Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 14. Feb. 2018 - 15 CS 17.2549

bei uns veröffentlicht am14.02.2018

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 6. Dezember 2017 wird in Ziffer I. und II. abgeändert.

Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragsteller tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen eine der Beigeladenen mit Datum vom 19. September 2017 erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines zweigeschossigen Wohnhauses mit ausgebautem Dachgeschoss unmittelbar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze. Sie haben gegen den ihnen am 26. September 2017 zugestellten Bescheid am 12. Oktober 2017 Klage erhoben (Au 5 K 17.1558). Ihrem am 25. Oktober 2017 gestellten Eilantrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 6. Dezember 2017 stattgegeben. Gegen die ihr am 11. Dezember 2017 zugestellte erstinstanzliche Entscheidung hat die Beigeladene am 20. Dezember 2017 Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 10. Januar 2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag begründet. Am 5. Februar 2018 hat die Landesanwaltschaft Bayern für den Beklagten eine Stellungnahme des Landratsamts Augsburg vom 30. Januar 2018 vorgelegt; ein Antrag wird seitens des Antragsgegners im Rechtsmittelverfahren nicht gestellt, der Antragsgegner ist allerdings der Ansicht, dass das Rechtsmittel begründet ist. Die Antragsteller haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Antrag der Nachbarn, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Baugenehmigung des Antragsgegners vom 19. September 2017 anzuordnen, ist unbegründet. Das Rechtsmittel in der Hauptsache ist voraussichtlich erfolglos, weil die Baugenehmigung keine subjektiv-öffentlichen Rechte der Antragsteller verletzt, die im präventiven bauaufsichtlichen Verfahren geprüft werden.

Den von ihnen behaupteten Verstoß der Baugenehmigung gegen Anforderungen, die sich hinsichtlich des unmittelbaren Grenzanbaus aus § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO in Verbindung mit dem am 7. April 1977 bekannt gemachten Bebauungsplan Nr. 16 a der Stadt Gersthofen ergeben sollen, können die Antragsteller nicht mit Erfolg rügen (dazu 1.). Die Baugenehmigung ist aus der Sicht des Senats auch nicht rücksichtslos (siehe 2.).

1. Nach einer Leitentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 24.02.2000 – 4 C 12/98 – BVerwGE 110, 355 = juris Ls 2 und Rn. 27; vgl. ferner OVG Rh-Pf, B.v. 28.2.2016 – 8 B 11203/15 – ZfBR 2016, 491 = juris Rn. 19) ist die Doppelhausfestsetzung in der offenen Bauweise gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO nachbarschützend. Dies ergibt sich aus dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses: Weil und soweit der einzelne Eigentümer gemeinsam mit anderen – benachbarten – Eigentümern in der Ausnutzung seines Grundstücks öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er grundsätzlich deren Beachtung auch im Verhältnis zu anderen Eigentümern verlangen. Das gilt unabhängig davon, ob der Plangeber einen Willen zur drittschützenden Wirkung ausdrücklich zu erkennen gegeben hat. Ein Nachbar kann sich jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) dann nicht auf den Nachbarschutz aus der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten „Doppelhausrechtsprechung“ berufen, wenn er selbst in erheblichem Umfang aus dem diesbezüglichen wechselseitigen Austauschverhältnis ausgebrochen ist (zur vergleichbaren Einschränkung des Nachbarschutzes aus Art. 6 BayBO, wenn der Nachbar seinerseits den Anforderungen an das aktuelle Abstandsflächenrecht nicht genügt: BayVGH, B.v. 27.7.2017 – 1 CS 17.918 – juris Rn. 10 m.w.N.). Wer sich zur Abwehr eines Vorhabens auf dem Nachbargrundstück auf ein nachbarliches Austauschverhältnis beruft, muss – selbstverständlich – auch seinerseits den Anforderungen genügen, die sich daraus für sein eigenes Grundstück ergeben. Das ist bei den Antragstellern jedoch nicht der Fall.

Den Antragstellern wurde mit Bescheid vom 12. Mai 2016 die Beibehaltung eines im Grundriss seit den 1950´er Jahren vorhandenen, im Norden unmittelbar an ihr Haupt-Wohnhaus angebauten und zu dauernden Aufenthaltszwecken genutzten und so auch weiterhin nutzbaren eingeschossigen Gebäudes mit einem neu zu errichtenden Flachdach genehmigt (nachträgliche Genehmigung eines Grenzgebäudes, Az.: 2-478-2016-BA). Dessen geschlossene, 0,24 m breite und 12,96 m lange Ostwand steht komplett auf dem Baugrundstück der Beigeladenen, sie ist dort effektiv circa 3,40 m hoch. Dieses Gebäude ist im nördlichen Drittel teilunterkellert; es ist ganz überwiegend 4,40 m breit, verfügt über einen Außenkamin sowie einen abgeteilten WC-Raum mit einer angegebenen Nutzfläche von 4,67m². Das Gebäude befindet sich vollständig außerhalb der durch den Bebauungsplan Nr. 16 a festgesetzten Baugrenzen.

Angesichts dieser Sachlage scheidet eine in wechselseitig verträglicher Weise auf den Baubestand auf dem Antragstellergrundstück abgestimmte Ergänzung auf dem Baugrundstück von vorneherein aus. Die Antragsteller, die diese Fakten einseitig vorgegeben haben, können in Anbetracht ihres eigenen Ausbrechens aus dem von den Baugrenzen für zulässig erklärten bauplanungsrechtlichen Rahmen mit einem zu Wohnzwecken geeigneten, grenzständigen Gebäude von der Beigeladenen nicht fordern, dass diese mit ihrem Wohnhausneubau, der sich innerhalb der Baugrenzen befindet, darüber hinaus strikt die von der Doppelhausrechtsprechung für einen grenzständigen Anbau entwickelten besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt. Ein Vorhaben, das – wie hier – auf dem Baugrundstück innerhalb der Baugrenzen geplant wird, verfehlt im vorliegenden Fall zwangsläufig die besonderen Anforderungen, die die planerische Festsetzung der Doppelhausbauweise regelmäßig mit sich bringt. Ein aus § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO abgeleitetes Abwehrrecht scheidet aus. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts können die Antragsteller damit auch nicht geltend machen, das streitige Vorhaben sei ihnen gegenüber deshalb rücksichtslos, weil es – da der Rahmen wechselseitig verträglicher Abstimmung insgesamt verlassen worden sei – die infolgedessen bauordnungsrechtlich notwendig gewordenen seitlichen Grenzabstände nicht einhalte.

2. Jenseits dessen sind für den Senat keine individuellen Gesichtspunkte hervorgetreten, die das Vorhaben den Antragstellern gegenüber ausnahmsweise als rücksichtslos erscheinen lassen könnten (zum bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme erstmals ausführlich zusammenfassend: BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – BVerwGE 52, 122 = juris Ls 2 bis 4 und Rn. 21 ff.; zum Rücksichtnahmegebot im Zusammenhang mit der Erteilung einer Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB: BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64.98 – BayVBl 1999, 26 = juris Ls und Rn. 5, 6). Die Bewertung der noch übrig bleibenden Interessen der Antragsteller an der Verhinderung des konkreten Vorhabens einerseits und jener der Bauherrin an der Verwirklichung ihres geplanten Wohngebäudes andererseits hat zum Ergebnis, dass das Vorhaben den Antragstellern gegenüber zumutbar ist. Dafür sprechen folgende Überlegungen:

Das geplante Wohnhaus hält mit allen wesentlichen Teilen die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 16 a zur Lage von Hauptanlagen und dem Maß der baulichen Nutzung derselben ein. Sämtliche ausdrücklich erteilten Befreiungen betreffen im Übrigen nur Festsetzungen, die ihrerseits als nicht nachbarschützend zu qualifizieren sind. Die wegen der Überschreitung der östlichen Baugrenze mit einem 0,755 m tiefen und 4,87 m breiten „Erker“ – Vorbau im Erd- und Obergeschoss, hier hätte auch eine Anwendung von § 23 Abs. 2 Satz 2 BauNVO (oder § 13 der Satzung) in Betracht gezogen werden können, die entsprechende Außenwand ist 17,52 m lang – und für die Errichtung einer Tiefgarageneinhausung außerhalb der Baugrenzen erteilten Befreiungen von der Einhaltung der Baugrenzen berühren die Antragsteller darüber hinaus schon wegen ihrer Lage im Osten des Baugrundstücks nicht. Vergleichbares gilt für die Zulassung eines Dachaufbaus unter Befreiung von § 6 Nr. 3 der Satzung; die auf ihren Seiten geschlossene, bis zur Vorderkante des Dachs gezogene Gaube („Zwerchgiebel“) in der Dachgeschossebene beginnt erst in rund 9,70 m Entfernung von der seitlichen Grenze zum Grundstück der Antragsteller (vergleiche die Ansicht Süd auf der genehmigten Bauvorlage). Die Erlaubnis, den Bauraum mit zwei 1,50 m tiefen Balkonen auf der Südseite des Obergeschosses zu überschreiten, erweist sich den Nachbarn gegenüber auch nicht als rücksichtslos; nach Westen hin treten diese Bauteile nur mit der Schmalseite des grenznäheren Balkons in Erscheinung, dieser wiederum hält einen Abstand von knapp vier Meter von der Grenze zum Grundstück der Antragsteller ein.

Der Vollständigkeit halber sei angefügt, dass der Umstand, dass in der Baugenehmigung vom 19. September 2017 von der Gestaltungsvorschrift des § 6 Nr. 1 des Bebauungsplans, wonach für die Hauptgebäude nur Satteldächer mit einer Neigung von 28 bis 33 Grad zulässig sind, nicht ausdrücklich befreit wurde, auf das Ergebnis keinen Einfluss hat. Hiervon betroffen ist der zweigeschossige Teil des Wohnhauses, der in 3,94 m Entfernung von der westlichen Grenze um 4,62 m nach Süden vorspringt und nach oben hin durch die der Wohnung im Dachgeschoss zugeordnete Dachterrasse abgeschlossen wird. Die Begründung zur Baugenehmigung hält diese Regelung nach ihrem Wortlaut schon gar nicht auf den vorliegenden Fall für anwendbar (a.a.O unter II. 1.1.2), da dieses „Flachdach“ auf einem Nebengebäude und untergeordneten Gebäudeteil errichtet werden solle. Das ist im Ergebnis richtig. Ausschlaggebend dürfte sein, dass den in § 6 des Bebauungsplans enthaltenen Gestaltungsvorschriften kein Verbot von Dachterrassen zu entnehmen ist. Eine in das Dach eingezogene Terrassenfläche („Negativgaube“) ist – da sie nicht als „Aufbau“ aus dem regelhaft vorgeschriebenen Satteldach heraustritt – fraglos zulässig. Ebenso wenig verbietet der Bebauungsplan beispielsweise die Anordnung einer dem Gesamterscheinungsbild untergeordneten Dachterrasse in seitlicher Verlängerung des sattelbedachten Teils eines Hauptgebäudes. Nach dem Gesagten hätte ein solches Verbot einer ausdrücklichen Erwähnung im Text der Satzung bedurft. In der vorliegenden Fallgestaltung kann nichts anderes gelten: der mit einem Satteldach versehene Teil des Wohnhauses misst im Grundriss unter Einschluss des ostseitigen Vorbaus 12,90 m x 14,75 m = 190,28 m², der „Terrassenteil“ ist 4,62 m x 10,05 m = 46,42 m² groß und, da er weniger als ein Viertel der größeren Fläche einnimmt, ohne weiteres als untergeordnet anzusehen.

Bei den gegebenen Größen- und Lageverhältnissen ist schließlich nicht zu erkennen, dass durch die Anordnung und Ausgestaltung des Neubaus einschließlich seiner Terrassen und Balkone Möglichkeiten für unzumutbare Einblicke in entsprechend schützenswerte Wohnraumbereiche auf dem Grundstück der Antragsteller geschaffen werden. Ein Anspruch darauf, vor Einblicken auf das eigene Grundstück oder eine Wohngebäude generell verschont zu bleiben, ist in dieser Allgemeinheit ohnedies nicht anzuerkennen (vgl. BayVGH, B.v. 17.4.2015 – 15 CS 14.2612 – BayVBl 2016, 598 = juris Rn. 15 m.w.N.). Ein entsprechendes Abwehrrecht kann nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Erwägung gezogen werden (vgl. BayVGH, U.v. 24.11.2015 – 15 B 13.2414 – juris Rn. 24, 26: bauplanungsrechtliche Rahmensetzung durch zwingend vorgegebene eingeschossige Flachdachbauweise; B.v. 18.2.2008 – 1 CS 07.2192 – juris Rn. 35 bis 37: Einzelbaugenehmigung, die zugrunde liegende Konzeption – auch hier eingeschossige Flachdachbauweise – führte für einen Teil zu einem vor Einblicken völlig geschützten Bereich). Selbst für die auf der Dachgeschossebene des Vorhabens projektierte Terrasse ergeben sich in Richtung des in seitlicher Verlängerung stehenden Hauses der Antragsteller, das im Obergeschoss grenznah über eine die halbe Hausbreite einnehmende Loggia verfügt, nur derart spitze Blickwinkel, dass direkte Einblicke in die Tiefe der benachbarten Räume von vorneherein nicht möglich sind. Abgesehen davon, dass die teilweise vorgesetzte und erhöht errichtete Terrasse auf dem Grundstück der Antragsteller durch ein durchgängiges Glasdach mit einer darüber angebrachten („aufgeständerten“, vgl. Foto vom 19.10.2017) deutlich reflektierenden, weißen Folie (Solaranlage?) bedeckt ist, wodurch bereits ein wirksamer Schutz vor Einblicken gegeben ist, wäre eine weitere „architektonische Selbsthilfe“ gegen sonstige Einblicke in unmittelbarer Grenznähe auf ihrer Seite beispielsweise auch dadurch möglich, dass entsprechende Bepflanzungen vorgenommen werden.

3. Auch wenn es auf der Grundlage der hier vertretenen Meinung nicht entscheidungserheblich darauf ankommt, sei ergänzt, dass Überwiegendes für die Richtigkeit der Auffassung des Antragsgegners spricht, wonach das Vorhaben im grenznahen Bereich auch bei einer allein auf das Haupthaus der Antragsteller zurückgeführten Bewertung die von der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an ein Doppelhaus gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 BauNVO erfüllen würde. Ein „wechselseitiges Austauschverhältnis“ ist – dem Grundgedanken dieser besonderen Form der Bauweise folgend – nur für den unmittelbar grenzständigen und zusätzlich einen gewissen, nicht abstrakt bestimmbaren grenznahen Bereich auf den benachbarten Baugrundstücken zu fordern. Hier dürfen die Abweichungen der aneinandergebauten Baukörper regelmäßig eine noch als „verträglich“ anzusehende Größenordnung nicht übersteigen. Solange sich aber ein Vorhaben in dem so abgesteckten Rahmen bewegt, kann ein Nachbar, auf dessen Grundstück zuerst eine „Hälfte“ errichtet wurde, die Genehmigung für die „zweite Hälfte“ nicht mit dem Argument erfolgreich abwehren, der Neubau stimme in grenzfernen Teilbereichen nicht hinlänglich mit den aus seinem Bestand angeblich auch dafür abzuleitenden Vorgaben überein, sei deswegen kein Doppelhaus und verletzte ihn aufgrund dessen in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten. Das muss jedenfalls gelten, wenn – wie hier – die aufgrund planerischer Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen die Bauräume auf den benachbarten Grundstücken sehr groß sind, sodass davon auszugehen ist, dass der kommunale Plangeber dem jeweiligen Eigentümer eine zunehmende Gestaltungsfreiheit im Sinne einer Lockerung von der Doppelhausbindung zuerkannt hat.

Alleine durch den Zusatz, dass in einem bestimmten Bereich nur Doppelhäuser zulässig sein sollen, können die übrigen Festsetzungen eines Bebauungsplans, die auf den benachbarten Grundstücken jeweils ein deutlich umfangreicheres Baurecht einräumen, nicht weitgehend leerlaufen. Dafür besteht weder ein Bedürfnis und erst recht fehlt die Berechtigung, die grundsätzlich gegebene Bebaubarkeit auf dem als zweites bebauten Grundstück derart umfangreich einzuschränken.

Der vorliegende Fall liefert ein plastisches Beispiel: Die Doppelhausbauweise ist zwingend vorgeschrieben. Die im Übrigen gleich großen Bauräume sind an der gemeinsamen Grenze (abgegriffen) 17 m tief. Das Haus der Antragsteller nutzt zwar mit seiner Breite von rund 13,50 m das Baufenster aus, bleibt in seiner Tiefe von nur circa 10 m aber deutlich hinter dem vom Bebauungsplan zugelassenen Maß zurück. Der Neubau soll an der Grenze 12,90 m tief werden, die Rückseiten der Häuser werden auf einer Linie verlaufen; die Differenz tritt daher allein auf der Vorderseite der Häuser in Erscheinung. Eine Abweichung in der Tiefe von hier deutlich weniger als einem Drittel bewegt sich – isoliert betrachtet – auch aus der Sicht des Senats ohne weiteres noch im Rahmen „wechselseitiger Verträglichkeit“. Auf der Ebene des Hochparterres des Wohnhauses der Antragsteller nutzt eine fest überdachte, rund 3,40 m hohe Terrasse, die bis an die Grenze reicht, den dort vorhandenen Bauraum auch in der Tiefe vollständig aus. Die straßenseitige Traufe des Neubaus ist knapp 0,30 m höher als jene auf dem Grundstück der Antragsteller; auf der Rückseite der Häuser ist der Unterschied wesentlich geringer, hier liegen die Traufen fast auf einer Höhe. Der First des mittig auf den Neubau gesetzten Satteldachs wird rund 1,20 m höher als der des Bestands auf dem Nachbargrundstück, die Neigungen der Dächer sind identisch. Nicht zuletzt die um 2,90 m größere Tiefe des Neubaus führt zu einem seitlichen Versatz dessen Firsts um rund 1,85 m. In einem Steifen von etwa dieser Breite überragt auch die freistehende Giebelfläche das Dach des Nachbarhauses. Alles in allem entsteht, wie der Antragsgegner bereits in der Begründung zur Baugenehmigung ermittelt hat (unter II. 2.2.2), an der gemeinsamen Grundstücksgrenze ein im Profil erkennbarer Größenunterschied von geringfügig weniger als 22 m²; im Verhältnis zur Fläche von knapp 90 m², die der Bestand auf dem Grundstück der Antragsteller an der Grenze aufweist, ist das weniger als ein Viertel. Unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände liegt damit eine wechselseitig verträgliche Grenzbebauung vor.

Dieser Befund kann nicht etwa dadurch in Frage gestellt werden, dass die Pläne der Beigeladenen in einem Abstand von 3,94 m von der seitlichen Grundstücksgrenze einen zweigeschossigen Vorbau an dem unmittelbar grenzständigen Bauteil vorsehen. Die Ausnutzung des im Übrigen von den einschlägigen planungsrechtlichen Vorschriften, hier dem Bebauungsplan Nr. 16 a, gegebenen Rahmens durch die Bauherrin kann nicht alleine dadurch, dass auf dem Nachbargrundstück ein Gebäude vorhanden ist, das diese Vorgaben in einem fühlbaren Umfang unterschreitet, zur Gänze auf ein dementsprechendes Maß reduziert werden. Eine Betrachtung des gesamten Neubauvorhabens unter dem Blickwinkel vollständiger „Parallelität“ würde die Anforderungen an ein in Doppelhausbauweise zu errichtendes Vorhaben überspannen. Die Ausnutzbarkeit der an sich gegebenen baurechtlichen Möglichkeiten wäre je nach Lage der Dinge aus der Sicht des Bauwerbers beliebigen und von ihm nicht beeinflussbaren Zufälligkeiten ausgesetzt. Befindet sich auf dem Nachbargrundstück noch kein Gebäude, ist er in der Ausnutzung der gegebenen Möglichkeiten frei. Dasselbe gilt, wenn bereits ein ebenfalls den entsprechenden Rahmen ausschöpfendes benachbartes Bauwerk existiert. In den zwischen diesen Extremen liegenden Fällen wird vom Bauwerber grundsätzlich verlangt, dass er im Gegenzug zur Erlaubnis, sein Doppelhaus einseitig an die Grenze setzen zu dürfen, oder – wie hier – zu müssen, seine Planung in diesem Bereich wechselseitig verträglich abstimmt. Ein triftiger Grund für die Forderung, dass sich die Planung eines entsprechenden Vorhabens auch noch über denjenigen Abstand von der gemeinsamen Grenze, der die Anforderungen des Gebots der Rücksichtnahme sowie bauordnungsrechtlicher Abstandsvorschriften beachtet, hinaus mehr oder minder strikt an dem auf dem Nachbargrundstück Vorhandenen ausrichten muss, ist nicht ersichtlich. Wie gezeigt, wären dann häufig zahlreiche übrige planungsrechtliche Vorgaben gleichsam gegenstandslos, möglicherweise wesentlich weitergehendes Baurecht würde alleine durch die Bestimmung, dass nur Doppelhäuser zulässig sein sollen, praktisch wieder einkassiert. Diese Folge dürfte – in ihrer Absolutheit zu Ende gedacht – wohl auch kaum jemals dem Willen derer entsprechen, die Bauleitpläne mit derartigen Inhalten aufgestellt haben.

4. Die Antragsteller tragen als Unterlegene die Kosten des Verfahrens, § 154 Abs. 1 VwGO, einschließlich der Kosten der Beigeladenen, deren Rechtsmittel im Übrigen erfolgreich war, § 154 Abs. 3 Halbs. 1 VwGO. Streitwert: § 47, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57), wie Verwaltungsgericht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 22 Bauweise


(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden. (2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der i

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(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.

(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.

(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.

(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.


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Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Trier vom 9. Dezember 2015 wird die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 18. März 2015 in Gestalt der Nachtragsgenehmigung vom 23. November 2015 insoweit angeordnet, als diese die Errichtung des Erd-, Ober- und Dachgeschosses von Haus 1 zum Gegenstand hat.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Antragsteller die Hälfte einschließlich der Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die Antragsgegnerin ein Viertel mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen und die Beigeladene ebenfalls ein Viertel sowie die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist Eigentümer des Anwesens Z. Straße …, das mit einem zweigeschossigen Wohnhaus mit ausgebautem Dachgeschoss bebaut ist. Es weist entlang der Straße eine Breite von 11 m und eine Tiefe von 10,20 m auf und besteht aus drei Wohnungen. Der Antragsteller wendet sich gegen die der Beigeladenen für das Nachbargrundstück erteilte Baugenehmigung zur Errichtung von zwei Wohngebäuden mit insgesamt 17 Wohneinheiten sowie einer Tiefgarage. Im Einzelnen handelt es sich um ein an das Haus des Antragstellers angebautes zweigeschossiges Mehrfamilienhaus mit 8 Wohneinheiten („Haus 1“) mit einer Breite von 24,53 m und einer Tiefe von 13,85 m im Bereich des Grenzanbaus, ferner um ein rückwärtiges freistehendes dreigeschossiges Mehrfamilienhaus mit 7 Wohneinheiten sowie einem zweigeschossigen Vorbau mit 2 Wohneinheiten („Haus 2“) und schließlich um ein einheitliches Keller- und Tiefgaragengeschoss unter den beiden Häusern mit einer Breite von 24,53 m und einer Tiefe von maximal 57,30 m. Grundlage für die Baugenehmigung ist der Bebauungsplan „BN 49/1 1. Änderung“ vom 27. Juli 2014. Den hiergegen gerichteten Normenkontrollantrag des Antragstellers hat der Senat durch Urteil vom 6. Mai 2015 – 8 C 10974/14.OVG –, juris, abgelehnt.

2

Nach Ansicht des Antragstellers ist die angegriffene Baugenehmigung deshalb rechtswidrig, weil sie gegen die Festsetzung im Bebauungsplan über die offene Bauweise verstößt. Haus 1 stelle wegen seiner Disproportionalität zu seinem Anwesen weder eine Doppelhaushälfte dar, noch handele es sich mangels selbstständig benutzbarer Einzelhäuser um eine Hausgruppe. Der ursprünglich geltend gemachte Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht durch Haus 2 habe sich inzwischen aufgrund der Nachtragsbaugenehmigung vom 23. November 2015 erledigt.

3

Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 mit der Begründung abgewiesen, dass eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften durch die angegriffene Baugenehmigung hinreichend sicher auszuschließen sei. Zwar sei die Festsetzung im Bebauungsplan über die „offene Bauweise“ drittschützend. Auch handele es sich bei Haus 1 wegen des Vorhandenseins von nur einem Eingang und einem Treppenhaus nicht um den Teil einer Hausgruppe. Jedoch könne das Gebäude bei der gebotenen Gesamtwürdigung als Teil eines Doppelhauses angesehen werden. Auf das im rückwärtigen Bereich des Grundstücks genehmigte - derzeit bereits im Bau befindliche - Haus 2 komme es für den vorliegenden Nachbarrechtsstreit nicht an.

II.

4

Die Beschwerde, mit der das Suspensivinteresse auch im Anschluss an die Nachtragsbaugenehmigung für das gesamte Bauvorhaben aufrechterhalten wird, hat in dem tenorierten Umfang - teilweise - Erfolg.

5

Hinsichtlich der genehmigten oberirdischen Teile von Haus 1 überwiegt bei der nach § 80a Abs. 3 und § 80 Abs. 5 VwGO anzustellenden Abwägung das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Denn insofern spricht nach summarischer Prüfung viel für die Rechtswidrigkeit der Genehmigung und die hieraus folgende Rechtsverletzung zu Lasten des Antragstellers. Dies lässt sich hingegen für die unterirdisch errichtete Tiefgarage sowie für das im rückwärtigen Bereich genehmigte freistehende Haus nicht annehmen. Im Rahmen der nach § 80a Abs. 3 und § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Ermessensentscheidung hat es nach Auffassung des Senats daher insofern bei der gesetzlich in § 212a BauGB angeordneten aufschiebenden Wirkung zu bleiben.

6

1. Die genehmigte Errichtung von Haus 1 erweist sich aller Voraussicht nach als objektiv rechtswidrig.

7

Haus 1 dürfte mit der im Bebauungsplan „BN 49/1 1. Änderung“ getroffenen Festsetzung zur „offenen Bauweise“ nicht vereinbar sein. Diese Festsetzung ergibt sich aus den „Zeichnerischen Festsetzungen“ des Änderungsplans unter Ziff. I. Nr. 3 und der Nutzungsschablone unter Nr. 8. Sie ergänzt damit die für das Nachbargrundstück des Antragstellers bereits nach dem Ursprungsbebauungsplan BN 49/1 bestehende Festsetzung der offenen Bauweise.

8

Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO werden die Gebäude in der offenen Bauweise mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Festsetzung der offenen Bauweise betrifft ausschließlich die Stellung der Gebäude in Bezug auf Grundstücksgrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 – 4 C 12.98 –, BVerwGE 110, 355 und juris, Rn. 17; Determann/Stühler, in: Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 22 Nr. 1), hier also die Grenze zwischen den Grundstücken des Antragstellers und der Beigeladenen. Bei der Zulassung von Doppelhäusern und Hausgruppen handelt es sich um eine vom Verordnungsgeber zugelassene Modifikationen der offenen Bauweise. Denn es wird gerade ein Anbau an einer bzw. beiden seitlichen Grundstücksgrenzen ermöglicht, was man deshalb für hinnehmbar hält, weil die Hausform insgesamt wegen ihrer maximalen Länge von 50 m (§ 22 Abs. 2 Satz 2 BauNVO) und den seitlichen Grenzabständen immer noch an der gewollten aufgelockerten Bebauung teilhat (vgl. BVerwG, ebenda; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL 2015, § 22 Rn. 26).

9

a) Bei Haus 1 handelt es sich aller Voraussicht nach nicht um den Teil eines zusammen mit dem Anwesen des Antragstellers gebildeten Doppelhauses.

10

Ein Doppelhaus im Sinne des § 22 Abs. 2 BauNVO ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden. Das Erfordernis der baulichen Einheit ist nur erfüllt, wenn die beiden Gebäude in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000, a.a.O., Leitsätze 1 und 2). Ob die beiden „Haushälften“ wechselseitig verträglich und abgestimmt aneinandergebaut werden, beurteilt sich nach quantitativen und qualitativen Merkmalen. In welchem Umfang die beiden Haushälften zusammengebaut sein müssen, lässt sich weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen; verlangt ist vielmehr eine Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000, a.a.O., juris, Rn. 20 und 22; zuletzt: BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 – 4 C 12.14 –, BauR 2015, 1309 und juris, Rn. 15 ff.). Quantitative Kriterien sind neben der Bautiefe, der Geschossigkeit und der Gebäudehöhe auch das oberirdische Brutto-Raumvolumen. In qualitativer Hinsicht müssen die beiden Haushälften zwar nicht deckungsgleich oder spiegelbildlich sein, jedoch ein Mindestmaß an Übereinstimmung aufweisen, so dass das Doppelhaus als ein Gebäude erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000, a.a.O., juris, Rn. 18, Urteil vom 19. März 2015, a.a.O., Rn. 18 f.).

11

Hinsichtlich der quantitativen Elemente teilt der Senat zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass Haus 1 bezüglich der Bautiefe (aneinandergebauter Teil von 10,20 m bei straßenseitigem Versprung von 3,65 m), der im Wesentlichen gleichen Gebäudehöhe sowie der gleichen Geschosszahl wechselseitig verträglich und abgestimmt ist. Dies kann indes nach Auffassung des Senats nicht mehr angenommen werden hinsichtlich der straßenseitigen Breite, die bei Haus 1 mit 24,50 m mehr als das Doppelte der Breite des Anwesens des Antragstellers (11 m) beträgt. Damit zusammenhängend weist auch das oberirdische Brutto-Raumvolumen von Haus 1 mit 3.217 m³ (vgl. Bl. 31 der Bauakten) mehr als das Vierfache des Raumvolumens des Anwesens des Antragstellers auf (766 m³ nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragstellers). Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht die von dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen vertretene Grenzziehung einer Abweichung von maximal der Hälfte der jeweiligen quantitativen Einzelmerkmale zugunsten einer Einzelfallabwägung zurückgewiesen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2015, a.a.O., Rn. 15 ff.). Jedoch führt der Umstand einer mehr als doppelt so breiten Straßenfront und eines mehr als viermal so großen oberirdischen Brutto-Raumvolumens zu einer so deutlichen Disproportionalität der beiden Haushälften, dass nach Auffassung des Senats von einer baulichen Einheit nicht mehr gesprochen werden kann (vgl. zur Disproportionalität bei der Erhöhung des Firstes von 11,60 m auf 15 m: BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5.12 –, BVerwGE 148, 290 und juris, Rn. 16 f.).

12

Auch qualitative Aspekte rechtfertigen es nicht, trotz der deutlichen quantitativen Abweichungen von einer Gebäudeeinheit zu sprechen (vgl. zu dieser Möglichkeit: BVerwG, Urteil vom 19. März 2015, a.a.O., Rn. 21). Vielmehr bestätigen die straßenseitige „Ansicht Nordwest (Z. Straße)“ (Bl. 49 der Behördenakte) sowie die Visualisierung auf Bl. 79 der Bauakte den dominierenden Eindruck des Bauvorhabens der Beigeladenen, was die Annahme eines wechselseitig abgestimmten Doppelhauses verbietet. Im Übrigen haben auch die Beigeladenen im erstinstanzlichen Verfahren eingeräumt, dass es sich bei Haus 1 nicht um eine Doppelhaushälfte, sondern – aufgrund der Fassadengestaltung und -gliederung - vielmehr um zwei Gebäude handelt, die zusammen mit dem Anwesen des Antragstellers eine Hausgruppe bilden (vgl. Schriftsatz vom 27. November 2015, S. 5, Bl. 138 der Gerichtsakte).

13

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen hat der Senat die Abgewogenheit des Neubauvorhabens mit dem vorhandenen Bestand auf dem Grundstück des Antragstellers in dem Normenkontrollurteil vom 6. Mai 2015 – 8 C 10974/14.OVG –, juris, auch nicht bestätigt. Zur Überprüfung stand nicht die auf das Vorhaben der Beigeladenen zugeschnittene Festsetzung einer abweichenden Bauweise nach § 22 Abs. 4 BauNVO. Vielmehr war im Änderungsplan die bereits im Ursprungsplan BN 49/1 festgesetzte offene Bauweise übernommen worden. Im Rahmen der Abwägungskontrolle hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Festsetzung der offenen Bauweise nicht in einem unüberbrückbaren Widerspruch zur Festsetzung eines größeren Baufensters im straßenseitigen Bereich des Änderungsbebauungsplans stehe. Selbst bei vollständiger Ausschöpfung des Baufensters ergäbe sich kein unüberbrückbarer Widerspruch zur Festsetzung der offenen Bauweise. Die im Bereich der gemeinsamen Grundstücksgrenze zugelassene Bautiefe erlaube durchaus einen mit dem Anwesen des Antragstellers wechselseitig verträglichen Anbau. Sollte sich der Anbau wegen seines im Vergleich zum Gebäude des Antragstellers deutlich größeren Raumvolumens nicht mehr als Doppelhaushälfte darstellen, würde dies keinen unlösbaren Konflikt zur Festsetzung der offenen Bauweise begründen. Denn in diesem Fall könnte die vollständige Ausschöpfung des Baufensters durch Errichtung einer Hausgruppe geschehen, und zwar bestehend aus dem Anwesen des Antragstellers und etwa zwei – jeweils auf eigenen Flurstücken errichteten – Häusern im Änderungsplangebiet (vgl. das Urteil des Senats vom 6. Mai 2015, S. 11 f.).

14

b) Haus 1 stellt sich aller Voraussicht nach auch nicht als Teil einer in der offenen Bauweise ebenfalls zulässigen Hausgruppe dar.

15

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, besteht eine Hausgruppe aus mindestens drei auf (ebenso vielen) benachbarten Grundstücken stehenden Gebäuden, die durch Aneinanderbauen an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen zu einer Einheit zusammengefügt werden und deren Kopfhäuser einen seitlichen Grenzabstand einhalten (vgl. Blechschmidt, a.a.O., § 22 Rn. 29; Urteil des Senats vom 6. Mai 2014 – 8 C 10974/14.OVG –, S. 11 d.U.). Hinsichtlich der Anforderungen an die Einheitlichkeit dieser Hausform, das heißt an das Zusammenfügen der Einzelhäuser in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise, gelten dieselben Maßstäbe wie in der „Doppelhaus-Rechtsprechung“ des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2015 – 4 B 65.14 –, ZfBR 2015, 702 und juris, Rn. 6; Urteil vom 19. März 2015 – 4 C 12.14 –, BauR 2015, 1309 und juris, Rn. 19).

16

Im vorliegenden Fall hat die Beigeladene zwar durch die Gliederung des Baukörpers von Haus 1 versucht, den Eindruck eigenständiger Gebäude zu erwecken. Indes fehlt es an den für die Annahme von Einzelhäusern notwendigen eigenen Eingängen und Treppenhäusern (vgl. Determann/Stühler, in: Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 22 Rn. 6.1). Nach der bisherigen Planung verfügt Haus 1 hingegen nur über einen Eingang und ein einheitliches Treppenhaus, von dem im Erd- und Obergeschoss jeweils drei Wohnungen erschlossen werden.

17

Ob der Zugang baulich-konstruktiv derart verändert werden kann, dass selbständige Häuser entstehen, die den Anforderungen an wechselseitig verträgliche und abgestimmte Einzelhäuser genügen, wie die Beigeladene vorträgt, kann dahingestellt bleiben. Denn Gegenstand der hier vorzunehmenden Beurteilung ist allein das genehmigte Vorhaben. Ebenso kann offenbleiben, ob die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Festsetzung der offenen Bauweise vorliegen, wie die Antragsgegnerin angedeutet hat. Denn für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage kommt es allein auf die Genehmigungslage an. Eine eventuell bestehende Befreiungslage ist deshalb in diesem Zusammenhang unerheblich (vgl. OVG Rh-Pf, Beschluss vom 5. Februar 2010 – 1 B 11356/09 -, S. 4 d.U.).

18

2. Der vorstehend festgestellte Verstoß der Baugenehmigung gegen die Festsetzung über die „offene Bauweise“ verletzt den Antragsteller auch in seinen Rechten.

19

a) Denn die Festsetzung ist nachbarschützend, was sich aus dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses ergibt: Weil und soweit der einzelne Eigentümer gemeinsam mit anderen – benachbarten – Eigentümern in der Ausnutzung seines Grundstücks öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er grundsätzlich deren Beachtung auch im Verhältnis zu den anderen Eigentümern verlangen; dies gilt unabhängig davon, ob der Plangeber einen Willen zur drittschützenden Wirkung dieser Festsetzung ausdrücklich zu erkennen gegeben hat. Die nachbarschützende Wirkung dieser Festsetzung zur Bauweise ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Doppelhaus-Festsetzung anerkannt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000, a.a.O., juris, Rn. 27; Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5.12 –, a.a.O., juris, Rn. 19 f, auch zum Nachbarrechtsschutz im unbeplanten Innenbereich auf der Grundlage des Rücksichtnahmegebots). Da die Grundsätze der Doppelhaus-Rechtsprechung auch auf die Zulässigkeit von Hausgruppen entsprechend anzuwenden sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2015 – 4 B 75.14 –, ZfBR 2015, 702 und juris, Rn. 6), finden die zu Doppelhaus-Festsetzungen entwickelten Grundsätze zum Drittschutz auch insofern entsprechende Anwendung (vgl. Blechschmidt, a.a.O., § 22 Rn. 50).

20

Der Grundstücksnachbar kann demnach verlangen, dass ein Anbau an die gemeinsame Grundstücksgrenze unter Beachtung der hierfür geltenden bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen erfolgt. Er kann also insbesondere verlangen, dass die angebaute Doppelhaushälfte bzw. das angebaute Gebäude der Hausgruppe nicht nur hinsichtlich der unmittelbar grenzständigen Gebäudeteile verträglich ist, sondern auch im Übrigen den Anforderungen an die notwendige Einheit der Hausform genügt. So hat denn auch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 19. März 2015 – 4 C 12.14 – (BauR 2015, 1309) trotz Verträglichkeit des Grenzanbaus in quantitativer Hinsicht das Verfahren an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen, um zu klären, ob die unterschiedliche Dachausrichtung des Anbaus den Anforderungen an eine Doppelhausbebauung genügt. Diese Zurückverweisung war nur deshalb geboten, weil für den Erfolg der zugrundeliegenden Nachbarklage auch die Einheitlichkeit in qualitativer Hinsicht erheblich war (vgl. zur erneuten Beurteilung: OVG NRW, Urteil vom 3. September 2015 – 7 A 1276/13 –, juris, Rn. 42 f.).

21

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist die subjektive Rechtsmacht des Antragstellers im vorliegenden Fall also nicht bloß auf die Beachtung des Rücksichtnahmegebots beschränkt. Vielmehr kann der Antragsteller sich darauf berufen, dass das genehmigte Haus 1 wegen seiner Disproportionalität zum Anwesen des Antragstellers keine Doppelhaushälfte darstellt und es sich bei dem angebauten Gebäudeteil mangels selbstständigem Eingang und Treppenhaus auch nicht um ein Element einer – im Bebauungsplan ebenfalls zugelassenen – Hausgruppe handelt.

22

b) Hinsichtlich der im Übrigen genehmigten Gebäudeteile ist hingegen eine Rechtsverletzung des Antragstellers im Rahmen der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht ersichtlich, so dass der Umfang des gewährten Eilrechtsschutzes entsprechend einzuschränken war.

23

Das Fehlen einer Rechtsverletzung betrifft zunächst einmal die unterirdisch verwirklichte Tiefgarage, die abstandsflächenrechtlich unerheblich ist (vgl. OVG RP, Beschluss vom 27. April 2006 – 8 A 10233/06.OVG –), weshalb es insofern auf eine - durch die festgesetzte offene Bauweise - bauplanungsrechtlich zugelassene Grenzbebauung nicht ankommt. Sie betrifft aber auch das genehmigte Haus 2, für das in Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 23. November 2015 eine Verletzung des Abstandsflächenrechts weder geltend gemacht wird noch ersichtlich ist.

24

Ob und in welchem Umfang die Beigeladene von dem vollziehbaren Teil der Baugenehmigung Gebrauch macht, obliegt ihrer Verantwortung. Dies gilt insbesondere für die Errichtung der Tiefgarage im straßenseitigen Bereich und deren Vereinbarkeit mit eventuell notwendigen Änderungen der Genehmigung von Haus 1.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3 und 162 Abs. 3 VwGO.

26

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47, 52 GKG.

(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.

(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.

(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.

(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro fest-gesetzt.

Gründe

Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO)‚ geben keine Veranlassung, die angegriffene Entscheidung zu ändern.

Zwar ist der vom Antragsteller geltend gemachte Beschwerdegrund, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass für das an das Grundstück des Antragstellers angrenzende Grundstück durch den Bebauungsplan ein Kerngebiet nach § 7 BauNVO festgesetzt worden sei, berechtigt, die angegriffene Entscheidung erweist sich aber im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klage des Antragstellers im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird und das Interesse der Beigeladenen am Sofortvollzug demnach das gegenläufige Interesse des Antragstellers überwiegt. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Umbau der „C* … … Bauabschnitt 3“ verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

1. Soweit sich der Antragsteller als Wohnungseigentümer auf die Verletzung des allgemeinen Gebietserhaltungsanspruchs beruft und das genehmigte Vorhaben im nördlichen Bereich des Bebauungsplans der Art der baulichen Nutzung für nicht mit § 6 BauNVO vereinbar erachtet, weil es in diesem Bereich innerhalb eines Gebiets liege, für das ein Mischgebiet im Sinn des § 6 BauNVO festgesetzt worden sei, wird er damit in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben, da es insoweit bereits an der erforderlichen Klagebefugnis nach § 42 VwGO fehlen würde. Denn insoweit macht er einen Verstoß gegen Rechte geltend, die im gemeinschaftlichen Eigentum für das gesamte Grundstück wurzeln und daher nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG auch nur von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und nicht von einzelnen Wohnungseigentümern geltend gemacht werden können (vgl. BVerwG, U.v. 20.8.1992 – 4 B 92.92 – Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 110; BayVGH, B.v. 8.7.2013 – 2 CS 13.807 – NVwZ 2013, 1622). Eine konkrete Beeinträchtigung des Sondereigentums des Antragstellers, welche über das hinausginge, was die Eigentümergemeinschaft als solche für das Gemeinschaftseigentum geltend machen kann, ist weder erkennbar noch dargelegt. Im Hinblick auf die fehlende subjektive Berechtigung des Antragstellers kommt es ungeachtet einer ausreichenden Darlegung auch nicht entscheidungserheblich darauf an, ob das Vorhaben die für die Einordnung als Einkaufszentrum im Sinn des § 11 BauNVO notwendigen Voraussetzungen aufweist bzw. ob es sich um einen im Mischgebiet im Sinn des § 6 BauNVO zulässigen Einzelhandelsbetrieb handelt.

Demgegenüber kommt eine mögliche Verletzung von Rechten des Antragstellers insoweit in Betracht, als sein Sondereigentum (eine Wohnung im 3. Obergeschoss) im Bereich der Abstandsflächen liegt.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Der Antragsteller, der eine Verletzung von Abstandsflächen im Bereich des Aufzugsturms (in den Planunterlagen Nr. 4.1 mit „A 2“ bezeichnet) und der von der gemeinsamen Grundstücksgrenze ab dem 1. Obergeschoss zurückspringenden Wand (in den Planunterlagen Nr. 4.1 mit „A 11“ bezeichnet) geltend macht, kann sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht mit Erfolg auf einen möglichen Verstoß gegen Abstandsflächenrecht berufen.

2.1 Dabei kann offen bleiben, ob der Aufzugsschacht entsprechend den Ausführungen des Antragstellers eine Abstandsfläche aufwirft, die im nordöstlichen Bereich des Grundstücks FlNr. 846/2 zum Liegen kommt. Denn der Antragsteller wird durch die Verschiebung des Aufzugsschachts nicht (mehr) unmittelbar in seinem Sondereigentum beeinträchtigt, da die Wand des Aufzugsschachts nicht gegenüber seinem Sondereigentum liegt. Damit geht die Abstandsfläche an dem Wohngebäude und somit auch am Sondereigentum des Antragstellers vorbei. Eine eigene Betroffenheit des Antragstellers ist insoweit nicht gegeben (vgl. BVerwG, B.v. 20.8.1992 – 4 B 92.92 – Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 110).

2.2 Soweit hingegen die Abstandsfläche „A 11“ betroffen ist, liegt eine Beeinträchtigung des Sondereigentums des Antragstellers vor. Das geplante Vorhaben der Beigeladenen, das nur im Erdgeschoss an die Grundstücksgrenze und ab dem 1. Obergeschoss zurückspringend bebaut werden soll, hält die erforderlichen Abstandsflächen nicht ein. Eine Verkürzung der erforderlichen Abstandsfläche auf die Hälfte der nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO erforderlichen Tiefe scheidet nach Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO aus. Denn unabhängig davon, ob im vorliegenden Fall aufgrund der zurückspringenden westlichen Außenwand auch für die dem Sondereigentum des Antragstellers gegenüberliegende Außenwand die Privilegierung in Betracht zu ziehen wäre, ist in den Blick zu nehmen, dass die westlichen, die nördlichen und die östlichen Außenwände des geplanten Gebäudes an die Grundstücksgrenzen gebaut werden sollen. Damit ist eine Privilegierung nach Art. 6 Abs. 6 Satz 2 BayBO ausgeschlossen.

Die nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO maßgebliche Abstandsfläche beträgt somit 1 H. Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob die Abstandsfläche nach der Gesamthöhe der zurückgesetzten Wandfläche (vgl. BayVGH, U.v. 4.5.2017 – 2 B 16.2432 – juris Rn. 35; B.v. 11.11.2015 – 2 CS 15.1251 – juris Rn. 4) oder nach der Höhe der freistehenden Wandfläche (vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2000 – 26 CS 99.2723 – BayVBl 2001, 628) zu bestimmen ist. Denn unter Berücksichtigung der abgestimmten Höhenangaben im Plan Nummer 4.2 ist zum einen von einer effektiven (Gesamt) Wandhöhe von bis zu 14,50 m auszugehen, zum anderen von einer effektiven Wandhöhe von rund 9 m. Gemessen an einem Abstand des geplanten Vorhabens zur Grundstücksgrenze von 7,20 m bis maximal 8 m wird die erforderliche Abstandsfläche somit in beiden Fällen nicht eingehalten.

Der Antragsteller kann sich jedoch nicht mit Erfolg auf die Verletzung der nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften berufen. Denn nach der obergerichtlichen Rechtsprechung kann sich ein Nachbar nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht mit Erfolg auf die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück den Anforderungen dieser Vorschrift nicht entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu – gemessen am Schutzzweck der Vorschrift – schlechthin untragbaren, als Missstand (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayBO) zu qualifizierenden Verhältnissen führen (vgl. BayVGH, B.v. 1.9.2016 – 2 ZB 14.2605 – juris Rn. 15; U.v. 4.2.2011 – 1 BV 08.131 – juris Rn. 37 sowie BVerwG, B.v. 14.10.2014 – 4 B 51.14 – juris zur Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben in der gesamten Rechtsordnung). So liegt der Fall hier. Die Abstandsflächenüberschreitung durch das genehmigte Bauvorhaben und diejenige durch das dem Grundstück des Beigeladenen gegenüberliegende Gebäude, in dem der Antragsteller Eigentümer einer Wohnung ist, halten sich flächenmäßig nicht nur in etwa die Waage, vielmehr überwiegt die Flächenüberschreitung durch das Gebäude des Antragstellers. Bei dem Vorhaben der Beigeladenen liegt ausweislich der vorstehenden Ausführungen zur Wandhöhe und einer Breite der Wand von 4 m sowie einer verbleibenden Grundstückstiefe von 7,20 m bis 8 m ungefähr die Hälfte der Abstandsflächen auf dem Grundstück, auf dem das Wohngebäude liegt, in dem der Antragsteller Wohneigentum hat. Demgegenüber liegt die Abstandsflächen-überschreitung bei seinem Wohngebäude, das an zwei Seiten eine Grenzbebauung aufweist sowie an den verbleibenden weiteren Gebäudeseiten die erforderlichen Abstandsflächen nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO nicht einhält, bei einer Wandhöhe von rund 11 m, einer Breite der Wand von rund 10 m und einer verbleibenden Grundstückstiefe von 3 m erkennbar in einem deutlich größeren Rahmen. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass sich die Abstandsflächenüberschreitung beim Gebäude des Antragstellers bei Berücksichtigung des nach den vorliegenden Plänen nicht privilegierten Balkons an seiner Wohnung nochmals erhöhen würde. Die beidseitigen Abweichungen führen auch nicht zu schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen. Denn zum einen handelt es sich bei der der Wohnung des Antragstellers gegenüberliegenden Wand um eine geschlossene Wand ohne Fensteröffnungen, zum anderen beträgt der Abstand zwischen dem Balkon der Wohnung des Antragstellers und der Gebäudewand der Beigeladenen 9,30 m an der nordöstlichen Ecke des Balkons. Die Schutzgüter des Abstandsflächenrechts, Belichtung, Belüftung und Besonnung, werden daher nicht beeinträchtigt.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, der Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten nach § 162 Abs. 3 VwGO zu erstatten, weil sie einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1‚ § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG und orientiert sich an Nummer 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. Beilage 2/2013 zu NVwZ Heft 23/2013).

(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.

(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.

(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.

(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

Für die Berufsausübung freiberuflich Tätiger und solcher Gewerbetreibender, die ihren Beruf in ähnlicher Art ausüben, sind in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 4 Räume, in den Baugebieten nach den §§ 4a bis 9 auch Gebäude zulässig.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Genehmigung für die Sanierung eines bestehenden und die Neuerrichtung eines weiteren Wohngebäudes auf der im Süden mit einer Länge von rund 20 m an sein im rückwärtigen Bereich angrenzendes, unbebautes und insgesamt 1.548 m² großes Grundstück FlNr. ... Gemarkung R. Er hat gegen die ihm am 15. April bzw. 6. Mai 2014 zugestellten Genehmigungsbescheide der Antragsgegnerin am 12. Mai 2014 Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg erhoben (RO 2 K 14.832) und am 8. August 2014 Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gestellt. Gegen den am 13. November 2014 zugestellten, ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10. November 2014 richtet sich die am 26. November 2014 erhobene und am Montag, den 15. Dezember 2014 begründete Beschwerde des Antragstellers.

II.

Die statthafte (§ 146 Abs. 1 VwGO) und zulässige (§ 146 Abs. 4 Satz 1 bis 3 VwGO) Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen die beantragte Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht.

1. Der Antragsteller rügt unter III. 1. und 2. a) bis d) auf den Seiten 1 bis 5 des Schriftsatzes seiner Bevollmächtigten vom 15. Dezember 2014 im Wesentlichen, dass sich das Verwaltungsgericht nicht näher damit auseinandergesetzt habe, dass von einer „Abstandsflächenvorschriftenverletzung und damit auch von einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme auszugehen“ sei. In diesem Zusammenhang sei auch der Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör in mehrfacher Hinsicht verletzt worden, der beantragte gerichtliche Augenschein sei ebenfalls nicht erfolgt.

1.1 Im Gegensatz zu der zitierten Darstellung setzt sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf den Seiten 9 bis 13 ausführlich mit den angesprochenen Fragen auseinander und stellt ausdrücklich fest, dass die - im vorliegenden Zusammenhang allein entscheidungsrelevante - Nordwand des Neubaus die Abstandsflächen auf dem Baugrundstück einhält und hier auch nicht ausnahmsweise von einem Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme trotz Einhaltung der Abstandsflächen auszugehen sei. Auf diese Ausführungen, die insoweit in keiner Hinsicht einer Ergänzung bedürfen, wird zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen verwiesen.

1.2 Der in der Beschwerde wiederholte Einwand, das für die Berechnung der Abstandsflächen maßgebliche „Urgelände“ sei auf der tieferen Ebene des Antragstellergrundstücks zu suchen, wurde in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts gleichfalls behandelt und - zutreffend - als nicht berechtigt angesehen.

Den unteren Bezugspunkt für die Berechnung der Wandhöhe eines Vorhabens bildet nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO die Geländeoberfläche. Dass es sich dabei um das Niveau des Bodens auf dem Baugrundstück am Fuß der fraglichen Wand handelt, welches anhand der Eintragungen in den Eingabeplänen (vgl. Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO, § 3 Nr. 1 und 2, § 7 Abs. 3 Nr. 11, § 8 Abs. 2 Nr. 2 b) und g), Nr. 3 BauVorlV) nach der Fertigstellung des gesamten zur Prüfung stehenden Vorhabens erreicht werden soll, folgt aus dem Kontext der Abstandsvorschriften. Anhaltspunkte für Manipulationen, die dazu dienen könnten, die Wandhöhe so verkürzt darzustellen, dass die auf dem Baugrundstück zur Verfügung stehenden Flächen (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO) ausreichen, um die jeweils erforderlichen Tiefen der gesetzlichen Abstandsflächen (vgl. Art. 6 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 BayBO) aufnehmen zu können, sind weder erkennbar noch wurde dafür etwas vorgetragen. Ob das Gelände in früheren Plänen exakt oder in Übereinstimmung mit den verfahrensgegenständlichen Bauvorlagen wiedergegeben wurde, spielt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der aktuellen, streitigen Bauerlaubnis für die Errichtung eines neuen Wohngebäudes auf dem Baugrundstück keine Rolle. Schließlich ist auch zu dem Gesichtspunkt, dass das Baugrundstück mehr als nur geringfügig höher liege als jenes des Antragstellers, auf die richtigen Ausführungen im Beschluss des Erstgerichts zu verweisen.

Regelmäßig bildet das vorhandene, „natürliche“ Gelände die Geländeoberfläche im Sinn von Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO. Neben den bereits angesprochenen, die Wandhöhe verringernden Aufschüttungen oder Geländemodellierungen unmittelbar am Vorhaben selbst können zur Vermeidung als unbefriedigend empfundener und dem Grundstücksnachbarn nicht zumutbar erscheinender Ergebnisse auch künstlich herbeigeführte Niveauveränderungen auf dem gesamten Baugrundstück zulasten eines Vorhabens gewertet werden, wenn die Höhenlage der Oberfläche auf diesem Grundstück infolgedessen nicht als „natürlich“ im Sinn von „seit jeher so vorhanden“ zu bewerten ist. Als zeitliche Grenze für die Feststellung, dass auch eine auf menschliche Einwirkungen zurückzuführende, gegenüber einem Nachbargrundstück erhöhte Geländeoberfläche als für die Abstandsflächenberechnung maßgebliche „vorhandene“ Geländeoberfläche angesehen werden kann, bietet es sich an, auf die am Zweck der Herstellung bzw. Wahrung des Rechtsfriedens orientierte dreißigjährige (Verjährungs-)Frist (vgl. § 195 BGB a. F., § 197 Abs. 1 BGB n. F., § 900 BGB) zurückzugreifen (ebenso: OVG RhPf, B.v. 28.9.2005 - 8 A 10424/05 - juris Rn. 19 bis 22 unter Hinweis auf BayVGH, B.v. 14.1.1991 - 14 CS 90.3270 m. w. N.; BayVGH, B.v. 17.3.2003 - 2 CS 03.98 - juris Rn. 13; vgl. auch BayVGH, B.v. 2.3.1998 - 20 B 97.912 - juris Rn. 13 m. w. N.: mehr als 25 Jahre). Wie die Antragsgegnerin in ihrer Replik vom 10. März 2015 bereits festgehalten hat, lassen sich entsprechende Veränderungen des Geländeniveaus auf dem Baugrundstück für die zurückliegenden Jahrzehnte nicht feststellen, sie ergeben sich insbesondere auch nicht aus den von ihr mit Schreiben vom 4. November 2014 an das Verwaltungsgericht übermittelten weiteren Unterlagen (1 Bestandsakte zum Anwesen G-str. ...), von denen der Antragsteller erst zusammen mit dem ablehnenden Beschluss Kenntnis erhalten hat. Ungeachtet dessen spricht auch der Umstand, dass die Oberfläche des im Westen ca. 47,5 m und im Osten rund 49 m tiefen Baugrundstücks - unwidersprochen - im Wesentlichen auf dem Niveau der dieses seit langem erschließenden öffentlichen Verkehrsfläche (335,15 m üNN) liegt, gegen die Annahme einer in einem überschaubar zurückliegenden Zeitraum willkürlich zum Nachteil der Nachbarschaft vorgenommenen Geländeveränderung.

1.3 Für die Richtigkeit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragenden Erwägung, dass eine wesentliche Veränderung der Geländeoberfläche des Baugrundstücks jedenfalls über Jahrzehnte hinweg nicht feststellbar ist, kam es auf den Inhalt der Anfang November 2014 zugeleiteten „Bestandsakten“ ersichtlich nicht an, hierauf beruht die angegriffene Entscheidung nicht. Insoweit hätte auch der als fehlerhaft unterlassen gerügte Augenschein durch das Erstgericht keine verwertbaren neuen Erkenntnisse verschaffen können.

2. In Bezug auf die bestehen bleibende „Grenzmauer“ rügt die Beschwerde eine weitere Unbestimmtheit der Planung, die nicht zulasten des Antragstellers gehen dürfe. Diese Mauer hätte als Teil eines einheitlichen Gesamtvorhabens mitgenehmigt werden müssen. Sie ermögliche eine Nutzung, die das Gebot der Rücksichtnahme verletze. Auch diese Erwägungen können dem Rechtsmittel nicht zum (Teil-)Erfolg verhelfen, weil die Verneinung der Rücksichtslosigkeit der von dieser baulichen Anlage ausgehenden Wirkungen oder der damit für das höher gelegene Baugrundstück verbundenen Nutzungsmöglichkeiten seitens des Verwaltungsgerichts jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.

2.1 Die von der Antragsgegnerin und - ihr folgend - dem Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, die verbleibende Grenzmauer sei nicht Gegenstand der streitigen Baugenehmigung, begegnet allerdings Zweifeln. Aus den Akten geht hervor, dass die Oberfläche des Grundstücks des Antragstellers in seinem hinteren Bereich zwischen 1,60 m und 1,70 m tiefer liegt als das dort angrenzende Baugrundstück. Direkt an der Nordgrenze (vgl. dazu erstmals den Plan vom Februar 1907, vom Stadtbauamt geprüft am 5.3.1907) des Baugrundstücks steht hier seit einem nicht näher bekannten Zeitpunkt eine Mauer, die ursprünglich nicht nur das (wohl schon immer, vgl. den „Situationsplan Nord 1:500“ vom 15.1.1896) höher gelegene Gelände des Baugrundstücks abstützte, sondern zugleich Bestandteil einer bis zu ihrem Abriss anlässlich der Verwirklichung des streitigen Vorhabens dort über die gesamte Breite des Baugrundstücks angeordneten, eingeschossigen Halle mit einem in West-Ost-Richtung verlaufenden First war (ehemals „Baumagazin“ bzw. „Baustadel“ oder „Lagerhalle“).

Auf dem mittels eines unterschriebenen Stempelaufdrucks „Genehmigt mit Bescheid vom 11.04.14“ zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärten „Freiflächengestaltungsplan“ (diese Bezeichnung dürfte noch auf § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 11 BauVorlV a. F. zurückgehen) im Maßstab 1:100 wird neben zahlreichen weiteren baulichen Anlagen (Stellplätze, überdachter Abfallcontainerplatz, Hoffläche, mit einem Bodenbelag versehener Spielbereich für Kinder, mit verschiedenen Betonpflastern angelegte Zugänge und Hofflächen, vgl. dazu auch § 7 Abs. 3 Nr. 12, Abs. 4 BauVorlV n. F.) in dem gleichen Grauton wie der Wohnhausneubau, zusätzlich jedoch mit einer einfachen Schraffur versehen, eine entlang der gesamten westlichen, nördlichen und östlichen Grenzen des Baugrundstücks verlaufende Mauer dargestellt. Deren Oberkante („geplante Höhe“) wird mit verschiedenen, jeweils mit „MOK“ bezeichneten und auf das Höhenbezugssystem (0,00 = 335,58 m üNN) der Eingabepläne abgestimmten, Zahlen zwischen „plus 1,65“ an der Westgrenze, „plus 0,87“ an der Nordgrenze und in weiten Teilen der Ostgrenze sowie „plus 0,80“ in einem daran anschließenden, 10,22 m langen Teilbereich bzw. „plus 2,48“ am Südosteck des Baugrundstücks im Bereich des Mülltonnenhäuschens angegeben. Zwar taucht diese Grenzbebauung nur teilweise auf dem „Grundriss Kellergeschoss“ als östliche Seitenwand der Tiefgaragenzufahrt und - ähnlich bruchstückhaft - auf der rechten Seite des „Schnittes D-D Neubau“ auf und fehlt auf den übrigen Grundrissen und sämtlichen Ansichten, auf denen ihre zeichnerische Übernahme zumindest schemenhaft zu erwarten (gewesen) wäre, ganz. Andererseits wäre es lebensfremd anzunehmen, dass die zuvor als Teile einer umfangreichen Grenzbebauung in der Nordhälfte des Baugrundstücks vorhandenen Mauern aus Anlass der Sanierung des alten und der Neuerrichtung eines weiteren Wohnhauses vollständig beseitigt werden oder - vor allem etwa an der Nordgrenze - komplett neu errichtet werden sollten. Die Richtigkeit dieser Annahme wird durch den nachgereichten „Ergänzungsplan“ vom 14. August 2014 bestätigt, der - in einer Mischung aus „Ansicht Ost“ (des Bestandsbaus) und „Schnitt C-C“ (des Neubaus) - den Höhenverlauf des Baugrundstücks von der G-straße im Süden bis zum rückwärtigen Grenzbereich im Anschluss an das Antragstellergrundstück abbildet. Darauf findet sich die ursprünglich einen Teil der nördlichen Seitenwand des „Baumagazins“ bildende bauliche Anlage als mit dunkelgrauer Farbe gekennzeichnete (damit wohl gemeint: Bestand) „Mauer“ mit „OK plus 0,90“ wieder. Diese bauliche Anlage soll demnach, wie es sich auch aus den Eintragungen im „Freiflächengestaltungsplan“ ergibt, 0,90 m über das daran auf dem Baugrundstück anschließende Gelände hinausreichen; sie bildet in diesem Bereich zugleich eine notwendige Umwehrung im Sinn von Art. 36 Abs. 1 Nr. 1 BayBO.

2.2 Die Genehmigung dieser Mauer, die vom Nachbargrundstück aus betrachtet eine Höhe von insgesamt etwas über 2,50 m erreicht, verletzt bei der vorliegenden Fallgestaltung keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Antragstellers.

Soweit diese bauliche Anlage das circa 1,70 m höher liegende Gelände des Baugrundstücks gegenüber dem tieferen Bodenniveau auf dem Antragstellergrundstück abstützt, übernimmt sie diese Funktion nicht erst aus Anlass oder im Zusammenhang mit den übrigen auf dem Baugrundstück zuletzt genehmigten Maßnahmen. Es besteht keine Veranlassung, dieses Bauwerk anders zu beurteilen als das auf dem Baugrundstück seit Jahrzehnten unverändert vorhandene, für die rechtliche Bewertung der übrigen Vorhaben als maßgeblich zugrunde zu legende Bodenniveau auf dem Baugrundstück (vgl. oben 1.2); die Mauer schließt - wie bisher - dieses Gelände in nördlicher Richtung ab. Die Genehmigung der Mauer bildet daher in dem bis zur Höhe des Baugrundstücks reichenden Teil nicht die öffentlich-rechtliche Grundlage für die erstmalige Schaffung neuer Verhältnisse, sondern schreibt lediglich den vorhandenen und vom Antragsteller bereits bisher hinzunehmenden Unterschied in den Höhen der aneinandergrenzenden Grundstücke auch für die Zukunft fest.

Die über das Bodenniveau auf dem Baugrundstück hinausgehenden 0,90 m der Mauer dienen, wie unter 2.1 am Ende bereits erwähnt, als Absturzsicherung. Da es keinem Zweifel unterliegt, dass die grenznahen Flächen auf dem Baugrundstück auch nach der Beseitigung der früher dort befindlichen Halle im Allgemeinen, insbesondere jedenfalls im Zusammenhang mit der Nutzung der Erdgeschosswohnungen des neuen Rückgebäudes und damit „an“ dieser baulichen Anlage, zum Begehen bestimmt sind, ist eine ausreichend hohe und feste Umwehrung gemäß Art. 36 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO bauordnungsrechtlich geboten. Diesen Vorgaben entspricht die bauliche Anlage.

2.3 Inwiefern die verbleibende Grenzmauer im Hinblick auf die damit ermöglichte Nutzung gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen soll, ist nicht ersichtlich. Eine nähere Begründung für diese Annahme enthält die Beschwerdebegründung nicht. Unabhängig davon besteht die Besonderheit dieses Falles darin, dass die Lageunterschiede der benachbarten Grundstücke seit sehr langer Zeit vorgegeben sind und diese Situation vom „Unterlieger“ hinzunehmen ist. Weder § 34 Abs. 1 BauGB, wonach das Verwaltungsgericht das Vorhaben als zulässig beurteilt hat und wogegen die Beschwerde als solches keine Einwände erhebt, noch die Vorschriften des Art. 6 BayBO über Abstandsflächen und Abstände vermitteln im Allgemeinen einen Schutz vor Einblicken in benachbarte Grundstücke (vgl. zu § 34 BauGB: BayVGH, B.v. 23.4.2014 - 9 CS 14.222 - juris Rn. 13 m. w. N.; für Art. 6 BayBO folgt das unter anderem jedenfalls aus der regelhaften Zulässigkeit von Balkonen und Erkern, die auf bis zu 2 m an die Nachbargrenze heranrücken dürfen, vgl. Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO). Soweit in vereinzelten Erkenntnissen (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2013 - 14 CE 13.928 - juris Rn. 14 und ThürOVG, U.v. 14.3.2012 - 1 KO 261/07 - BauR 2012, 1929 = juris Rn. 40, dort allerdings offen gelassen) auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen verwiesen wird (B.v. 22.2.2005 - 7 A 1408/04 - juris Rn. 6), wonach ab 1 m Höhenunterschied einer Terrasse in Grenznähe von nachteiligen und nicht hinzunehmenden Wirkungen für das Nachbargrundstück auszugehen sei, wird übersehen, dass § 6 Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 BauO NRW für solche Anlagen ausdrücklich die entsprechende Geltung der Abstandsvorschriften anordnet und vergleichbare, spezielle Regelungen in der Bayerischen oder der Thüringer Bauordnung fehlen. Im Übrigen kommt nach gefestigter Rechtsprechung (vgl. statt aller: BayVGH, U.v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 30 m. w. N.) unter dem Gesichtspunkt der Art der Nutzung beim Zusammentreffen von Wohnnutzungen untereinander ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen in Betracht. Auch das Rücksichtnahmegebot gibt dem Nachbarn insbesondere nicht das Recht, vor jeglicher Beeinträchtigung, speziell vor jeglichen Einblicken verschont zu bleiben. Gegenseitige Einsichtsmöglichkeiten sind im dicht bebauten innerstädtischen Bereich - so auch hier - unvermeidlich.

3. Soweit der Antragsteller es als „durchaus plausibel“ ansieht, dass „er und seine Familie durch Abgase und Geräusche (Quietschen!) aus der Tiefgarage belästigt werden“, weil ein etwa 0,50 m von der Grenze entfernt gelegener Lüftungsschacht unmittelbar gegenüber dem zu Erholungszwecken genutzten Garten vorgesehen ist, ist sein Vortrag schon nicht ausreichend schlüssig. Denn einerseits wird dieser Schacht von der 0,90 m hohen Grenzmauer vom Grundstück des Antragstellers abgeschirmt. Andererseits sind die mit einer zulässigen Wohnnutzung in der Nachbarschaft regelmäßig verbunden Geräusche des an- und abfahrenden Kraftfahrzeugverkehrs als sozialadäquat hinzunehmen (vgl. dazu bereits VGH BW, B.v. 20.7.1995 - 3 S 3538/94 - NVwZ-RR 1996, 254 = juris Rn. 8).

4. Die unter der Überschrift „h) Denkmalrecht“ lediglich enthaltene Verweisung auf einen Beitrag in der Zeitschrift Baurecht (BauR 2009, 1536 ff.) und das Zitat eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 21.4.2009 - 4 C 3.08) stellt auch in Verbindung mit dem Vorhalt, das Verwaltungsgericht hätte auch diese Frage nicht entscheiden dürfen, ohne den mehrfach beantragten Augenschein einzunehmen, keine ausreichende Darlegung von Beschwerdegründen dar.

5. Kosten: § 154 Abs. 2, Abs. 3 Halbs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Streitwert: § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl-Beilage 1/2014), wie Verwaltungsgericht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München

15 B 13.2414

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 24. November 2015

(VG Augsburg, Entscheidung vom 11. Juli 2013, Az.: Au 5 K 12.866)

15. Senat

P.-M., als stellvertretende Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Sachgebietsschlüssel: 920

Hauptpunkte: Zwingende Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse (eines); Zwingende Festsetzung der Dachform (Flachdach); Haustyp Flachdachbungalow ohne Dachaufbau; Unzulässigkeit von Dachterrassen; Nachbarschutz durch abschließenden, wechselseitigen Interessenausgleich im Bebauungsplan; Rücksichtslosigkeit infolge neuer Einsichtsmöglichkeiten, die nicht adäquate Folge der vorgegebenen baulichen Nutzungsmöglichkeiten sind;

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

1. ...,

2. ...,

gegen

Freistaat Bayern,

vertreten durch die Landesanwaltschaft Bayern, Ludwigstr. 23, 80539 München,

- Beklagter -

beigeladen:

...

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

wegen Baugenehmigung,

hier: Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 11. Juli 2013,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 15. Senat, durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Gänslmayer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schweinoch aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2015 folgendes Urteil:

I.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 11. Juli 2013 wird geändert. Die Baugenehmigung des Landratsamts Augsburg vom 29. Mai 2012 wird aufgehoben.

II.

Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen je zur Hälfte.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen eine Baugenehmigung des Beklagten vom 29. Mai 2012 für die Errichtung einer Dachterrasse mit Außentreppe auf dem südlich benachbarten Grundstück der Beigeladenen (Fl. Nr. 1270/3 Gemarkung S.).

Auf beiden Grundstücken wurden, ebenso wie auf 28 weiteren Bauflächen im Geltungsbereich des am 14. Mai 1971 öffentlich bekannt gemachten, ein reines Wohngebiet festsetzenden Bebauungsplans „Am K.“, den §§ 4 und 7 Abs. 1 dieser Satzung entsprechend, rund 3,20 m hohe, eingeschossige Flachdachbungalows errichtet. Der hier maßgebliche, nahezu rechteckige Planbereich wird vom R.-weg im Osten, der K.-straße im Süden und der G.-straße im Norden umgrenzt und ist vom in Nord-Süd-Richtung verlaufenden R.-weg aus in Richtung Westen gemessen bis zu 86 m breit. Die Größe der Grundstücke in diesem Areal reicht von rund 300 qm bis knapp 800 qm. Das Gelände steigt in dem beschriebenen Umgriff von Ost nach West um gut zwei Meter an. Bis auf zwei schräg nach Süden ausgerichtete Sonnenkollektoren-Elemente auf dem Haus Nr. 12 befinden sich in dieser Umgebung, von Rauchgaskaminen und Belichtungskuppeln abgesehen, keine über die mit Kies bedeckten Dachflächen der Hauptgebäude hinausreichenden Dachaufbauten.

Im Jahr 2011 wurde an der Westseite des auf dem Baugrundstück befindlichen Bungalows eine Außentreppe in Spindelform errichtet und auf dem Dach ein circa 25 qm großer Bereich mit Platten belegt, um ihn als Dachterrasse nutzen zu können. Nach einer Baukontrolle reichte die Beigeladene Ende Januar 2012 einen Bauantrag ein, den der Beklagte mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid genehmigte. Die Bauvorlage zeigt eine auf der Westhälfte des Flachdachs mittig angeordnete Terrassen-Hauptfläche von 4,50 m mal 4,50 m, an die sich nach Südwesten, zur Spindeltreppe hin versetzt, ein kleinerer, etwa 2,00 m mal 2,80 m messender Teil anschließt. Um die gesamte Fläche herum soll ein abbaubares, 0,90 m hohes Metallgeländer errichtet werden, dessen senkrechte Stäbe - von Mitte zu Mitte - jeweils einen Abstand von 0,12 m aufweisen.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 11. Juli 2013 ab. Ob das Vorhaben in Widerspruch zum Bebauungsplan stehe, könne letztlich dahinstehen, denn die zum Maß der Nutzung und zur Dachform getroffenen Festsetzungen vermittelten regelmäßig keinen Nachbarschutz. Für eine diesen Maßgaben seitens der Plangeberin ausnahmsweise beigelegte drittschützende Wirkung fehlten zureichende Anhaltspunkte. Das Vorhaben sei auch nicht rücksichtslos. Das Rücksichtnahmegebot gebe den Nachbarn nicht das Recht, vor jeglichen Einblicken verschont zu bleiben. Im dicht bebauten innerstädtischen Bereich, der sich vorliegend als besonders kleinteilig darstelle, seinen gegenseitige Einsichtnahmemöglichkeiten nahezu unvermeidlich.

Im Berufungsverfahren verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter und beantragen,

die Baugenehmigung des Beklagten vom 29. Mai 2012 unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 22. Juli 2013 aufzuheben.

Die Festsetzungen des Bebauungsplans zur Zahl der Vollgeschosse und zur Dachform seien nachbarschützend, was sich aus ihrer Auslegung unter Berücksichtigung der Planbegründung und weiterer Umstände ergäbe. Die mit den genannten Festsetzungen verbundenen Beschränkungen der Planbetroffenen dienten auch der gegenseitigen Absicherung der nach der Begründung zum Bebauungsplan gegebenen guten Wohnlage am Osthang. Bestätigt werde diese Zielsetzung durch das bewusste Festhalten der Stadt an diesen Festsetzungen im fraglichen Bereich, obwohl mehrfach Änderungswünsche an sie herangetragen worden seien.

Daneben sei das Rücksichtnahmegebot verletzt, da von der Dachterrasse aus das gesamte Wohnzimmer der Kläger, der Flur bis zur Haustür, weitere Aufenthaltsräume und der gesamte rückwärtige Gartenbereich der Kläger „von oben herab“ eingesehen werden könnten. Dieses Maß an Einsichtsmöglichkeiten überschreite die Grenze des Zumutbaren. Mit der durch das Vorhaben eröffneten qualifizierten Einsehbarkeit, die den sozialen Wohnfrieden erheblich stören könne, müsse hier gerade nicht gerechnet werden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Auch aus den Vorgängen zu Umfragen der Stadt aus den Jahren 1987 bis 1989 zu Möglichkeiten der Dachgestaltung im Plangebiet ergebe sich nicht, dass die ursprünglichen Festsetzungen auch zum Zweck des Nachbarschutzes getroffen worden seien. Selbst wenn in diesem Zusammenhang einzelne Eigentümer auf ihre freie Aussicht als schutzwürdigen Belang hingewiesen hätten, belege dies nicht, dass die Stadt seinerzeit drittschützende Festsetzungen habe treffen wollen. Bei den gegebenen Größe- und Lageverhältnissen sei das Maß des für die Nachbarn Zumutbaren nicht überschritten.

Die Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Regelungen zu Dachterrassen enthalte der Bebauungsplan nicht. Die Begründung zum Plan ziele nur darauf ab, den Gebietscharakter störende Nutzungen aus dem Plangebiet fernzuhalten. Über die festgesetzte Art der Nutzung hinaus vermittle der Plan keinen Drittschutz. Wegen der fehlenden Rücksichtslosigkeit sei auf das erstinstanzliche Urteil zu verweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Baugenehmigung vom 29. Mai 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.

1. Das bereits verwirklichte Vorhaben widerspricht dem Haustyp, den der am 14. Mai 1971 öffentlich bekannt gemachte Bebauungsplan „Am K.“ in der Fassung vom 9. Juni 1969, geändert am 5. Dezember 1969, für das Plangebiet verbindlich vorgeschrieben hat. Die Auslegung des Planexemplars und der Begründung zum Bebauungsplan sowie eine zu den Akten gelangte Äußerung des ersten Bürgermeisters vom 9. Dezember 1969 führen dazu, dass sich die Planbetroffenen untereinander auf die Einhaltung dieses Haustyps berufen können.

Der Bebauungsplan setzt in seinem hier maßgeblichen Geltungsbereich, der westlich des R.-wegs liegt, im Norden durch die G.-straße und im Süden durch die K.-straße begrenzt ist und aktuell 30 seit längerem bebaute und zwei unbebaute Grundstücke umfasst, ein reines Wohngebiet fest. Dazu treten die zwingende Begrenzung der Zahl der Vollgeschosse auf eines (vgl. neben der Planzeichnung auch § 4 des Textes der Satzung) und die weitere Festsetzung, dass für die Hauptgebäude nur Flachdächer zulässig sind (vgl. auch § 7 Abs. 1 des Textes). Die Begründung zum Bebauungsplan führt aus, dass die Nachfrage nach Wohnbauflächen in der nahe bei der Stadt Augsburg gelegenen Gemeinde sehr groß sei und für das - in seiner Ursprungsfassung annähernd doppelt so große - Plangebiet viele Bauanträge vorlägen. Wegen der guten Wohnlage (Osthang) werde das Gebiet als reines Wohngebiet ausgewiesen; es seien nur erdgeschossige Bebauung, Kettenhäuser und Einzelhäuser mit Flachdach zulässig. In einem während des Aufstellungsverfahrens an einen Einwender gerichteten Schreiben vom 9. Dezember 1969 führte der erste Bürgermeister zu den letztgenannten Festsetzungen aus, dass mit Rücksicht auf die Geländeform eine andere Bebauung nicht zugelassen werden könne; insbesondere dürfe der Ausblick in das Wertachtal und nach Augsburg nicht durch Dachaufbauten genommen werden. Zweigeschossigen Wohnhäusern mit Dachaufbauten könne daher nicht zugestimmt werden.

Die das Maß der baulichen Nutzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BBauG 1960, § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, § 18 BauNVO 1968, Art. 2 Abs. 5 Satz 1 BayBO 1969) und die Dachgestaltung (§ 9 Abs. 2 BBauG 1960, Art. 107 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 BayBO 1969) betreffenden Vorgaben beanspruchen ausnahmslose Gültigkeit. Der Bebauungsplan hat damit einen eingeschossigen, flach gedeckten Haustyp ohne Dachaufbauten entworfen und für verbindlich erklärt, an den die Planbetroffenen einerseits - ihre Baufreiheit einschränkend - gebunden sind. Nicht zuletzt aber deshalb, weil der Bebauungsplan bewusst keine Ausnahmen von seinen zur Höhenentwicklung wie auch zur Baugestaltung festgesetzten Maßgaben vorgesehen hat (vgl. dazu: OVG NRW, U. v. 3.5.2007 - 7 A 2364/06 - BauR 2007, 1560 = juris Rn.51; U. v. 12.12.1991 - 7 A 172/89 - juris Rn. 11 f.), liegt es nahe, dass dadurch auch ein abschließender Ausgleich der Interessen und Bauwünsche der Eigentümer im Plangebiet bewirkt werden sollte. Die strikte Einhaltung dieses deutlich hervorgehobenen Grundzugs der Planung liegt damit hier nicht allein im öffentlichen Interesse, sondern dient zugleich dem Interesse der Nachbarn am Fortbestand ihrer „guten Wohnlage“ am Osthang. Diese vermittelt auch - obgleich nicht von jedem, so aber doch von einer mehr als nur ganz geringfügigen Anzahl der Baugrundstücke aus - Ausblicke über das Wertachtal bis in das nahe gelegene Augsburg. Die Festsetzung des Bungalow-Haustyps dient deshalb in diesem besonders gelagerten Fall auch dem Nachbarschutz.

Einen Beleg für die Richtigkeit dieser Auslegung liefert der Umstand, dass die eingeschossige Flachdachbauweise ohne Dachaufbauten in den letzten vierzig Jahren einheitlich durchgehalten worden ist. Außer zwei haustechnischen Anlagen (schräg aufgestellte Sonnenkollektoren) finden sich - von Rauchgaskaminen abgesehen - keine die Flachdächer nennenswert überragenden Aufbauten. Das streitige Vorhaben ist das erste, das die bisher strikt ebenerdige Wohnnutzung um eine neue, zweite Ebene erweitern würde (vgl. ThürOVG, U. v. 26.2.2002 - 1 KO 305/99 - BRS 65 Nr. 130 = juris Rn. 36). Dass dies nicht den Intentionen des Bebauungsplans entspricht, ist demgegenüber seit mittlerweile mehr als vier Jahrzehnten „gelebte Überzeugung“ im Plangebiet.

Der Beklagte und die Beigeladene vertreten die Auffassung, das Vorhaben stehe nicht in Widerspruch zu einzelnen Festsetzungen des Bebauungsplans. Nachdem kein weiteres Vollgeschoss entstehe, werde die zwingende Festsetzung nur eines Vollgeschosses im Bebauungsplan nicht berührt. Da die Grundform des vorhandenen Flachdachs keine Wesensveränderung erfahre, könne das Vorhaben dieser Anforderung des Bebauungsplans an die Gestaltung der Hauptgebäude ebenfalls nicht widersprechen.

Diese Argumentation überzeugt nicht. Aus den zur Bestimmung des Inhalts der einschlägigen Festsetzungen des Bebauungsplans vorhandenen Unterlagen geht hervor, dass mit der Beschreibung eines allein zulässigen Haustyps - nämlich des eingeschossigen Flachdachbungalows ohne Dachaufbauten - das Verbot jeglicher (Wohn-)Nutzung auf den Dächern verbunden sein sollte. Die Unzulässigkeit der Errichtung von Dachaufbauten, wie beispielsweise der streitgegenständlichen Terrasse, ist zwar weder in der Legende zu den Planzeichen noch im Text der Satzung ausdrücklich angesprochen. Der Wille zum Ausschluss solcher Anlagen wird allerdings in den gleichzeitigen und zwingenden Festsetzungen zur Höchstzahl der Vollgeschosse und der damit verbunden Dachform im gesamten Geltungsbereich des Bebauungsplans ausreichend deutlich verlautbart. Es kann keine Rede davon sein, dass Flachdächer als solche generell für beliebige darauf stattfindende weitere Nutzungen offen stünden, zumal wenn diese - wie hier - der eigentlichen Funktion des Daches als oberem Abschluss eines Gebäudes widersprechen. Mit dem auf diese Weise im Plangebiet entstehenden einheitlichen Erscheinungsbild strikt eingeschossiger Wohnhäuser ist die Errichtung mit Absturzsicherungen eingefriedeter und zweckentsprechend möblierter Terrassen an beliebigen Standorten auf den jeweiligen Dächern deshalb auch rein optisch unvereinbar. Bestätigt wird dieser Befund durch die bereits zitierte Äußerung des ersten Bürgermeisters vom 9. Dezember 1969, dass nach dem Willen der Satzungsgeberin die Zulassung jeglicher Dachaufbauten ausscheide. Der damit festgestellte Inhalt der planerischen Festsetzungen würde sinnentstellend konterkariert, wenn man die Zulässigkeit des streitigen Vorhabens allein an eigens für diese Beurteilung voneinander getrennt betrachteten Einzelfestsetzungen des Bebauungsplans messen wollte. Deswegen kommt es weder darauf an, dass hier kein neues Geschoss entstehen soll, noch ist es - isoliert betrachtet - von Belang, dass das Flachdach als solches erhalten bleibt. Das Vorhaben steht im Widerspruch zu dem festgesetzten Haustyp „Flachdachbungalow ohne Dachaufbau“.

Den Klägern steht danach ein von individuellen Beeinträchtigungen unabhängiger Anspruch darauf zu, dass in ihrer Nachbarschaft im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Am K.“ keine Nutzung der Dachfläche zu Wohnzwecken genehmigt wird.

2. Daneben erweist sich das streitige Vorhaben als rücksichtslos, § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, weil von ihm Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst unzumutbar sind. Die in diesem Zusammenhang erforderliche Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls (BVerwG, B. v. 10.1.2013 - 4 B 48/12 - juris Rn. 7) ergibt das nachfolgende Bild.

Die Eigenart eines in einem konkreten Bebauungsplan festgesetzten einzelnen Baugebiets im Sinn des § 15 Abs. 1 BauNVO ergibt sich nicht allein aus den typisierenden Regelungen der BauNVO. Sie lässt sich vielmehr abschließend erst bestimmen, wenn zusätzlich auch die jeweilige örtliche Situation, in die ein Gebiet „hineingeplant“ worden ist, und der jeweilige Planungswille der Gemeinde, soweit dieser in den zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans unter Berücksichtigung der hierfür gegebenen Begründung zum Ausdruck gekommen ist, berücksichtigt werden (BVerwG, U. v. 4.5.1988 - 4 C 34/86 - BVerwGE 79, 309 = juris Rn. 21).

Die danach zu bestimmende Eigenart des Baugebiets ist oben unter 1. näher beschrieben. Die zwingende eingeschossige Flachdachbauweise wirkt sich maßgeblich auf die Bestimmung dessen aus, was den Planbetroffenen im Einzelfall an Belästigungen oder Störungen zugemutet werden kann. Das gilt umso mehr, wenn ein Vorhaben - wie hier - den vom Bebauungsplan abgesteckten Zulässigkeitsrahmen nur auf der Erdgeschossebene stattfindender Wohnnutzung verlässt. Mit der Verwirklichung eines solchen Vorhabens muss im Plangebiet niemand rechnen. Hier muss keiner der Planbetroffenen davon ausgehen, dass in sein Grundstück und in sein Wohnhaus von einer benachbarten Dachterrasse aus „von oben herab“ Einblick genommen wird. Diese neuen Einsichtsmöglichkeiten sind im vorliegenden Fall nicht die adäquate Folge der gegebenen baulichen Nutzungsmöglichkeiten und führen zu einer einseitigen und unzumutbaren Belastung der Nachbarn (vgl. ThürOVG, U. v. 26.2.2002 - 1 KO 305/99 - BRS 65 Nr. 130 = juris Rn. 43). Hier fällt zusätzlich ins Gewicht, dass gerade die nach Süden ausgerichtete Seite des Wohnhauses und der im Südwesten davon gelegene Terrassen- und Gartenbereich der Kläger von den angesprochenen Einsehbarkeiten betroffen sind.

3. Kosten: § 154 Abs. 1, Abs. 3 Halbs. 1, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.500, - Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.