsinstrument der Kennzeichnung abstelle. Somit fehle es an der von Art. 103 Abs. 2 GG geforderten gesetzlichen Regelung der Voraussetzungen der Strafbarkeit, zumal der Gesetzgeber durch die Ermächtigung des § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG dem Verordnungsgeber die Entscheidung überlassen habe, Strafbarkeitsanordnungen zu treffen. Eine Strafrechtsnorm in einer Rechtsverordnung, deren Ermächtigungsgrundlage den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht entspreche und somit aufgrund unzureichender Beschreibung des Inhalts der Ermächtigung zwingend auch Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verletze, könne jedoch eine Freiheitsbeschränkung im Sinne von Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG nicht rechtfertigen.

B.

27

Die Vorlage ist zulässig.

28

Die vorgelegte Frage, ob § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG mit Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar und daher nichtig ist, ist entscheidungserheblich. Das Landgericht hat in einer den Anforderungen des Art. 100 Abs. 1 GG und des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügenden Weise dargelegt, dass der Angeklagte - die Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG unterstellt - aufgrund seines wissentlichen und willentlichen zum Teil partiellen, zum Teil vollständigen Unterlassens der Etikettierung der festgestellten Rindfleischmengen gemäß §§ 1, 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 RiFlEtikettStrV und Art. 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 schuldig zu sprechen ist, anderenfalls - bei Verfassungswidrigkeit der Vorschrift - aber aus Rechtsgründen unter Aufhebung des angefochtenen Urteils von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen freigesprochen werden muss. Diese Auffassung des vorlegenden Gerichts ist nicht offensichtlich unhaltbar (vgl. BVerfGE 7, 171 <175>; 71, 255 <267>; 75, 329 <340>; 105, 61 <67>; 124, 251 <260>).

29

Das Landgericht hält § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG für eine wegen Verstoßes gegen die an Strafbestimmungen zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen unzulässige Blankettstrafnorm und bringt in hinreichender Weise seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift zum Ausdruck.

C.

30

§ 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG genügt den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen der Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG nicht (II.) und verstößt zugleich gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG (III.). Unionsrechtliche Vorgaben stehen der Überprüfung anhand nationaler verfassungsrechtlicher Maßstäbe vorliegend nicht entgegen (I.).

I.

31

Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit durch das Bundesverfassungsgericht ist nicht deshalb von vornherein ausgeschlossen oder eingeschränkt, weil die bezeichnete Norm in wesentlichen Teilen unionsrechtlich determiniert ist.

32

Die im Grundsatz umfassende Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht kann zwar eingeschränkt sein, wenn eine Vorschrift einen Bezug zum europäischen Gemeinschaftsrecht, heute zum Recht der Europäischen Union, aufweist. So sind innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine Richtlinie oder eine Verordnung der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, grundsätzlich nicht am Maßstab des Grundgesetzes, sondern am Unionsrecht zu messen, soweit die Richtlinie oder die Verordnung den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (vgl. BVerfGE 73, 339 <387>; 102, 147 <162 ff.>; 118, 79 <95>; 121, 1 <15>; 122, 1 <20>; zur dabei fortbestehenden Identitätskontrolle zuletzt BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvR 2735/14 -, juris, Rn. 43 ff.). Demgegenüber sind Rechtsvorschriften des nationalen Gesetzgebers, die im Rahmen eines den Mitgliedstaaten verbliebenen Umsetzungsspielraums ergangen sind, der verfassungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich (vgl. BVerfGE 122, 1 <20 f.>; 129, 78 <90 f.>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvR 2735/14 -, juris, Rn. 39).

33

Vorliegend hindert Unionsrecht die verfassungsrechtliche Prüfung der vorgelegten Vorschrift nicht, da der deutsche Gesetzgeber mit § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG von seinem Spielraum zur Umsetzung der an die Mitgliedstaaten gerichteten Vorgabe des Art. 21 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 820/97 sowie des diesen ablösenden, aber insofern gleich lautenden Art. 22 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000, alle erforderlichen Maßnahmen zur Einhaltung der Verordnung zu treffen, Gebrauch gemacht hat.

II.

34

1. Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Als Gesetz im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG sind nicht nur Gesetze im formellen Sinn zu verstehen, sondern auch Rechtsverordnungen, die im Rahmen von Ermächtigungen ergangen sind, die den Voraussetzungen des Art. 80 Abs. 1 GG genügen (stRspr; vgl. BVerfGE 14, 174 <185>; 14, 245 <251>; 22, 21 <25>; 32, 346 <362>; 38, 348 <371>), sowie aufgrund einer entsprechenden landesgesetzlichen Ermächtigung ergangene Satzungen von Gemeinden (vgl. BVerfGE 32, 346 <362>).

35

Die Bedeutung des Art. 103 Abs. 2 GG erschöpft sich nicht im Verbot der gewohnheitsrechtlichen oder rückwirkenden Strafbegründung. Art. 103 Abs. 2 GG enthält für die Gesetzgebung ein striktes Bestimmtheitsgebot sowie ein damit korrespondierendes, an die Rechtsprechung gerichtetes Verbot strafbegründender Analogie (stRspr; vgl. BVerfGE 14, 174 <185>; 73, 206 <234>; 75, 329 <340>; 126, 170 <194>; 130, 1 <43>).

36

Durch diese Garantien soll zum einen sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber selbst abstrakt-generell über die Strafbarkeit entscheidet. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und rechtsprechenden Gewalt verwehrt, die normativen Voraussetzungen einer Bestrafung festzulegen (vgl. BVerfGE 47, 109 <120>; 57, 250 <262>; 73, 206 <234 f.>; 75, 329 <341>; 78, 374 <382>; 92, 1 <12>; 126, 170 <194 f.>; 130, 1 <43>; stRspr). Der Gesetzgeber übernimmt mit der Entscheidung über strafwürdiges Verhalten die demokratisch legitimierte Verantwortung für eine Form hoheitlichen Handelns, die zu den intensivsten Eingriffen in die individuelle Freiheit zählt; es ist eine ihm vorbehaltene grundlegende Entscheidung, in welchem Umfang und in welchen Bereichen ein politisches Gemeinwesen gerade das Mittel des Strafrechts als Instrument sozialer Kontrolle einsetzt (vgl. BVerfGE 123, 267 <408>; 126, 170 <194>).

37

Zum anderen hat Art. 103 Abs. 2 GG auch eine freiheitsgewährleistende Funktion (vgl. BVerfGE 75, 329 <341> m.w.N.; 126, 170 <194 f.>). Jeder Teilnehmer am Rechtsverkehr soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist.

38

2. a) In seiner Funktion als Bestimmtheitsgebot enthält Art. 103 Abs. 2 GG dementsprechend die Verpflichtung, wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären und die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (stRspr seit BVerfGE 25, 269<285>). Die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze, dass der Gesetzgeber im Bereich der Grundrechtsausübung alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen (vgl. BVerfGE 101, 1 <34>; 108, 282 <312>) und Rechtsvorschriften so genau fassen muss, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (Grundsatz der Normenklarheit, vgl. BVerfGE 93, 213 <238>), gelten danach für den grundrechtssensiblen Bereich des materiellen Strafrechts besonders strikt. Das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verlangt daher, den Wortlaut von Strafnormen so zu fassen, dass der Normadressat im Regelfall bereits anhand des Wortlauts der gesetzlichen Vorschrift voraussehen kann, ob ein Verhalten strafbar ist oder nicht (vgl. BVerfGE 126, 170 <195> m.w.N.).

39

Eine Strafe kann nach Art. 103 Abs. 2 GG nur auf der Grundlage eines förmlichen Gesetzes verhängt werden. Ist der Straftatbestand in einer Verordnung enthalten, müssen somit die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe für den Bürger schon aufgrund des Gesetzes, nicht erst aufgrund der hierauf gestützten Verordnung erkennbar sein (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG; BVerfGE 14, 174 <185 f.>; 75, 329 <342>; 78, 374 <382>; stRspr). Der Gesetzgeber hat selbst die Voraussetzungen der Strafbarkeit zu bestimmen und darf diese Entscheidung nicht den Organen der vollziehenden Gewalt überlassen (vgl. BVerfGE 47, 109 <120>; 78, 374 <382>). Erlässt er eine Strafvorschrift, die Freiheitsstrafe androht, muss er - auch in Anbetracht von Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG - mit hinreichender Deutlichkeit selbst bestimmen, was strafbar sein soll, und Art und Maß der Freiheitsstrafe im förmlichen Gesetz festlegen (vgl. BVerfGE 14, 245 <251>; 78, 374 <383>) und zwar umso präziser, je schwerer die angedrohte Strafe ist (vgl. BVerfGE 14, 245 <251>; 75, 329 <342>).

40

b) Allerdings muss der Gesetzgeber auch im Strafrecht in der Lage bleiben, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zur werden (vgl. BVerfGE 28, 175 <183>; 47, 109 <120 f.>; 126, 170 <195>; 131, 268 <307>). Müsste er jeden Straftatbestand stets bis ins Letzte ausführen, anstatt sich auf die wesentlichen Bestimmungen über Voraussetzungen, Art und Maß der Strafe zu beschränken, bestünde die Gefahr, dass die Gesetze zu starr und kasuistisch würden und dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden könnten (vgl. BVerfGE 14, 245 <251>).

41

Daher schließt das Bestimmtheitsgebot die Verwendung unbestimmter, konkretisierungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln nicht aus (vgl. BVerfGE 11, 234 <237>; 28, 175 <183>; 48, 48 <56>; 92, 1 <12>; 126, 170 <196>; 131, 268 <306 f.>). Gegen ihre Verwendung bestehen jedenfalls dann keine Bedenken, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für eine Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt (BVerfGE 45, 363 <371 f.>; 86, 288 <311>; 131, 268 <307>). Dabei lässt sich der Grad der für eine Norm jeweils erforderlichen Bestimmtheit nicht abstrakt festlegen, sondern hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Tatbestandes einschließlich der Umstände ab, die zur gesetzlichen Regelung geführt haben (BVerfGE 28, 175 <183>; 86, 288 <311>; 126, 170 <196>; 131, 268 <307>; 134, 33 <81 f. Rn. 112>).

42

c) Der Gesetzgeber muss den Tatbestand nicht stets vollständig im förmlichen Gesetz umschreiben, sondern darf auf andere Vorschriften verweisen. Solche Verweisungen sind als vielfach übliche und notwendige gesetzestechnische Methode anerkannt, sofern die Verweisungsnorm hinreichend klar erkennen lässt, welche Vorschriften im Einzelnen gelten sollen, und wenn diese Vorschriften dem Normadressaten durch eine frühere ordnungsgemäße Veröffentlichung zugänglich sind (vgl. BVerfGE 5, 25 <31>; 22, 330 <346>; 26, 338 <365 f.>; 47, 285 <311>). Dabei kann der Gesetzgeber auch auf Vorschriften eines anderen Normgebers verweisen; denn eine solche Verweisung bedeutet rechtlich nur den Verzicht, den Text der in Bezug genommenen Vorschriften in vollem Wortlaut in die Verweisungsnorm aufzunehmen (vgl. BVerfGE 47, 285 <311 f.> für bundesrechtliche Verweisungen auf Landesrecht). Das gilt auch für Verweisungen auf Normen und Begriffe des Rechts der Europäischen Union. Unionsrecht und nationales Recht der Mitgliedstaaten sind zwar zwei verschiedene Teilrechtsordnungen. Beide stehen jedoch nicht unverbunden nebeneinander, sondern greifen auf mannigfache Weise ineinander. Diese vielfältige Verschränkung von Unionsrecht und nationalem Recht verbietet es, Verweisungen auf Unionsrecht anders zu beurteilen als Verweisungen auf nationales Recht (vgl. BVerfGE 29, 198 <210>).

43

Die mit einer Verweisung in aller Regel verbundene gesetzestechnische Vereinfachung ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der verweisende Gesetzgeber sich den Inhalt von Rechtsvorschriften des anderen Normgebers in der Fassung zu eigen macht, wie sie bei Erlass seines Gesetzesbeschlusses galt (statische Verweisung; vgl. BVerfGE 26, 338 <366>; 47, 285 <312>; 60, 135 <155>; 67, 348 <362 f.>; 78, 32 <35 f.>). Verweist ein Gesetzgeber hingegen auf andere Vorschriften in ihrer jeweils geltenden Fassung (dynamische Verweisung), kann dies dazu führen, dass er den Inhalt seiner Vorschriften nicht mehr in eigener Verantwortung bestimmt und damit der Entscheidung Dritter überlässt. Damit sind dynamische Verweisungen zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber nur in dem Rahmen zulässig, den die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Bundesstaatlichkeit ziehen; grundrechtliche Gesetzesvorbehalte können diesen Rahmen zusätzlich einengen (vgl. BVerfGE 47, 285 <312 ff.>; 78, 32 <36>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 17. Februar 2016 - 1 BvL 8/10 -, juris, Rn. 75).

44

d) Bei einem Blankettstrafgesetz ersetzt der Gesetzgeber die Beschreibung des Straftatbestandes durch die Verweisung auf eine Ergänzung im selben Gesetz oder in anderen - auch künftigen - Gesetzen oder Rechtsverordnungen, die nicht notwendig von derselben rechtsetzenden Instanz erlassen werden müssen (vgl. BVerfGE 14, 245 <252>; 87, 399 <407>). Die Verwendung dieser Gesetzgebungstechnik ist verfassungsrechtlich unbedenklich, sofern das Blankettstrafgesetz hinreichend klar erkennen lässt, worauf sich die Verweisung bezieht (vgl. BVerfGE 14, 245 <252 f.>; 48, 48 <55>; 51, 60 <74>; 75, 329 <342>). Dazu gehört, dass die Blankettstrafnorm die Regelungen, die zu ihrer Ausfüllung in Betracht kommen und die dann durch sie bewehrt werden, sowie deren möglichen Inhalt und Gegenstand genügend deutlich bezeichnet und abgrenzt (vgl. BVerfGE 23, 265 <269>).

45

Das gilt auch für Blankettstrafgesetze, die Zuwiderhandlungen gegen bestimmte Verbote oder Gebote eines unmittelbar anwendbaren Rechtsakts der Europäischen Union bewehren und zu diesem Zweck auf das Unionsrecht verweisen. Zum einen sind an Verweisungen auf das Unionsrecht keine strengeren verfassungsrechtlichen Anforderungen zu stellen als an solche auf das innerstaatliche Recht (vgl. BVerfGE 29, 198 <210>). Zum anderen ist es dem nationalen Gesetzgeber im Grundsatz verwehrt, unmittelbar anwendbares Unionsrecht im nationalen Recht durch gleichlautende Vorschriften zu wiederholen, da die Normadressaten über den Unionscharakter einer Rechtsnorm nicht im Unklaren gelassen werden dürfen (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Oktober 1973, Variola, C-34/73, Slg. 1973, S. 981 <990>; Urteil vom 2. Februar 1977, Amsterdam Bulb, C-50/76, Slg. 1977, S. 137 <146 f.>; Urteil vom 28. März 1985, Kommission/Italienische Republik, C-272/83, Slg. 1985, S. 1057 <1074>).

46

Dem in Art. 103 Abs. 2 GG verankerten Bestimmtheitsgebot genügen Blankettstrafgesetze jedoch nur dann, wenn sich die möglichen Fälle der Strafbarkeit schon aufgrund des Gesetzes voraussehen lassen, die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe also bereits entweder im Blankettstrafgesetz selbst oder in einem in Bezug genommenen Gesetz hinreichend deutlich um-schrieben sind (vgl. BVerfGE 14, 174 <185 f.>; 23, 265 <269>; 37, 201 <208 f.>; 75, 329 <342>; 78, 374 <382 f.>). Zudem müssen neben der Blankettstrafnorm auch die sie ausfüllenden Vorschriften die sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebenden Anforderungen erfüllen (vgl. BVerfGE 23, 265 <270>; 37, 201 <209>; 75, 329 <342, 344 ff.>; 87, 399 <407>).

47

Legt die Blankettstrafnorm nicht vollständig selbst oder durch Verweis auf ein anderes Gesetz fest, welches Verhalten durch sie bewehrt werden soll, sondern erfolgt dies erst durch eine nationale Rechtsverordnung, auf die verwiesen wird, müssen daher nach Art. 103 Abs. 2 GG und - soweit Freiheitsstrafe angedroht wird - in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe für den Bürger schon aufgrund des Gesetzes und nicht erst aufgrund der hierauf gestützten Rechtsverordnung vorhersehbar sein (vgl. BVerfGE 14, 174 <185 f.>; 14, 245 <251>; 75, 329 <342>; 78, 374 <382 f.>; stRspr). Um den Grundsatz der Gewaltenteilung zu wahren, darf dem Verordnungsgeber lediglich die Konkretisierung des Straftatbestandes eingeräumt werden, nicht aber die Entscheidung darüber, welches Verhalten als Straftat geahndet werden soll (vgl. bereits BVerfGE 14, 174 <187>; 14, 245 <251>; 22, 21 <25>; 23, 265 <269 f.>; 75, 329 <342>; 78, 374 <383>). Diese Anforderungen lassen sich sinngemäß auf den Fall übertragen, dass Blankettstrafgesetze auf das Unionsrecht verweisen (vgl. BVerfGK 17, 273 <293>).

48

3. Nach diesen Maßstäben wird § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG den Anforderungen an die nach Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG erforderliche Bestimmtheit nicht gerecht.

49

a) Nach § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG in der zum Tatzeitpunkt am 15. März 2010 geltenden Fassung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG zuwiderhandelt, soweit eine Rechtsverordnung nach Absatz 3 für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist. Gemäß § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG wird das Bundesministerium ermächtigt, soweit es zur Durchsetzung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft erforderlich ist, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Tatbestände zu bezeichnen, die als Straftat nach Absatz 1 zu ahnden sind.

50

§ 10 Abs. 1 RiFlEtikettG ist damit eine Blankettstrafnorm, die die Strafandrohung nach Art und Maß der Strafe regelt, den Straftatbestand aber lediglich als Zuwiderhandlung gegen eine unmittelbar geltende Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG skizziert und dessen genaue Beschreibung letztlich durch die über § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG erfolgende Verweisung auf Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie über die Verkehrsbezeichnung und Kennzeichnung von Fleisch von bis zu zwölf Monate alten Rindern und durch den Verweis auf die nach § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG ergangene Rechtsverordnung ersetzt.

51

b) § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG lässt jedoch auch in Verbindung mit § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG nicht hinreichend klar erkennen, welche Verstöße gegen unionsrechtliche Vorgaben sanktioniert werden sollen. Denn § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG benennt durch die Verweisung auf die genannten europäischen Rechtsakte lediglich einen nicht weiter konkretisierten Bezugspunkt erst noch näher zu bestimmender Verhaltensgebote und -verbote. Anstatt selbst oder durch Verweis auf ein anderes Gesetz festzulegen, welches Verhalten mit Strafe bewehrt werden soll, überlässt § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG es dem Bundesministerium, soweit es zur Durchsetzung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft erforderlich ist, durch Rechtsverordnung nach § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG die Tatbestände zu bezeichnen, die als Straftat nach § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG zu ahnden sind. Da mithin der Verordnungsgeber darüber entscheidet, welches Verhalten strafbar sein soll, lassen sich die möglichen Fälle der Strafbarkeit nicht schon aufgrund des Gesetzes, sondern erst aufgrund der auf Basis des § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG ergangenen Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung voraussehen. Somit handelt es sich um eine unzulässige pauschale Blankoermächtigung zur Umsetzung des Art. 22 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 durch eine nationale Rechtsverordnung.

52

c) Da § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG nicht hinreichend klar zu entnehmen ist, welche Verstöße gegen unionsrechtliche Vorgaben sanktioniert werden sollen, fehlt es bereits an einem gesetzlich geregelten, wenngleich konkretisierungsbedürftigen Straftatbestand. Damit bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, inwieweit in die Prüfung der Frage, ob der Tatbestand einer Strafnorm im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG gesetzlich bestimmt ist, einzubeziehen ist, ob und in welchem Umfang die Normadressaten aufgrund besonderen Fachwissens imstande sind, den Regelungsinhalt unbestimmter Rechtsbegriffe und von Verweisungen zu verstehen und diesen konkrete Handlungsanforderungen zu entnehmen (vgl. BVerfGE 48, 48 <57>).

III.

53

§ 10 Abs. 3 RiFlEtikettG als Ermächtigungsgrundlage der Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung genügt darüber hinaus auch in Verbindung mit § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG und den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie über die Verkehrsbezeichnung und Kennzeichnung von Fleisch von bis zu zwölf Monate alten Rindern nicht den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG.

54

1. a) Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Gesetze, die zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Danach soll sich das Parlament seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft nicht dadurch entäußern können, dass es einen Teil der Gesetzgebungsmacht der Exekutive überträgt, ohne die Grenzen dieser Kompetenzen bedacht und diese nach Tendenz und Programm so genau umrissen zu haben, dass der Bürger schon aus der gesetzlichen Ermächtigung erkennen und vorhersehen kann, was ihm gegenüber zulässig sein soll und welchen möglichen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können (vgl. BVerfGE 29, 198 <210>; 58, 257 <277>; 80, 1 <20>; 113, 167 <268 f.>).

55

b) Die Ermächtigungsnorm muss in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein; sie hat von Verfassungs wegen nur hinreichend bestimmt zu sein. Dazu genügt es, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Norm (stRspr; vgl. BVerfGE 8, 274 <307>; 80, 1 <20 f.>; 106, 1 <19>; 113, 167 <269>).

56

Welche Anforderungen an das Maß der erforderlichen Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind, lässt sich somit nicht allgemein festlegen. Zum einen kommt es auf die Intensität der Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen an. So muss die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird. Greift die Regelung erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen ein, sind höhere Anforderungen an den Grad der Bestimmtheit der Ermächtigung zu stellen, als wenn es sich um einen Regelungsbereich handelt, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert (vgl. BVerfGE 58, 257 <277 f.>; 80, 1 <20 f.>; 113, 167 <269>). Ob hinsichtlich der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten geringere Anforderungen an den Grad der Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm zu stellen sind als im Fall der Strafbewehrung, kann hier dahinstehen. Dafür spräche jedenfalls, dass die Beurteilung einer Handlung als ordnungswidrig nicht zugleich einen sozialethischen Vorwurf enthält, wie er das Wesen der Kriminalstrafe charakterisiert (vgl. BVerfGE 25, 269 <286>; 90, 145 <200 - abw. M.>; 95, 96 <140>; 96, 10 <25>; 96, 245 <249>; 109, 133 <167>; 109, 190 <217>; 120, 224 <240>; 123, 267 <408>; 133, 168 <198 Rn. 54>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvR 2735/14 -, juris, Rn. 58).

57

Zum anderen hängen die Anforderungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß der gesetzlichen Determinierung von der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ab, insbesondere davon, in welchem Umfang der zu regelnde Sachbereich einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist (vgl. BVerfGE 56, 1 <13>). Dies kann es auch nahe legen, von einer detaillierten gesetzlichen Regelung abzusehen und die nähere Ausgestaltung des zu regelnden Sachbereichs dem Verordnungsgeber zu überlassen, der die Regelungen rascher und einfacher auf dem neuesten Stand zu halten vermag als der Gesetzgeber (vgl. BVerfGE 101, 1 <35>). Ein Bedürfnis, staatliche Regelungen rasch und allgemeinverbindlich und damit gerade durch Rechtsverordnung zu erlassen, kann insbesondere auch aus der Pflicht zur Umsetzung, Durchführung und Ergänzung inter- oder supranationaler Vorgaben resultieren (vgl. dazu BVerfGE 19, 17 <28 ff.>).

58

c) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass zur näheren Bestimmung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung auch Rechtsakte außerhalb der eigentlichen Verordnungsermächtigung, insbesondere auch Rechtsakte anderer Normgeber, herangezogen werden können (vgl. BVerfGE 19, 17 <31>). So kann der Gesetzgeber in einer Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen auch auf Normen und Begriffe des Rechts der Europäischen Union verweisen.

59

Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers können sich aus den allgemeinen rechtsstaatlichen Anforderungen an den Einsatz von Verweisungen ergeben. Verweisungen sind als vielfach übliche und notwendige gesetzestechnische Methode anerkannt, sofern die Verweisungsnorm hinreichend klar erkennen lässt, welche Vorschriften im Einzelnen gelten sollen, und die in Bezug genommenen Vorschriften dem Normadressaten durch eine frühere ordnungsgemäße Veröffentlichung zugänglich sind (vgl. BVerfGE 47, 285 <311>). Auch dynamische Verweisungen sind nicht schlechthin ausgeschlossen, wenngleich ein besonders strenger Prüfungsmaßstab geboten ist. Bei fehlender Identität der Gesetzgeber bedeutet eine dynamische Verweisung mehr als eine bloße gesetzestechnische Vereinfachung; sie führt zur versteckten Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen und ist daher nur in dem Rahmen zulässig, den die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Bundesstaatlichkeit setzen; grundrechtliche Gesetzesvorbehalte können diesen Rahmen zusätzlich einengen (vgl. BVerfGE 47, 285 <312 ff.>; 78, 32 <36>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 17. Februar 2016 - 1 BvL 8/10 -, juris, Rn. 75).

60

2. Diesen Anforderungen an eine hinreichende gesetzliche Bestimmtheit von Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen wird § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG nicht gerecht.

61

a) Der Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG nicht erkennen lässt, welchem Bundesministerium die Verordnungsermächtigung gilt, da das zur Tatzeit geltende Rindfleischetikettierungsgesetz dazu keine nähere Festlegung enthielt. Nachdem § 2 Abs. 2 RiFlEtikettG in der Ursprungsfassung des Gesetzes vom 26. Februar 1998 (BGBl I S. 380) das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten durch den Klammerzusatz "(Bundesministerium)" als Ermächtigungsadressat bestimmt hatte, ist unter Zuhilfenahme der historischen Auslegung als anerkannter Auslegungsregel mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der Norm davon auszugehen, dass das genannte Bundesministerium unabhängig von seiner jeweiligen Bezeichnung weiterhin Adressat der Verordnungsermächtigung war. Das wird inzwischen auch durch die neu eingefügte Vorschrift des § 3a Abs. 3 RiFlEtikettG in der Fassung des Gesetzes vom 8. Juli 2015 (BGBl I S. 1165) bestätigt.

62

§ 10 Abs. 3 RiFlEtikettG erfüllt aber mangels hinreichender Bestimmtheit nicht die Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Inhalt möglicher Regelungen durch Rechtsverordnung ist danach die Bezeichnung von Tatbeständen, die als Straftat nach § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG zu ahnden sind, während § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG zu Zweck und Ausmaß der Ermächtigung nur festlegt, dass die Bezeichnung der Tatbestände der "Durchsetzung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft" dienen und - insofern als einzige Begrenzung - zu deren Durchsetzung "erforderlich" sein muss. Welchem konkreten Bestand an Normen in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft diese Tatbestände zu entnehmen sind, um jene Rechtsakte durchzusetzen, lässt § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG offen.

63

b) Auch in Verbindung mit § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG erfüllt § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG die Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht. § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG regelt einzig Art und Ausmaß der Strafe, indem er eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe für eine Zuwiderhandlung gegen eine unmittelbar geltende Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG androht, soweit der nationale Verordnungsgeber unter Rückverweis auf diese Strafvorschrift die Verletzung eines bestimmten Tatbestands mit Strafe bewehrt hat.

64

§ 10 Abs. 1 RiFlEtikettG fehlt es damit an einer gesetzgeberischen Entscheidung zu Inhalt und Programm der über § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG erteilten Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung, so dass weder erkennbar noch vorhersehbar ist, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz der Verordnungsgeber von dieser Ermächtigung und unbegrenzt an ihn delegierten Entscheidungsbefugnis Gebrauch machen wird und welchen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassene Verordnung haben kann. Bei § 10 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 RiFlEtikettG handelt es sich daher um eine unzulässige pauschale Blankoermächtigung zur Schaffung von Straftatbeständen bei Verstößen gegen gemeinschaftsrechtliche Regelungen zur Rindfleischetikettierung durch den Verordnungsgeber.

65

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch den gesetzesinternen Verweis des § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG auf Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG - mithin auf Rechtsakte über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie über die Verkehrsbezeichnung und Kennzeichnung von Fleisch von bis zu zwölf Monate alten Rindern. Zwar ist es grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig, dass eine Vorschrift wie § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG über § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG für die Bestimmung von Zweck und Ausmaß und damit auch für die nähere Eingrenzung des Inhalts der dem Verordnungsgeber erteilten Ermächtigung auf bestimmte gemeinschafts-, heute unionsrechtliche Regelungen verweist.

66

Vorliegend stellt die Blankettnorm des § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG dem Verordnungsgeber indes völlig frei, zu bestimmen, welche Verstöße gegen das in Bezug genommene Gemeinschaftsrecht als strafwürdig angesehen werden. Aus der pauschalen Umschreibung "Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie über die Verkehrsbezeichnung und Kennzeichnung von Fleisch von bis zu zwölf Monate alten Rindern" können die Normadressaten nicht mit der notwendigen Klarheit anhand des Gesetzes erkennen, welche Rechtsakte des Gemeinschaftsrechts konkret sanktioniert werden sollen. Dies genügt den Anforderungen des Art. 80 Abs. 2 Satz 1 GG an eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmte Ermächtigung des Verordnungsgebers nicht.

Tenor

I. § 2 Abs. 1 der Verordnung der Landeshauptstadt München über das Taxigewerbe (Taxiordnung) vom 25. Oktober 2016 (MüAbl S. 435) ist unwirksam.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Entscheidung ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und außerdem als angestellter Taxifahrer in München tätig. Er wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen § 2 Abs. 1 der Verordnung der Landeshauptstadt München über das Taxigewerbe (Taxiordnung) vom 25. Oktober 2016 (MüABl S. 435). Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

„Taxis dürfen unbeschadet privatrechtlicher Sonderregelungen nur an behördlich zugelassenen Stellen bereitgehalten werden (Zeichen 229, § 41 StVO -Standplätze und Nachrückplätze).“

§ 6 Nr. 1 der Taxiordnung bestimmt, dass nach § 61 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) mit Geldbuße belegt werden kann, wer vorsätzlich oder fahrlässig der Vorschrift des § 2 Abs. 1 über das Bereitstellen von Taxis zuwiderhandelt.

Der Antragsteller führt aus, die Antragsgegnerin habe gegen ihn wegen der Bereithaltung eines Taxis zur Fahrgastaufnahme außerhalb eines Standplatzes am 10. Juni 2017 einen Bußgeldbescheid erlassen. Für die Regelung der Standplatzpflicht in der angegriffenen Vorschrift, auf die sich der Bußgeldbescheid stütze, fehle ihr jedoch die Normerlasskompetenz. Der Bundesgesetzgeber habe mit § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG nicht nur die Tätigkeit des Taxiunternehmers beschreiben wollen, son dern dessen berufliches Aktionsfeld einschließlich der Standplatzpflicht klar festgelegt. Dies ergebe die Zusammenschau mit § 47 Abs. 1 Satz 2 PBefG (Zulässigkeit der Entgegennahme von Beförderungsaufträgen während einer Fahrt oder am Betriebssitz) und mit § 47 Abs. 2 PBefG (grundsätzliche Bereithaltung von Taxen nur in der Betriebssitzgemeinde). Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck sprächen dafür, dass der Bundesgesetzgeber damit eine abschließende Regelung über das Bereithalten von Taxis getroffen habe. Die Antragsgegnerin regle mit der angegriffenen Vorschrift keine Einzelheiten des Dienstbetriebs im Sinne der Ermächtigungsgrundlage des § 47 Abs. 3 PBefG. Außerdem sei die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs bereits abschließend und unter Ausschluss von Länderkompetenz durch die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) geschützt. Die angegriffene Vorschrift sei auch mit der in § 22 PBefG geregelten Beförderungspflicht nicht vereinbar. Im Übrigen sei § 2 Abs. 1 der Taxiordnung nicht hinreichend bestimmt. Die Pflicht des Fahrers, während der Fahrt auf Beförderungswünsche zu reagieren und diese auszuführen, lasse sich nicht von der Erfüllung des Tatbestands der Bußgeldnorm abgrenzen.

Der Antragsteller beantragt,

§ 2 Abs. 1 der Verordnung der Landeshauptstadt München über das Taxigewerbe (Taxiordnung) vom 25. Oktober 2016 (MüABl S. 435) wird für unwirksam erklärt.

Die Antragsgegnerin tritt dem Antrag entgegen und beantragt,

den Antrag abzulehnen.

§ 47 Abs. 3 PBefG ermächtige zur Regelung von Einzelheiten des Dienstbetriebs. Darunter falle auch die Anforderung, dass Taxis nur an behördlich zugelassenen Stellen bereitgehalten werden dürfen. § 47 Abs. 1 PBefG enthalte lediglich eine Definition des Taxenverkehrs. Mit der in § 2 Abs. 1 der Taxiordnung getroffenen Regelung sei bei Verstößen eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit möglich. Die Vorschrift solle den ordnungsgemäßen Verkehrsablauf sichern und sei gleichzeitig ein Ordnungsfaktor für das örtliche Taxengewerbe. Sie diene der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie dem geregelten Auffinden fahrbereiter Taxis an den dafür vorgesehenen Stellen. Daher sei sie durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls ge rechtfertigt und verhältnismäßig und auch mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit vereinbar.

Mit Schreiben vom 11. Juni 2018 hat die Antragsgegnerin auf gerichtliche Anfrage ihre Vorgehensweise bei der Ausweisung behördlich zugelassener Stellen i.S.v. § 47 Abs. 1 PBefG erläutert. Über die Einrichtung, Änderung oder Aufhebung von Taxistandplätzen entscheide der örtlich zuständige Bezirksausschuss auf Vorschlag der Straßenverkehrsbehörde. Auf öffentlichem Grund würden Taxistandplätze nach verkehrsrechtlicher Anordnung mit dem Verkehrszeichen 229 StVO gekennzeichnet; auf Privatgrund (z.B. Hotelgrundstücken, Einkaufszentren, Bahnhöfen und Flächen des Messegeländes) stelle der Grundstückseigentümer dieses Verkehrszeichen auf. Eine weitere Form der behördlichen Zulassung für lediglich temporär begrenzten Taxibedarf, über die die Straßenverkehrsbehörde entscheide, seien „nicht beschilderte Bedarfsstandplätze“, die im Amtsblatt bekannt gegeben, aber im Straßenraum nicht gekennzeichnet würden. Hierfür würden jedem Taxifahrer nach § 2 Abs. 2 der Taxiordnung und § 46 Abs. 1 Nrn. 3 und 11 StVO Ausnahmen für konkret genannte Örtlichkeiten (z.B. Theatern oder Diskotheken) zu bestimmten Tageszeiten genehmigt.

Ergänzend wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2018.

Gründe

Der zulässige Antrag ist begründet. Für eine Regelung in einer Rechtsverordnung, wonach Taxis nur an behördlich zugelassenen Stellen bereitgehalten werden dürfen, enthält das Personenbeförderungsgesetz keine Ermächtigungsgrundlage. § 2 Abs. 1 der Verordnung der Landeshauptstadt München über das Taxigewerbe (Taxiordnung) vom 25. Oktober 2016 (MüAbl S. 435) ist daher unwirksam.

1. Der Antrag ist zulässig.

a) Nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) entscheidet der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von Rechtsvorschriften, die im Rang unter dem Landesgesetz stehen.

§ 47 Abs. 3 Satz 1 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) vom 8. August 1990 (BGBl I S. 1690), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juli 2017 (BGBl I S. 2808), ermächtigt die Landesregierung, durch Rechtsverordnung den Umfang der Betriebspflicht, die Ordnung auf Taxenständen sowie Einzelheiten des Dienstbetriebs zu regeln. Sie kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung übertragen (§ 47 Abs. 3 Satz 2 PBefG). Von dieser Möglichkeit hat die Staatsregierung in § 10 Nr. 1 der Verordnung über die Zuständigkeit zum Erlass von Rechtsverordnungen (Delegationsverordnung - DelV) vom 28. Januar 2014 (GVBl S. 22), zuletzt geändert durch Verordnung vom 20. Februar 2018 (GVBl S. 54), Gebrauch gemacht und die Ermächtigungen nach § 47 Abs. 3 Sätze 1 und 3, § 51 Abs. 1 Sätze 1 und 2 PBefG auf die Kreisverwaltungsbehörden, jeweils für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich, übertragen. Die Gültigkeit der von der Antragsgegnerin als Kreisverwaltungsbehörde (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern - GO) erlassenen und vom Antragsteller angegriffenen Regelung unterliegt daher der gerichtlichen Überprüfung im Rahmen des Normenkontrollverfahrens.

b) Der Antragsteller hat seinen Antrag vom 30. August 2017 nicht nur in elektronischer Form, sondern zusätzlich in Papierform und unterschrieben eingereicht. Dies genügt dem im Normenkontrollverfahren entsprechend geltenden (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 47 Rn. 66) Schriftformerfordernis des § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Ob der als elektronisches Dokument eingereichte Antrag die Voraussetzungen des § 55a VwGO erfüllt, kann somit dahinstehen.

c) Der Antragsteller hat den Antrag, § 2 Abs. 1 der Taxiordnung der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären, innerhalb eines Jahres nach deren Bekanntmachung und damit rechtzeitig gestellt.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist der Antrag auf Entscheidung über die Gültigkeit innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift zu stellen. Die Antragsgegnerin hat die Taxiordnung vom 25. Oktober 2016 aufgrund eines Stadtratsbeschlusses vom 19. Oktober 2016 unter Aufhebung der Vorgängerregelung vom 4. Januar 2016 - wenn auch inhaltlich weitgehend unverändert - insgesamt neu erlassen (vgl. § 7 Abs. 2 der Taxiordnung). Die Neuregelung ist am Tag nach der Bekanntmachung am 10. November 2016 im Amtsblatt der Antragsgegnerin in Kraft getreten (vgl. § 7 Abs. 1 der Taxiordnung). Auch wenn die Vorläuferfassung des § 2 Abs. 1 der Taxiordnung gleichlautend war, handelt es sich bei der angegriffenen Vorschrift nicht um eine bloße Neubekanntmachung einer bereits geltenden Bestimmung. Vielmehr hat die Antragsgegnerin die frühere Regelung mit konstitutiver Wirkung ersetzt und hierdurch die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO neu ausgelöst (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2012 - 6 CN 1.11 - BVerwGE 144, 195 Rn. 11).

d) Der Antragsteller kann geltend machen, durch § 2 Abs. 1 der Taxiordnung oder dessen Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Er hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Entscheidung.

Der Antragsteller ist bei einem Münchener Taxiunternehmen als Taxifahrer angestellt. Gestützt auf § 2 Abs. 1 i.V.m. § 6 Nr. 1 der Taxiordnung hat die Antragsgegnerin gegen ihn wegen eines Verstoßes gegen die Standplatzpflicht mit Bußgeldbescheid vom 28. Juli 2017 eine Geldbuße festgesetzt. Über den hiergegen eingelegten Einspruch hat das Amtsgericht München noch nicht entschieden.

Zwar ergibt sich die Möglichkeit der Ahndung als Ordnungswidrigkeit nicht allein aus der angegriffenen Vorschrift des § 2 Abs. 1 der Taxiordnung, sondern erst aus § 6 Nr. 1 der Taxiordnung. Diese vom Antragsteller nicht ausdrücklich angegriffene und nach Ablauf der Jahresfrist auch nicht mehr angreifbare Regelung sieht vor, dass nach § 61 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 PBefG mit Geldbuße belegt werden kann, wer vorsätzlich oder fahrlässig der Vorschrift des § 2 Abs. 1 der Taxiordnung über das Bereitstellen von Taxis zuwiderhandelt. Ist jedoch § 2 Abs. 1 der Taxiordnung - wie vom Antragsteller beantragt - unwirksam, kann die Antragsgegnerin gegen ihn wegen eines Verstoßes gegen diese Vorschrift gemäß § 6 Nr. 1 der Taxiordnung kein Bußgeld mehr verhängen. Durch die begehrte Entscheidung würde sich somit die Rechtsstellung des Antragstellers auch ohne ausdrückliche Feststellung der Unwirksamkeit von § 6 Nr. 1 der Taxiordnung verbessern.

2. Der Antrag ist begründet.

Für die vom Antragsteller angegriffene Regelung ergibt sich aus dem Personenbeförderungsgesetz keine Ermächtigungsgrundlage.

24 a) § 2 Abs. 1 der Taxiordnung bestimmt, dass Taxis innerhalb der Landeshauptstadt München (vgl. § 1 der Taxiordnung) unbeschadet privatrechtlicher Sonderregelungen nur an behördlich zugelassenen Stellen (Zeichen 229, § 41 StVO - Standplätze und Nachrückplätze) bereitgehalten werden dürfen. Auch wenn die daran anknüpfende Bußgeldregelung des § 6 Nr. 1 der Taxiordnung bei Verstößen gegen die Standplatzpflicht nicht Streitgegenstand ist, stehen beide Vorschriften zueinander in so engem Zusammenhang, dass die von der Antragsgegnerin vorgesehene Möglichkeit, Verstöße mit einem Bußgeld zu ahnden, bei der Prüfung der Gültigkeit von § 2 Abs. 1 der Taxiordnung nicht ausgeblendet werden kann.

b) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder - wie in § 47 Abs. 3 Satz 1 PBefG geschehen - die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen (Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG). Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG).

Die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen im Gesetz zu bestimmen, soll gewährleisten, dass der Bürger schon aus der gesetzlichen Ermächtigung erkennen und vorhersehen kann, was ihm gegenüber zulässig sein soll und welchen möglichen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können. Zwar muss die Ermächtigungsnorm in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein und muss nur hinreichend bestimmt sein. Dazu genügt es, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Norm. Welche Anforderungen an das Maß der erforderlichen Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind, lässt sich nicht allgemein festlegen. Das notwendige Ausmaß der Bestimmtheit richtet sich insbesondere nach der Intensität der Auswirkungen und der Grundrechtsrelevanz der Regelung für die Betroffenen. Greift die Regelung erheblich in dessen Rechtsstellung ein, sind höhere Anforderungen an den Grad der Bestimmtheit der Ermächtigung zu stellen, als wenn es sich um einen Regelungsbereich handelt, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert (BVerfG, B.v. 21.9.2016 - 2 BvL 1/15 - BVerfGE 143, 38 Rn. 54 ff.).

Sieht die Rechtsverordnung die Möglichkeit der Ahndung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit vor, muss demnach nicht nur die Bußgeldvorschrift (Art. 103 Abs. 2 26 GG, § 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten - OWiG), sondern auch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, auf der die erlassene Vorschrift beruht, hinreichend bestimmt sein (vgl. BVerfG, B.v. 14.11.1989 - 1 BvL 14/85, 1 BvR 11 BvR 1276/84 -BVerfGE 81, 70 = juris Rn. 75; B.v. 29.11.1989 - 2 BvR 1491/87, 2 BvR 1492/87 -BVerfGE 81, 132/135; B.v. 1.12.1992 - 1 BvR 88/91, 1 BvR 576/91 - BVerfGE 87, 399/411 und B.v. 17.11.2009 - 1 BvR 2717/08 - NJW 2010, 754).

c) Diesen Anforderungen genügt die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 47 Abs. 3 PBefG nicht. § 2 Abs. 1 der Taxiordnung der Antragsgegnerin ist daher unwirksam.

aa) § 47 Abs. 3 PBefG enthält keine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für eine Regelung durch Rechtsverordnung, wonach Taxis nur an behördlich zugelassenen Stellen bereitgehalten werden dürfen. Die sogenannte Standplatzpflicht ist bundesrechtlich abschließend geregelt. Dem in § 47 Abs. 3 PBefG ermächtigten Verordnungsgeber verbleibt insoweit kein Regelungsspielraum.

§ 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG definiert den Verkehr mit Taxen als Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die der Unternehmer an behördlich zugelassenen Stellen bereithält und mit denen er Fahrten zu einem vom Fahrgast bestimmten Ziel ausführt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 2 PBefG kann der Unternehmer Beförderungsaufträge auch während einer Fahrt oder am Betriebssitz entgegennehmen.

§ 47 Abs. 3 Sätze 1 und 2 PBefG ermächtigen die Landesregierung oder die Stellen, auf die die Landesregierung die Ermächtigung überträgt (in Bayern die Kreisverwaltungsbehörden, § 10 Nr. 1 DelV), durch Rechtsverordnung den Umfang der Betriebspflicht, die Ordnung auf Taxenständen sowie Einzelheiten des Dienstbetriebs zu regeln. In der Rechtsverordnung können nach § 47 Abs. 3 Satz 3 PBefG insbesondere Regelungen getroffen werden über das Bereithalten von Taxen in Sonderfällen einschließlich eines Bereitschaftsdienstes, die Annahme und Ausführung von fernmündlichen Fahraufträgen, den Fahr- und Funkbetrieb, die Behindertenbeförderung und die Krankenbeförderung, soweit es sich nicht um Beförderungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 PBefG handelt.

Bei der Regelung der Standplatzpflicht in § 2 Abs. 1 der Taxiordnung kann sich die Antragsgegnerin nicht auf die Ermächtigungsgrundlage in § 47 Abs. 3 Satz 1 PBefG zur Regelung von Einzelheiten des Dienstbetriebs stützen. § 47 Abs. 3 Satz 1 PBefG legt den Inhalt der Rechtsverordnung abschließend und beschränkt auf die ausdrücklich benannten Regelungsgegenstände des Umfangs der Betriebspflicht, der Ordnung auf Taxenständen und der Einzelheiten des Dienstbetriebs fest (vgl. Fielitz/Grätz, Personenbeförderungsgesetz, Stand Mai 2018, § 47 Rn. 54 ff.; OLG Düsseldorf, B.v. 18.10.2005 - IV-5 Ss (OWi) 146/05 - NStZ-RR 2006, 351 = juris Rn. 5). § 47 Abs. 3 Satz 3 PBefG zählt hierzu Beispiele auf, die Gegenstand der Regelung sein können. Die Standplatzpflicht für Taxis als solche fällt nicht unter die in § 47 Abs. 3 Satz 1 PBefG genannten Regelungsgegenstände. Sie ergibt sich bereits aus § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG und kann daher nicht nochmals inhaltsgleich in einer Rechtsverordnung geregelt werden.

Zwar weist die Antragsgegnerin zu Recht darauf hin, dass § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG in erster Linie eine Legaldefinition des Verkehrs mit Taxen ist. Diese Definition enthält aber zugleich - wenn auch weniger klar als die bis 1983 geltende Regelung des Personenbeförderungsgesetzes - die bundesgesetzliche Vorgabe, dass der Unternehmer das Fahrzeug zur Beförderung von Personen nur an behördlich zugelassenen Stellen bereithalten darf (ebenso Bidinger, Personenbeförderungsrecht, Stand Dezember 2017, § 47 PBefG Rn. 2, 103, 229, 241 ff.; Scheidler, DAR 2009, 125/129, a.A. Wüstenberg, DAR 2017, 251 ff., ders., NZV 2017, 556 ff.). Dies ergibt sich vor allem aus der Entstehungsgeschichte des § 47 PBefG, der in der gegenwärtigen Fassung, abgesehen von für dieses Verfahren nicht relevanten geringfügigen Änderungen, seit Erlass des Fünften Gesetzes zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes vom 25. Februar 1983 (BGBl I S. 196) unverändert gilt. Die Vorgängerfassung im Personenbeförderungsgesetz vom 21. März 1961 (BGBl I S. 241) definierte den Verkehr mit Kraftdroschken (Taxen) in § 47 Abs. 1 PBefG a.F. als Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die der Unternehmer auf öffentlichen Straßen oder Plätzen bereitstellt und mit denen er Fahrten zu einem vom Fahrgast bestimmten Ziel ausführt. Sie enthielt somit keine Standplatzpflicht. Vielmehr war diese in § 47 Abs. 3 Satz 1 PBefG a.F. festgelegt, wonach Kraftdroschken auf öffentlichen Straßen oder Plätzen nur in der Gemeinde bereitgestellt werden dürfen, in der sich der Betriebssitz des Unternehmers befindet, und nur an den behördlich zugelassenen Stellen. § 47 Abs. 3 Satz 2 PBefG a.F. enthielt schließlich die Ermächtigung, das Nähere durch Droschkenordnungen, die nach Landesrecht erlassen werden, zu bestimmen.

§ 47 Abs. 3 Satz 1 PBefG a.F. enthielt somit ein ausdrückliches Verbot, Taxen an Orten außerhalb behördlich zugelassener Stellen auf öffentlichen Straßen oder Plätzen bereitzustellen (hierzu BVerwG, U.v. 12.9.1980 - 7 C 92.78 - BVerwGE 61, 9/10). Mit der Neufassung des § 47 PBefG vom 25. Februar 1983 (BGBl I S. 196) wollte der Gesetzgeber vor allem den früheren Begriff des „Bereitstellens“ in § 47 Abs. 1 durch den weiteren Begriff des „Bereithaltens“ ersetzen und auch die Annahme von Beförderungsaufträgen während der Fahrt oder am Betriebssitz ermöglichen (BT-Drs. 9/2128, S. 8; vgl. auch Wüstenberg, NZV 2017, 556). Dafür, dass der Gesetzgeber von der bis dahin ausdrücklich in § 47 Abs. 3 Satz 1 PBefG a.F. festgelegten Standplatzpflicht hätte abrücken wollen, ergeben sich aus der Entstehungsgeschichte der Neufassung, insbesondere aus der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 9/2128), keine Anhaltspunkte. Dementsprechend geht die Rechtsprechung überwiegend davon aus, dass die Standplatzpflicht als Verbot des Bereithaltens von Taxen außerhalb behördlich zugelassener Stellen nunmehr in § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG verankert ist (vgl. BVerfG, B.v. 14.11.1989 - 1 BvL 14/85, 1 BvR 11 BvR 1276/84 -BVerfGE 81, 70 = juris Rn. 70 und 74; BGH, U.v. 6.4.2017 - I ZR 33/16 - NJW 2017, 3790 Rn. 10 f.). Dies ergibt sich im Umkehrschluss auch aus § 47 Abs. 1 Satz 2 PBefG, wonach der Unternehmer Beförderungsaufträge auch während einer Fahrt oder am Betriebssitz - und damit ansonsten nur an behördlich zugelassenen Stellen - entgegennehmen kann. Die Regelung des § 47 Abs. 2 Satz 3 PBefG, wonach die Genehmigungsbehörde das Bereithalten an behördlich zugelassenen Stellen außerhalb der Betriebssitzgemeinde gestatten und einen größeren Bezirk festsetzen kann, spricht ebenfalls dafür, dass der Bundesgesetzgeber von einer grundsätzlichen Standplatzpflicht und dem Verbot des Bereithaltens von Taxis zur Aufnahme von Fahrgästen außerhalb solcher zugelassenen Stellen ausgegangen ist.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin findet die von ihr in § 2 Abs. 1 der Taxiordnung getroffene Regelung, wonach Taxis nur an behördlich zugelassenen Stellen bereitgehalten werden dürfen, in der Ermächtigung des § 47 Abs. 3 Satz 1 PBefG, durch Rechtsverordnung Einzelheiten des Dienstbetriebs zu regeln, keine ausreichende Grundlage. Enthielt die frühere Fassung in § 47 Abs. 3 Satz 2 PBefG a.F. noch die auf den davorstehenden Satz 1 bezogene, nicht genauer umschriebene Ermächtigung, „das Nähere“ durch landesrechtliche Rechtsverordnung zu bestimmen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 30.4.2008 - 3 C 16.07 - BVerwGE 131, 147 Rn. 18), grenzen § 47 Abs. 3 Sätze 1 und 3 PBefG den Inhalt der Regelung nunmehr genauer ein. Der Gesetzesbegründung zufolge sollten hierdurch entstandene Zweifel 35 hinsichtlich der Reichweite der bisherigen Ermächtigungsgrundlage beseitigt und aus Gründen der Rechtsklarheit die Ermächtigung in der neuen Fassung des Absatzes 3 entsprechend den Erfordernissen der Praxis konkretisiert werden. Eine Ermächtigung, die bereits bundesrechtlich geltende Standplatzpflicht als solche in der Rechtsverordnung nochmals zu wiederholen, ergibt sich daraus jedoch nicht (vgl. auch Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, 4. Auflage 2013, § 47 PBefG Rn. 7). Insbesondere kann eine solche Bestimmung nicht als Regelung von Einzelheiten des Dienstbetriebs angesehen werden. Vielmehr betreffen „Einzelheiten des Dienstbetriebs“, die nach § 47 Abs. 3 Satz 1 PBefG durch Rechtsverordnung geregelt werden können, das Vorgehen des Unternehmers bzw. Fahrers bei der Ausübung des Dienstes und die Art und Weise, wie der Unternehmer die ihm obliegende Aufgabe der individuellen öffentlichen Verkehrsbedienung wahrnimmt (BVerwG, B.v. 8.7.1988 - 7 B 83.88 - NZV 1988, 198; BayObLG, B.v. 18.5.1987 -3 Ob OWi 66/87 - DÖV 1987, 873). Bei der Standplatzpflicht handelt es sich nicht um eine Einzelheit in diesem Sinne, sondern um eine bereits in § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG festgelegte grundlegende Verpflichtung, die keiner nochmaligen inhaltsgleichen Regelung durch landesrechtliche Rechtsverordnung bedarf.

Wie behördlich zugelassene Stellen konkret festgelegt werden, ist im Personenbeförderungsgesetz nicht näher geregelt (vgl. dazu Bidinger, Personenbeförderungsrecht, § 47 PBefG Rn. 196 ff.). Die Antragsgegnerin legt Taxenstände auf öffentlichem Grund grundsätzlich auf der Basis einer verkehrsrechtlichen Anordnung durch Vorschriftzeichen 229 nach Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO fest, sieht aber in § 2 Abs. 2 der Taxiordnung auch die Möglichkeit vor, „nicht beschilderte Bedarfsstandplätze“ an zusätzlichen Stellen zu bestimmten Zeiten festzulegen und im Amtsblatt bekannt zu machen. Ob Letzteres mit § 45 Abs. 4 StVO in Einklang steht, wonach die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr grundsätzlich nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken dürfen (vgl. dazu auch BVerwG, U.v. 13.3.2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 ff.; U.v. 27.2.2018 - 7 C 26.16 -juris Rn. 58 und 7 C 30.17 - juris Rn. 59), oder ob nicht auch insoweit eine Regelung durch Vorschriftzeichen 229 in Verbindung mit einem auf die zeitliche Beschränkung hinweisenden Zusatzzeichen gemäß § 39 Abs. 3, § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO geboten ist, kann dahinstehen (vgl. auch die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu den Verkehrszeichen, die bestimmen, dass das Zeichen 229 [nur] angeordnet werden darf, wo zumindest während bestimmter Tageszeiten regelmäßig betriebsbereite Taxen vorgehalten werden). § 47 Abs. 3 Satz 1 PBefG ermächtigt jedenfalls nicht dazu, behördlich zugelassene Stellen durch Rechtsverordnung festzulegen (ebenso Bidinger, Personenbeförderungsrecht, § 47 PBefG Rn. 209).

Damit lässt sich dem Personenbeförderungsgesetz keine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für die von der Antragsgegnerin in § 2 Abs. 1 der Taxiordnung getroffene Regelung entnehmen.

bb) Es kommt hinzu, dass die Antragsgegnerin die angegriffene Regelung des § 2 Abs. 1 der Taxiordnung mit einem Bußgeldtatbestand in § 6 Nr. 1 der Taxiordnung verknüpft hat, um die Standplatzpflicht besser durchsetzen zu können. Auch hierfür fehlt ihr eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage (ebenso Bidinger, Personenbeförderungsrecht, § 47 PBefG Rn. 244, 339; a.A. Fielitz/Grätz, Personenbeförderungsgesetz, § 47 Rn. 27). Aus § 47 Abs. 3 und § 61 Abs. 1 Nr. 4 PBefG ergibt sich keine hinreichend bestimmte, den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügende Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer bußgeldbewehrten Regelung der Standplatzpflicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht offen gelassen, ob hinsichtlich der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten geringere Anforderungen an den Grad der Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm zu stellen sind als im Fall der Strafbewehrung (BVerfG, B.v. 21.9.2016 - 2 BvL 1/15 - BVerfGE 143, 38 Rn. 56). Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten gesetzlichen Ermächtigung müssen aber zumindest hinreichend klar ergeben, dass der Verordnungsgeber überhaupt zum Erlass eines Bußgeldtatbestands berechtigt sein soll. Das ist für Verstöße gegen die Standplatzpflicht nicht der Fall.

Gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 4 PBefG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Rechtsvorschrift zuwiderhandelt, die auf Grund des Personenbeförderungsgesetzes oder auf Grund von Rechtsvorschriften, die auf dem Personenbeförderungsgesetz beruhen, erlassen worden ist, soweit die Rechtsvorschrift - wie § 6 der Taxiordnung - ausdrücklich auf diese Vorschrift verweist. Verstöße gegen eine gemäß § 47 Abs. 3 PBefG erlassene Rechtsverordnung können allerdings nur dann mit einem Bußgeld geahndet werden, wenn sich die Regelung, auf die sich der Bußgeldtatbestand bezieht, ihrerseits auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann. Das ist jedoch, wie bereits ausgeführt, hinsichtlich der in § 2 Abs. 1 der Taxiordnung geregelten Standplatzpflicht nicht der Fall.

Gegen eine Ermächtigung, für Verstöße gegen die Standplatzpflicht in einer Rechtsverordnung nach § 47 Abs. 3 PBefG einen Bußgeldtatbestand zu schaffen, spricht auch die Regelungssystematik des § 61 Abs. 1 PBefG. Verstöße gegen die Standplatzpflicht sind im Personenbeförderungsgesetz keinen Sanktionen unterworfen und insbesondere nicht bußgeldbewehrt. § 61 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e PBefG sieht für den Verkehr mit Taxen bei Zuwiderhandlungen gegen § 47 Abs. 2 Satz 1 PBefG (Bereithaltung nur in der Gemeinde des Betriebssitzes des Unternehmens) oder gegen § 47 Abs. 5 PBefG (Verbot der Vermietung an Selbstfahrer) einen Bußgeldtatbestand vor, nicht jedoch für Zuwiderhandlungen gegen die in § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG verankerte Standplatzpflicht. Insoweit ist die Vorschrift des § 61 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e PBefG für unmittelbar geltende Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes über den Verkehr mit Taxen abschließend und steht dem Erlass eines Bußgeldtatbestands in einer Rechtsverordnung für Verletzungen der bereits kraft Bundesgesetzes bestehenden Standplatzpflicht entgegen. Aus § 47 Abs. 3 i.V.m. § 61 PBefG ergibt sich jedenfalls keine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmte und damit den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügende Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Bußgeldregelung bei Verstößen gegen die Standplatzpflicht durch die Landesregierung oder die von dieser ermächtigte Stelle.

Zwar dient die Standplatzpflicht ebenso wie das Freihalten der Taxenstände von unberechtigt haltenden und parkenden Fahrzeugen der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs und dem reibungslosen Funktionieren des Taxenverkehrs (vgl. BVerwG, U.v. 9.4.2014 - 3 C 5.13 - ZfSch 2014, 474 Rn. 19; BGH, U.v. 6.4.2017 - I ZR 33/16 - NJW 2017, 3790 Rn. 11). Auch wenn die Standplatzpflicht ohne die Möglichkeit der Ahndung von Verstößen mit einer Geldbuße schwer durchsetzbar ist, sind jedoch die in § 47 Abs. 3 PBefG genannten Stellen ohne eine insoweit hinreichend bestimmte gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines Bußgeldtatbestands in einer Rechtsverordnung nicht berechtigt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

4. Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin Ziffer I. der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre.

5. Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Frage, ob das Personenbeförderungsgesetz eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für eine Regelung in einer Rechtsverordnung enthält, wonach Taxis nur an behördlich zugelassenen Stellen bereitgehalten werden dürfen, hat aufgrund der offenbar weit verbreiteten Regelungspraxis (vgl. Fielitz/Grätz, Personenbeförderungsgesetz, § 47 Rn. 27 und 60) fallübergreifende Bedeutung.

(1) Die Integration von rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Bundesrepublik Deutschland wird gefördert und gefordert.

(2) Eingliederungsbemühungen von Ausländern werden durch ein Grundangebot zur Integration (Integrationskurs) unterstützt. Ziel des Integrationskurses ist, den Ausländern die Sprache, die Rechtsordnung, die Kultur und die Geschichte in Deutschland erfolgreich zu vermitteln. Ausländer sollen dadurch mit den Lebensverhältnissen im Bundesgebiet so weit vertraut werden, dass sie ohne die Hilfe oder Vermittlung Dritter in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens selbständig handeln können.

(3) Der Integrationskurs umfasst einen Basis- und einen Aufbausprachkurs von jeweils gleicher Dauer zur Erlangung ausreichender Sprachkenntnisse sowie einen Orientierungskurs zur Vermittlung von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland. Der Integrationskurs wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge koordiniert und durchgeführt, das sich hierzu privater oder öffentlicher Träger bedienen kann. Für die Teilnahme am Integrationskurs sollen Kosten in angemessenem Umfang unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit erhoben werden. Zur Zahlung ist auch derjenige verpflichtet, der dem Ausländer zur Gewährung des Lebensunterhalts verpflichtet ist.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nähere Einzelheiten des Integrationskurses, insbesondere die Grundstruktur, die Dauer, die Lerninhalte und die Durchführung der Kurse, die Vorgaben bezüglich der Auswahl und Zulassung der Kursträger sowie die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen für die ordnungsgemäße und erfolgreiche Teilnahme und ihre Bescheinigung einschließlich der Kostentragung, sowie die Datenverarbeitung nach § 88a Absatz 1 und 1a durch eine Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu regeln. Hiervon ausgenommen sind die Prüfungs- und Nachweismodalitäten der Abschlusstests zu den Integrationskursen, die das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates regelt.

(5) (weggefallen)

(1) Lehrkräfte, die im Integrationskurs unterrichten, müssen über eine Zulassung des Bundesamtes verfügen. Die Erteilung einer Zulassung bedarf eines Antrags beim Bundesamt. Das Bundesamt erteilt auf Antrag eine Zulassung zur Lehrtätigkeit in Integrationskursen, wenn folgende Voraussetzungen nachgewiesen werden:

1.
erfolgreich abgeschlossenes Studium Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache oder eine vom Bundesamt anerkannte gleichwertige fachliche Qualifikation,
2.
Deutschkenntnisse mindestens auf dem Sprachniveau C1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen,
3.
eine für die Vermittlung der Ziele nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 ausreichende fachliche Qualifikation und
4.
persönliche Eignung für die Vermittlung der Ziele nach § 3 Absatz 1.
Dem Antrag ist zur Berücksichtigung im Rahmen der Prüfung der persönlichen Eignung nach Satz 3 Nummer 4 ein Bekenntnis des Antragstellenden zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland beizufügen.

(2) Lehrkräfte, die in Alphabetisierungskursen unterrichten, müssen über eine ergänzende Zulassung des Bundesamtes verfügen. Die Erteilung einer Zulassung bedarf eines Antrags beim Bundesamt. Die Zulassung für die Unterrichtung von Alphabetisierungskursen wird vom Bundesamt erteilt, wenn eine ausreichende fachliche Qualifikation und Eignung nachgewiesen wird.

(3) Das Bundesamt kann die methodisch-didaktische Fortbildung von Lehrkräften fördern. Um Zusatzqualifizierungen des Bundesamtes anbieten zu dürfen, muss die jeweilige Einrichtung über eine Zulassung des Bundesamtes verfügen.

(4) Prüfer, die Prüfungen gemäß § 17 Absatz 1 Nummer 1 abnehmen, müssen Kenntnisse zur Bewertung von Sprachkompetenzen und Unterrichtserfahrung mit der Zielgruppe nachweisen. Es wird vermutet, dass ein Prüfer über diese Qualifikationen verfügt, wenn er im Besitz einer gültigen Prüferlizenz „Deutsch-Test für Zuwanderer“ des vom Bundesamt nach § 17 Absatz 1 Satz 5 beauftragten Testinstituts ist. Voraussetzung für den Einsatz als Prüfer ist die Zulassung als Lehrkraft nach Absatz 1.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Lehrkräfte, die im Integrationskurs unterrichten, müssen über eine Zulassung des Bundesamtes verfügen. Die Erteilung einer Zulassung bedarf eines Antrags beim Bundesamt. Das Bundesamt erteilt auf Antrag eine Zulassung zur Lehrtätigkeit in Integrationskursen, wenn folgende Voraussetzungen nachgewiesen werden:

1.
erfolgreich abgeschlossenes Studium Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache oder eine vom Bundesamt anerkannte gleichwertige fachliche Qualifikation,
2.
Deutschkenntnisse mindestens auf dem Sprachniveau C1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen,
3.
eine für die Vermittlung der Ziele nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 ausreichende fachliche Qualifikation und
4.
persönliche Eignung für die Vermittlung der Ziele nach § 3 Absatz 1.
Dem Antrag ist zur Berücksichtigung im Rahmen der Prüfung der persönlichen Eignung nach Satz 3 Nummer 4 ein Bekenntnis des Antragstellenden zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland beizufügen.

(2) Lehrkräfte, die in Alphabetisierungskursen unterrichten, müssen über eine ergänzende Zulassung des Bundesamtes verfügen. Die Erteilung einer Zulassung bedarf eines Antrags beim Bundesamt. Die Zulassung für die Unterrichtung von Alphabetisierungskursen wird vom Bundesamt erteilt, wenn eine ausreichende fachliche Qualifikation und Eignung nachgewiesen wird.

(3) Das Bundesamt kann die methodisch-didaktische Fortbildung von Lehrkräften fördern. Um Zusatzqualifizierungen des Bundesamtes anbieten zu dürfen, muss die jeweilige Einrichtung über eine Zulassung des Bundesamtes verfügen.

(4) Prüfer, die Prüfungen gemäß § 17 Absatz 1 Nummer 1 abnehmen, müssen Kenntnisse zur Bewertung von Sprachkompetenzen und Unterrichtserfahrung mit der Zielgruppe nachweisen. Es wird vermutet, dass ein Prüfer über diese Qualifikationen verfügt, wenn er im Besitz einer gültigen Prüferlizenz „Deutsch-Test für Zuwanderer“ des vom Bundesamt nach § 17 Absatz 1 Satz 5 beauftragten Testinstituts ist. Voraussetzung für den Einsatz als Prüfer ist die Zulassung als Lehrkraft nach Absatz 1.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.