Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2018 - 10 ZB 18.603

bei uns veröffentlicht am14.12.2018

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. Januar 2018 wird der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.

IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen die mit Bescheid des Beklagten vom 26. Januar 2017 ausgesprochene Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt sowie auf Ausstellung einer Bescheinigung über das Daueraufenthaltsrecht weiter.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das die diesbezügliche Klagen abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. Januar 2018 ist zulässig, aber unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) wurden schon nicht in einer den Anforderungen des § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren bleibt ebenfalls erfolglos.

1. a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht gelangte zu dem Ergebnis, dass die streitbefangene Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU rechtmäßig ist, weil sich der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids am 26. Januar 2017 noch nicht fünf Jahre ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe und auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger (mehr) sei. Folglich habe er auch keinen Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung über ein Daueraufenthaltsrecht.

Demgegenüber bringt der Kläger im Zulassungsverfahren vor, dass er sich seit seiner Einreise am 12. Oktober 2011 bis zum Erlass des Bescheids im Januar 2017 über fünf Jahre lang ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Er habe mangels gegenteiliger Information oder dahingehender Aufklärung darauf vertrauen dürfen, dass sein Aufenthalt nicht nur legal sondern auch rechtmäßig gewesen sei. Da weder im Freizügigkeitsgesetz noch in der Freizügigkeitsrichtlinie der rechtmäßige Aufenthalt definiert werde, könne damit nur der erlaubte Aufenthalt gemeint sein. Dies komme auch in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 27. Juli 2009 (BR-Drs. 670/09) unter Ziffer 4a.1 zum Ausdruck, wonach jeder Aufenthalt rechtmäßig sei, der entweder nach dem Freizügigkeits- oder nach dem Aufenthaltsgesetz erlaubt sei. Auch Ausweisungsmaßnahmen im Sinne des 17. Erwägungsgrundes, Satz 2, der Freizügigkeitsrichtlinie seien zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Kläger angeordnet worden. Schließlich sei er krankheitsbedingt nur vorübergehend arbeitsunfähig. Trotz seiner Erkrankungen (Depression, paranoide Schizophrenie, Alkoholismus, Bandscheibenvorfall, u.a.) bemühe er sich um Arbeit; es bestehe die Aussicht auf Beschäftigung.

Mit diesem Vorbringen zieht der Kläger jedoch die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht ernsthaft in Zweifel. Denn zum einen ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass rechtmäßig im Sinne des Unionsrechts nur ein Aufenthalt ist, der im Einklang mit den in der Richtlinie 2004/38 EG und insbesondere mit den in Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG aufgeführten Voraussetzungen steht (EuGH, U.v. 21.12.2011 - Ziolkowski und Szeja, C-424/10 u.a. - juris Rn. 46; U.v. 11.11.2014 - Dano, C-333/13 - juris Rn. 71; BVerwG, U.v. 16.7.2015 - 1 C 22.14 - juris Rn. 16 m.w.N.; U.v. 31.5.2012 - 10 C 8.12 - juris -Ls-, Rn. 15 f.; BayVGH, U.v. 18.7.2017 - 10 B 17.339 - juris Rn. 29). Dass das Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU einen fünfjährigen, auf Unionsrecht beruhenden rechtmäßigen Aufenthalt voraussetzt, folgt unter anderem aus dem 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38/EG, wonach der Daueraufenthalt den Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen zugutekommen soll, die sich gemäß den in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen fünf Jahre lang ununterbrochen in dem Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben (EuGH, U.v. 21.12.2011 - Ziolkowski und Szeja, C-424/10 u.a. - juris Rn. 42). Demzufolge ist in der (aktuellen) Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 3. Februar 2016, GMBl 2016 Nr. 5, S. 86 (AVV zum FreizügG/EU) unter Ziffer 5.4.1.3 klargestellt, dass sowohl nach den europarechtlichen Vorgaben (Art. 16 Abs. 1 Freizügigkeitsrichtlinie) als auch nach nationalem Recht (§ 4a Abs. 1 FreizügG/EU) für den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts ein rechtmäßiger Aufenthalt von fünf Jahren gemäß dem Freizügigkeitsrecht Voraussetzung ist (s. auch BT-Drs. 18/2581, S. 16). „Rechtmäßig“ im Sinne des § 4a Abs. 1 FreizügG ist der fünfjährige ständige Aufenthalt nur dann, wenn er nach den Regeln des Freizügigkeitsrechts rechtmäßig war (vgl. Ziffer 4.a.1.1 AVV zum FreizügG/EU).

Zum anderen kann der Kläger mit der pauschalen Behauptung, nur vorübergehend arbeitsunfähig zu sein und Aussicht auf Beschäftigung zu haben, die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts zur Begründung der fehlenden Freizügigkeitsberechtigung im Sinne von § 2 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 FreizügG/EU nicht ernsthaft in Zweifel ziehen. Insbesondere ist das Gericht wegen der beim Kläger bestehenden Vermittlungshemmnisse wie Erkrankungen und gesundheitliche Beeinträchtigungen sowie aufgrund fehlender Sprachkenntnisse zu Recht davon ausgegangen, dass objektiv keine Aussicht auf Aufnahme einer Erwerbstätigkeit besteht (s. UA Rn. 41-43). Dem ist der Kläger allein durch die nicht weiter belegte Behauptung, „die Aussicht in Arbeit zu kommen ist da“, nicht substantiiert entgegengetreten.

b) Soweit der Kläger seinen Zulassungsantrag auch auf besondere tatsächlich oder rechtliche Schwierigkeiten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO stützt, lässt sich dem Vorbringen im Zulassungsantrag nicht entnehmen, worin die besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache liegen sollen. Damit ist dieser Zulassungsgrund bereits nicht im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 2.5.2011 - 8 ZB 10.2312 - juris Rn. 21 m.w.N.).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG, wobei sich die Ergänzung des ursprünglichen Klagebegehrens auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids vom 26. Januar 2017 durch die (weitere) Klage auf Ausstellung einer Bescheinigung über das Daueraufenthaltsrecht streitwerterhöhend auswirkt (so i.E. auch BayVGH, U.v. 18.7.2017 - 10 B 17.339 - juris Rn. 70).

4. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren ist abzulehnen, weil der Antrag auf Zulassung der Berufung aus oben genannten Gründen keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2018 - 10 ZB 18.603

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2018 - 10 ZB 18.603

Referenzen - Gesetze

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2018 - 10 ZB 18.603 zitiert 13 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 39 Grundsatz


(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert be

Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis


Abfallverzeichnis-Verordnung - AVV

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2018 - 10 ZB 18.603 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2018 - 10 ZB 18.603 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 18. Juli 2017 - 10 B 17.339

bei uns veröffentlicht am 18.07.2017

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hi

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 09. Juni 2016 - 1 BvR 2453/12

bei uns veröffentlicht am 09.06.2016

Tenor 1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2012 - 2 LA 234/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Gru

Referenzen

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2012 - 2 LA 234/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Niedersachsen hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein verwaltungsgerichtliches Verfahren aus dem Bereich des Schulrechts.

2

1. a) Der Beschwerdeführer besuchte ein öffentliches technisches Fachgymnasium. Da er an einer Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) leidet, beantragte er zum Nachteilsausgleich eine Schreibzeitverlängerung für die Anfertigung von Klausuren sowie die Nichtbewertung der Rechtschreibung (sog. Notenschutz). Die Schule lehnte dies ab.

3

b) Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die Schule, dem Beschwerdeführer bis zur Entscheidung in der Hauptsache bei der Anfertigung schriftlicher Leistungsüberprüfungen außer in naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern eine Schreibzeitverlängerung von 10 % der jeweiligen Bearbeitungszeit zu gewähren. Soweit der Eilantrag darüber hinaus auf vorläufige Gewährung eines Zeitzuschlages von 25 % und Notenschutz bezüglich der Rechtschreibleistung in allen Fächern sowie auf die ebenfalls bereits vorgerichtlich geltend gemachte Verpflichtung der Schule gerichtet war, ihn in Mathematik anwendungsbezogen auf das erste Prüfungsfach Elektronik zu unterrichten, blieb er ohne Erfolg. Eine vom Beschwerdeführer in dieser Sache erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 2129/08).

4

c) In der Hauptsache fasste das Verwaltungsgericht zunächst einen Beweisbeschluss zur Frage der medizinischen Notwendigkeit eines weitergehenden Nachteilsausgleichs. Dieser wurde jedoch nicht mehr ausgeführt, nachdem der Beschwerdeführer die Allgemeine Hochschulreife erworben hatte. Der Beschwerdeführer stellte seine Klage daraufhin um. Neben Feststellungsanträgen begehrte er, seine unter anderem auf Klausurabwertungen wegen Schreibfehlern (sog. "GRZ-Abzug") beruhenden Kursnoten im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 anzuheben.

5

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die in der Jahrgangsstufe 12 erteilten Einzelnoten seien bestandskräftig geworden und daher nicht mehr anfechtbar. Der Zulässigkeit der Feststellungsanträge stehe teilweise der Subsidiaritätsgrundsatz und teilweise das Fehlen eines Feststellungsinteresses entgegen.

6

d) Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss ab.

7

aa) Es könne offenbleiben, ob das Verwaltungsgericht die halbjährlichen Kursabschlussnoten als eigenständig anfechtbare Regelungen habe ansehen dürfen. Die Versäumung der Widerspruchsfrist sei insoweit jedenfalls unschädlich, da die Widerspruchsbehörde eine Sachentscheidung getroffen habe. Von der Bestandskraft der Einzelnoten könne daher nicht ausgegangen werden.

8

An der Richtigkeit der Ablehnung des Verpflichtungsantrags bestünden im Ergebnis gleichwohl keine ernstlichen Zweifel, da nicht ersichtlich sei, dass die den Kursnoten zugrunde liegenden Bewertungen fehlerhaft gewesen sein könnten. Es sei in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass unter einer Legasthenie leidenden Schülern zum Nachteilsausgleich nur Schreibzeitverlängerungen gewährt werden könnten oder die Nutzung technischer Hilfsmittel gestattet werden könne. Die Gewährung von Notenschutz (durch Nichtbewertung der Rechtschreibung) sei demgegenüber in der Regel nicht zulässig, da sie zu einer Benachteiligung von Schülern führen könne, denen aus sonstigen Gründen Rechtschreibfehler in größerem Umfang unterliefen. Darüber hinaus komme ein Ausgleich durch Notenschutz deswegen nicht in Betracht, weil sich die vom Beschwerdeführer beanstandeten Noten gerade auf das Fach Deutsch bezögen und in diesem unter anderem Rechtschreibung und Zeichensetzung zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen gehörten. Ein Anspruch auf Notenschutz folge selbst bei einem den Behinderungsbegriff erfüllenden Ausmaß der Legasthenie auch nicht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, da sich hieraus ein originärer subjektiver Leistungsanspruch nicht ableiten lasse. Unmittelbar aus Art. 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, BGBl 2008 II S. 1419) ergäben sich ebenfalls keine entsprechenden Rechte. Schließlich sehe die geltende Erlasslage in gewissem Umfang eine differenzierte Bewertung vor und eröffne einen pädagogischen Bewertungsspielraum, der eine einzelfallgerechte Berücksichtigung des Erscheinungsbildes der Legasthenie ermögliche. Es sei nicht ersichtlich, dass bei der Bewertung der den beanstandeten Kursnoten zugrunde liegenden Deutschklausuren hiervon in willkürlicher Weise abgewichen worden sei.

9

bb) Auch das Feststellungsinteresse habe das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Ein Rehabilitationsinteresse könne nicht bejaht werden, da von den Einzelnoten und der Durchschnittsnote des Abiturzeugnisses keine den Beschwerdeführer in seiner Persönlichkeit diskriminierende Wirkung ausgehe. Die Bewertung im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 könne für sich gesehen nicht als diskriminierend angesehen werden, zumal sich die begehrte Anhebung nicht auf die Durchschnittsnote auswirken würde. Hinsichtlich anderer Einzelnoten habe der Beschwerdeführer nicht näher dargelegt, welche Punktzahl er für angemessen halte. Soweit er sein Feststellungsbegehren auf eine beabsichtigte Amtshaftungsklage stütze, habe das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass eine solche mangels Verschuldens offensichtlich aussichtslos sei.

10

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG, aus Art. 3 Abs. 1 und 3 GG in Verbindung mit der UN-Behindertenrechtskonvention sowie aus Art. 12 GG und führt dies näher aus. Insbesondere rügt er, das Ausgangsgericht habe zu keinem Zeitpunkt in einem ordentlichen Hauptsacheverfahren durch Beweisaufnahme geprüft, welche Maßnahmen notwendig gewesen seien, um die behinderungsbedingten Nachteile auszugleichen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es aber uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar, ob ein in Prüfungen gewährter Nachteilsausgleich die Störung vollständig ausgeglichen habe, was gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen zu ermitteln sei (Hinweis auf BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 1992 - 1 BvR 1295/90 -, NJW 1993, S. 917 <918>). Das Oberverwaltungsgericht habe zudem verkannt, dass er durch die Anlegung desselben Leistungsbemessungsmaßstabs wie bei seinen nicht behinderten Mitschülern in einem Bereich, in dem er aufgrund seiner Funktionsstörung nicht gleichermaßen leistungsfähig sein könne, benachteiligt worden sei. Aus fachärztlicher Sicht habe er in allen Fächern zusätzlich 25 % der üblichen Bearbeitungszeit benötigt, um die gleichen Chancen bei der Bearbeitung der anstehenden Aufgaben zu haben. Ein reiner Nachteilsausgleich führe, auch wenn er den Verzicht auf die Benotung der Rechtschreibung beinhalte, keineswegs zu einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit nichtbehinderter Mitschüler. Dadurch, dass es das Oberverwaltungsgericht versäumt habe, seine willkürliche Entscheidung aus dem Eilverfahren im Berufungszulassungsverfahren zu korrigieren, nehme es ihm die Möglichkeit der Rehabilitation und verschärfe damit die bereits erfolgte Diskriminierung. Damit werde zudem eine Amtshaftungsklage bewusst ausgeschlossen und würden legasthene Schüler in Niedersachsen im Ergebnis rechtlos gestellt.

11

3. Die Verfassungsbeschwerde ist dem Niedersächsischen Justizministerium und der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der vormaligen Schule des Beschwerdeführers, zugestellt worden. Diese haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

II.

12

1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.

13

2. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

14

a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet zwar keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136 f.>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grund dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; 134, 106 <117 f. Rn. 34>).

15

b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.

16

aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies hat der Beschwerdeführer getan. Er hat aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht seinen Verpflichtungsantrag rechtsfehlerhaft als unzulässig behandelt hat und die angenommene Unzulässigkeit der Feststellungsanträge betreffend den Notenschutz und den Umfang des ihm zustehenden Nachteilsausgleichs aus Subsidiaritätsgründen zumindest ernstlichen - vom Oberverwaltungsgericht selbst näher aufgezeigten - Zweifeln begegnet. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.

17

bb) Es begegnet zwar keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere Gründe entscheidungstragend abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. BVerfGE 134, 106 <119 f. Rn. 40>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).

18

Dass dem Beschwerdeführer vor Erlass der angegriffenen Entscheidung im Hinblick auf die neue Begründung des Oberverwaltungsgerichts im Berufungszulassungsverfahren rechtliches Gehör gewährt worden wäre, lässt sich den beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens nicht entnehmen. Darüber hinaus lagen die Voraussetzungen für einen Austausch der Begründung hiernach auch nicht vor.

19

(1) Hinsichtlich der auf den Notenschutz bezogenen Klageanträge ergibt sich dies schon daraus, dass das Oberverwaltungsgericht die angenommene inhaltliche Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf Gründe stützt, denen ihrerseits grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Denn die Heranziehung von Erwägungen mit Grundsatzbedeutung zur Ablehnung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel verkürzt den vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehenen Rechtsschutz im Berufungsverfahren in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise (vgl. BVerfGK 10, 208 <213 f. m.w.N.>).

20

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in der revisionszulassungsrechtlichen Bestimmung des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerfGK 10, 208 <214>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2011 - 1 BvR 1764/09 -, NVwZ-RR 2011, S. 963 <964>).

21

Nach diesen Maßstäben kam der vom Oberverwaltungsgericht verneinten Frage, ob der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Legasthenie so genannten Notenschutz in Form der Nichtbewertung der Rechtschreibung verlangen konnte, grundsätzliche Bedeutung zu. Denn ihre Beantwortung hat Bedeutung weit über den Einzelfall des Beschwerdeführers hinaus und betrifft den Umfang des verfassungsrechtlich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit im Prüfungsrecht (BVerfGE 52, 380 <388>) als auch des Benachteiligungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (BVerfGE 96, 288<301 ff.>) bestehenden Anspruchs auf behinderungsbezogenen Nachteilsausgleich (zu der namentlich aus den verfassungsrechtlichen Bezügen abgeleiteten Grundsatzbedeutung der Rechtmäßigkeit der Bemerkung der Nichtberücksichtigung von Rechtschreibleistungen im Abiturzeugnis vgl. BayVGH, Urteile vom 28. Mai 2014 - 7 B 14.22 u.a. -, juris, Rn. 27). Die umstrittene Frage des Umfangs des Nachteilsausgleichs, der an Legasthenie leidenden Schülern zusteht, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts noch nicht höchstrichterlich geklärt. Erst im Jahr 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass aus dem Gebot der Chancengleichheit nur Ansprüche auf Änderung der Prüfungsbedingungen (Nachteilsausgleich), nicht aber solche auf Änderung des Maßstabs der Leistungsbewertung (Notenschutz) abgeleitet werden könnten (BVerwGE 152, 330). Hiergegen sind beim Bundesverfassungsgericht mittlerweile Verfassungsbeschwerden anhängig (Az. 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2578/15 und 1 BvR 2579/15), über die noch nicht entschieden ist.

22

Das Oberverwaltungsgericht konnte die Nichtzulassung der Berufung wegen inhaltlicher Richtigkeit daher hierauf nicht stützen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der flankierenden Erwägungen, im Fach Deutsch gehörten Rechtschreibung und Zeichensetzung gerade zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen und der Schutz des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG beschränke sich auf seine Funktion als Abwehrrecht. Gleiches gilt für den Hinweis auf den nach den einschlägigen schulrechtlichen Ausführungsbestimmungen bestehenden pädagogischen Spielraum. Ob die erfolgten Abwertungen unter Berücksichtigung des Spielraums der Behinderung des Beschwerdeführers hinreichend Rechnung trugen, wäre gegebenenfalls erst in einem Berufungsverfahren zu klären gewesen.

23

(2) Auch mit Blick auf das (verneinte) Feststellungsinteresse verkürzt das Oberverwaltungsgericht die verfassungsrechtlich garantierten Zugangsmöglichkeiten zum Berufungsverfahren. Soweit es ausführt, es fehle an dem (vom Verwaltungsgericht insoweit nicht geprüften) Feststellungsinteresse, weil die Ausweisung der Deutschnoten in der Jahrgangsstufe 12 mit Blick auf deren Auswirkungen auf das Abiturergebnis keinen diskriminierenden Charakter hätten und der Beschwerdeführer hinsichtlich der anderen Einzelnoten schon nicht näher dargelegt habe, welche Punktzahl er für erforderlich halte, lagen diese Erwägungen nicht ohne Weiteres auf der Hand und überschritten den statthaften Prüfungsumfang im Berufungszulassungsverfahren. Inhaltlich liegen sie auch eher fern, weil der Beschwerdeführer dargelegt hat, dass die Feststellung, welche Noten er mit der von ihm für notwendig gehaltenen längeren Schreibzeitverlängerung in allen Fächern erreicht hätte, im Nachhinein nicht möglich ist. Gerade deswegen blieb ihm aber nur die Möglichkeit eines Feststellungsantrags, um eine in den erreichten Noten gegebenenfalls fortwirkende Benachteiligung durch einen entsprechenden Feststellungsausspruch zu beseitigen. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist im Übrigen geklärt, dass sich das notwendige Feststellungsinteresse in einer solchen Situation bereits aus der Geltendmachung einer fortdauernden faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung ergeben kann (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - BVerwG 1 WB 59.13 -, juris, Rn. 20; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 146 m.w.N.), die hier insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gerügt wird.

24

3. Auf die Beantwortung der weiteren vom Beschwerdeführer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen kommt es nicht an, da der angegriffene Beschluss die Berufungszulassung behandelt und keine Entscheidung zur Sache enthält.

III.

25

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf dem Verfassungsverstoß. Er ist daher gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache ist an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

26

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 ff.>).

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der am ... 1950 geborene Kläger ist ungarischer Staatsangehöriger. Er reiste zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein und erhielt, nachdem er sich am 9. August 2010 bei der Beklagten angemeldet hatte, am 17. August 2010 eine befristete Bescheinigung über das Bestehen eines Freizügigkeitsrechts nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU in der damals gültigen Fassung.

Nach seinen Angaben hat der Kläger in der Zeit vom 17. Mai 2010 bis zum 1. Dezember 2011 bei verschiedenen Arbeitgebern gearbeitet. Er hatte in dieser Zeit von der Sofortvermittlung des Jobcenters ... verschiedene Arbeitsvermittlungsvorschläge erhalten. Ab dem 1. Dezember 2011 bezog er Sozialleistungen.

Deshalb hörte ihn die Beklagte mit Schreiben vom 13. Juli 2012 zu einer beabsichtigten Verlustfeststellung an.

Der ambulante Fachdienst Wohnen des Katholischen Männerfürsorgevereins teilte mit Schreiben vom 10. September 2012 mit, dass sich der Kläger seinen eigenen Angaben zufolge seit Anfang 2006 ständig in M. aufhalte, teilweise wohnungslos gewesen sei und sich intensiv um eine Beschäftigung bemühe. Dies gestalte sich jedoch aufgrund der bestehenden Vermittlungshemmnisse, insbesondere Alter bzw. Gesundheit, schwierig.

Am 15. Oktober 2012 wurde ein Vertrag des Klägers mit dem Zeitarbeitsunternehmen xy Personalmanagement GmbH vorgelegt, wonach ab dem 5. November 2012 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Daraufhin stellte die Beklagte dem Kläger am 5. November 2012 eine unbefristete Bescheinigung über das Bestehen eines Freizügigkeitsrechts nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU in der damals geltenden Fassung aus. Das Arbeitsverhältnis wurde am 30. November 2012 vom Arbeitgeber gekündigt.

Seit Dezember 2012 befand sich der Kläger im laufenden Sozialleistungsbezug, weshalb ihn die Beklagte mit Schreiben vom 14. Juni 2013 erneut zur beabsichtigten Verlustfeststellung anhörte. Der Kläger legte einen neuen Vertrag mit dem Zeitarbeitsunternehmen vor, wonach er im Zeitraum 18. bis 28. Juni 2013 dort beschäftigt sei. Der Vertrag war auf 400-Euro-Basis mit einer maximalen Stundenzahl von 40 Stunden pro Monat geschlossen und sah ein Entgelt von 8,19 Euro pro Stunde vor.

Das Jobcenter teilte der Beklagten mit, dass für den Kläger Leistungen nach dem SGB II bis 30. November 2013 bewilligt seien. Der Kläger arbeite immer wieder bei Zeitarbeitsunternehmen. Im Juni 2013 habe er ein Gesamteinkommen von 202,36 Euro erzielt, im Juli 2013 von 285,16 Euro. In der Zeit vom 7. bis 30. November 2012 habe er lediglich 66,5 Stunden gearbeitet und dabei 681,89 Euro brutto verdient. Im August 2013 habe er 311,23 Euro brutto verdient. Es habe sich ein Unfall ereignet; das Arbeitsverhältnis scheine beendet zu sein. Der Kläger sei bis Ende Oktober 2013 krank geschrieben.

Mit Bescheid vom 6. Juni 2014 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger sein Recht auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland verloren habe (Ziffer 1). Er sei verpflichtet, das Bundesgebiet bis 20. Juni 2014 zu verlassen. Sofern er seiner Ausreisepflicht nicht fristgerecht nachkomme, werde er nach Ungarn oder in einen anderen zur Rückübernahme verpflichteten oder bereiten Staat abgeschoben (Ziffer 2).

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Der Klageschrift waren als Anlagen u.a. eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 29. April 2014, die dem Kläger Arbeitsunfähigkeit bis 31. Mai 2014 attestiert, und eine Bescheinigung der gesetzlichen Unfallversicherung über den Bezug von Verletztengeld bis zum 1. Juni 2014 beigefügt. Ferner legte der Kläger ein Schreiben seines ehemaligen Arbeitgebers vor, wonach versucht werde, ihn baldmöglichst wieder einzustellen.

Im Klageverfahren teilte er mit, dass sich sein Gesundheitszustand nach dem Arbeitsunfall nicht mehr ausreichend verbessert habe, um seine Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen. Das Versorgungsamt habe ihm am 1. Juli 2014 einen Grad der Behinderung von 30 v. H. bescheinigt. Eine Erwerbsminderungsrente sei durch die gesetzliche Unfallversicherung nicht gewährt worden. Er sei seit dem 1. Oktober 2015 Rentner und erhalte eine Regelaltersrente in Höhe von 5,38 Euro. Er habe am 28. August 2013 einen Arbeitsunfall bei einem Sprung vom Müllwagen erlitten. Seither sei er arbeitsunfähig und beziehe Verletztengeld. Mit Bescheid des Jobcenters vom 17. Oktober 2014 sei eine andauernde Leistungsminderung festgestellt worden.

Seine Klage auf Aufhebung des Bescheides vom 6. Juni 2014 hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 22. Juni 2016 abgewiesen. Die nach pflichtgemäßem Ermessen ausgesprochene Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU erweise sich im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung als rechtmäßig. Die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU seien innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen. Der Kläger habe sich frühestens seit Mai 2010 ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, so dass eine Verlustfeststellung im Juni 2014 noch ergehen habe können. Soweit der Kläger geltend mache, sich bereits seit dem Jahr 2006 im Bundesgebiet aufgehalten zu haben, gebe es dafür keine Nachweise. Insbesondere sei er nicht im Bundesgebiet gemeldet gewesen, habe über keinen festen Wohnsitz verfügt und nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Es sei auch nicht vorgetragen, dass der Kläger bereits vor Mai 2010 den Tatbestand einer Freizügigkeitsberechtigung im Sinne von § 2 FreizügG/EU erfüllt habe. Zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 6. Juni 2014 sei der Aufenthalt des Klägers nicht mehr rechtmäßig gewesen, da er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gemäß § 2 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt gewesen sei. Der Kläger sei zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses kein Arbeitnehmer im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU gewesen. Das letzte Vertragsverhältnis habe am 30. August 2013 geendet. Auch sei er nicht mehr arbeitssuchend gewesen. Die Arbeitssuche des Klägers habe bereits seit Mai 2010 gedauert, da er zu keinem Zeitpunkt Arbeitnehmer im Sinne des Freizügigkeitsgesetzes gewesen sei. Für die Zeit vor November 2012 ergebe sich aus den vorgelegten Unterlagen kein auf Dauer angelegtes und nicht völlig untergeordnetes Arbeitsverhältnis. Auch die Vertragsverhältnisse, die der Kläger ab November 2012 mit dem Zeitarbeitsunternehmen geschlossen habe, hätten keine Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Freizügigkeitsgesetzes begründet. Das Zeitarbeitsunternehmen habe den Kläger nicht im Rahmen eines festen Zeitarbeitsvertrages angestellt und ihn bei einer verlässlichen Basislohnzahlung zu verschiedenen Unternehmen entsandt. Der Kläger sei nur auf Abruf für wenige Stunden tätig geworden und habe nur für die hierbei geleistete Arbeit Lohn erhalten. Das Vertragsverhältnis des Klägers mit dem Zeitarbeitsunternehmen ab 18. Juni 2013 sei befristet gewesen. Auch bei diesem Vertragsverhältnis sei keine feststehende Stundenzahl und damit kein feststehendes Entgelt vereinbart worden, der Vertrag sei nur von kurzer Dauer und die Stundenzahl sehr beschränkt gewesen. Soweit das Vertragsverhältnis nach Ablauf des schriftlichen Vertrages weitergeführt worden sei, sei dies zu denselben Bedingungen erfolgt. Es sei davon auszugehen, dass die Beschäftigung des Klägers über den Ablauf der Befristung hinaus auf mündlichen Abreden beruht habe und bis zum 30. August 2013 befristet gewesen sei. Folglich habe die Arbeitssuche schon länger als sechs Monate gedauert. Zudem habe der Kläger keine Arbeit gesucht. Eine Freizügigkeitsberechtigung des Klägers bestehe nicht und habe auch nicht aufgrund vorangegangener Erwerbstätigkeit gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 FreizügG/EU bestanden. Er sei mittlerweile dauerhaft erwerbsunfähig, so dass keine vorübergehende Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall vorliege. Zudem sei er nicht mehr als ein Jahr erwerbstätig gewesen. Der Kläger sei auch nicht nach § 2 Abs. 2 Nr. 5, § 4 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt, da er nicht über ausreichende Existenzmittel verfüge und der Anspruch auf Sozialleistungen hier unangemessen sei. Der Kläger habe auch kein Daueraufenthaltsrecht erworben, da er sich nicht seit fünf Jahren ständig und rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die Voraussetzungen des § 4a Abs. 2 FreizügG/EU lägen nicht vor. Der Vertrag mit dem Zeitarbeitsunternehmen, der nach dem oben Gesagten jedoch ohnehin nicht die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers begründet habe, habe zum 30. August 2013 geendet. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger nur vorübergehend erwerbsunfähig gewesen.

Mit Beschluss vom 20. Februar 2017 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung zugelassen.

Im Berufungsverfahren bringt der Kläger vor, der streitgegenständliche Bescheid sei aufzuheben, da er am 6. Juni 2014 freizügigkeitsberechtigt gewesen sei. Er sei seit Mai 2010 beim Jobcenter München gemeldet gewesen und habe regelmäßig Gelegenheitsjobs vermittelt bekommen. Er sei bis Ende 2011 konkret oder ernsthaft auf Arbeitssuche gewesen. Da er auch in den Jahren 2012 und 2013 bis zu seinem Arbeitsunfall am 28. August 2013 Beschäftigungen nachgegangen sei, zeige dies, dass er in den beschäftigungslosen Zwischenzeiten weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg auf Arbeitssuche war. Er sei deshalb in dieser Zeit freizügigkeitsberechtigt gewesen. Ein Wegfall des Erwerbstätigenstatus komme nur dann in Betracht, wenn aufgrund objektiver Umstände davon auszugehen sei, dass der Unionsbürger in Wirklichkeit keinerlei ernsthafte Absichten verfolge, eine Beschäftigung aufzunehmen. Der Kläger sei in der Vermittlungszeit nicht für einen einzelnen Arbeitgeber tätig gewesen, sondern habe nur jeweils kurzfristige Beschäftigungen gehabt, die in ihrer Gesamtheit aber ebenso wie ein konkretes Arbeitsverhältnis betrachtet werden könnten (Art. 45 Abs. 3 Buchst. c AEUV). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe das am 18. Juni 2013 begründete Arbeitsverhältnis nicht am 30. August 2013 geendet. Dieses Arbeitsverhältnis sei zwar bis zum 28. Juni 2013 befristet gewesen. Es habe aber auch ohne die Erhebung einer Feststellungsklage fortbestanden, weil die Tätigkeit unzweifelhaft über den vereinbarten Beendigungszeitpunkt hinaus fortgesetzt worden sei. Der Kläger sei Arbeitnehmer gewesen. Es dürfe sich nicht auf die Arbeitnehmereigenschaft auswirken, ob der Arbeitgeber die vertraglich zugesagte Vergütung leiste oder ob er die vertraglich vereinbarte Stundenzahl beim Arbeitnehmer einfordere. Er sei deshalb zum Zeitpunkt des Unfalls am 28. August 2013 als Arbeitnehmer freizügigkeitsberechtigt gewesen. Die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen belegten eine vorübergehende Erwerbsminderung infolge des Unfalls. Ihm sei deshalb auch Verletztengeld bezahlt worden. Dies werde gemäß § 45 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB VII erbracht, wenn Versicherte infolge von Arbeitsunfällen oder durch Berufskrankheiten arbeitsunfähig seien und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt hätten. Erst mit Bescheid des Jobcenters München vom 17. Oktober 2014 sei ihm mitgeteilt worden, dass er nach Feststellung des Ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 16. September 2014 nicht mehr erwerbsfähig sei, da eine andauernde Leistungsminderung vorliege. Zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Bescheids der Beklagten sei er deshalb noch vorübergehend erwerbsgemindert im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU gewesen, so dass die unionsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft erhalten geblieben sei. Die Klage werde auf Verpflichtung der Beklagten auf Bescheinigung eines Daueraufenthaltsrechts erweitert. Der Antrag sei sachdienlich, um im Falle der beantragten Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides eine abschließende Beilegung des Rechtsstreits zu erzielen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 22. Juni 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2014 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger sein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht zu bescheinigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es sei davon auszugehen, dass der Kläger ab 9. August 2010, frühestens jedoch ab Mai 2010 seinen ständigen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet begründet habe. Im Mai 2010 habe er erstmals beim Jobcenter ein Vermittlungsangebot erhalten. Entgegen der Auffassung des Klägers könne in der Vermittlungszeit bis Ende 2010 und auch in der Zeit danach nicht generell von einer Freizügigkeitsberechtigung wegen Arbeitssuche ausgegangen werden. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU seien Unionsbürger, die sich zur Arbeitssuche aufhalten, für bis zu 6 Monate und darüber hinaus nur dann freizügigkeitsberechtigt, solange sie nachwiesen, dass sie weiterhin Arbeit suchten und begründete Aussicht hätten, eingestellt zu werden. Dieser 6-Monatszeitraum sei überschritten worden. Unabhängig davon, wie die kurzfristigen oder tageweise Beschäftigungen des Klägers in der Vermittlungszeit rechtlich zu qualifizieren seien, habe es in dieser Zeit auch mehr als sechs Monate gegeben, in denen er keiner Beschäftigung nachgegangen sei. Der Kläger habe für diesen Zeitraum auch keine ausreichenden Nachweise erbracht, dass er ernsthaft im Bundesgebiet einen Arbeitsplatz gesucht habe, sich ernsthaft und nachhaltig um eine Arbeitsstelle bemüht habe und sein Bemühen objektiv nicht aussichtslos gewesen sei. Darüber hinaus könne er in der Vermittlungszeit auch nicht als Arbeitnehmer im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs angesehen werden. Er habe nach eigenen Angaben in dieser Zeit immer wieder nur kurzfristige Beschäftigungen ausgeübt. Diese Beschäftigungen dauerten überwiegend nur wenige Tage. Die jeweils kurzfristigen Beschäftigungen könnten auch als Block die Arbeitnehmereigenschaft nicht begründen. Auch das Beschäftigungsverhältnis mit der xy Personalmanagement im Sommer 2013 habe die Arbeitnehmereigenschaft nicht begründet. Es sei in Übereinstimmung mit dem Erstgericht von einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit der xy Personalmanagement zum 30. August 2013 auszugehen. Entscheidend sei jedoch, dass die Arbeitnehmereigenschaft durch den Vertrag vom 18. Juni 2013 bzw. eine Tätigkeit für die xy Personalmanagement bis zum 30. August 2013 im Ergebnis zu verneinen sei. Insbesondere sei der Umfang der vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten zu gering, um auf Basis einer Gesamtbewertung von einer Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ausgehen zu können. Jedenfalls sei aber die Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des § 2 FreizügG/EU spätestens im Zeitpunkt der Feststellung der dauernden Erwerbsunfähigkeit am 17. Oktober 2014 entfallen. Ab dem Zeitpunkt der Feststellung der dauernden Erwerbsunfähigkeit komme als möglicher Freizügigkeitstatbestand allenfalls noch § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU in Betracht, mithin der Erwerb einer Daueraufenthaltsberechtigung. Der Kläger habe jedoch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU erworben. Wie das Erstgericht schon rechtsfehlerfrei festgestellt habe, sei der Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a FreizügG/EU zu verneinen, da der Kläger zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Erwerbsleben nicht das 65. Lebensjahr erreicht habe und zudem nicht zwölf Monate vor seinem Ausscheiden einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Schließlich habe das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass auch der Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FreizügG/EU ausgeschlossen sei. Ein Daueraufenthaltsrecht nach dieser Vorschrift erwerbe nur derjenige, der die Erwerbstätigkeit infolge einer vollen Erwerbsminderung aufgegeben habe, d.h. im Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs auf ein Daueraufenthaltsrecht tatsächlich erwerbstätig war. Erforderlich sei eine kausale Verknüpfung zwischen Erwerbstätigkeit und dem Eintritt der dauernden Erwerbsminderung bzw. Arbeitsunfähigkeit. Dies sei jedoch beim Kläger, wie das Verwaltungsgericht festgestellt habe, nicht der Fall gewesen. Unabhängig davon scheitere der Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FreizügG/EU aber auch an der weiteren Voraussetzung dieser Vorschrift, nämlich dass der Unionsbürger sich zuvor mindestens zwei Jahre ständig im Bundesgebiet aufgehalten haben müsse. Der zweijährige ständige Aufenthalt müsse dabei auch rechtmäßig gewesen sein. Ein solcher rechtmäßiger zweijähriger ständiger Aufenthalt sei vom Kläger für den maßgeblichen Zeitraum vor dem 17. Oktober 2014 nicht dargelegt und ergebe sich im Übrigen nicht aus den vorliegenden Unterlagen. Der Kläger könne bis November 2012 nicht als freizügigkeitsberechtigter Arbeitnehmer angesehen werden. Auch die Tätigkeit für die xy Personalmanagement GmbH im November 2012 habe seine Arbeitnehmereigenschaft nicht begründet. Er sei auch in diesem Zeitraum nicht Arbeitssuchender gewesen.

Der frühere Arbeitsgeber legte auf Anfrage des Senats einen weiteren schriftlichen Arbeitsvertrag mit dem Kläger vor, wonach dieser befristet von 18. Juni bis 30. August 2013 als Helfer auf 400-Euro-Basis mit maximal 40 Stunden im Monat beschäftigt wird.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2017 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht München hat die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2014 zu Recht abgewiesen, weil der Bescheid rechtmäßig ist und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; I.). Die Verpflichtungsklage auf Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechts bleibt ebenfalls erfolglos. Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU hat der Kläger nicht erworben, so dass er auch keinen Anspruch auf Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU hat (II.).

I.

Die angefochtene Verlustfeststellung ist rechtmäßig. Die Beklagte konnte den Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt (§ 2 Abs. 1 FreizügG/EU) nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU feststellen. Der Kläger hielt sich im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides noch nicht fünf Jahre ständig rechtmäßig im Bundesgebiet auf (1.). Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts bestand kein Recht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU mehr (2.). Die Entscheidung der Beklagten ist auch ermessensfehlerfrei, insbesondere ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt (3.).

1.1 Rechtsgrundlage für die im Bescheid vom 6. Juni 2014 getroffene Feststellung, dass der Kläger sein Recht auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik verloren hat (Nr. 1), ist § 5 Abs. 4 FreizügG/EU in der Fassung des Gesetzes vom 2. Dezember 2014 (BGBl I S. 1922), in Kraft getreten am 9. Dezember 2014. Danach kann der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt werden, wenn dessen Voraussetzungen innerhalb von fünf Jahren (1.2) nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts (1.3) im Bundesgebiet entfallen sind oder nicht vorliegen. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Feststellung des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts. Insoweit gilt das Gleiche wie für andere aufenthaltsrechtliche Entscheidungen, die Grundlage einer Aufenthaltsbeendigung sein können (BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22.14 – juris Rn. 11). Eine Verschlechterung der Rechtsposition des Klägers ist damit nicht verbunden. Zwar wurde durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften vom 2. Dezember 2014 nach dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheids eine Änderung des § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU dahingehend vorgenommen, dass eine Verlustfeststellung nicht mehr getroffen werden kann, wenn sich der Unionsbürger fünf Jahre lang ständigrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Bei der Einfügung des Wortes „rechtmäßig“ handelte es sich aber lediglich um eine Klarstellung des Gesetzgebers (BT-Drs. 18/2581, S. 16; Hailbronner, AuslR, FreizügG/EU, Stand März 2017, § 5 Rn. 1; BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22.14 – juris Rn. 15 f.), die nichts an der bis dahin geltenden Rechtslage änderte.

1.2 Die Beklagte konnte im Zeitpunkt des Bescheidserlasses im Juni 2014 (1.2.1) den Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU feststellen, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU i.V.m. Art. 16 oder Art. 17 RL 2004/38/EG erworben hatte (1.2.2). Die Möglichkeit zur Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU erlischt nämlich nach dem Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts (BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22.14 – juris Rn. 16).

1.2.1 Die Frage, ob eine Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU grundsätzlich in Betracht kommt, beantwortet sich nach der Sachlage im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides. Die Fünfjahresfrist bezieht sich zwar unmittelbar auf das Entfallen bzw. Nichtentstehen der Voraussetzungen eines Freizügigkeitsrechts und nicht auf die Feststellung des Entfallens (Hailbronner, AuslR, FreizügG/EU, Stand März 2017, § 5 Rn. 22). Da nach Ablauf eines rechtmäßigen fünfjährigen ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet (Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EG) ein Daueraufenthaltsrecht erworben wird, ist die Fünfjahresfrist des § 5 Abs. 4 FreizügG/EU daher in Bezug auf das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts zu sehen. Dies bedeutet, dass ein Verlust der Freizügigkeitsvoraussetzung bis zur Entstehung des Daueraufenthaltsrechts möglich ist und durch eine Entscheidung auf der Grundlage des § 5 Abs. 4 FreizügG/EU festgestellt werden kann.

Abzustellen ist daher darauf, ob im Zeitpunkt der Verlustfeststellung bereits ein Daueraufenthaltsrecht entstanden war. Nach dem Wirksamwerden des Verlustfeststellungsbescheids kann der Betroffene nicht mehr allein durch den weiteren Aufenthalt und die auf dem Unionsbürgerstatus beruhende Freizügigkeitsvermutung in den Status eines Daueraufenthaltsberechtigten hineinwachsen, weil durch die Verlustfeststellung die Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts endet. Die Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt führt bereits mit ihrer Wirksamkeit (vgl. Art. 43 BayVwVfG), also mit ordnungsgemäßer Bekanntgabe der jeweiligen Entscheidung, zum Entstehen der Ausreisepflicht. Auf die Rechtmäßigkeit der Feststellungsentscheidung kommt es für das Entstehen der Ausreisepflicht nicht an. Dass für die Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nicht die Unanfechtbarkeit der Feststellungsentscheidung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU maßgeblich ist, sondern nur deren Wirksamkeit, ergibt sich schon aus der Entstehungsgeschichte des § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU. Die Fassung dieser Vorschrift vom 30. Juli 2004 sah das Entstehen der Ausreisepflicht erst mit der Unanfechtbarkeit der Feststellungsentscheidung vor. Mit dem ersten Richtlinienumsetzungsgesetz (vom 19.8.2007, BGBl. I S. 1970) wurde das Erfordernis der Unanfechtbarkeit vom Gesetzgeber bewusst gestrichen (BT-Drs. 16/5065, S. 211). Die Ausreisepflicht bleibt bestehen, solange sie nicht erfüllt und die zugrundeliegende Feststellung wirksam ist (Epe in GK-AufenthG, FreizügG/EU, Stand Juni 2017, § 7 Rn. 7). Mit Bekanntgabe des Bescheides vom 6. Juni 2014 war der Kläger somit ausreisepflichtig und konnte sich nicht mehr auf die auf dem Unionsbürgerstatus beruhende Vermutung, wonach sich ein Unionsbürger rechtmäßig im jeweils anderen Mitgliedstaat aufhält, berufen.

1.2.2 Im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides vom 6. Juni 2014 hielt sich der Kläger weder fünf Jahre rechtmäßig ununterbrochen im Bundesgebiet auf (a.) noch hatte er ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 2 FreizügG/EU erworben (b.).

a) Der Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU setzt unionsrechtlich voraus, dass der Betroffene während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Richtlinie 2004/38/EU erfüllt hat. Denn nach Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EG hat jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, das Recht, sich dort auf Dauer aufzuhalten. Rechtmäßig im Sinne des Unionsrechts ist nur ein Aufenthalt, der im Einklang mit den in der Richtlinie 2004/38/EG und insbesondere mit den in Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG aufgeführten Voraussetzungen steht (EuGH, U.v. 21.12.2011 – Ziolkowski und Szeja, C-424/10 u.a. – juris Rn. 46, U.v. 11.11.2014 – Dano, C-333/13 – juris Rn. 71; BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22.14 – juris Rn. 16 m. w. N.).

Der ständige Aufenthalt im Bundesgebiet wird in der Regel durch die Wohnsitznahme im Bundesgebiet begründet. Der Zeitpunkt der Begründung des ständigen Aufenthalts wird am einfachsten mit der Bescheinigung über die polizeiliche Anmeldung nachgewiesen. Hat der Betroffene es versäumt, sich polizeilich anzumelden, kann er die Aufenthaltsdauer aber auch mit jedem anderen üblichen Beweismittel nachweisen (Epe in GK-AufenthG, FreizügG/EU, Stand Juni 2017, § 5 Rn. 43).

Der Kläger hat jedoch nicht nachgewiesen, dass er sich im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides bereits über einen Zeitraum von fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Er hat sich erst im August 2010 mit dem Vermerk „aus Österreich kommend“ polizeilich angemeldet. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet lässt sich allerdings bereits ab Mai 2010 belegen, weil er sich ab diesem Zeitpunkt beim Jobcenter München um die Vermittlung einer Beschäftigung bemüht hat. Der Kläger hat zwar vorgetragen, dass er sich bereits seit August 2006 ständig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Einen Nachweis für diese Behauptung konnte er jedoch nicht erbringen. Das Schreiben des Sozialbürgerhauses vom 26. Januar 2012 (Bl. 38 der Verwaltungsakte) bestätigt lediglich Anwesenheitszeiten im November 2006, April 2007, Februar und März 2008 sowie Oktober 2010. Diese nur partiell bestätigten Aufenthaltszeiten genügen dem Erfordernis eines ständigen Aufenthalts nicht.

Selbst unter der Annahme, dass der Kläger sich vor der ersten nachgewiesenen Vermittlung an einen Arbeitgeber am 17. Mai 2010 bereits für sechs Monate zur Arbeitssuche ständig im Bundesgebiet aufgehalten hätte, wäre im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides am 6. Juni 2014 der Fünfjahreszeitraum des § 5 Abs. 4 FreizügG/EU noch nicht abgelaufen gewesen. Angesichts dessen erübrigt sich auch eine Prüfung dahingehend, ob der Kläger sich in diesem Zeitraum ständig rechtmäßig hier aufgehalten hat, d.h. die Freizügigkeitsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU im gesamten Zeitraum erfüllt waren.

b) Der Kläger hat im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides auch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 2 FreizügG/EU erworben. Da eine Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU immer dann ausgeschlossen ist, wenn dem Betreffenden ein Daueraufenthaltsrecht zusteht, gilt die Fünfjahresfrist des § 5 Abs. 4 FreizügG/EU nicht uneingeschränkt (Epe in GK-AufenthG, FreizügiG/EU, Stand Juni 2017, § 5 Rn. 44). Der Kläger erfüllt jedoch keinen der in § 4a Abs. 2 FreizügG/EU aufgeführten Erwerbstatbestände. Zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides war er weder aus dem Erwerbsleben ausgeschieden noch hatte er das 65. Lebensjahr erreicht (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a FreizügG/EU) noch hatte er seine Erwerbstätigkeit infolge einer vollen Erwerbsminderung aufgegeben (§ 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU).

2. Der Kläger ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über den Berufungsantrag bezüglich der Verlustfeststellung nicht (mehr) freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger im Sinne des § 2 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 FreizügG/EU, weil er die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 FreizügG/EU offensichtlich nicht erfüllt (2.1). Auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats kann er sich nicht auf einen Erwerbstatbestand für ein Daueraufenthaltsrecht berufen (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU; 2.2).

2.1 Der Kläger bezieht seit Oktober 2015 eine Altersrente in Höhe von monatlich 5,86 Euro (und ergänzend Sozialleistungen). Er hält sich daher weder als Arbeitnehmer (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU) noch als arbeitssuchender Unionsbürger (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU) im Bundesgebiet auf. Anhaltspunkte dafür, dass er nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt wäre, sind nicht ersichtlich. Eine Freizügigkeitsberechtigung ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU. Der Kläger ist zwar nicht erwerbstätig, erfüllt aber nicht die Voraussetzungen des § 4 Satz 1 FreizügG/EU, weil er weder über ausreichenden Krankenversicherungsschutz noch über ausreichende Existenzmittel verfügt.

2.2 Der Kläger hat kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 (2.2.1) oder § 4a Abs. 2 (2.2.2) FreizügG/EU erworben, so dass er auch nicht nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt ist.

2.2.1 § 4a Abs. 1 FreizügG/EU i.V.m. Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EG setzt für den Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts einen fünfjährigen rechtmäßigen ununterbrochenen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat voraus. Rechtmäßig im Sinne des Unionsrechts ist ein Aufenthalt nur dann, wenn er im Einklang mit den in der Richtlinie 2004/38/EG und insbesondere mit den in Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG aufgeführten Voraussetzungen steht (EuGH, U.v. 21.12.2011 – Ziolkowski und Szaja, C-424/10 und C-425/10 – juris Rn. 42). Seit der Begründung seines ständigen Aufenthalts im Bundesgebiet im Mai 2010 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats am 17. Juli 2017 hat der Kläger nicht während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU i.V.m. Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG erfüllt.

Mit Bescheid des Jobcenters vom 17. Oktober 2014 wurde festgestellt, dass der Kläger nicht mehr erwerbsfähig ist und eine dauernde Leistungsminderung vorliegt, die eine mindestens 15 Wochenstunden umfassende Beschäftigung nicht zulässt. Ab diesem Zeitpunkt war er nicht mehr freizügigkeitsberechtigt nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 1a FreizügG/EU. Auf die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU, der Art. 7 Abs. 3 Buchst. a RL 2004/38/EG umsetzt, kann sich der Kläger ab dem 17. Oktober 2014 nicht berufen, da Voraussetzung hierfür wäre, dass er wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist. Da dem Kläger jedoch mit Bescheid vom 17. Oktober 2014 eine dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt wird, ist § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU nicht einschlägig (vgl. Hailbronner, AuslR, FreizügG/EU, Stand März 2017, § 2 Rn. 81). Für das Vorliegen einer Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 bis 6 FreizügG/EU für den Zeitraum nach dem 17. Oktober 2014 ergeben sich weder aus den Akten noch aus dem Vortrag des Klägers Anhaltspunkte.

Der verbleibende Zeitraum von Mai 2010 bis zum 17. Oktober 2014 reicht für die Begründung eines fünf Jahre andauernden ständigen Aufenthalts im Bundesgebiet bereits zeitlich nicht aus, so dass es auf die Frage, ob dieser Aufenthalt auch rechtmäßig im Sinne von Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EG gewesen ist, nicht mehr ankommt. Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, dass er sich bereits vor Mai 2010 sechs Monate zur Arbeitssuche – ungeachtet der für ungarische Staatsangehörige erst ab 1. Mai 2011 hergestellten vollen Freizügigkeit – im Bundesgebiet aufgehalten hat, liegt kein fünfjähriger ständiger Aufenthalt im Bundesgebiet vor.

2.2.2 Der Kläger hat auch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 2 FreizügG/EU erworben. Soweit die Erwerbstatbestände des § 4a Abs. 2 FreizügG/EU auf einen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet abstellen, muss dieser Aufenthalt ebenso wie nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU rechtmäßig sein (a). Die Tatbestandsvoraussetzungen für ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 2 FreizügG/EU sind in der Person des Klägers nicht erfüllt (b).

a) Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ist auch Tatbestandsvoraussetzung für das Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 2 FreizügG/EU. § 4a Abs. 2 FreizügG/EU setzt Art. 17 RL 2004/38/EG in nationales Recht um. Art. 17 Abs. 1 RL 2004/38/EG enthält eine Ausnahmeregelung bezüglich des Fünfjahreszeitraums des Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EG. Unter bestimmten Voraussetzungen entsteht vor Ablauf dieses Zeitraums das Recht auf Daueraufenthalt. Art. 17 Abs. 1 RL 2004/38/EG sieht nur ein Abweichen vom Erfordernis des Fünfjahreszeitraums, nicht aber des rechtmäßigen Aufenthalts vor. Als Ausnahmevorschrift zu Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EG ist Art. 17 Abs. 1 RL 2004/38/EG eng auszulegen. Auch dem Wortlaut nach dispensiert diese Vorschrift nur vom Erfordernis „des ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren“. Zudem ist die Ausnahmeregelung ausdrücklich auf Arbeitnehmer oder Selbständige bzw. im nationalen Recht auf Unionsbürger nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FreizügG/EU beschränkt. Bei diesem Personenkreis handelt es sich jedoch um freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, die sich nach Art. 7 RL 2004/38/EG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (Epe in GK-AufenthG, FreizügG/EU, Stand Juni 2017, § 4a Rn. 27; Tewocht in BeckOK, AuslR, FreizügG/EU, Stand 1.2.2017, § 4a Rn. 31).

b) Der Kläger hat keinen der in § 4a Abs. 2 FreizügG/EU aufgeführten Erwerbstatbestände für ein Daueraufenthaltsrecht erfüllt.

aa) Der Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU i.V.m. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a RL 2004/38/EG scheitert bereits daran, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben mit Feststellung der Erwerbsunfähigkeit durch Bescheid vom 17. Oktober 2014 das 65. Lebensjahr noch nicht erreicht hatte.

bb) Der Kläger hat auch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FreizügG/EU i.V.m. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b RL 2004/38/EG erworben, weil er unabhängig davon, ob seine volle Erwerbsminderung als Folge seines Arbeitsunfalls am 28. August 2013 eingetreten ist, jedenfalls keinen Anspruch auf eine Rente gegenüber einem Leistungsträger im Bundesgebiet hat. Denn hierbei muss es sich um einen Rentenanspruch handeln, der kausal auf der vollen Erwerbsminderung basiert (Tewocht in BeckOK, AuslR, FreizügG/EU, Stand 1.2.2017, § 4a Rn. 30). Der Kläger bezieht jedoch eine Altersrente, die nicht auf seiner Erwerbsminderung beruht.

cc) Ihm steht auch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FreizügG/EU zu. Zwar geht der Senat davon aus, dass der Kläger aufgrund seiner Beschäftigung bei der xy Personalmanagement GmbH im Zeitraum vom 18. Juni 2013 bis zum 30. August 2013 Arbeitnehmer (und damit erwerbstätig; aaa) war. Fraglich ist aber bereits, ob er diese Erwerbstätigkeit infolge einer vollen Erwerbsminderung aufgegeben hat (bbb). Jedenfalls hat er sich vor der Aufgabe der Erwerbstätigkeit nicht mindestens zwei Jahre ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten (ccc).

aaa) Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b RL 2004/38/EG, der durch § 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FreizügG/EU in nationales Recht umgesetzt wird, haben Arbeitnehmer, die sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, ein Recht auf Daueraufenthalt im Mitgliedstaat.

Der Begriff des „Arbeitnehmers“ ist unionsrechtlich auszulegen. Er ist weit zu verstehen und nach objektiven Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis in Ansehung der Rechte und Pflichten der betreffenden Personen charakterisieren. Das wesentliche Merkmal eines Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Der bloße Umstand, dass eine unselbständige Tätigkeit nur von kurzer Dauer ist, steht der Annahme der Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegen. Als Arbeitnehmer kann jedoch nur angesehen werden, wer eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Geboten ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, die die Art der in Rede stehenden Tätigkeiten und des fraglichen Arbeitsverhältnisses betreffen (vgl. EuGH, U.v. 6.11.2003 – Ninni-Orasche, C-413/01 – juris Rn. 23 ff., U.v. 4.2.2010 – Genc, C-14/09 – juris Rn. 9 und 23 ff., U.v. 9.6.2014 – Saint-Prix, C-507/12 – juris Rn. 33 ff.).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze spricht vieles dafür, dass durch das befristete Arbeitsverhältnis des Klägers mit der xy Personalmanagement GmbH, das am 18. Juni 2013 begann und am 30. August 2013 endete, die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers begründet wurde. Er kann sich allerdings nicht darauf berufen, es habe sich um einen unbefristeten Arbeitsvertrag gehandelt, weil die Befristung unwirksam sei. Die Rechtsunwirksamkeit der Befristung hätte er rechtzeitig vor dem Arbeitsgericht geltend machen müssen (§ 17 TzBfG). Die kurze Dauer des Arbeitsverhältnisses und die Beschränkung der Stundenzahl auf maximal 40 Stunden pro Monat stehen aber der Annahme der Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU nicht entgegen. Im Urteil vom 6. November 2003 (C-413/01) hat der Gerichtshof der Europäischen Union bei einer Beschäftigungszeit von zweieinhalb Monaten die Arbeitnehmereigenschaft bejaht. Nach der Entscheidung „Genc“ (C-14/09) waren eine Wochenarbeitszeit von 5,5 Stunden und ein monatlicher Durchschnittslohn von etwa 175 Euro für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft ausreichend. Gegen die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers spricht auch nicht, dass er durch den Arbeitsvertrag mit der xy Personalmanagement GmbH nicht zur Leistung einer festen Wochen- bzw. Monatsarbeitszeit verpflichtet war, sondern er nur bei Bedarf angefordert wurde. Denn der Gerichtshof hat in der Rechtssache „Raulin“ (C-357/89) entschieden, dass „die Beschäftigungsbedingungen eines Arbeitnehmers, der durch einen Vertrag gebunden ist, der keine Garantie in Bezug auf die zu leistenden Stunden bietet, mit der Folge, dass der Betroffene nur sehr wenige Tage pro Woche oder Stunden pro Tag arbeitet, der den Arbeitgeber zur Entlohnung des Arbeitnehmers und zur Gewährung von Sozialleistungen nur insoweit verpflichtet, als dieser tatsächlich gearbeitet hat, und der keine Verpflichtungen des Arbeitnehmers umfasst, einem Abruf von Seiten des Arbeitgebers nachzukommen, es nicht verbieten, den Betroffenen als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 48 EWG-Vertrag zu betrachten, sofern es sich um die Ausübung von tatsächlichen und echten Tätigkeiten handelt und nicht um Tätigkeiten, die einen so geringen Umfang haben, dass sie nur unwesentlich und untergeordnet sind“ (EuGH, U.v 26.2.1992 – Raulin, C-357/89 – juris Ls II). Der Kläger ist im fraglichen Zeitraum tatsächlich in nennenswertem Umfang für die xy Personalmanagement GmbH tätig geworden. So hat er im Juni 18 Stunden, im Juli 33 Stunden und im August 31 Stunden für das Unternehmen gearbeitet. Zudem waren auf den Kläger nach den Bestimmungen des Arbeitsvertrages die Bestimmungen des Entgeltrahmentarifvertrages IGZ sowie des Manteltarifvertrages IGZ anwendbar.

bbb) Der Kläger hat jedoch nicht den Nachweis dafür erbracht, dass er seine Erwerbstätigkeit infolge einer vollen Erwerbsminderung aufgegeben hat.

Die volle Erwerbsminderung ist durch die Feststellung im Bescheid vom 17. Oktober 2014 eingetreten. Das Beschäftigungsverhältnis endete gemäß den Bestimmungen des Arbeitsvertrages aber bereits am 30. August 2013. Die Erwerbstätigkeit des Klägers war also unabhängig vom Eintritt der vollen Erwerbsminderung bereits durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beendet.

Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU (Art. 7 Abs. 3 Buchst. a RL 2004/38/EG) bleibt die Freizügigkeitsberechtigung für Arbeitnehmer unberührt bei vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall. Es spricht vieles dafür, dass diese Fiktion des Fortbestehens der Arbeitnehmereigenschaft nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU auch dann eintritt, wenn das Arbeitsverhältnis, das die Arbeitnehmereigenschaft des Unionsbürgers begründet hat, nicht mehr besteht. Dies ergibt sich zum einen aus Art. 17 Abs. 1 Satz 2 RL 2004/38/EG, wonach Zeiten unfreiwilliger Arbeitslosigkeit als Zeiten der Erwerbstätigkeit gelten. Da der Richtliniengeber die Zeiten unfreiwilliger Arbeitslosigkeit mit krankheits- oder unfallbedingten Fehlzeiten gleichgestellt hat, ist davon auszugehen, dass das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses nicht Voraussetzung für die „Fiktionswirkung“ des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU ist. Zudem bleibt durch die Regelung in Art. 7 Abs. 3 RL 2004/38/EG bzw. § 2 Abs. 3 FreizügG/EU dem Betroffenen nicht nur das Freizügigkeitsrecht, sondern auch die Erwerbstätigeneigenschaft erhalten, selbst wenn er seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer nicht mehr ausübt. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Richtlinienbestimmung. Für diese Auffassung spricht auch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Juni 2014 (Saint-Prix, C-507/12). Diesem Urteil lag die Fallgestaltung zugrunde, dass die Klägerin dieses Verfahrens ihre Erwerbstätigkeit wegen einer Schwangerschaft aufgegeben hatte. Der Gerichtshof hielt dennoch Art. 7 Abs. 3 RL 2004/38/EG grundsätzlich für anwendbar, obwohl das Beschäftigungsverhältnis bereits beendet war. Mit der Bestimmung in Art. 7 Abs. 3 RL 2004/38/EG bzw. § 2 Abs. 3 FreizügG/EU soll der Unionsbürger die Möglichkeit haben, zu günstigen Bedingungen das Recht auf Daueraufenthalt zu erwerben (Epe in GK-AufenthG, FreizügG/EU, Stand; § 2 Rn. 114). Geschützt werden soll durch diese Vorschrift derjenige, der eine Beschäftigung aus den in der Vorschrift genannten Gründen nicht mehr ausüben kann, dessen grundsätzliche Erwerbsfähigkeit aber fortbesteht (Oberhäuser in Hofmann, AuslR, FreizügG/EU, 2. Aufl. 2016, § 2 Rn. 34, 35).

Das Vorliegen der „Fiktionswirkung“ des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU hat der Kläger jedoch nur bis 31. Mai bzw. 1. Juni 2014 nachgewiesen. Er hatte keine ärztlichen Bescheinigungen oder Ähnliches zum Andauern der vorübergehenden Erwerbsminderung über den 1. Juni 2014 hinaus vorgelegt. Die letzte, von ihm vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung endet zum 31. Mai 2014. Der Bezug von Verletztengeld ist nur bis 1. Juni 2014 nachgewiesen. Zudem hat der Kläger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Bescheinigung der xy Personalmanagement GmbH vom 23. Juni 2014 vorgelegt, wonach er sich dort vorgestellt und um eine Beschäftigung bemüht hat. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte daher auch zu Recht geltend gemacht, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids grundsätzlich erwerbsfähig gewesen sei.

Folglich ist davon auszugehen, dass der Kläger ab dem 1. Juni 2014 nicht mehr erwerbstätig war, weil auch über § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU die Erwerbstätigeneigenschaft nicht mehr fortbestand und es somit an der Kausalität zwischen der Aufgabe der Erwerbstätigkeit und dem Eintritt der vollen Erwerbsminderung fehlt. § 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FreizügG/EU setzt nämlich voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit kausal für die Aufgabe der Beschäftigung war. Das Daueraufenthaltsrecht entsteht nicht, wenn die Beschäftigung zunächst unfreiwillig endet und erst später während der Arbeitslosigkeit die Arbeitsunfähigkeit eintritt (vgl. Epe in GK-AufenthaltG, FreizügG/EU, Stand Juni 2017, § 4a Rn. 36 m.w.N.). Die Erwerbsunfähigkeit bzw. volle Erwerbsminderung des Klägers ist jedoch erst in Folge der Feststellung mit Bescheid vom 17. Oktober 2014 eingetreten.

ccc) Selbst dann, wenn die vorübergehende Erwerbsminderung bis zur Feststellung der vollen Erwerbsminderung angedauert hätte und somit über die Fiktion des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU der Kläger seine Erwerbstätigkeit infolge einer vollen Erwerbsminderung aufgegeben hätte, hätte er dennoch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FreizügG/EU (Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b RL 2004/38/EG) erworben, weil er sich nicht seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Aufnahmemitgliedsstaat bzw. sich nicht zuvor mindestens zwei Jahre ständig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Diese Variante für den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts setzt einen mindestens zweijährigen rechtmäßigen ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik voraus, wobei der Unionsbürger nicht notwendigerweise zwei Jahre im Bundesgebiet erwerbstätig gewesen sein muss (Tewocht in BeckOK, AuslR, FreizügG/EU, Stand 1.2.2017, § 4a Rn. 31; Hailbronner, AuslR, FreizügG/EU, Stand März 2017, § 4a Rn. 38, 39).

Zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Feststellung der vollen Erwerbsminderung am 17. Oktober 2014 hat sich der Kläger nicht zwei Jahre ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Abzustellen ist für das Erfordernis des zweijährigen ständigen rechtmäßigen Aufenthalts auf den genannten Zeitpunkt, weil andernfalls bereits der Tatbestand der Aufgabe der Erwerbstätigkeit infolge der vollen Erwerbsminderung nicht erfüllt wäre. Unberücksichtigt bleibt insoweit, dass die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bereits durch den Verlustfeststellungsbescheid vom 6. Juni 2014 beendet wurde, weil dieser, hätte sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch auf § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU berufen können, nicht hätte ergehen dürfen.

Vom 17. bis 31. Oktober 2012 war der Kläger nicht freizügigkeitsberechtigt nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU bzw. Art. 7 RL 2004/38/EG. Insbesondere war er zu diesem Zeitpunkt nicht Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU. Er hatte lediglich im Zeitraum vom 17. Mai 2010 bis zum 23. Februar 2012 tageweise bei verschiedenen Arbeitgebern gearbeitet. Diese Tätigkeiten konnten die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers nicht begründen, weil es angesichts der ständig wechselnden Arbeitgeber an der Dauerhaftigkeit der Tätigkeit fehlte und über den eigentlichen Arbeitslohn hinaus keinerlei Leistungen vom Arbeitgeber (z.B. Beiträge zur Sozialversicherung) erbracht wurden. Er war auch nicht Arbeitssuchender im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU. Diese Vorschrift wurde zwar erst mit Wirkung zum 2. Dezember 2014 in das Freizügigkeitsgesetz aufgenommen, die Anforderungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU für den Erwerb einer Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitsuchender ergaben sich jedoch auch ohne ausdrückliche Kodifizierung aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (U.v. 26.2.1991 – Antonissen, C-292/89 – juris). Danach war die praktische Wirksamkeit des Art. 48 EWG-Vertrag (jetzt Art. 45 AEUV) nur gewahrt, wenn der Zeitraum, den das Gemeinschaftsrecht oder in Ermangelung einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung das Recht eines Mitgliedstaats dem Betroffenen einräumt, um im jeweiligen Mitgliedstaat von Stellenangeboten, die seinen beruflichen Qualifikationen entsprechen, Kenntnis zu nehmen und sich gegebenenfalls bewerben zu können, angemessen ist. Dafür hält der Europäische Gerichtshof einen Zeitraum von sechs Monaten für ausreichend. Nach Ablauf dieses Zeitraums muss der Betroffene den Nachweis erbringen, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht. Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht erfüllt. Er bezog seit dem 1. Dezember 2011 Leistungen nach dem SGB II und übte keine Erwerbstätigkeit aus. Nachweise dafür, dass er sich in diesem Zeitraum mit begründeter Aussicht auf Erfolg auf Arbeitssuche befand, hat er nicht erbracht.

Vom 1. bis 30. November 2012 war der Kläger bei der xy Personalmanagement GmbH beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag handelte es sich hierbei um ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis in Vollzeit, das jedoch zum Monatsende gekündigt wurde. Tatsächlich hat er auch in diesem Beschäftigungsverhältnis nur auf Abruf gearbeitet und lediglich Bruttoarbeitsbezüge in Höhe von 603,09 Euro erhalten. Allerdings war er in diesem Beschäftigungsverhältnis kranken- und rentenversichert, so dass dieses Arbeitsverhältnis nach den oben dargestellten Kriterien (2.2.2 b) cc) aaa)) wohl die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers begründet hat.

Daher greift für den Zeitraum 1. Dezember 2012 bis 31. Mai 2013 § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU, wonach bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung das Freizügigkeitsrecht während der Dauer von sechs Monaten unberührt bleibt. Insoweit geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass die sich an die Beschäftigung bei der xy Personalmanagement GmbH anschließende Arbeitslosigkeit unfreiwillig war, weil dem Kläger gekündigt worden war und er im Anschluss an diese Tätigkeit Leistungen nach dem SGB II bezogen hat. Eine Bestätigung der Bundesagentur für Arbeit über die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit hat er allerdings nicht vorgelegt.

Das neue Arbeitsverhältnis des Klägers mit der xy Personalmanagement GmbH begann erst ab 18. Juni 2013 zu laufen, so dass sich für den Zeitraum vom 1. bis 17. Juni 2013 ebenfalls kein rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet ergibt. Für diesen Zeitraum kann sich der Kläger insbesondere nicht auf einen rechtmäßigen Aufenthalt als Arbeitssuchender berufen, da er keine Nachweise dafür erbracht hat, dass er nach Ablauf der Sechsmonatsfrist aus § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU weiter auf Arbeitssuche war und begründete Aussicht hatte, eingestellt zu werden. Der Zeitraum, der dem Unionsbürger nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Antonissen (C-292/89) zur Arbeitssuche zugestanden wird, ohne einen Nachweis für die Arbeitssuche zu erbringen, schließt sich nicht an den Sechsmonatszeitraum des § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU an, sondern läuft parallel (vgl. Hailbronner, AuslR, FreizügG/EU, Stand März 2017, § 2 Rn. 86; Dienelt in Bergmann-Dienelt, AuslR, FreizügG/EU, 11. Aufl. 2016, § 2 Rn. 105).

Im maßgeblichen Zeitraum vom 17. Oktober 2012 bis 16. Oktober 2014 hielt sich der Kläger daher nicht ständig rechtmäßig im Bundesgebiet auf, weil er zumindest im Zeitraum vom 16. bis 31. Oktober 2012 sowie vom 1. bis 17. Juni 2013 nicht freizügigkeitsberechtigt im Sinne von § 2 Abs. 1 FreizügG/EU bzw. Art. 7 RL 2004/38/EG war.

3. Die Entscheidung der Beklagten, den Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt festzustellen, ist ermessensfehlerfrei erfolgt. Insbesondere ist die Verlustfeststellung verhältnismäßig. Auch hat die Beklagte bei ihrer Entscheidung Art. 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG hinreichend beachtet. Sie durfte berücksichtigen, dass der Kläger ab 1. Dezember 2011 mit nur kurzfristigen Unterbrechungen in vollem oder zumindest ergänzendem Sozialleistungsbezug stand. Nach Eintritt der vollen Erwerbsminderung und infolge seines Alters ist nicht abzusehen, dass er seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit sichern kann. Der Kläger bezieht vielmehr eine äußerst geringe Altersrente, die zur Folge hat, dass er voraussichtlich bis zu seinem Lebensende auf Sozialleistungen zum Lebensunterhalt und Krankenversicherungsschutz angewiesen sein wird.

II.

Der erstmals im Berufungsverfahren gestellte Antrag auf Verpflichtung der Beklagten, ihm sein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht zu bescheinigen, bleibt ebenfalls erfolglos.

Die Ergänzung des ursprünglichen Klagebegehrens auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 6. Juni 2014 durch die Verpflichtungsklage auf Ausstellung einer Bescheinigung über das Daueraufenthaltsrecht stellt eine Klageänderung nach § 91 VwGO dar. Es handelt sich hierbei um eine objektive Klagehäufung (§ 44 VwGO; vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 28.5.2009 – 1 S 1173/08 – juris Rn. 19).

Die nachträgliche Einbeziehung eines weiteren Klagebegehrens in das bereits anhängige Berufungsverfahren ist auch sachdienlich im Sinne von § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, weil die Frage, ob dem Kläger ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU zusteht, ohnehin inzident im Rahmen der Anfechtungsklage gegen die Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU zu prüfen ist.

Der Verpflichtungsantrag ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat nicht das Recht, sich auf Dauer im Bundesgebiet aufzuhalten (s. 2.2.2 b)), so dass er auch keinen Anspruch auf Ausstellung der entsprechenden Bescheinigung nach § 5 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU hat.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.