vorgehend
Verwaltungsgericht München, M 12 K 16.2033, 17.11.2016

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 6. April 2016 und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis weiter. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid hat die Beklagte den Kläger aus dem Bundesgebiet ausgewiesen, die Wirkungen der Ausweisung auf fünf bzw. sieben Jahre nach Ausreise befristet, die Abschiebung nach Albanien angedroht und seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist abzulehnen, weil sich aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteil (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht ergibt.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung, die Ausweisung des Klägers sei nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls rechtmäßig, damit begründet, dass die Gefahr, der Kläger werde erneut gravierende Straftaten begehen, gegenwärtig nach wie vor bestehe. Es hat dabei insbesondere auf die Art und Weise der Begehung der vom Kläger verübten Straftaten, die Schwere der Straftaten, das verletzte Rechtsgut und den fehlenden Abschluss einer notwendigen Antiaggressionstherapie abgestellt.

Der Kläger bringt demgegenüber im Zulassungsverfahren vor, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Straftaten mittlerweile lange zurücklägen und der Kläger erstmals eine längere Zeit in Haft verbracht habe. Die positiven Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt hätten keinen Eingang in die Entscheidung gefunden. Bei der Stellungnahme vom 22. März 2016 habe das Gericht verkannt, dass die Justizvollzugsanstalt nur die Aussetzung des Restes der Jugendstrafe zum März 2016 nicht befürwortet habe, jedoch die Aussetzung zum Juni 2016. Jedenfalls wäre das Verwaltungsgericht gehalten gewesen, die positive Entwicklung des Klägers in der Haft in die Abwägung miteinzustellen. Ein therapeutischer Handlungsbedarf sei nach dem Vollzugsplan der Justizvollzugsanstalt bei ihm nicht gegeben gewesen. Auch sei von einer positiven Nachreifung auszugehen. Zu berücksichtigen sei ferner der Beschluss zur Aussetzung der Vollstreckung der restlichen Jugendstrafe vom 3. Juni 2016 und die Teilnahme an einem Projekt für jugendliche Gewalttäter (Rubikon). Der Kläger befinde sich auch in psychotherapeutischer Behandlung.

Damit hat der Kläger jedoch keine Umstände aufgezeigt, die die vom Erstgericht im Rahmen der Prüfung des § 53 Abs. 1 AufenthG angestellte Gefahrenprognose und die Annahme einer beachtlichen Wiederholungsgefahr erneuter Gewaltdelikte ernstlich in Zweifel ziehen könnten. Das Verwaltungsgericht hat bei der bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung von ihm zu treffenden eigenständigen Gefahrenprognose alle für den Einzelfall wesentlichen Umstände berücksichtigt. Ausschlaggebende Bedeutung kommt insoweit den vom Kläger im Jahr 2014 begangenen massiven Körperverletzungsdelikten zu, bei denen er andere Personen ohne jeglichen Anlass niedergeschlagen und teilweise mit Tritten in den Kopfbereich schwerwiegend verletzt hat. Die Schwere dieser Straftaten wird nicht dadurch gemindert, dass sie mittlerweile fast drei Jahre zurückliegen. Ein bloßer Zeitablauf seit der letzten begangenen Straftat vermag entgegen der vom Kläger sinngemäß vertretenen Auffassung eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Begehung weiterer einschlägiger Straftaten nicht auszuschließen. Schließlich musste sich der Kläger noch nicht allzu lange außerhalb des Strafvollzugs bewähren. Soweit der Kläger auf den erzieherischen Erfolg der Strafhaft sowie die positiven Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt verweist, führt dies nicht zum Entfallen der in den Straftaten zum Ausdruck kommenden erheblichen Gewaltbereitschaft des Klägers und dem damit verbundenen Risiko der Begehung erneuter Körperverletzungsdelikte. Zwar gehen die Straf- und Verwaltungsgerichte davon aus, dass die erstmalige Verbüßung einer Haftstrafe, insbesondere als erste massive Einwirkung auf einen jungen Menschen, unter Umständen seine Reifung fördern und die Gefahr neuen Straffälligwerdens mindern kann (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2016 - 10 ZB 15.1968 - juris Rn. 10). Es ist aus dem Zulassungsvorbringen jedoch nicht ersichtlich, dass den Kläger die Verbüßung der Freiheitsstrafe so stark beeindruckt hat, dass es bereits zu einem nachhaltigen Einstellungswandel hinsichtlich der Einhaltung der Rechtsordnung gekommen ist. Ihm wird zwar in den Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt bescheinigt, dass er freundlich, höflich, fleißig und besonnen ist. Bezüglich seiner Straftaten findet sich jedoch nur der Satz, dass „er sich reflektiert zeige“. Vor diesem Hintergrund geht der Senat nicht davon aus, dass die Verbüßung der Freiheitsstrafe den Kläger bereits so nachhaltig beeindruckt und er sich mit seiner kriminellen Vergangenheit so auseinandergesetzt hat, dass er auch ohne den Druck des Strafvollzugs und der dreijährigen Bewährungszeit nach der Strafaussetzung zur Bewährung in der Lage ist, nicht erneut straffällig bzw. gewalttätig zu werden. Eine gute Führung während der Haft reicht insoweit jedenfalls noch nicht. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch darauf hingewiesen, dass der zweiwöchige Jugendarrest und die Weisungen, die dem Kläger anlässlich früherer Strafverfahren erteilt wurden, ohne Auswirkungen auf ihn geblieben sind.

Soweit der Kläger vorbringt, das Verwaltungsgericht habe nicht erkannt, dass in der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 22. März 2016 lediglich die Strafaussetzung zur Bewährung zum Zeitpunkt März 2016 nicht befürwortet worden sei, trifft dies zu, weil sich die Justizvollzugsanstalt in dieser Stellungnahme für eine Haftentlassung zu den Prüfungsterminen im Juni 2016 ausgesprochen hat. Allerdings vermag der Kläger mit diesem Einwand die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Denn das Verwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass er - nicht zuletzt aufgrund dieser positiven Stellungnahme - im Juni 2016 auf Bewährung aus der Strafhaft entlassen worden ist.

Das Erstgericht ist aber auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Aussetzung der Vollstreckung der restlichen Jugendstrafe zur Bewährung durch Beschluss des Amtsgerichts L. vom 3. Juni 2016 nicht zum Entfallen der Wiederholungsgefahr führt. Zwar kommt - wie der Kläger zutreffend ausführt - den Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern über die Strafaussetzung zur Bewährung für die Frage der Wiederholungsgefahr erhebliche indizielle Bedeutung zu, die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte sind an diese Entscheidung aber nicht gebunden (BVerfG, B.v. 19.10.2016 - 2 BvR 1934/16 - juris 21). Sie haben über das Vorliegen einer hinreichenden Gefahr neuer Verfehlungen eigenständig zu entscheiden (BayVGH, B.v. 5.1.2017 - 10 ZB 16.1778 - juris Rn. 7). Im Fall des Klägers ist für das Abweichen von der strafrichterlichen Prognose, wonach die Strafaussetzung zur Bewährung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann (§ 88 JGG), ausschlaggebend gewesen, dass er sich gemäß der Weisungen des Beschlusses vom 3. Juni 2016 um unverzügliche Aufnahme in das Projekt Rubikon zu bemühen hat. Demnach ist auch die Strafvollstreckungskammer davon ausgegangen, dass es sich beim Kläger um einen jugendlichen gewaltbereiten Intensivtäter handelt, der auch nach der Entlassung aus der Haft einer engmaschigen Kontrolle und Unterstützung bedarf, um nicht wieder mit Gewaltstraftaten auffällig zu werden. Alleine die bisherige Teilnahme an dem Projekt lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass der Kläger unmittelbar nach dem „erfolgreichen“ Abschluss eines Antiaggressionstrainings im August 2014 bereits im September 2014 zwei massive Körperverletzungsdelikte begangen hat.

Auch wenn der Kläger laut Vollzugsplan während seiner Inhaftierung nicht wegen seiner in den von ihm begangenen Straftaten zum Vorschein getretenen Gewaltbereitschaft psychotherapeutisch behandelt worden ist, besteht diesbezüglich Handlungsbedarf. Dies zeigen zum einen die Weisung im Beschluss vom 3. Juni 2016 zur Teilnahme am Projekt Rubikon und zum anderen der Bericht der Jugendhilfe im Strafverfahren vom 3. Februar 2016. Danach hat der Kläger in der Strafhaft seine Aggressionsproblematik erkannt, aber noch nicht bewältigt; es wird eine professionelle Auseinandersetzung mit seinem Aggressionspotential durch psychologische und therapeutische Begleitung empfohlen.

Entgegen dem Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren hat das Erstgericht die seit der Begehung der letzten Straftat verstrichene Zeitspanne bei seiner Abwägungsentscheidung berücksichtigt. In den Entscheidungsgründen geht es ausdrücklich auf das beanstandungsfreie Verhalten in der Haft ein, weist aber zugleich darauf hin, dass es angesichts des nicht erfolgreich therapierten Aggressionspotentials und einer noch fehlenden Bewährung außerhalb des Strafvollzugs vom einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet ausgeht. Auch unter Berücksichtigung der nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei einer Ausweisung zu beachtenden Kriterien erweist sich das Urteil des Verwaltungsgerichts daher als richtig. Alleine der Zeitablauf seit Begehung der letzten Straftat lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht insoweit auch berücksichtigt, dass sich die Straftaten des Klägers, die seiner Inhaftierung zugrunde lagen, gegen das hochrangige Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit richteten und daher auch eine nur relativ geringe Möglichkeit weiterer Gewalttaten eine Wiederholungsgefahr begründet (BayVGH, B.v. 28.4.2017 - 10 ZB 15.2066 - juris Rn. 12 m.w.N.).

Einwendungen gegen die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils, soweit es die Klage gegen die Befristungsentscheidung und die Abschiebungsanordnung nach Albanien abgewiesen hat, werden im Zulassungsantrag ebenso wenig erhoben wie bezüglich des erfolglosen Verpflichtungsbegehrens auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und Abs. 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 53 Ausweisung


(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 39 Grundsatz


(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert be

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(1) Der Vollstreckungsleiter kann die Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe zur Bewährung aussetzen, wenn der Verurteilte einen Teil der Strafe verbüßt hat und dies im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des

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Tenor 1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2012 - 2 LA 234/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Gru

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2012 - 2 LA 234/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Niedersachsen hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein verwaltungsgerichtliches Verfahren aus dem Bereich des Schulrechts.

2

1. a) Der Beschwerdeführer besuchte ein öffentliches technisches Fachgymnasium. Da er an einer Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) leidet, beantragte er zum Nachteilsausgleich eine Schreibzeitverlängerung für die Anfertigung von Klausuren sowie die Nichtbewertung der Rechtschreibung (sog. Notenschutz). Die Schule lehnte dies ab.

3

b) Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die Schule, dem Beschwerdeführer bis zur Entscheidung in der Hauptsache bei der Anfertigung schriftlicher Leistungsüberprüfungen außer in naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern eine Schreibzeitverlängerung von 10 % der jeweiligen Bearbeitungszeit zu gewähren. Soweit der Eilantrag darüber hinaus auf vorläufige Gewährung eines Zeitzuschlages von 25 % und Notenschutz bezüglich der Rechtschreibleistung in allen Fächern sowie auf die ebenfalls bereits vorgerichtlich geltend gemachte Verpflichtung der Schule gerichtet war, ihn in Mathematik anwendungsbezogen auf das erste Prüfungsfach Elektronik zu unterrichten, blieb er ohne Erfolg. Eine vom Beschwerdeführer in dieser Sache erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 2129/08).

4

c) In der Hauptsache fasste das Verwaltungsgericht zunächst einen Beweisbeschluss zur Frage der medizinischen Notwendigkeit eines weitergehenden Nachteilsausgleichs. Dieser wurde jedoch nicht mehr ausgeführt, nachdem der Beschwerdeführer die Allgemeine Hochschulreife erworben hatte. Der Beschwerdeführer stellte seine Klage daraufhin um. Neben Feststellungsanträgen begehrte er, seine unter anderem auf Klausurabwertungen wegen Schreibfehlern (sog. "GRZ-Abzug") beruhenden Kursnoten im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 anzuheben.

5

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die in der Jahrgangsstufe 12 erteilten Einzelnoten seien bestandskräftig geworden und daher nicht mehr anfechtbar. Der Zulässigkeit der Feststellungsanträge stehe teilweise der Subsidiaritätsgrundsatz und teilweise das Fehlen eines Feststellungsinteresses entgegen.

6

d) Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss ab.

7

aa) Es könne offenbleiben, ob das Verwaltungsgericht die halbjährlichen Kursabschlussnoten als eigenständig anfechtbare Regelungen habe ansehen dürfen. Die Versäumung der Widerspruchsfrist sei insoweit jedenfalls unschädlich, da die Widerspruchsbehörde eine Sachentscheidung getroffen habe. Von der Bestandskraft der Einzelnoten könne daher nicht ausgegangen werden.

8

An der Richtigkeit der Ablehnung des Verpflichtungsantrags bestünden im Ergebnis gleichwohl keine ernstlichen Zweifel, da nicht ersichtlich sei, dass die den Kursnoten zugrunde liegenden Bewertungen fehlerhaft gewesen sein könnten. Es sei in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass unter einer Legasthenie leidenden Schülern zum Nachteilsausgleich nur Schreibzeitverlängerungen gewährt werden könnten oder die Nutzung technischer Hilfsmittel gestattet werden könne. Die Gewährung von Notenschutz (durch Nichtbewertung der Rechtschreibung) sei demgegenüber in der Regel nicht zulässig, da sie zu einer Benachteiligung von Schülern führen könne, denen aus sonstigen Gründen Rechtschreibfehler in größerem Umfang unterliefen. Darüber hinaus komme ein Ausgleich durch Notenschutz deswegen nicht in Betracht, weil sich die vom Beschwerdeführer beanstandeten Noten gerade auf das Fach Deutsch bezögen und in diesem unter anderem Rechtschreibung und Zeichensetzung zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen gehörten. Ein Anspruch auf Notenschutz folge selbst bei einem den Behinderungsbegriff erfüllenden Ausmaß der Legasthenie auch nicht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, da sich hieraus ein originärer subjektiver Leistungsanspruch nicht ableiten lasse. Unmittelbar aus Art. 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, BGBl 2008 II S. 1419) ergäben sich ebenfalls keine entsprechenden Rechte. Schließlich sehe die geltende Erlasslage in gewissem Umfang eine differenzierte Bewertung vor und eröffne einen pädagogischen Bewertungsspielraum, der eine einzelfallgerechte Berücksichtigung des Erscheinungsbildes der Legasthenie ermögliche. Es sei nicht ersichtlich, dass bei der Bewertung der den beanstandeten Kursnoten zugrunde liegenden Deutschklausuren hiervon in willkürlicher Weise abgewichen worden sei.

9

bb) Auch das Feststellungsinteresse habe das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Ein Rehabilitationsinteresse könne nicht bejaht werden, da von den Einzelnoten und der Durchschnittsnote des Abiturzeugnisses keine den Beschwerdeführer in seiner Persönlichkeit diskriminierende Wirkung ausgehe. Die Bewertung im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 könne für sich gesehen nicht als diskriminierend angesehen werden, zumal sich die begehrte Anhebung nicht auf die Durchschnittsnote auswirken würde. Hinsichtlich anderer Einzelnoten habe der Beschwerdeführer nicht näher dargelegt, welche Punktzahl er für angemessen halte. Soweit er sein Feststellungsbegehren auf eine beabsichtigte Amtshaftungsklage stütze, habe das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass eine solche mangels Verschuldens offensichtlich aussichtslos sei.

10

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG, aus Art. 3 Abs. 1 und 3 GG in Verbindung mit der UN-Behindertenrechtskonvention sowie aus Art. 12 GG und führt dies näher aus. Insbesondere rügt er, das Ausgangsgericht habe zu keinem Zeitpunkt in einem ordentlichen Hauptsacheverfahren durch Beweisaufnahme geprüft, welche Maßnahmen notwendig gewesen seien, um die behinderungsbedingten Nachteile auszugleichen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es aber uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar, ob ein in Prüfungen gewährter Nachteilsausgleich die Störung vollständig ausgeglichen habe, was gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen zu ermitteln sei (Hinweis auf BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 1992 - 1 BvR 1295/90 -, NJW 1993, S. 917 <918>). Das Oberverwaltungsgericht habe zudem verkannt, dass er durch die Anlegung desselben Leistungsbemessungsmaßstabs wie bei seinen nicht behinderten Mitschülern in einem Bereich, in dem er aufgrund seiner Funktionsstörung nicht gleichermaßen leistungsfähig sein könne, benachteiligt worden sei. Aus fachärztlicher Sicht habe er in allen Fächern zusätzlich 25 % der üblichen Bearbeitungszeit benötigt, um die gleichen Chancen bei der Bearbeitung der anstehenden Aufgaben zu haben. Ein reiner Nachteilsausgleich führe, auch wenn er den Verzicht auf die Benotung der Rechtschreibung beinhalte, keineswegs zu einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit nichtbehinderter Mitschüler. Dadurch, dass es das Oberverwaltungsgericht versäumt habe, seine willkürliche Entscheidung aus dem Eilverfahren im Berufungszulassungsverfahren zu korrigieren, nehme es ihm die Möglichkeit der Rehabilitation und verschärfe damit die bereits erfolgte Diskriminierung. Damit werde zudem eine Amtshaftungsklage bewusst ausgeschlossen und würden legasthene Schüler in Niedersachsen im Ergebnis rechtlos gestellt.

11

3. Die Verfassungsbeschwerde ist dem Niedersächsischen Justizministerium und der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der vormaligen Schule des Beschwerdeführers, zugestellt worden. Diese haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

II.

12

1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.

13

2. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

14

a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet zwar keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136 f.>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grund dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; 134, 106 <117 f. Rn. 34>).

15

b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.

16

aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies hat der Beschwerdeführer getan. Er hat aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht seinen Verpflichtungsantrag rechtsfehlerhaft als unzulässig behandelt hat und die angenommene Unzulässigkeit der Feststellungsanträge betreffend den Notenschutz und den Umfang des ihm zustehenden Nachteilsausgleichs aus Subsidiaritätsgründen zumindest ernstlichen - vom Oberverwaltungsgericht selbst näher aufgezeigten - Zweifeln begegnet. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.

17

bb) Es begegnet zwar keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere Gründe entscheidungstragend abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. BVerfGE 134, 106 <119 f. Rn. 40>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).

18

Dass dem Beschwerdeführer vor Erlass der angegriffenen Entscheidung im Hinblick auf die neue Begründung des Oberverwaltungsgerichts im Berufungszulassungsverfahren rechtliches Gehör gewährt worden wäre, lässt sich den beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens nicht entnehmen. Darüber hinaus lagen die Voraussetzungen für einen Austausch der Begründung hiernach auch nicht vor.

19

(1) Hinsichtlich der auf den Notenschutz bezogenen Klageanträge ergibt sich dies schon daraus, dass das Oberverwaltungsgericht die angenommene inhaltliche Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf Gründe stützt, denen ihrerseits grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Denn die Heranziehung von Erwägungen mit Grundsatzbedeutung zur Ablehnung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel verkürzt den vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehenen Rechtsschutz im Berufungsverfahren in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise (vgl. BVerfGK 10, 208 <213 f. m.w.N.>).

20

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in der revisionszulassungsrechtlichen Bestimmung des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerfGK 10, 208 <214>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2011 - 1 BvR 1764/09 -, NVwZ-RR 2011, S. 963 <964>).

21

Nach diesen Maßstäben kam der vom Oberverwaltungsgericht verneinten Frage, ob der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Legasthenie so genannten Notenschutz in Form der Nichtbewertung der Rechtschreibung verlangen konnte, grundsätzliche Bedeutung zu. Denn ihre Beantwortung hat Bedeutung weit über den Einzelfall des Beschwerdeführers hinaus und betrifft den Umfang des verfassungsrechtlich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit im Prüfungsrecht (BVerfGE 52, 380 <388>) als auch des Benachteiligungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (BVerfGE 96, 288<301 ff.>) bestehenden Anspruchs auf behinderungsbezogenen Nachteilsausgleich (zu der namentlich aus den verfassungsrechtlichen Bezügen abgeleiteten Grundsatzbedeutung der Rechtmäßigkeit der Bemerkung der Nichtberücksichtigung von Rechtschreibleistungen im Abiturzeugnis vgl. BayVGH, Urteile vom 28. Mai 2014 - 7 B 14.22 u.a. -, juris, Rn. 27). Die umstrittene Frage des Umfangs des Nachteilsausgleichs, der an Legasthenie leidenden Schülern zusteht, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts noch nicht höchstrichterlich geklärt. Erst im Jahr 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass aus dem Gebot der Chancengleichheit nur Ansprüche auf Änderung der Prüfungsbedingungen (Nachteilsausgleich), nicht aber solche auf Änderung des Maßstabs der Leistungsbewertung (Notenschutz) abgeleitet werden könnten (BVerwGE 152, 330). Hiergegen sind beim Bundesverfassungsgericht mittlerweile Verfassungsbeschwerden anhängig (Az. 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2578/15 und 1 BvR 2579/15), über die noch nicht entschieden ist.

22

Das Oberverwaltungsgericht konnte die Nichtzulassung der Berufung wegen inhaltlicher Richtigkeit daher hierauf nicht stützen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der flankierenden Erwägungen, im Fach Deutsch gehörten Rechtschreibung und Zeichensetzung gerade zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen und der Schutz des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG beschränke sich auf seine Funktion als Abwehrrecht. Gleiches gilt für den Hinweis auf den nach den einschlägigen schulrechtlichen Ausführungsbestimmungen bestehenden pädagogischen Spielraum. Ob die erfolgten Abwertungen unter Berücksichtigung des Spielraums der Behinderung des Beschwerdeführers hinreichend Rechnung trugen, wäre gegebenenfalls erst in einem Berufungsverfahren zu klären gewesen.

23

(2) Auch mit Blick auf das (verneinte) Feststellungsinteresse verkürzt das Oberverwaltungsgericht die verfassungsrechtlich garantierten Zugangsmöglichkeiten zum Berufungsverfahren. Soweit es ausführt, es fehle an dem (vom Verwaltungsgericht insoweit nicht geprüften) Feststellungsinteresse, weil die Ausweisung der Deutschnoten in der Jahrgangsstufe 12 mit Blick auf deren Auswirkungen auf das Abiturergebnis keinen diskriminierenden Charakter hätten und der Beschwerdeführer hinsichtlich der anderen Einzelnoten schon nicht näher dargelegt habe, welche Punktzahl er für erforderlich halte, lagen diese Erwägungen nicht ohne Weiteres auf der Hand und überschritten den statthaften Prüfungsumfang im Berufungszulassungsverfahren. Inhaltlich liegen sie auch eher fern, weil der Beschwerdeführer dargelegt hat, dass die Feststellung, welche Noten er mit der von ihm für notwendig gehaltenen längeren Schreibzeitverlängerung in allen Fächern erreicht hätte, im Nachhinein nicht möglich ist. Gerade deswegen blieb ihm aber nur die Möglichkeit eines Feststellungsantrags, um eine in den erreichten Noten gegebenenfalls fortwirkende Benachteiligung durch einen entsprechenden Feststellungsausspruch zu beseitigen. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist im Übrigen geklärt, dass sich das notwendige Feststellungsinteresse in einer solchen Situation bereits aus der Geltendmachung einer fortdauernden faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung ergeben kann (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - BVerwG 1 WB 59.13 -, juris, Rn. 20; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 146 m.w.N.), die hier insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gerügt wird.

24

3. Auf die Beantwortung der weiteren vom Beschwerdeführer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen kommt es nicht an, da der angegriffene Beschluss die Berufungszulassung behandelt und keine Entscheidung zur Sache enthält.

III.

25

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf dem Verfassungsverstoß. Er ist daher gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache ist an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

26

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 ff.>).

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 3. Juli 2014 und Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis weiter. Mit diesem Bescheid wies die Beklagte den Kläger aus dem Bundesgebiet aus und untersagte die Wiedereinreise für fünf Jahre. Zugleich lehnte sie seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 12. April 2011 ab, duldete aber seinen Aufenthalt wegen tatsächlicher Abschiebungshindernisse in den Irak.

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Der allein dargelegte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor (1.). Die zudem geltend gemachten Zulassungsgründe der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO) sind schon nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt (2.).

Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch bezüglich der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellung, dass die Ausweisung des Klägers verhältnismäßig sei (a.), und er keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis habe (b.), nicht der Fall.

a. Das Erstgericht geht in der Urteilsbegründung davon aus, dass der Kläger durch seine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten (Urteil vom 8.10.2013) den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 1 AufenthG a. F. erfüllt habe und daher in der Regel ausgewiesen werde, er keinen besonderen Ausweisungsschutz genieße und auch kein Ausnahmefall im Sinne des § 54 AufenthG a. F. vorliege. Die Ausweisung sei unter Anwendung der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Grundsätze nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Der Kläger sei mehrmals wegen erheblicher Straftaten verurteilt worden. Die Straftaten hätten sich gegen das Eigentum und die körperliche Unversehrtheit gerichtet. Die Ausweisung erfolge sowohl aus general- als auch aus spezialpräventiven Gründen. Der Kläger sei ein mehrmaliger Bewährungsversager. Es bestehe eine konkrete Wiederholungsgefahr der Begehung weiterer ähnlich gelagerter Straftaten. Eine Auseinandersetzung oder eine Einsicht des Klägers in seine Taten und eine positive Entwicklung seien nicht erkennbar. Der Kläger sei im Alter von 14 Jahren mit seinem Vater aus dem Irak nach Deutschland gekommen. Er sei in seiner Kindheit im Heimatland sozialisiert worden. Das Gericht gehe davon aus, dass er sich in der Landessprache seines Heimatlandes verständigen könne. Er habe durch seine aus dem Irak stammenden Eltern eine soziokulturelle Beziehung zum Heimatland. In Deutschland habe er keinen Berufsabschluss erreicht, kaum gearbeitet und sich auch nicht in sonstiger Weise integriert. Er habe keine eigene Familie gegründet. Zulasten des Klägers sprächen seine zahlreichen Straftaten und seine fortdauernde Gefährlichkeit. Er sei weder als Asylberechtigter anerkannt noch sei ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden. Seine Aufenthaltserlaubnis sei alleine Folge des Umstands, dass die Mutter des Klägers erkrankt gewesen sei. Die Pflege der Mutter habe ihn nicht davon abgehalten, straffällig zu werden. Selbst wenn man einen Ausnahmefall im Sinne des § 54 AufenthG a. F. annehmen wolle, sei die Ausweisung als Ermessensausweisung rechtmäßig.

Der Kläger bringt im Zulassungsverfahren vor, dass die Ausweisung nicht den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK entspreche. Er sei als Flüchtling eingereist und lebe noch bei seinen Eltern und den beiden älteren Geschwistern. Er habe im Heimatland keine Verwandten mehr, seine Heimatstadt dürfte inzwischen in Schutt und Asche liegen. Der Kläger und seine Familie seien Flüchtlinge, die aus einer Gegend stammten, in der zurzeit der Islamische Staat die Macht an sich reißen wolle. Den Kläger in sein Heimatland zurückzuschicken, würde bedeuten, sein Leben zu gefährden. Die Maßnahme sei im Hinblick auf die begangenen Straftaten unverhältnismäßig. Der Kläger habe die meisten Straftaten im jugendlichen Alter begangen. Er sei Erstverbüßer und habe nun erstmals die Gelegenheit, sich mit seinen Verhaltensweisen, insbesondere auch seinem Alkoholkonsum, auseinanderzusetzen. Eine positive Entwicklung sei daher nicht von vornherein auszuschließen. Die Ermessenserwägungen der Beklagten seien unzureichend.

Mit diesem Vorbringen zieht der Kläger die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, soweit damit die Klage gegen die Ausweisungsverfügung im Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 2014 abgewiesen wird, gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der aktuellen Fassung des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl I S. 394), das am 17. März 2016 in Kraft getreten ist, im Ergebnis jedoch nicht ernsthaft in Zweifel.

Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Denn maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisungsentscheidung ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12), also hier der Entscheidung über den Zulassungsantrag. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist daher zu berücksichtigen, sie ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 57).

Der Senat hat daher die verwaltungsgerichtliche Entscheidung unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens anhand der gesetzlichen Regelungen über die Ausweisung in der ab 17. März 2016 gültigen Fassung zu überprüfen. Die bereits am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen neuen gesetzlichen Regelung zur Ausweisung (Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015, BGBl I S. 1886) differenzieren nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangen für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang überprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 5 ff., a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine nach altem Recht verfügte (Ermessens-) Ausweisung wird auch nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG n. F. nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Der Senat kommt vorliegend bei der Prüfung der Ausweisungsentscheidung zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an einer Ausreise unter Abwägung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien das Bleibeinteresse des Klägers überwiegt.

Die nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs noch gegeben. Denn es besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger auch weiterhin Straftaten, die sich gegen die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum anderer richten, begehen wird. Bei der vom Gericht eigenständig zu treffenden Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - UA Rn. 11). Der Kläger ist bereits als Jugendlicher durch Körperverletzungsdelikte aufgefallen. Die verhängten Jugendarreste haben den Kläger nicht davon abgehalten, weiterhin Körperverletzungsdelikte zu begehen, die sich in ihrer Brutalität steigerten. Das Amtsgericht München verurteilte ihn am 18. Juni 2010 wegen vorsätzlicher Körperverletzung (unter Einbeziehung einer vorherigen Verurteilung wegen Diebstahls) zu einer Jugendstrafe von einem Jahr, deren Vollzug zur Bewährung ausgesetzt wurde. In der Bewährungszeit beging er ein weiteres Körperverletzungsdelikt, das zu einer Verurteilung durch das Amtsgericht München zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten führte. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger künftig wegen der Verbüßung der verhängten Freiheits- bzw. Jugendstrafe keine Gewaltstraftaten mehr begehen und sich an die Rechtsordnung halten werde, ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht. Zunächst ist nicht zutreffend, dass der Kläger die meisten Straftaten als Jugendlicher begangen hat. Die letzte Verurteilung wegen eines Körperverletzungsdelikts zu acht Monaten Freiheitsstrafe erfolgte zu einem Zeitpunkt, als der Kläger schon erwachsen war; dies gilt auch für die Verurteilungen zu Geldstrafen wegen Erschleichens von Leistungen, gemeinschaftlicher Sachbeschädigung und wegen Beleidigung. Auch ist der Kläger nicht „Erstverbüßer“, sondern befand sich vor seiner Inhaftierung bereits mehrmals im Jugendarrest. Zwar gehen die Straf- und Verwaltungsgerichte davon aus, dass die erstmalige Verbüßung einer Haftstrafe, insbesondere als erste massive Einwirkung auf einen jungen Menschen, unter Umständen seine Reifung fördern und die Gefahr neuen Straffälligwerdens mindern kann (BayVGH, B. v. 24.2.2016 - 10 ZB 15.2080 - UA Rn. 12 m. w. N.). Es ist beim Kläger aber nicht erkennbar, dass ihn die Verbüßung der Freiheitsstrafe nachhaltig beeindruckt, er sich mit seiner kriminellen Vergangenheit auseinandersetzt und es zu einem nachhaltigen Einstellungswandel gekommen ist. Die Justizvollzugsanstalt stellt in ihrem Führungsbericht vom 19. Juni 2015 fest, dass aufgrund der Delikts- und Persönlichkeitsstruktur des Klägers eine Teilnahme an der anstaltsinternen Gewalt-Präventions-Gruppe notwendig erscheine, die Behandlungs- und Veränderungsmotivation jedoch unzureichend sei. Das Verhalten im Vollzug sei nicht beanstandungsfrei. Zudem erbringe er in einem Unternehmerbetrieb nur unbeständige und unterdurchschnittliche Arbeitsleistungen. Vollzugslockerungen seien dem Kläger mangels Eignung nicht gewährt worden. Die Justizvollzugsanstalt hat daher auch eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 StGB i. V. m. § 88 JGG nicht befürwortet. Der Kläger hat seine Alkoholproblematik, die er als Ursache für die von ihm begangenen Straftaten ansieht, nicht aufgearbeitet, so dass auch aus diesem Grund zu befürchten ist, er werde auch in Zukunft unter Einfluss von Alkohol Straftaten begehen (vgl. zur Wiederholungsgefahr bei Straftaten, die auf einer Suchterkrankung beruhen, z. B. BayVGH, B. v. 19.5.2015 - 10 ZB 13.1437 - juris Rn. 13).

Ein besonders schwerwiegendes oder ein schwerwiegendes Bleibeinteresse im Sinne des § 55 Abs. 1 oder Abs. 2 AufenthG liegt nicht vor. Sämtliche Privilegierungstatbestände dieser Vorschriften, die berücksichtigen, dass der Kläger als Minderjähriger ins Bundesgebiet eingereist ist und sich seit fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält, setzen den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis voraus. Eine solche besitzt er jedoch seit dem 17. April 2011 nicht mehr.

Hingegen besteht ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG. § 54 AufenthG konkretisiert und gewichtet die Ausweisungsinteressen, die in die Abwägungsentscheidung nach § 53 Abs. 1 AufenthG einzubeziehen sind. Die Verurteilungen des Klägers zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten und zu einer Jugendstrafe von einem Jahr, die zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurde, begründen für sich genommen kein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AufenthG, da sie die Voraussetzungen der jeweiligen Regelung nicht erfüllen. Durch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung (Urteil des Amtsgerichts München vom 8.10.2013) ist aber jedenfalls der Tatbestand des erst am 17. März 2016 in Kraft getretenen § 54 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG erfüllt. Der Kläger hatte versucht, einen Türsteher mit einer Bierflasche niederzuschlagen. Ob darüber hinaus ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG vorliegt, weil der Kläger wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall (Einbruch in einen Getränkemarkt) und Körperverletzung (er schlug den Geschädigten ohne rechtfertigenden oder entschuldigenden Grund ins Gesicht) zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt war (vgl. hierzu BT-Drs. 18/7537, S. 5), verurteilt worden ist, kann daher offen bleiben. Ebenso braucht nicht entschieden werden, ob durch die Verurteilungen zu zwei Geldstrafen, die über der Bagatellgrenze von 30 Tagessätzen liegen (Urteil des AG München vom 28.10.2011 und Strafbefehl des AG München vom 27.7.2013) zusätzlich ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG besteht.

Das Vorliegen eines in § 54 AufenthG normierten Ausweisungsinteresses, dem nicht auch ein gleichwertiges Bleibeinteresse gegenübersteht, führt indessen noch nicht ohne weiteres zur Ausweisung des Betroffenen. Der Gesetzgeber geht selbst davon aus, dass die in § 54 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG genannten Ausweisungsinteressen im Einzelfall bei Vorliegen besonderer Umstände auch mehr oder weniger Gewicht entfalten, so dass ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nicht zwangsläufig zur Ausweisung des Ausländers führen muss (vgl. Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 53 Rn. 52; BT-Drs. 18/4097 S. 50). Erst anhand einer Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalls lässt sich feststellen, ob das Interesse an der Ausweisung letztlich überwiegt. Insbesondere hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern durch das Einfügen der Wörter „sowie die Tatsache, ob der Ausländer sich rechtstreu verhalten hat“ in § 53 Abs. 2 AufenthG klargestellt, dass sich rechtstreues Verhalten zugunsten und nicht rechtstreues Verhalten zulasten des Ausländers in der Abwägung auswirken kann (BT-Drs. 18/7537 S. 5).

Im Fall des Klägers überwiegt bei Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien das öffentliche Interesse an der Ausreise des Klägers sein Bleibeinteresse. Aus dem Vorbringen im Zulassungsverfahren ergibt sich weder in Bezug auf die begangene Straftat, die das schwerwiegende Ausweisungsinteresse begründet, noch in Bezug auf die in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten abwägungsrelevanten Kriterien eine Atypik. Es trifft nicht zu, dass der Kläger überwiegend Bagatelldelikte begangen hat. Bei den Verurteilungen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten wegen Einbruchsdiebstahls bzw. versuchten Einbruchsdiebstahls wirkte der Kläger mit den anderen an der Straftat Beteiligten bewusst und gewollt zusammen und hatte zuvor einen Tatplan ausgearbeitet. Bei den Körperverletzungsdelikten ging die Aggression stets vom Kläger aus. Gerade die Tat, die der Verurteilung zur Freiheitsstrafe von acht Monaten zugrunde lag, zeigt die besondere Aggressivität des Klägers, als er ohne vorherige Provokation einem Türsteher eine Bierflasche auf den Kopf schlagen wollte. Eine berufliche und wirtschaftliche Integration ist dem Kläger bislang nicht gelungen. Dem Zulassungsvorbringen ist auch nicht zu entnehmen, dass er ernsthafte Anstrengungen unternommen hat, diese Situation zu ändern. Nicht ausreichend ist jedenfalls, dass „eine positive Entwicklung nicht von vornherein auszuschließen ist“. Die Ausweisung des Klägers führt zwar dazu, dass der persönliche Kontakt zu seinen Eltern und seinen Schwestern, bei denen er bis zu seiner Inhaftierung gelebt hat, nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Die Beziehungen zu seiner Familie sind jedoch nicht besonders schützenswert, da er bereits 26 Jahre alt und nicht mehr auf die Beistandsleistungen seiner Eltern oder Geschwister angewiesen ist. Seit seiner Inhaftierung hat ihn seine Familie nur in unregelmäßigen Abständen in der Justizvollzugsanstalt besucht. Entgegen dem Vorbringen im Zulassungsantrag ist auch davon auszugehen, dass der Kläger Bindungen zu seinem Herkunftsstaat hat. Er hat bis zu seinem 14. Lebensjahr zusammen mit seiner Familie in Kirkuk gelebt und dort die Schule besucht. Nach den Angaben seines Vaters im Asylverfahren lebten zumindest im Jahr 2003 noch dessen Vater und Schwester im Irak. Aus der Anhörung im Asylverfahren lässt sich auch nicht entnehmen, dass der Kläger in einem Krisen- und Kriegsgebiet aufgewachsen sei, wie er im Zulassungsverfahren vorbringt. Sein Vater hat lediglich angegeben, dass er sich für die Baath-Partei politisch engagiert und befürchtet habe, als Kurde verhaftet zu werden. Das bisherige Bleiberecht des Klägers beruhte auch nicht darauf, dass er in seinem Heimatland menschenrechtswidriger Behandlung ausgesetzt gewesen wäre oder ihm eine erhebliche, individuelle oder konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gedroht hätte. Der Kläger erhielt eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, weil für seine Mutter, die an Erkrankungen leidet, die im Irak nicht behandelbar sind, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Ob inzwischen Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf den Kläger vorliegen, ist in dem dafür vorgesehenen asylrechtlichen Verfahren beim Bundesamt zu überprüfen. Zudem wäre es ihm als erwachsenen, jungen und gesunden Mann zuzumuten, gegebenenfalls nicht in seinen Heimatort, sondern an einen anderen sicheren Ort in seinem Heimatland zurückzukehren.

b. Auch die Abweisung der Klage auf Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen bzw. seine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, erweist sich unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens als richtig.

Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass der Tatbestand des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt sei und die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht vorlägen. Die Ausreise in den Irak sei sowohl aus tatsächlichen als auch aus rechtlichen Gründen möglich und zumutbar. Es bestünden Flugverbindungen in den Irak. Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse bestünden nicht. Im Hinblick auf die derzeitige Lage im Irak liege auch kein zielstaatsbezogenes Ausreisehindernis vor. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge habe mit Bescheid vom 27. Oktober 2003 bestandskräftig festgestellt, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG nicht vorlägen. An diese Entscheidung sei die Ausländerbehörde gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG (jetzt AsylG) gebunden. Anhaltspunkte, dass eine extreme Gefahrenlage vorliege und daher der Ausländerbehörde ein eigenes Prüfungsrecht zukomme, lägen nicht vor. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen, wonach der Lebensunterhalt gesichert sein müsse und kein Ausweisungsgrund vorliegen dürfe, seien nicht gegeben. Die mit Schreiben der Beklagten vom 14. Juli 2015 ergänzten Ermessenserwägungen in Bezug auf das Absehen von diesen Erteilungsvoraussetzungen seien nicht fehlerhaft.

Im Zulassungsverfahren wendet der Kläger insoweit lediglich ein, dass das Gebiet, aus dem er stamme, mitten in der Kampfzone des Islamischen Staates liege. Gerade dort, wo er beheimatet gewesen sei, bestehe eine extreme Gefahr für Leib und Leben.

Mit diesem Vorbringen zieht der Kläger die Entscheidung des Erstgerichts jedoch nicht ernsthaft in Zweifel. Insoweit fehlt es bereits an einer substantiierten Darlegung, weshalb seine freiwillige Ausreise wegen einer extremen Gefahr für Leib und Leben unzumutbar sein soll. Alleine der Umstand, dass er aus Al-Tamin stammt, wofür es eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gibt, reicht nicht aus, um eine extreme Gefahr für Leib und Leben in der Person des Klägers anzunehmen. Ihm bleibt es im Übrigen unbenommen, im Falle einer freiwilligen Ausreise nicht in seinen Heimatort, sondern in einen anderen Teil des Landes zurückzukehren.

Mit der weiteren Erwägung des Verwaltungsgerichts, dass selbst bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bestehe, weil die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt seien und es im Ermessen der Ausländerbehörde stehe, ob sie von diesen Voraussetzungen abweiche (§ 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG), setzt sich der Kläger im Zulassungsvorbringen nicht auseinander.

2. Zu den weiter angeführten Zulassungsgründen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 VwGO fehlen jegliche Darlegungen im Zulassungsantrag. Auch aus dem Zulassungsvorbringen zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils lässt sich nicht entnehmen, worin die besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegen sollten.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 sowie § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 52 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung wendet sich die Beklagte gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 19. Juli 2016, mit dem der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2016 in den Nrn 1. (Ausweisung) und 2. (Befristung) aufgehoben worden ist. Anlass für die Ausweisungsentscheidung bildete die Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn die Beklagte im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisungs- und Befristungsentscheidung der Beklagten aufgehoben, weil unter Berücksichtigung aller Umstände und nach Abwägung des öffentlichen Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse das Interesse des Klägers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an dessen Aufenthaltsbeendigung überwiege. Das Ausweisungsinteresse wiege besonders schwer (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG), ein besonders schwerwiegendes oder schwerwiegendes Bleibeinteresse könne der Kläger nicht für sich beanspruchen. Im Rahmen des § 53 Abs. 2 AufenthG seien jedoch gewichtige Belange zu seinen Gunsten anzuführen. Dies seien die vergleichsweise geringe Gefahr der Begehung neuer Straftaten aufgrund seiner noch nicht abgeschlossenen Persönlichkeitsentwicklung, des positiv zu bewertenden Nachtatverhaltens, der Einstellungsänderung sowie seine nachhaltige und gute Integration in Deutschland und das Fehlen belastbarer Beziehungen zu seinem Heimatland Irak.

Die Beklagte wendet demgegenüber im Zulassungsverfahren ein, das Urteil sei bereits deshalb unrichtig, weil das Verwaltungsgericht das Bestehen einer nur geringen Wiederholungsgefahr zugunsten des Klägers bei den Bleibeinteressen berücksichtigt habe, eine Wiederholungsgefahr, egal ob sehr groß oder nur gering, spreche aber für die Ausweisung und gegen den Ausländer.

Damit hat die Beklagte aber keine Umstände aufgezeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist. Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Voraussetzung ist also zunächst eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den weiteren Aufenthalt des Ausländers (st. Rspr., vgl. z. B. BayVGH, B. v. 2.11.2016 - 10 ZB 15.2656 - juris Rn. 10). Offensichtlich ist das Verwaltungsgericht vom Bestehen einer - wenn auch geringen - Wiederholungsgefahr ausgegangen, weil das Gericht nur bei Bestehen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage eine Abwägungsentscheidung gemäß § 53 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 AufenthG vorzunehmen hat. Sodann ist eine Gegenüberstellung der im Aufenthaltsgesetz typisierten Ausweisungs- und Bleibeinteressen (§§ 54 und 55 AufenthG) vorzunehmen (BayVGH, a. a. O., Rn. 12). Auf dieser Stufe kommt das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei zum Ergebnis, dass der Kläger ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse verwirklicht hat (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG), dem kein gesetzlich vertyptes Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG gegenüber steht. Bei der sich daran anschließenden Gesamtabwägung unter Heranziehung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien ist darauf zu achten, ob per se verwirklichte Tatbestände der §§ 54 und 55 AufenthG unter Berücksichtigung des gesamten Abwägungsmaterials eine atypische Rechtsfolge auslösen, nämlich im Vergleich zur gesetzlichen Regelfolge ein höheres oder niedrigeres Ausweisungs- oder Bleibeinteresse begründen (Graßhof in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 2016, § § 53 Rn. 83). Dabei hat das Verwaltungsgericht zutreffend (auch) die seiner Auffassung nur noch geringfügige Gefahr der Begehung neuer Straftaten durch den Kläger berücksichtigt (vgl. auch BayVGH, a. a. O., Rn. 13) und ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die durch § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vorgegebene Regelfolge ausnahmsweise nicht eintritt. Der von der Beklagten gerügte Fehler im Abwägungsprozess liegt somit nicht vor.

Auch das Vorbringen der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe sich mit den Aspekten, die für die Annahme einer - durchaus erheblichen - Wiederholungsgefahr sprächen, nicht hinreichend auseinandergesetzt, führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Dies gilt zunächst für die Ausführungen der Beklagten, dass das Verwaltungsgericht bei der Gefahrenprognose zu Unrecht die Ausführungen des Amtsgerichts im Strafurteil übernommen und daher einen unzutreffenden Maßstab angelegt habe. Es besteht zwar grundsätzlich keine rechtliche Bindung von Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichten an die tatsächlichen Feststellungen und die Beurteilung des Strafrichters, also auch nicht an die strafgerichtliche Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung (st. Rspr., vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18 m. w. N.; BVerfG, B. v. 19.10.2016 - 2 BvR 1943/16 - juris Rn. 21). Vielmehr haben Ausländerbehörde und Verwaltungsgerichte über das Vorliegen einer hinreichenden Gefahr neuer Verfehlungen eigenständig zu entscheiden. Die strafgerichtliche Entscheidung über die Aussetzung der Strafe zur Bewährung ist aber von tatsächlicher Bedeutung für die behördliche und verwaltungsgerichtliche Sachverhaltswürdigung dahingehend, ob eine die Ausweisung rechtfertigende Gefahr gegeben ist. Auch vor dem Hintergrund, dass dem Strafrecht und dem Ausländerrecht unterschiedliche Gesetzeszwecke zugrunde liegen, kann von der sachkundigen strafrichterlichen Prognose bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr grundsätzlich nur bei Vorliegen überzeugender Gründe abgewichen werden (BayVGH, B. v. 27.12.2016 - 10 CS 16.2289 - Rn. 8 m. w. N.). Dies gilt namentlich bei einer Strafaussetzung nach § 56 StGB (bzw. nach § 21 Abs. 1 oder Abs. 2 JGG; vgl. Discher in GK-AufenthG, Stand: Juli 2016, vor §§ 53 ff. Rn. 1250), während die Aussetzung des Strafrests zur Bewährung im Sinne des § 57 StGB ausweisungsrechtlich geringeres Gewicht hat (vgl. BVerfG, B. v. 27.8.2010 - 2 BvR 130/10 - juris Rn. 36; BVerwG, B. v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - juris). Es bedarf jedenfalls einer substantiierten Begründung, wenn von der strafgerichtlichen Einschätzung abgewichen werden soll (BVerfG, B. v. 19.10.2016, a. a. O.). Entsprechende Gründe hat die Beklagte aber (auch) im Zulassungsverfahren nicht dargelegt.

Der Einschätzung des Erstgerichts und des Strafgerichts, der Kläger habe positives Nachtatverhalten gezeigt, daher sei von einer positiven Zukunftsprognose bezüglich der Begehung weiterer Straftaten auszugehen, ist die Beklagte im Zulassungsverfahren nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten. Auch wenn ein Geständnis und eine Schadenswiedergutmachung sich in der Regel im Strafverfahren strafmildernd auswirken, hat dies für die Geschädigte den positiven Effekt, ihr eine weitere Aussage in der Hauptverhandlung zu ersparen und ihr zumindest finanzielle Genugtuung zu verschaffen. Zudem zeigt das Geständnis des Täters, dass er sich zu seiner Tat bekennt. Erst dies ermöglicht eine Auseinandersetzung mit der von ihm begangenen Straftat. Die von der Beklagten angeführte Empathielosigkeit des Klägers und das Ausnutzen der Verliebtheit der Geschädigten sprechen zwar für gravierende Charaktermängel, reichen aber angesichts seines positiven Nachtatverhaltens nicht aus, die Einschätzung des Erstgerichts, vom Kläger gehe nur noch eine geringe Wiederholungsgefahr aus, ernstlich in Zweifel zu ziehen.

Auch mit dem pauschalen Verweis darauf, dass es sich bei Sexualstraftaten um Risikodelikte handle, legt die Beklagte keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des Urteils dar. Die Bewährungshelferin hat in ihrer Stellungnahme vom 12. Januar 2016 ausgeführt, dass Auffälligkeiten bezüglich sexueller Neigungen beim Kläger nicht festgestellt werden konnten. Auch aus dem strafgerichtlichen Urteil ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für - wie die Beklagte meint - ein „offenkundig pädo-sexuelles Triebverhalten“. Vorzuwerfen ist dem Kläger, worauf auch das Strafgericht strafschärfend abgestellt hat, „dass er als Erwachsener seine Vertrauensstellung gegenüber der Geschädigten ausgenutzt, sie zum Objekt seiner Sexualität degradiert und keinerlei tatsächliches Interesse an ihr hatte.“ Tragfähige Rückschlüsse auf eine gesteigerte Wiederholungsgefahr wegen der Begehung eines Risikodelikts lassen sich daraus allerdings im vorliegenden Fall nicht ziehen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind daher das Wissen um die Strafbarkeit von (einvernehmlichem) Sex mit Kindern unter vierzehn Jahren und die von der Bewährungshelferin mit dem Kläger erarbeiteten Vermeidungsstrategien durchaus geeignet, die Gefahr, dass er erneut sexuellen Kontakt mit Kindern unter vierzehn Jahren sucht, erheblich zu mindern.

Soweit die Beklagte vorbringt, der bisherige positive Bewährungsverlauf des Klägers sei kein Kriterium dafür, dass die Gefahr erneuter Delikte aus dem Sexualbereich entfallen oder eingeschränkt sei, zieht sie damit die Richtigkeit des erstinstanzliches Urteils nicht ernsthaft in Zweifel. Die Beklagte übersieht, dass im Fall des Klägers die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist, weil das Strafgericht zu der Auffassung gelangt war, dass er sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine neuen Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 Satz 1 StGB). Nach der Prognose des Strafgerichts, die die Beklagte schlicht ignoriert (s.o.), bestand also bereits im Zeitpunkt seiner Entscheidung keine Wiederholungsgefahr mehr. Auf den von der Beklagten zur Begründung einer noch bestehenden erhöhten Wiederholungsgefahr herangezogenen differenzierten Wahrscheinlichkeitsmaßstab kommt es somit nicht mehr an.

Für die (weitere) Begründung des Erstgerichts zur (allenfalls) geringen Wiederholungsgefahr, wonach die Persönlichkeitsentwicklung des Klägers noch nicht abgeschlossen sei, finden sich allerdings - worauf die Beklagte in der Zulassungsbegründung hinweist - weder im strafgerichtlichen Urteil noch in den Verwaltungs- oder Gerichtsakten hinreichende Anhaltspunkte. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die vom Kläger ausgehende Wiederholungsgefahr sei gering, ist jedoch im Ergebnis zutreffend, weil gewichtige Faktoren (Strafaussetzung nach § 56 StGB, positives Nachtatverhalten, Stellungnahme der Bewährungshelferin zum Verlauf der Bewährungszeit, Deliktaufarbeitung) diese Einschätzung rechtfertigen.

Die Ausführungen der Beklagten, wonach es keinen Erfahrungssatz gebe, dass gute Deutschkenntnisse, eine intakte Herkunftsfamilie und eine gelungene wirtschaftliche Integration die Gefahr der Begehung von Sexualstraftaten minderten, begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Die Deutschkenntnisse des Klägers und seine bislang gelungene Integration würdigt das Erstgericht nicht unter dem Gesichtspunkt einer reduzierten Wiederholungsgefahr - wie die Beklagte meint -, sondern als im Rahmen des § 53 Abs. 2 AufenthG neben der geringen Gefahr der Begehung weiterer (Sexual-)Straftaten zugunsten des Klägers zu berücksichtigende Belange. Dies ergibt sich eindeutig aus der Gliederung des Urteils, in dem zunächst die geringe Wiederholungsgefahr (1), dann die Integrationsleistungen des Klägers (2) und schließlich die fehlenden Bindungen zum Heimatland behandelt werden (3).

Auch das Vorbringen der Beklagten zur Rechtmäßigkeit der verfügten Ausweisung trotz des noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens des Klägers begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Es ist nicht hinreichend dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 Satz 2 AufenthG vorliegen, wonach von der Bedingung des rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens nur abgesehen werden kann, wenn eine Ausweisung nach § 53 Abs. 3 AufenthG gerechtfertigt wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Der Vollstreckungsleiter kann die Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe zur Bewährung aussetzen, wenn der Verurteilte einen Teil der Strafe verbüßt hat und dies im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, verantwortet werden kann.

(2) Vor Verbüßung von sechs Monaten darf die Aussetzung der Vollstreckung des Restes nur aus besonders wichtigen Gründen angeordnet werden. Sie ist bei einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr nur zulässig, wenn der Verurteilte mindestens ein Drittel der Strafe verbüßt hat.

(3) Der Vollstreckungsleiter soll in den Fällen der Absätze 1 und 2 seine Entscheidung so frühzeitig treffen, daß die erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung des Verurteilten auf sein Leben nach der Entlassung durchgeführt werden können. Er kann seine Entscheidung bis zur Entlassung des Verurteilten wieder aufheben, wenn die Aussetzung aufgrund neu eingetretener oder bekanntgewordener Tatsachen im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, nicht mehr verantwortet werden kann.

(4) Der Vollstreckungsleiter entscheidet nach Anhören des Staatsanwalts und des Vollzugsleiters. Dem Verurteilten ist Gelegenheit zur mündlichen Äußerung zu geben.

(5) Der Vollstreckungsleiter kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(6) Ordnet der Vollstreckungsleiter die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe an, so gelten § 22 Abs. 1, 2 Satz 1 und 2 sowie die §§ 23 bis 26a sinngemäß. An die Stelle des erkennenden Richters tritt der Vollstreckungsleiter. Auf das Verfahren und die Anfechtung von Entscheidungen sind die §§ 58, 59 Abs. 2 bis 4 und § 60 entsprechend anzuwenden. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 6. August 2013 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, seine Abschiebung in den Kosovo angeordnet bzw. bei nicht fristgerechter Ausreise nach Haftentlassung angedroht und die Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung auf (zunächst) fünf Jahre befristet wurden. Die Frist wurde in der mündlichen Verhandlung auf drei Jahre verkürzt. Das Verwaltungsgericht hat mit dem Urteil vom 22. Juli 2015 die Klage abgewiesen.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.

1. Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung (a.F.) für rechtmäßig erachtet.

Der Kläger habe die zwingenden Ausweisungstatbestände nach § 53 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG (a.F.) erfüllt, genieße aber den besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4 AufenthG (a.F.). Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 AufenthG (a.F.) lägen vor, insoweit sei hinsichtlich der abgeurteilten Straftaten und der Umstände der Tatbegehung kein atypischer Fall gegeben, der eine Wiederholungsgefahr ausschließen würde. Die konkrete Wiederholungsgefahr resultiere neben der Schwere der Tat aus einer gewissen Uneinsichtigkeit, die der Kläger hinsichtlich des Tatvorwurfs nach wie vor hege.

Die von der Ausländerbehörde zuletzt getroffene Ermessensentscheidung sei nicht zu beanstanden. Das Gericht verkenne insbesondere nicht die schwierige Lage, die die Ausweisung für den Kläger, vor allem aber auch für seine unzweifelhaft erkrankte Ehefrau bedeute. Jedoch hätten sowohl der Kläger im Kosovo wie auch die Ehefrau in Deutschland mittlerweile erwachsene Kinder, die sich um sie kümmern könnten und müssten.

2. Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist daher zu berücksichtigen. Die Änderung der Sach- und Rechtslage ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant.

Der Senat hat daher das verwaltungsgerichtliche Urteil vom 22. Juli 2015 unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens - mangels entgegenstehender Übergangsregelung - anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der aktuell gültigen Fassung zu überprüfen. Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ausweisung ist nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

3. Mit seinem Vorbringen hat der Kläger die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Ausweisung sei rechtmäßig, gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung, im Ergebnis nicht ernsthaft im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Zweifel gezogen.

a) Der Kläger wendet sich zunächst gegen die Annahme einer fortdauernden konkreten Wiederholungsgefahr bezüglich der Begehung weiterer Straftaten. Das Verwaltungsgericht habe sich zu Unrecht auf „eine gewisse Uneinsichtigkeit“, die der Kläger bezüglich der ihm vorgeworfenen Straftaten weiterhin hege, berufen. Das Sachverständigengutachten vom 15. November 2013, auf das sich der Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 8. Juli 2015 beziehe, sei nunmehr fast zwei Jahre alt und berücksichtige nicht die neuere Entwicklung des Klägers. Unberücksichtigt sei geblieben, dass der Kläger sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu seinen Straftaten bekannt habe. Auch in die Stellungnahme der Bewährungshilfe vom 8. Juli 2015 würde eine Aussage hinsichtlich einer fortbestehenden Rückfallgefahr hineininterpretiert, die dort so nicht enthalten sei. Aussagen des Klägers von vor drei Jahren seien aufgrund des Zeitablaufs und seines zwischenzeitlichen Schuldbekenntnisses nicht mehr berücksichtigungsfähig. Schließlich habe das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt, dass der Kläger sich bis zu seiner Verurteilung über 15 Jahre gänzlich straffrei geführt habe.

Durch diese Ausführungen hat der Kläger die Annahme einer fortdauernden Rückfallgefahr nicht durchgreifend in Frage gestellt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 18). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Das Verwaltungsgericht hat seine Prognose der fortdauernden Rückfallgefahr neben der Schwere der Tat (3 Jahre und 11 Monate Freiheitsstrafe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) insbesondere mit der von ihm festgestellten Uneinsichtigkeit des Klägers begründet und dabei ausführlich dargelegt (UA S. 9-12), wie es zu der Einschätzung der „Uneinsichtigkeit“ gekommen ist.

Es hat sich insoweit zunächst auf den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 29. Januar 2015 gestützt, mit dem diese entschieden hat, dass die Führungsaufsicht gem. § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB nicht entfällt und ihre Höchstdauer von fünf Jahren nicht abgekürzt wird sowie dass der Kläger der Aufsicht und Leitung der zuständigen Bewährungs- und Führungsaufsichtsstelle unterstellt wird. Die Strafvollstreckungskammer führte hier aus, ein Entfallen der Führungsaufsicht nach § 68f Abs. 2 StGB sei nicht in Betracht gekommen, da nach den Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten vom 15. November 2013 keinerlei selbstkritischer Umgang des Klägers mit der stattgehabten Delinquenz vorliege und dieser auch kein Interesse an einer Aufarbeitung zeige. Unter Berücksichtigung sämtlicher Faktoren bestehe beim Kläger durchaus noch eine „mäßige“ Gefahr, dass die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbestehe; eine positive Sozialprognose könne nicht mehr gestellt werden. Weiter ergibt sich aus diesem Beschluss, dass das Strafvollstreckungsgericht außerdem noch aktuelle Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und der Justizvollzugsanstalt einbezogen und den Kläger persönlich angehört hat. Somit hat sich die Strafvollstreckungskammer (und ihm folgend das Verwaltungsgericht) nicht lediglich auf ein zwei Jahre altes Gutachten gestützt, sondern hat eine umfassende Würdigung der gegenwärtigen Situation vorgenommen.

Der Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Kläger sich in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 2015 ausdrücklich zu seinen Straftaten bekannt hat, trifft nicht zu. Vielmehr hat es diesen Umstand ausdrücklich gewürdigt, ihm allerdings im Rahmen seiner umfassenden Beurteilung nur „zweifelhafte Qualität“ zugemessen (UA S. 12); insoweit hat es auch auf den persönlichen Eindruck des Klägers in der mündlichen Verhandlung abgestellt.

Entgegen dem Vortrag in der Begründung des Zulassungsantrags hat das Verwaltungsgericht auch nicht in den Bericht der Bewährungshilfe vom 8. Juli 2015 eine Aussage „hineininterpretiert, die so nicht getroffen wurde“, und damit deren Einschätzung, dass ein geringes Rückfallrisiko bestehe, „missbraucht“. Das Gericht hat den Bericht der Bewährungshilfe umfassend gewürdigt (UA S. 10-11), allerdings darauf abgestellt, dass der Kläger auch nach diesem Bericht nur „eine geringe Bereitschaft, sich mit seiner Straftat auseinanderzusetzen,“ zeige, und darauf hingewiesen, dass auch dieser Bericht dem Kläger „immerhin ein geringes Rückfallrisiko“ attestiere. Aus dem Bericht lasse sich nicht sicher der Schluss ziehen, dass der Kläger wirklich das Unrecht seiner Tat eingesehen habe.

Auch die nachgereichte Stellungnahme der Bewährungshilfe vom 11. November 2015 zeigt keine Fehleinschätzungen des Verwaltungsgerichts (UA S. 9-10) auf. Wenn darauf hingewiesen wird, dass die Führungsaufsicht nicht „trotz“, sondern „wegen“ der vollständigen Verbüßung der Strafe ohne vorzeitige Entlassung auf Bewährung eingetreten sei, ist dem entgegenzuhalten, dass nach § 68f Abs. 2 StGB das Vollstreckungsgericht anzuordnen hat, dass die Führungsaufsicht entfällt, wenn zu erwarten ist, dass die verurteilte Person auch ohne Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird. Dass dies beim Kläger nicht der Fall ist, hat das Strafvollstreckungsgericht in dem Beschluss 29. Januar 2015 dargelegt. Ebenso relativiert der Vortrag, dass dies in der Praxis der Regelfall sei, nicht den Umstand, dass das Strafvollstreckungsgericht die gesetzliche Höchstdauer der Führungsaufsicht von fünf Jahren (§ 68c Abs. 1 Satz 1 StGB) nicht abgekürzt hat. Auch wird die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, der vom Strafvollstreckungsgericht verfügte Auflagenkatalog sei „streng“, nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Bewährungshelferin diese als „Minimalanforderungen“ ansieht.

Im Rahmen der Würdigung der durch die Bewährungshilfe für die Dauer der Führungsaufsicht gestellten Prognose ist auch darauf hinzuweisen, dass es bei einer für eine Ausweisung zu stellenden Gefahrenprognose darum geht, ob es dem Ausländer gelingen wird, über die Zeit der Führungsaufsicht hinaus ein straffreies Leben zu führen. Bei dieser längerfristigen Prognose ist insbesondere maßgeblich, ob der Täter im entscheidungserheblichen Zeitpunkt auf tatsächlich vorhandene Integrationsfaktoren verweisen kann, sich nicht nur während der Zeit der Führungsaufsicht, sondern längerfristig straffrei zu führen.

Deshalb ist auch dem Vorbringen des Klägers, seine früheren Äußerungen vor knapp drei Jahren (im Rahmen der Anhörung vor Erlass des Ausweisungsbescheides) dürften wegen des Zeitablaufs und seinem nunmehr erfolgten „klaren Schuldbekenntnis“ nicht mehr berücksichtigt werden, nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht war durchaus berechtigt und auch verpflichtet, umfassend die persönliche Entwicklung des Klägers bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung in seine Gefahrenprognose einzustellen.

Das Verwaltungsgericht war auch nicht gehalten, dem Umstand, dass der Kläger vor den dann abgeurteilten Straftaten sich „über 15 Jahre gänzlich straffrei geführt“ habe, in seiner Bewertung maßgebliche Bedeutung zuzumessen. Maßgeblich waren vielmehr die mit dem Urteil vom 2. Dezember 2011 abgeurteilten Straftaten; die Prognose, ob weitere derartige Straftaten des Klägers zu erwarten sind, hatte vor allem daran anzuknüpfen.

b) Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise seine Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt.

Die streitgegenständliche Ausweisung des Klägers ist weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Das Verwaltungsgericht hat bei der vom Kläger angegriffenen Entscheidung sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte im Rahmen der Nachprüfung der Ermessensentscheidung berücksichtigt, die nach neuer Rechtslage auch in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet.

Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG ist beim Kläger nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG aufgrund seiner Verurteilung gegeben; sein Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG wiegt nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 AufenthG ebenfalls besonders schwer.

Die Bewertung des Verwaltungsgerichts, die Ausweisung sei ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig, begegnet auch unter dem Blickwinkel der Abwägung im Sinne von § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG keinen ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit. Die vom Kläger zur Begründung seines Zulassungsantrags vorgebrachten Argumente greifen nicht durch.

Der Kläger bringt insoweit vor, das Verwaltungsgericht habe sein Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet aufgrund seiner eigenen Erkrankung sowie aufgrund der auch für das Gericht wohl unzweifelhaft vorliegenden Erkrankung seiner Ehefrau zu gering bzw. gar nicht gewichtet. Seine psychische Erkrankung sei unberücksichtigt geblieben. Bei der Würdigung der Erkrankung der Ehefrau sei übersehen worden, dass bei ihr im Falle einer Trennung von ihrem Ehemann eine massive Suizidgefahr bestehe.

Auch damit werden keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts dargelegt.

Zwar hat das Verwaltungsgericht die Erkrankung des Klägers lediglich insoweit erwähnt, als es „massive Zweifel“ an der Diagnose in der psychologischen Stellungnahme vom 7. Juli 2015 geäußert hat (UA S. 11). Jedoch kann die vorgetragene Erkrankung nicht das Überwiegen des Ausweisungsinteresses in Frage stellen. Die Stellungnahme vom 7. Juli 2015 enthält zwar die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung und einer mittelgradigen depressiven Symptomatik. Auf der Grundlage einer erst am 9. März 2015 aufgenommenen Behandlung enthält es lediglich die Vermutung, Auslöser der Traumatisierung könnten die strafrechtliche Verurteilung und die mehrjährige Inhaftierung sein; eine qualifizierte Darlegung einer erheblichen psychischen Erkrankung (vgl. § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG) ist darin nicht enthalten. Die im Zulassungsverfahren vorgelegte psychologische Stellungnahme vom 5. Oktober 2015 enthält keine weiteren substantiierten Darlegungen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger in seiner umfangreichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 22. Juli 2015 seine Erkrankung ausweislich des Sitzungsprotokolls nicht einmal erwähnt hat.

Entsprechendes gilt auch für den Vortrag, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Würdigung der Erkrankung der Ehefrau deren „massive Suizidalität“ nicht berücksichtigt habe. In der mündlichen Verhandlung am 22. Juli 2015 haben - ebenfalls ausweislich des Sitzungsprotokolls - weder der Kläger noch die als Zeugin vernommene Ehefrau eine Suizidalität ausdrücklich oder der Sache nach erwähnt. Die in der Zulassungsbegründung erwähnte psychologische Kurzstellungnahme vom 2. Mai 2015 äußert letztlich lediglich Vermutungen bezüglich eine „suizidalen Gefährdungspotentials“; in der Kurzstellungnahme vom 5. Oktober 2015 wird festgestellt, dass die Ehefrau hinsichtlich suizidaler Tendenzen glaubhaft distanziert sei, auch hier ist ein suizidales Gefährdungspotential lediglich als Befürchtung dargestellt, wenn sich das psychische Allgemeinbefinden der Ehefrau „nochmals gravierend verschlimmert“.

Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.